DAS FÜNFZEHNTE KAPITEL. (2.B./15.K.)

 

WIE WIR DURCH CHRISTUM

DIE TRÜBSAL UND VERACHTUNG DER WELT

TRAGEN UND ÜBERWINDEN SOLLEN.

 

Inhalt.

1) Christus klagt über seine Verachtung. 2) Diesem Bilde sollen wir ähnlich wer-den. 3) Er klagt sonderlich Ps. 109,22. über dreierlei Leiden, nämlich: 4) 1. Über große Herzensangst und Traurigkeit. 5) 2. Über leibliche Schwachheit. 6) 3. Über große Verachtung. 7) Wider die Verachtung der Welt dienen folgende Trostgrün-de: 1. Du trägst Christi Bild. 8) 2. Du lernest dadurch Demut. 9) 3. Du bist in der Zahl der Heiligen. 10) 4. Im Himmel wird Lob widerfahren. 11) 5. Du sollst auf-erstehen nicht zur ewigen Schmach und Schande. 12) 6. Du stehest bei Gott in Gnaden. 13) 7. Gott hat dir es aufgelegt, dich zu prüfen. 14) 8. Gott verwandelt dir den Fluch in Segen; 15) 9. und macht es so, dass du ihm mußt danken. 16) 10. Denn er stehet dem Armen zur Rechten.

 

Gedenket an den, der ein solches Widersprechen von den Sündern wider sich erduldet hat, dass ihr nicht in eurem Herzen matt werdet. Heb. 12,3.

 

Im 109. Ps. v. 25. seq. klagt der Messias: Ich muß ihr Spott sein, wenn sie mich sehen, schütteln sie ihren Kopf. Stehe mir bei, Herr, mein Gott! nach deiner Gna-de, dass sie innen werden, dass dies sei deine Hand, dass du, Herr! solches tust. Fluchen sie, so segne du; setzen sie sich wider dich, so müssen sie zu Schanden werden, aber dein Knecht müsse sich freuen. Meine Widersacher müssen mit Schmach angezogen und mit ihrer Schande bekleidet werden, wie mit einem Rock. Ich will dem Herrn sehr danken mit meinem Munde, und ihn rühmen unter vielen. Denn er ist dem Armen zur Rechten, dass er ihm helfe von denen, so sein Leben verurteilen.

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2. Diese Klage des Herrn unsers Erlösers soll uns billig zu Herzen gehen, und wir sollen uns oft in des Herrn Christi und aller Heiligen Kreuz besehen. Darum wird es fast in allen Psalmen wiederholet, auf dass wir auch lernen mit ihnen durch viel Trübsal zum Reich Gottes eingehen, Ap. Gesch. 14,22. und wie seine Ver-achtung und Schmach eine Arznei sein soll unserer Verachtung. Item, dass wir lernen seinem verschmäheten Bilde gern ähnlich zu werden, auf dass wir ihm helfen seine Schmach tragen, damit wir auch seinem verklärten Bilde mögen ähnlich werden in der Herrlichkeit, Röm. 8,29. Phil. 3,21.

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3. Wie nun der 109. Psalm ein Gebet Christi ist in seinem Leiden, also klaget er zu Ende des Psalms noch über dreierlei Leiden, so er empfunden.

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4. 1) Klaget er übergroße Herzensangst und Traurigkeit: Ich bin arm und elend, mein Herz ist zerschlagen in mir, v. 22. Sehet diese hohe und heilige Person an, warum klaget er so? Auf dass wir es hören sollen, was er unserthalben gelitten. Er sagt: Ich bin arm; und du kannst des Reichtums nicht satt werden. Er sagt: Ich bin elend; und du willst bei jedermann herrlich sein. Er klagt: Mein Herz ist zer-schlagen in mir; und du willst immer in Freuden leben, ein freudiges, ein fröhli-ches und unbetrübtes Herz haben. Lieber, gedenke doch, dass deinem Herrn Christo auch nicht allezeit wohl gewesen, sondern sein Herz ist ihm in seinem Leibe, als mit einem Stecken zerschlagen und zerquetschet gewesen. Gedenke doch, was du bist gegen eine solche hohe, heilige Person? Wenn du in der höchsten Herzensangst bist, so gedenke: Siehe, so ist meinem Herrn Christo auch gewesen, sein Herz hat viel höhere Traurigkeit und Angst erlitten. Wie aber unser Herr Christus durch Leiden in die Freude gegangen ist, durch Schande in die Ehre, durch den Tod ins Leben, durch die Hölle in den Himmel, also soll und muß uns auch unser Kreuz zu unserer Seligkeit befördern, und ein Eingang sein zum ewigen Vaterland.

