DAS SECHSUNDVIERZIGSTE KAPITEL. (2.B./46.K.)

 

BEWEGLICHE URSACHEN DER GEDULD,

UND VOM NUTZEN DES HEILIGEN KREUZES.

 

Inhalt.

1) Zur Geduld sollen uns folgende Ursachen bewegen. 2) 1. Weil unser Kreuz von Gott herkommt. 3) 2. Weil wir noch größere Strafe verdienet haben. 4) 3. Daher uns Gott nicht unrecht tut. 5) 4. Weil Gott große Geduld mit uns hat. 6) 5. Weil Christus und alle Heiligen geduldig gewesen. 7) 6. Weil Gott uns große hohe Wohltaten erzeiget; 8) 7. und nach seiner Wahrheit teure Verheißungen gegeben. 9) 8. Weil es zur Ehre Gottes; 10) 9. und zu unserm eigenen Nutzen dienet. 11) 10. Weil die Geduld hoch belohnet wird. 12) 11. Weil die Geduld in allen Ständen Nutzen bringet. 13) 12. Weil Christus alle Trübsal unschädlich und heilsam gemacht. 14) 13. Weil eine ewige Herrlichkeit darauf folget. 15) Wer kann demnach das liebe Kreuz genugsam loben?

 

Seid geduldig, lieben Brüder, bis auf die Zukunft des Herrn. Siehe, ein Ackersmann wartet auf die köstliche Frucht der Erde, und ist geduldig darüber, bis er empfahe den Morgenregen und Abendregen. Jak. 5,7.

 

Die Geduld ist, wenn man Gott im Kreuz gehorsamlich ausharret, und seiner gött-lichen Allmacht und Weisheit alles anheimstellet, nicht Ziel, Zeit, Maß, Weise und Ort vorschreibet, und sich dem gnädigen Willen Gottes ganz ergibt. Dazu sollen uns bewegen folgende Ursachen:

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2. 1) Dass unser Kreuz und Trübsal von Gott herkomme, Hunger, Krieg, Pesti-lenz. Denn obwohl die Trübsal durch den Teufel und seine Werkzeuge uns zu-gefüget werden, so kommen sie doch aus Gottes Verhängnis, Jes. 45,7. Der ich das Licht schaffe und mache Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe das Übel. Ich bin der Herr, der solches alles tut, 1 Sam. 2,6. Der Herr tötet und machet lebendig, führet in die Hölle und wieder heraus. Was willst du denn nun daraus machen? Willst du denn wider Gott streiten und kriegen?

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3. 2) Weil wir die Strafe und alles Kreuz wohl verdienet haben, ja noch viel größer. Denn unsere Sünde ist allezeit größer, als Gottes Strafe, und die Strafe allezeit geringer, als unsere Sünde und Missetat, wie die kluge und beherzte Judith sagt Kap. 8,22. Du mußt auch bekennen, dass dir der liebe Gott mehr Liebes als Leides, mehr Gutes als Böses von Mutterleibe an erzeiget. Warum wolltest du denn ihm zu schuldigem Gehorsam für so viele Guttaten nicht eine väterliche Züchtigung zu gut halten, die er doch allezeit zu deinem Besten richtet und schicket?

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4. 3) Weil wir nun die Strafe wohl verdienet haben, so müssen wir ja mit dem lieben Daniel am 9,7. bekennen, dass uns Gott nicht unrecht tut. Sollte dich denn Gott gar nicht strafen um deiner Sünden willen, weder hie noch dort? Das wäre ja unrecht, und du mußt es selbst bekennen. Warum wolltest du denn nicht gedul-dig sein, und wider Gottes Gerechtigkeit und Urteil murren? Es ist ja besser, dass dich Gott zeitlich züchtiget, als dort ewig, 1 Kor. 11,32. Wenn wir gerichtet wer-den, so werden wir von dem Herrn gezüchtiget, auf dass wir nicht samt der Welt verdammt werden. Bist du aber ungeduldig wider Gott, und murrest wider ihn, so hältst du ihn für einen ungerechten Gott, gleich als wenn seine Gerichte und Werke nicht recht wären, Ps. 145,17. Der Herr ist gerecht in allen seinen Wegen, und heilig in allen seinen Werken, Ps. 119,137. Herr du bist gerecht, und dein Gericht ist recht.

