DAS ZWEITE KAPITEL. (3.B./2.K.)

 

DURCH WAS FÜR MITTEL EIN MENSCH

ZU SEINEM INWENDIGEN SCHATZ KOMMEN SOLL,

NÄMLICH DURCH DEN WAHREN GLAUBEN

UND DURCH EINKEHRUNG IN SICH SELBST.

 

Inhalt.

1) Der Weg, zum inwendigen Schatz einzukehren, ist der wahre Glaube. 2) Aus welchem die Liebe und alle Tugenden ungezwungen hervorquellen. 3) Durch den Glauben kehrt man in sich selbst, und hält einen Herzenssabbat, damit Gott wir-ken könne. 4) Ist nun das Herz von Weltliebe leer, so füllet es Gott mit himmli-schen Gütern.

 

Ihr Übertreter! gehet in euer Herz. Jes. 46,8.

 

Der wahrhaftige Weg, einzukehren zu seinem inwendigen Schatz und höchsten Gut, ist der wahre lebendige Glaube. Wiewohl nun derselbe im ersten und zwei-ten Buche genugsam mit seiner Kraft und Eigenschaft, wie er allein Christo an-hangt, und sich allein auf denselben gründet, erkläret ist; so ist doch von dem-selben noch eines sehr in Acht zu nehmen, nämlich dasjenige, was uns jetzt zu unserm Vornehmen dienet. Ist demnach des wahren lebendigen Glaubens Eigenschaft, Gott von ganzem Herzen getreulich anhangen, seine ganze Zuver-sicht auf Gott setzen, ihm von Herzen vertrauen, sich ihm ganz ergeben, seiner Barmherzigkeit sich überlassen, mit Gott sich vereinigen, eines mit Gott sein und bleiben, allein in Gott ruhen, und seinen innerlichen Sabbat halten, Gott allein lassen seine höchste Begierde, Wunsch und Verlangen, Lust und Freude sein, alle Kreaturen ausgeschlossen, nichts wünschen, nichts begehren, als Gott allein, als das höchste, ewige, unendliche, vollkommene Gut, das alles Gut ist, ohne welches kein wahres Gut sein kann im Himmel und auf Erden, in Zeit und Ewigkeit, und das alles in und durch Christum Jesum, unsern Herrn, welcher ist der Anfänger und Vollender des Glaubens: Hebr. 12,2. Dieser Glaube ist es, der uns zu unserm inwendigen Schatz und höchsten Gut führet. Deß nehmet ein Exempel an David, derselbe hatte eben einen solchen Glauben, als er sprach: Herr! wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erden, Ps. 73,25. Einen solchen Glauben bewies Maria, Lazari Schwester, da sie sich setzte zu den Füßen des Herrn, und sein Wort hörete, Luk. 10,39. Denn dieser Glaube macht und wirkt den rechten Herzenssabbat, in Gott zu ruhen, in welchem inwendigen Sabbat sich Gott offenbaret. Darum sprach der Herr zu Martha: Martha, Martha, du hast viel zu schaffen: Eines ist not. Maria hat das beste Teil erwählet, das wird nicht von ihr genommen werden, Luk. 10,41.42. Welches ist aber das beste Teil? Ohne Zweifel Gott allein in Christo Jesu. Denn durch diesen Glauben, welcher Gott allein im Herzen Statt und Raum gibt, erwählet man das beste Teil. Durch diesen Glauben besitzt Gott des Menschen Herz, und wohnet Christus in uns, samt dem heiligen Geist, und die heilige Dreifaltigkeit, Eph. 3,17. Joh. 14,3.23. Das ist das beste Teil, so ein Mensch erwählen kann, das ist die Seligkeit und das ewige Leben.

