Johann Gerhard: Heilige Betrachtungen (1606)
HEILIGE BETRACHTUNGEN
von
JOHANN GERHARD,
weiland Doktor und Professor der Theologie
an der Universität Jena.
Aus dem Lateinischen übersetzt
und der evangelischen Christenheit
zur Erbauung geboten
von
M. Franz Julius Bernhard,
Pfarrer zu Magdeborn.
Zweite Auflage.
Leipzig,
Druck und Verlag von B. G. Teubner.
1863.
VORWORT.
Wenn in Zeiten des wieder erwachenden Glaubens die Schriften derer von Neuem an das Licht gezogen werden, die vor Jahrhunderten gezeugt haben vom Glauben, so ist dazu mehr denn ein Grund vorhanden. Es ist vor Allem erhebend für die lehrenden wie für die lernenden Glieder der Kirche des Herrn, die vom Glauben reden zu hören, welche längst den Lauf vollendet und im Glauben ihren Trost im Leben und im Sterben gefunden und das Zeugnis der Bewährung für sich haben. Da tritt der Glaube, zu dem wir uns bekennen, mit seiner Segensmacht wie verkörpert uns vor die Seele: und weil es nicht abgehen kann ohne einige beugende Erinnerung an vergessene oder doch nicht wert genug geschätzte Güter des Heils, so wird der Glaube uns um so teurer und kostbarer und aus dem Munde der alten Zeugen ertönt an uns der Ruf: „Halt was du hast, dass niemand deine Krone nehme!“ Off. Joh. 3,11; und wiederum: „Rufe getrost, schone nicht, erhebe deine Stimme wie eine Posaune, und verkündige meinem Volke ihr Übertreten, und dem Hause Jakob ihre Sünde!“ Jes. 58,1. Da wächst die Lust am Glauben und der Mut zum Zeugnis von ihm. Ist das nicht Grund genug, die alten Zeugen, deren Zeugnis durch mehrhundertjährige Erfahrung bestätigt ist, von Neuem reden zu lassen? Ist doch eben in Zeiten, da der Glaube wieder erwacht, dieser selbst dem Schmetterlinge zu vergleichen, welcher eben erst die Hülle der Verwandlung durchbrochen und das neue im Verborgenen ihm bereitete und geschenkte Leben im Lichte des Tages begonnen hat, aber mit zitternden Schwingen, die zum Aufschwunge und zur Kundgebung des in ihm ruhenden Lebens noch nicht taugen. Es bedarf der Glaube der Vorgänger, damit er könne nachfolgen. Er bedarf der Erhebung, damit er sich könne erheben. Er bedarf der Zeugen, damit er auch zum Zeugenamte Kraft und Macht erlange und sich sonne im Lichte deß und aufschwinge zu dem, der der Anfänger und Vollender des Glaubens ist Hebr. 12,2, zu Jesu, dem Herrn der Kirche. „Es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde!“ Hebr. 13,9. Und wie damit schon Segen uns verbürgt ist, wenn die alten Zeugen und Väter der Kirche von Neuem zu uns reden, so ist das uns auch neuer Grund, sie reden zu lassen, und neue Segensbürgschaft. Denn wie ihr Zeugnis erhebt, so fördert und gründet es auch in der Erkenntnis der Wahrheit. Es treibt hinein in die heilige Schrift, aus der es erwachsen ist, und erschließt die teuren Gnadenschätze, durch die der treue Gott uns reich macht in Christo Jesu, seinem Sohne, und unser Heil wirkt. Das hat mich gedrungen, den heiligen Betrachtungen des lieben Johann Gerhard, die in verschiedenen Zeiten gesucht, mehr denn dreißig Mal im lateinischen Urtext ausgelegt, in fast alle europäischen Sprachen übersetzt und geliebt worden sind, in dieser unserer Zeit zur Erhebung des Glaubens und eben damit zur Förderung und Gründung in der Erkenntnis der Wahrheit, und so zum Segen aller, denen der Glaube keine müßige Frage ist in unserm Volke, deutschen Laut zu geben. Denn der Mann, von dem sie herrühren, und der einer der hervorragendsten und treuesten Gottesgelehrten unserer teuren evangelisch-lutherischen Kirche und in dem ersten Leidens- und Siegeslaufe der heiligen Reformation derselben in den Reihen ihrer Kämpfer gestanden ist, weiß was Glauben und im Glauben Leben heißt zur Ehre des dreieinigen Gottes. Er ist ein rechter Glaubens-Lebens-Gottesgelehrter. Im Glauben weicht er nicht um ein Haar vom Worte Gottes, das allein selig macht; und des Glaubens Offenbarung fordert er im Leben. Er spricht: „Da ist ein elend und erbärmlich Leben, wo nicht der rechte Glaube ist an Gott; aber da ist auch wieder ein eitler Glaube, wo nicht das rechte Leben ist. Der wahre Glaube ist da nicht im Herzen zu finden, wo er nach außen hin sich nicht in Taten offenbaret. Die nicht im Lichte wandeln, die sind noch nicht Kinder des Lichts. Das sind keine Christen, die nicht leben wie es Christen ziemt.“ Aus dieser Glaubens-Lebens-Gottesgelehrtheit, die das Zeugnis der Echtheit und die Verheißung des Segens hat durch den Herrn, der da spricht: „An der Frucht erkennet man den Baum.“ Matth. 12,33; und: „Es werden nicht alle, die zu mir sagen, Herr, Herr, in das Himmelreich kommen; sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel.“ Matth. 7,21, ist das Büchlein der heiligen Betrachtungen hervorgegangen, das dir hier geboten wird, andächtige Seele. Der teure Gottesmann sagt selbst über die Entstehung und Veröffentlichung desselben: „Dies Büchlein heiliger Betrachtungen habe ich nach und nach in stillen Stunden verfasst, um dem Leben in Gott, das beim dermaligen Todesschlafe der Welt fast ausgetilgt ist, ein Mittel zu neuem Erglühen, und den Trägen auf dem Wege des Herrn ein Mittel neuer Anregung zu geben, und mich selbst und andere an unsere gemeinsame Lebensaufgabe zu erinnern.“ Was er im Büchlein sagt, ist nicht alles sein eigenstes Eigentum, sondern manches aus Erinnerung frommer Aussprüche gottseliger Menschen, wie Augustin’s, Bernhard’s, Anselm’s, Tauler’s und anderer ihm in die Feder geflossen. Er hat deß nicht schweigen wollen, wenn er es auch an den betreffenden Stellen nicht anführt, aus Besorgnis, die Andacht der Betrachter zu stören, und sagt darüber: „Ich halte dafür, dass es nichts frommt, ob etwas mit meinen oder der Väter Worten ausgedrückt ist, wenn nur, was gesagt ist, mit Fleiß beachtet wird. Beliebt’s einem, so mag er alles, was in diesem Büchlein geschickt und passend gesagt ist, den heiligen Vätern zuschreiben, mir aber nur das, was weniger geeignet angeführt ist: ich wehre es ihm nicht und wünsche nur, dass den Kindern der Kirche eine Frucht daraus erwachse; und der Erfüllung dieses Wunsches würde ich mich dann schon teilhaftig erachten, wenn auch nur in einer Seele einmal irgend ein frommer und heiliger Gedanke aus dem Lesen dieses Büchleins aufstiege.“
Das Büchlein empfiehlt sich selbst jedem, der es braucht. Möchte aber einer der Empfehlungen begehren, so stehen etliche hier: Michael Dilherr, ein lutherischer Gottesgelehrter, sagt von ihm: „Es ist nicht groß, aber gülden und wert, dass man es bis auf’s Wort sich einpräge. Wer ist bei uns? aber was sage ich bei uns? wer ist selbst bei denen, die mit uns nicht eines Glaubens sind, der dies Buch nicht empfehlen müsste, wenn er die Regungen des Neides überwindet?“ – Nicolaus Vedel, ein reformierter Theolog, sagt: „Die auf das tätige Christentum gerichteten Betrachtungen des berühmtesten Gottesgelehrten, Johann Gerhard, die in unsern Kirchen so hoch geschätzt werden, geben Zeugnis von dessen Leben in Gott.“ –Christian Schwanmann, Bürgermeister von Buxtehude, hat das Buch in lateinischen Versen von folgendem Sinne gepriesen: „Kurz ist’s in Worten, aber reich an Inhalt. Was es sagt, dem gibt’s Gewicht durch’s Wort, denn jedes Wort hat Gewicht. Was die Alten in vielen, fasst dieser eine in wenigen Worten, ja alles umfasst das preiswürdige Buch dieses einen. Der Gegenstand eben so wohl als die Ausführung rät: Lies mit Andacht und glaube fest, was du liest, hat Gott mit seinem Finger geschrieben!“
Das genüge; eines sei aber noch erwähnt, weil ich Seite 5 in der zweiten Betrachtung des Buchs auf’s Vorwort verwiesen, nämlich dass der liebe Johann Gerhard ganz im Glauben gewesen, und wenn er dort sagt nach dem Urtext: „Gott leidet, Gott vergießt sein Blut,“ solches nicht sagt im Sinne des Irrtums derer, die da Veranlassung mit ihrer Irrlehre gegeben zu der Annahme, Gott, der Vater, habe in Jesu Person den Tod gelitten, sondern dass er solches sagt im Sinne der Schrift und der Bekenntnisschriften der lutherischen Kirche, nach denen die beiden Naturen, die göttliche und menschliche, in Jesu Christo so vereinigt gewesen sind, dass „Gott Mensch und Mensch Gott ist,“ ohne dass die Naturen und die Eigenschaften derselben mit einander vermischt worden sind, sondern jede Natur ihr Wesen und ihre Eigenschaften behalten hat. (S. Eintrachtsformel S. 765.)
Der Herr, der den treuen Mann, der dieses Buch verfasst aus Liebe zu dem Heile der Seelen, in seinen Dienst genommen und darin vollendet und auch dieses Buch mit seinem Segen vielfach gekrönt hat, lasse dasselbe auch in dieser Übertragung den Seelen, die seine Wahrheit suchen und lieb haben, lieb und förderlich werden in der Sorge für ihr Heil. Er tue das um seines hochgelobten und gebenedeieten Namens willen.
Magdeborn, den 8. März 1858.
Bernhard.
LEBENSBESCHREIBUNG.
Johann Gerhard, der Verfasser der heiligen Betrachtungen, ward geboren zu Quedlinburg den 17. Oktober 1582. Seine gottseligen Eltern waren Bartholomäus Gerhard, Ratsherr und Ratsschatzmeister zu Quedlinburg, und Margaretha, Tochter Johann Berndesius, eines Beisitzers des Halberstädter Schöppenstuhls. Ein Jüngling von 17 Jahren studierte er fast zwei Jahre lang Philosophie und Theologie zu Wittenberg, dann auf Anraten eines hochgestellten Verwandten, Andreas Rauchbars, Kurfürstlich-Sächsischen Kanzlers, Medizin drei Jahre lang. Nach Vollendung dieser Studien, in denen er eben so wie früher in den ersteren ausgezeichnete Fortschritte machte, ward er Lehrer und Erzieher der Kinder Rauchbars, doch nur auf kurze Zeit. Denn Rauchbar starb, und Gerhard kehrte nun in Erinnerung eines früheren Gelübdes, das er als Jüngling von 15 Jahren in einer schweren Krankheit getan, zur Theologie zurück und ging nach Jena. Mit Rat und Anleitung zum rechten Studieren stand ihm der damalige Pfarrer seiner Vaterstadt zur Seite, der berühmte Johann Arndt, der außer andern erbaulichen Schriften namentlich durch seine vier Bücher vom wahren Christentum sich verdient gemacht hat. Der hatte auch früher schon gesegneten Einfluss auf Gerhards Gemüt geübt und durch seinen geistlichen Zuspruch jenes Gelübde in ihm geweckt. Gerhard aber studierte zu eifrig und erlag im Jahre 1603, da er eben die philosophische Doktorwürde erlangt hatte, einer schweren Krankheit, die ihm nach seinem Meinen den Tod in so gewisse Aussicht stellte, dass er sein Testament machte. Wie es zu der Zeit um sein Herz stand, das bekundet uns die sechste seiner heiligen Betrachtungen: „Trost des Bußfertigen im Leiden Christi.“ Die rührt aus jener Zeit, und die hat er niedergeschrieben, da er glaubte jeden Augenblick aus der Zeit in die Ewigkeit überzugehen. Aber der Herr wollte ihn noch brauchen im Dienste seiner Kirche. Gerhard genas und ging 1604 nach Marburg, um seine Studien fortzusetzen vornehmlich unter Leitung des gelehrten Balthasar Mentzer. Mit diesem machte er im folgenden Jahre eine wissenschaftliche Reise durch einen großen Teil Deutschlands, und kehrte dann nach Jena zurück, wo er sich in der philosophischen Fakultät habilitierte und nun theologische Vorlesungen hielt. Zur selben Zeit entschloss er sich auch endlich auf Anraten Johann Major’s seine erste Predigt zu halten in Kunitz bei Jena. Der Herzog Johann Casimir von Sachsen hatte die Predigt gehört und berief ihn 1606 zum Superintendentenamte zu Heldburg bei Jena mit der besonderen Verpflichtung, allmonatlich theologische Unterredungen im Gymnasium zu Coburg zu halten und an den Beratungen des Konsistoriums daselbst Teil zu nehmen. Um seiner Jugend willen ward’s ihm schwer, das Amt anzunehmen. Aber das Ansehn des Herzogs und die Bitte seiner Freunde vermochte ihn dazu. Durch Vermittelung des Herzogs erhielt er nun die theologische Doktorwürde; und neun Jahre verwaltete er im Segen dieses Amt. Im Jahre 1615 übertrug ihm sein Herzog die Generalsuperintendentur zu Coburg. In diesem Amte blieb er aber nur kurze Zeit, 1 Jahr und 2 Monate, und stiftete trotz dem des Segens viel. Er verfasste eine Kirchenordnung, die vom Herzoge sämtlichen Pfarrern zur Nachachtung empfohlen und im Lande eingeführt ward. Ebenso hielt er eine Kirchenvisitation durch’s ganze Land. Seine körperliche Kraft aber, die viel schon in Anspruch genommen worden war, war dem Amte mit seiner großen Last fast nicht mehr gewachsen und ganz besondere Neigung hatte er auch zu dem akademischen Lehramte. Daher kam seine kurze Amtierung. Der Kurfürst Johann Georg von Sachsen, der Schirmherr der Universität Jena, hatte auch bereits im Jahre 1615 einen Ruf zum Lehrer an derselben Universität an ihn ergehen lassen. Er folgte nunmehr diesem Rufe und um so freudiger, weil er neben seinen sonstigen bisherigen Amtsgeschäften sich auf solches Amt vorbereitet hatte; und so ungern auch sein Herzog Casimir aus seinem Lande ihn scheiden sah, so gab dieser doch endlich ebenso dem Ansehn des Kurfürsten von Sachsen als Gerhards eigenen Bitten nach. Am Sonntage Kantate im Jahre 1616 hielt er seine Abschiedspredigt in Coburg und ging, von seinem Fürsten und Herrn auf das Ehrenvollste entlassen, nach Jena. Hier wirkte er 21 Jahre als Professor und Doktor der Theologie, eine Zierde Jena’s nicht allein, sondern auch der gesamten evangelisch-lutherischen Kirche, und ein Segen der studierenden Jugend und man kann mit Recht sagen, in der verhängnisvollen Zeit des dreißigjährigen Kriegs kraft seines Rates und Gebetes ein Schutz und Schirm Sachsens. Der Kurfürst wie die Herzöge von Sachsen vertrauten ihm das Wohl der Kirche und zum guten Teile auch des Staates und bedienten sich seiner Dienste mehrfach, indem sie ihn abordneten zur Teilnahme an den Beratungen, die damals zum Besten der Kirche und des Staates in Deutschland gehalten wurden. Für die ausgezeichneten Dienste, die er dabei leistete, ließen sie es nicht an Auszeichnungen und Ehren für ihn fehlen. Einen andern hätte das stolz machen können; aber Gerhard war in der Demut schon gegründet und der treue Gott, der den züchtiget, welchen er lieb hat, und einen jeglichen Sohn stäupet, den er aufnimmt, ließ es ihm auch an so manchen Züchtigungen seiner treuen Vaterhand nicht fehlen. Bei seiner stets schwächlichen Leibeskonstitution hatte er viel Kreuz vom Herrn im Hause und ehelichen Stande zu tragen. Seine erste Gattin, mit der er 1618 sich verheiratet hatte, starb, nachdem er drei Jahre mit ihr in glücklichster Ehe gelebt, und der einzige Sohn, den sie ihm geboren, folgte ihr bald im Tode nach. Von den zehn Kindern, die ihm in seiner zweiten Ehe mit Maria Mattenberg, der Tochter eines Arztes und Ratsherrn in Gotha, geboren wurden, sah er vier frühzeitig dahinsterben. Dazu brachte der dreißigjährige Krieg mit seinen Drangsalen und Schrecknissen ihn mehr als einmal in große Lebensgefahr und um den Besitz aller seiner Habe. Im Leiden geübt und mit der gnädigen Hand des Herrn vertraut, trug er alles mit Geduld und Ergebung und sprach mit Hiob (1,21): „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, der Name des Herrn sei gelobet.“ So kam sein Ende herbei. Der 17. August 1637 war sein Todestag. Sein Alter hatte er gebracht auf 55 Jahre, und sein Tod ward betrauert nicht allein von Verwandten und Freunden, sowie von den Bewohnern Jena’s, sondern auch von der gesamten evangelisch-lutherischen Kirche. Seine Leichenpredigt hielt ihm sein teuerster Amtsgenosse zu Jena Johann Major, nach seiner Bestimmung über 2 Kor. 12,9: „Und er hat zu mir gesagt: Laß dir an meiner Gnade genügen. Denn meine Kraft ist in dem Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf dass die Kraft Christi bei mir wohne.“ Im Lobe Gerhards stimmen die ausgezeichnetsten und bewährtesten Gottesgelehrten zu und nach seiner Zeit überein. Und nicht bloß Lutheraner, sondern auch Reformierte und Katholiken sind die Verkündiger seines Ruhmes. Es ließe sich hier eine große Menge Zeugen aufführen. Doch das Büchlein, welches du hier von ihm vor dir hast, andächtige Seele, wird am besten zeugen von ihm, der nicht bloß auf der Höhe der wissenschaftlichen Gelehrsamkeit gestanden hat, sondern auch geübt und groß gewesen ist in der Kunst, die Seelen zu erbauen. Der Bücher hat er so viele verfasst, dass sie für sich eine ganze Bibliothek ausmachen könnten. Unter seinen wissenschaftlichen ist das größte: „Loci theologici, d. i. theologische Lehrsätze“ und unter seinen ascetischen das größte: „Meditationes sacrae, d. i. heilige Betrachtungen.“ In diesen will er zeigen, wie er selbst zu erkennen gibt in seiner Zueignungsschrift an den Halberstädter Senat vom Jahre 1606, dass das Wesen der Gottesgelehrtheit nicht im Grübeln, sondern im Leben bestehet oder darin, dass wir durch sie nicht allein von Sünden befreiet, sondern auch in der Gnade bewahret werden, und dass somit ihr höchstes Ziel die geistliche Wiedergeburt des inwendigen Menschen aus dem Wasser und Geist ist nach dem Zeugnisse Christi, der die Wahrheit ist. Joh. 3,3.5. Wie er das gezeigt hat, wolle nun selbst sehen und lernen aus dem Büchlein, andächtige Seele.
INHALTSVERZEICHNIS.
Seite
1. Von der wahren Erkennung der Sünden 1 - 4
2. Die Übung in der Buße um des Leidens des Herrn willen 5 - 8
3. Von der Frucht der wahren und ernsten Buße 8 - 12
4. Betrachtung über den Namen Jesu 12 - 15
5. Wie der Glaube um der Liebe Christi willen im Todeskampfe sich erweiset 15 - 18
6. Trost des Bußfertigen im Leiden Christi 19 - 22
7. Von der Frucht des Leidens des Herrn 22 - 26
8. Von der Gewissheit unsers Heils 26 - 29
9. Gott ist allein zu lieben 29 - 34
10. Von unserer Versöhnung mit Gott 34 - 37
11. Von der Genugtuung für unsere Sünden 37 - 41
12. Von dem Wesen und den Eigenschaften des wahren Glaubens 41 - 46
13. Von der geistlichen Vermählung Christi und der Seele 46 - 50
14. Von den Geheimnissen der Menschwerdung 50 - 54
15. Von der heilsamen Frucht der Menschwerdung 54 - 57
16. Von der geistlichen Erquickung der Frommen 57 - 61
17. Von den Früchten der Taufe 62 - 65
18. Von dem heilsamen Genusse des Leibes und Blutes Christi 66 - 69
19. Von dem Geheimnis des Mahles des Herrn 69 - 72
20. Von der ernsten Vorbereitung vor dem Genusse des heiligen Mahls 73 - 76
21. Von der Himmelfahrt Christi 76 - 80
22. Belehrung über den heiligen Geist 80 - 84
23. Von der Würde der Kirche 85 - 89
24. Betrachtung über die Vorherbestimmung 89 - 94
25. Von der heilsamen Kraft des Gebets 94 - 99
26. Von der Hut der heiligen Engel 99 - 103
27. Von den Nachstellungen des Teufels 103 - 107
28. Allgemeine Regeln zu einem frommen Leben 107 - 112
29. Die Sicherheit muss man ablegen 112 - 117
30. Von der heiligen Nachahmung des Lebens Christi 117 - 121
31. Von der Selbstverleugnung 121 - 126
32. Von der wahren Ruhe der Seele 126 - 130
33. Von der Reinheit des Gewissens 131 - 135
34. Vom Eifer in der wahren Demut 136 - 139
35. Fliehe den Geiz 139 - 144
36. Von den Eigenschaften der wahren Liebe 144 - 149
37. Von dem Eifer um die Keuschheit 149 - 154
38. Von der Flucht des gegenwärtigen Lebens 154 - 159
39. Von der Eitelkeit der Welt 159 - 163
40. Von dem Segen der Anfechtungen 164 - 167
41. Die Gründe der christlichen Geduld 168 - 172
42. Wie die Versuchung wegen der Beharrlichkeit zu überwinden ist 172 - 175
43. Von der täglichen Betrachtung des Todes 176 - 179
44. Trost bei dem Tode von Freunden 180 - 185
45. Vom letzten Gericht 185 - 189
46. Von dem Verlangen nach dem ewigen Leben 189 - 194
47. Von dem seligsten Schauen Gottes im Himmel 194 - 198
48. Von der lieblichsten Vereinigung mit den Engeln im Himmel 198 - 202
49. Von der Größe der höllischen Qualen 202 - 207
50. Von der Ewigkeit der Höllenstrafen 207 - 211
51. Von der geistlichen Auferstehung der Frommen 212 - 216
S. 208 Z. 6 v. o. lies: darum st. dazu.
1. VON DER WAHREN ERKENNUNG DER SÜNDEN.
DAS MITTEL DER GENESUNG IST DAS BEKENNTNIS DER KRANKHEIT.
Heiliger Gott, gerechter Richter, meine Sünden stehen vor meinen Augen und vor meinem Geiste. In jeder Stunde denke ich an den Tod; denn der Tod steht mir in jeder Stunde bevor. An jedem Tage denke ich an das Gericht; denn von jedem Tage werde ich Rechenschaft geben müssen im Gericht. Ich durchforsche mein Leben, und siehe, es ist ganz eitel und abscheulich. Eitel und unnütz sind viele meiner Handlungen, eitel sind noch mehrere meiner Reden, eitel sind noch dazu die meisten meiner Gedanken. Nicht bloß eitel ist mein Leben, sondern auch abscheulich und schändlich. Ich finde nichts Gutes in ihm. Wenn etwas Gutes in ihm zu sein scheint, so ist es doch nicht wirklich gut und vollkommen; denn die Erbsünde und das natürliche Verderben, das nichts unberührt lässt, hat es geschändet. Der heilige Hiob sprach (9,28.): Ich fürchte alle meine Schmerzen. Wenn der Heilige so klagt, was soll der Gottlose tun? Alle unsere Gerechtigkeit ist wie ein unflätig Kleid Jes. 64,6. Wenn unsere Gerechtigkeit so ist, wie in aller Welt wird da unsere Ungerechtigkeit sein? Wenn ihr alles getan habt, spricht unser Heiland, was euch befohlen ist, so sprechet: Wir sind unnütze Knechte Luk. 17,10. Wenn wir aber unnütze sind, selbst wenn wir gehorchen, so werden wir ja ganz gewiss abscheulich sein, wenn wir übertreten. Wenn ich mich selbst und all mein Vermögen, auch wenn ich nicht sündige, dir, heiliger Gott, schuldig bin, was werde ich da für meine Sünde als Lösung geben können? Selbst unsere Gerechtigkeit, oder was wir so dafür halten, ist im Vergleich zur göttlichen Gerechtigkeit eine volle Ungerechtigkeit. Im Finstern sieht man wohl eine Lampe leuchten; aber stellt man sie in die Strahlen der Sonne, da ist’s aus mit ihrem Leuchten; ein Holz hält man oft für gerade, wenn man das Richtscheit nicht anlegt, tut man das aber, so findet man, wie es hie oder da gekrümmt ist und anläuft; oft wohl wird es den Anschein haben für die Blicke der Betrachter, als sei das Bild irgend welcher Gestalt vollkommen dargestellt, und doch ist’s in den Augen des Künstlers im hohen Grade unvollkommen. So ist oft voller Flecken, wenn es der Richter zur Entscheidung vornimmt, was herrlich leuchtet, wenn es der wägt, der es getan hat. Denn die Gerichte Gottes sind anders als die der Menschen. Vieler Sünden bin ich mir mit Schrecken bewusst; aber die Zahl derer, die ich nicht einmal weiß, ist noch größer: Wer kann merken, wie oft er fehlet? Verzeihe mir, Herr, die verborgenen Fehle Ps. 19,13! Ich wage es nicht meine Augen zum Himmel zu erheben, denn ich habe an dem gesündiget, der im Himmel wohnet; und auch auf der Erde finde ich keine Stätte der Zuflucht, denn welche Gunst dürfte ich bei den Geschöpfen zu hoffen wagen, da ich an dem Herrn der Geschöpfe gesündiget habe? Mein Widersacher, der Teufel, verklagt mich. Billigster Richter, spricht er zu Gott, richte, dass jener mein ist aus Schuld, der dein nicht hat sein mögen aus Gnade; dein ist er nach der Schöpfung, mein ist er nach der Teilnahme an der Übertretung; dein ist er kraft der Versöhnung, mein kraft der Überredung; dir widerstrebt er, mir gehorcht er; von dir hat er das lange, prächtige Oberkleid der Unsterblichkeit und Unschuld empfangen, von mir dies lumpige Unterkleid des armseligsten Lebens; dein Kleid hat er weggeworfen, mit dem meinigen kommt er zu dir. Richte, dass jener mein und mit mir der Verdammnis zu weihen ist. Es verklagen mich alle Elemente. Der Himmel spricht: Ich habe das Licht dir zum Troste dargereicht. Die Luft spricht: Ich habe dir alle Gattung der Vögel zum Dienste gestellt. Das Wasser spricht: Ich habe dir die mancherlei Gattungen der Fische zum Essen gegeben. Die Erde spricht: Ich habe Brot und Wein dir zur Nahrung gegeben; aber du hast alles deß zur Schändung unsers Schöpfers gemissbraucht; alle unsere Segnungen mögen sich daher für dich in Unsegen verkehren. Das Feuer spricht: Meine Flamme soll ihn verzehren. Das Wasser spricht: Meine Woge soll ihn verschlingen. Die Luft spricht: Mein Sturm soll ihn umtreiben. Die Erde spricht: Meine Tiefe soll ihn verzehren. Es verklagen mich die heiligen Engel, die mir Gott hier zum Dienste und dort zur Gesellschaft gegeben hatte; aber durch meine Sünden habe ich mich für dieses Leben ihres heiligen Dienstes und für das zukünftige der Hoffnung ihrer Gemeinschaft beraubt. Auch die Stimme Gottes, das ist das göttliche Gesetz, verklagt mich. Entweder muss ich das göttliche Gesetz erfüllen, oder sterben; aber es ist mir unmöglich, das Gesetz zu erfüllen, und unerträglich ist’s, in Ewigkeit verloren zu sein. Es verklagt mich Gott, der sehr strenge Richter, der allmächtige Vollzieher seines ewigen Gesetzes. Ihn kann ich nicht täuschen, denn er ist die Wahrheit selbst; ihm kann ich mich nicht entziehen, denn er herrschet allenthalben mit Gewalt. Wohin also soll ich fliehen? Zu dir, o lieber Christus, du unser einiger Erlöser und Seligmacher. Meine Sünden sind groß, aber deine Versöhnung ist größer; meine Ungerechtigkeit ist groß, aber deine Gerechtigkeit ist größer. Ich erkenne das an, du verzeihe; ich gestehe das, du bedecke; ich enthülle das, du verhülle; in mir ist nichts, was mir nicht zur Verdammnis gereichte; in dir ist nichts, was nicht meine Seligkeit wirkte. Ich habe vieles begangen, weshalb ich mit allem Rechte verdammt werden kann, aber du hast nichts unterlassen, wodurch du mich nach deiner Barmherzigkeit selig machen kannst. Ich höre eine Stimme im Liede der Lieder (Hohel. 2,14), die heißt mich meine Zuflucht nehmen in den Felslöchern; du bist der festeste Fels, die Löcher des Felsen sind deine Wunden; in diesen will ich mich verbergen vor den Anklagen aller Geschöpfe. Meine Sünden schreien zum Himmel, aber kräftiger schreiet dein Blut für meine Sünden vergossen. Meine Sünden sind vermögend genug, mich vor Gott zu verklagen, aber dein Leiden ist viel vermögender, mich zu schützen. Mein durch und durch ungerechtes Leben ist vermögend, mich in Verdammnis zu stürzen; aber dein Leben voller Gerechtigkeit ist vermögender, mich selig zu machen. Von dem Throne der Gerechtigkeit bringe ich meine Sache vor den Thron der Barmherzigkeit und begehre nicht anders vor das Gericht zu treten, als wenn dein heiligstes Verdienst in’s Mittel gestellt wird zwischen mich und dein Gericht.
