DAS DREIUNDDREISSIGSTE KAPITEL. (1.B./33.K.)

 

GOTT SIEHET DIE WERKE ODER PERSON NICHT AN,

SONDERN WIE EINES JEDEN HERZ IST,

SO WERDEN DIE WERKE BEURTEILET.

 

Inhalt.

1) Gott siehet die Person nicht an, 2) sondern richtet Person und alle Werke nach dem Herzen. 3) Eigene Ehre verderbt alle gute Gaben, 4) Aus Glauben und Lie-be muß alles kommen, was Gott gefallen soll. 5) Aus ungleichen Herzen kommen ungleiche Opfer, 6) ungleiche Buße, 7) ungleiches Schmücken, 8) ungleiches Zeichenfordern, 9) ungleiches Gebet, 10) ungleiches Fasten, 11) ungleiche Almo-sen, 12) ungleiche Freude, 13) (denn es liegt alles am Unterschied der Herzen), 14) ungleiche Märtyrer.

 

Einem jeden dünket sein Weg recht zu sein; der Herr aber machet die Her-zen gewiß. Spr. Sal. 21,2.

 

Im 1 B. Sam. 16,7. lesen wir, als Gott der Herr den Propheten Samuel sendet in das Haus Isai, den David zum König zu salben, und der Prophet den Erst-gebornen salben wollte, sprach der Herr: Siehe nicht an seine schöne Gestalt, noch seine große Person. Denn es geht nicht, wie ein Mensch siehet. Ein Men-sch siehet, was vor Augen ist, der Herr aber siehet das Herz an.

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2. Mit welchem Exempel uns Gott der Herr lehren will, dass er die Person des Menschen nicht achte, wie hoch sie auch vor der Welt ist, wenn das Herz nicht fromm, liebreich, gläubig und demütig ist. Nicht allein aber die Person, sondern alle Werke richtet Gott nach dem inwendigen Geist, Gemüt und Sinn, wie Salo-mon spricht Sprüchw. 21,2. Ja auch alle Gaben des Menschen, wie hoch sie auch immer sein, wie gewaltig, herrlich, löblich und prächtig vor der Welt die-selben sein, wenn sie nicht gehen aus reinem Herzen, allein zu Gottes Ehre, und des Nächsten Nutzen und Besserung, ohne alle Hoffart, eigene Liebe, Ehre, Nutzen, Lob und Ruhm, so taugen sie alle vor Gott nichts. Obgleich ein Mensch die höchsten Gaben von Gott hätte, er aber suchte damit eigenes Lob, Ruhm, Ehre, eigenen Nutzen und Liebe, und nicht bloß und lauter allein Gott und Gottes Ehre und seines Nächsten Besserung, so würden alle solche Gaben vor Gott ein Gräuel, und würden dem Menschen zur Sünde. Denn alle Gaben werden gege-ben allein zu Gottes Ehre und des Nächsten Besserung.

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3. Sehet den Lucifer an: kein schönerer und herrlicherer Engel war im Himmel; da er aber seine eigene Gaben zu eigener Ehre, Lieb und Lob brauchte, und nicht lauter zu Gottes Lieb und Lob, so bald ward aus ihm ein Teufel, und von Gott verstoßen.

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4. Darum, wenn etwas vor Gott gelten soll, so muß es aus dem Glauben kommen, und muß in demselben Werk die reine, lautere Liebe sein gegen Gott und Menschen, ohne eigene Ehre, Liebe, Nutzen und Lob, so viel einem Menschen in dieser Schwachheit aus Gnaden möglich ist. Darum spricht St. Paulus: 1 Kor. 13,1. Wenn ich mit Menschen- und Engelzungen reden könnte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz, und eine klingende Schelle, das ist, ein unnützes Ding, darinnen kein Nutzen, Frucht und Kraft ist. Gott siehet nicht auf den wohlredenden Mund, sondern auf das demütige Herz. Gott siehet nicht auf große Kunst, Erkenntnis und Wissenschaft der Menschen, sondern er erwäget und prüfet den Geist des Menschen, ob er seine eigene Liebe und Ehre, oder Gottes Ehre und des Nächsten Nutzen suchet. Gott siehet auch nicht an einen großen wundertätigen Glauben, der Berge versetzet, und großes Ansehen hat vor der Welt, wenn er seine eigene Ehre damit suchet, sondern er siehet an den Elenden, der zerbrochenen Geistes ist, und sich fürchtet vor seinem Wort, Jes. 66,2. Gott siehet auch nicht auf große Almosen, wenn sie aus eigenem Ruhm geschehen, ja auch nicht, wenn einer sich einen Namen dadurch machen wollte, wenn er seinen Leib brennen ließe, sondern Gott siehet allein das Herz an, wie, und warum dies geschieht.