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5. 2) Klaget er v. 23.24. über leibliche Schwachheit: Ich fahre dahin, wie ein Schatten vertrieben wird, und werde verjagt wie Heuschrecken. Meine Knie sind schwach von Fasten, mein Fleisch ist mager und hat kein Fett. Mit diesen Worten lehret uns der Herr, was wir sind in der Welt. Ein Schatten ist nichts, und hat kein Leben und keine Kraft. Vergleichet sich der Herr Christus einem Schatten, der doch das Licht und Leben selber ist (welches er aber im Stande seiner äußersten Niedrigung gesagt, und davon verstanden haben will, sonst nennete er sich das Leben selbst); wie vielmehr sollen wir uns für einen Schatten und für nichts halten, und die Demut vom Sohne Gottes lernen. Er sagt: Er sei vertrieben und verjagt wie Heuschrecken; und wir wollen hie unsern ewigen Sitz haben. Einer Heuschrecke vergleichet sich der Herr darum: denn eine Heuschrecke hat kein Haus ist furchtsam und flüchtig. So ist der Herr auch gewesen in dieser Welt, auf dass er uns mit seinem Exempel lehre, ein anderes Vaterland zu suchen. Wie auch seine Knie schwach und sein Fleisch mager sei, das hat er wohl erfahren in seinem Leiden, da alle seine Kräfte vertrocknet sein wie ein Scherben, Ps. 22,16. Daran sollen wir gedenken in unsern leiblichen Krankheiten. Es ist an leiblicher Stärke nicht gelegen, wenn nur unsere Seele durch den süßen Trost Gottes stark und in himmlischer Wollust fett ist, wie Jes. 55,2. stehet, und durch Christi Kraft gestärket und erhalten wird, Eph. 6,10.

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6. 3) Klaget der Herr über die große Verachtung, so er in dieser Welt gelitten. Siehe, er hat große Verachtung erlitten, und du willst immer in Ehren sein? Ich muß ihr Spott sein, sagte er, wenn sie mich sehen, schütteln sie den Kopf. Wie könnte es einem in der Welt ärger gehen? Er hat aber solche Schmach unsert-halben gelitten, auf dass er uns von der ewigen Schmach und Schande erlösete. Der Mensch ist ein Verächter Gottes geworden; darum mußte Christus unsere Sünden büßen durch seine äußerste Verachtung. Die Mittel aber und Trostgrün-de wider die Verachtung der Welt sind diese:

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7. 1) Du trägst Christi Bild, und folgest deinem Haupt und Meister nach, Röm. 8,17.

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8. 2) Durch die Verachtung der Welt lernest du wahre Demut, welche bei Gott Gnade findet. Denn den Demütigen gibt er Gnade, den Hoffärtigen aber wider-stehet er. 1 Petr. 5,5.

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9. 3) Bist du in der Zahl der Heiligen, die allewege ein Fluch und Fegopfer der Welt gewesen sein, 1 Kor. 4,13.

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10. 4) Wird dir im Himmel von Gott Lob widerfahren vor allen heiligen Engeln 1 Kor. 4,8. Offenb. Joh. 7,15.

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11. 5) Weil du an jenem Tage nicht sollst auferstehen zur ewigen Schmach und Schande, Dan. 12,2. davon dich Christus erlöset hat; so laß dich die zeitliche Verachtung nicht hart betrüben noch anfechten.

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12. 6) Dass dir auch Gott in dieser Welt seine Gnade nicht versagen wollen. Ob du nun gleich keines Menschen Huld hast, so hast du dennoch Gottes Huld. Darum sagt der Psalm: Stehe mir bei, Herr, mein Gott! hilf mir nach deiner Gna-de, dass sie innen werden, dass dies sei deine Hand, dass du, Herr! solches tust, Ps. 109,26.27. Das ist, gleichwie Gott der Herr seinen Sohn aus der Schmach und Schande gerissen, und ihn in die himmlische Ehre eingesetzet durch seine gewaltige Hand, also wird er es dir auch tun, der du seine Schmach trägest, dass jedermann erkennen wird, dass es Gottes Werk sei.

