DAS DRITTE KAPITEL. (2.B./3.K.)

 

DASS UNSERE GERECHTIGKEIT VOR GOTT ALLEIN BESTEHE

IN DEM VOLLKOMMENEN GEHORSAM UND VERDIENST JESU CHRISTI, UND IN DER VERGEBUNG DER SÜNDEN,

WELCHE DER GLAUBE ERGREIFT.

 

Inhalt.

1) Der Grund unserer Gerechtigkeit ist Gottes Barmherzigkeit in Christo, 2) wel-cher der Grund und Eckstein der Seligkeit ist. Diese Gerechtigkeit muß allein durch den Glauben ergriffen werden: 3) 1. Dass der Mensch von innen heraus gerechtfertigt werde. 4) 2. Weil der Glaube Gottes und nicht Menschen Werk ist. 5) 3. Auf dass unser Herz sich von sich selbst ab-, und allein zu Christo wendete. 6) 4. Dass Christi Gerechtigkeit durch den Glauben unser eigen würde. 7) 5. Damit unsere Gerechtigkeit einen ewigen Grund habe, als die auf keine Kreatur gegründet ist. 8) 6. Weil der Glaube auf Gottes Wahrheit gebaut, und daran ge-bunden ist. 9) 7. Auf dass Christus allein die Ehre behalte. 10) Und das ist unser höchster Trost, Ehre, Weisheit, Sieg.

 

Wie durch eines Menschen Ungehorsam viele Sünder worden sind, also sind durch eines Menschen Gehorsam viele gerecht worden. Röm. 5,19.

 

Gleichwie ein guter Baumeister, wenn er ein hohes Gebäu aufrichten will, zuvor einen tiefen, dauerhaften Grund legen muß; also, der gnädige und barmherzige Gott, als er wollte das hohe ewige Gebäu unserer Seligkeit und Gerechtigkeit aufführen, legte er den Grund in die Tiefe seiner Barmherzigkeit auf den ewigen und beständigen Grund der Person und des Amts seines lieben Sohnes, unsers Herrn Jesu Christi, als auf den rechten Felsen des Heils, der nicht wanket, wie er solches durch den Propheten Jesaja 28,16. verheißen hat: Siehe, ich lege einen Grundstein in Zion, einen bewährten Stein, einen köstlichen Eckstein, der wohl gegründet ist: wer glaubt, der fehlet nicht. Welchen Grund und Fels der Herr St. Petro zeiget und andeutet, darauf er seine Gemeine bauen wolle, so fest und ge-wiß, dass sie auch die Pforten der Hölle nicht überwältigen sollen, Matth. 16,18.

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2. Welchen Grund auch St. Paulus und Petrus predigen, 2 Tim. 1,9. 1 Petr. 2,4. Und der 118. Ps. v. 22. gründet sich auf diesen wunderbaren Eckstein. Auf diesen Grund hat Gott unsere Gerechtigkeit, Seligkeit und den Glauben gebauet. Gleichwie aber unser gnädiger, lieber himmlischer Vater den Grund unserer Seligkeit und Gerechtigkeit in den tiefen Abgrund seiner Barmherzigkeit gelegt hat, in seine ewige Liebe, in seinen lieben Sohn, in sein allerfreundlichstes Vaterherz; also hat er auch dieselbe gelegt in die Tiefe unsers Herzens, in den innersten Grund unserer Seele, auf dass durch das neue göttliche Licht und Kraft des Glaubens, den er in uns durch den heiligen Geist wirket, allein Christi Ge-rechtigkeit ergriffen, und uns aus Gnaden allein durch denselben Glauben zuge-rechnet und geschenkt werde, ohne alle unsere vorgehende und nachfolgende Werke, darum:

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3. 1) Auf dass er den Menschen von innen heraus rechtfertige, aus dem Grunde der Seele, gleichwie der Mensch in den innersten Kräften der Seele abgründlich tief vergiftet ist, durch den Satan.

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4. 2) Muß unsere Gerechtigkeit allein aus dem Glauben kommen, weil denselben Gott wirket, auf dass er bestehe allein in Gottes Werk, und nicht in äußerlichen Menschenwerken oder Heuchelei, wie die pharisäische Gerechtigkeit, die nur auswendig war, und nicht im Herzensgrund, Matth. 5,20.

