DAS ZWEITE KAPITEL. (1.B./2.K.)

 

WAS DER FALL ADAMS SEI?

 

Inhalt.

1) Der Fall Adams, als die schrecklichste Sünde. 2) Wird durch die Sünde Absalons deutlicher gemacht. 3) Dadurch ist der Mensch dem Teufel ähnlich worden. 4) Aus diesem giftigen Samen wachsen die greulichen Früchte, 5) die sich schon bei kleinen Kindern regen, und durch die Ärgernisse vermehret werden. 6) Dies Gift ist im Herzen verborgen, bricht aber im Leben hervor. 7) Darum wird das Ärgernis so hart verboten. 8) Der Fall und die Erbsünde ist nicht auszurotten; 9) denn der Mensch ist dadurch ganz tierisch geworden; 10) und muß in solchem Zustande verloren gehen, wenn er sich nicht bekehret.

 

Wie durch eines Menschen Ungehorsam viele Sünder geworden sein, also auch durch eines Gehorsam werden viele Gerechte. Röm. 5,19.

 

Der Fall Adams ist der Ungehorsam wider Gott, dadurch sich der Mensch von Gott abgewendet hat zu ihm selbst, und Gott die Ehre geraubet, indem er selbst Gott sein wollen; dadurch er des heiligen Bildes Gottes beraubet, nämlich der vollkommenen Erbgerechtigkeit und Heiligkeit. Im Verstände verblendet, im Willen ungehorsam und Gott widerspenstig, in allen Kräften des Herzens ver-kehret, und Gottes Feind worden, welcher Gräuel auf alle Menschen durch fleischliche Geburt fortgepflanzet und geerbet wird, dadurch der Mensch geistlich tot und gestorben, ein Kind des Zorns und der Verdammnis ist, wenn er nicht durch Christum erlöset wird. Darum sollst du, einfältiger Christ, den Fall Adams für keine schlechte und geringe Sünde achten, als wäre derselbe nur ein bloßer Apfelbiß, sondern das ist sein Fall gewesen, dass er Gott selbst hat sein wollen; und das war auch des Satans Fall. Das ist aber die schrecklichste und abscheu-lichste Sünde.

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2. Dieser Fall ist erstlich in seinem Herzen geschehen, darnach durch den Apfel-biß herausgebrochen und offenbar worden. Dies kann man etlichermaßen ab-nehmen in dem Fall und Sünde Absalons, 2 Sam. 14,25. Denn 1) war derselbe eines Königes Sohn, 2) der schönste Mensch, an welchem vom Haupt bis auf die Fußsohlen kein Fehl war, 3) war er seinem Vater ein sehr lieber Sohn, wie man an den Tränen Davids siehet, 2 Sam. 18,33. An dieser Herrlichkeit wollte sich Absalon nicht genügen lassen, sondern wollte selbst König sein, und raubete ihm die königliche Ehre. Da er nun das in sein Herz nahm, da ward er seines Vaters abgesagter Feind, und trachtete ihm nach dem Leben, 2 Sam. 25. Also war Adam 1) Gottes Sohn, 2) der Schönste unter allen Kreaturen, also, dass kein Fehl an ihm war an Leib und Seele, und war auch fürs 3) Gott ein liebes Kind. Als er sich nun an dieser Herrlichkeit nicht wollte begnügen lassen, sondern Gott selbst sein, da ward er ein Feind Gottes, und wenn es möglich gewesen, hätte er Gott vertilget.

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3. Wie konnte nun eine greulichere und abscheulichere Sünde sein? Daraus dieser Gräuel erfolget: Erstlich, dass der Mensch dem Satan gleich worden in seinem Herzen, denn sie haben beide gleiche Sünde begangen, und ist demnach der Mensch aus Gottes Bilde des Satans Bild, und sein Werkzeug worden, fähig aller Bosheit des Satans. Darnach ist der Mensch aus einem göttlichen, geist-lichen, himmlischen Bilde gar irdisch, fleischlich, viehisch und tierisch worden. Denn erstlich, damit der Satan sein teuflisches Bildnis im Menschen pflanzete, so hat er durch seine listige, giftige, verführerische Worte und Betrug seinen Schlangensamen in den Menschen gesäet, welcher heißt eigene Liebe, eigener Wille und Gott selbst sein. Daher die Schrift alle die, so in eigener Liebe ersoffen sind, Otterngezüchte, Matth. 3,7. und Schlangensamen, die des Teufels Art an sich haben, 1 Buch Mos. 3,15. nennet: Ich will Feindschaft setzen zwischen der Schlangen Samen und des Weibes Samen.

