DAS ELFTE KAPITEL. (1.B./11.K.)

 

WER CHRISTO IN SEINEM LEBEN NICHT FOLGET,

DER TUT NICHT WAHRE BUSSE, IST KEIN CHRIST,

UND NICHT GOTTES KIND; AUCH WAS DIE NEUE GEBURT SEI,

UND DAS JOCH CHRISTI.

 

Inhalt.

 

1) Christus ist unser rechter Doktor mit Lehr und Leben, 2) und das Licht unsers Lebens. 3) Wer ihm nicht folgt, bleibt in Finsternis. 4) In Christo ist der neue Mensch lebendig abgebildet. 5) Der Ursprung der Sünde ist der böse Wille des Menschen, 6) der hat uns mit teuflischer Unart erfüllet; 7) daher leben alle Unbußfertigen im Teufel. 8) Dies greuliche Übel mußte mit dem höchsten Gut verbessert werden; 9) darum ist Christus Mensch geworden, uns mit Gott zu vereinigen. 10) Des neuen Menschen Leben ist Christus. 11) Dazu gehört täg-licher Kampf mit unserer bösen Natur; 12) daher ist das neue Leben dem Flei-sche ein bitteres Kreuz; 13) denn alles, was im Menschen ist, muß unter Christi Joch. 14) Christi Joch aber ist Verleugnung seiner selbst. 15) Unterschied zwischen einem geistlichen und fleischlichen Menschen. 16) Christi Leben ist das Allerbeste, und soll uns auch das Liebste sein. 17) Der neuen Geburt Frucht ist die Liebe; 18) dabei ist ein lebendiges Erkenntnis Gottes.

 

Christus hat uns ein Exempel gelassen, dass wir sollen nachfolgen seinen Fußstapfen. 1 Petr. 2,21.

 

Gott hat uns seinen lieben Sohn zu einem Propheten, Doktor und Lehrer ver-ordnet, und denselben durch eine Stimme vom Himmel recommandieret, und zu hören befohlen. Dies Lehramt hat der Sohn Gottes nicht allein geführet mit Worten, sondern auch mit Werken und schönen Exempeln seines allerheiligsten Lebens, wie einem rechtschaffenen Lehrer gebühret, davon St. Lucas Apost. Gesch. 1. zeuget: Die erste Rede hab ich zwar getan, lieber Theophile! von alle dem, dass Jesus anfing, beides zu tun und zu lehren, bis auf den Tag, da er aufgenommen ward. Da setzet der Evangelist das Wörtlein Tun der Lehre vor, anzudeuten, dass Tun und Lehre beisammen sein. Ja ein vollkommener Lehrer muß erst selbst tun, was er andere lehret. Also ist Christi Leben die rechte Lehre, und das rechte Buch des Lebens.

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2. Darum ist Gottes Sohn Mensch geworden, und hat auf Erden gewandelt unter den Menschen, auf dass er uns ein sichtbar lebendiges Beispiel zeigte eines göttlichen, unschuldigen, vollkommenen, heiligen Lebens, auf dass wir ihm folgen sollen, als einem Licht in der Finsternis, darum nennet er sich das Licht der Welt, und wer ihm folget, wandelt nicht in Finsternis Joh. 8,12.

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3. Daraus ist nun offenbar, dass der im Finstern bleiben muß, der Christo im Glauben und heiligen Leben nicht nachfolget, und kann nimmermehr das Licht des Lebens haben. Was ist aber Finsternis? Nichts anders, als ein unbußfertiges Leben, welches Paulus nennet Werke der Finsternis, die wir ablegen sollen, und anlegen die Waffen des Lichts, Röm. 13,12., welches wir mit einem Wort nennen: Busse tun.

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4. Nun ist zwar oben gesagt, dass die göttliche Reue und der wahre Glaube den ganzen Menschen ändere, das Fleisch kreuzige, und ein neues Leben durch den heiligen Geist wirke. Damit es aber nicht allein bei den Worten bleibe, sondern wir auch ein lebendig augenscheinliches Exempel hätten des lebendig gemach-ten Geistes oder neuen Menschen, so stellet uns Gott seinen lieben Sohn vor unsere Augen, nicht allein als einen Heiland, sondern als einen Spiegel der Gott-seligkeit mit seinem heiligen Leben, als den rechten neuen Menschen, in wel-chem nicht das adamische sündliche Fleisch geherrscht und gelebt hat, sondern Gott selbst, zu dem Ende, dass wir auch nach seinem Bilde täglich erneuert würden. Davon müssen wir folgenden Bericht merken.