2. DIE ÜBUNG IN DER BUSSE UM DES LEIDENS DES HERRN WILLEN.
SIEHE AN DEN LEIDENDEN CHRISTUS!
Siehe an, o gläubige Seele, den Schmerz, die Wunden und Marter des am Kreuze leidenden, hängenden und sterbenden Christus! Jenes Haupt, vor dem die himmlischen Geister anbeten, wird von Dornen rings verwundet; das Angesicht, lieblicher als das der Menschenkinder, wird entstellt durch die Gottlosen, die es verspeien; die Augen, heller als die Sonne, erbleichen im Tode; die Ohren, welche die Loblieder der Engel vernehmen, werden durchtönt von den Schmähungen und Spottreden der Sünder; der Mund, der göttliche Rede führet und die Engel lehrt, wird mit Galle und Essig getränkt; die Füße, zu deren Schemel angebetet wird, werden mit Nägeln angeheftet; die Hände, die den Himmel ausgebreitet haben, sind am Kreuze ausgestreckt und mit Nägeln befestiget; der Leib, der heiligste Sitz und die lauterste Wohnstätte der Gottheit, wird geschlagen und mit einem Speer verwundet, und nichts bleibt an ihm verschont als die Zunge, damit er bete für die, welche ihn kreuzigen. Der im Himmel herrscht mit dem Vater, wird am Kreuze von den Sündern auf das Traurigste gepeinigt. Gott leidet, Gott vergießt sein Blut (Ap. Gesch. 20,28 Anm.: Siehe das Vorwort). An der Größe des Lösegeldes erkenne die Größe der Gefahr; an dem hohen Preise des Heilmittels erkenne die Gefahr der Krankheit. Groß fürwahr sind die Wunden, die nur durch Wunden des lebendigen und des lebendig machenden Fleisches haben geheilt werden können; groß fürwahr ist die Krankheit, die nur durch den Tod des Arztes hat geheilt werden können. Siehe an, o gläubige Seele, den so heftig brennenden Zorn Gottes. Zum Fürbitter war nach dem Falle des ersten Menschen der ewige, eingeborne und einzig geliebte Sohn Gottes bestimmt; und doch war sein Eifer noch nicht gestillt. Der trat in’s Mittel, durch den er die Welt gemacht hat und jener höchste Liebhaber unsers Heils nahm die Schuld der Elenden auf sich; und doch war sein Eifer noch nicht gestillt. Der Heiland kleidete sich in unser Fleisch, um das sündhafte Fleisch, nachdem die Herrlichkeit der Gottheit mit ihm in Gemeinschaft getreten war, von seiner Schmach zu reinigen, auf dass die heilende Kraft der vollkommenen Gerechtigkeit, dem Fleische mitgeteilt, die verderbte, unserm Fleische anhängende sündhafte Eigenschaft tilgte, und unserm Fleische Gnade zu Teil würde; und doch war sein Eifer noch nicht gestillt. Die Sünde und deren Schuld nimmt er auf sich; der Leib wird gebunden, geschlagen, verwundet, durchstochen, am Kreuz getötet, in’s Grab gelegt; das Blut fließet gleich wie Tau reichlich aus allen Gliedern des Leidenden hervor; die heiligste Seele trauert über die Maßen, ja bis an den Tod wird sie betrübt und den Schmerzen der Hölle unterworfen; der ewige Sohn Gottes ruft laut, dass er von Gott verlassen sei; eine solche Menge blutigen Schweißes vergießt er, so große Qualen empfindet er, dass er, von dem alle Engel ihre Macht haben, der Stärkung eines Engels bedarf; er, der allen das Leben gibt, stirbt. Was will am dürren werden, so man das tut am grünen Holz? Was will an den Sündern werden, wenn man das tut an dem Gerechten und Heiligen? Wie wird der die eigenen Sünden strafen, der so voll Zorn gewesen ist über die fremden? Wie wird der an den Knechten das immer dulden, was er am Sohne so hart straft? Was werden die leiden, welche er verwirft, wenn der so Großes leidet, den er einzig liebt? Wenn Christus, der ohne Sünde gekommen, nicht ohne Schläge aus der Welt gegangen ist, wie vieler Streiche wert werden die sein, welche mit der Sünde in die Welt kommen, in der Sünde leben und mit der Sünde aus dem Leben gehen? Der Knecht freuet sich, während um seiner Sünde willen der geliebte Sohn so schweren Schmerz empfindet. Der Knecht häuft den Zorn des Herrn, während der Sohn so große Mühe und Arbeit hat, um den Zorn des Vaters zu lindern und zu besänftigen? O des unbegrenzten Zornes Gottes! O des unsaglichen Eifers! O des außerordentlichen Ernstes der Gerechtigkeit! Der so streng gegen den einzigen, geliebtesten und seines Wesens teilhaftigen Sohn verfährt, nicht um irgend einer eigenen Sünde willen, sondern weil er für den geringen Knecht bittet: was wird er dem Knechte tun, der in Sünden und Missetaten sicher beharrt? Der Knecht fürchte sich und erschrecke und traure über das, was er verdient hat, während der Sohn gestraft wird wegen deß, was er nicht verdient hat. Der Knecht fürchte sich, der nicht aufhört zu sündigen, während der Sohn so leidet für die Sünde. Das Geschöpf fürchte sich, das den Schöpfer am Kreuzes getötet hat; der Knecht fürchte sich, der dem Herrn das Leben genommen hat; der Gottlose und Sünder fürchte sich, der den Frommen und Heiligen so beleidiget hat. Geliebteste, lasset uns hören den Rufenden, lasset uns hören den Weinenden. Er ruft vom Kreuze herab: Siehe, Mensch, was ich für dich leide; dich rufe ich, weil ich für dich sterbe; siehe die Strafen, die ich dulde, siehe die Nägel, mit denen ich angeheftet bin; es ist kein Schmerz wie mein Schmerz am Kreuze: ist der äußere Schmerz schon so groß, so ist die innere Trauer noch schwerer, da ich sehe, wie du so undankbar bist. Erbarme dich, erbarme dich unserer, du einiger Erbarmer, und bekehre unsere steinernen Herzen zu dir!
3. VON DER FRUCHT DER WAHREN UND ERNSTEN BUSSE.
CHRISTUS RUFT: TUT BUSSE!
Der Grund und Anfang eines heiligen Lebens ist die selige Buße. Denn wo wahre Buße, da ist Vergebung der Sünden; wo Vergebung der Sünden, da ist die Gnade Gottes; wo die Gnade Gottes, da ist Christus; wo Christus, da ist sein Verdienst; wo das Verdienst Christi, da ist Genugtuung für die Sünden; wo Genugtuung für die Sünden, da ist Gerechtigkeit; wo Gerechtigkeit, da ist ein fröhliches und ruhiges Gewissen; wo Ruhe des Gewissens, da ist der heilige Geist; wo der heilige Geist, da ist die ganze heilige Dreieinigkeit; wo die heilige Dreieinigkeit, da ist das ewige Leben. Also wo die wahre Buße, da ist das ewige Leben; wo die wahre Buße nicht ist, da ist weder Vergebung der Sünden, noch die Gnade Gottes, noch Christus, noch sein Verdienst, noch Genugtuung für die Sünden, noch Gerechtigkeit, noch ruhiges Gewissen, noch der heilige Geist, noch die heilige Dreieinigkeit, noch das ewige Leben. Was also zögern wir mit unserer Buße? Warum verschieben wir sie auf Morgen? Weder der morgende Tag, noch die wahre Buße stehet in unserer Kraft und Gewalt. Und nicht bloß von dem morgenden Tage, sondern auch von dem heutigen werden wir einst Rechenschaft geben müssen im Gericht. Der morgende Tag ist nicht so sicher, als das Verderben denen gewiss ist, die keine Buße tun. Gott hat dem Bußfertigen Vergebung zugesagt, aber den morgenden Tag hat er nicht zugesagt. Die Genugtuung Christi gilt nur dem in Wahrheit zerknirschten Herzen. Unsere Untugenden scheiden uns und unsern Gott von einander, zeuget der Prophet Jesaia (59,2.); aber durch die Buße kehren wir wieder zurück zum Herrn. Erkenne die Schuld deiner Sünde und traure darüber; so wirst du merken, dass Gott in Christo dir wieder gnädig geworden ist. Ich vertilge deine Missetat, spricht der Herr Jes. 44,22. Also unsere Sünden waren zur Strafe aufgeschrieben im Himmel. Verbirg dein Antlitz von meinen Sünden, bittet der Prophet Ps. 51,11. Also stellet Gott unsere Missetat vor sich Ps. 90,9. Herr, kehre dich doch wieder zu uns, bittet Mose Ps. 90,14. Also die Sünden scheiden uns und unsern Gott von einander. Unsere Sünden antworten wider uns, klaget Jesaia 59,12. Also klagen sie uns an vor dem Richterstuhle der göttlichen Gerechtigkeit. Reinige mich von meiner Sünde, bittet David Ps. 51,4. Also die Sünde ist die hässlichste Unreinigkeit vor Gott. Heile meine Seele, denn an dir allein hab ich gesündiget, bittet derselbe Ps. 51,6. Also die Sünde ist eine Krankheit der Seele. Ich will den aus meinem Buche tilgen, der an mir sündiget, spricht der Herr 2 Mos. 32,33. Also um der Sünden willen werden wir aus dem Buche des Lebens getilgt. Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, bittet der Psalmist Ps. 51,13. Also um der Sünden willen werden wir von Gott verworfen. Nimm deinen heiligen Geist nicht von mir Ps. 51,13. Also durch die Sünden wird der heilige Geist aus dem Tempel des Herzens getrieben, wie die Bienen durch den Rauch, und die Tauben durch üblen Geruch verscheucht werden. Gib mir Freude und Wonne Ps. 51,10. Also die Sünden ängsten die Seele und saugen das Mark des Herzens aus. Das Land ist entheiliget von seinen Einwohnern, denn sie übergehen das Gesetz, ruft Jesaia 24,5. Also die Sünde ist ein ansteckendes Gift. Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir, spricht der heilige Sänger Ps. 130,1. Also durch die Sünde werden wir hinunter gezogen zur Hölle. Ehedem waren wir tot in Sünden, spricht der Apostel Eph. 2,1. Also die Sünde ist der geistliche Tod der Seele. Durch die Sünde, die den Tod gebiert, verliert der Mensch Gott. Gott ist das unendliche und unbegreifliche Gut; Gott also verlieren ist das unendliche und unbegreifliche Übel. Wie Gott das höchste Gut, so ist die Sünde das höchste Übel. Züchtigungen und Trübsale sind keine wahren Übel, weil aus ihnen viel Gutes hervorgeht. Ja, weil sie selbst gut sind, so ist offenbar, dass sie vom höchsten Gute, von Gott nämlich, herrühren, von dem nichts kommen kann als Gutes; sie waren im höchsten Gut, nämlich in Christo; das höchste Gut aber ist nicht teilhaftig wahren Übels; sie führen auch zum höchsten Gut, nämlich zum ewigen Leben. Durch das, was er litt, ist Christus zu seiner Herrlichkeit eingegangen Luk. 24,26.; durch viel Trübsal müssen die Christen in das Reich Gottes gehen Ap. Gesch. 14,22. Das höchste Übel ist also die Sünde, weil sie vom höchsten Gute abziehet. Um wie viel du dich Gott nahest, um so viel entfernst du dich von der Sünde. Um wie viel du dich der Sünde nahest, um so viel weichst du von Gott. Wie heilsam ist also die Buße, die uns von der Sünde entfernet und uns zu Gott zurückführt! In Wahrheit die Sünde ist eben so groß, als der groß ist, der durch die Sünde beleidiget wird; den aber mögen Himmel und Erde nicht fassen. Wiederum aber ist auch die Buße so groß, als der groß ist, zu dem wir durch die Buße zurückkehren. Den Sünder klagt an das Gewissen, das er beschweret, der Schöpfer, den er beleidiget, das Vergehen, deß er sich schuldig gemacht, das Geschöpf, das er gemissbraucht, der Teufel, dem er Gehör gegeben hat. Wie heilsam die Buße, die von solchen Anklagen befreiet! Darum lasst uns eilen, eilen zu dem so gesegneten Heilmittel wider solche Krankheit! Wenn du erst im Tode Buße tuest, so verlässest du nicht die Sünden, sondern die Sünden verlassen dich. Du wirst kaum einen finden, der im Tode wahre Buße getan, außer jenem einzigen Schächer am Kreuze. Vierzehn Jahre habe ich dir gedient, sprach Jakob zu Laban 1 Mos. 31,41., es ist nun Zeit, dass ich für mein Haus sorge; und du, wenn du so viele Jahre der Welt und dem zeitlichen Leben gedienet hast, ist’s nicht billig, dass du anfangest für deine Seele zu sorgen? Unser Fleisch mehret Tag für Tag die Sünde, darum möge der heilige Geist Tag für Tag von derselben uns reinigen. Christus ist gestorben, auf dass die Sünde in uns stürbe, und wir wollen, dass das lebe und herrsche in unsern Herzen, was zu ertöten der Sohn Gottes selbst gestorben ist. Christus ziehet mit seiner Gnade nicht eher ein in das Herz eines Menschen, als bis Johannes der Täufer ihm den Weg bereitet durch die Buße. Gott schüttet das Öl seiner Erbarmung nur in ein gründlich gereinigtes Gefäß. Gott tötet zuerst durch Zerknirschung, um nachmals lebendig zu machen durch den Trost des heiligen Geistes; zuerst führet er in die Hölle durch ernsten Schmerz, um nachmals durch Mitteilung der Gnade herauszuführen aus der Hölle 1 Sam. 2,6. Elias hörete erst einen großen starken Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, und nach dem Winde ein Erdbeben, und nach dem Erdbeben ein Feuer; hernach aber kam ein stilles, sanftes Sausen 1 Kön. 19,11ff.: so auch gehet der Empfindung der göttlichen Liebe ein Schrecken, dem Troste eine Trübsal voraus. Gott verbindet deine Wunden nicht eher, als bis du sie erkennst und beweinst; er deckt nicht eher zu, als bis du deine Blöße offenbarest; er verzeiht nicht eher, als bis du anerkennst; er rechtfertiget nicht eher, als bis du dich verdammst; er tröstet nicht eher, als bis du alles Trostes dich entledigest. Solche Buße wirke Gott in uns durch den heiligen Geist!
4. BETRACHTUNG ÜBER DEN NAMEN JESU.
WAS KANN SÜSSER SEIN ALS DER NAME JESU?
O freundlicher Jesu, sei auch mir Jesus, um deines heiligen Namens willen erbarme dich mein! Mein Leben verdammt mich, aber der Name Jesu wird mich erretten. Um dieses deines Namens willen tue mir nach deinem Namen. Da du der wahre und große Heiland bist, hast du auch allewege Erbarmen mit wahren und großen Sündern. Erbarme dich mein, lieber Jesu, in der Zeit des Erbarmens, damit du mich nicht verdammst zur Zeit des Gerichts. Wenn du mich aufnimmst in den Schoß der Barmherzigkeit, so wirst du um meinetwillen in deiner Erbarmung nicht beengter sein; wenn du mir die Krümchen deiner Güte darreichst, so wirst du darum nicht ärmer sein; mir bist du geboren Jes. 9,6, mir beschnitten, mir auch bist du Jesus. Wie süß und erfreulich ist dieser Name! Denn was heißt Jesus anders als Heiland? Was aber kann den Geheilten für ein Unfall begegnen? Was wenigstens können wir noch weiter entweder bitten, oder erwarten? Herr Jesu, nimm mich auf in die Zahl deiner Kinder, dass ich zugleich mit ihnen deinen heiligen und heil machenden Namen preisen kann. Habe ich mich meiner ursprünglichen Gerechtigkeit beraubt: habe ich dir darum deine Barmherzigkeit genommen? Habe ich Elender mich dem Verderben und der Verdammnis weihen können: kannst du Barmherziger mich darum nicht selig machen? Wolle, o Herr, meine Sünden nicht so ansehen, dass du deines Erbarmens vergissest! Wolle meine Vergehen nicht so anschreiben und wägen, dass sie dein Verdienst aufwiegen! Wolle mein Böses nicht so ansehen, dass du darüber deiner Güte nicht gedenkest! Gedenke nicht deines Zorns über den Schuldigen, sondern sei eingedenk deiner Erbarmung über den Elenden. Wirst du, der du mir die Lust gegeben hast nach dir zu verlangen, meinem Verlangen dich entziehen? Wirst du, der du mir meine Unwürdigkeit und gerechte Verdammnis vor Augen gestellt hast, dein Verdienst und die Verheißung des ewigen Lebens vor meinen Augen verbergen? Vor Gottes Richterstuhl gehöret meine Sache, aber mein Trost ist der, dass vor Gottes Thron der Name Heiland dir gegeben ist, denn diesen Namen hat der Engel vom Himmel als den deinigen genennet Luk. 2,21. O barmherzigster Jesu, wem wirst du Jesus sein, wenn du nicht Jesus sein wirst den unseligen Sündern, welche nach Gnade und Heil verlangen? Die auf ihre Gerechtigkeit und auf ihre Heiligkeit vertrauen, die suchen den Grund des Heils in sich: ich aber, weil ich in mir nichts des ewigen Lebens Würdiges finde, nehme meine Zuflucht zu dir, dem Heilande. Den Verdammten erlöse, des Sünders erbarme dich, den Ungerechten rechtfertige, den Angeklagten sprich frei. Du, Herr, bist die Wahrheit Joh. 14,6.; dein Name ist heilig und wahr: sei auch mir Jesus und Heiland. Sei mir Jesus in diesem Leben, sei mir Jesus im Tode, sei mir Jesus im letzten Gericht, sei mir Jesus im ewigen Leben. Ja, du wirst mir es sein, lieber Jesu, weil du, wie du unveränderlich im Wesen, so auch unveränderlich bist in der Erbarmung: dein Name wird sich nicht ändern um meinetwillen, der ich allein ein armer Sünder bin; ja du wirst auch mir noch dazu der Heiland; denn wer zu dir kommt, den stößest du nicht hinaus; der du mir Mut gemacht hast zu kommen, du wirst mich auch nicht umsonst kommen lassen; denn deine Worte sind die Wahrheit und das Leben Joh. 6,63. 14,6. Mag die erste Sünde, die auf mich vererbt ist, verdammen: du bist doch mein Jesus. Mag mich meine Empfängnis aus sündlichem Samen verdammen: du bist doch mein Jesus. Mag mich meine in Sünden und unter dem Fluche geschehene Zeugung verdammen: du bist doch mein Heiland. Mag mich meine sündliche Geburt verdammen: du bist doch mein Heil. Mögen mich die Sünden meiner Jugend verdammen: du bist doch mein Jesus. Mag mich die Führung meines ganzen mit den schwersten Sünden behafteten Lebens verdammen: du bleibst doch mein Jesus. Mag mich der Tod, der mich treffen muss für die Sünden und mannigfache Schuld, verdammen: du bist doch mein Heiland. Mag mich das strengste Urteil des letzten Gerichts verdammen: du bist doch mein Jesus.
An mir ist nichts als Sünde, Verwerfung, Verdammnis: in deinem Namen ist Gerechtigkeit, Erwählung, Seligkeit. Auf deinen Namen aber bin ich getauft; an deinen Namen glaube ich; in deinem Namen will ich sterben; in deinem Namen will ich auferstehen; in deinem Namen will ich erscheinen vor Gericht. Alles ist uns in diesem Namen bereitet und gleichwie in einem Schatze beschlossen. Nur das entgeht mir von jenen Gütern, was ich aus Missglauben ihnen entziehe. Ach laß es ferne von mir sein, dass ich das tue, ich bitte dich eben kraft jenes Namens, o lieber Jesu, damit ich, den du durch dein teures Verdienst und durch deinen selig machenden Namen gerettet sehen willst, nicht durch eigene Schuld und Unglauben verdammt werde.
5. WIE DER GLAUBE UM DER LIEBE CHRISTI WILLEN IM TODESKAMPFE SICH ERWEISET.
JESU GNADE IST MIR GEWINN.
Siehe, Herr Jesu, wie ungerecht ich bin gegen dein Leiden: mein Herz ängstigt sich und meine Seele betrübt sich sehr, weil ich keine Werke habe und keine Verdienste vorzeigen kann, während doch dein Leiden mein Tun, und deine Werke meine Verdienste sind. Ich bin ungerecht gegen dein Leiden, weil ich, da es doch das im höchsten Grade genugtuende ist, mich noch ängstlich kümmere, wie meine Werke mögen den Mangel ersetzen. Fände ich Gerechtigkeit an mir, so würde mir deine Gerechtigkeit nichts nützen, wenigstens würde ich nach ihr nicht so heftig verlangen; frage ich wieder nach den Werken des Gesetzes, so werde ich durch das Gesetz verdammt werden. Ich weiß aber, dass ich nicht mehr unter dem Gesetze, sondern unter der Gnade stehe Röm. 6,14. Ich habe schändlich gelebt, ich habe gesündiget, heiliger Vater, im Himmel, und bin nicht wert, dass ich dein Sohn heiße Luk. 15,19; doch wirst du es nicht verschmähen, mich einen Knecht zu nennen. Gib nicht zu, ich flehe, dass mir die heiligste Frucht deines Leidens versagt werde; dein Blut höre nicht auf seine gesegnete Frucht zur Rettung meiner Seele zu bringen. Die Sünden sind immer mächtig gewesen in meinem Fleisch, o laß sie endlich mit mir sterben. Bis hieher hat mein Fleisch immer über mich geherrscht, möchte der Geist endlich über dasselbe siegen. Der äußerliche Mensch mag der Verwesung und den Würmern unterworfen werden, auf dass der innerliche zur Verherrlichung gelange. Bis hieher bin ich den Einflüsterungen des Satans je und je gefolgt; laß ihn endlich unter meine Füße getreten werden Röm. 16,20. Der Satan stehet bereit, mich anzuklagen, aber er hat nichts an mir; das Bild des Todes schreckt mich, aber der Tod wird das Ende meiner Sünden und der Anfang eines heiligen Lebens sein. Nun endlich werde ich dir vollkommen gefallen können, mein Gott; nun endlich werde ich in der Lauterkeit und Tugend befestiget werden. Der Satan schreckt mich mit meinen Sünden, aber der möge ihm das Urteil sprechen, der meine Schwachheit auf sich genommen, den der Herr um meiner Sünde willen zerschlagen hat Jes. 53,4. Meine Schuld ist sehr groß, und ich werde von ihr nichts abtragen können, aber ich vertraue auf den Reichtum und die Güte des Bürgen: der befreie mich, der sich für mich verbürgt hat; der zahle für mich, der meine Schuld auf sich genommen hat. Ich habe gesündiget, o Herr, und meine Sünden sind viel und nur zu groß; doch möchte ich jene schwerste Sünde nicht auf mich laden, dass ich dich der Lüge zeihe, der du mit Worten und Werken und mit Schwur bezeugest, es sei genug getan für meine Übertretungen. Ich fürchte meine Sünden nicht, denn du bist meine Gerechtigkeit; ich fürchte meine Torheit nicht, denn du bist meine Weisheit 1 Kor. 1,30; ich fürchte meine Irrtümer nicht, denn du bist meine Wahrheit; ich fürchte die Verwesung nicht, denn du bist meine Auferstehung Joh. 11,25; ich fürchte die Schmerzen des Todes nicht, denn du bist meine Freude; ich fürchte die Strenge des Gerichtes nicht, denn du bist meine Gerechtigkeit. Laß den Tau deiner Gnade und deines beseligenden Trostes auf meine verschmachtende Seele fließen. Mein Geist wird dürr, aber bald wird er in dir fröhlich aufleben; mein Fleisch wird matt und welk, aber in Kürze wird es grünen; der Verwesung muss ich mich unterwerfen, aber aus der Verwesung wirst du mich retten, weil du mich von allen Übeln gerettet hast. Du hast mich geschaffen, wie wird das Geschäft deiner Hände aufgelöst werden können? Du hast mich errettet von allen Feinden, wie wird der Tod allein Übermacht haben können? Leib und Blut und alles, was dein ist, ja dich selbst hast du aufgeopfert für mein Heil, wie wird der Tod das zurück behalten, was durch so teures Lösegeld erkauft ist? Du bist die Gerechtigkeit, Herr Jesu, meine Sünden werden nicht stärker sein als du. Du bist das Leben und die Auferstehung, mein Tod wird nicht stärker sein als du. Du bist Gott, der Satan wird nicht stärker sein als du. Du hast mir das Pfand deines Geistes gegeben 2 Kor. 1,22; deß rühme ich mich, darüber frohlocke ich und glaube fest und zweifle nicht, dass es mir gestattet werden werde zur Hochzeit des Lammes einzugehen Off. Joh. 19,7. Du bist mein Hochzeitkleid, süßester Bräutigam, den ich in der heiligen Taufe angezogen habe Gal. 3,27; du wirst meine Blöße bedecken; und ich werde diesem wertvollen und schönsten Kleide meine Gerechtigkeit nicht anflicken gleichwie zur Vollendung; denn was ist die Gerechtigkeit des Menschen anders als ein unflätig Kleid? Jes. 64,4. Wie also könnte ich jenes abscheuliche Kleid dem Kleide der allerwertesten Gerechtigkeit anzuflicken wagen? In diesem Kleide werde ich erscheinen vor deinem Angesichte in deinem Gericht, wenn du richten wirst den Kreis des Erdbodens mit Gerechtigkeit und Billigkeit Ap. Gesch. 17,31. In diesem Kleide werde ich vor deinem Angesichte erscheinen im himmlischen Reiche. Dieses Kleid wird meine Scham und meine Schande bedecken, dass keiner in Ewigkeit ihrer mehr gedenken wird. Da werde ich herrlich und heilig in deinen Augen sein, und dieses mein Fleisch, dieser mein Leib wird mit der preiswürdigsten Herrlichkeit umgeben werden, mit einer Herrlichkeit; die unvergänglich und in ewigen Zeiten nicht zu verlieren ist. Komm, Herr Jesu, und wer dich lieb hat, spreche: Komm! Off. Joh. 22,20.
6. TROST DES BUSSFERTIGEN IM LEIDEN CHRISTI.
(ZUMEIST NACH ANSELM.)
DAS KREUZ CHRISTI IST UNSERE KRONE.
