DAS SECHSUNDZWANZIGSTE KAPITEL. (4.B./2.T./26.K.)

 

DASS AUS DER EINIGKEIT,

WELCHE, AUS PFLICHT DER NATUR,

UNTER DEN MENSCHEN SEIN SOLL,

DIE HÖCHSTE UNÜBERWINDLICHSTE STÄRKE ENTSTEHT.

 

Inhalt.

1) Wer mit Gott durch die Liebe vereiniget ist, der ist auch mit dem Nächsten vereiniget. 2) Diese Einigkeit ist ein großes Gut und unüberwindliche Stärke der Menschen. 3) So sind wir nun von den Kreaturen zu Gott hinauf, und von dem Schöpfer zu den Kreaturen herunter gestiegen.

 

Seid fleißig, zu halten die Einigkeit des Geistes, durch das Band des Frie-dens. Ephes. 4,3.

 

Dieweil die höchste Stärke aus der Einigkeit kommt, die Schwachheit aber aus der Spaltung; so folgt, dass, je größer die Einigkeit ist, je größer ist die Stärke. Damit aber die Einigkeit unter den Christen groß werde, so muß dieselbe ihren Ursprung nehmen aus der Einigkeit mit Gott. Je mehr nun ein Christenmensch mit Gott vereinigt ist durch die Liebe, je größer auch die Einigkeit unter den Christen wird. Denn wer mit Gott vereinigt ist durch die Liebe, oder wer Gott herz-lich liebt, der wird auch mit seinem Nächsten nicht unvereiniget bleiben, denn es ist unmöglich, dass einer sollte Gott lieben, und sollte den hassen, welchen Gott so herzlich liebt. Ja, je mehr er Gott liebt, je mehr wird er auch denselben lieben, den Gott liebet. Je mehr nun ein Mensch den andern liebet, je mehr wird er mit ihm vereinigt.

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2. Diese Einigkeit wird so lange währen, so lange die Liebe währet; die Liebe aber kann und muß immer währen, so bleibt die Einigkeit auch, und je mehr die Liebe zunimmt, je stärker die Einigkeit wird; daraus entsteht dann eine unüber-windliche Stärke. Und hie sieht man ausdrücklich, wenn die Menschen Gott lieben, daher lieben sie sich auch unter einander selbst, und durch diese Liebe werden sie stark und unüberwindlich. Wenn aber die Menschen allein auf sich sehen, und nicht Gott anschauen, sondern ein jeder auf sich allein sieht, so werden sie zerteilt, werden getrennt, und werden gar schwach. Derowegen ist die Einigkeit ein großes Gut der Menschen, und ihre größte Stärke, und so lange die Einigkeit währet, so lange währet das Gut der Menschen, deß können sie alle genießen. Wenn sie sich aber trennen, so kann keiner des gemeinen Guts ge-nießen, sondern verlierts ein jeglicher insonderheit, das sie allein gemein hätten behalten mögen. Wenn nun die Menschen die Einigkeit erhielten, und sie wären darinnen standhaft, so könnte sie keine Gewalt verderben. Ein solches großes Gut kommt aus der Liebe Gottes und des Nächsten.

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3. Also sind wir nun von den untersten Kreaturen hinaufgestiegen, als an einer Leiter zu Gott, zu Gottes Erkenntnis, zu seiner Liebe, als zum höchsten Gut, höchster Weisheit, höchster Gewalt, zum höchsten Anfang aller Dinge, und ha-ben uns die Kreaturen überzeugt, dass wir verpflichtet sind, Gott zu lieben. Dar-nach sind wir wieder heruntergestiegen, von dem Schöpfer zu den Kreaturen, von der Liebe des Schöpfers zur Liebe des Menschen, das ist das natürliche Auf- und Absteigen.

 

Gebet um christliche Einigkeit.

 

O du einiges, ewiges und unzertrennliches Wesen! laß mich mit dir eins sein im Geist, und mich auch befleißigen zu halten die Einigkeit im Geist, mit den Brü-dern. Du süße Liebe, schenke uns deine Gunst etc. Amen.

 

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