DAS ZWEITE BUCH

VOM WAHREN CHRISTENTUM.

 

VORREDE

ÜBER DAS ZWEITE BUCH VOM WAHREN CHRISTENTUM.

 

Inhalt.

1) Der alte Mensch muß sterben, wenn der neue leben soll, wie das erste Buch zeiget. 2) Dies andere gibt Unterricht von Christo, Kap. 1-3; von Glaubens-früchten, Kap. 4-6; täglicher Buße; Kap. 7-10; Nachfolge Christi in Demut und Geduld, Kap. 11-25. 3) Da lernen wir das höchste Gut erkennen, Kap. 26-33; bei Übung des Gebets und Lobes Gottes, Kap. 34-43. An Kreuz und Anfechtung fehlet es auch nicht; doch ist auch reicher Trost vorhanden, Kap. 44-58.

 

Gleichwie in der Natur, lieber christlicher Leser! eines Dinges Untergang des andern Anfang ist, also geht es auch zu im wahren christlichen Leben. Denn der alte fleischliche Mensch muß zuvor untergehen, soll der neue geistliche Mensch hervorkommen. Und weil unser fleischliches Leben dem heiligen Leben Christi ganz zuwider ist, wie im ersten Buche genugsam erkläret worden, so müssen wir ja notwendig unser fleischliches Leben verleugnen, ehe wir das geistliche Leben Christi anfangen, oder demselben nachfolgen können. Als zum Exempel: du mußt ja zuvor aufhören, hoffärtig zu sein, ehe du anfängst, demütig zu werden. Darum muß das geistliche, christliche Leben notwendig von der Buße angefan-gen werden. Um dieser Ursache willen ist das erste Buch also verfasset, wie aus der Ordnung der Kapitel desselben, und aus dem Beschluß zu vernehmen ist.

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2. Demnach aber in diesem andern Buche die Lehre von der Buße in etlichen Kapiteln wiederholt wird, muß ich dessen Ursache, neben der Ordnung dieses Buches, kürzlich andeuten. Weil das Hauptstück des ersten Buches beruhet in Erkenntnis des abscheulichen, tödlichen und verdammlichen Giftes der Erb-sünde, welches nicht genug kann erkannt werden; so muß notwendig das andere Buch angefangen werden von unserm ewigen Heilbrunnen, Jesu Christo, in welchem wir wider gedachtes greuliches Gift der angebornen Sünden, und allen daraus quellenden Jammer und Elend, Arznei und Hilfe durch den Glauben finden. Solches ist in den drei ersten Kapiteln des zweiten Buches begriffen. Weil aber der Glaube, welcher solche Güter aus dem Gnadenbrunnen Christo Jesu schöpfet, lebendige Früchte bringen muß, so sind dieselben in den drei folgen-den Kapiteln beschrieben, im 4. 5. 6. Sollen aber die Früchte der Gerechtigkeit und des Geistes in uns wachsen, so müssen die Früchte des Fleisches unter-gehen. Und das ist die tägliche, wahre, wirkliche, rechtschaffene Buße, darinnen ein Christ stets leben und sich üben muß, soll anders das Fleisch getötet werden, und der Geist in uns herrschen. Dazu ist vonnöten ein klarer Bericht vom Unter-schied des Fleisches und Geistes, und von den Eigenschaften der täglichen Buße. Darauf gehen die vier folgenden Kapiteln, das 7. 8. 9. 10. Weil aber aus solcher täglichen Buße und Tötung des alten Menschen (denn eines wahren Christen Leben nichts anders sein soll, denn eine stetige Kreuzigung des Flei-sches) täglich ein neuer Mensch hervorkommen soll, so kann man keine bessere Ordnung finden, als wie uns Christus, unser Herr, mit seinem Exempel ist vorge-gangen. Darum folgt ferner, wie Christi Leben unser Spiegel sein soll, und fangen billig an, an seiner Armut, Schmach, Verachtung, Traurigkeit, Kreuz, Leiden, Tod, welches heilige Leben Christi unsers Fleisches Kreuzigung ist; dazu gehöret Gebet, Liebe und Demut. Solches ist in folgenden fünfzehen Kapiteln begriffen, Kap. 11 bis 25.

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3. An dieser Niedrigkeit und Demut unsers Herrn Jesu Christi steigen wir auf, als an der rechten Himmelsleiter, in das Herz Gottes, unsers lieben Vaters, und ruhen in seiner Liebe. Denn an Christi Menschheit müssen wir anfangen und aufsteigen in seine Gottheit. Da schauen wir in Christo an das Herz unsers lieben Vaters im Himmel, wir schauen Gott an als das höchste, ewige, wesentliche, unendliche Gut, als die unermeßliche Allmacht, als die unergründliche Barm-herzigkeit, als die unerforschliche Weisheit, als die lauterste Heiligkeit, als die unsträfliche und unendliche Gerechtigkeit, als die süßeste Gütigkeit, als die edelste Schönheit, als die lieblichste Holdseligkeit, und als die holdseligste Lieblichkeit, als die freudenreichste Seligkeit, welche die vornehmsten Stücke sind des beschaulichen Lebens. Dazu gehören die acht folgenden Kapitel, das 26. bis 33. Dieweil aber solche Betrachtungen ohne Gebet nicht geschehen können, so folgen hernach zehen Kapitel vom Gebet und schönen Lobe Gottes, das 34. bis 43. Und endlich, weil solche Gottseligkeit in Christo Jesu Verfolgung leiden muß, so folgen fünfzehen Kapitel von Geduld in Kreuz, von hohen geist-lichen Anfechtungen, wie dieselbe zu überwinden, das 44. bis 58. Gott helfe uns, dass wir alle getreue Nachfolger Christi sein, und uns seines heiligen Lebens nicht schämen, sondern dem Lamm Gottes nachfolgen, wo es hingehet, dass es uns leite zu dem lebendigen Wasserbrunnen, und alle unsere Tränen von unsern Augen abwische, Amen.

 

                                                    Johann Arndt,

                                                 General-Superintendent im Fürstentum Lüneburg.

 

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