Aller Ruhm der Frommen stehet in der Schmach des Leidens des Herrn. Alle Ruhe der Frommen stehet in den Wunden unsers Heilandes. Unser Leben in seinem Tode, unsere Herrlichkeit in seiner Erhöhung. Wie groß ist dein Erbarmen, himmlischer Vater, allmächtiger Gott! Aus eigener Macht habe ich’s vermocht dich zu beleidigen; aber in meiner Macht hat es nicht gestanden dich mir wieder freundlich zu stimmen, darum gewinnst du mich dir wieder in Christo. Siehe also an, heiliger Gott, das Opfer des Fleisches 1 Petr. 2,24, und vergib mir die Schuld meines Fleisches. Siehe an, was der liebe Sohn gelitten, und vergiss, was der böse Knecht getan hat. Mein Fleisch hat zum Zorne gereizt, das Fleisch Christi neige dich, ich flehe in Demut, zur Barmherzigkeit. Groß ist’s, was meine Gottlosigkeit verdient, aber viel größer, was die Treue meines Erlösers erworben hat. Groß ist meine Ungerechtigkeit, aber viel größer die Gerechtigkeit meines Erlösers. Denn so viel Gott höher ist als der Mensch, so viel ist meine Bosheit niedriger als seine Güte, wie der Art so der Menge nach. Alles, was ich bin, ist dein nach meinem Verhältnis zu dir: gib, dass auch alles dein sei nach meiner Liebe. Du heißest mich bitten, laß mich auch nehmen; du gestattest mir das Suchen, gewähre mir auch das Finden; du lehrest mich anklopfen, tue mir, dem Anklopfenden, auch auf Matth. 7,7. Von dir habe ich das Verlangen, ich möchte von dir auch das Erlangen haben; von dir habe ich das Wollen, ich möchte von dir auch das Vollbringen haben Phil. 2,13. Heiliger Gott, gerechter Richter, wenn meine Sünden verschwiegen werden, sind sie unheilbar Ps. 32,3; wenn sie offenbar werden, sind sie abscheulich, peinigen mich mit Schmerzen, schrecken mich aber noch mehr mit Furcht. Ach versage deine so gründliche Barmherzigkeit nicht, wo du so gründliches Elend siehest. Große Sünde findest du hier, laß deine Gnade noch größer und überströmender sein. Heiliger Vater, ich bitte dich, gieß nicht aus über mich deinen Zorn, da du um meiner Sünden willen deinen Sohn zerschlagen hast. Heiliger Jesu, befreie mich von dem göttlichen Zorne, der du denselben um meinetwillen auf dich genommen hast am Kreuze. Heiliger Geist, schirme mich mit deinem Troste wider den Zorn Gottes, der du im Evangelio den Bußfertigen und Geängsteten Erbarmen zugesaget hast. Heiliger Gott, gerechter Richter, ich finde keinen Ort, dahin ich fliehen möchte vor dem Angesichte deines Zornes. Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mir in die Hölle, siehe so bist du auch da. Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde mich doch daselbst deine Hand führen und deine Rechte mich halten. Ps. 139,8 - 10. Zu Christo will ich darum fliehen, und in seinen Wunden mich verbergen. O barmherziger Gott, siehe an den Leib deines Sohnes, mit Wunden allenthalben bedeckt, und die Wunden meiner Sünden wollest du nicht ansehen! Das Blut deines Sohnes wasche mich von allen Flecken meiner Sünden 1 Joh. 1,7! Höre sein heißestes Flehen, das er dir dargebracht hat für das Heil seiner Erwählten Joh. 17,9! Heiliger Gott, gerechter Richter, mich schreckt mein Leben, denn wird es gründlich nach allen Seiten hin untersucht, so wird entweder Sünde oder Unfruchtbarkeit offenbar; und wird etwa einige Frucht in ihm geschaut, so ist sie entweder reiner Trug, oder Unvollkommenheit, oder irgendwie mit Flecken behaftet, dass sie nichts kann als deinen Augen entweder nicht gefallen, oder geradehin missfallen. Ja, mein ganzes Leben ist Sünde und verdammenswert, oder unfruchtbar und der Achtung unwert. Aber was mache ich Unterschied zwischen dem unfruchtbaren und dem verdammenswerten? Ist es unfruchtbar, so ist es allewege auch verdammenswert; denn jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird in’s Feuer geworfen werden Matth. 3,10. Nicht bloß der Baum, welcher schlechte, sondern auch der, welcher keine Frucht bringt, wird dem Feuer übergeben. Mich schrecken die Böcke, die zur Linken des Richters gestellt werden Matth. 25,32, nicht weil sie Böses begangen, sondern weil sie nichts Gutes getan, die Hungernden nicht gespeist und die Durstenden nicht getränket haben. O dürres und unnützes und der ewigen Flammen wertes Holz! Was wirst du antworten an jenem Tage, wenn die ganze dir verliehene Lebenszeit bis zu dem Augenblicke von dir gefordert und darauf angesehen werden wird, wie sie von dir verwendet ist? Ein Haar vom Haupte wird nicht verloren gehen, und auch ein Augenblick nicht von der Zeit. O Bedrängnis über Bedrängnis! Hier werden sein die Sünden, die dich anklagen, dort die Gerechtigkeit, die dich schrecket; unter dir die Hölle, die mit ihren Martern sich auftut, über dir der Richter, der zürnt; in dir das Gewissen, das foltert, außer dir die Welt, die brennt. Der Gerechte wird kaum erhalten werden 1 Petr. 4,18: wohin wird der Sünder, der also in die Enge getrieben ist, sich wenden? Sich verbergen wird unmöglich, hervorgehen unerträglich sein. Woher also kommt meiner Seele Heil, woher Rat? Wer ist’s, der der Engel von großem Rat genannt wird? Jes. 9,6. Jesus ist es, der ist der Richter, unter dessen Händen ich zittere. Atme wieder auf, o Seele, dass du nicht verzagest! Hoffe auf den, vor dem du dich fürchtest; fliehe zu dem, von dem du dich weggewendet hast. Jesu Christe, um dieses deines Namens willen tue mir nach deinem Namen; siehe mich Elenden an, der ich deinen Namen anrufe. Wenn du mich in den so weiten Schoß deiner Barmherzigkeit wirst haben eingehen lassen, so wird er um meinetwillen nicht enger sein. Wahr ist es, o Herr, mein böses Gewissen hat die Verdammnis verdient, und meine Reue reicht nicht hin zur Genugtuung; aber es ist gewiss; dass deine Barmherzigkeit größer ist als alle Beleidigung. Auf dich, Herr, setze ich meine Zuversicht, ich werde nicht zu Schanden werden in Ewigkeit.
7. VON DER FRUCHT DES LEIDENS DES HERRN.
MEINE HOFFNUNG IST DAS LEIDEN CHRISTI.
So oft ich über das Leiden des Herrn nachdenke, so oft freue ich mich auch der Liebe Gottes und der preiswürdigen Vergebung meiner Sünden. Er neigt das Haupt her zum Küssen, er breitet die Arme aus zum Umfangen, er öffnet die Hände zum Schenken, er öffnet, um das von Liebe brennende Herz anzuschauen: er wird erhöhet von der Erde Joh. 12,32, um alle sich nachzuziehen; seine Wunden sind blass von Schmerz, leuchtend von Liebe: darum sollen wir durch die Öffnung der Wunde eindringen in das Heiligtum des Herzens. Ja bei ihm ist viel Erlösung Ps. 130,7, denn nicht etwa ein Tropfen, sondern ein Strom Blutes ist aus fünf Teilen seines Leibes reichlich geflossen. Wie die Weintraube, in die Kelter geworfen, von der Last, die auf sie gelegt ist, zerdrückt wird und allenthalben Saft ausströmt, so gießet das Fleisch Christi, von der Last des göttlichen Zornes und von der Schwere der Sünden gedrückt, den Saft seines Blutes allenthalben hin aus. Da Abraham seinen Sohn zum Opfer darbringen wollte, da sprach der Herr: Nun weiß ich, dass du mich lieb hast 1 Mos. 22,12. Erkenne auch du die über alles Denken große Liebe des ewigen Vaters, weil er seinen eingeborenen Sohn für uns in den Tod hat dahin geben wollen Joh. 3,16. Wir sind von ihm geliebt worden, da wir noch Feinde waren. Wird er unser vergessen, nun wir durch den Tod seines Sohnes versöhnet sind? Röm. 5,10. Wird vor ihm das so teure Blut seines Sohnes in Vergessenheit sein können, da er auch die Tränen und Schritte der frommen Menschen zählet? Ps. 56,9. Wird Christus derer in seinem Leben vergessen können, für die er hat wollen den Tod erleiden? Wird er derer in seiner Herrlichkeit vergessen können, für die er so große Qualen ausgestanden hat? Betrachte, gläubige Seele, die vielfache Frucht des Leidens des Herrn. Christus hat für uns blutigen Schweiß vergossen, damit nicht der eiskalte Schweiß im Todeskampfe uns zunichte machte; er hat mit dem Tode ringen wollen, damit wir im Todeskampfe nicht unterlägen; die schwerste Angst und Betrübnis bis an den Tod hat er ausstehen wollen, dass wir der ewigen Freude im Himmel teilhaftig würden. Durch einen Kuss, der das Zeichen der Freundschaft und des Wohlwollens ist, hat er verraten werden wollen, damit die Sünde, mit der der Satan die ersten Eltern unter dem Scheine besonderen Wohlwollens dem Verderben geweihet hat, getilgt würde. Von den Juden hat er sich wollen gefangen nehmen und binden lassen, damit er uns, die wir von den Fesseln der Sünde gebunden und wert sind, in die ewige Pein verwiesen zu werden, befreiete. In einem Garten wollte er sein Leiden seinen Anfang nehmen lassen, damit er die Sünde aufhübe, die in dem Garten des Paradieses ihren Ursprung genommen hatte. Von einem Engel wollte er sich stärken lassen, dass er uns zu Genossen der Engel im Himmel machte. Von seinen eigenen Jüngern wird er verlassen, damit er uns, die wir durch einen schändlichen Abfall von Gott vertrieben sind, an sich kette. Vor dem Rate ist er von falschen Zeugen angeklagt worden, dass wir nicht vom Satan durch das Gesetz Gottes angeklagt würden. Er ist verurteilt worden auf Erden, dass wir im Himmel frei gesprochen würden. Er, der keine Sünde getan hat, hat geschwiegen für die Sünde, damit wir um unserer Sünde willen vor Gottes Gericht gestellt nicht verstummen müssten. Er hat sich mit Backenstreichen schlagen lassen wollen, damit wir von den Stacheln des Gewissens und des Satans befreiet würden. Er hat sich verspotten lassen, damit wir den Bösewicht, den Teufel verspotten könnten. Sein Gesicht wird bedeckt, dass er von uns die Decke der Sünde nähme, welche in uns das Anschauen Gottes hindert und fluchwerte Unwissenheit über uns bringt. Er hat seine Kleider sich ausziehen lassen wollen, damit das Kleid der Unschuld, das wir durch die Sünde verloren haben, uns wieder hergestellt würde. Mit Dornen ist er verwundet worden, damit er die Sündenschmerzen unsers Herzens heilte. Die Last des Kreuzes hat er getragen, damit er die Last der ewigen Strafe von uns nähme. Er hat laut gerufen, dass er von Gott verlassen sei, damit er das ewige Beisammenwohnen mit Gott uns wieder erwürbe. Er hat gedürstet am Kreuze, damit er den Tau der göttlichen Gnade uns zuwendete und wir nicht vor ewigem Durste verloren gehen müssten. Von der Hitze des göttlichen Zornes hat er gefoltert werden wollen, damit er vor dem höllischen Feuer uns bewahrte. Er ist gerichtet worden, damit er uns von Gottes Gericht befreite. Als Schuldiger ist er getötet worden, damit er uns, die Schuldigen, losspräche. Von gottlosen Händen ist er geschlagen worden, damit er vor den Schlägen des Teufels uns bewahrte. Vor Schmerz hat er geschrien, damit er von dem ewigen Heulen uns errettete. Tränen hat er vergossen, damit er unsere Tränen trocknete. Er ist gestorben, damit wir das Leben hätten. Die Schmerzen der Hölle hat er ganz empfunden, damit wir dieselben niemals empfänden. Er hat sich erniedriget, damit unserm Stolze ein Heilmittel bereitet würde. Mit einer Dornenkrone ist er gekrönt worden, damit er die himmlische Krone uns bereitete. Von allen hat er sich Leiden gefallen lassen, damit er allen das Heil gewährte. Seine Augen sind im Tode erloschen, damit wir im Lichte der himmlischen Herrlichkeit lebten. Er hat Schmähungen und Beschimpfungen gehört, damit wir im Himmel die Loblieder der Engel höreten. Verzweifle darum nicht, gläubige Seele. Das unbegrenzte Gut ist durch deine Sünden beleidigt, aber es ist auch ein unbegrenzter Preis gezahlt. Du musst gerichtet werden wegen deiner Sünden, aber der Sohn Gottes ist für die Sünden der ganzen Welt, die er auf sich genommen hatte, bereits gerichtet. Deine Sünden müssen gestraft werden, aber Gott hat sie bereits gestraft in seinem Sohne. Die Wunden deiner Sünden sind groß, aber Christi Blut ist ein kostbarer Balsam. Verflucht nennt dich Mose, weil du nicht alles gehalten hast, was in dem Buche des Gesetzes geschrieben stehet 5 Mos. 27,26; aber Christus ist ein Fluch für dich geworden Gal. 3,13. In Gottes Gericht ist eine Handschrift wider dich geschrieben, aber die ist ausgelöscht durch Christi Blut Kol. 2,14. Dein Leiden, o treuer Christus, ist darum meine letzte Zuflucht.
8. VON DER GEWISSHEIT UNSERS HEILS.
EINE GUTE HOFFNUNG WEISS NICHT VON BESTÜRZUNG.
Was bist du so unruhig, meine Seele, was zweifelst du noch an der Barm-herzigkeit Gottes? Gedenke deines Schöpfers, der dich geschaffen hat ohne dich, der deinen Leib im Verborgenen gemacht hat, da dein Gebein gebildet ward unten in der Erde Ps. 139,15. Der also die Sorge für dich übernahm, da du noch nicht warest, sollte der nicht auch für dich sorgen, nachdem er dich zu seinem Bilde geschaffen hat? Ich bin Gottes Geschöpf, an den Schöpfer halte ich mich. Ist auch mein natürliches Wesen vom Teufel verdorben, verwundet und halb zu Schande gerichtet von Straßenräubern, nämlich von den Sünden, so lebt doch mein Schöpfer noch. Der mich in’s Leben rufen konnte, der wird mich auch wieder heilen können. Der mich ohne alles Böse geschaffen hat, der wird auch alles Böse von mir nehmen können, das durch die Einflüsterung des Teufels, durch Adams Sünde, so wie auch durch mein eignes Tun in mich gedrungen ist und mein ganzes Wesen durchdrungen hat. Es wird mich mein Schöpfer wieder in den vorigen Stand einsetzen können, wenn er nur will. Und er will, denn wer hasset je sein eigenes Werk? Sind wir vor ihm nicht wie der Ton in des Töpfers Hand? Jer. 18,6. Hasste er mich, so hätte er mich nimmermehr aus Nichts geschaffen. Er ist selbst der Heiland aller Menschen, sonderlich aber der Gläubigen 1 Tim. 4,10. Wunderbar hat er mich geschaffen, doch noch wunderbarer hat er mich erlöst. Nirgends hat es klarer sich gezeigt, wie sehr der Herr uns geliebt hat, als in seinem Leiden und in seinen Wunden. Der wird in Wahrheit geliebt, um deswillen der Eingeborne aus dem Schoße des Vaters gesandt wird. Wenn du mein Heil nicht wünschtest, Herr Jesu, weshalb wärest du vom Himmel herabgestiegen? Aber du bist herabgestiegen auf die Erde, in den Tod, an’s Kreuz. Um den Knecht zu erlösen, hat Gott seines Sohnes nicht verschonet. Fürwahr mit großer Liebe umfasst er das menschliche Geschlecht, der um der Erlösung des menschlichen Geschlechtes willen seinen Sohn dahingegeben hat, dass er mit Leiden angetan, dem Tode überliefert, an’s Kreuz geschlagen würde. Fürwahr ein sehr teurer und hoher Preis, um den wir erlöset sind; darum eine werte und große Barmherzigkeit des Erlösers. Es könnte einem so vorkommen, als ob Gott seine auserwählten Kinder mit eben so großer Liebe umfasste, als seinen eingebornen Sohn; denn das, woran wir etwas wenden, ist werter als das, was wir daran wenden. Um Kinder zu haben, die es erst durch Annahme an Kindes Statt geworden, hat Gott seines wahren und dem Wesen nach ihm gleichen Sohnes nicht verschonet. Was ist es daher Großes, dass er im himmlischen Hause uns Wohnungen bereitet hat, da er seinen Sohn uns gegeben hat, in dem die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnete? Kol. 2,9. Gewiss wo die ganze Fülle der Gottheit, da ist auch die ganze Fülle des ewigen Lebens und der ewigen Herrlichkeit. Wenn er nun in Christo die ganze Fülle des ewigen Lebens gegeben hat, wie wird er denn ein kleines Teilchen desselben versagen? Fürwahr mit großer Liebe umfasst der himmlische Vater uns seine angenommenen Kinder, um welcher willen er seinen eingebornen Sohn dahin gegeben hat. Fürwahr mit großer Liebe umfasst uns der Sohn, der um unsertwillen sich dahin gegeben hat. Um uns reich zu machen, erduldete er die äußerste Armut, denn er hatte nicht, da er sein Haupt hinlegen konnte Matth. 8,20. Um uns zu Kindern Gottes zu machen, wird er Mensch und begibt sich unserer auch für’s Künftige nicht, nachdem er ein Mal das Werk der Erlösung vollbracht hat, sondern bittet noch für uns, nachdem er zur Rechten der göttlichen Majestät gesetzet ist Röm. 8,34. Wie wird er mir irgend etwas, was zu meinem Heile wichtig ist, nicht zuwenden, da er, um das Heil mir zu Wege zu bringen, sich selbst geopfert hat? Was wird der Vater dem Sohne abschlagen, der ihm gehorsam geworden ist bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuze? Phil. 2,8. Was wird der Vater dem Sohne abschlagen, nachdem er das vom Sohne gebrachte Opfer zuvor schon angenommen hat? Mögen meine Sünden mich anklagen, ich setze mein Vertrauen auf diesen Fürbitter. Der entschuldiget ist größer als der anklagt. Mag meine Schwachheit mich schrecken, ich rühme mich seiner Stärke. Mag der Satan mich anklagen, wenn mich nur dieser Mittler entschuldiget. Mag der Himmel und die Erde mich anklagen und meiner Ungerechtigkeit mich schuldig zeihen, mir ist’s genug, dass der Schöpfer Himmels und der Erde und die Gerechtigkeit selbst für mich bittet. Es reicht mir hin zum Verdienst, zu wissen, dass das Verdienst nicht hinreicht. Es reicht mir hin, dass ich den zum Freunde habe, an dem ich allein gesündiget habe. Was der beschlossen hat mir nicht anzurechnen, das wird so sein, als wäre es nie gewesen. Mich beunruhiget es auch nicht, dass meine Sünden eben so schwer, als mannigfaltig und häufig wieder vorgekommen sind. Denn fühlte ich keine Last wegen meiner Sünden, so würde ich nach der Gnade jenes nicht verlangen. Fühlte ich meine Krankheit nicht, so würde ich die Hilfe des Arztes nicht anrufen. Er ist selbst der Arzt Matth. 9,12; er ist selbst der Seligmacher Matth. 1,21; er ist selbst die Gerechtigkeit 1 Kor. 1,30; er kann sich selbst nicht leugnen 2 Tim. 2,13. Ich bin krank, ich bin verdammt, ich bin ein Sünder, ich kann mich selbst nicht leugnen. Erbarme dich meiner, o Arzt, o Seligmacher, o Gerechtigkeit! Amen.
9. GOTT IST ALLEIN ZU LIEBEN.
VERBINDE DICH DEM HERRN DURCH LIEBE.
Erhebe dich, gläubige Seele, und liebe jenes höchste Gut, in welchem alle Güter enthalten sind, ohne welches es kein wahres Gut gibt. Kein Geschöpf kann unser Verlangen stillen, weil kein Geschöpf das Gute vollkommen, sondern nur zum Teil besitzt. Ein Bächlein des Guten strömet ihm zu von der Gottheit, aber die Quelle bleibt immer in Gott: warum also wollten wir die Quelle verlassen und dem Bächlein folgen? Alles Gute in den Geschöpfen ist ein Abbild jenes vollkommenen Guten, das in Gott, ja das Gott selbst ist: warum also wollten wir am Abbilde hangen und die Sache selbst verlassen? Die Taube, welche Noah aus der Arche gelassen hatte, konnte, so lange das Gewässer über die Erde sich ausbreitete, nicht finden, da ihr Fuß ruhen konnte 1 Mos. 8,8.9: so kann auch unsere Seele in der Menge aller der unterm Mond befindlichen Dinge nichts finden, was ihre Sehnsucht völlig stillen könnte, weil jene nur zu unbeständig und vergänglich sind. Fügt sie sich also nicht selbst Schaden zu, wenn sie etwas liebt, was an ihre Würde nicht reicht? Denn unsere Seele ist edler als alle Geschöpfe, denn sie ist erlöst durch das Leiden und den Tod deß, der Gott war und ist. Warum also wollte sie die Geschöpfe lieben? Ist das nicht der Herrlichkeit, zu der sie Gott erhoben hat, zuwider? Was wir lieben, das lieben wir entweder wegen seiner Macht, oder seiner Weisheit, oder seiner Schönheit: was ist aber mächtiger als Gott, was weiser als Gott, was schöner als Gott? Alle Macht weltlicher Könige ist von ihm und unter ihm; alle Weisheit der Menschen ist im Vergleiche zu der göttlichen, Torheit; alle Schönheit der Geschöpfe ist im Vergleiche zu der göttlichen, Missgestalt. Wenn ein sehr mächtiger König durch Abgesandte um die Hand einer Jungfrau von geringer Herkunft und Lage würbe, würde nicht diese Jungfrau töricht handeln, wenn sie den mächtigsten König nichts achten und den armen Abgesandten und Dienern des Königs anhangen wollte? So hat Gott durch alle Schönheit der Geschöpfe uns zu sich rufen, zu seiner Liebe uns erwecken wollen; warum also hängt unsere Seele, die Christus als Bräutigam begehrt, den Geschöpfen an, die gleichwie Abgesandte von ihm sind um dieser geistlichen Vermählung willen? Die Geschöpfe rufen selbst: Warum bleibt ihr an uns hängen? Warum stellt ihr auf uns das Ziel eures Verlangens? Wir können eure Sehnsucht nicht stillen, machet euch hin zu dem, der unser beider Schöpfer ist! Von den Geschöpfen ist wechselseitige Liebe nicht zu erwarten, von den Geschöpfen nimmt auch keine Liebe gegen uns ihren Anfang; aber Gott, der die Liebe ist 1 Joh. 4,16, kann nicht anders als den lieben, der ihn liebt, ja mit seiner Liebe kommt er allem unsern Verlangen und aller unserer Liebe zuvor. Wie sehr ist also der zu lieben, der uns zuerst so sehr geliebt hat? Er hat uns geliebt, da wir noch nicht waren; denn der göttlichen Liebe ist es zuzuschreiben, dass wir in diese Welt gekommen sind. Er hat uns geliebt, da wir noch Feinde waren; denn der göttlichen Erbarmung und Liebe ist es zuzuschreiben, dass er den Sohn zum Heiland gesandt hat. Er hat uns geliebt, da wir in Sünden gefallen waren; denn der göttlichen Liebe ist es zuzuschreiben, dass er nicht sofort, wenn wir uns versündigen, uns dem Tode übergibt, sondern unsere Bekehrung erwartet. Zur göttlichen Liebe gehört es, dass er ohne unser Verdienst, ja wider Verdienst zu den himmlischen Wohnungen uns leitet. Ohne die Liebe Gottes wirst du niemals zu seiner selig machenden Erkenntnis gelangen; ohne die Liebe Gottes ist alle Wissenschaft unnütz, ja schädlich. Warum gehet die Liebe über das Wissen aller Geheimnisse? 1 Kor. 13,2. Weil dieses auch bei den Teufeln, jene aber nur bei den Frommen anzutreffen ist. Warum ist der Teufel am unseligsten? Weil er das höchste Gut nicht lieben kann. Warum ist Gott dagegen der beglückteste und seligste? Weil er alles liebt, sich aller seiner Werke freuet Weish. 11,15. Warum ist die Liebe zu Gott in diesem Leben nicht vollkommen? Weil wir Gott so weit lieben, als wir ihn erkennen; in diesem Leben aber erkennen wir nur stückweise und durch einen Spiegel 1 Kor. 13,12. In dem ewigen Leben werden wir vollkommen selig sein, weil wir Gott vollkommen lieben werden; vollkommen werden wir lieben, weil wir vollkommen erkennen werden. Keiner wird in der zukünftigen Welt Hoffnung auf vollkommene göttliche Liebe haben, der in dieser Welt nicht anfängt Gott zu lieben. Das Reich Gottes muss in diesem Leben in dem Herzen des Menschen anfangen, sonst wird es nicht zur Vollkommenheit gelangen in dem künftigen. Ohne Liebe zu Gott gibt es kein Verlangen nach dem ewigen Leben, wie also wird der jenes höchsten Gutes teilhaftig sein, der es nicht liebt, nicht sucht, nicht verlangt? Wie deine Liebe so bist du selbst, denn deine Liebe gestaltet dich um in ihr Wesen. Die Liebe ist das höchste Band, denn der Liebende und die geliebte Sache werden Eins. Was hat den gerechtesten Gott und die verlorenen Sünder, was hat dies bis in’s Unendliche von einander entfernte verbunden? Die unendliche Liebe. Damit jedoch die Gerechtigkeit Gottes nicht gemindert würde, ist der unendliche Preis Christi zwischen eingekommen. Was verbindet noch Gott, den Schöpfer und die geschaffene gläubige Seele, die unendlich von einander entfernt sind? Die Liebe. In dem ewigen Leben werden wir mit Gott im höchsten Grade vereiniget werden. Weshalb? Weil wir im höchsten Grade lieben werden. Die Liebe eint und gestaltet um; wenn du das, was des Fleisches ist, liebst, so bist du fleischlich; wenn du die Welt liebst, so wirst du weltlich gesinnet werden. Aber Fleisch und Blut werden das Reich Gottes nicht ererben 1 Kor. 15,50. Wenn du Gott und das Göttliche liebst, so wirst du göttlich gesinnt werden. Die Liebe Gottes ist der Wagen, auf dem Elias in den Himmel fährt. Die Liebe Gottes ist die Freude des Geistes, das Paradies der Seele, macht los von der Welt, überwindet den Teufel, verschließt die Hölle, öffnet den Himmel. Die Liebe Gottes ist das Siegel, mit dem Gott die Auserwählten und Gläubigen versiegelt. Keinen wird Gott im jüngsten Gerichte für den seinigen erkennen, der nicht mit diesem Siegel versiegelt ist. Denn selbst der Glaube, der einige Grund unserer Gerechtigkeit und Seligkeit, ist kein wahrer, wenn er nicht durch die Liebe sich offenbaret Gal. 5,16.; er ist kein wahrer Glaube, wenn er nicht eine gewisse Zuversicht ist; es gibt keine Zuversicht ohne die Liebe Gottes; eine Wohltat wird nicht erkannt, für die nicht Dank gesagt wird; wir sagen dem keinen Dank, den wir nicht lieben. Wenn also dein Glaube ein wahrer ist, so wird er die Wohltat Christi des Erlösers erkennen, er wird sie erkennen und Dank sagen, er wird Dank sagen und lieben. Die Liebe Gottes ist das Leben und die Ruhe unserer Seele; wenn die Seele durch den Tod sich entfernt, so verlöscht das Leben des Leibes, wenn Gott sich entfernet von der Seele um der Sünden derselben willen, so verlöscht das Leben der Seele. Hinwiederum wohnet Gott durch den Glauben in unsern Herzen Eph. 3,17; durch die Liebe wohnet er in unsrer Seele, denn die Liebe Gottes wird ausgegossen in die Herzen der Auserwählten durch den heiligen Geist Röm. 5,5. Es gibt keine Ruhe für die Seele ohne die Liebe Gottes. Welt und Teufel sind ihre größte Qual; Gott aber ist die höchste Ruhe der Seele. Es gibt keinen Frieden des Gewissens außer bei denen, welche von kindlicher Zuversicht zu Gott erfüllt sind. Darum sterbe in uns die Liebe zu uns, die Liebe zur Welt, die Liebe zu den Geschöpfen, damit in uns die Liebe zu Gott lebe, und die beginne in dieser Welt, damit sie in der zukünftigen vollendet werde!