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5. 3) Auf dass unser Herz, Geist und Seele sich wieder abwendete von allen eigenen menschlichen Kräften und Vermögen, zu welchen sie sich durch des Teufels Verführung geneigt hatte, durch eigene Ehre, Liebe und Hoffart; und dagegen sich bloß lauter wendete zu Christi teurem Verdienst und Genugtuung, aus welchem allein Vergebung aller unserer Sünden aus Gnaden herfließt, darum, dass Christus Jesus allein für der Welt Sünden genug getan, und den Vater versöhnet hat.

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6. 4) Auf dass Christi Gerechtigkeit unser eigen würde durch den Glauben; da-rum er auch durch sein Wort und Geist in unsern Herzen den Glauben wirken und anzünden lässet, auf dass wir durch denselben dieses unaussprechlichen Schatzes teilhaftig werden können. Denn dies ist der höchste, unausdenkliche und unaussprechliche Trost, dass unsere Gerechtigkeit nicht eines Menschen, nicht eines großen Herrn, nicht eines Engels Gerechtigkeit, sondern Christi Gerechtigkeit, Gottes Gerechtigkeit ist; Gott ist hie, der gerecht macht, Röm. 8,33. Darum, wenn eines Menschen Sünde die ganze Welt erfüllte, so ist doch Christi Verdienst größer, denn er ist der Gott, der unsere Gerechtigkeit ist, Jer. 33,16. Sollte denn die Sünde mächtiger sein, als Gott? Ist gleich, als wenn man einen Gulden schuldig wäre, und man bezahlte den Schuldherrn mit tausendmal tausend Zentner Goldes; so ist Christi Blut, welches St. Paulus Gottes Blut nennet, zu rechnen gegen unsere Sünden; so groß ist Christi Gerechtigkeit, die er uns schenkt durch den Glauben, also, dass wir nicht allein durch ihn gerecht werden, sondern dass wir in ihm werden die Gerechtigkeit selbst, 2 Kor. 5,21. Denn gleichwie es nicht genug ist, dass man ein armes kleines Kind wäscht und reinigt von seiner Unsauberkeit, und läßt es hernach nackend liegen, sondern man muß es auch wieder anziehen, mit weißen, reinen Hemden und leinenen Tüchern bekleiden, Ezech. 16,10. Also hat uns Christus, unser Herr, nicht allein rein gewaschen mit seinem Blut, sondern auch mit dem Kleide des Heils, und mit dem Rocke der Gerechtigkeit bekleidet. Denn wir haben Zweifältiges empfangen von der Hand des Herrn, Jes. 40,2. Welches Kleid Jesaja Kap. 61,10. nennet ein priesterlich Kleid, das ist, ein heiliges Kleid; und Ps. 29,2. einen heiligen Schmuck, Offenb. 19,8. Weiße Seide, welches ist die Gerechtigkeit der Heiligen. Der Prophet Amos Kap. 5,24. nennet es Ströme der Gerechtigkeit, St. Paulus Röm. 5,20. eine mächtige, überfließende Gnade; Eph. 2,7. den überschwengli-chen Reichtum der Gnade. Das ist eine so große Gerechtigkeit, dass sie kein Mensch ausdenken kann, so groß als Gott selbst. Denn, obwohl unsere ersten Eltern in ihrer Unschuld eine vollkommene Gerechtigkeit gehabt, so haben sie doch nicht eine so hohe überfließende Gerechtigkeit gehabt, als wir jetzt in Christo haben. Denn Christi Gerechtigkeit und Heiligkeit, die er uns schenkt durch den Glauben, ist viel größer, als die uns Adam hätte können anerben, wenn er schon nicht gefallen, sondern in der Unschuld geblieben wäre. So ist auch Christus mit einer höhern Demut und Gehorsam Gott wohlgefällig gewesen, als Adam in seiner Unschuld; denn er ist mehr als tausend Adam in seiner Unschuld. Und ob uns gleich Adam die Erbgerechtigkeit hätte in der Unschuld angeerbt, und uns mit derselben vereinigt; so ist doch die Vereinigung, so wir mit Gott haben in Christo, viel größer, indem Christus Mensch worden, unsere menschliche Natur angenommen, und dieselbe so hoch gereiniget in ihm selbst, ja viel höher, als sie immer in Adam gewesen ist. Bleibt auch mit derselben einmal angenommenen menschlichen Natur ewig vereiniget, und in derselben alle Gläubige. Denn Christus ist ganz unser, und wir sind ganz sein. Und so rein als er nun seine menschliche Natur gemacht in seiner Person, so rein hat er unsere Natur auch vor Gott gemacht, welches wir in der Verklärung an jenem Tage erfahren werden, wenn unsere sterblichen Leiber ähnlich worden sein seinem verklärten Leibe, Phil. 3,21. Hie heißt es im Glauben: Siehe, meine Freundin, du bist schön, schön bist du; Hohel. 1,15. und Eph. 5,27. Herrlich, ohne Runzel und Makel; und Ps. 45,14. Inwendig schön mit güldenen Stücken ge-schmücket. Summa, unsere Gerechtigkeit ist so groß in Christo, als Gott selbst, dass wir sie in Ewigkeit nicht werden ergründen können, so wenig als Gott selbst. Darüber alle Kreaturen erstarren müssen, und können wider den Menschen nichts aufbringen, sondern müssen sagen: Wer will den Menschen verdammen? Ist doch Gottes Sohn selbst seine Gerechtigkeit. Siehe, das ist des Glaubens Gerechtigkeit, darauf wir so fest bauen, als auf einen ewigen Grund; derer wir uns freuen und rühmen in Zeit und Ewigkeit; dadurch wir siegen und triumphieren über alle Welt, Sünde, Tod, Teufel und Hölle, dadurch wir auf Löwen und Ottern gehen, und treten auf junge Löwen und Drachen, Ps. 91,13. Luk. 10,19.

