DAS DREIUNDDREISSIGSTE KAPITEL. (2.B./33.K.)

 

WIE DIE LIEBHABENDE SEELE GOTT SIEHET,

ALS DIE EWIGE WEISHEIT.

 

Inhalt.

1) Gott ordnet und regieret alles nach seiner unerforschlichen Weisheit. 2) Er rufet uns mit Namen, ehe wir geboren werden, schaffet Licht und Finsternis. 3) Ordnet alles weislich, siehet und höret alles zuvor, 4) der uns sehende Augen und hörende Ohren gegeben. 5) O wie verdrießt Gott unsere Undankbarkeit, da er doch alles zu unserm Besten geschaffen. 6) Denn aller Kreaturen Kräfte sind Hände der Gütigkeit Gottes. 7) 8) Die Weisheit Gottes hat auch unser Kreuz zuvor gesehen, ingleichen große Landplagen. 9) Und wenn es uns auch närrisch und widersinnig dünket; 10) so müssen wir Gott doch das Lob der Weisheit ge-ben, 11) welche aus der Erlösung und Erneuerung des Menschen am herrlich-sten hervorleuchtet. Denn da erleuchtet 1. Christus unsern blinden Verstand; 12) 2. heiliget unsern verkehrten Willen; 13) 3. schaffet uns ein neues Herz und Sinn, 14) 15) und wird also, durch das wesentliche Bild Gottes das verlorne göttliche Ebenbild wieder erneuert.

 

Gott sind alle seine Werke von Ewigkeit her bekannt. Ap. Gesch. 15,18.

 

Gott ordnet, regieret, beweget, regulieret alles nach seiner unerforschlichen Weisheit, wie Jes. 45,4.5. seq. geschrieben ist: Ich rief dich bei deinem Namen, und nennete dich, da du mich noch nicht kanntest. Ich bin der Herr, und sonst keiner mehr, kein Gott ist ohne dich; der ich das Licht mache, und schaffe die Finsternis, der ich Friede gebe, und schaffe das Übel. Ich bin der Herr, der solches alles tut. Wehe dem, der mit seinem Schöpfer hadert, nämlich der Scherben mit dem Töpfer des Tons. Spricht auch der Ton zu seinem Töpfer, was machst du? Du beweisest deine Hände nicht an deinem Werk. Wehe dem, der zum Vater sagt: Warum hast du mich gezeuget? und zum Weibe: Warum ge-bierest du? So spricht der Herr, der Heilige in Israel und ihr Meister: Fordert von mir die Zeichen, und weiset meine Kinder, und das Werk meiner Hände zu mir. Ich habe die Erde gemacht, und den Menschen darauf geschaffen. Ich bin es, dessen Hände den Himmel ausgebreitet, und allem seinem Heere geboten.

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2. Dies ist ein gewaltiges Zeugnis von der ewigen Weisheit, wunderbaren und unbegreiflichen Regierung des allmächtigen Gottes, welche zu spüren ist, erstlich in dem, dass er einen jeden unter uns bei seinem Namen genennet und gerufen hat, da wir ihn nicht kannten, da wir nicht waren, Jes. 45,4. Unser Name aber, womit uns Gott rufet, ist unser Glaube und Amtsberuf, und der ganze Lauf unsers Lebens. Da sind wir mit unserm ganzen Leben, Anfang, Mittel und Ende, mit unserm Eingang und Ausgang, wie es der Ps. 121,8. nennet, in Gottes ewiger Weisheit und Vorsehung eingeschlossen, Ps. 139,16. Er zählet die Sterne und nennet sie alle mit Namen, Ps. 147,4. das ist, gibt ihnen ihren Lauf, Kraft und Wirkung, wie vielmehr den Menschen. Gott machet Licht und Finsternis, er gibt Friede, und schaffet Krieg. Jes. 45,7. das ist die gerechte Strafe der Sünde, die schaffet er, und läßt es zu, ja er kann wohl dem Schwert rufen, und ihm Befehl tun, Jer. 49,2.

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3. Summa, er ordnet alles weislich, siehet alles zuvor, und höret alles, wie der Ps. 94,8.9.10. spricht: Merket doch, ihr Toren, wann wollt ihr klug werden? Der das Ohr gemacht hat, sollte der nicht hören? Der das Auge gemacht hat, sollte der nicht sehen? Der die Heiden züchtiget, sollte der nicht strafen? Der die Men-schen lehret, was sie wissen.