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2. In diesem Einigen ist alles begriffen, was zum wahren Christentum gehört, daraus fließt die Liebe und alle Tugend. Denn wer glaubt, der liebt, wer liebt, der hofft, wer hofft, der ist geduldig, wer geduldig ist, ist sanftmütig, wer sanftmütig ist, ist demütig, wer demütig ist, der fürchtet Gott, wer Gott fürchtet, der betet, der kreuziget sein Fleisch, Gal. 5,24. verleugnet sich selbst, hasset sein Leben, verschmähet die Welt, Matth. 16,24. Deswegen St. Johannes, 1 Epist. 5,4. den Glauben nennet den Sieg über die Welt. Auf dies einige Eins weiset der Herr den reichen Jüngling, Luk. 18,22. welcher ihn fragte: Guter Meister! was muß ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe? Und da ihn der Herr auf das Gesetz wies, sprach er: Das habe ich alles gehalten von Jugend auf. Der Herr antwortete: Es fehlet dir noch eins: Verkaufe alles, was du hast, und folge mir, so wirst du einen Schatz im Himmel haben. Da lehret ihn der Herr das Einige, nämlich, das beste Teil erwählen durch den Glauben, und in seinen Ursprung einkehren in Gott, durch den innerlichen Sabbat des Herzens. Aus diesem Einigen quillet heraus das ganze christliche Leben, und alle Gebote, so man erdenken kann, von ihm selbst, als Wasser aus einem Brunnen, nicht aus Not oder Gesetz, sondern aus Liebe und Freiheit des Geistes. Denn Gott wirkt solches alles selbst in uns nach seinem Wohlgefallen, Phil. 2,13. und was er selbst in uns nicht wirket, das er-kennt er nicht für das Seine. Darum bedarf man hie keines Dranggesetzes, Ge-bots oder Verbots. Denn der Glaube tut alles, was zu tun ist, aus freiem Geist, das ist, er überläßt sich Gott, der alles aus Gnaden in uns wirket, und das ist es auch, wovon Jesaja prediget, dass wir zum Herrn kommen sollen, ihn zu hören, und umsonst kaufen, beide Wein und Milch, Jes. 55,1.

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3. So ist nun dies das Mittel, zu unserm inwendigen Schatz zu kommen, nämlich der Glaube, der Gott einen stillen Sabbat hält, und den Menschen macht ein-kehren in sich selbst. Denn gleichwie des Himmels Lauf darum der alleredelste und vollkommenste ist, dass er stets in sich selbst wiederkehret, in seinen Ur-sprung, aus welchem sein Lauf seinen Anfang genommen hat; also ist des Menschen Lauf der alleredelste und vollkommenste, wenn er wiederkehret in seinen Ursprung; welcher ist Gott. Das kann aber nicht anders geschehen, als wenn ein Mensch in sich selbst gehet mit allen seinen Kräften, und seinen Ver-stand, Willen und Gedächtnis erlediget von der Welt, und von allen fleischlichen Dingen, und seine Seele mit allen ihren Begierden zu Gott wendet durch den heiligen Geist, ruhet und feiert von der Welt, durch einen stillen Sabbat, alsdann fanget Gott an in ihm zu wirken. Denn auf diesen Herzenssabbat wartet Gott, und ist seine höchste Freude, dass er sein Werk in uns wirken möge. Denn Gott ist so begierig nach uns, und eilet so sehr, und tut nicht anders, als ob ihm sein göttlich Wesen wollte zerbrechen, und zu nichte werden an ihm selbst, dass er uns offen-bare allen Abgrund seiner Gottheit, und die Fülle seines Wesens und seiner Natur. Da eilet Gott zu, dass er unser eigen sei, gleichwie er sein eigen ist. Nichts mag der Mensch Gott liebers tun, denn ruhig sein, und diesen Sabbat halten. Gott bedarf nicht mehr zu seinem Werk, denn dass man ihm ein demütig und ruhig Herz gebe, so wirket er solche Werke in der Seele, dazu kein Mensch kommen kann. Die ewige Weisheit Gottes ist so zart in ihrem Werk, dass sie nicht leiden mag, dass da eine Kreatur zusehe. So viel nun die Seele ruhet in Gott, so viel ruhet Gott in ihr; ruhet sie ganz in Gott, so ruhet auch Gott ganz in ihr. Brauchst du aber deinen eigenen Willen, deinen Verstand, Gedächtnis und Begierde nach deinem Gefallen, so kann sie Gott nicht brauchen, noch sein Werk in ihnen haben. Denn wenn zwei eins sollen werden, so muß das eine ruhen und leiden, das andere muß wirken. Nun ist aber Gott eine unendlich stetig wirkende Kraft, und lauter Bewegung, und ruhet nicht, sondern wirket in dir, wofern er zu seinem Werk kommen kann, und du ihn nicht hinderst. Welches durch dies Gleichnis besser kann verstanden werden: Wenn dein Auge sehen soll, und ein Bild empfahen, so muß es bloß und ledig sein aller Bilder und Formen. Denn so es ein Bild und Form in ihm hätte, so könnte es nicht sehen, oder ein Bild fassen; also auch die Seelen mit ihren Kräften, Verstand, Willen, Gedächtnis, Begierde, können Gott nicht fassen, wenn sie voll sind der Welt und der irdischen Dinge. Gleichwie das Ohr leer sein muß von allem Getön, wenn es soll ein gut Saiten-spiel hören, also auch deine Seele muß leer sein von der Welt, soll sie Gottes Lieblichkeit hören. Je mehr sich nun die Seele abzieht von irdischen Dingen, je himmlischer sie wird; je mehr sie sich der fleischlichen Lüste entschläget, je mehr sie teilhaftig wird göttlicher Natur, 2 Petr. 1,4.