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4. Aus diesem Schlangensamen kann nun nichts anders wachsen, denn eine solche greuliche Frucht, die da heißt des Satans Bild, Kinder Belials, des Teufels Kinder, Joh. 8,44. Denn gleichwie ein natürlicher Same verborgener Weise in sich begreifet des ganzen Gewächses Art und Eigenschaft, seine Größe, Dicke, Länge und Breite, seine Zweige, Blätter, Blüte und Früchte, dass man sich billig verwundern muß, dass in einem kleinen Sämlein ein so großer Baum verborgen liegt, und so viel unzählige Früchte; also ist in dem giftigen bösen Schlangen-samen, in dem Ungehorsam und eigener Liebe des Adams, so auf alle Nach-kommen durch fleischliche Geburt geerbet, so ein giftiger Baum verborgen, und so unzählige böse Früchte, dass in ihnen das Bild des Satans mit aller bösen Unart und Bosheit erscheinet.

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5. Denn sehet ein kleines Kind an, wie sich vom Mutterleibe an die böse Unart in ihm reget, sonderlich aber der eigene Wille und Ungehorsam, und wenn es ein wenig erwächset, bricht hervor die angeborne eigene Liebe, eigene Ehre, eigenes Lob, eigene Rache, Lügen und dergleichen; bald bricht hervor Hoffart, Stolz, Hochmut, Gotteslästerung, Fluchen, Schwören, Böses wünschen, Lügen und Trügen, Verachtung Gottes und seines Worts, Verachtung der Eltern und Obrigkeit; es bricht hervor Zorn, Zank, Haß, Neid, Feindschaft, Rachgierigkeit, Blutvergießen und alle Gräuel, sonderlich wenn die äußerlichen Ärgernisse dazu kommen, welche die adamische fleischliche Unart im Menschen erwecken. Denn dadurch geht hervor die Unzucht, Unreinigkeit, hurische Phantasmen und ehebrecherische Gedanken, unzüchtige Reden, schändliche Gebärden, Worte und Werke; die Lust zur Völlerei, Überfluß in Speise und Trank, in Kleidung, Leichtfertigkeit, Üppigkeit, Fressen und Saufen; es gehet hervor Geiz, Wucher, Betrug, Vorteil, Ränke, List, Spitzfindigkeit, und in Summa, alle Schande und Laster, alle Büberei und Schalkheit auf so vielfältige, unerhörte mancherlei Weise, dass es nicht möglich zu zählen, wie im Jer. 17,9. stehet: Wer kann des Menschen Herz ergründen? ja was noch mehr ist, so die ketzerischen, verführer-ischen Geister dazu kommen, so gehet heraus Verleugnung Gottes, Abgötterei, Verfolgung der Wahrheit, die Sünde in den heiligen Geist, die Verfälschung des Glaubens, Verkehrung der Schrift, und alle Verführung aufs allerschrecklichste: das sind alle die Früchte des Schlangensamens im Menschen, und das Bild des Satans.

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6. Wer hätte nun anfänglich gemeinet, dass in einem so kleinen, schwachen und blöden Kinde ein solcher Wust aller Laster, ein so verzweifelt böses Herz, ein solcher greulicher Wurm und Basilisk verborgen gelegen wäre, wenn es der Mensch nicht selbst hervordrückte mit seinem Leben und Wandel, mit seinem bösen Dichten und Trachten von Jugend auf, 1 Mos. 6,5. Kap. 8,12.

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7. Laß mir nun das eine böse Wurzel sein, daraus ein so giftiger Baum wächset; einen bösen Schlangensamen und Otterngezüchte, daraus ein so scheußliches Bild hervorkommt. Denn da wächset ja alles von innen heraus, und wird mehren-teils durch die äußerlichen Ärgernisse erwecket. Darum der Herr Christus die Ärgernis der Jugend halben so hart verboten, dieweil der Schlangensamen in den Kindern verborgen ist, in welchen so viel Schand und Laster heimlich ver-steckt liegen und ruhen, als ein Gift im Wurm.

