DAS SIEBENUNDDREISSIGSTE KAPITEL. (4.B./2.T./37.K.)

 

VON DER FRUCHT DER EIGENLIEBE,

DASS AUS DERSELBEN KEINE WAHRE FREUDE WACHSEN KANN, SONDERN EINE FALSCHE FREUDE,

SO EWIGE TRAURIGKEIT GEBIERET.

 

Inhalt.

1) Eigenliebe gebieret eine falsche nichtige Freude, die endlich in Traurigkeit verwandelt wird, 2) denn die Eigenliebe ist eine Wurzel aller Untugend, und ihre Freude außer, ohne und wider Gott; 3) die von Gott immer weiter abführet, und von der göttlichen Freude himmelweit unterschieden ist.

 

Seid elend, und traget Leid, und weinet; euer Lachen verkehre sich in Wei-nen, und eure Freude in Traurigkeit. Jak. 4,9.

 

Gleichwie aus der wahrhaften göttlichen Liebe wahrhaftige göttliche Freude fol-get, also aus der falschen eigenen Liebe kommt her eine falsche nichtige Freude. Denn die eigene Liebe liebet ihren eigenen Willen, ihr eigen Lob, ihre eigene Ehre, ihre eigene Wollust und alle Lüste des Fleisches. Und demnach liebet die falsche Liebe alles, was da dienet, eigene Ehre und Wollust zu erhalten, als zeit-lich Gut und Reichtum, Würde und Gunst, und dergleichen. Weil aber solches alles unbeständig, und bald verloren werden kann, so muß sich der Mensch immer fürchten, und sorgen, wie ers halte; und dagegen muß er dasselbe hassen und meiden, welches ihm sein Gut, daran er mit seiner Liebe hanget, verderben und nehmen kann. Derowegen so folget daraus, dass er sich nicht recht in seiner eigenen Liebe freuen kann, sondern dieselbe Freude ist mit Furcht und Traurig-keit vermischt, und wird endlich in Traurigkeit verwandelt. Darum ist es eine falsche und nichtige Freude. Denn wie der Samen ist, so ist auch die Frucht.

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2. Wir haben aber oben bewiesen, dass die eigene Liebe unordentlich ist, un-billig, falsch, unrein, verderbt, voller Laster, boshaftig, schändlich, wider die ganze Natur und Kreatur, und demnach eine Wurzel aller Untugend und alles Bösen, ein Gift, ein Tod, Finsternis, Irrtum, Blindheit, Lügen und Wurzel aller Laster, und die erste Ungerechtigkeit. Derohalben so gebieret auch ein solcher böse Same eine böse Frucht, nämlich eine falsche Freude, eine unreine, bos-haftige, schändliche Freude wider Gott und den Nächsten, und freuet sich wider Gott und alle Gerechtigkeit; freuet sich in allen Lastern und Sünden, in aller Ver-achtung Gottes, und ist Gott zum Höchsten zuwider; und kann nichts Verdammli-chers dem Menschen sein, denn sich wider Gott in aller Bosheit freuen und be-lustigen. Denn es ist böse, etwas lieben wider Gott; viel ärger ist es, sich dessen freuen, was wider Gott ist. Denn solche Freude ist wider die ganze Natur und alle Kreaturen, außer Gott, ohne Gott, wider Gott. Daraus denn nichts anders werden kann, denn der ewige Tod, die ewige Traurigkeit und Finsternis.

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3. Denn gleichwie die göttliche Freude den Menschen immer näher und näher zu und in Gott führet; also die fleischliche Freude führet den Menschen immer weiter und weiter von Gott. Die göttliche Freude vermehret die göttliche Freundschaft; die falsche Freude vermehret die Feindschaft wider Gott. Die göttliche Freude sättiget und befestiget den Willen in Gottes Liebe und macht das Gewissen fröh-lich, süße und holdselig; aber die fleischliche Freude macht das Herz und Willen unbeständig, unruhig, bitter und feindselig. Die göttliche Freude kann man haben ohne Arbeit, Unkosten und ohne anderer Leute Hilfe und Schaden; aber die fleischliche Freude kann man nicht haben, denn mit großer Mühe und Arbeit, Unkosten, mit anderer Leute Schaden und Verderben, und mit vieler zeitlichen Dinge Vorrat und Überfluß. Die göttliche Freude machet, vermehret und erhält Friede und Freundschaft, Einigkeit und alles Gute unter den Menschen; die falsche Freude macht Unfrieden, Feindschaft, Uneinigkeit, und stiftet viel Ver-derben und Unglück. Aus der göttlichen Freude kann nichts Böses kommen, und kein Ärgernis; aber aus der falschen Freude kann nichts erwachsen, denn alles Böse und viel Ärgernis. Die göttliche Freude erwecket den Menschen zu allem Guten; die falsche Freude erwecket den Menschen zu allem Bösen. Die göttliche Freude ist lebendig, heilsam, löblich, lieblich, herrlich, ehrlich; die fleischliche Liebe und Freude ist schändlich, lasterhaft, unehrlich. Die göttliche Freude ist Gott dem Herrn angenehm und wohlgefällig; die falsche Freude hasset Gott der Herr aufs Höchste. Die göttliche Freude vermehret die göttliche Begierde, und macht Verlangen nach Gott und allem Guten; die falsche Freude vermehret die Begierde alles Bösen. Die göttliche Freude erleuchtet das Herz und Verstand, erfüllet mit Weisheit und göttlicher Erkenntnis; aber die falsche Freude verfinstert und verblendet den Verstand, und erfüllet das Herz mit aller Torheit und Eitelkeit. Die göttliche Freude ist wahrhaftig und betrügt niemand; die fleischliche Freude ist lügenhaft, und nichts denn lauter Betrug und Verführung.

 

Gebet um Vermeidung der Weltfreude.

 

Weil du, o Gott! allein die Seele in Zeit und Ewigkeit erfreuen kannst; so laß mich doch an keinem Dinge in der Welt eine Freude suchen oder haben, sondern die Weltfreude für eine falsche, tolle und verdammliche Freude halten. Ach! bleibe nur allezeit meines Herzens Trost und mein Teil, in Zeit und Ewigkeit, Amen.

 

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