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4. Die Natur leidet keine leere Statt, sie erfüllet alle Dinge in ihr selbst; es müßte eher die Natur brechen, als etwas Leeres in ihr sein und bleiben sollte, und durch dies Mittel sind große Künste erfunden worden; also, wenn der Mensch sein Herz gar ausleeret von der Weltliebe, eigenem Willen, Lüsten und Begierden, und stehet dieses alles ledig, so kann es Gott nicht lassen, er muß die leere Statt mit seiner göttlichen Gnade, Liebe, Weisheit und Erkenntnis erfüllen. Willst du aber voll sein dieser Welt, so bist du leer der himmlischen Dinge. Da Abraham ausging aus seinem Vaterlande und von seiner Freundschaft, auf Gottes Befehl, da war er von Gott erleuchtet, 1 Mos. 12,1. Kap. 13,1. Unsere fleischlichen Affekten, eigene Liebe, eigener Wille, eigene Weisheit, eigene Ehre, eigene Lust, sind unsere nächsten Freunde; es tut dem Fleisch wehe, dieselben zu verlassen und von ihnen auszugehen. Aber mit dem allem, so ist dies der Anfang zu dem ver-borgenen Schatz, und zu der köstlichen Perle im Acker, wie unser Herr Matth. 13,46. sagt: Ein Mensch verkaufte alles, dass er die Perle kaufen möchte. Was ist das anders, als was der Herr sagt, Mark. 10,29. Wer um meinetwillen lässet Vater und Mutter, Brüder, Schwestern, Häuser, Äcker, der wird es hundertfältig finden und dazu das ewige Leben. Unsere fleischlichen Affekten, Wille und Lüste, sind unsere Brüder und Schwestern, die wir lassen sollen. Gleichwie die Jungfrau Maria eine reine unbefleckte Jungfrau war (und bleibet in Ewigkeit), als sie Christum leiblich empfing, Luk. 1,27. also unsere Seele soll sein wie eine reine unbefleckte Jungfrau, d. i. sie soll nicht mit Weltliebe befleckt sein, so wird sie Christum geistlich empfangen, so hat sie den höchsten Schatz in ihr, so ist sie, des Königes Tochter, inwendig geschmücket, Ps. 45,14. und trägt ihren Schatz in ihr verborgen. Ist sie aber mit der Welt vermählet, wie kann sie mit Gott ver-mählet werden? Es spricht unser Herr Christus, Luk. 12,49. Ich bin kommen, ein Feuer anzuzünden; und wollte Gott, dass in dem Feuer der göttlichen Liebe alle unsere Affekten, fleischlicher Wille und Lüste verbrenneten, dass allein Gottes Wille und Wohlgefallen in uns vollbracht würde. Er spricht v. 51. Ihr sollt nicht meinen, dass ich kommen bin, Friede zu bringen, sondern Krieg und Schwert. Wollte Gott, es würden durch den Geist Gottes alle deine fleischliche Sinne und Begierden getötet und erwürget, auf dass Gott in uns leben und wirken möge. So dich aber dein Amt und Beruf hindert, dass du nicht in dein Herz gehen kannst, sollst du allezeit, bei Tage oder Nacht, einen Ort suchen oder eine Zeit erwählen, einzukehren in den Grund deines Herzens, auf was Weise du kannst und magst, und mit St. Augusto sagen: Ach lieber Herr, ich will ein Geding mit dir machen, ich will recht in mir sterben, auf dass du in mir lebest; ich will selber ganz in mir schweigen, auf dass du in mir redest; ich will auch selber in mir ruhen, auf dass du in mir wirkest.

 

Gebet um die Ruhe der Seele in Christo. (Siehe im Paradiesgärtlein.)

 

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