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5. 4) Wolltest du nicht Geduld tragen mit deinem lieben Gott, und auf ihn harren und warten? Hat er doch so große Geduld mit dir, und trägt dich mit großer Lang-mut und Geduld, dass auch St. Paulus Röm. 2,4. Kap. 9,23. Kap. 11,33. nennet den Reichtum seiner Geduld, Gütigkeit und Langmut, dass er dich dadurch zur Buße locke.

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6. 5) Siehe an die Geduld unsers Herrn Jesu Christi, wie hätte er alle seine Fein-de und Lästerer im Augenblick können zerschmettern? Aber er duldet sie, er bittet für sie, und ist doch unschuldig. Vielmehr sollen wir geduldig sein, die wir alle Strafen, ja das höllische Feuer wohl verdienet haben. Christus hat aus Liebe gegen uns alles geduldig erlitten, wie Jakob sieben Jahr um Rahel gedienet, 1 Mos. 29,18. also Christus um uns drei und dreißig Jahr. Sollten wir denn nicht um seinetwillen eine kleine Zeit leiden? Siehe an die Geduld aller Heiligen, Josephs, Mosis, da er für sein Volk bat, und wollte lieber sterben für das Volk, 2 Mos. 32,32. Davids, da er sprach 2 Sam. 15,25.26. Werde ich Gnade finden vor dem Herrn, so wird er mich wieder holen; spricht er aber: Ich habe nicht Lust zu David. Siehe, hie bin ich, er machs mit mir, wie es ihm wohlgefällt. Hiobs, der heiligen Apostel und der heiligen Märtyrer.

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7. 6) Die großen hohen Wohltaten Gottes sollen uns zur Geduld bewegen. Denn erstlich, so weißt du ja, dass du durch Christum mit Gott versöhnet bist. Dero-wegen kann dir kein Mensch, kein Feind, Gottes Huld und Gnade nehmen, und wenn alle Welt wider dich wütet und tobet. Denn Gottes Gnade währet ewiglich, über alle, die ihn fürchten, Ps. 103,17. Röm. 8,38.39. Es kann uns nichts schei-den von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm Herrn. Du weißt auch, dass dich Christus zum ewigen Leben erkauft hat; welches dir auch keine Kreatur nehmen kann. Weil dir nun keine Kreatur Gottes Liebe nehmen kann, noch das ewige Gut, so kannst du wohl alle weltlichen Feinde, Tyrannen und Verfolger mit allem ihrem Tun, Freude und Wollust verachten und verspotten, wie die heiligen Märtyrer mit Freudigkeit getan haben.

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8. 7) So soll uns auch Gottes ewige Wahrheit und seine treue Verheißung in Ge-duld erhalten, Jes. 30,18. Der Herr harret, dass er euch gnädig sei. Er hat sich aufgemacht, dass er sich eurer erbarme. Denn der Herr ist ein Gott des Gerichts. Wohl allen, die sein harren. Ps. 25,3. Sir. 2,12. Klagl. Jer. 3,25. Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet. Denn nachdem er bewähret ist, wird er die Krone des Lebens empfahen, Jak. 1,12.

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9. 8) Um der Ehre Gottes willen. Die drei Männer im feurigen Ofen breiten Gottes Erkenntnis aus. Daniel in der Löwengrube, Joseph im Gefängnis, David im Elend. ----------

10. 9) Um unsers eigenen Nutzens willen. Denn erstlich hat unser Herz und Seele Nutzen davon. Denn so lernet man viel durch Geduld im Kreuz, Röm, 5,4. Geduld bringet Erfahrung. 2) So wird das Kreuz durch Geduld leichter, Matth. 11,29. bringet der Seelen Ruhe; dagegen Ungeduld große Unruhe bringet, und man richtet doch nichts damit aus, und machet den Schaden immer größer; ja es gerät oft ein Mensch durch Ungeduld in den zeitlichen und ewigen Tod. Also wurden wegen der Ungeduld die Israeliten, da sie wider Gott murreten, durch die feurigen Schlangen umgebracht, 4 Mos. 21,6.

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11.10) Geduld wird hoch belohnet. Denn Hiob bekam seine Güter, die er ver-loren, zweifältig wieder, Hiob 42,10. Denn selig sind die Sanftmütigen, sie werden das Erdreich besitzen. Matth. 5,5. Unselig die Ungeduldigen, sie werden das Erd-reich verlieren.