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7. 5) Unsere Gerechtigkeit kann auf keinen Engel gebaut werden, denn es ist kein Engel für uns gestorben. Viel weniger auf einen Menschen; denn wie bald wanket ein Mensch mit seiner Gerechtigkeit, wie bald fällt er dahin? So liegt denn darnieder im Kot alle seine Gerechtigkeit, und so er fällt, wird seiner Gerechtig-keit nicht mehr gedacht, Ezech. 18,24. Kap. 33,13. Darum muß unsere Ge-rechtigkeit einen andern, festen, beständigen Grund haben, der nicht hinfällt, wenn gleich Berge und Hügel hinfallen; der da bleibt, wenn alles vergehet, Jes. 54,10. Es wird eine ewige Gerechtigkeit gebracht werden, Dan. 9,24. Mein Heil bleibet ewiglich, und meine Gerechtigkeit wird nicht verzagen, Jes. 51,6. Es muß fürwahr das allerhöchste, ewige, unendliche, Gut sein, das uns durch eine ewige Person, durch die höchste Person, durch eine unendliche höchste Bezahlung erworben ist.

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8. 6) Hat Gott unsere Gerechtigkeit durch den Glauben zu ergreifen verordnet, weil derselbe auf Gottes Wahrheit und Verheißung gebauet, und daran gebun-den, durch welche Gott die Gerechtigkeit dem Abraham und allem seinem gläubi-gen Samen verheißen und zugesagt. Darum, schließt St. Paulus: Röm. 4,16. muß die Gerechtigkeit aus dem Glauben kommen, auf dass sie sei aus Gnaden, und die Verheißung fest bleibe. Auf diese Verheißung der Gnaden, so in Christo erfüllet ist, hat Gott unsere Gerechtigkeit und Seligkeit erbauet, wie der Apostel Gal. 3,6. seq. bezeugt: Gleichwie Abraham hat Gott geglaubt, und es ist ihm zu-gerechnet zur Gerechtigkeit; so erkennet ihr nun, dass die des Glaubens sind, die sind Abrahams Kinder. Die Schrift aber hat zuvor ersehen, dass Gott die Heiden durch den Glauben gerecht mache; darum verkündiget sie dem Abraham: In dir sollen alle Heiden gesegnet werden, 1 Mos. 12,3. Also werden nun, die des Glaubens sind, gesegnet mit dem gläubigen Abraham. Diese Gnade und Wahr-heit ist uns durch Jesum Christum worden, Joh. 1,17.