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4. Da lehret uns der liebe David, dass Gott einen Spiegel seiner Allwissenheit und ewigen Weisheit in den Menschen gelegt habe, in das hörende Ohr, und in das sehende Auge, welches zwei bewundernswerte sinnliche Kräfte sind am menschlichen Leibe.

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5. Gleichwie es nun einen Menschen heftig verdrießt, wenn er etwas Unbilliges siehet und höret; sollte Gott, der ein allsehendes Auge, ein allhörendes Ohr hat, nicht vielmehr verdrießen der Menschen Undankbarkeit? Da er doch durch seine Weisheit alles geordnet, dass es dem Menschen dienen soll. Die Sonne hat er durch seine Weisheit gemacht, dass sie uns leuchten soll, nicht sich selbst; das Wasser tränket nicht sich selbst, sondern uns; die Erde gibt ihre Früchte nicht ihr selbst, sondern uns; das Feuer wärmt sich nicht selbst, sondern uns; die Luft gibt sich nicht selbst Odem, sondern uns; das Brot speiset sich nicht selbst, sondern uns; ein Kraut heilt sich nicht selbst, sondern uns.

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6. Die ewige Weisheit Gottes hat so viele Kräfte in die Kreaturen gelegt, und so weislich ausgeteilt, dass dieselben nichts anders sind, als lauter Hände, dadurch die Weisheit und Gütigkeit Gottes uns ihre Schätze austeilt, wie Hiob 12,9.10. spricht: Wer weiß solches nicht, dass des Herrn Hand alles gemacht hat, und dass in seiner Hand ist die Seele alles, das da lebet, und der Geist alles Fleisches? v. 7.8. Frage das Vieh, das wird dirs sagen, oder rede mit der Erde und mit den Fischen des Meeres, die werden dirs erzählen, dass bei Gott ist Recht, Gewalt, Weisheit. Siehe, wenn er zerbricht, so hilft kein Bauen, wenn er zuschließt, so kann niemand auftun, Hiob 26,7.8. Er fasset die Wasser zu-sammen, wie in einen Schlauch, in seine Wolken, und die Wolken zerreißen darunter nicht. Er breitet aus die Mitternacht nirgend an, und hängt die Erde an nichts.

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7. Weil nun Gott der Herr alle Dinge ordnet durch seine Weisheit, so hat er auch unser Kreuz zuvor gesehen, darum wir auch nicht murren sollen, sondern Gottes Weisheit preisen, und Geduld lernen. Denn es kann nicht anders gehen, als wie es Gott ordnet und gesehen hat. Nicht allein aber das, was uns insonderheit widerfähret, ist die allerweiseste Ordnung Gottes, sondern auch alle große Landplagen, Hunger, Krieg, Pestilenz, Veränderung der Reiche. Also, wenn wir gedenken, es sei lauter Zerrüttung, Verderben und Untergang, so ist es die allerweiseste Ordnung Gottes. Welches wir aus den biblischen Geschichten abnehmen können, da Hunger, Krieg, Pestilenz, Zerstörung der Reiche der Welt, Untergang des jüdischen Reiches und der Kaisertümer beschrieben sind, die Gefängnis und anders vielmehr, Pr. Sal. 3,14. Ich merke, dass alles, was Gott tut, das bestehet immer; man kann nichts dazu, noch weg tun, und das tut Gott, dass man sich vor ihm fürchten soll.

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8. Item: Pr. Sal. 7,14. Siehe an die Werke des Herrn, wer kann das schlecht ma-chen, was er krümmet?

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9. Wenn wir nun solches recht ansehen, so müssen wir bekennen, Gott hätte es nicht weiser machen können. Also ist es mit den Verfolgungen im neuen Testa-ment, mit unserm Herrn Jesu Christo, mit dem heiligen Evangelio, mit den hei-ligen Märtyrern und allen andern Dingen. Das däucht uns allen widersinnig und närrisch, und ist doch die höchste Weisheit Gottes.