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5. Wir wissens und erfahrens leider! täglich, wie unsere sündliche Natur, Fleisch und Blut, Leib und Seele mit so vieler Unreinigkeit, Bosheit, Sünde und Laster behaftet ist, welches alles des Teufels Werk, Unart und Eigenschaft im fleisch-lichen, natürlichen Menschen ist, sonderlich der böse Wille des Menschen. Denn aus dem bösen Willen kommt alle Sünde. Wäre kein böser Wille, so geschähe nimmermehr eine Sünde. Das ist aber der böse Wille, der sich von Gott und seinem Willen abwendet. Denn alles, was sich von Gott, als dem ewigen Gut, abwendet, das ist und muß notwendig böse sein. Und dies Abwenden ist des Teufels und des Menschen Fall, und daher ist die Sünde gekommen, und auf alle Menschen geerbet und fortgepflanzet.

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6. Daraus ist nun offenbar, dass unser Fleisch und Blut von Natur mit des Teufels Unart, und unser fleischlicher Wille mit des Satans Bosheit vergiftet ist, als mit Lügen, Hoffart, böser Lust, und aller Untugend, so wider Gott sind. Um welcher bösen Unart willen der Herr Christus die Pharisäer Teufelskinder nennet, Joh. 8,44. ja einen seiner Apostel einen Teufel schilt, Joh. 6,70. Gleich, als wäre Geiz, Lügen, Hoffart, und alle böse Lust der Teufel selbst, womit der natürliche, fleisch-liche Mensch behaftet ist.

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7. Daraus denn folget, dass alle die, so in Unbußfertigkeit leben, in Hoffart, Geiz, Wollust und Neid, die leben im Teufel, und sind mit des Teufels Unart behaftet; sie schmücken sich auch von außen so schön, als sie immer wollen, so bleiben sie doch im Herzen Teufel, wie der Herr zu den Juden spricht. Welches, ob es wohl schrecklich ist, so ists doch die Wahrheit.

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8. Weil nun unsere elende, hochverderbte menschliche Natur mit so unaus-sprechlichem, erschrecklichem Jammer behaftet ist, so hat sie nun müssen gebessert und erneuert werden. Wie aber? Also, weil sie mit dem greulichsten Übel ist verderbt worden, so hat sie mit dem höchsten Gut müssen verbessert und erneuert werden, nämlich mit Gott selbst, darum hat Gott müssen Mensch werden.

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9. Nun aber ist Gottes Sohn nicht um seinetwillen Mensch worden, sondern um unsertwillen, auf dass er uns durch sich selbst mit Gott wieder vereinigte, und des höchsten Guts teilhaftig machte, und uns wieder reinigte und heiligte. Denn was geheiligt werden soll, das muß durch Gott und mit Gott geheiliget werden. Wie nun Gott in Christo ist persönlich, also, muß auch Gott mit uns durch den Glauben vereiniget werden und muß der Mensch in Gott leben und Gott in ihm, in Christo, und Christus in ihm, 2 Kor. 5,19.21. Gottes Wille muß im Menschen sein, und der Mensch in Gottes Willen leben. Und muß also Christus Jesus unserer verderbten Natur Arznei sein. Je mehr nun Christus im Menschen lebt, je mehr die menschliche Natur gebessert wird.

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10. Wäre das nun nicht ein elender Mensch, in welchem Christus alles wirkete, dessen Wille Christi Wille wäre, seine Gedanken Christi Gedanken, sein Sinn Christi Sinn, (wie St. Paulus spricht: Wir haben Christi Sinn, 1 Kor. 2,16.) seine Rede und Wort Christi Wort; und zwar, es muß freilich also sein; Christi Leben ist das neue Leben im Menschen, und der neue Mensch ist, der in Christo lebet nach dem Geist. Christi Sanftmut muß des neuen Menschen Sanftmut sein, Christi Demut ist des neuen Menschen Demut, Christi Geduld ist des neuen Men-schen Geduld, und also fort, das ganze Leben Christi muß des neuen Menschen Leben werden. Das heißt denn eine neue Kreatur, 2 Kor. 5,17. und das edle Leben Christi in uns, wie St. Paulus spricht: Ich lebe nicht, sondern Christus lebet in mir, Gal. 2,20. Und das heißt denn recht Christo gefolget, das heißt recht Buße getan. Denn dadurch geht der alte Mensch gar unter und das fleischliche Leben stirbt, und fängt an das geistliche himmlische Leben. Der ist denn ein wahrer Christ nicht mit dem Titel und Namen, sondern mit der Tat und Wahrheit; ja der ist ein wahres Kind Gottes, aus Gott und Christo geboren, in Christo erneuert und durch den Glauben lebendig.

