DAS ZWEIUNDZWANZIGSTE KAPITEL. (3.B./22.K.)

 

WIE UNSERE WERKE GOTT GEFALLEN,

WIE WIR BEI GOTT GNADE ERLANGEN MÖGEN,

UND GERECHT WERDEN;

AUCH WIE EIN MENSCH SEINE GABEN,

DIE ER VON GOTT EMPFANGEN, LEICHTLICH MISSBRAUCHEN

UND SEINE SEELE SCHÄNDLICH BEFLECKEN KANN,

UND WIE ER SEINE GABEN RECHT GEBRAUCHEN SOLL.

 

Inhalt.

1) Außer Gottes Gnade kann der Mensch nichts tun, das Gott gefalle. 2) Darum soll man in Werken keine Gerechtigkeit suchen, sondern allein in Christo und Gottes Gnade. 3) Gibt dir Gott Gaben, so stolziere damit nicht; den Demütigen gibt Gott Gnade. 4) Sollen deine Werke tauglich sein, so merke vier Regeln, 5) und folgende vier Erinnerungen: 1. Mit deinen Gaben diene dem Nächsten. 2. Gib nichts vor ohne Erfahrung und Übung. 6) 3. Tue nichts zum Schein aus Ehr-sucht. 7) 4. Setze in allem Gott zum Ziel.

 

Habe deine Lust an dem Herrn, er wird dir geben, was dein Herz wünschet. Ps. 37,4.

 

Weil der Mensch von Natur ist unter Gottes Zorn, so sind auch alle seine natür-lichen Werke unter Gottes Zorn, er tue auch so hohe Werke vor der Welt, als er immer wolle, denn er kann außer der Gnade Gottes nichts tun, das Gott wohlge-falle; ist er aber in Gnaden, so sind alle seine Werke in Gnaden, und gefallen Gott wohl, denn Gottes Gnade wirket dieselben in ihm.

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2. Daraus folgt nun, dass du mit St. Paulo alle deine Gaben der Gnade Gottes sollst zuschreiben, und nicht dir selbst, 1 Kor. 15,10. auch nicht darinnen deine Gerechtigkeit und Seligkeit suchen. Denn hätte ein Mensch alle die Marter ge-litten, die alle Heiligen gelitten haben, und alles getan, was alle Christen je getan haben, oder immer tun mögen bis ans Ende der Welt; und wenn du dich alle Tage ließest töten, und wieder lebendig machen, und Steine und Dornen äßest, hiemit könntest du keine Gaben erlangen aus dir selbst, sondern senke dich durch den Glauben in die tiefeste grundlose Barmherzigkeit Gottes in Christo, mit einem demütigen gelassenen Willen, unter Gott und alle Kreaturen, so wird dir es Christus allein geben aus großer Mildigkeit, und freier reiner Liebe und Barm-herzigkeit, wie unser lieber Herr spricht: So ihr alles tut, so sprecht, wir sind unnütze Knechte gewesen, Luk. 17,10. Ach barmherziger Gott! wie ist unsere Gerechtigkeit an uns selbst so ein armes schnödes Ding vor den Augen Gottes, ein Unflat, wie Jesaja sagt, Kap. 64,6. Denn alle Werke, die alle Menschen und Kreaturen wirken oder wirken mögen, bis an das Ende der Welt, die taugen alle zu unserer Gerechtigkeit lauter nichts. Gehe aber durch die sicherste Pforte in das Erbe, und opfere Christi unschuldiges Leiden für dein verschuldetes Leiden, seine unschuldigen Gedanken für deine schuldige Gedanken, seine heiligen Worte für deine schuldige Worte, und also seine Werke, seine Armut, Geduld, Sanftmut und Liebe, für alles das, so dir gebühret, auswendig und inwendig, und siehe allezeit Christum an, so du bei Gott willst Gnade haben, und kehre zu ihm, wie der verlorne Sohn, so wird er dich mit Freuden aufnehmen, Luk. 15,20. Er wird ohne Zweifel sein Wesen, nach seiner gewöhnlichen Gütigkeit, um deiner großen Sünden, so sie dir leid sind, nicht ändern. Es ist doch sein eigen milder Schatz, den er allen anbietet aus lauter Güte, und ist ihm ein Geringes, dir deine Schuld zu vergeben, wenn du ihm dasselbe nur zutrauest. Denn seine Hand ist nicht verkürzet, dass er dir nicht helfen könnte, Jes. 59,1. Und so viel ärmer und elender du in deinen Augen selbst vor ihn kommest, so vielmehr du ihm ange-nehmer bist, und er dich von seinem Gute selbst herrlich begaben und reich machen will. Denn gleichwie ein Tropfen gegen das Meer, also sind aller Men-schen Sünden gegen die grundlose Güte Gottes. So du nun in Gnaden bist, so sind alle deine Werke in Gnaden, und alles, was Gott gefällt, das gefällt ihm in seinem eingebornen Sohn, und alles, was Gott lieb hat, das hat er lieb in seinem eingebornen Sohn. Darum soll der Mensch also leben, dass er eins sei durch den Glauben mit dem eingebornen Sohn Gottes, so ist er und alles das Seine bei Gott in Gnaden.