10. VON UNSERER VERSÖHNUNG MIT GOTT.
CHRISTUS HAT MEINE SCHULD GETILGT.
Fürwahr Christus trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen Jes. 53,4. O Herr Jesu! was in uns die ewigen Strafen verdient, das hast du auf dich genommen; die Last, die uns bis zur Hölle niederdrücken wollte, die hast du getragen. Du bist um unserer Missetat willen verwundet, und um unserer Sünde willen zerschlagen. Durch deine Wunden sind wir geheilet; der Herr hat auf dich die Sünden von uns allen gelegt Jes. 53,5.6. Wunderbarer Wechsel: du nimmst auf dich unsere Sünden und schenkst uns deine Gerechtigkeit; den Tod, den wir hätten leiden sollen, erkennst du dir zu, und schenkst uns das Leben. Darum kann ich nimmermehr zweifeln an deiner Gnade, oder verzweifeln wegen meiner Sünden. Was das Schlechteste an uns ist, das nimmst du auf dich: wie wirst du, was das Beste an uns und dein Werk ist, Leib und Seele nämlich, verachten? Du wirst meine Seele nicht in der Hölle lassen, und nicht zugeben, dass dein Heiliger verwese Ps. 16,10. Denn der ist in Wahrheit heilig, dessen Sünden getilgt und hinweggenommen sind: wohl dem, dem die Übertretungen vergeben sind; wohl dem Menschen, dem der Herr die Missetat nicht zurechnet Ps. 32,1.2. Wie wird der Herr unsere Sünden uns zurechnen können, wenn er sie einem andern zugerechnet hat? Wegen der Sünde seines Volks hat der Herr seinen geliebtesten Sohn zerschlagen; er selbst wird also durch seine Erkenntnis viele gerecht machen und selbst ihre Sünden tragen Jes. 53,12. Wie wird er die Seinen gerecht machen? Höre, liebe Seele, und merke auf! Er wird sie gerecht machen durch seine Erkenntnis, das ist durch die heilsame Erkenntnis der göttlichen Barmherzigkeit und Gnade in Christo, und durch deren zuversichtliche Erfassung kraft des Glaubens. Das ist das ewige Leben, dass sie dich, dass du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, deinen Sohn, Jesum Christum, erkennen Joh. 17,3; und dann: So du mit deinem Munde bekennest Jesum, dass er der Herr sei, und glaubest in deinem Herzen, dass ihn Gott von den Toten auferwecket hat, so wirst du selig Röm. 10,9. Der Glaube ergreift die Genugtuung Christi, denn Christus hat die Übertretungen der Seinen auf sich genommen, die Sünden vieler getragen und für die Übeltäter gebetet Jes. 53,13. Fürwahr er hätte wenig Gerechte gehabt, wenn er nicht erbarmungsvoll die Sünder angenommen hätte. Wenig Gerechte hättest du, o Jesu, wenn du nicht den Ungerechten die Sünden vergäbst. Wie wird also Christus die Sünden der Bußfertigen, die er auf sich genommen hat, mit strengem Gericht richten? wie wird er den, der der Sünden schuldig ist, verdammen, da er selbst zur Sünde gemacht ist? 2 Kor. 5,21. Wird er die richten, welche er seine Freunde nennt? Wird er die richten, für die er gebetet hat? Wird er die richten, für die er gestorben ist? Sei gutes Mutes, meine Seele, und vergiss deiner Sünden, weil der Herr ihrer nicht mehr gedenket Jes. 43,25. Wen fürchtest du als Rächer der Sünden außer den Herrn, der selbst für die Sünden genug getan hat? Wenn ein Anderer für meine Sünden das Lösegeld bezahlt hätte, könnte ich da mit Recht noch zweifeln, ob der gerechte Richter jene Genugtuung annehmen wolle? Wenn ein Mensch oder ein Engel für mich genug getan hätte, wäre da noch ein Zweifel vorhanden, ob der Preis der Erlösung zureichend sei? Es wird aber dem Zweifel gar kein Raum übrig gelassen. Wie wird er den Preis nicht annehmen, den er selbst gezahlt hat? Wie könnte das nicht zureichend sein, was von Gott selbst ist? Was beunruhigest du dich noch, meine Seele? Die Wege des Herrn sind eitel Güte und Wahrheit Ps. 25,10. Der Herr ist gerecht, und sein Wort ist recht Ps. 119,137. Was beunruhigest du dich, meine Seele? Das göttliche Erbarmen mache dich getrost; auch die göttliche Gerechtigkeit mache dich getrost; denn wenn Gott gerecht ist, so wird er gewiss für ein Vergehen nicht eine doppelte Lösung fordern. Um unserer Sünden willen hat er den Sohn zerschlagen, wie wird er um derselben willen uns, die Knechte, zerschlagen? Auch die Wahrheit des Herrn ändert sich in Ewigkeit nicht Ps. 117,2. 100,4. Ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern dass sich der Gottlose bekehre von seinem Wesen, und lebe, ruft unser Gott Ezech. 33,11. Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken, ruft unser Heiland Matth. 11,28. Wollen wir den Herrn der Lüge zeihen, und es wagen, durch das Gewicht unserer Sünden seine Barmherzigkeit niederzuhalten? Gott der Lüge zeihen und seine Barmherzigkeit leugnen ist eine größere Sünde, als alle Sünden der ganzen Welt, daher auch Judas schwerer gesündiget hat mit seiner Verzweiflung, als die Juden mit der Kreuzigung Christi. Ja vielmehr wo die Sünde mächtig geworden ist, da ist doch die Gnade viel mächtiger geworden Röm. 5,20, welche, in die Waagschale gelegt, unendlich schwerer wiegt als unsere Sünden; denn die Sünden sind der Menschen, die Gnade aber ist Gottes: die Sünden sind zeitlich, die Gnade unsers Herrn aber währet von Ewigkeit zu Ewigkeit. Für die Sünden ist genug getan, die Gnade Gottes ist durch den Tod Christi wieder erworben und in Ewigkeit festgestellt, zu ihr nehme ich in Demut und Anbetung meine Zuflucht.
11. VON DER GENUGTUUNG FÜR UNSERE SÜNDEN.
DER TOD CHRISTI IST DAS LEBEN DER FROMMEN.
Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken! Matth. 11,28, lauten die Worte unsers Erlösers. In Wahrheit, Herr Jesu, ich bin nur zu sehr beladen, und seufze unter der Last der Sünde, aber ich eile zu dir, dem Quell des lebendigen Wassers. Komm zu mir, Herr Jesu, damit ich zu dir kommen kann. Ich komme zu dir, Herr, weil du zuerst zu mir gekommen bist. Ich komme zu dir, Herr Jesu, und verlange sehnlich nach dir, denn ich finde nichts Gutes in mir. Fände ich etwas Gutes in mir, so würde ich nicht so ängstlich nach dir verlangen. In Wahrheit, Herr Jesu, ich bin mühselig und beladen. Ich vermöchte mich keinem deiner Heiligen ja selbst der reumütigen Sünder zu vergleichen, außer etwa dem Straßenräuber am Kreuze. Erbarme dich mein, Herr, der du dich des Straßenräubers am Kreuze erbarmet hast! Ich habe schändlich gelebt, ich habe in Sünden gelebt, aber fromm und in Gerechtigkeit begehre ich zu sterben. Frömmigkeit und Gerechtigkeit aber sind ferne von meinem Herzen, darum nehme ich meine Zuflucht zu deiner Frömmigkeit und Gerechtigkeit. Dein Leben komme mir zu Hilfe, Herr Jesu, das du zu einer Erlösung für viele in den Tod gegeben hast Matth. 20,28. Dein heiligster Leib komme mir zu Hilfe, der für mich mit Geißelhieben, Verspeiungen, Backen-streichen und Dornen schmählich zugerichtet und an den Schandpfahl des Kreuzes geheftet worden ist. Es komme mir, o Jesu, dein heilig teures Blut zu Hilfe, das aus deiner Seite, da du littst und starbst, geflossen ist und das uns rein macht von allen Sünden. Es komme mir deine heiligste Gottheit zu Hilfe, welche während des Leidens die menschliche Natur nicht sinken ließ; durch die, während sie ruhete und sich nicht tätig bewies, das anbetungswürdige Geheimnis meiner Erlösung vollbracht worden ist, und die deinem heiligen Leiden eine unendliche Stärke und Kraft verliehen hat, also dass Gott mit seinem Blute mich Elenden erworben hat Ap. Gesch. 20,28. Deine heiligen Wunden kommen mir zu Hilfe, in denen alle Mittel der Heilung für mich beschlossen liegen. Dein heiligstes Leiden komme mir zu Hilfe. Dein Verdienst komme mir zu Hilfe, meine letzte Zuflucht und Verwahrung wider die Sünden. Denn was du gelitten, das hast du mir zu Gute gelitten. Was du daher verdienst, das verdienst du ebenso mir und meiner Unwürdigkeit zu Gute. Darum preiset Gott seine Liebe gegen uns und beweiset sie durch das Zeugnis, welches weit über den Verstand aller Menschen ja selbst der Engel gehet, dass Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder und Feinde Gottes waren Röm. 5,8. Wer sollte sich nicht wundern? Wer sollte nicht staunen? Von niemanden darum ersucht, ja von den Menschen gehasst, bittet der erbarmungsvollste Sohn Gottes für die Sünder und seine Feinde, und bittet nicht bloß für sie, sondern leistet auch der göttlichen Gerechtigkeit Genugtuung durch die ärmste Geburt, durch das heiligste Leben, durch das bitterste Leiden, durch den schmachvollsten Tod. O Herr Jesu, der du für mich gebeten, gelitten und dem Tode dich geweihet hast, ehedenn ich ein Verlangen nach deinem Verdienst und Leiden hatte oder dich mit Bitten anging, du möchtest Lösegeld für mich bezahlen: wie wirst du mich von deinem Angesichte verwerfen können? Wie wirst du mir die Frucht deines heiligsten Leidens versagen, nachdem ich aus der Tiefe zu dir rufe und nach der Frucht deines Verdienstes mit Tränen und Seufzern mich sehne. Von Natur war ich ein Feind; seit du für mich gestorben bist, bin ich aus Gnaden ein Freund, Bruder und Sohn geworden. Du hast den Feind erhöret, da er dich noch nicht bat, wie wirst du deinen Freund verachten, der mit Tränen und Bitten zu dir sich nahet. Den, der zu dir kommt, wirst du nicht hinaus stoßen Joh. 6,37, denn dein Wort ist Wahrheit. Du hast zu uns geredet im Geiste und in der Wahrheit, und Worte des ewigen Lebens haben wir von dir vernommen Joh. 6,68. Merke dir’s und sei getrost, meine Seele: ehehin waren wir Sünder vermöge unsers natürlichen Wesens, nunmehr sind wir Gerechte kraft der Gnade; ehehin waren wir Feinde, nunmehr sind wir Freunde und Verwandte; ehehin wurzelte unsere zu erhoffende Hilfe im Tode Christi, nunmehr auch in seinem Leben; ehehin waren wir tot in unsern Sünden, nunmehr sind wir lebendig gemacht in Christo Eph. 2,5. O der unaussprechlich großen Liebe, mit der Gott uns geliebet hat! O des überschwänglichen Reichtums der Gnade, durch die Gott uns eine Wohnung im Himmel bereitet hat! O der herzlichen Barmherzigkeit unsers Gottes, durch die uns besucht hat der Aufgang aus der Höhe! Luk. 1,78. Wenn Christi Tod Gerechtigkeit und Leben uns zu Wege gebracht hat, was wird sein Leben vermögen? Wenn der Erlöser durch seinen Tod dem Vater die Schuld bezahlt hat, was wird er durch sein Leben und seine Fürbitte für uns ausrichten? denn Christus lebt und wohnet in unserm Herzen Eph. 3,17; wenn nur das Andenken an sein heiligstes Verdienst in demselben recht lebendig und kräftig ist. Ziehe mich, Herr Jesu, dass ich in der Wahrheit der Sache das habe, was ich in der Gewissheit der Hoffnung erwarte: laß, ich bitte dich, deinen Diener bei dir sein und die Herrlichkeit sehen, die dir der Vater gegeben hat Joh. 17,24; laß ihn einnehmen die Wohnung, die du ihm in dem Hause deines Vaters bereitet hast Joh. 14,2. Wohl denen, die in deinem Hause wohnen, die loben dich immerdar Ps. 84,5!
12. VON DEM WESEN UND DEN EIGENSCHAFTEN DES WAHREN GLAUBENS.
DER GLAUBE IST LEBENDIG UND SIEGREICH, WENN ER WAHR IST.
O geliebte Seele, betrachte die Kraft des Glaubens und sage Gott Dank, dem einigen Geber des Glaubens. Der Glaube allein pflanzt uns unserm Erlöser wieder ein, so dass gleichwie die Reben den Saft aus dem Weinstock so wir aus ihm das Leben, die Gerechtigkeit und das Heil schöpfen Joh. 15,4. Adam ging der Gnade Gottes verlustig und verlor das göttliche Ebenbild durch seinen Unglauben; in die Gnade werden wir wieder aufgenommen und das Ebenbild Gottes beginnt in uns wieder hergestellt zu werden durch den Glauben. Durch den Glauben wird Christus unser und wohnet in uns Eph. 3,17; wo aber Christus, da ist die Gnade Gottes, wo die Gnade Gottes, da ist das Erbe des ewigen Lebens. Durch den Glauben hat Abel Gott ein größer Opfer getan denn Kain Hebr. 11,4: so bringen wir Gott geistliche Opfer durch den Glauben, nämlich die Frucht unserer Lippen Hebr. 13,15. Durch den Glauben ward Enoch weggenommen Hebr. 11,5: so versetzt uns der Glaube aus der menschlichen Gesellschaft in die himmlische Gemeinschaft auch jetzt in diesem Leben. Denn Christus wohnet bereits in uns, das ewige Leben ist bereits in uns, aber verborgen Kol. 3,3. Durch den Glauben hat Noah die Arche zubereitet Hebr. 11,7: so gelangen wir durch den Glauben in die Kirche, in der die Seelen bewahret werden, während alle Übrigen in dem weiten Meere der Welt untergehen. Durch den Glauben ist Abraham aus dem götzendienerischen Lande gegangen Hebr. 11,8: so gehen wir aus der Welt, verlassen Eltern, Geschwister und Verwandte, und folgen der Stimme Christi, der uns ruft. Durch den Glauben ist er ein Fremdling gewesen und hat des verheißenen Landes gewartet Hebr. 11,9: so warten wir im Glauben des himmlischen Jerusalem Off. Joh. 21,2, welches Gott uns droben bereitet hat. Wir sind Gäste und Fremdlinge in dieser Welt Hebr. 11,13, und sehnen uns im Glauben nach dem himmlischen Vaterland. Durch den Glauben empfing Sara im hohen Alter ihren Sohn Isaak Hebr. 11,11: so empfangen auch wir geistlicher Weise getötet die Kraft, Christum geistlich zu empfangen. Denn wie Christus in dem heiligen Leibe der Jungfrau Maria einmal empfangen worden ist, so wird er in der gläubigen Seele, die sich rein bewahret von aller Vermengung mit der Welt, geistlicher Weise täglich geboren. Durch den Glauben opferte Abraham den Isaak Hebr. 11,17: so töten auch wir geistlicher Weise den eigenen Willen, den geliebten Sohn unsres Herzens, und opfern ihn; denn wer Christo nachfolgen will, der muss sich selbst verleugnen Matth. 16,24, das ist auf den eigenen Willen, auf die eigene Ehre, auf die eigene Liebe verzichten. Durch den Glauben hat Isaak den Jakob gesegnet Hebr. 11,20: so werden wir durch den Glauben aller göttlichen Segnungen teilhaftig; denn in dem Samen Abrahams, das ist in Christo, werden alle Völker gesegnet 1 Mos. 22,18. Durch den Glauben redete Joseph von dem Auszuge der Kinder Israel aus Ägypten, und tat Befehl von seinen Gebeinen Hebr. 11,22: so hoffen wir im Glauben auf den Ausgang aus diesem geistlichen Ägypten, nämlich aus der Welt, und auf eine selige Auferstehung des Leibes. Durch den Glauben ward Mose drei Monden bewahret Hebr. 11,23: so verbirgt uns der Glaube vor der Tyrannei des Satans, bis wir endlich in das königliche Gemach Gottes kommen und zu geistlichen Königen angenommen werden. Durch den Glauben erwählete Mose viel lieber das Ungemach seines Volkes zu teilen, als in der Pracht Ägyptens zu leben Hebr. 11,25: so erweckt der Glaube in uns die Verachtung der Herrlichkeit, der Ehre, des Reichtums und der Lüste dieser Welt, und das Verlangen nach dem Himmelreiche. Durch den Glauben erwählen wir viel lieber die Schmach Christi, als die Schätze dieser Welt. Durch den Glauben verließ Mose Ägypten und fürchtete nicht des Königs Grimm Hebr. 11,27: so stärkt und kräftiget uns der Glaube, dass wir uns nicht durch die Drohungen der Tyrannen dieser Welt schrecken lassen, sondern mutigen und festen Geistes der Stimme Gottes gehorchen. Durch den Glauben feierte Israel das Pascha Hebr. 11,28: so feiern auch wir durch den Glauben das Pascha. Unser Pascha ist Christus, für uns geopfert 1 Kor. 5,7, dessen Fleisch die rechte Speise, und dessen Blut der rechte Trank ist Joh. 6,55. Durch den Glauben gingen die Israeliten durch das rote Meer Hebr. 11,29: so gehen wir durch den Glauben durch das Meer dieser Welt. Durch den Glauben fielen die Mauern zu Jericho Hebr. 11,30: so verstören wir durch den Glauben alle Festungen des Satans 2 Kor. 10,5. Durch den Glauben ward Rahab nicht verloren Hebr. 11,31: so werden wir bei dem allgemeinen Untergange dieser Welt durch den Glauben bewahret werden. Durch den Glauben haben die Väter Königreiche bezwungen, der Löwen Rachen verstopfet, des Feuers Kraft ausgelöscht Hebr. 11,33.34: so bezwingen auch wir durch den Glauben das Reich des Satan, entgehen den Nachstellungen und der Wut des höllischen Löwen, und werden von der Glut des höllischen Feuers befreiet. Der Glaube ist aber nicht eine bloße Meinung und Bekenntnis, sondern eine lebendige und wirksame Ergreifung Christi, der sich im Evangelio uns darbietet; er ist die vollste Gewissheit von der Gnade Gottes, eine zuversichtliche Ruhe unsers Herzens und ein Friede, der auf Christi Verdienst sich gründet Hebr. 11,1. Dieser Glaube wird aus dem Samen des göttlichen Wortes geboren, denn der Glaube und der Geist sind eins, das Wort aber ist der Träger des heiligen Geistes. Die Frucht gleicht dem Wesen ihres Samens. Der Glaube ist eine göttliche Frucht, also muss auch göttlicher Same da sein, nämlich das Wort. Wie bei der Schöpfung das Licht durch das Wort Gottes entstand, denn Gott sprach, und es ward Licht 1 Mos. 1,3: so entspringt das Licht des Glaubens aus dem Lichte des göttlichen Wortes: in deinem Lichte sehen wir das Licht Ps. 36,10, spricht der Psalmist. Da der Glaube uns mit Christo verbindet, uns mit Christo vereiniget, darum ist er auch in uns die Mutter aller Tugenden: wo der Glaube, da ist Christus; wo Christus, da ist heiliges Leben, nämlich wahre Demut, wahre Sanftmut, wahre Liebe. Christus und der heilige Geist trennen sich nicht von einander: wo der heilige Geist, da ist wahre Heiligkeit. Also wo kein heiliges Leben ist, da ist auch der heiligende Geist nicht; wo der Geist nicht ist, da ist auch Christus nicht; wo Christus nicht ist, da ist auch der wahre Glaube nicht. Eine jegliche Rebe, die ihr Leben und ihren Saft nicht aus dem Weinstocke ziehet Joh. 15,4, die ist auch nicht anzusehen, als wäre sie mit dem Weinstock verbunden: so sind auch wir durch den Glauben noch nicht mit Christo verbunden, wenn wir nicht das Leben und die Kraft zum Leben aus ihm ziehen. Der Glaube ist ein geistliches Licht; denn durch den Glauben werden die Herzen erleuchtet; darum breitet er um sich her die Strahlen der guten Werke aus. Wo aber die Strahlen des geistlichen Lebens nicht sind, da ist auch noch nicht das wahre Licht des Glaubens. Böse Werke sind Werke der Finsternis Röm. 13,12: der Glaube ist aber ein Licht, was hat aber das Licht für eine Gemeinschaft mit der Finsternis? 2 Kor. 6,14. Böse Werke sind der Same des Teufels Matth. 13,25; der Glaube ist der Same Christi: welche Gemeinschaft hat aber Christus mit dem Satan? 2 Kor. 6,15. Durch den Glauben werden die Herzen gereiniget Ap. Gesch. 15,9: wie aber kann innere Reinheit des Herzens bestehen, wo unreine Worte und unreine Werke äußerlich offenbar werden? Der Glaube ist unser Sieg 1 Joh. 5,4: wie also kann da der wahre Glaube sein, wo das Fleisch den Geist überwindet und gleichwie gefangen führet? Durch den Glauben haben wir Christum und in Christo das ewige Leben: aber kein Unbußfertiger und beharrlicher Sünder ist des ewigen Lebens teilhaftig, wie also Christi? wie des Glaubens? Zünde in uns, o freundlicher Christus, das Licht des wahren Glaubens an, damit wir durch den Glauben die ewige Seligkeit erlangen!
13. VON DER GEISTLICHEN VERMÄHLUNG CHRISTI UND DER SEELE.
JESUS IST DER BRÄUTIGAM DER SEELEN.
Ich will mich mit dir verloben in Ewigkeit Hos. 2,19, spricht Christus zu der gläubigen Seele. Christus wollte an der Hochzeit, die zu Kana in Galiläa gefeiert ward, Teil nehmen Joh. 2,2, um zu zeigen, dass er zur geistlichen Vermählung in die Welt gekommen sei. Freue dich im Herrn, und sei fröhlich, gläubige Seele, in deinem Gott! Denn er hat dich angezogen mit Kleidern des Heils und mit dem Rock der Gerechtigkeit gekleidet wie eine Braut, die mit Geschmeide geziert ist Jes. 61,10. Freue dich ob der Würde des Bräutigams, freue dich ob der Herrlichkeit des Bräutigams, freue dich ob der Liebe des Bräutigams! Seine Würde ist die höchste; denn er ist wahrhaftiger Gott, hochgelobet in Ewigkeit! Röm. 9,5. Wie groß ist also die Würde dieses Geschöpfes, nämlich der gläubigen Seele, weil sich der Schöpfer selbst mit ihr verloben will. Seine Herrlichkeit ist die höchste; denn er ist, der Schönste unter den Menschenkindern Ps. 45,3: sie sahen ja seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingebornen Sohnes vom Vater Joh. 1,14; sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, und seine Kleider waren weiß wie der Schnee Matth. 17,2; auch ist die Gnade ausgegossen über seine Lippen Ps. 45,33 mit Ehren und Schmuck ist er gekrönet Ps. 8,6. Von welcher Erbarmung zeugt es also, dass jene höchste Schönheit die Seele der Sünder, die befleckt und verunstaltet ist, nicht unwert achtet sich zur Braut zu erwählen! Auf Seiten des Bräutigams ist die höchste Vollkommenheit, auf Seiten der Braut die höchste Unvollkommenheit; auf Seiten des Bräutigams die höchste Schönheit, auf Seiten der Braut die höchste Hässlichkeit; und doch ist die Liebe des Bräutigams zur Braut noch größer, als die der Braut zu dem herrlichsten und schönsten Bräutigam. Schaue an die unendliche Liebe deines Bräutigams, o gläubige Seele! Die Liebe hat ihn vom Himmel auf die Erde gezogen, der Beschimpfung preisgegeben, an das Kreuz geheftet, im Grabe verschlossen und zu denen in der Hölle hinabgeführt. Wer hat das alles getan außer die Liebe zu der Braut? Aber unser Herz ist unempfindlicher als Stein und Blei, weil das Band so großer Liebe es nicht zu Gott ziehet, kraft deß die Liebe zuvor Gott zu den Menschen gezogen hat. Bloß und nackt war die Braut Ezech. 16,22, und konnte in solcher Beschaffenheit in das königliche Gemach des himmlischen Reiches nicht eingeführt werden. Er selbst zog sie an mit Kleidern des Heils und der Gerechtigkeit. Da sie in das schmutzige Hemd der Sünden, und in den abscheulichsten Überwurf der Ungerechtigkeit gehüllt da lag, gab er ihr, sich anzutun mit reiner und schöner Seide, die Seide aber ist die Gerechtigkeit der Heiligen Off. Joh. 19,8. Dies Kleid ist die Gerechtigkeit, die durch das Leiden und den Tod des Bräutigams erworben ist. Jakob diente vierzehn Jahre, um die Rahel zum Weibe zu erhalten 1 Mos. 29,20.27: Christus hat fast vier und dreißig Jahre Hunger, Durst, Kälte, Armut, Schmach, Beschimpfung, Bande, Geißelhiebe, der Galle Bitterkeit, den Tod, das Kreuz sich gefallen lassen, damit er die gläubige Seele sich zur Braut zurichten und erwerben möchte. Simson ging hinab und suchte sich eine Braut aus den Völkerschaften, die durch Unterjochung den Philistern einverleibt worden waren Richt. 14,3: der Sohn Gottes stieg herab und erwählte sich eine Braut aus den der Verdammnis und dem ewigen Tode geweiheten Menschen. Das Geschlecht der Braut war dem himmlischen Vater feind, aber er machte dasselbe durch das bitterste Leiden dem Vater angenehm. Die Braut lag in ihrem Blute Ezech. 16,22, hingeworfen über die Erde; aber er wusch sie ab durch das Bad der Taufe und reinigte sie durch das heiligste Mittel der Reinigung Eph. 5,26: er reinigte das Blut der Braut durch sein eigenes Blut; denn das Blut des Sohnes Gottes macht uns rein von allen Sünden 1 Joh. 1,7. Schmutzig und hässlich war die Braut; aber er salbete sie mit Balsam Ezech. 16,9, mit Barmherzigkeit nämlich und mit Gnade. Die Braut war nicht ehrbar gekleidet; aber er gab ihr Geschmeide an die Arme und Ohrenringe in die Ohren Ezech. 16,11.12, er schmückte sie mit Tugenden und den mannigfachen Gaben des heiligen Geistes. Die Braut war sehr arm und hatte nicht, was sie zum Pfande geben sollte: darum hinterließ er ihr das Pfand des Geistes Eph. 1,14, und nahm von ihr das Pfand des Fleisches, und führete sie ein in den Himmel. Die Braut war hungrig, aber er gab ihr Semmeln, Öl und Honig zu essen Ezech. 16,19, mit seinem eigenen Fleische und Blute stärkte er sie zum ewigen Leben. Die Braut ist trotzig und bricht oft die eheliche Treue, hurt mit der Welt und mit dem Teufel; aber aus unendlicher Liebe nimmt sie der Bräutigam wieder auf in die Gnade, so oft sie in wahrer Buße sich zu ihm bekehret. Erkenne, o gläubige Seele, so viele und so große Beweise der Liebe; schätze, o gläubige Seele, die Liebe deß, der aus Liebe zu dir in den Leib der Jungfrau herabgestiegen ist. Um so viel müssen wir ihn mehr lieben als uns, als er selbst größer ist als wir, der sich für uns dahin gegeben hat. Unser ganzes Leben muss dem nachgebildet werden, der aus Liebe zu uns unsere Gestalt vollkommen angenommen hat. Für den Undankbarsten hält man billig den, welcher den, der ihn liebt, nicht wieder liebt. Wie sehr ist also der unserer Liebe wert, welcher aus Liebe zu uns seiner Herrlichkeit gleichwie vergessen hat. Selig die Seele, welche durch das Band dieser geistlichen Vermählung mit Christo verbunden wird! Die eignet sich alle Wohltaten Christi sicher und mit Zuversicht zu, wie sonst das Weib in der Ehe glänzet in den Strahlen ihres Mannes. Teilhaftig aber dieser geistlichen Vermählung und selig werden wir allein durch den Glauben, wie geschrieben stehet: Ich werde mich mit dir verloben in Ewigkeit Hos. 2,19. Der Glaube pflanzet uns Christo, dem geistlichen Weinstocke ein Joh. 15,5, dass wir das Leben und die Kraft zum Leben aus ihm ziehen; und wie die, welche in der Ehe leben, nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch sind Matth. 19,6, so werden die, welche dem Herrn anhangen durch den Glauben, ein Geist mit ihm 1 Kor. 6,17; denn durch den Glauben macht Christus Wohnung in unsern Herzen Eph. 3,17. Der Glaube, wenn er wahr ist, ist tätig durch die Liebe Gal. 5,6. Wie die Priester unter dem alten Bunde Jungfrauen zu Weibern nehmen mussten 3 Mos. 21,7.13, so vermählt sich jener himmlische Priester geistlicher Weise nur mit einer solchen Jungfrau, die von des Teufels, der Welt und ihres Fleisches Willen sich rein und unbefleckt erhält. Mache uns, o Christe, würdig, zur Hochzeit des Lammes einst einzugehen! Amen. Off. Joh. 19,7.