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11. Ob wirs nun wohl in dieser Schwachheit nicht können zur Vollkommenheit bringen, so sollen wir dennoch darnach streben, darnach seufzen und dasselbe von Herzen wünschen, dass Christus und nicht der Satan in uns leben, und sein Reich haben möge, 1 Joh. 3,9. Ephes. 2,5. Ja, wir sollen darob kämpfen, und durch tägliche Reue den alten Menschen töten. Denn so viel ein Mensch sich selber abstirbt, so viel lebt Christus in ihm; so viel die böse Natur durch den Geist Gottes abnimmt, so viel nimmt die Gnade im Menschen zu; so viel das Fleisch gekreuziget wird, so viel wird der Geist lebendig gemacht; so viel die Werke der Finsternis im Menschen gedämpfet werden, so viel wird der Mensch je mehr und mehr erleuchtet; so viel der äußere Mensch verweset und getötet wird, so viel wird der innere erneuert, 2 Kor. 4,16. Kol. 3,5. So viel die eigenen Affekten und das ganze fleischliche Leben im Menschen sterben, als eigene Liebe, eigene Ehre, Zorn, Geiz, Wollust, so viel lebt Christus in ihm; je mehr die Welt vom Men-schen ausgehet, als Augenlust, Fleischeslust, hoffärtiges Leben, 1 Joh. 2,16. je mehr Gott, Christus und der heilige Geist in den Menschen eingehen, und ihn besitzen. Und hinwieder, je mehr die Natur, das Fleisch, die Finsternis, die Welt im Menschen herrschen, je weniger Gnade, Geist, Licht, Gott und Christus im Menschen ist.

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12. Wenn nun das geschehen soll, so ists dem Fleisch ein bitteres Kreuz, denn dadurch wirds gedämpfet, gekreuziget samt den Lüsten und Begierden, Gal. 5,24. und das ist die rechte Kraft und Frucht der Buße. Fleisch und Blut wünschet sich lieber ein freies, ruchloses, sicheres Leben, nach seinen eigenen Lüsten und Willen, das ist dem Fleisch das allersüßeste und lieblichste Leben. Christi Leben aber ist dem Fleisch und dem alten Menschen ein bitteres Kreuz; dem neuen geistlichen Menschen aber ein sanftes Joch, eine leichte Last, und eine liebliche Ruhe. Denn worin bestehet die lieblichste Ruhe, als im Glauben an Christum, in seiner Sanftmut, Demut, Geduld und in der Liebe Christi? Matth. 11,29. So wer-det ihr Ruhe finden für eure Seele. Ja, wer Christum recht lieb hat, dem ist auch der Tod um Christi willen die höchste Freude. Das ist das sanfte Joch Christi, das wir auf uns nehmen sollen, darin die wahre Ruhe der Seele ist.

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13. So wir nun das Joch Christi auf uns nehmen sollen, wie er befiehlt, das ist, sein heiliges edles Leben, so müssen wir des Teufels Joch fahren lassen, das ist, das fleischliche, sichere, ruchlose Leben, und müssen das Fleisch nicht herr-schen lassen über den Geist, sondern es muß alles, was im Menschen ist, unter das Joch Christi, und unter seinen Gehorsam, der Wille, der Verstand, die Vernunft, die Begierde, und alle adamische, fleischliche Lüste, Röm. 6,12. Es gefällt dem Fleisch wohl, geehret, hochgeachtet und gerühmt zu werden. Reich-tum, gute Tage und Wollust zu pflegen; aber das alles unter das Joch Christi zwingen, dass ist, unter Christi Schmach, Verachtung und Armut, ja sich dessen allem nicht Wert achten, sich dessen verzeihen, was in der Welt hoch, herrlich, ansehnlich, prächtig und gewaltig ist, das ist das Kreuz Christi, welches dem Fleisch wehe tut, und seine Kreuzigung ist. Das ist die wahre Demut Christi, und sein edles Leben und sein sanftes Joch, welches dem Geist eine leichte Last ist, Matth. 11,30. Gleichwie er gekommen ist, nicht, dass er sich dienen lasse, son-dern dass er uns diene, und gäbe sein Leben zur Bezahlung für unsere Sünden, Matth. 20,28. Denn was ist Christi Leben anders, als heilige Armut, äußerlichste Verachtung, und höchste Schmerzen?