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3. Hie mußt du aber merken, so dir Gott, als seinem Gnadenkinde, Gaben gibt, dass du dich nicht in denselben sollst belustigen, sondern allein an Gott, deinem Vater. Am Herrn sollst du, wie Ps. 37,4. sagt, deine Lust haben, und nicht an deinen Gaben; sondern allein in Gottes Lob und Ehre, dass allein sein göttlicher Wille in dir und durch dich möchte vollbracht werden, und in allen Kreaturen. Gleichwie ein Wasser ausfließt, und wieder einfließt in seinen Ursprung, also trage deine Gaben wieder in ihren Ursprung, in Gott, daraus sie geflossen sind. Darum, willst du nun deine Gaben recht gebrauchen, so merke folgende Regel: Wenn du alle göttliche Gaben hättest im Himmel und auf Erden, und aller Heili-gen gute Werke, so bald du dich darinnen belustigest, und deine eigene Lust und Freude darinnen suchest, so bald ist dies Gut alles befleckt mit Untugend und Abgötterei. Denn du sollst an keinem Dinge Lust, Ruhe und Freude haben, weder im Himmel noch auf Erden, denn bloß und lauter an Gott alleine; und so du das tust, so ist Gott selbst deine Freude, Lust, Ruhe, Genüge, Schatz, Reichtum, Aufenthalt, innerlich und äußerlich, welches tausendmal besser ist, denn alle deine Gaben. Auf diese Weise wirst du würdig, ein Werkzeug und Gefäß zu sein der Gnade Gottes. Denn Gott will nicht durch hoffärtige Geister wirken, denn dieselben sind Werkzeuge und Glieder des Luzifers, den Demütigen aber gibt er Gnade, sagt St. Petrus, 1 Ep. 5,5. darein legt er seinen Schatz. Die inwendige Hoffart ist die große Wurzel aller Untugend, dadurch besitzt der Teufel die Statt, die allein der ewige Gott mit seiner Gnade besitzen sollte. Gleichwie ein Wein-stock auswendig ungestalt und unansehnlich ist, und wenn er dem Menschen nicht bekannt wäre, würde es ihm dünken, er wäre nirgend nütze und zu nichts gut, als ins Feuer; aber in diesem seinem Holz sind die lebendigen Adern, daraus die edle Süßigkeit entspringt; also sind alle göttlichen Leute, durch welche Gott wirket, auswendig wie ein schwarz verdorbenes, unnützes Holz, denn sie sind demütig, unachtbar, weder von großen Worten, noch äußerlichen Scheinwerken; aber inwendig sind sie die lebendigen Adern, da ihr Teil Gott selbst ist. Welche aber mit ihren Gaben stolzieren, und mit ihren milden Almosen prangen, machen Fenster und Altar in den Kirchen, und zeichnen dieselben mit Schild und Wappen, und wollen, dass es alle Menschen wissen; darinnen haben sie ihren Lohn hinweg, und damit hat der Mensch alle seine Werke verdorben. Ist auch närrisch, dass sie für sich bitten lassen mit großem Schein. Denn die Almosen, so aus demütigen, einfältigen, Gott ergebenen Herzen gegeben werden, bitten mehr denn alle Menschen, denen die Almosen wissend und bekannt sind, dass sie zum Schein gegeben worden.

