DAS DREIZEHNTE KAPITEL. (5.B./2.T./13.K.)

 

DURCH ANRUFUNG, GEBET UND LOB GOTTES

WIRD DER MENSCH MIT GOTT VERBUNDEN,

UND MIT DEM HEILIGEN GEIST ERFÜLLET.

 

Inhalt.

1) Ein andächtiger Beter wird Gottes Freund, und durch solchen freundlichen Umgang mit Gott verbunden, 2) wie die Exempel Samuelis und Abrahams be-zeugen. O welch ein köstliches Ding ist es, durch Beten und Loben mit Gott so lieblich conversieren.

 

Ein andächtiger Mensch, der gerne betet, der schauet und rufet die göttliche Majestät an, durch das Anschauen liebet er dieselbe, und durch die Kraft der Liebe wird er mit derselben verbunden und vereiniget; mit solcher heftigen Liebe wird er bisweilen außer ihm geführet zu dem, welchen er liebet, also und derge-stalt, dass er vielmehr außer ihm als in ihm selber lebet. Bisweilen wird er auch mit einem solchen geistlichen Schmuck und Wollust erfüllet, dass seine Seele wünschet davon zu ziehen, und zu dem lebendigen Gott einzugehen. Ein an-dächtiger Mensch wird Gottes Freund, dass er stets vor sein Angesicht kommt, und in sein Heiligtum gehet, ohne Hindernis, und mit Gott gar freundlich um-gehet. Ich muß hieher ziehen unsers Heilandes tröstlichen Spruch Joh. 10,9. Ich bin die Tür, so jemand durch mich eingehet, der wird selig werden, und wird ein- und ausgehen, und Weide finden. Was bedeutet das Ein- und Ausgehen anders, als eine sonderliche und die allergrößte Freundschaft? Siehe, ich stehe vor der Tür, und klopfe an, so jemand meine Stimme hören wird, und die Tür auftut, zu dem werde ich eingehen, und das Abendmahl mit ihm halten, und er mit mir, Offenb. 3,20. Denn weil der Mensch also mit Gott in Freundschaft stehet, so pfleget sich unser Gott oftmals zu seinem Freund zu begeben. O du liebliche Güte und Freundlichkeit Gottes!

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2. Darum stehet im 1 Buch Sam. 3,10. dass Gott der Herr bei der Nacht den Samuel dreimal bei seinem Namen gerufen und er geantwortet habe: Rede Herr, denn dein Knecht höret. Und darum spricht auch Gott der Herr durch Hoseam Kap. 2,14. Ich will sie locken, und will sie in eine Wüste führen, und freundlich mit ihr reden. Daher schreibt Augustinus und spricht: Gott anrufen, ist so viel, als Gott an sein Herz rufen. Als der Herr zu Abraham kam, sprach er: Ach siehe ich habe mich unterwunden, zu reden mit dem Herrn, wiewohl ich Erde und Asche bin, 1 Mos. 18,27. Als aber der Herr siehet, wie sich Abraham im Gebet demüti-get und erniedriget, so insinuieret er sich bei ihm desto mehr, und redet und conversiert desto freundlicher mit ihm. Er spricht Jes. 66,2.: Ich sehe an den Elenden, und der zerbrochenes Geistes ist, und der sich fürchtet vor meinem Wort.

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3. Durch solches Gespräch des gegenwärtigen Gottes sind die gottesfürchtigen Christen so höchlich erfreuet worden, dass sie auf keine Sache mehr Mühe und Fleiß angewendet haben, als darauf, dass sie durch das liebe Gebet mit Gott möchten Gemeinschaft und Freundschaft haben. Denn dasselbige verbindet wahrhaftig mit Gott, bringet Freude und Friede dem Herzen, und führet mitten unter das Chor der heiligen Engel. Alle menschlichen Gespräche, Conversa-tionen und Freundschaft sind nichts zu achten, wenn sie mit diesem Gottesge-spräch verglichen werden. Wie lieblich und freundlich ist Gott der Herr mit den Propheten und Aposteln umgegangen, durch deren Mund er geredet hat. Welch eine Würdigkeit hat der gehabt, welcher spricht: Der Geist des Herrn hat durch mich geredet, und seine Rede ist durch meinen Mund geschehen? 2 Sam. 23,2. Welch eine Herrlichkeit hat der gehabt, von welchem der Herr sagt: Mündlich rede ich mit ihm, und er siehet den Herrn in seiner Gestalt, nicht durch dunkle Worte oder Gleichnisse? 4 Mos. 12,8. Es ist ein köstlich Ding, spricht David: dem Herrn danken, und deinem Namen lobsingen, du Allerhöchster, Ps. 92,2. Eine andächtige Seele spüret und merket, dass das ein köstlich Ding sei, aber mit Worten kann es nicht ausgesprochen werden. Das Gebet ist köstlich vor Gottes Angesicht, denn der himmlische Vater bringet und gibt schöne Gaben, die edler und köstlicher sind, als Perlen und Gold. Er gibt ein englisches Leben, er gießt ins Herze den Geschmack der ewigen Seligkeit, und richtet zu eine Bereitschaft zur Gesellschaft des ewigen Lebens.

 

Gebet um den Geist des Gebets. (Siehe im Paradiesgärtlein.)

 

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