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15. Ein fleischlicher Mensch ist, der nach Ehren trachtet, und gerne etwas sein sollte, ein geistlicher Mensch ist, der Demut lieb hat in Christo, und der gerne nichts sein wollte. Alle Menschen befleißigen sich etwas zu sein, aber niemand will lernen nichts sein. Jenes ist Adams Leben, dies ist Christi Leben. Ein fleisch-licher Mensch, der noch nicht weiß, was Christus ist, nämlich lautere Demut, Sanftmut und Liebe, dem dünket dass Leben Christi eine große Torheit zu sein, und hält das freie, sichere, fleischliche Leben für große Weisheit, und aus großer Blindheit meinet er, er habe das beste und lustigste Leben, und weiß nicht, dass er im Teufel lebet. Darum sind sie von diesem falschen Licht ihrer fleischlichen Weisheit betrogen, und betrügen andere mit ihnen. Die aber mit dem ewigen wahren Licht erleuchtet sein, die erschrecken davor, wenn sie Pracht, Übermut, Stolz, Wollust, Zorn, Rachgier und dergleichen Früchte des fleischlichen Lebens sehen, und gedenken: Ach lieber Gott, wie weit ist der noch von Christo und seiner Erkenntnis, von wahrer Buße, vom wahren Christentum, und von der Frucht der neuen Geburt der wahren Kinder Gottes! Ja er lebet noch in Adam und in der alten Geburt, ja im Teufel selbst. Denn mutwillig und wesentlich in Sünden leben, ist nichts anders, als im Teufel leben. In welchem Menschen nun das Leben Christi nicht ist, in dem ist auch keine Buße, der ist auch kein wahrer Christ, viel weniger ein Kind Gottes; er kennet auch Christum nicht recht. Denn wer Christum recht kennen will, als einen Heiland und Seligmacher, und als ein Exempel des Lebens, der muß wissen, dass er eitel Liebe, eitel Sanftmut, Geduld und Demut ist. Und diese Liebe und Sanftmut Christi muß er in sich haben, ja im Herzen lieb haben und empfinden. Gleichwie man ein Gewächs an Geruch und Geschmack erkennet, also muß Christus in dir erkannt werden, als das edelste Gewächs, davon deine Seele Leben, Kraft, Trost und Ruhe empfindet. So schmecket man, wie freundlich der Herr ist, Ps. 34,9. so erkennet man die Wahr-heit, so empfindet man das höchste und ewige Gut. Da wird erkannt, dass Christi Leben das allerbeste, edelste lieblichste Leben sei, und dass kein Leben so gut, so köstlich, so sanft, so ruhig, so frieden- und freudenreich, so holdselig, so ähn-lich sei dem ewigen Leben, als das Leben Christi.

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16. Und weil es nun das beste Leben ist, so soll es auch uns das liebste sein. In welchem Menschen aber das Leben Christi nicht ist, da wird auch die Ruhe und Friede des ewigen Lebens nicht recht erkannt, noch das höchste Gut, noch die ewige Wahrheit, noch der rechte Friede und Freude, noch das rechte Licht, noch die wahre Liebe, welches alles Christus selbst ist. Darum spricht St. Johannes, 1 Joh. 4,7.8. Wer lieb hat, der ist von Gott geboren, und erkennet Gott, wer aber nicht lieb hat, der erkennet Gott nicht; denn Gott ist die Liebe.

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17. Daraus ist offenbar, dass der neuen Geburt, so aus Gott ist, ihre Früchte und das neue Leben nicht bestehen in bloßen Worten, oder im äußerlichen Schein, sondern in der höchsten Tugend, die Gott selbst ist, nämlich in der Liebe. Denn woraus jemand geboren ist, dessen Art, Eigenschaft und Gleichnis muß er ha-ben. Ist er aus Gott geboren, so muß er die Liebe haben; denn Gott ist die Liebe.

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18. Also ist es auch mit der wahren Erkenntnis Gottes, dieselbe bestehet auch nicht in Worten oder in einer bloßen Wissenschaft, sondern in einem lebendigen, lieblichen, holdseligen, kräftigen Trost, dass man die Süßigkeit, Freudigkeit, Lieblichkeit und Holdseligkeit Gottes im Herzen schmecke durch den Glauben, jetzt ists eine lebendige Erkenntnis Gottes, die im Herzen empfunden wird und lebet. Das ists, was der Ps. 84,3. spricht: Mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott. Und im Ps. 63,4. Deine Güte ist besser, denn leben; da die Freude und Süßigkeit Gottes im gläubigen Herzen beschrieben wird. Und also lebt der Mensch in Gott, und Gott in ihm; er erkennet Gott in der Wahrheit und wird von ihm erkannt.

 

Gebet um die Nachfolge Christi. (Siehe im Paradiesgärtlein.)

 

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