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13. 7) Gleichwie Gott der Herr seinem lieben Sohn seine Schmach auferlegt hat, wie er Ps. 69,8. spricht: Um deinetwillen trage ich Schmach, und mein Angesicht ist voller Schande. Item: Ich muß um deinetwillen leiden, Ps. 16,2. also hat er dir dein Kreuz auferlegt, dich zu prüfen.

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14. 8) Dass Gott einen solchen unverdienten Fluch will in einen Segen verwan-deln, und die Verächter seiner Zeit wieder zu Schanden machen. Darum spricht er hie: Fluchen sie, so segne du, setzen sie sich wider dich, so müssen sie zu Schanden werden, aber dein Knecht müsse sich freuen. Welchen Gott segnen will, wider den hilft kein Fluchen, Spr. Salom. 26,2. wie das Exempel Bileams bezeuget, 4 Mos. 23,8. Die aber segnet Gott, die ihn fürchten, Sir. 1,13. Wer den Herrn fürchtet, dem wirds wohlgehen in der letzten Not, und wird endlich den Segen behalten. Das verheißet auch Gott Abraham und allen Gläubigen, 1 Mos. 12,3. Ich will segnen, der dich segnet, und fluchen, der dich verfluchet. Darauf vertröstet uns auch Gott: Jes. 51,7. Fürchtet euch nicht, wenn euch die Leute schmähen etc. Matth. 5,11. Selig seid ihr, so euch die Leute schmähen etc. 1 Petr. 4,14. Selig seid ihr, wenn ihr geschmähet werdet über dem Namen Christi. Denn der Geist der Herrlichkeit ruhet auf euch.

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15. 9) Ich will dem Herrn sehr danken mit meinem Munde, und ihn rühmen unter vielen. Christus danket seinem himmlischen Vater für seine Schmach und Kreuz; also ist aller christlichen Herzen Art, dass sie ihr Kreuz und Verachtung mit Dank-sagung aufnehmen. Unser Gott macht es doch immer also, dass wir ihn zu danken haben. Aus dem Kreuz wächset die Danksagung, denn wer die Verach-tung mit Geduld trägt, um der Liebe Christi willen, denselben ehret Gott wieder, beide in diesem und jenem Leben, Ps. 113,7.8. Der den Geringen aufrichtet aus dem Staube, und erhöhet den Armen aus dem Kot, da er ihn setze neben die Fürsten seines Volks. Ach! es ist eine große Tugend, alle Verachtung mit Geduld in der Stille tragen, um der Liebe Christi willen.

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16. 10) Denn er stehet dem Armen zur Rechten, dass er ihm helfe von denen, die sein Leben verurteilen. Das ist ein herrlicher Trost wider die Verachtung und Lästerung. Nicht (sagt er) stehet er den Gewaltigen, Herrlichen und Verfolgern der Unschuldigen zur Rechten, sondern dem armen Verlassenen, der keinen Beistand hat. Denn er gedenket und fraget nach ihrem Blut, Ps. 9,13. Tertullianus sagt: Wenn wir von der Welt verdammt werden, so werden wir von Gott losge-sprochen, Ps. 37,32.33. Der Gottlose lauert auf den Gerechten, und gedenket ihn zu töten; aber der Herr lässet ihn nicht in seinen Händen, und verdammt ihn nicht, wenn er verurteilet wird. Siehe, dafür wirst du ihm noch danken, und unter vielen seinen Namen rühmen, dass er dich so wunderlich errettet hat. Ps. 27,13,14. Ich hoffe aber doch, dass ich sehen werde das Gute des Herrn im Lande der Lebendigen. Harre des Herrn, sei getrost und unverzagt, und harre des Herrn. 1 Kor. 4,5. Richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr komme, welcher hervorbringen wird, was im Finstern verborgen ist, und den Rat der Herzen offen-baren. Alsdann wird einem jeden von Gott Lob widerfahren.

 

Gebet um geduldige Ertragung der Verachtung der Welt.

 

Laß mich, o Jesu! wie im Leben, also im Leiden immerdar auf dich sehen, und erwägen, wie geduldig du um meinetwillen das Kreuz erduldet, und die Schande nicht geachtet habest, damit ich, durch deine Kraft gestärket und ermuntert, das Kreuz und alle Verachtung der Welt um deinetwillen freudig auf mich nehmen, und mächtig überwinden möge, Amen.

 

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