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10. Wie wir nun sollen in den wunderbaren Gerichten Gottes dem lieben Gott das Lob der Gerechtigkeit geben, so sollen wir auch ihm, in der wunderbaren Ver-änderung der Welt, und in allem unserm Kreuz und Leiden, das Lob der Weisheit geben, dass er auch alles Böse zum guten Ende richten, und aus Bösem Gutes machen kann; dass also in allen Dingen seine Weisheit leuchtet, wie verwirret sie uns auch dünken, gleichwie aus allen seinen Gerichten seine Gerechtigkeit.

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11. Sonderlich aber siehet die liebhabende Seele Gottes Weisheit in der Wieder-bringung und Erlösung des menschlichen Geschlechts, und in der Erneuerung der menschlichen Seele und ihrer Kräfte. Denn so hat es der Weisheit Gottes gefallen, dass das verderbte Bild Gottes im Menschen durch das göttliche we-sentliche Ebenbild Gottes, das ist, durch Christum erneuert würde. Denn, nach-dem der Mensch die selige Weisheit, das schöne Licht des Verstandes, durch die Sünden verloren hat, dadurch er Gott recht erkannte, und in die äußerste Blind-heit, ja in die ewige Finsternis geraten war, und auch darinnen hätte bleiben müssen; ist Gottes Sohn, welcher ist die ewige Weisheit des Vaters, Mensch und den Menschen ein Licht des Lebens worden, dass er die Irrenden wieder zurecht brächte, die Unwissenden lehrete, die Sünder zu sich lockte, und das Licht der Erkenntnis Gottes, durch den Glauben und heiligen Geist, wieder anzündete, ja sich selbst mit des Menschen Seele vereinigte, und darinnen leuchtete.

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12. Fürs andere, nachdem des Menschen Wille ganz von Gott abgewandt und verkehrt war, ja in lauter Ungehorsam verwandelt war, und Gott in allen Dingen widerstrebte; ist Gottes Sohn Mensch worden, auf dass er uns ein Exempel des vollkommenen Gehorsams würde, und unsern bösen Willen heilete, seinen guten Willen in unser Herz pflanzete, und unsern Willen durch seinen heiligen Geist erneuerte, auch uns seines heiligen Gehorsams durch den Glauben teilhaftig machte, wie Gal. 3,14. geschrieben ist, dass wir den verheißenen Geist durch den Glauben empfingen; ja sich mit uns vereinigte, und in uns lebte, dass unser Wille auch Gott gleichförmig würde.

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13. Fürs dritte, weil die Affekten unsers Herzens und alle Kräfte Gott wider-strebten, und alles Dichten und Trachten des menschlichen Herzens immer böse war von Jugend auf, 1 Mos. 6,5. ist Gottes Sohn, der die Liebe selbst ist, Mensch worden, auf dass er uns ein ganz neues Herz machte, Gottes Liebe einpflanzte, herzliche Demut und Sanftmut, und das alte fleischliche Herz hinweg nähme, und sich mit uns vereinigte, dass wir mit ihm eines Herzens, Gemüts, Sinnes und Geistes würden, welches lauter Früchte sind seiner allerheiligsten Menschwer-dung in uns.

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14. Und das ist die höchste Weisheit Gottes, dass er durch seinen lieben Sohn den Menschen also erneuert. Denn gleichwie Gott durch seine Weisheit den Menschen erschaffen zu seinem vollkommenen Bilde; also hat er ihn durch sei-nen lieben Sohn, welcher ist die ewige Weisheit, indem er Mensch worden, neu geschaffen und wiedergeboren, zum neuen Bilde Gottes, darinnen seine Weis-heit, Herrlichkeit und Gerechtigkeit ewig leuchten sollte. Denn darinnen besteht fürnehmlich das Bild Gottes.

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15. Also ist das verdorbene Bild Gottes im Menschen durch das wesentliche Ebenbild Gottes wieder erneuert durch Christum.

 

Gebet um Erkenntnis der Weisheit Gottes.

 

Laß mich deine Weisheit, o allerweisester Gott! wie in allen andern Dingen, also auch insonderheit in der Schöpfung und Wiederbringung des Menschen, in dei-nem Licht erkennen, dir dafür von Herzen allezeit danken, und deiner weisen Regierung und Führung mich stets unterwerfen, weil ich ja versichert bin, dass du deine Heiligen zwar wunderbarlich, doch selig führest. Ach! leite mich nach dei-nem Rat, und nimm mich endlich mit Ehren an, Amen.

 

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