14. VON DEN GEHEIMNISSEN DER MENSCHWERDUNG.
DIE WIEGE CHRISTI LEUCHTET.
Wenden wir unsere Sinne ein wenig ab von den zeitlichen Dingen, und betrachten wir die Geheimnisse der Menschwerdung des Herrn. Der Sohn Gottes kommt vom Himmel zu uns, auf dass wir die Kindschaft empfingen Gal. 4,4.5. Gott wird Mensch, auf dass der Mensch der göttlichen Gnade und Natur teilhaftig wird 2 Petr. 1,4. Um die Zeit des Abends der Welt wollte Christus geboren werden, um anzuzeigen, dass die Segnungen seiner Menschwerdung nicht das gegenwärtige, sondern das zukünftige Leben angehen. Zur Zeit des friedfertigen Augustus wollte er, der dem menschlichen Geschlechte Frieden mit Gott verschafft hat, geboren werden. Zur Zeit, da Israel ein Knecht war, wollte er, der der wahre Befreier und Erretter seines Volkes ist, geboren werden. Unter der Oberherrlichkeit eines fremden Herrn wollte er, dessen Reich nicht von dieser Welt ist Joh. 18,36, geboren werden. Von einer Jungfrau wird er geboren, um anzuzeigen, dass er nur in den Herzen derer empfangen und geboren wird, welche geistliche Jungfrauen sind 2 Kor. 11,2, das ist, deren Herzen weder der Welt, noch dem Teufel, sondern Gott in einem Geiste anhangen. Rein und heilig wird er geboren, um unsere unreine und unheilige Geburt zu heiligen. Von einer Jungfrau, die einem Manne vertrauet ist, wird er geboren: zur Ehre des von Gott geordneten Ehestandes. In der Finsternis der Nacht wird er geboren, der das wahre Licht war, das die Finsternis der Welt erleuchtet. In eine Krippe wird er gelegt, der die wahre Speise unserer Seele ist. Inmitten des Ochsen und Esels wird er geboren, um die Menschen, welche durch die Sünde den Zugtieren ähnlich geworden sind, zur ehemaligen Würde zurückzuführen. In Bethlehem, das ist, in dem Hause des Brotes, wird er geboren, der zur Sättigung der Seelen die reichste Fülle der göttlichen Wohltaten mit sich führte. Der Erstgeborene und Eingeborene seiner Mutter auf Erden ist er, welcher der Erstgeborene und Eingeborene des Vaters im Himmel ist. Arm und unbemittelt wird er geboren 2 Kor. 8,9, um uns den himmlischen Reichtum zu erwerben. In einem verächtlichen Viehstalle wird er geboren, um uns zu den Prachtgemächern der himmlischen Königsburg zu leiten. Vom Himmel wird er gesandt als Herold so großer Segnung, weil niemand auf Erden die Größe derselben fasste. Der Herold himmlischer Gaben muss selbst vom Himmel sein. Es freuen sich die Heerscharen der Engel, welche uns um der Menschwerdung des Sohnes Gottes willen zu Genossen ihrer Seligkeit haben können. Den Hirten wird solches Wunder zuerst verkündiget, weil der wahre Hirt der Seelen gekommen war, die verlorenen Schafe auf den Weg zurückführen. Den Verachteten und Ruhmlosen wird der Grund so großer Freude verkündiget, weil niemand derselben teilhaftig werden kann, der nicht in seinen Augen sich missfällt. Denen, die da wachen bei der Herde, wird diese Geburt verkündiget, weil nicht die, welche in Sünden schlafen, sondern die, deren Herz zu Gott wacht, so großer Gabe teilhaftig werden. Es frohlockt die Menge der himmlischen Heerscharen, die ob der Schuld des ersten Menschen in tiefe Trauer versetzt worden war. Die Klarheit des Herrn und Königs, dessen Armut die Menschen auf Erden verachteten, wird offenbar im Himmel. Der Engel gebietet der Furcht sich zu entschlagen, weil der geboren war, der allen Grund der Furcht hinweg zu nehmen kam. Freude wird vom Himmel verkündiget, weil der Schöpfer und Geber aller Freude geboren war. Freude wird geboten, weil die Feindschaft zwischen Gott und den Menschen, der Grund aller Traurigkeit, entfernt war. Die Ehre wird Gott in der Höhe gegeben, die der erste Mensch durch die untersagte Übertretung des Gebotes hatte an sich reißen wollen. Der wahre Friede ist durch diese Geburt erworben, weil vorher die Menschen Gottes Feinde waren, weil vorher wider sie ihr eigenes Gewissen war, weil sie vorher unter einander feindlich gestimmt waren. Der wahre Friede ist der Erde wiedergegeben, weil der überwunden ist, welcher uns gefangen hielt.
Lasst auch uns mit den Hirten zur Krippe Christi, das ist, zur Kirche gehen, und in Windeln, das ist, in die heilige Schrift, gewickelt werden wir dieses Kindlein finden. Lasst auch uns mit der Maria, der heiligen Mutter des Herrn, die Worte des so großen Geheimnisses behalten und in täglicher Erinnerung sie ernstlich bewegen. Lasst uns mit unserer Stimme den Engeln folgen, die uns vorsingen, und den schuldigen Dank für so große Wohltat sagen. Lasst uns frohlocken und freuen mit dem ganzen himmlischen Heer. Denn wenn die Engel um unsertwillen sich in so hohem Grade freuen, um wie viel mehr werden wir uns freuen müssen, dass uns dieses Kind geboren und gegeben ist? Jes. 9,6. Wenn die Kinder Israel Lobgetöne erhoben, da die Bundeslade zu ihnen gebracht ward, die das Abbild und der Schatten der Menschwerdung des Herrn war: wie viel mehr müssen wir uns freuen, zu denen der Herr, nachdem er ihr Fleisch angenommen hat, selbst herabsteigt. Wenn Abraham froh ward, dass er den Tag des Herrn sehen Joh. 8,56, und der Herr ihm, nachdem er die menschliche Gestalt auf Zeit angenommen hatte, erscheinen sollte: was werden wir tun müssen, da er unsere Natur für immer und unabänderlich angenommen hat? Lasset uns hier bewundern die unermessliche Güte Gottes, welcher, da wir zu ihm uns nicht zu erheben vermochten, zu uns herabkommen wollte. Lasset uns bewundern die unendliche Macht Gottes, welcher aus zweien einander ganz verschiedenen Naturen, nämlich der göttlichen und menschlichen, einen darzustellen vermochte, der in der innigsten Vereinigung Gott und Mensch zugleich ist. Lasset uns bewundern die unendliche Weisheit Gottes, welcher eine Weise uns zu erlösen zu erfinden vermochte, da weder Engel noch Menschen eine Weise wussten. Das unendliche Gut war beleidigt, eine unendliche Genugtuung ward erfordert. Der Mensch hatte Gott beleidigt, von dem Menschen ward die Genugtuung gefordert. Aber von dem Menschen konnte weder eine unendliche Genugtuung geleistet, noch der göttlichen Gerechtigkeit genug getan werden ohne einen unendlichen Preis. Darum ward Gott Mensch, damit der, welcher gesündiget hatte, genug täte, und der, welcher unendlich war, einen unendlichen Preis bezahlte. Lasset uns bewundern dieses staunenswerte Mittel der Ausgleichung der göttlichen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, welches kein Geschöpf, bevor es Gott offenbarte, erfinden konnte, und, nachdem es offenbart ist, nicht vollkommen fassen kann. Lasst dies uns bewundern, nicht ängstlich darüber grübeln; lasst uns nach Erkenntnis deß verlangen, wenn wir es auch nicht vollständig fassen; lasst uns viel mehr unsere Unwissenheit bekennen, als Gottes Macht leugnen wollen.
15. VON DER HEILSAMEN FRUCHT DER MENSCHWERDUNG.
GESEGNET SEI DIE ERLÖSUNG CHRISTI.
Ich verkündige euch große Freude Luk. 2,10, spricht der Engel bei der Geburt unsers Heilandes. Fürwahr sie ist groß, und größer, als der menschliche Verstand zu fassen vermag. Das größte Übel war, dass wir unter dem Zorne Gottes, unter der Gewalt des Teufels, unter der ewigen Verdammnis gefangen gehalten wurden. Noch größer war das Übel, dass die Menschen jene größten Übel entweder nicht kannten, oder nichts achteten. Nun aber wird uns große Freude verkündiget, weil der in die Welt gekommen war, der uns von allen jenen Übeln befreien sollte. Der Arzt ist zu den Kranken, der Erlöser zu den Gefangenen, der Weg zu den Irrenden, das Leben zu den Toten, das Heil zu den Verdammten gekommen. Wie Mose von Gott gesandt worden ist, das Volk Israel aus der ägyptischen Knechtschaft zu befreien 2 Mos. 3,10: so ist Christus vom Vater gesandt worden, das ganze menschliche Geschlecht von der Gewalt des Teufels zu erlösen. Wie die Taube, da das Land nach der Sündflut wieder trocken geworden war, ein Ölzweiglein zur Arche Noah brachte: so ist Christus in die Welt gekommen, den Frieden zu predigen zur Versöhnung des menschlichen Geschlechtes mit Gott. Mit Recht freuen wir uns daher, und hoffen das Beste von der Barmherzigkeit Gottes. Der uns, da wir noch Feinde waren Röm. 5,8, so sehr geliebt hat, dass er es nicht verschmähet hat, unsere Natur in die engste Verbindung mit der Gottheit anzunehmen: was wird der denen versagen, die ihm verbunden sind dadurch, dass er ihres Fleisches teilhaftig geworden ist? Wie also wird jenes höchste und unbegrenzte Erbarmen uns, die wir seiner Natur schon teilhaftig gemacht sind, von sich wegweisen können? Wer kann die Größe dieses Geheimnisses in Gedanken, geschweige denn in Worten fassen? Es ist das die höchste Erhabenheit und die höchste Niedrigkeit, die höchste Macht und die höchste Schwachheit, die höchste Herrlichkeit und die höchste Hinfälligkeit. Was ist erhabener als Gott, und was niedriger als der Mensch? Was ist mächtiger als Gott und was schwächer als der Mensch? Was ist herrlicher als Gott und was hinfälliger als der Mensch? Aber jene höchste Macht fand ein Mittel, dadurch diese verbunden wurden, da jene höchste Gerechtigkeit die Notwendigkeit einer solchen Verbindung forderte. Wer kann die Größe auch dieses Geheimnisses fassen? Ein Gegenersatz und ein unendlicher Preis ward erfordert für die Beleidigung des Menschen, weil der Mensch von dem unendlichen Gute, nämlich von Gott sich abgewendet hatte. Aber was konnte dem unendlichen Gott ein Gegenersatz sein? Daher nimmt die unendliche Gerechtigkeit gleichsam von sich selbst einen vollen Ersatz gewährenden Preis, und Gott der Schöpfer leidet im Fleische, damit das Fleisch des Geschöpfes nicht in Ewigkeit leide. Das höchste Gut war beleidiget; es konnte nur ein Mittler von unendlicher Macht zwischen eintreten. Was aber ist außer Gott unendlich? Gott versöhnte daher die Welt mit ihm selber 2 Kor. 5,19: Gott selbst wird der Mittler, Gott selbst hat mit seinem Blute das menschliche Geschlecht erlöst Ap. Gesch. 20,28. Wer kann die Größe dieses Geheimnisses fassen? Der höchste Schöpfer war beleidigt, und das Geschöpf machte sich keine Sorge über die Herstellung des Friedens und über die Versöhnung. Derselbe, der beleidiget war, nimmt das Fleisch des Geschöpfes an und wird der Versöhner. Der Mensch hatte Gott verlassen, und zu dem Feinde Gottes, dem Teufel sich gewendet; aber derselbe, der verlassen war, sucht bekümmert den, der ihn verlassen hat, und ladet ihn auf das Freundlichste wieder zu sich ein. Der Mensch war von jenem unendlichen Gute gewichen und hatte sich in das unendliche Übel gestürzt, aber eben jenes unendliche Gut gibt einen unendlichen Erlösungspreis und befreit das Geschöpf von jenem unendlichen Übel. Übersteigt nicht diese unendliche Barmherzigkeit allen endlichen Verstand und Gedanken des Menschen? Unsere Natur ist durch Christum herrlicher gemacht worden, als sie durch Adams Sünde verunstaltet worden war; in Christo haben wir mehr empfangen, als wir in Adam verloren haben; die Sünde hatte überhand genommen, aber der Reichtum der göttlichen Gnade ging noch weit darüber. In Adam haben wir die Unschuld verloren, in Christo haben wir die volle Gerechtigkeit empfangen Röm. 5,18.21. Mögen andere die göttliche Macht bewundern, die göttliche Gnade ist noch viel mehr zu bewundern, wenngleich in Gott die Macht und die Barmherzigkeit einander die Waage halten, nämlich beide unendlich sind. Mögen andere die Schöpfung bewundern, mir gefällt es mehr die Erlösung zu bewundern, wenngleich sowohl die Schöpfung als die Erlösung die Tat einer unendlichen Macht ist. Groß ist es, den Menschen, der nichts verdient hat, weil er noch nicht einmal da ist, zu schaffen; größer scheint es noch zu sein, den Menschen, der sich versündigt hat, zu erlösen und die Genugtuung der Schuld auf sich zu nehmen. Wundernswert ist es, dass unser Fleisch und unsere Gebeine uns von Gott gebildet sind; wundernswerter noch ist es, dass Gott selbst Fleisch von unserm Fleische, und Bein von unsern Gebeinen werden wollte Eph. 5,30. O meine Seele, danke deinem Gott, der dich geschaffen hat, da du noch nicht warest, der dich erlöst hat, da du durch die Sünde verdammt warest, der dir, weil du Christo durch den Glauben anhängest, himmlische Freuden bereitet hat!
16. VON DER GEISTLICHEN ERQUICKUNG DER FROMMEN.
WAS IST GOTT DER SEELE?
DAS LICHT, DAS HEILMITTEL, DIE SPEISE.
„Der grundgütige Gott hat ein großes Gastmahl bereitet Luk. 14,16, aber hungrige Herzen müssen zu demselben mitgebracht werden. Die Süßigkeit des himmlischen Gastmahles fasst nicht, wer es nicht schmeckt; es schmeckt’s nicht, wer nicht hungert. An Christum glauben heißt zu dem himmlischen Gastmahle gehen. Niemand aber kann glauben, außer wer seine Sünden anerkennt, in Wahrheit zerknirscht wird und Reue empfindet. Die Zerknirschung ist der Seele geistlicher Hunger, der Glaube ist die geistliche Weide. Den Israeliten gab Gott in der Wüste das Manna, das Brot der Engel 2 Mos. 16,4; in diesem Gastmahle des neuen Bundes schenkt uns Gott das himmlische Manna, nämlich seine Gnade, die Vergebung der Sünden, ja seinen Sohn, den Herrn der Engel. Christus ist jenes wahre himmlische Brot, vom Himmel gekommen, um der Welt das Leben zu geben Joh. 6,51. Wer voll ist von dem Futter der Säue, das ist, von den Ergötzlichkeiten dieser Welt, der verlangt nicht nach jener Süßigkeit. Der äußerliche Mensch fasst nicht, was dem innerlichen süß ist: in der Wüste gibt Gott sein Manna, das ist, wo alle irdische Speise, aller irdische Trost der Seele entzogen ist. Die Weiber haben, mochten nicht kommen Luk. 14,20: keusche Jungfrauen, das ist, Seelen, die weder dem Teufel durch die Sünden, noch der Welt durch die Ergötzlichkeiten anhangen, kommen zu diesem Gastmahle. Ich habe euch eine reine Jungfrau einem Manne vertrauet 2 Kor. 11,2, spricht der Apostel: unsere Seele darf nicht dem geistlichen Ehebruche nachhängen, damit Gott mit ihr den geistlichen Ehebund schließen kann. Die von der Lust, auf den Acker hinaus zu gehen und ihn zu besehen, gefesselt wurden, die verschmäheten es zu kommen Luk. 14,18: die die Freuden dieser Welt lieben, sehnen sich nicht nach himmlischer Süßigkeit. Die Sehnsucht ist der Fuß der Seele: unsere Seele gelangt nicht zu diesem geheimnisvollen Gastmahle, wenn sie sich nicht sehnet; die Seele, die voll ist der Tröstung dieser Welt, kann sich nicht sehnen nach himmlischer Süßigkeit. Als der reiche Jüngling hörete Matth. 19,22, um Christi willen müsse der Reichtum, an dem seine Seele hing, verlassen werden, ging er betrübt weg: der himmlische Elisa 2 Kön. 4,4, Christus gießt das Öl der himmlischen Süßigkeit nicht eher ein, als bis zuvor alle Gefäße leer gemacht sind; die Liebe Gottes ziehet nicht eher ein in die Seele, als bis die Eigenliebe und die Weltliebe herausgehet. Wo unser Schatz ist, da ist auch unser Herz Matth. 6,21: wenn du die Welt zum Schatze hast, so ist dein Herz in der Welt. Die Kraft der Liebe ist eine einigende: wenn du die Erde liebst, so bist du der Erde geeiniget. Die Kraft der Liebe ist eine ändernde: wenn du die Welt liebst, wirst du weltlich gesinnt; wenn du den Himmel liebst, wirst du himmlisch. Die Ochsen kaufen und handeln, kommen nicht zu Christus Luk. 14,19. Die mit ihrem Herzen dem Reichtum anhangen Ps. 62,11, die erwerben keine himmlischen Schätze. Der irdische Reichtum füllet unter dem falschen Scheine der Genüge die Sehnsucht der Seele aus, dass sie die wahre Genüge in Gott, welche die Sehnsucht vollkommen stillt, nicht sucht. Aller irdischer Reichtum bestehet in Geschöpfen: in Silber, Gold, Häusern, Grundstücken, Vieh; aber kein Geschöpf kann unsere Seele in Wahrheit sättigen, weil sie vorzüglicher ist als alle Geschöpfe, denn alle sind zu ihrem Dienst geschaffen. Wie unvermögend die Geschöpfe sind, unser Verlangen zu stillen und zu sättigen, das zeigt sich im Tode, in dem wir von allen Geschöpfen verlassen werden. Es ist zu verwundern, dass wir den Geschöpfen so fest anhängen, da diese so unsicher und unbeständig uns anhängen. Da Adam von dem Troste Gottes sich wegwendete und am Baume der Erkenntnis Gutes und Böses Ergötzung suchte 1 Mos. 3,24, ward er aus dem Paradiese getrieben: wenn unsere Seele von Gott abfällt und zu den Geschöpfen sich wendet, wird sie des himmlischen Trostes beraubt und von dem Baume des Lebens völlig verbannt. Was aber bleibt denen, die dieses Gastmahl verachten? Die Welt vergeht 1 Joh. 2,17, und alle, welche ihr anhangen; die Geschöpfe vergehen und alle, welche ihre Hoffnung auf dieselben setzen. Der himmlische Vater versichert es mit einem Eide, dass die sein Abendmahl nicht schmecken werden, die Ochsen, Äcker, Weiber, das ist, die, wer sie auch immer sind, Irdisches der Süßigkeit des himmlischen Gastmahles vorziehen Luk. 14,24. Nach dem Mahle wird keine Speise weiter bereitet: wenn Christus verachtet wird, so gibt es weiter kein Heilmittel. Die Verächter werden mit ewigem Hunger gestraft werden, und in ewiger Finsternis leben; die nicht haben hören wollen, da Christus rief: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid Matth. 11,28, die werden einmal hören, wenn er gebietet: Gehet hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer Matth. 25,41. Die Einwohner Sodoms wurden durch Feuer vertilgt, da sie, durch Lots Predigt zu diesem Gastmahle eingeladen, es verschmäheten zu kommen 1 Mos. 19,24: das Feuer des göttlichen Eifers, das nicht aufhört zu brennen, wird die vertilgen, welche, durch das Evangelium eingeladen dieses Gastmahl verachtet haben. Da der Bräutigam kommt, machen die Jungfrauen, deren Lampen kein Öl mehr hatten, Aufenthalt; unterdeß wird die Tür verschlossen Matth. 25,10: die, deren Herzen von dem Öle des heiligen Geistes in dieser Welt nicht erfüllt worden sind, wird der Herr nicht einlassen zu seiner Freude, sondern es wird ihnen die Tür der Vergebung verschlossen werden, die Tür der Erbarmung, die Tür des Trostes, die Tür der Hoffnung, die Tür der Gnade, die Tür der guten Werke. Es gibt noch eine innere Berufung Christi, selig, wer sie hört! Christus klopfet oft an die Tür unsers Herzens mit heiligen Verlangen, mit demütigen Seufzern, mit frommen Gedanken. Selig, wer dem Anklopfenden auftut! Off. Joh. 3,20. Sobald du ein heiliges Verlangen nach der göttlichen Gnade in deinem Herzen verspürst, so halte gewiss dafür, dass Christus an dein Herz klopft; laß ihn eingehen, damit er nicht vorübergehe, damit er die Tür seiner Barmherzigkeit nicht nachher dir selbst verschließe. Sobald du ein Flämmlein frommer Betrachtungen in deinem Herzen verspürst, so sei gewiss, dass es durch den Eifer der göttlichen Liebe, nämlich des heiligen Geistes angezündet ist; hege und nähre die Flamme, damit sie zum Feuer der Liebe anwachse. Hüte dich, dass du nicht den Geist dämpfest und das Werk Gottes hinderst 1 Thess. 5,19. Wer den Tempel des Herrn zerstöret, der wird sein ernstes Gericht erfahren 1 Kor. 3,17. Der Tempel des Herrn ist unser Herz: der zerstört ihn, welcher sich weigert, dem heiligen Geiste, der innerlich uns durchs Wort beruft, Raum zu geben. Unter dem alten Bunde konnten die Propheten den Herrn in ihrem Innern reden hören 2 Petr. 1,21: unter dem neuen Bunde empfinden alle wahrhaft Fromme jene innerlichen Bewegungen und Züge des heiligen Geistes. Selig alle, welche hören und folgen!
17. VON DEN FRÜCHTEN DER TAUFE.
DIE HEILIGE TAUFE IST EIN BAD.
Sei eingedenk, gläubige Seele, der großen Gnade Gottes, die dir in dem heilsamen Bade der Taufe gegeben worden ist. Die Taufe ist das Bad der Wiedergeburt Tit. 3,5; darum befindet sich der, welcher in das Bad der Taufe getaucht ist, nicht mehr in dem alten Wesen der fleischlichen Geburt, sondern weil aus Gott geboren, nämlich durch das Wasser und den Geist Joh. 3,5, darum ist er auch Gottes Kind, und weil Gottes Kind, darum ist er auch Erbe der ewigen Seligkeit Röm. 8,14-17. Der ewige Vater lässt bei der Taufe Christi diese Stimme hören: Das ist mein lieber Sohn Matth. 3,17; so nimmt er alle, welche glauben und getauft werden, zu Kindern an. Wie bei der Taufe Christi der heilige Geist in Gestalt einer Taube sichtbar ward; so ist er auch bei unserer Taufe da und verleiht ihr Kraft; ja er wird selbst durch die Taufe denen, welche glauben, erteilt, und wirkt in ihnen neue Regungen, dass sie klug sind wie die Schlangen, und ohne Falsch wie die Tauben Matth. 10,16. Wie es bei der Schöpfung war, so verhält sich die Sache auch bei unserer Wiedergeburt. Bei der ersten Schöpfung der Dinge schwebete der Geist Gottes über den Wassern 1 Mos. 1,2 und teilte ihnen belebende Kraft mit: so ist auch im Wasser der Taufe der Geist, und macht dasselbe zum heilsamen Mittel unserer Wiedergeburt. Unser Heiland Christus hat sich wollen taufen lassen, um es gewiss zu machen, dass wir durch die Taufe seine Glieder werden Matth. 3,14.15. Oft wird eine Arznei für das Haupt gegeben, damit andere Glieder des Leibes geheilt werden: unser geistliches Haupt ist Christus, die Arznei der Taufe hat er für das Heil seines geheimnis-vollen Leibes genommen. In der Beschneidung trat Gott in ein Bündnis mit seinem Volke unter dem alten Bunde 1 Mos. 17,11: so werden wir durch die Taufe unter dem neuen Bunde in den Bund Gottes aufgenommen Kol. 2,11, weil die Taufe an die Stelle der Beschneidung getreten ist. Wer daher in Gottes Bunde ist, der braucht sich nicht zu fürchten vor der Anklage des Teufels. In der Taufe wird Christus angezogen Gal. 3,27; daher sagt man von den Heiligen, dass sie ihre Kleider helle gemacht haben in dem Blute des Lammes Off. Joh. 7,11. Die vollkommene Gerechtigkeit Christi ist jenes schönste Kleid; wer mit diesem Kleide angetan ist, der braucht sich nicht zu fürchten vor dem Schaden der Sünde. Es war in Jerusalem beim Schafhause ein Teich Joh. 5, 2 – 4; in diesen stieg zu gewisser Zeit ein Engel und bewegte denselben; wer zuerst nach der Bewegung in denselben hinabstieg, der wurde geheilt, von welcher Krankheit er auch immer befallen war. Das Wasser der Taufe ist jener Teich, welcher von aller Krankheit der Sünden uns heilt, wenn der heilige Geist sich in denselben herablässt, und ihn durch das Blut Christi, der für uns das Opfer geworden ist, bewegt: wie auch einst in jenem Teiche zu Jerusalem die Opfer abgewaschen wurden. Zur Stunde der Taufe Christi ward der Himmel aufgetan Matth. 3,16: so wird auch bei unserer Taufe die Tür des Himmels aufgetan. Bei der Taufe Christi war die ganze hochheilige Dreifaltigkeit anwesend: so ist sie auch anwesend bei unserer Taufe; und so empfängt in jenem Worte der Verheißung, welches dem Elemente des Wassers beigefügt ist, der Glaube die Gnade des Vaters, der uns zu Kindern annimmt, und das Verdienst des Sohnes, der uns rein macht, und die Kraft des heiligen Geistes, der uns wiedergebiert. Pharao und sein ganzes Heer ward verschlungen vom roten Meere, die Israeliten gingen wohl behalten und unversehrt hindurch 2 Mos. 14,28: so wird von der Taufe das ganze Heer der Gebrechen verschlungen, und die Gläubigen gelangen wohl behalten zu dem verheißenen Erbe des himmlischen Reiches. Darum ist die Taufe auch jenes gläserne Meer Off. Joh. 4,6, welches Johannes sah; durch sie dringet, gleichwie durch ein Glas, der Glanz der Sonne der Gerechtigkeit in unsern Geist: es war aber jenes Meer vor dem Thron des Lammes. Der Thron des Lammes ist die Kirche, in der allein die Gnade der heiligen Taufe zu erlangen ist. Der Prophet Ezechiel sah ein Wasser, welches aus dem Tempel floss Ezech. 47,1, welches alles lebendig machte und heilte: im geistlichen Tempel Gottes, das ist, in der Kirche quellen noch hervor die heilsamen Wasser der Taufe, in deren Tiefe unsere Sünden geworfen werden Mich. 7,19; alles wird geheilt werden und leben, zu dem jener Gießbach kommt. Die Taufe ist eine geistliche Sündflut, in der alles Fleisch der Sünde verschlungen wird; der unreine Rabe oder der Teufel entfernt sich, die Taube aber oder der heilige Geist fliegt herzu und bringt das Ölblatt, das ist, haucht den Herzen Frieden und Ruhe ein. Sei also eingedenk, gläubige Seele, vor allem jener Gnade, die dir in der Taufe gegeben worden ist, und sage Gott den schuldigen Dank dafür. Im Übrigen, je reichere Gnade durch die Taufe uns verliehen worden ist, um so sorgfältiger muss die Hut der geschenkten Gaben sein. Wir sind mit Christo begraben durch die Taufe in den Tod, darum, gleichwie Christus ist auferwecket von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln Röm. 6,4. Wir sind gesund geworden; darum sollen wir hinfort nicht mehr sündigen, auf dass uns nicht etwas Ärgeres widerfahre Joh. 5,14: wir haben Christi Gerechtigkeit, das bei weitem herrlichste Kleid angezogen; darum sollen wir es mit den Schandflecken der Sünde nicht verunreinigen. Unser alter Mensch ist gekreuziget und gestorben in der Taufe; also lebe ein neuer Mensch: wir sind wiedergeboren und erneuert im Geiste des Gemüts in der Taufe Eph. 4,23; also herrsche das Fleisch nicht über den Geist. Das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu worden 2 Kor. 5,17; das alte Wesen des Fleisches überwiege darum nicht das neue Wesen des Geistes. Wir sind Gottes Kinder geworden durch die geistliche Wiedergeburt; lasset uns also ein Leben, würdig solches Vaters, führen. Wir sind der Tempel des heiligen Geistes geworden; lasset uns also dem so hohen Gaste eine angenehme Stätte des Aufenthalts bereiten. In den Bund Gottes sind wir aufgenommen; lasset uns also uns hüten, dass wir nicht in den Dienst des Teufels treten, und so aus der Gnade fallen. Wirke du dies alles in uns, o hochgelobte Dreifaltigkeit, einiger Gott, der du so große Gnade in der Taufe gegeben hast, gib auch Beständigkeit in so großer Gnade!