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4. Willst du, dass alle deine Werke tauglich und nicht wurmstichig sein sollen, so merke diese vier Regeln: 1) dass du von allen deinen Werken nichts haltest, nicht dich suchest und meinest, sondern allein Gott. 2) Sollst du ein demütiges Gemüt haben, unter Gott und allen Menschen, in dem Kleinsten sowohl als in dem Größten, dich soll dünken, alle Menschen sind gerechter als du. 3) Sollst du all dein Tun für unnütz und für nichtig halten. 4) Dass du dich immer fürchtest vor dem verborgenen Urteil Gottes, nicht zwar als ein Zweifler, sondern als ein Lieb-haber Gottes, wie sich ein Freund fürchtet, dass sein Freund nicht mit ihm zürne. Wer in diesen vier Stücken sein Werk nicht tut, der verdirbt alle seine Werke, wenn sie lauter Gold wären, und täte er auch so viel Werke, als die ganze Welt tun kann. Wer aber seine Werke also tut, der ist ein rechter guter Baum, an wel-chem allein die rechte Frucht hängt, die andern sind alle wurmstichig, wie ein fauler Apfel.

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5. Auch sollst du wissen, 1) dass nie ein so kleines oder geringes Werk und Amt ist, so es dem Nächsten zu Nutzen geschieht, es ist Gott angenehm. Und wer sein Pfund nicht anlegt, den Menschen damit zu dienen, der muß schwere Rech-nung dafür geben. Denn darum hat er es von Gott empfangen, als eine Gabe, dass er es wieder geben soll, seinem Nächsten zu Nutzen. Denn es ist nie so ein klein Werk und Kunststück, es kommt von Gott, und ist dem Menschen zu Nutzen gegeben. Darum sagt unser Herr Joh. 3,21. von den Werken, die in Gott getan sind, das sind die, so im Glauben, in herzlicher Liebe, zu Gottes Ehren, aus reiner lauterer Meinung, ohne alle eigene Ehre und Nutzen, dem Nächsten zum Besten getan werden, wie einen jeden solches sein Gewissen lehret. Darum habe Acht, was dich zu deinem Werk jaget oder treibet, damit du dein eigen Werk nicht verderbest. So du aber mit deinen Gaben deinem Nächsten nicht dienen willst, so wird dirs gehen wie jenem faulen Knecht, der sein Pfund ver-graben hatte, der Herr aber, der es ihm gegeben, nahm es ihm wieder und gab es einem andern, der es besser zu gebrauchen wußte, Matth. 25,26. Also bleibst du leer, beides der Gaben und der Gnaden dazu. 2) So ist es auch große Torheit, sich eines Dinges anzumaßen, das ihm Gott nicht gegeben hat, oder davon zier-liche Reden zu führen, was man nie geübet oder erfahren hat; und wenn man auch fürgäbe, dass die heilige Dreifaltigkeit solches wirkte, so halte nichts davon, er habe es denn erfahren und geübet, inwendig und auswendig.

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6. 3) So sollst du auch wissen, dass alle Werke, so ein Mensch tut, die nur zum Schein dienen, oder dass man gesehen oder groß gehalten werde, dass alle diese Werke Gott nicht gefallen, wie groß und hoch dieselben auch sein oder scheinen; denn wer des Werks eine Ursache ist, oder wer die Geburt gebieret, deß ist sie, und und keines andern. Darum ist der ein Heuchler und Gleißner, der in allen Dingen sich selbst meinet, und ist gleich als ein übergüldetes Werk, das inwendig nichts taugt, und so man das Vergüldete abschabt, so ist, was da bleibt, nichts wert. Also ist in solchen Heuchelwerken keine reine Liebe und Ehre Gottes, sondern eine blinde, fleischliche Liebe, die der ehrsüchtigen Natur ange-nehm und lieblich ist.

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7. 4) Auch sollt du wissen, dass alle gute Werke, die der Mensch in etwas anders richtet, denn in Gott, eitel Lügen sind und Abgötterei. Denn alle Dinge sind denen ein Abgott, wovon Gott nicht das Ende ist. Darum mögen wir wohl Gaben gebrau-chen, aber nicht mit Lust daran hangen, indem solches ohne Abgötterei nicht ge-schehen kann.

 

Gebet um Gnade, im Glauben und Demut gute Werke zu tun.

 

Weil dir, o Gott! nichts gefallen kann, es komme denn aus deiner Gnadenwir-kung, und gereiche zu deinem Lob; so laß auch mich alles, was ich tue, im Glauben aus dir, und durch deines Geistes Kraft tun, dir allein Ehre und Preis geben, nicht an den Gaben kleben, noch dieselben mißbrauchen, sondern dich selbst, dein Lob und meines Nächsten Bestes lauterlich suchen. Schaffe in mir, was vor dir gefällig ist, durch Jesum Christum, Amen.

 

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