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12. 11) Was auch in allen Ständen die Geduld für großen Nutzen bringt, ist nicht auszusprechen. Im geistlichen Regiment ist es eine große Tugend, wenn einer Verfolgung erduldet; im weltlichen, wenn einer seine Lästerer kann ertragen. Denn wir lesen in Historien, dass durch Ungeduld und Rachgier ganze Regimen-ter sind zerrüttet und verwüstet worden. Was Geduld im Hausregiment für Nutzen schaffet, erfahren die Eheleute. Sprüch. Sal. 16,32. Ein Geduldiger ist besser, denn ein Starker.

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13. 12) So hat uns Christus alle unsere Trübsal unschädlich gemacht, dass sie uns nicht soll schaden an unserer Seligkeit. Denn er hat ja alle unsere Sünden durch sein bitteres Leiden und Sterben bezahlt, und alle Strafen der Sünden auf sich genommen, und dieselben kraftlos gemacht. Und um dieser Ursache willen müssen uns alle Trübsale zur Seligkeit dienen, dieweil Christus durch sein Lei-den all unser Leiden geheiliget, und in die beste köstlichste Arznei verwandelt hat. Darum St. Paulus Röm. 8,28. spricht: Es müssen denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten gedeihen.

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14. 13) Letztlich, so bedenke, was doch dieser Zeit Leiden ist gegen die ewige Herrlichkeit: Röm. 8,18. Nicht wert der Herrlichkeit. Darum ist es eine große Barmherzigkeit, dass uns Gott hie züchtiget in dieser Zeit, welche ja eine kleine Zeit ist gegen die Ewigkeit. Dagegen er uns doch die Freude geben wird, die ewig ist. Sollte doch ein Mensch wünschen und darum bitten, dass Gott hie sei-ner nicht verschonete, auf dass er seiner dort ewig verschonete. Darum spricht St. Petrus: Die ihr eine kleine Zeit leidet, werdet euch freuen mit unaussprech-licher ewiger Freude, 1 Petr. 1,6.8.

 

Von des heiligen Kreuzes Nutzen.

 

15. Das liebe Kreuz ist der enge und schmale Weg, der zum Leben führet, eine Rute der göttlichen Züchtigung, so vom Sündenschlaf aufweckt, eine väterliche Züchtigung, der Morgenstern, der vor der Sonne des Trostes hergehet, ein Gnadenzeichen, gleich dem Regenbogen, macht Christo ähnlich, ziehet die Waffen der Finsternis aus, zieht die Waffen des Lichts an, eine balsamische Frucht, eine unverfaulende Myrrhe, ein heilsames Kraut, ein heilsamer Trank, ein heilsamer Kelch, eine Probe des Glaubens, eine Erbauung des Nächsten, eine Gebärerin der Liebe, eine Gesellin der Hoffnung, eine Vorgängerin der Gnaden, eine Arznei der Seele, ein Präservativ der Sünden, eine Tilgerin des fleischlichen Lebens, eine Erweckerin des geistlichen Lebens, eine Veränderung des irdischen Gemüts, eine Verlasserin der Welt, eine Vermählerin der Freundschaft Gottes, eine Vermehrerin der himmlischen Gaben, eine Zäumerin der Hoffart, eine Säug-amme der Demut, eine Lehrerin der Geduld, eine Erneuerung des Geistes, eine Erhalterin der Tugend, eine Zuchtmeisterin des Leibes, eine Ernährerin des Ge-müts, eine Mutter der Weisheit, eine Wärterin der Sanftmut, eine Anreizerin des Gebets, eine Meisterin der Geduld, eine Hüterin der Keuschheit, eine Klarheit des Gewissens, ein Reichtum der inwendigen Freuden, ein Karfunkel, der da leuchtet in den Kleinodien der Heiligen, ein Edelgestein der Gläubigen, eine wohlriechende Rose des Paradieses, eine Krone der Märtyrer, eine Zierde der Auserwählten.

 

Gebet um christliche Geduld.

 

Laß mich, mein Gott und Vater, deine Züchtigung willig annehmen und erdulden, weil sie ja von deiner Liebeshand herkommt, und zu meinem Besten so dienlich, als nötig ist. Soll es ja so sein, dass Strafe und Pein auf Sünden folgen müssen, so fahre hie fort und schone dort, und laß mich hier wohl büßen.

 

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