18. VON DEM HEILSAMEN GENUSSE DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI.
DER QUELL DES LEBENS IST DAS FLEISCH CHRISTI.
Wer mein Fleisch isset, und trinket mein Blut, der hat das ewige Leben, spricht Christus Joh. 6,54. Eine überaus große Wohltat unsers Erlösers ist es, dass er nicht bloß unser Fleisch angenommen, und auf den Thron der göttlichen Herrlichkeit erhoben hat, sondern dass er auch mit seinem Leibe und Blute uns weidet zum ewigen Leben. O heilsame Erquickung der Seele! O gesegnetes Gastmahl! O himmlische und engelische Speise! Obgleich die Engel gelüstet in jenes große Geheimnis zu schauen 2 Petr. 1,12, so hat er doch nicht die Engel, sondern den Samen Abrahams angenommen Hebr. 2,16; unser Heiland ist uns verwandter, als den Engeln selbst, weil wir seine Liebe daran erkannt haben, dass er uns von seinem Geiste 1 Joh. 4,13, und nicht bloß von seinem Geiste, sondern auch von seinem Leibe und Blute gegeben hat; denn so spricht die Wahrheit von dem Brote und Weine im Abendmahle: Das ist mein Leib, das ist mein Blut Matth. 26,26. Wie wird der Herr die vergessen können, welche er mit seinem Leibe und Blute genährt hat? Wer das Fleisch Christi isset und trinket sein Blut, der bleibet in Christo, und Christus in ihm Joh. 6,56. Daher setzt es mich nicht in große Verwunderung, dass die Haare auf unserm Haupte gezählt Matth. 10,30, dass unsere Namen im Himmel geschrieben Luk. 10,20, dass wir in die Hände des Herrn gezeichnet sind Jes. 49,16 und dass wir von ihm im Leibe getragen werden und ihm in der Mutter liegen Jes. 46,3: weil wir mit Christi Leib und Blut geweidet werden. Groß fürwahr ist die Würde unserer Seelen, welche mit dem teuren Opfer seiner Erlösung geweidet werden. Groß ist auch die Würde unserer Leiber, welche Zeltbehausungen der durch Christi Leib erlösten, mit Christi Leib gesättigten Seele, Tempel des heiligen Geistes, und Wohnungen der ganzen hochgelobten Dreifaltigkeit sind. Es ist unmöglich, dass sie im Grabe bleiben, da sie mit dem Leibe und Blute unsers Herrn genährt sind. Das ist die bewunderungswürdige Speise: wir essen sie, und verwandeln sie doch nicht in unsern Leib, sondern wir werden in sie verwandelt. Wir sind Christi Glieder, und werden durch seinen Geist belebt, mit seinem Leibe und Blute geweidet. Dies ist das Brot, das vom Himmel kommt, und gibt der Welt das Leben Joh. 6,33; wer von dem isset, den wird nicht hungern in Ewigkeit. Dies ist das Brot der Gnade und Barmherzigkeit, wer das isset, der schmeckt und siehet, wie freundlich der Herr ist Ps. 34,9, und aus seiner Fülle nimmt er Gnade um Gnade Joh. 1,16. Dies ist nicht bloß das lebendige, sondern auch das Leben gebende Brot Joh. 6,58.51; wer davon isset, der wird leben in Ewigkeit. Dies Brot ist vom Himmel gekommen, und ist nicht bloß himmlisch, sondern macht auch die zu himmlischen Gästen, welche es in der rechten Weise und im heiligen Geiste genießen; himmlisch werden sie sein, weil sie nicht sterben, sondern am jüngsten Tage werden auferweckt werden. Sie werden aber auferweckt werden nicht zum Gericht, weil wer von diesem Brote isset, nicht in das Gericht kommt, nicht in die Verdammnis, (weil nichts Verdammliches an denen ist, die in Christo Jesu sind Röm. 8,1), sondern zum Leben und zur Seligkeit. Wer das Fleisch des Menschen Sohns isset, und trinket sein Blut, der hat das Leben in sich, und wird um Christi willen leben Joh. 6,53.57. Deß Fleisch ist die rechte Speise, und deß Blut ist der rechte Trank Joh. 6,55. Darum wollen wir uns sättigen nicht von der Speise unserer Werke, sondern des Herrn; trunken wollen wir werden von den reichen Gütern nicht unsers Hauses, sondern des Herrn Ps. 36,9. Dies ist der wahre Quell des Lebens; wer deß Wassers trinkt, in dem wird’s ein Brunn des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt Joh. 4,14. Alle, die ihr durstig seid, kommt her zu diesem Wasser, und die ihr nicht Geld habt, kommet her, kaufet, esset Jes. 55,1. Die durstig sind, sollen kommen; komm auch du, meine Seele, die du durstig bist, erschöpft von der Angst der Sünden. Wenn das Geld der Verdienste dir fehlt, so eile um so mehr: eile ohne eigenes Verdienst um so sehnlicher zu dem Verdienste Christi. Eile also, und kaufe ohne Geld. Hier ist die Ruhestatt Christi und der Seele, von der laß durch die Sünden dich nicht wegtreiben, und laß auch die Verdienste nicht mit in dieselbe gehen. Und welche könnten denn auch unsere Verdienste sein? Sie zählen Geld dar, da kein Brot ist, und Arbeit, da sie nicht satt von werden können, sagt der Prophet Jes. 55,2. Unsere Arbeiten sättigen nicht, und mit dem Gelde der Verdienste wird die göttliche Gnade nicht erkauft. Höre also, meine Seele, und iss das Gute, und du wirst in Wollust fett werden Jes. 55,2. Jene Worte sind Geist und sind Leben, und Worte des ewigen Lebens Joh. 6,63: Der Kelch, den wir segnen, ist die Gemeinschaft des Blutes Christi; das Brot, das wir brechen, ist die Gemeinschaft des Leibes Christi 1 Kor. 10,16. Wir hängen dem Herrn an, also sind wir ein Geist mit ihm 1 Kor. 6,17. Wir werden ihm vereint, nicht bloß durch die Gemeinschaft der Natur, sondern auch durch die Gemeinschaft seines Leibes und Blutes. Darum sage ich nicht mit den Juden: Wie kann dieser uns sein Fleisch zu essen geben? Joh. 6,52, sondern ich rufe vielmehr aus: Wie hat der Herr sein Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken uns ausgeteilt! Ich bewundere nicht die Macht, ich bewundere aber die Freundlichkeit. Ich forsche nicht nach der Machtvoll-kommenheit, sondern ich verehre die Güte. Ich glaube an die Gegenwart, die Art der Gegenwart weiß ich nicht: ich weiß gewiss, dass sie die engste und innigste ist. Wir sind Glieder seines Leibes, von seinem Fleische, und von seinem Gebeine Eph. 5,30: er wohnt in uns, und wir in ihm. Meine Seele verlangt in das Nachdenken über dieses tiefste Geheimnis versenkt zu werden; sie findet noch nicht Worte, mit denen sie jene Güte aussprechen und darstellen könnte, aber sie betet schweigend an im Anschauen jener höchsten Gnade in dem Herrn, und der Herrlichkeit der Seligen.
19. VON DEM GEHEIMNIS DES MAHLES DES HERRN.
BEWUNDERN, NICHT GRÜBELN, IST WAHRE WEISHEIT.
In dem heiligen Mahle des Herrn wird ein das Innerste erschütterndes und auf alle Weise anbetungswürdiges Geheimnis uns vorgestellt; es ist da der Schatz und die Schatzkammer der göttlichen Gnade. Wir wissen, dass der Baum des Lebens von Gott gepflanzet war, dass seine Frucht unsere Stammeltern in der Seligkeit der anerschaffenen Unsterblichkeit bewahrete; es war aber der Baum der Erkenntnis Gutes und Böses in das Paradies gesetzt, aber gerade das, was zu ihrem Heile und Leben und zur Übung im Gehorsam von Gott gegeben war, ist ihnen die Veranlassung zum Tode und zur Verdammnis gewesen, indem jene Unseligen den Täuschungen des Satan’s und ihren eigenen Lüsten Gehör gaben. Hier ist der wahre Baum des Lebens wieder aufgerichtet, jenes süße Holz, dessen Blätter zur Arznei, dessen Frucht zur Gesundheit dienet Ezech. 47,12. Off. Joh. 22,2: seine Süßigkeit hebt alle Bitterkeit der Übel, ja selbst des Todes auf. Den Israeliten ward das Manna gegeben 2 Mos. 16,15, dass sie mit himmlischer Speise genährt würden; hier ist das wahre Manna, das vom Himmel gekommen ist, damit es der Welt das Leben gäbe; hier ist das himmlische Brot und die engelische Speise: wer davon isset, den wird nimmer mehr hungern Joh. 6,35.51. Die Israeliten hatten die Lade des Zeugnisses und den Gnadenstuhl, wo sie den Herrn reden hören konnten von Mund zu Munde 2 Mos. 25,21.22; hier ist die wahre Lade des Zeugnisses, der allerheiligste Leib Christi, in dem alle Wissenschaften, die Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen liegen Kol. 2,3; hier ist der wahre Gnadenstuhl in Christi Blute Röm. 5,25, welches wirket, dass wir geliebt sind in dem Geliebten Eph. 1,6; und er redet nicht bloß zu uns durch die innerliche Tröstung, sondern er wohnet auch in uns, er speiset uns nicht mit himmlischem Brote, sondern mit sich selbst. Hier ist die wahre Pforte des Himmels und die Leiter der Engel 1 Mos. 28,12.17; denn ist der Himmel größer als der, welcher im Himmel ist? Ist der Himmel Gott inniger geeiniget, als das Fleisch und die angenommene menschliche Natur? Der Himmel ist wohl der Stuhl Gottes Jes. 66,1, aber in der angenommenen Natur Christi ruhet der heilige Geist Jes. 11,2. Gott ist im Himmel, aber in Christo wohnet die Fülle der Gottheit Kol. 2,9. Wahrhaft groß ist dieses untrügliche Unterpfand unsers Heiles: was er Größeres uns hätte geben können, hatte er nicht, denn was ist größer als er selbst? Was ist so eng ihm geeiniget, als seine menschliche Natur, welche in die Gemeinschaft der seligsten Dreifaltigkeit aufgenommen und die Schatzträgerin der himmlischen Güter geworden ist? Was ist so eng ihm verbunden, als Fleisch und Blut? Mit diesen wahrhaft himmlischen Nahrungsmitteln stärkt er uns arme Würmlein, und macht uns teilhaftig seiner Natur, wie nicht auch mit seiner Gnade? Wer hat je sein eigen Fleisch gehasset? Eph. 5,25. Wie also wird uns der Herr verachten können, welche er mit seinem Fleische und Blute weidet? Wie wird er derer vergessen können, denen er das Pfand seines Leibes gegeben hat? Wie wird der Satan uns überwinden können, da wir mit himmlischer Speise gestärkt werden, auf dass wir im Kampfe nicht unterliegen? Christus hält uns wert, weil er uns teuer erkauft hat; er hält uns wert, weil er mit werten und teuern Gaben uns weidet; er hält uns wert, weil wir sein Fleisch und seine Glieder sind Eph. 5,30. Dies ist das einzig sichere Heilkraut aller geistlichen Krankheiten, dies die Arznei der Unsterblichkeit; denn welche Sünde ist so groß, dass sie das heilige Fleisch Gottes nicht sühnte? welche Sünde so groß, dass sie das Leben schaffende Fleisch Christi nicht heilte? was so zum Tode, dass es durch den Tod des Sohnes Gottes nicht weggenommen würde? welche Pfeile des Teufels so Tod bringend, dass sie in diesem Quell der göttlichen Gnade nicht ausgelöscht würden? welche Befleckung des Gewissens so groß, dass sie das Blut nicht abwüsche? Den Israeliten war der Herr in der Wolke und in dem Feuer nahe 2 Mos. 13,21; hier aber ist nicht die Wolke, sondern die Sonne der Gerechtigkeit selbst Mal. 4,2, das Licht unserer Seelen gegenwärtig; hier wird nicht das Feuer des göttlichen Zornes, sondern der Eifer der Liebe empfunden, und er weichet nicht von uns, sondern macht Wohnung bei uns Joh. 14,23. Die ersten Eltern wurden in das Paradies, jenen duftreichsten und lieblichsten Garten, das Vorbild der ewigen Seligkeit eingeführt, dass sie eingedenk der göttlichen Güte ihrem Schöpfer den schuldigen Gehorsam leisteten. Siehe hier ist mehr als Paradies: nämlich mit dem Fleische des Schöpfers wird das Geschöpf gesättigt. Durch das Blut des Sohnes Gottes wird das mit Reue erfüllte Gewissen gereiniget, mit dem Leibe Christi werden die Glieder Christi des Hauptes genährt: mit göttlicher und himmlischer Speise wird die gläubige Seele geweidet. Das heilige Fleisch Gottes, welches in der Einheit der Person die Engel anbeten, die Erzengel verehren, vor dem die Mächte erzittern, das die Gewalten bewundern, das wird unsere geistliche Speise. Der Himmel freue sich und die Erde sei fröhlich Ps. 96,11, mehr aber die gläubige Seele, an die solche und so große Gaben gewendet werden.
20. VON DER ERNSTEN VORBEREITUNG VOR DEM GENUSSE DES HEILIGEN MAHLES.
SEI EIN VORSICHTIGER GAST CHRISTI.
Nicht eine gewöhnliche Speise, auch nicht eines Königs Mahl, sondern das heiligste Geheimnis des Leibes und Blutes Christi wird uns zum Genusse vorgelegt. Daher wird durchaus eine würdige Vorbereitung erfordert, dass wir nicht statt des Lebens den Tod finden, statt der Gnade das Gericht empfangen. Wie ängstlich, wie besorgt ist jener heiligste, durch die Stärke seines Glaubens ausgezeichnete Patriarch 1 Mos. 18,2.3, da der Sohn Gottes in Gestalt des Menschen ihm einst erschien und zuvor verkündigte, dass er Sodom zerstören wolle. Hier wird das Lamm Gottes vorgestellt, nicht zum ansehen, sondern zum schmecken und essen. Da Usia ohne Bedacht zur Lade des Bundes trat, ward er vom Herrn plötzlich mit Aussatz geschlagen 2 Chr. 26,16.19: was Wunder, wenn der, welcher unwürdig von diesem Brote isset, und von diesem Weine trinkt, sich das Gericht isst und trinkt? 1 Kor. 11,29. Denn hier ist die wahre Lade des neuen Bundes, die durch jene alte vorgebildet wurde. Die wahre Vorbereitung aber lehret der Apostel mit diesem einzigen Worte: Der Mensch, spricht er, prüfe sich selbst, und also esse er von diesem Brote 1 Kor. 11,28. Wie aber alle göttliche Prüfung nach der Vorschrift der heiligen Schrift zu vollziehen ist, auf gleiche Weise verhält es sich auch mit der, welche Paulus fordert. Betrachten wir also zuerst unsere Schwachheit. Was ist der Mensch? Staub und Asche: aus der Erde entstehen wir, von der Erde leben wir, in die Erde kehren wir zurück. Was ist der Mensch? Ein stinkender Same, ein Sack des Schmutzes und eine Speise der Würmer. Der Mensch ist geschaffen zur Arbeit, nicht zur Ehre, der Mensch, vom Weibe und darum mit Schuld geboren, lebet kurze Zeit Hiob 14,1, und ist darum voll Unruhe, beladen mit vielem Elend, und darum voll Seufzens, und also in Wahrheit mit vielem Elend beschwert, weil mit Elend des Leibes und der Seele zugleich. Der Mensch weiß nicht seinen Aufgang, weiß nicht seinen Niedergang; wie ein Kraut, das am Tage der Sonnenwende wächst und vergehet, so dauern wir eine kleine Weile, und dieses kurze Leben hat keineswegs geringe Schmerzen und Mühen. Betrachten wir zweitens unsere Unwürdigkeit. Jedes Geschöpf ist im Verhältnis zum Schöpfer ein Schatten, ein Traum, Nichts Ps. 39,7; unbestreitbar auch der Mensch. Aber in mehrfacherer und schwererer Weise ist der Mensch unwürdig: denn er beleidigt seinen Schöpfer durch Sünden. Gott ist an sich und seinem Wesen nach gerecht; an sich und seinem Wesen nach zürnt er also den Sünden. Was sind wir Stoppeln vor jenem verzehrenden Feuer 5 Mos. 4,24. Wie werden unsere im höchsten Grade fleckenvollen Taten Bestand haben? Wie unsere Missetaten, die du vor dich stellest, und unsere unerkannten Sünden, die du in’s Licht stellest vor deinem Angesicht? Ps. 90,9. Unendlich ist Gott und sich immer gleich, von unendlicher Gerechtigkeit und von unendlichem Zorne: wenn in allem seinen Tun, so ist Gott unbestreitbar auch im Zorn, in der Gerechtigkeit und Rache groß und durchaus staunenswürdig. Der seines Sohnes nicht verschonet hat, wird er des Gebildes seiner Hand verschonen? Der des Heiligsten nicht verschonet hat, wird er des unnützen Knechtes verschonen? So sehr hasst Gott die Sünde, dass er sie an den Geliebtesten straft, wie offenbar ist an Luzifer, dem ersten der Engel. Die Prüfung aber richte sich nicht bloß auf uns, sondern auch auf dieses gesegnete Brot, welches die Gemeinschaft des Leibes Christi ist, dann wird der wahre Quell der Gnade, und der unerschöpfliche Brunn der Barmherzigkeit offenbar werden; der Herr wird uns nicht völlig verachten können, die er seines Fleisches teilhaftig macht: denn wer hat je sein eigen Fleisch gehasset? Eph. 5,29. Dieses heilige Mahl wird daher unsere Seelen umgestalten; dieses göttliche Mahl wird uns zu göttlichen Menschen machen, bis wir endlich als Genossen der zukünftigen Seligkeit den ganzen und einigen Gott in uns fassen und Gott ganz ähnlich werden, was wir hier im Glauben und Geheimnis sind, und dort in der Wirklichkeit und ganz offenbar sein werden Kol. 3,3.4. 1 Joh. 3,2. 1 Petr. 1,5. Auch selbst unsere Leiber werden diese Würde erlangen, damit wir in ihnen Gott von Angesicht zu Angesicht schauen können 1 Kor. 13,12, welche jetzt Tempel des heiligen Geistes sind und durch den Leib und das Blut Christi, der in ihnen wohnet, geheiligt und lebendig gemacht werden. Diese heiligste Arznei heilt alle Schäden der Sünden. Dieses lebendig machende Fleisch überwindet jede Sünde, die den Tod gebiert. Dies ist das heiligste Siegel der göttlichen Verheißungen, welches wir bei dem göttlichen Gerichte vorzeigen können. Nachdem dies Pfand uns gegeben ist, können wir uns mit aller Zuversicht des ewigen Lebens rühmen; wenn Christi Leib und Blut uns gespendet werden, so sind uns auch unbestreitbar durch jenen heiligsten Leib und jenes gesegnete Blut alle Wohltaten erworben: wie wird, wer das Geringere gegeben hat, das Größere versagen? Der seinen Sohn uns gegeben hat, wie wird der mit ihm uns nicht alles schenken? Röm. 8,32. Darum freue sich die Braut, denn die Zeit ist nahe, da sie zur Hochzeit des Lammes gerufen werden wird Off. Joh. 19,7; sie lege Schmuck an, nehme ein hochzeitlich Kleid Matth. 22,12, dass sie nicht bloß erfunden werde. Jenes Kleid ist die Gerechtigkeit des Bräutigams, welche wir in der Taufe anziehen: unsere Gerechtigkeit ist weit entfernt, ein hochzeitlich Kleid zu sein, dass es vielmehr ist wie das Kleid eines unreinen Weibes Jes. 64,6. Hüten wir uns also zu jener hochzeitlichen Feier jene abscheulichsten und schmutzigsten Kleider unserer Werke mitzubringen; der Herr gebe uns ein Kleid, dass wir nicht bloß erfunden werden 2 Kor. 5,3.
21. VON DER HIMMELFAHRT CHRISTI.
MIT CHRISTO MÜSSEN WIR GEN HIMMEL FAHREN.
Bedenke, gläubige Seele, die Himmelfahrt deines Bräutigams: Christus hat seine sichtbare Gegenwart seinen Gläubigen entzogen, damit der Glaube sich üben könnte; denn selig sind, die nicht sehen, und doch glauben Joh. 20,29. Wo unser Schatz ist, da sei auch unser Herz Matth. 6,21. Christus, unser Schatz ist im Himmel, den himmlischen Dingen hänge darum unser Herz an, und trachte nach dem, was droben ist Kol. 3,2. Die Braut ersehnt sich die Rückkehr ihres Bräutigams mit dem heißesten Seufzen: so sehne sich die gläubige Seele immer, es möchte der Tag herbeikommen, wo sie zur Hochzeit des Lammes eingeführt werde Off. Joh. 19,7; sie vertraue auf das Pfand des heiligen Geistes, welches ihr der Herr bei seiner Himmelfahrt hinterlassen hat; sie vertraue auf den Leib und das Blut des Herrn, welche sie im Geheimnis des Abendmahles empfängt, und glaube, dass unsere Leiber, welche mit dieser unzerstörbaren Speise gesättiget sind, einst werden auferweckt werden. Was wir hier glauben, werden wir dort schauen, und unsere Hoffnung wird dann Wirklichkeit sein. In fremder Gestalt ist der Herr bei uns, wenn wir wandeln auf dem Wege Luk. 24,15, aber in der Wohnung des himmlischen Vaterlandes werden wir ihn erkennen und schauen. Es hat aber unser Heiland vom Ölberge auffahren wollen Ap. Gesch. 1,12; der Ölbaum ist das Zeichen des Friedens und der Freude, mit Recht also fuhr er auf vom Ölberge, der den erschreckten und erschütterten Gewissen durch seine Leiden Ruhe bereitet hat: mit Recht fährt er auf vom Ölberge, der mit dem größten Jubel der himmlischen Bewohner empfangen wird. Jenes Gebirge ruft uns zum Himmel; lasset uns folgen mit heiligem Verlangen, weil wir mit den Füßen des Leibes nicht folgen können. Mose stieg gleicherweise auf einem Berge hinauf zum Herrn 2 Mos. 19,3; auf einem Berge beteten die Patriarchen an Joh. 4,20; das Gebirge erwählte sich Abraham, Lot aber die Niederung 1 Mos. 13,11. Die gläubige Seele verlasse die Niederung der Welt, wenn sie nach den heiligen Höhen des Himmels mit ihrer Andacht strebt; so wird sie den süßesten Zuspruch Gottes, der innerlich zu ihr redet, empfinden, so wird sie, wenn sie betet, im Geiste Joh. 4,20 anbeten können, so wird sie dem ewigen Streite, welcher der weltlichen Niederung beschieden ist, mit Abraham entgehen können. Bethania bedeutet: Haus der Armut und Anfechtung, durch welches uns der Zugang zum Reiche Gottes offen stehet, wie auch Christus aus dem Hause der Anfechtung zu der himmlischen Freude gedrungen ist Luk. 24,20. Bis hieher schien der Himmel verschlossen und das himmlische Paradies durch ein glänzendes Schwert bewacht, jetzt hat Christus als Sieger den Himmel geöffnet, damit er den Weg zum himmlischen Vaterlande, das wir verlassen hatten, uns zeigte. Die Jünger standen und sahen mit erhobenen Augen gen Himmel, so erheben die wahren Jünger Christi die Augen des Herzens, um das Himmlische zu betrachten. O Herr Jesu, welch ein herrliches Ende ist auf dein Leiden gefolgt! Welch eine selige und plötzliche Änderung ist das! Wie habe ich dich auf dem Kalvarienberge leiden sehen, und wie erblicke ich dich jetzt auf dem Ölberge? Dort warst du allein, hier bist du von vielen Tausenden Engeln begleitet: dort stiegst du an’s Kreuz, hier steigst du in einer Wolke zum Himmel: dort wurdest du gekreuziget mitten unter Straßenräubern, hier frohlockst du unter den Chören der Engel: dort wurdest du mit Nägeln an das Kreuz geheftet und verdammt, hier bist du frei und der Verdammten Befreier: dort sterbend und leidend, hier voll Freude und triumphierend. Christus ist unser Haupt Eph. 5,13, wir sind seine Glieder: darum gläubige Seele, freue dich und sei fröhlich ob der Himmelfahrt deines Hauptes! Die Verherrlichung des Hauptes ist auch die Verherrlichung der Glieder: wo unser Fleisch herrscht, da lasset uns glauben, dass wir herrschen, wo unser Blut die Oberhand hat, da lasset uns hoffen, dass wir mit Ruhm gekrönt sein werden, wenn auch unsere Sünden uns hindern, so ist dem doch die Einigung der Natur nicht entgegen. Wo das Haupt ist, da werden auch die übrigen Glieder sein: unser Haupt ist in den Himmel eingegangen, es haben daher auch die übrigen Glieder den gerechtesten Grund, auf den Himmel zu hoffen, aber nicht bloß das, sondern sie haben auch schon im Himmel Besitz erlangt. Christus kam vom Himmel, uns zu erlösen, er ist wieder aufgefahren gen Himmel, um uns zur Herrlichkeit zu erheben: uns zu Gute ist er geboren, uns zu Gute hat er gelitten, daher ist er auch uns zu Gute aufgefahren. Durch Christi Leiden wird unsere Liebe, durch Christi Auferstehung unser Glaube, durch Christi Himmelfahrt unsere Hoffnung fest gemacht. Unserm Bräutigam aber müssen wir nicht bloß mit glühendem Verlangen folgen, sondern auch mit guten Werken Off. Joh. 21,27. In jene himmlische Bürgerschaft wird nichts Gemeines eingehen; zum Zeichen hierfür sind die Engel aus dem himmlischen Jerusalem gekommen und, mit weißen Kleidern angetan Ap. Gesch. 1,10, erschienen, durch welche die Reinheit und Unschuld bedeutet wird. Mit dem Meister der Demut fährt der Hochmut nicht gen Himmel, noch mit dem Schöpfer der Güte die Bosheit, noch mit dem Freunde des Friedens die Zwietracht, noch mit dem Sohne der Jungfrau die Begierde und die Ausschweifung; die Laster fahren nicht gen Himmel dem Schöpfer der Tugenden nach, noch die Sünden dem Gerechten nach, noch können die Krankheiten gehen hinter dem Arzte. Wer verlangt Gott einst von Angesicht zu schauen, der lebe auch würdig vor seinem Angesicht; wer das Himmlische hofft, der verachte das Irdische. Ziehe unsere Herzen zu dir, lieber Jesu!
