DAS FÜNFUNDDREISSIGSTE KAPITEL. (2.B./35.K.)

 

EINES WAHREN CHRISTEN, DAS IST, GESALBTEN DES HERRN, EIGENSCHAFT UND KENNZEICHEN IST DAS GEBET.

 

Inhalt.

1) Beten ist eines Christen Eigenschaft. 2) 1. Denn er ist mit dem heiligen Geist gesalbet. 3) 2. Ist eine Wohnung und Tempel des heiligen Geistes. 4) 3. Es bezeugets des heiligen Geistes Amt, der ein Lehrer und Tröster der zerbroche-nen Herzen ist, 5) 4. woraus der Nutzen des heiligen Kreuzes erhellet, denn, wenn die Seele arm 6) und elend ist, so lehret der heilige Geist sie seufzen und beten.

 

Herr! neige deine Ohren, und erhöre mich, denn ich bin elend und arm.

Ps. 86,1.

 

Hier haben wir eine herrliche Lehre, dass das Beten eines wahren Christen Kennzeichen und Eigenschaft sei, und die Trübsal das Gebet erwecket. Denn

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2. 1) Wer ein Christ ist, der ist mit dem heiligen Geist gesalbet und getauft, 1 Joh. 2,20. Wenn nun ein Mensch der Salbung und dem heiligen Geist Raum und Statt gibt, denselben nicht betrübet noch verhindert, so tut der heilige Geist nichts anders in des Menschen Herz, als dass er ohne Unterlaß seufzet, und den Geist des Menschen erhebet zu Gott, und mit sich von der Erde aufführet, Röm. 8,13. Gleichwie ein kräftiges subtiles Wasser oder Spiritus aus einer Blume die Kraft an sich nimmt und mit aufführet, also ist der Mensch Gottes Blume, die der Herr gepflanzet hat, Pflanzen im Hause des Herrn, Jes. 61,3. Ps. 92,14. die muß der heilige Geist bereiten, und derselben Geruch mit aufführen. Nun es versuchs ein frommer Mensch, er halte dem heiligen Geist ein wenig stille, und verhindere ihn nicht, es wird nicht lange währen, es wird ein Seufzer aufsteigen, dass der Men-sch sagen wird: Ach lieber Gott, du getreuer Gott, erbarme dich über mich! So-bald man Weihrauch, Myrrhen und andere Kräuter ins Feuer legt, so steigt ein Rauch auf, und gibt einen lieblichen Geruch, welches ohne Feuer nicht ge-schieht: also, sobald das Feuer des heiligen Geistes unser Herz berühret und er nicht verhindert wird, sobald steigt ein Geruch eines Seufzers und des Gebets auf. Das sind die goldenen Rauchschalen der Engel, und ihr geistlicher Weih-rauch, womit sie räuchern, Offenb. 5,8. Ist derowegen ein andächtiges Seufzen und Beten eine gewisse Probe, ob der Geist Gottes im Menschen ist.

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3. 2) Dies bezeuget auch die Eigenschaft der Wohnung und Tempels Gottes des heiligen Geistes. Was kann da anders sein, wo der heilige Geist seine Wohnung und Werkstätte hat, als Beten? Ursache, der heilige Geist ist ein Geist der Gna-den und des Gebets. Sach. 12,10. Darum ist ja das Gebet ein gewisses Kenn-zeichen des heiligen Geistes, wenn es von Grund des Herzens gehet. Vom heuchlerischen Gebete rede ich jetzt nicht, davon sagt Gott Jes. 29,13. Dies Volk nahet sich zu mir mit seinen Lippen, aber ihr Herz ist ferne von mir. Ein rechtes Gebet, das der heilige Geist wirket, fließt aus der Tiefe des Herzens, gleichwie die wasserreichen und frischen Brunnen tiefe Quellen haben, und je tiefer man die Wasserquelle suchet, desto höher steigt es durch die Röhren. Christus ist der wasserreiche Brunn des Heils. Wohlan! alle die ihr durstig seid, kommet her zum Wasser und trinket, Jes. 55,1. Sehet, welch eine tiefe Quelle dieser Brunn hat, die ewige Gottheit. Und wer an ihn glaubt, spricht er, von deß Leibe werden Ströme des lebendigen Wassers fließen, Joh. 7,38. das ist, Gebet und Gaben des heiligen Geistes.