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9. Und endlich zum 7) so hat auch Gott der Herr unsere Gerechtigkeit auf seine Gnade und Christi Verdienst gegründet, Jes. 45,22.23.24. Kap. 53,11. auf dass Christus unser Herr allein die Ehre behalte. Denn aus ihm allein kommt unser Heil, Hos. 13,9. Er ist unserer Gerechtigkeit und Seligkeit Anfang, Mittel und Ende. Auf dass aller Mund verstopfet werde, spricht St. Paulus Röm. 3,19. und Eph. 2,8. Gottes Gnade ist es, nicht aus den Werken, auf dass sich kein Fleisch rühme. Wenn aber unsere Gerechtigkeit auf uns selbst, auf unsere Werke und Verdienst gegründet wäre, so wäre die Gnade nichts, wir bedürfen auch keiner Gnade und Barmherzigkeit, und keiner Vergebung der Sünden, darum doch Gott alle Heiligen bitten, Ps. 32,6. Es wäre auch die Demut und Furcht Gottes, der Glaube und Gebet aufgehoben; wir bedürfen auch keines Mittlers, Erlösers, Heilandes, Seligmachers, und Christus wäre umsonst gestorben; wir wären auch schuldig, das ganze Gesetz mit vollkommenem, innerlichem und äußerlichem Gehorsam zu erfüllen; wären auch unter dem Fluch, und aus der Gnade gefallen, und hätten Christum verloren, wie St. Paulus Gal. 3,4.5. ausdrücklich bezeugt. So sehr ist die Lehre von der Gerechtigkeit der Werke vor Gott, dem Fundament der ganzen Schrift alten und neuen Testaments, und dem heiligen christlichen Glauben zuwider.

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10. Dass aber unsere Gerechtigkeit und Seligkeit auf Gottes ewige Gnade, auf Christi ewige Person und Amt erbauet und gegründet ist, und wir in Christo ewig gerecht, fromm, heilig, lebendig, selig, Gottes Kinder und Erben sein, ja dass Christi Gerechtigkeit unsere Gerechtigkeit, Christi Frömmigkeit unsere Frömmig-keit, Christi Heiligkeit unsere Heiligkeit, Christi Leben unser Leben, Christi Selig-keit unsere Seligkeit, Christi Kindschaft und Erbe unser Erbe ist, ja dass Christus ganz unser ist, nach seiner Gottheit und Menschheit: (denn Gott hat uns den ganzen Christum geschenket zu einem Erlöser und Seligmacher, dass er ganz unser eigen sei mit seiner Person, Amt, Gnade, Herrlichkeit und Seligkeit) das ist unser höchster Trost, Ehre, Ruhm, Preis, Liebe, Freude, Friede vor Gott, den Engeln und Auserwählten, unsere höchste Weisheit und Kunst, Stärke, Kraft, Sieg, Trotz wider die Sünde, Tod, Teufel, Hölle, Verdammnis, Welt und alle Fein-de. Dafür sei Gott gelobt in Ewigkeit! Amen.

 

Gebet um die Gerechtigkeit des Glaubens.

 

Ich danke dir, barmherziger Gott und Vater! dass du mich, ohne mein Verdienst und Würdigkeit, aus deiner Gnade, durch die Erlösung, so durch Jesum Christum geschehen ist, gerecht und selig machen willst, und nur begehrest, dass ich mich im wahren Glauben auf deine teure Verheißungen gründe, und die vollgültige Gerechtigkeit, die du darbietest, ergreife und sie mir zueigne. Ach, laß mich doch im Glauben nicht schwach, wankend oder falsch sein, sondern zünde in meinem Herzen an, vermehre und stärke allezeit das neue und göttliche Licht und die Kraft des Glaubens, damit ich Jesum also fasse, dass er durch den Glauben in mir wohne, und durch die Liebe eingewurzelt und gegründet, ich auch durch ihn mit allerlei Gottesfülle begabt, und sodann die Gerechtigkeit, vom Gesetz erfor-dert, in mir erfüllet werde, dir zum ewigen Preis, und mir zur Versicherung der Seligkeit, Amen.

 

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