22. BELEHRUNG ÜBER DEN HEILIGEN GEIST.
DIE ERWÄHLTEN BESIEGELT GOTT MIT DEM HEILIGEN ANHAUCH.
Als der Herr gen Himmel gefahren und zu seiner Herrlichkeit eingegangen war, sandte er den Seinen am Tage der Pfingsten den heiligen Geist Ap. Gesch. 2,1. Wie Gott unter dem alten Bunde, um das Gesetz auf dem Berge Sinai zu geben, zu Mose herab kam 2 Mos. 19,3, so kam, da das Evangelium durch die Apostel in aller Welt verkündiget werden sollte, der heilige Geist zu den Aposteln herab. Dort geschahen Donner und Blitze und erschütternder Posaunenhall 2 Mos. 19,16, weil das Gesetz gegen unsern Ungehorsam donnert und uns des göttlichen Zornes schuldig zeiht; hier aber das Brausen eines sanft rauschenden Windes, weil die Predigt des Evangeliums die erschrockenen Herzen aufrichtet: dort Entsetzen und Schrecken des ganzen Volkes, weil das Gesetz Zorn anrichtet Röm. 4,15; hier aber kommt die ganze Menge zusammen und hört Wunderbares, weil durch das Evangelium uns der Zugang zu Gott offen stehet: dort kommt Gott im Feuer herab, aber im Feuer des Zornes und Eifers, daher ward der Berg bewegt und rauchte; hier aber kommt Gott der heilige Geist herab im Feuer, aber im Feuer der Liebe und Erbarmung, daher wird das Haus nicht vom göttlichen Zorne bewegt, sondern vielmehr ganz erfüllt von der Herrlichkeit des heiligen Geistes. Was Wunder, wenn der heilige Geist vom Himmel gesandt wird um zu heiligen, da der Sohn gesandt worden ist, das menschliche Geschlecht zu erlösen? Das Leiden Christi nützte nichts, wenn es nicht durch das Evangelium der Welt verkündiget würde; denn welcher Gebrauch ist zu machen von einem verborgenen Schatze? Daher hat der grundgütige Vater eine große Wohltat durch das Leiden des Sohnes nicht bloß bereitet, sondern auch gewollt durch die Sendung des heiligen Geistes, dass sie der ganzen Welt dargeboten werde. Die treue Mutter reicht ihrem zarten Kinde beide Brüste dar: der treue Gott sendet uns Elenden eben sowohl seinen Sohn als auch den heiligen Geist. Der heilige Geist kam aber auf die Apostel, da sie einmütig bei einander waren im Gebet; denn er ist der Geist des Gebetes Sach. 12,10, wird durch Gebet erlangt, und treibt zum Gebete an. Weshalb? Weil er das Band ist, durch das unsere Herzen mit Gott geeiniget werden, wie er den Sohn einiget mit dem Vater, und den Vater mit dem Sohne; denn es bestehet zwischen dem Vater und dem Sohne eine gegenseitige wesentliche Liebe. Diese unsere geistliche Verbindung mit Gott geschiehet durch den Glauben; der Glaube aber, ein Geschenk des Geistes, wird durch Gebet erlangt, aber wahres Gebet geschieht im Geiste. Als im Tempel Salomonis dem Herrn Räuchwerk angezündet wurde, ward der Tempel von der Herrlichkeit des Herrn erfüllt 1 Kön. 8,11: so wird, wenn du die Opfer des Gebetes Gott darbringest, der Tempel deines Herzens erfüllet werden von der Herrlichkeit des heiligen Geistes. Lasst uns hier die Barmherzigkeit und Gnade Gottes bewundern: der Vater verheißt die Erhörung des Gebetes Ps. 50,15, der Sohn vertritt uns Röm. 8,34, der heilige Geist bittet in uns Gal. 4,6, die Engel bringen unser Gebet vor den Herrn Tob. 12,12, und so ist der ganze himmlische Staat unserm Gebete offen. Der barmherzige Gott gibt uns die Stimmung zum Gebet, weil er uns den Geist der Gnaden und des Gebetes schenket; er gibt uns auch den Segen des Gebets, weil er unser Gebet stets erhört, wenn auch nicht nach unserm Willen, so doch wie es uns je und je zum Besten ist. Der heilige Geist kommt, wenn alle einmütig an einem und demselben Orte bei einander sind, er ist ja der Geist der Liebe und der Eintracht; er verbindet uns mit Christo durch den Glauben, er verbindet Gott mit uns durch die Liebe, er einiget auch uns mit dem Nächsten durch die Liebe. Der Teufel, der Schöpfer der Zwietracht und des Haders, trennt uns durch die Sünden von Gott; durch Hass, Streit und Neid trennt er die Menschen von einander; aber der heilige Geist, wie er in Christo die göttliche und menschliche Natur durch seine wunderbare Überschattung verbunden hat Luk. 1,35, so verbindet er auch durch Ausgießung seiner Gaben über uns sowohl die Menschen mit Gott, als Gott mit den Menschen. So lange der heilige Geist mit seiner Gnade und mit seinen Gaben in dem Menschen bleibt, so lange bleibt auch der Mensch geeiniget mit Gott. So bald der Mensch durch die Sünden aus dem Glauben und der Liebe fällt, und den heiligen Geist von sich treibt, so bald wird er auch getrennt von Gott, und jene seligste Einigung aufgehoben. Wer den heiligen Geist hat, der hasset den Bruder nicht. Warum? Weil er durch den heiligen Geist des wunderbaren Leibes Christi, dessen Glieder alle Frommen sind, teilhaftig geworden ist; wer aber hat je sein eigen Fleisch gehasset? Eph. 5,29. Ja auch seine Feinde liebt der, welcher vom Geiste des Herrn regiert wird, weil wer dem Herrn anhanget, ein Geist mit ihm wird 1 Kor. 6,17. Gott lässt ja auch seine Sonne aufgehen über die Guten und über die Bösen Matth. 5,45, und hasset nichts, was er gemacht hat Weish. 11,25. Wer den Geist Gottes hat, der ist geschickt allen zu dienen, der tut, wie seine Pflicht fordert, allen wohl, stellt sich allen zum Dienst, weil auch Gott die Quelle ist allen Erbarmens und aller Gnade gegen alle. Der heilige Geist bringt in dem Menschen aber solche Bewegungen hervor, die ihm ähnlich sind; wie die Seele den Leib belebt und mit Gefühl und Willensäußerung begabt: so macht der Geist den Menschen geistlich; erfüllt das Herz mit der Süßigkeit des göttlichen Trostes, und richtet alle Glieder zu dem Gehorsam ein, den sie Gott und dem Nächsten zu leisten haben.
Vom Himmel ist jenes Brausen gekommen, welches das Zeichen des ankommenden heiligen Geistes war, denn himmlischer Natur ist der heilige Geist, nämlich eines Wesens mit dem Vater und dem Sohne, vom Vater und Sohne gehet er von aller Ewigkeit her aus; er schafft auch, dass die Menschen auf Göttliches denken und das, was droben ist, suchen. Wer dem Irdischen anhanget und mit seiner Liebe der Welt zugetan ist, der ist noch nicht teilhaftig geworden des himmlischen Geistes. Er kommt unter dem Zeichen des Windes, weil er den Angefochtenen lebendigen Trost darreicht; weil wir auch nach dem Fleische durch wechselweises Aus- und Einatmen des Lufthauches leben, darum kam er unter dem Zeichen des Hauches und Windes, welcher aus Gnaden schafft; dass wir leben unserm bessern Teile nach. Der Wind bläset wo er will, und du hörest sein Sausen wohl, aber du weißt nicht, von wannen er kommt und wohin er fähret. Also ist ein jeglicher, der aus dem Geist geboren ist Joh. 3,8. Dem entsprechend kommt er unter dem Zeichen des Windes, welcher vom Vater und Sohne durch ein Hauchen von Ewigkeit her ausgeht. Gewaltig war jener Wind, weil die Gnade des heiligen Geistes nichts weiß von langsamen Wirkungen; jener heilige Geist bewegt die Frommen, in denen er wohnt, zu allem Guten Röm. 8,14, und bewegt sie so, dass sie weder um die Drohungen der Tyrannen, noch um die Nachstellungen des Teufels, noch um den Hass der Welt sich kümmern. Er verleiht den Aposteln die Gabe der Sprachen, weil ihr Schall in alle Lande ausgehen sollte Ps. 19,5, so auch ist die Verwirrung der Sprachen 1 Mos. 11,7, welche die Strafe des Stolzes und der Verwegenheit bei Erbauung des babylonischen Turmes war, aufgehoben, und jene verschiedenen Völker sind so durch die Verschiedenheit der Sprachen zur Einheit des Glaubens durch die Gabe des heiligen Geistes verbunden worden. Dem entsprechend kommt er, von welchem getrieben die heiligen Menschen Gottes geredet haben 2 Petr. 1,21, welcher in den Aposteln geredet hat, welcher die Worte Gottes in den Mund der Diener der Kirche legt, unter der Gestalt der Zungen. Für so große Gaben ist der heilige Geist zu loben und zu preisen mit dem Vater und dem Sohne in Ewigkeit!
23. VON DER WÜRDE DER KIRCHE.
DIE KIRCHE IST DIE BRAUT CHRISTI.
Bedenke, andächtige Seele, welch eine Wohltat dir Gott erwiesen, weil er dich zur Gemeinschaft seiner Kirche berufen hat. Eine ist meine Geliebte, spricht der Bräutigam im hohen Liede 6,8: ja eine, weil nur eine wahre und rechtgläubige Kirche die geliebte Braut Christi ist. Außer dem Leibe Christi ist der Geist Christi nicht; wer aber Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein Röm. 8,9; wer Christi nicht ist, der kann auch des ewigen Lebens nicht teilhaftig werden. Außer der Arche Noah’s mussten alle in der Sündflut untergehen 1 Mos. 7,21: außer der geistlichen Arche der Kirche geraten alle in das ewige Verderben. Der wird Gott nicht zum Vater haben im Himmel, der auf dieser Erde die Kirche nicht zur Mutter gehabt hat. Bedenke, andächtige Seele, dass an jedem Tage viele Tausend Seelen hinab zur Hölle fahren, darum, weil sie außer dem Schoße der Kirche sind: von diesen hat nicht die Natur dich ausgesondert, sondern die lautere Gnade des barmherzigen Gottes. Als Ägypten in dicke Finsternis gehüllt wurde, war es nur bei den Kindern Israel licht 2 Mos. 10,22.23: so ist nur die Kirche das Licht der göttlichen Erkenntnis. Die außer der Kirche sind, die gehen von der Finsternis der Unwissenheit in dem gegenwärtigen Leben über zu der Finsternis der ewigen Verdammnis in dem zukünftigen Leben: wer nicht ein Teil ist der streitenden Kirche, der wird auch kein Teil der triumphierenden Kirche sein; Folgende sind eng mit einander verbunden: Gott, das Wort, der Glaube, Christus, die Kirche und das ewige Leben. Die heilige Kirche Gottes ist Mutter, Jungfrau und Braut. Mutter ist sie, weil sie Gott täglich geistliche Kinder gebiert; Jungfrau ist sie, weil sie von den Berührungen des Teufels und der Welt sich rein bewahret; Braut ist sie, weil sich Christus durch einen ewigen Bund mit ihr verlobt und ihr das Pfand des Geistes gegeben hat. Die Kirche ist das Schiff Matth. 8,23, welches Christum und seine Jünger trägt, und uns endlich in den Hafen der ewigen Seligkeit geleitet: die Kirche, ausgerüstet mit dem Steuerruder des Glaubens, schifft im glücklichen Laufe über das Meer dieser Welt, indem sie Gott zum Steuermann und die Engel zu Ruderern hat und die Scharen aller Heiligen trägt. In ihrer Mitte stehet der Baum des selig machenden Kreuzes errichtet, an dem die Segel des evangelischen Glaubens ausgespannt sind, durch die sie unter dem Wehen des heiligen Geistes zur Sicherheit der ewigen Ruhe geführt wird. Die Kirche ist jener Weinberg Matth. 21,33. Jes. 5,2, den Gott auf dem Acker dieser Welt gepflanzet, mit seinem Blute getränkt, den er mit dem Schutze der Engel als mit einem Zaune umgeben, in dem er die Kelter des Leidens errichtet, aus dem er die Steine und Anstöße entfernt hat. Die Kirche ist jenes Weib mit der Sonne bekleidet Off. Joh. 12,1, weil sie Christi Gerechtigkeit angezogen hat; den Mond hat sie unter ihren Füßen, weil sie das Irdische, das mannigfachen Wandlungen unterworfen ist, verachtet. Betrachte, andächtige Seele, diese höchste Würde der Kirche und bringe Gott den schuldigen Dank. Groß sind zwar die Wohltaten Gottes in der Kirche, aber sie sind nicht allen zugänglich; sie ist ein verschlossener Garten und ein versiegelter Born Hohel. 4,12; niemand bekommt die Schönheit des verschlossenen Gartens zu sehen, außer wer in ihm ist: so auch erkennt keiner diese höchsten Wohltaten in der Kirche, außer wer selbst in ihr ist. Äußerlich ist diese Braut Christi schwarz, aber innerlich gar lieblich Hohel. 1,5, denn des Königs Tochter ist ganz herrlich inwendig Ps. 45,14. Dieses Schiff wird von mannigfachen Stürmen der Verfolgungen erschüttert Matth. 8,24; dieser Weinberg wird durch’s Anbinden erhöhet, und durch’s Reinigen vermehrt Joh. 15,2; diesem Weibe bereitet selbst der höllische Drache auf mannigfache Weise Nachstellungen Off. Joh. 12,7. Die Kirche ist eine schöne Lilie, aber doch unter Dornen Hohel. 2,1. Die Kirche ist ein sehr schöner Garten, aber wenn der Nordostwind der Anfechtungen ihn durchweht, dann erst brechen seine Wohlgerüche in Fülle hervor. Die Kirche ist die Tochter Gottes, aber der Welt im hohen Grade verhasst; sie wartet auf ihr himmlisches Erbteil, daher ist sie genötiget in dieser Welt ein Pilger zu sein; in der Pilgerschaft wird sie gedrückt, im Drucke schweigt sie, im Schweigen ist sie tapfer, in der Tapferkeit siegt sie. Die Kirche ist eine geistliche Mutter, aber sie muss unter dem Kreuze stehen Joh. 19,25, wie auch Maria, von der Christus in diese Welt geboren ward, unter dem Kreuze stand. Die Kirche ist ein Palmbaum, weil sie unter der Last der Anfechtungen und Versuchungen mehr wächst. Bedenke, andächtige Seele, die Würde der Kirche, und hüte dich, etwas zu tun, was ihrer unwürdig ist. Eine Mutter ist die Kirche, hüte dich also, dass du ihre Stimme nicht verachtest: eine Mutter ist sie, darum musst du immer an ihren Brüsten hangen. Die Brüste der Kirche sind das Wort und die Sakramente. Eine Jungfrau ist die Kirche; wenn du also ein wahrer Sohn derselben bist, so enthalte dich von den Berührungen der Welt. Du bist ein Glied der Jungfrau Kirche; siehe zu, dass du nicht die jungfräulichen Glieder schändest, und mit dem Teufel durch Sünden Hurerei treibst. Die Braut Christi ist die Kirche und jede demütige Seele; darum hüte sie sich, dass sie nicht dem Satan anhange. Die Braut Christi bist du; siehe zu, dass du nicht das Pfand des heiligen Geistes, das dir verliehen ist, verlierest. Die Braut Christi bist du; bitte mit unablässigem Flehen, dass der Bräutigam herzu eile und dich zur himmlischen Hochzeit einführe. Der Bräutigam wird aber kommen in der Nacht der Sicherheit Matth. 25,10; wache darum, dass, wenn der Bräutigam kommt, er dich nicht schlafend findet, und die Tür der ewigen Seligkeit dir nicht verschließet; laß das Öl deines Glaubens leuchten, auf dass du nicht bei der Ankunft des Bräutigams vergebens dich darnach umsehen müssest. Du fährest in dem Schiffe; siehe zu, dass du nicht in das Meer der Welt dich stürzest, bevor du an den Hafen gelangt bist: du fährst in dem Schiffe Matth. 8,25; bitte, dass du nicht von den Stürmen der Anfechtungen und von den Fluten der Versuchungen dahin gerafft werdest. In den Weinberg des Herrn bist du gerufen Matth. 20,1; siehe zu, dass du treulich deine Arbeit tuest: die Betrachtung des Groschen verringere die Mühen des Tages. Du bist der Weinberg des Herrn; wirf die unnützen Reben weg, die unfruchtbaren Werke des Fleisches, halte die ganze Lebenszeit für eine Zeit der Reinigung. Du bist ein Rebe an dem wahren Weinstock Christus Joh. 15,1; siehe zu, dass du in ihm bleibest und viel Frucht bringst Joh. 15,5, denn den Reben, der nicht Frucht bringet, wird der himmlische Weingärtner wegnehmen, und den, der Frucht bringet, wird er reinigen, dass er mehr Frucht bringe. Du hast Christum durch den Glauben angezogen Gal. 3,27, und bist bekleidet mit dieser Sonne der Gerechtigkeit Mal. 4,2; siehe zu, dass du den Mond Off. Joh. 12,1, das ist, alles Irdische unter die Füße bekommst, und alle Güter im Vergleich zu den ewigen gering achtest. O lieber Jesu, der du uns in die streitende Kirche geführt hast, bringe uns einst auch zu der triumphierenden!
24. BETRACHTUNG ÜBER DIE VORHERBESTIMMUNG.
IN CHRISTO IST DIE ERWÄHLUNG GESCHEHEN.
Andächtige Seele, so oft du zum Nachdenken über deine Vorherbestimmung dich anschickst, so siehe auf Christum, der das Kreuz erduldet, für der ganzen Welt Sünden stirbt, und um unserer Gerechtigkeit willen aufersteht Röm. 4,25. Fange von Christo an, da er in der Krippe liegt; so erst wird die Betrachtung über deine Vorherbestimmung in der rechten Ordnung ihren Verlauf nehmen. Gott hat uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war Eph. 1,4, aber doch ist die Erwählung in Christo geschehen. Bist du daher in Christo, so zweifle nicht, dass auch auf dich die Erwählung sich beziehe. Hängest du mit fester Zuversicht des Herzens Christo an, so zweifle nicht, dass du in der Zahl der Erwählten dich befindest. Willst du von vorn herein und außerhalb des Weges, den das Wort dir vorzeichnet, die Tiefe der Vorherbestimmung erforschen, so stehet sehr zu fürchten, dass du in die Tiefe der Verzweiflung geratest. Außer Christo ist Gott ein verzehrend Feuer 5 Mos. 4,24; hüte dich also, dass du dich diesem Feuer nicht nahest, damit du nicht verzehret werdest. Außer der Genugtuung Christi klagt Gott alle durch die Stimme seines Gesetzes an, verdammt er alle; hüte dich also, dass du nicht aus dem Gesetze das Geheimnis der Vorherbestimmung schöpfest. Forsche nicht nach allen Gründen der göttlichen Ratschlüsse, damit deine Gedanken dich nicht in große Irre führen: Gott wohnet in einem Licht, da niemand zukommen kann 1 Tim. 6,16; unterfange dich nicht, ohne Bedacht zu ihm zu nahen. Aber doch hat Gott das Licht des Evangeliums uns geoffenbaret; in diesem wirst du die Lehre dieses Geheimnisses sicher erforschen können, in diesem Lichte wirst du das wahre Licht sehen Ps. 36,10. Verlaß die Tiefe dieses ewigen und von Ewigkeit her geschehenen Ratschlusses, und wende dich zu der Klarheit der in der Zeit geschehenen Offenbarung. Die Rechtfertigung, die in der Zeit geschehen ist, ist der Spiegel der Erwählung, die ohne Zeit geschehen ist. Erkenne aus dem Gesetze den Zorn Gottes wegen der Sünden, und tue Buße; erkenne aus dem Evangelio die Erbarmung Gottes wegen des Verdienstes Christi, und eigne sie dir zu kraft des Glaubens; erkenne das Wesen des Glaubens, und beweise ihn durch frommes Leben; erkenne im Kreuz eine väterliche Züchtigung, und trage es durch Geduld: dann erst fange an dich mit der Lehre von der Vorherbestimmung zu beschäftigen. Diesen Lehrgang empfiehlt der Apostel; diesem Lehrgange folge der wahre Schüler des Apostels. Drei Stücke sind es, auf die in diesem Geheimnisse zu achten ist: die Erbarmung des liebenden Gottes, das Verdienst des leidenden Christus, die Gnade des durch das Evangelium berufenden heiligen Geistes. Die Erbarmung Gottes ist eine allgemeine, denn er hat die ganze Welt geliebt Joh. 3,16; die Erde ist voll der Güte des Herrn Ps. 33,6, ja sie ist größer als Himmel und Erde, denn sie ist so groß wie Gott selbst Sir. 2,23, weil Gott die Liebe ist 1 Joh. 4,16. Er hat selbst in seinem Wort bezeugt Ezech. 33,11, dass er keines Menschen Tod will: wäre das noch zu wenig, so hat er es auch mit einem Eid bekräftigt: kannst du Gott nicht glauben, wenn er verheißt, so glaube ihm wenigstens, wenn er um deines Heils willen schwört. Er heißt der Vater der Barmherzigkeit 2 Kor. 1,3, weil es zu seinem Wesen gehört sich erbarmen und schonen. Die Ursache und den Anlass zum Erbarmen schöpft er aus seinem Eigenen, zum Richten oder Rächen mehr aus dem Fremden, so dass bei weitem anders aus seinem Herzen die Erbarmung als die Strafe hervorzugehen scheint. Ein allgemeines ist auch das Verdienst Christi, weil er für der ganzen Welt Sünde gelitten hat 1 Joh. 2,2. Was könnte also von der Barmherzigkeit Gottes klarer zeugen, als dass er uns geliebt hat, da wir noch nicht waren, weil unsere Erschaffung das Werk seiner Liebe ist. Er hat uns noch obenein geliebt Röm. 5,8, da wir Feinde waren, weil es das Werk seiner Liebe ist, dass er uns seinen Sohn zum Heiland gegeben hat. Zu dem Sünder, der zu ewigen Qualen verurteilt ist und nicht hat, womit er sich erlöse, spricht Gott, der Vater: Nimm hin meinen Eingeborenen und gib ihn an deiner Statt; der Sohn selbst spricht: Nimm mich, und erkaufe dich. Eine Blume des Feldes Hohel. 2,1, und nicht eine Blume des Gartens ist Christus, weil der Wohlgeruch seiner Gnade nicht etlichen unzugänglich, sondern allen zugänglich ist; und, damit du nicht an der Allgemeinheit seines Verdienstes zweifeln möchtest, bat der leidende Christus für die, welche ihn kreuzigten Luk. 23,34, und vergoss sein Blut für die, welche selbst sein Blut vergossen. Allgemein sind auch die Verheißungen des Evangelii, weil Christus zu allen spricht: Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid Matth. 11,28. Was für alle geleistet ist, das wird auch allen angeboten. So weit du diese Güter kraft des Glaubens dir zu eigen machst, so weit wirst du sie besitzen. Gott versagt niemandem seine Gnade, außer wer sich selbst derselben unwert achtet. Betrachte daher, gläubige Seele, diese drei Grundpfeiler der Vorherbestimmung, und stütze dich auf sie mit festem Vertrauen deines Herzens. Betrachte die früheren Wohltaten der göttlichen Barmherzigkeit, und du wirst über die beharrliche Dauer derselben nicht zweifeln. Da du noch nicht warest, hat dich Gott geschaffen; da du durch Adams Fall verurteilt warest, hat er dich erlöst. Da du außer der Kirche in der Welt lebtest, hat er dich berufen; da du in Unwissenheit warest, hat er dich unterwiesen; da du in der Irre gingst, hat er dich herum geholt; da du sündigtest, hat er dich zurecht gewiesen; da du standest, hat er dich gehalten; da du fielest, hat er dich aufgerichtet; da du gingst, hat er dich geleitet; da du zu ihm kamst, hat er dich aufgenommen. Im Warten offenbarte sich bei allem dem seine Langmut, im Vergeben seine Freundlichkeit. Die Barmherzigkeit Gottes ist dir zuvor gekommen, hoffe, dass sie dir auch folgen werde Ps. 23,6. Die Barmherzigkeit Gottes ist dir zuvor gekommen, damit du geheilt werdest; sie wird dir auch folgen, damit du verherrlicht werdest; sie ist dir zuvor gekommen, damit du fromm lebest, sie wird dir auch folgen, damit du in Ewigkeit mit ihm lebest. Warum bist du, da du fielst, nicht zu Grunde gegangen? Wer hat die Hand untergehalten? Wer als der Herr? Baue daher auch in’s Künftige auf die Barmherzigkeit Gottes, und hoffe fest auf das Ende des Glaubens, die ewige Seligkeit 1 Petr. 1,9. Denn in welchen Händen könnte der Grund deiner Seligkeit sicherer ruhen, als in denen, welche Himmel und Erde gemacht haben Jes. 66,2, in denen, welche nie zu kurz werden Jes. 59,1, in denen, welche voll sind des innigsten Erbarmens, und sich auftun dasselbe sich ausbreiten zu lassen? Bedenke aber auch, andächtige Seele, dass wir von Gott erwählt sind, damit wir heilig und unsträflich seien Eph. 1,4. Bei welchen daher die Übung des heiligen Lebens nicht gefunden wird, auf die erstreckt sich auch nicht die Wohltat der Erwählung. Erwählt sind wir in Christo Eph. 1,4, in Christo sind wir durch den Glauben, der Glaube erweist sich durch die Liebe Gal. 5,6: wo also keine Liebe ist, da ist auch kein Glaube, wo kein Glaube ist, da ist auch Christus nicht; wo Christus nicht ist, da ist auch keine Erwählung. Der feste Grund Gottes bestehet zwar und hat dies Siegel: der Herr kennet die Seinen, aber es trete auch ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennt 2Tim. 2,19. Die Schafe Christi wird niemand aus seiner Hand reißen Joh. 10,27.28, aber die Schafe Christi müssen auch seine Stimme hören. Wir sind Gottes Haus Hebr. 3,6, aber das Vertrauen und den Ruhm der Hoffnung müssen wir bis an’s Ende fest behalten. O Herr, der du das Wollen gegeben hast, gib auch das Vollbringen! Phil. 2,13.
25. VON DER HEILSAMEN KRAFT DES GEBETS.
DIE SEUFZER DRINGEN DURCH DEN HIMMEL.