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4. 3) Solches bezeuget auch des heiligen Geistes Amt. Er soll unser Lehrer und Tröster sein, Joh. 16,13. Soll er ein Lehrer und Tröster sein, so muß er reden; soll er reden, so muß er eine Kirche und einen Tempel haben, darinnen er redet. Seine Kirche ist des Menschen Herz; seine Rede ist das Seufzen des Herzens, so er wirket. Er hat eine verborgene und himmlische Stimme, unser Herz empfin-det es, denn er gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder seien, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater! Röm. 8,15.16. Soll er trösten, so muß er ein Herz haben, das seines Trostes fähig ist, ein zerbrochenes und zerschlage-nes Herz, Psalm 51,19. da ein Gleichnis genommen wird von einem zerbroche-nen Gliede, Arm oder Bein, von einem Leibe, voller Wehetage geschlagen. Ach! wie sanft tut doch einem zerbrochenen Gliede ein köstliches Wundöl, das die Schmerzen lindert, da werden die Glieder wieder zur Ruhe gebracht, als wenn sie sanft schliefen: also, wenn das Herz durch Traurigkeit verwundet, durch Trübsal zerbrochen und zerknirschet ist, alsdann kann der heilige Geist sein Trostamt nützlich gebrauchen, und seinen himmlischen Balsam hinein gießen. Er heilet, die zerbrochenen Herzens sind, und verhindert ihre Schmerzen, Ps. 147,3. Heile du mich, Herr! so werde ich heil; hilf du mir, so wird mir geholfen. Denn du bist mein Ruhm, Jer. 17,14.

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5. 4) Da sehen wir nun auch den Nutzen des heiligen Kreuzes. Die Starken be-dürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken, Matth. 9,12. O komm, du himmli-scher Arzt! wir bedürfen dein alle. Herr! neige deine Ohren und erhöre mich, denn ich bin arm und elend, Ps. 70,6. arm von Gerechtigkeit. Ach! es ist ein Mensch so arm, wenn ihn Gottes Barmherzigkeit nicht bekleidete, und die Ge-rechtigkeit Christi nicht zudeckte, er müßte nackend und bloß stehen vor Gottes Gericht, und vor allen heiligen Engeln zu Schanden werden. Hie sind alle Men-schen von Natur arm, dass keine ärmere Kreatur sein möchte, Offenb. 3,17. Du weißt nicht, wie arm, elend, blind und bloß du bist.

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6. Auch elend, spricht der Psalm: Ist eine Wirkung der Armut. Wer arm wird, der wird auch wohl elend. Was heißt denn elend? Der nirgends eine bleibende Stätte hat, nirgends hin weiß, und ist von allen Menschen verlassen, aller menschlichen Hilfe beraubt. Ach! wie elend sind alle Menschen von Natur, wo sollen wir hin? Wo sollen wir bleiben? Haben wir keine andere Hoffnung, als dies Leben, so sind wir die elendesten unter allen Kreaturen, 1 Kor. 15,19. Hier sollen wir all unser geistliches Elend und Armut erkennen lernen. Wenn das geschieht, alsdann ist der himmlische Doktor und Tröster da, und lehret dich in deiner Armut seufzen nach dem Reichtum der Barmherzigkeit und Herrlichkeit Gottes, und in deinem geistlichen Elend und Pilgerschaft deine Augen aufheben zu Gott, der im Himmel wohnet. Davon der Herr spricht: In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen, Joh. 14,2. Mein Vater und Mutter verlassen mich aber der Herr nimmt mich auf, Ps. 27,10. Bist du nun elend in der Pilgrimschaft, im Himmel ist dein Vaterland. Bist du arm, nackend und bloß, Christi Gerechtigkeit ist dein Kleid und Rock des Heils, Jes. 61,10. Darum halt dein Kleid fest, dass du nicht bloß erfunden wer-dest, und man deine Schande sehe, Offenb. Joh. 16,15.

 

Gebet um den Geist des Gebets.

 

Ach, himmlischer Vater! der du willst Anbeter haben, die im Geist und in der Wahrheit beten, gib mir, um Jesu willen, den Geist der Gnaden und des Gebets, der mein Herz reinige und heilige zu deinem Tempel, dass ich aus demselben dir angenehme Rauchwerke des feurigen und andächtigen Gebets ohne Unterlaß bringe. Laß den guten Geist mich allezeit bewegen, und der Erhörung von dei-nem Gnadenthron innerlich durch eben diesen Geist versichert werden, zu dei-nem ewigen Preis, und meiner Seele Seligkeit, Amen.

 

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