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8. Darum, o Mensch! lerne den Fall Adams, und die Erbsünde recht verstehen, denn die Verderbung ist nicht auszugründen. Lerne dich selbst erkennen, was du durch den Fall Adams worden bist; aus Gottes Bilde des Satans Bild, in welchem alle Unarten, Eigenschaften und Bosheit des Satans begriffen sind. Gleichwie in Gottes Bild alle Arten, Eigenschaften und Tugenden Gottes begriffen waren, und gleichwie vor dem Fall der Mensch trug das Bild des Himmlischen, das ist, er war ganz himmlisch, geistlich, göttlich und engelisch; so trägt er nun nach dem Fall das Bild des Irdischen, das ist, er ist inwendig ganz irdisch, fleischlich und pest-artig worden.

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9. Denn siehe, ist dein Zorn und Grimmigkeit nicht Löwenart? Ist dein Neid und unersättlicher Geiz nicht Hundes und Wolfes Art? Ist deine Unreinigkeit, Un-mäßigkeit nicht säuische Art? Ja, du wirst in dir selbst finden eine ganze Welt voller böser Tiere, auch in dem kleinen Glied deiner Zunge allein, wie St. Jak. Kap. 3, v. 6. sagt: Einen ganzen Pfuhl voller böser Würmer, eine Behausung voller unreiner Geister, und voller unreiner Vögel, wie Jesaj. 13,21. und Off. Joh. 18,2. zeugen; dass auch oft kein wildes Tier so grimmig ist, als ein Mensch, kein Hund so neidisch, kein Wolf so reißend und geizig, kein Fuchs so listig, kein Basilisk so giftig, kein Schwein so unflätig. Um welcher tierischen und viehischen Art willen der Herr Christus Herodes einen Fuchs nennet, Luk. 13,32. die un-reinen Hunde und Säue, welchen man das Heiligtum nicht geben, noch die Perlen vorwerfen soll, Matth. 7,6.

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10. Wenn sich nun der Mensch von solcher Unart nicht bekehret, und in Christo nicht erneuert wird, sondern also stirbet, so bleibet er ewiglich einer solchen hochmütigen, stolzen, hoffärtigen, satanischen Art, ein grimmiger Löwe, ein neidischer Hund, ein reißender Wolf, ein giftiger Wurm und Basilisk, kann auch nimmermehr von solchem Gräuel erlediget werden, sondern muß des Satans Bild ewig tragen und behalten in der ewigen Finsternis, zum Zeugnis, dass er nicht in Christo gelebet, und nach dem Bildnis Gottes erneuert worden, wie Off. Joh. 21,8. Kap. 22,15. sagt: Draußen sind die Hunde, die Abgöttischen und Zauberer, und alle, die da lieb haben und tun die Lügen etc.

 

Gebet um Erlösung von dem alten Menschen.

 

O ich elender Mensch! wie bin ich durch Adams Fall zugerichtet worden, dass von der Fußsohle an bis auf das Haupt nichts Gesundes an mir, nichts Gutes in mir ist. Mein Herz ist eine Behausung voll unreiner Geister, daraus nichts als arge Gedanken, Mord, Ehebruch, Hurerei und andere dergleichen abscheuliche Sünden kommen. In meinem Verstand bin ich verblendet, dass ich nichts von göttlichen und geistlichen Dingen vernehmen kann; in meinem Willen finde ich einen Haß, Feindschaft und Ungehorsam gegen Gott und das Gute. Mein Sinnen, Dichten und Trachten ist nur böse immerdar von Jugend auf. Ach! ich bin aus Gottes Bilde des Satans Bild, und sein Werkzeug, gar irdisch, fleischlich und viehisch worden, müßte deswegen ewig verdammt und verloren sein, wenn du, mein Gott und Vater, mich nicht aus solchem Verderben erretten, und aus der Hölle durch deinen Sohn Jesum Christum, meinen Heiland, erlösen, und durch deinen guten Geist erleuchten, heiligen, erneuern, und in mir dein Bild wieder schaffen wolltest. So gib mir denn Licht und Kraft, die Welt voll Ungerechtigkeit, die in und an mir ist, einzusehen, und mein Fleisch mit allen Lüsten und Begier-den zu kreuzigen und der Welt abzusterben, dir aber in Heiligkeit und Gerechtig-keit ewig zu dienen, Amen.

 

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