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5. Dies können wir nun nicht besser als aus Exempeln verstehen. Kain und Abel brachten beide ein Opfer; die Herzen aber waren ungleich, darum nahm Gott Abels Opfer an, das andere aber verwarf er, 1 Mos. 4,4.5. Saul und David brach-ten beide ein Opfer, 1 Sam. 15,9. 2 Sam. 24,25. eines ward angenommen, das andere verworfen; das machten ihre ungleichen Herzen.

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6. David, Manasse, Nebukadnezar und Petrus fanden Gnade bei Gott, als sie wahre Buße taten; Saul, Pharao und Judas nicht. Warum? das machten ihre ungleichen Herzen. Pharao und Saul sagen: Ich habe gesündiget, 2 Mos. 9,27. 1 Sam. 15,24. Manasse sagt auch also, Geb. Man. 12. Wie ungleichen Lohn aber tragen sie davon?

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7. Judith und Esther schmückten sich schön, Jud. 10,3. Esth. 5,1. Die Töchter Israel auch, Jes. 3,16. Jene werden gelobt, diese übel gescholten.

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8. Hiskia, Judith und Gideon fordern Zeichen vom Himmel, und werden gelobt, 2 Kön. 20,10. Jos. 10,12. B. der Richt. 6,37. Die Pharisäer fordern auch ein Zei-chen vom Himmel, Matth. 12,38. und werden gescholten.

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9. Der Zöllner und Pharisäer beten beide im Tempel, Luk. 18,10. aber sie be-kommen ein ungleiches Urteil.

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10. Die Niniviter fasten, Jon. 3,6. die Juden und Pharisäer auch, Matth. 6,16. Jenes siehet Gott an, dieses nicht, wie sie sagen: Warum fasten wir, und du siehest es nicht? Jes. 58,3.

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11. Die Witwe, so ein Scherflein in den Gotteskasten gab, ward gelobt; die an-dern nicht, die doch mehr gaben, Luk. 21,2. seq.

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12. Herodes wird froh, dass er Christum zu sehen bekommt, Luk. 23,7. Zachäus wird auch froh, Luk. 19,8. aber welchen ungleichen Lohn bekommen sie?

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13. Das macht alles das Herz, das Gott ansiehet, ob ein Werk aus reinem Glau-ben, reiner Liebe und lauterer Demut geschieht. Denn wo deine Werke mit eige-ner Ehre, Liebe, Lob und Nutzen befleckt sein, taugen sie nicht vor Gott, und wenn es die höchsten Gaben wären.

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14. Die heiligen Märtyrer haben sich erwürgen lassen um Christi willen; Achas und Manasse haben auch ihre eigenen Kinder erwürgt und geopfert, 2 Kön. 16,3. Kap. 21,6. Jene waren Gott angenehme Opfer, diese waren ihm ein Gräuel.

 

Gebet um ein gläubiges Herz.

 

Herr, Herr! der du nicht wie die Menschen auf das, was vor Augen ist, sondern auf das Herz siehest, und darnach alle Werke richtest, gib mir ein recht gläubi-ges, einfältiges und demütiges Herz, und laß mich alle Werke in dir und zu deines Namens Ehre tun; du wirkest in mir beide, das Wollen und Vollbringen, nach deinem Wohlgefallen, darum gebühret dir allein Lob, Ehre und Preis von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und dass ich dir solches alles gebe, das gib mir durch deinen Geist, um Jesu Christi willen, Amen.

 

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