Das ist eine der größten Wohltaten Gottes, dass er verlangt, wir sollen vertrauensvoll mit frommem Gebete ihn anreden. Er schenkt die Lust zum Gebete, er gibt auch den Segen des Gebets. Groß ist die Kraft des Gebetes, das auf Erden ausgesprochen wird, aber im Himmel wirkt. Das Gebet des Gerechten ist der Schlüssel zum Himmel Jak. 5,16; die Bitte steigt auf, und die Gnade Gottes kommt hernieder: das Gebet ist der Schild des Heils, von dem alle Pfeile des Feindes abprallen Eph. 6,16. Da Mose seine Hände empor hielt, siegte Israel über Amalek 2 Mos. 17,11; wenn du deine Hände zum Himmel empor hältst, so wird der Satan dich nicht überwinden. Wie vor dem Feinde eine Mauer gezogen wird, so wird der Zorn Gottes durch das Gebet der Heiligen besänftiget. Unser Heiland betete selbst, nicht aus irgend welcher Notwendigkeit, sondern um uns die Würde des Gebetes zu empfehlen. Das Gebet ist das unerlässliche Zeichen unserer Unterwürfigkeit, weil Gott uns gebietet, wir sollen ihm täglich das Gebet gleichwie ein geistliches Opfer darbringen; es ist die Leiter, auf der wir in den Himmel steigen, weil das Gebet nichts anders ist als ein Pilgern unsers Geistes zu Gott; es ist der Schild, damit wir uns verteidigen, weil die Seele des Menschen, der im Gebete lebt, sicher ist vor den Verführungen der bösen Geister; es ist der Bote einer vertrauensvollen Gesandtschaft, weil das Gebet zum Throne Gottes aufsteigt und ihn anspricht um die nötige Hilfe. Dieser Bote verfehlt sein Ziel nie, denn Gott erhört uns immer, wenn auch nicht nach unserm Willen, doch zu unserm Nutzen und Heil. Eines von beiden können wir unzweifelhaft hoffen: entweder er wird das uns geben, was wir bitten, oder das, was er als zuträglicher kennt. Gott hat seinen Sohn, jene preiswürdigste Gabe ungebeten gegeben, was wird er gebeten tun? Wir können weder an des Vaters Erhörung, noch an des Sohnes Fürbitte zweifeln; in jeder Angelegenheit gehe mit Mose durch Gebet in die Stiftshütte, Gott um Rat zu fragen, und du wirst bald die göttliche Antwort vernehmen. Da Christus betete, ward seine Gestalt anders Luk. 9,29; so gehen im Gebete mit der Seele große Änderungen vor, weil das Gebet das Licht der Seele ist und häufig den, welchen es der Verzweiflung nahe sieht, voll Jauchzens macht. Mit welchem Rechte betrachtest du die Sonne, wenn du nicht zuvor deine Knie vor dem gebeugt hast, der jenes freundlichste Licht deinen Augen gibt? Nach welchem Vertrag genießest du deine Nahrung, wenn du nicht zuvor den angebetet hast, der so viel Gutes dir reichlich schenkt und fort und fort darreicht? Mit welchem Vertrauen wirst du dich selbst der Nachtzeit überlassen, wenn du nicht zuvor durch’s Gebet wie mit einer Mauer dich umgeben hast? Welchen Segen wirst du von deinen Arbeiten erwarten können, wenn du nicht zuvor den angebetet hast, ohne den alle Arbeit umsonst ist? Wenn du also geistliche oder leibliche Gaben begehrst, so bete, und du wirst nehmen Matth. 7,7; wenn du nach Christo verlangest, so suche ihn durch Gebet, und du wirst finden; wenn du dich sehnest, dass dir die Tür der göttlichen Gnade und der ewigen Seligkeit geöffnet werden möge, so klopfe an durch Gebet, und es wird dir aufgetan werden; wenn in der Wüste dieser Welt die Hitze der Versuchungen und der Mangel an geistlichen Gütern dich anficht, so tritt anbetend hinzu zu dem geistlichen Fels, welcher ist Christus 1 Kor. 10,4, und rühre ihn an mit der Rute des Gebetes, und du wirst inne werden, dass die Ströme der göttlichen Gnade den Durst deines Mangels löschen. Willst du ein Gott wohlgefälliges Opfer bringen? Opfere Gebet; Gott wird den lieblichen Geruch riechen 1 Mos. 8,21, und sein Zorn wird ablassen. Willst du ohne Unterlass mit Gott Umgang haben? Liebe das Gebet, denn das ist die geistliche Unterredung Gottes und der andächtigen Seele. Willst du schmecken, wie freundlich der Herr ist? Ps. 34,9. Lade durch’s Gebet den Herrn ein zur Einkehr in dein Herz. Das Gebet gefällt Gott wohl, aber es muss die erforderlichen Eigenschaften haben; wer erhörlich beten will, der bete weise, brünstig, demütig, aufrichtig, anhaltend und zuversichtlich. Er bete weise, damit er nämlich um das bete, was der Herrlichkeit Gottes und dem Heile der Nächsten entsprechend ist. Gott ist allmächtig, also bestimme ihm in deinen Bitten kein Maß; er ist allweise, also schreibe ihm keine Fügung vor. Laß deine Bitten nicht ohne Bedacht aus deinem Herzen und Munde hervorbrechen, sondern den Glauben ihnen vorangehen und diesem sie folgen, der Glaube aber richtet sich nach dem Worte: was also Gott im Worte unbedingt verheißt, das bitte unbedingt; was er aber bedingt verheißt, wie das Zeitliche, das bitte gleicherweise bedingt; was er gar nicht verheißt, das bitte auch gar nicht: oft gibt Gott im Zorn, was er in Gnaden versagt. Folge daher Christo nach, welcher seinen Willen Gott völlig unterordnet Matth. 26,39.42.44. Bete brünstig; denn wie kannst du verlangen, dass Gott dich hört, wenn du dich selbst nicht hörst? Willst du, Gott solle deiner eingedenk sein, da du deiner selbst nicht eingedenk bist? Wenn du beten willst, so gehe in dein Kämmerlein, und schließ die Tür zu Matth. 6,6. Das Kämmerlein ist dein Herz; in das musst du gehen, wenn du beten willst, wie sich’s gebührt. Die Tür desselben musst du zuschließen, damit die Gedanken an weltliche Geschäfte dich nicht stören können. Stimmen, die zu Gottes Ohren dringen, sind nur die Bewegungen des Gemütes. Die Seele muss von der Inbrunst des Gedankens so bewegt sein, dass diese bei weitem alles übertrifft, was die Sprache auszudrücken vermag, das heißt im Geiste und in der Wahrheit anbeten Joh. 4,23, wie es der Herr verlangt. Christus betete auf einem Berge Luk. 6,12, und hob seine Augen auf gen Himmel Joh. 17,1: so müssen wir unsere Seele von allen Geschöpfen abwenden und hinan zu Gott richten. Du beleidigest Gott, wenn du ihn bittest, er solle auf dich merken, und merkest aber selbst nicht auf dich. Wir können ohne Unterlass beten, wenn wir im Geiste beten 1 Thess. 5,17, dass unsere Seele immer mit heiligem Verlangen zu Gott wacht. Es ist nicht immer nötig, dass wir zu Gott rufen, weil er auch die Seufzer des Herzens hört Ps. 38,10, da er in den Herzen der Frommen wohnt. Es bedarf nicht immer vieler Worte, weil er auch in unsern Gedanken ist; zuweilen ist ein einziger Seufzer, von dem heiligen Geiste geweckt und im Geiste Gott dargebracht, Gott angenehmer als das geläufige Hersagen von Bitten, wobei die Zunge redet, aber das Herz völlig stumm ist. Bete demütig, dass du nicht von deinem Verdienste, sondern nur von der Gnade Gottes redest. Wenn unsere Bitten auf unsere Würdigkeit sich stützen, so sind sie verworfen, wenn auch das Herz vor Andacht Blut schwitzte. Niemand gefällt Gott, außer in Christo; darum betet auch niemand recht, außer durch Christum und um Christi willen. Die Opfer gefielen Gott nicht, welche nicht auf jenem einzigen Altare der Stiftshütte dargebracht wurden 5 Mos. 12,4.5: das Gebet gefällt Gott nicht, welches nicht auf diesem einzigen Altare, in Christo, dargebracht wird. Den Israeliten war die Erhörung des Gebets verheißen, wenn sie mit nach Jerusalem gewendetem Angesicht beteten 1 Kön. 8,44.45; so lasset uns bei unserm Gebete unser Angesicht zu Christo wenden, der der Tempel der Gottheit ist Joh. 2,19.21. Da Christus in seinem Leiden zum Gebet sich anschickt, wirft er sich nieder auf die Erde Mark. 14,35. Siehe, wie jene heiligste Seele sich demütigt vor der göttlichen Majestät! Wer betet, der bete aufrichtig, dass er sich darbeut, alle Freude zu entbehren und alle Strafe zu erdulden; je zeitiger einer betet, desto zuträglicher; je häufiger, desto gesegneter; je ernstlicher, desto wohlgefälliger Gott. Wer betet, der bete anhaltend, weil, wenn Gott die Gabe länger verzieht, er die Gaben empfiehlt, nicht versagt: wonach man länger sich hat sehnen müssen, das ist um so süßer, wenn man es hat. Wer betet, der bete zuversichtlich, dass er nämlich bittet im Glauben, und zweifelt nicht. O freundlichster Gott, der du uns beten geheißen hast, gib, dass wir auch recht beten!
26. VON DER HUT DER HEILIGEN ENGEL.
DEN HEILIGEN STEHET DER HEILIGE ENGEL ZUR SEITE.
Bedenke, andächtige Seele, wie groß die göttliche Gnade ist, dass die Hut der Engel dir bestimmt ist! Der himmlische Vater sendet seinen Sohn, uns zu erlösen; der Sohn Gottes kommt in’s Fleisch, uns selig zu machen; der Geist wird gesandt, uns zu heiligen; die Engel werden gesandt, uns zu behüten; so stellt sich also das ganze himmlische Reich gleichsam in unsern Dienst, und leitet seine Segnungen auf uns über. Ich wundere mich nicht mehr, dass alle niedereren Geschöpfe um des Menschen willen geschaffen sind, da selbst die Engel, welche an Würde viel höhere Wesen sind, ihre Dienste uns nicht versagen. Was Wunder, dass der Himmel uns das Licht gibt am Tage, damit wir arbeiten, das Dunkel in der Nacht, damit wir ruhen, da selbst die Bewohner des himmlischen Reichs uns dienen? Was Wunder, dass die Luft uns zuführt, was wir zum Leben einatmen, und alle Gattung der Vögel uns zum Dienst stellt, da die himmlischen Geister über die Bewahrung unsers Lebens wachen? Was Wunder, dass das Wasser den Trank gibt, den Schmutz reinigt, das Dürre vor dem Verschmachten sichert und mancherlei Arten Fische darreicht, da uns, wenn wir von der Hitze der Trübsale und Anfechtungen ermüdet sind, selbst die Engel zur Seite sind, um uns zu erquicken? Was Wunder, dass die Erde uns trägt, mit Brot und Wein nährt, mit allen Arten von Früchten und Tieren unsere Tische besetzt, da die Engel den Auftrag haben, auf allen Wegen uns zu behüten, und auf den Händen zu tragen, damit nicht etwa unser Fuß an einen Stein stoße? Ps. 91,11.12. Hebr. 1,14. Die heiligen Engel waren besorgt um Christus, weil der Engel seine Empfängnis ankündigt Luk. 1,31, der Engel seine Geburt kund macht Luk. 2,9.10.11, der Engel seine Flucht nach Ägypten anordnet Matth. 2,13. Die Engel dienen ihm in der Wüste Matth. 4,11, die Engel sind um ihn während dem ganzen Geschäft seiner Predigt, der Engel ist bei ihm im Kampfe mit dem Tode Luk. 22,43, der Engel erscheint bei seiner Auferstehung Matth. 28,2.5, die Engel sind da bei seiner Auffahrt gen Himmel Ap. Gesch. 1,10; die Engel werden da sein bei seiner dereinstigen Wiederkunft zum Gericht. Matth. 25,31. Wie daher die Engel Christo gedient haben in den Tagen seines Fleisches, so sind sie auch um alle die besorgt, welche durch den Glauben Christo einverleibt sind: wie sie dem Haupte gedient haben, gleicherweise dienen sie auch den Gliedern; sie freuen sich, denen auf Erden zu dienen, welche sie einst im Himmel zu Genossen haben werden; sie verschmähen es nicht, denen zu dienen, auf deren lieblichste Genossenschaft sie dereinst hoffen. Dem Jakob begegnen auf dem Wege in sein Vaterland die Engel Gottes 1 Mos. 32,1: so werden den Frommen in diesem Leben, welches der Weg zum himmlischen Vaterlande ist, die Engel zu Hütern beigegeben. Den Daniel behüten die Engel mitten unter den Löwen Dan. 6,22: so stellen sie alle Frommen sicher vor den Nachstellungen des höllischen Löwen. Den Lot entreißen die Engel dem Untergange Sodoms durch’s Feuer 1 Mos. 19,15: so reißen sie uns durch heilige Eingebungen und Beschirmungen gegen die teuflischen Versuchungen oft aus den Flammen der Hölle. Die Seele des Lazarus tragen die Engel in Abrahams Schoß Luk. 16,22: so bringen sie die Seelen aller Auserwählten in den Palast des himmlischen Reichs. Den Petrus führt der Engel aus dem Gefängnis Ap. Gesch. 12,7: so errettet er die Frommen oft aus den augenscheinlichsten Gefahren. Die Macht unsers Widersachers, des Teufels, ist zwar groß, aber es ermutige uns die Hut der Engel: und zweifle du nicht, dass diese in allen Gefahren als Helfer um dich sind, weil die Schrift sie uns unter der Gestalt der Cherubim und Seraphim als geflügelt abmalt, damit du fest annehmest, dass sie mit unglaublicher Schnelligkeit zur Hilfeleistung zur Stelle sein werden. Zweifle nicht, dass an allen Orten diese als Beschützer dir nahe sind, weil sie die feinsten Geister sind, denen kein Leib Widerstand tut; alles Sichtbare weicht ihnen, eben so sind auch alle Körper, wie fest oder dick sie sein mögen, für sie durchdringbar und durchgangbar. Zweifle nicht, dass diese Geister deine Gefahren und Nöten kennen, denn sie sehen allezeit das Angesicht des himmlischen Vaters 2 Mos. 25,18. Jes. 6,2, und stehen zu allen Diensten auf das Pünktlichste ihm bereit. Bedenke auch, andächtige Seele, dass dies heilige Engel sind; darum befleißige dich der Heiligkeit, wenn du sie zu Genossen haben willst. Die Ähnlichkeit der Sitten erwirbt am ersten die Freundschaft. Gewöhne dich an heilige Handlungen, wenn du der Engel Hut begehrst. An jedem Orte und Ende beweise deinem Engel die schuldige Ehrfurcht, und unterlaß in seiner Gegenwart, was du vor einem Menschen zu tun errötest. Keusch sind diese Geister, daher werden sie durch unzüchtige Handlungen vertrieben. Die Bienen vertreibt der Rauch, die Tauben der Gestank; so verscheucht die Engel, die Hüter des Lebens, die abscheuliche und stinkende Sünde. Hast du durch die Sünde diesen Schutz verscherzt, wie, willst du gesichert sein vor den Nachstellungen der bösen Geister? Hast du die Hut der Engel nicht mehr, wie willst du gesichert sein vor dem Schaden der mancherlei Gefahren? Wenn deine Seele die Engel nicht zur schützenden Mauer hat, so wird der böse Geist durch den Trug seines gottlosen Rates sie leicht überwältigen. Zum Dienst werden die heiligen Engel von Gott ausgesandt Hebr. 1,14; von Gott musst du dich daher erst wieder gewinnen lassen durch den Glauben, wenn du den Engel zum Hüter haben willst. Wo die Gnade Gottes nicht ist, da ist auch die Hut der Engel nicht. Lasst uns die Engel betrachten gleichwie die gnadenreichen Hände Gottes, die an kein Werk gehen, ohne dass Gott sie dazu ausstreckt. Es wird Freude sein im Himmel vor den Engeln über einen Sünder, der Buße tut Luk. 15,10. Die Tränen der Sünder, die Buße tun, sind gleich als der Wein der Engel; das unbußfertige Gemüt aber verscheucht den behütenden Engel. Darum lasst uns Buße tun, auf dass wir den Engeln Freude bereiten. Von himmlischer und geistlicher Natur sind die Engel; darum lasst uns auf das Himmlische und Geistliche denken, dass sie Lust haben bei uns zu sein. Demütig sind die Engel, und Hochmut ist ihnen gründlich zuwider, die sich nicht schämen auch den Kleinen zu dienen Matth. 18,10. Was erhebt sich die arme Erde und Asche Sir. 10,9, da der himmlische Geist sich so herablässt? Im Tode ist am meisten die List des bösen Geistes zu fürchten, denn es steht geschrieben, dass die Schlange in die Ferse sticht 1 Mos. 3,15; die Ferse ist der äußerste Teil des Leibes, der äußerste Teil deines Lebens ist der Tod. In jenem letzten Kampfe mit dem Tode ist vor allem nötig die Hut der Engel, damit sie uns von den feurigen Pfeilen des Teufels befreien, und die Seele, die ihre Behausung im Leibe verlassen hat, zum himmlischen Paradiese bringen. Da Zacharias im Tempel seines heiligen Dienstes wartete, kam der Engel des Herrn zu ihm Luk. 1,11: so auch wirst du, wenn du an der Übung im Worte und Gebete deine Freude hast, des Schutzes der Engel dich freuen können. O freundlichster Gott, der du durch deine heiligen Engel durch die Wüste dieses Lebens uns führest, gib, dass wir durch eben dieselben zum himmlischen Reiche geführt werden!
27. VON DEN NACHSTELLUNGEN DES TEUFELS.
WER KENNT NICHT DIE LIST DES TEUFELS.
Bedenke, gläubige Seele, in wie großer Gefahr du dich befindest, da sie dir immer drohet von Seiten des Teufels, deines Widersachers. Der Feind ist an Verwegenheit der fertigste, an Kräften der stärkste, an Kunstgriffen der verschlagenste, an allerlei Ränken der vollste, in Kampfbegierde unermüdlich, kann alle Gestalten annehmen. Er verführt selbst zu mannigfachen Verbrechen, und wenn er verführt hat, dann klagt er uns vor dem Richterstuhle Gottes an. Er durchschaut zuerst genau die Neigung eines jeden und darnach legt er die Schlingen der Versuchungen. Wie Eroberer bei Eroberungen ihren Angriff nicht auf die festen und verschanzten Stellen machen, sondern da, wo nach ihrer Meinung die Mauern schwach, die Gräben am wenigsten tief und die Türme unbewehrt sind: so greift der Teufel die Seele fortwährend an und nimmt seinen Anlauf da vor allem, wo er eine Schwäche oder eine Leidenschaft gemerkt hat. Ist er einmal überwunden, so weicht er darum noch nicht völlig, sondern erhebt sich zu um so ernsterer Versuchung, um die durch Verdrossenheit und Nachlässigkeit zu überwinden, welche er durch die Gewalt der Versuchungen nicht zu überwinden vermochte. Wen möchte wohl der mit seinen Ränken verschonen, der es gewagt hat selbst den Herrn der Herrlichkeit mit dem Truge seiner List anzugreifen? Matth. 4,3ff. Von welchem Christen möchte wohl der sich fern halten, der selbst der Apostel Christi begehrt hat, dass er sie möchte sichten wie den Weizen? Luk. 22,31. Er hat den Adam im Stande der Unschuld betrogen 1 Mos. 3,2-6: wen wird er nicht im Stande der Schuld betrügen können? Er hat den Judas in der Schule des Heilandes betrogen: wen wird er nicht in der Welt, der Schule des Irrtums betrügen können? Immer und überall sind die Nachstellungen des Teufels zu fürchten. Im Glück reizt er uns zum Hochmut; im Unglück reizt er uns zur Verzweiflung. Sieht er einen, der seine Freude am Sparen hat, so ist’s ihm eine Lust, den mit dem Netze der unersättlichen Gier zu umstricken. Wenn einen ein heldenmütiger Geist beseelt, so entflammt er ihn durch die Stacheln des Zorns. Wenn er einen ein wenig zu fröhlich sieht, so facht er in ihm die Flamme der wilden Lust an. Die er eifrig in der Gottesverehrung sieht, die versucht er in törichten Aberglauben zu verwickeln. Die er in Würden gestellt sieht, die ficht er heftig an mit Reizungen zum Ehrgeiz. Wenn er aufstachelt zur Sünde, da vergrößert er die Barmherzigkeit Gottes; wenn er in Sünde gestürzt hat, da vergrößert er die Gerechtigkeit Gottes; erst will er zur Vermessenheit verleiten, hernach versucht er in Verzweiflung zu stürzen. Bisweilen greift er äußerlich durch Verfolgungen an; bisweilen innerlich durch heftige Versuchungen. Bisweilen sieht er uns offen und mit Wut an, bisweilen verborgen und mit List. In das Essen hat er das Schlemmen, in die Zeugung die Ausschweifung, in die Arbeit die Trägheit, in den Umgang den Neid, in die Verwaltung den Geiz, in die Zurechtweisung den Zorn, in die Würde den Stolz gelegt. In das Herz hat er böse Gedanken, in den Mund falsche Reden, in die Glieder schändliche Werke gelegt. Im Wachen bewegt er zu schlechten Taten, im Schlafen zu abscheulichen Träumen. So hat man sich also immer und überall vor den Nachstellungen des Teufels zu hüten. Wir schlafen, und er wacht; wir sind sicher, und er geht umher wie ein Löwe 1 Petr. 5,8. Wenn du einen erzürnten Löwen auf dich einen Angriff machen sähest, mit welch einer wirklichen Furcht würdest du zusammenschrecken; – und wenn du hörst, dass der höllische Löwe dir nachstellt, da schläfst du noch sicher auf beiden Ohren? Betrachte darum, gläubige Seele, die Nachstellungen dieses mächtigsten Feindes, und suche die Hilfe der geistlichen Waffen. Laß die Lenden umgürtet sein mit Wahrheit, und sei angezogen mit dem Krebs (=Panzer) der Gerechtigkeit Eph. 6,14. Ziehe an die vollkommene Gerechtigkeit Christi, und du wirst sicher sein vor den Anfechtungen des Teufels. Verbirg dich in die Wundenmale Christi Hohel. 2,14, so oft du durch Pfeile dieser boshaften Schlange erschreckt wirst. Der wahrhaft Gläubige ist in Christo: wie der Satan kein Recht hat wider Christum Joh. 14,30, so hat er auch kein Recht wider den wahrhaft Gläubigen. Die Beine seien gestiefelt und fertig zu treiben das Evangelium des Friedens Eph. 6,15. Es werde immer gehört und es schalle in unsern Ohren das Bekenntnis Christi, so wird uns keine Anfechtung des Teufels verletzen: die Worte des Zauberers vertreiben eine leibliche Schlange nicht so, als die Zeugnisse eines festen Bekenntnisses diese geistliche Schlange in die Flucht jagen. Es werde der Schild des Glaubens ergriffen Eph. 6,16, auf dass wir die Pfeile des schändlichsten Feindes auslöschen. Der Glaube ist es, der auch Berge versetzt Matth. 17,20, verstehe die Berge der Zweifel, der Verfolgungen und der Anfechtungen. Die Israeliten, deren Türpfosten mit dem Blute des Passahlammes bezeichnet waren, wurden von dem Würgengel nicht geschlagen 2 Mos. 12,13: von diesem Verderben werden die, deren Herzen durch den Glauben mit dem Blute Christi besprengt sind, auch nicht verletzt. Der Glaube trauet Gottes Verheißungen; aber die Verheißungen Gottes kann der Satan nicht zunichte machen; daher wird er auch den Glauben nicht überwinden können. Der Glaube ist das Licht der Seele; die Versuchungen des bösen Geistes werden daher in diesem Lichte leicht erkennbar. Durch den Glauben werden unsere Sünden in das Meer der göttlichen Barmherzigkeit geworfen Mich. 7,19; in dem aber werden die feurigen Pfeile des Teufels leicht ausgelöscht werden. Auch den Helm des Heils Eph. 6,17, das ist, die heilige Hoffnung müssen wir nehmen. Ertrage die Anfechtung, indem du auf den Ausgang der Anfechtung Bedacht nimmst. Gott ist der Führer der Streiter und die Krone der Sieger. Ohne Feind kein Kampf, ohne Kampf kein Sieg, ohne Sieg keine Krone. Besser der Kampf, welcher in die Nähe Gottes führt, als der Friede, welcher Gott entfremdet. Auch das Schwert des Geistes ist zu nehmen Eph. 6,17, welches ist das Wort Gottes. Laß bei dir die Tröstungen der Schrift mehr gelten, als die Widersprüche des Teufels. Christus hat alle Versuchungen des Teufels mit dem Worte überwunden Matth. 4,4.7.10.11: mit dem Worte überwinden noch heute die Christen alle Versuchungen des Teufels. Endlich hast du im Gebet einen sehr mächtigen Schutz wider die Versuchungen. So oft das Schifflein deiner Seele mit den Wellen der Versuchungen bedeckt wird Matth. 8,24, so wecke Christum auf durch Gebet. Die sichtbaren Feinde überwinden wir durch Gegenwehr, den unsichtbaren Feind durch Gebet. Kämpfe, o Christe, für uns in uns, damit wir auch in dir siegen!
28. ALLGEMEINE REGELN ZU EINEM FROMMEN LEBEN.
FRÖMMIGKEIT IST DIE HÖCHSTE WEISHEIT.
Mit jedem Tage kommst du dem Tode, dem Gerichte und der Ewigkeit näher; denke darum auch an jedem Tage darauf, wie du in der ernsten Entscheidung des Todes und des Gerichtes bestehen, und wie du ewig leben mögest. Auf alle Gedanken, Worte und Handlungen hast du sorgfältig zu achten, weil du von allen Gedanken, Worten und Handlungen dereinst genaue Rechenschaft geben musst Matth. 12,36. Röm. 14,10.12. Der Tod kann in dieser Nacht kommen, so denke zur Zeit des Abends; der Tod kann an diesem Tage kommen, so denke zur Zeit des Morgens. Die Bekehrung und das Schaffen des Guten verschiebe nicht auf morgen, denn der morgende Tag ist ungewiss, aber der bevorstehende Tod ist immer gewiss. Nichts ist der Frömmigkeit hinderlicher als der Aufschub. Wenn du die innere Berufung des heiligen Geistes verachtest, so wirst du nie zur wahren Bekehrung gelangen Sir. 18,22. Die Bekehrung und das Schaffen des Guten verschiebe nicht auf’s Alter, sondern bringe Gott deine frische Jugend zur Gabe dar. Ungewiss ist dem Jünglinge das Alter; aber gewisses Verderben ist dem unbußfertigen Jünglinge bereitet. Kein Alter ist geschickter zum Dienste Gottes, als das an Kräften des Leibes und der Seele starke jugendliche Alter. Zu keines Menschen Gefallen darfst du eine böse Handlung unternehmen; denn nicht jener Mensch, sondern Gott wird einst dein Leben richten. Keine Gunst der Menschen halte daher für vorzüglicher als die Gnade Gottes. Auf dem Wege des Herrn gibt es entweder Fortschritt, oder Rückschritt: darum prüfe an jedem einzelnen Tage dein Leben, ob du in der Übung und Frömmigkeit Fortschritte oder Rückschritte machst. Stehen bleiben auf dem Wege des Herrn heißt rückwärts gehen; darum habe deine Lust nicht am Stillstehen im Laufe der Frömmigkeit, bemühe dich vielmehr immer, auf dem Wege des Herrn zu wandeln. In deinem Umgange sei allen angenehm, niemandem beschwerlich, mit wenigen vertraut. Lebe Gott in Frömmigkeit, dir in Keuschheit, dem Nächsten in Gerechtigkeit. Bediene dich des Freundes zum Wohlgefallen, des Feindes zur Geduld, aller zum Wohlwollen, und soweit du’s vermagst, zum Wohltun. Im Leben stirb dir und deinen Sünden täglich ab, so wirst du im Tode Gott leben können. Erbarmen zeige sich in der Gemütsbewegung, Freundlichkeit im Gesicht, Demut in der Haltung, Bescheidenheit im Umgange, Geduld in der Trübsal. Denke immer an dreierlei Vergangenes: an das begangene Böse, an das unterlassene Gute, an die verlorene Zeit. Denke immer an dreierlei Gegenwärtiges: an die Kürze des gegenwärtigen Lebens, an die Schwierigkeit der Erlösung, an die geringe Zahl derer, die sich erlösen lassen wollen. Denke immer an dreierlei Zukünftiges: an den Tod, der schaudervoller als alles, an das Gericht, das schrecklicher als alles, an die Strafe der Hölle, die unerträglicher als alles ist. Das Abendgebet bessere die Sünden des verflossenen Tages; der letzte Tag der Woche bessere die Vergehen der vorhergehenden Tage. Am Abend denke, wie viele an dem Tage in die Hölle gestürzt sind, und danke Gott, dass er dir noch Zeit zur Buße gelassen hat. Dreierlei ist über dir, woran zu denken dir nie aus dem Gedächtnis kommen möge: das Auge, das alles sieht, das Ohr, das alles hört, und die Bücher, in die alles geschrieben wird. Gott hat sich dir ganz zu eigen gegeben, gib auch du dich ganz deinem Nächsten zu eigen: das beste Leben ist das, welches ganz in den Dienst der andern sich stellt. Beweise dem Vorgesetzten Gehorsam und Ehrfurcht, dem Gleichgestellten Rat und Hilfe, dem Untergebenen Hut und Zucht. Der Leib werde der Seele, und die Seele Gott unterworfen. Deine früheren Sünden beweine, dein gegenwärtiges Gute schlage gering an, nach künftigem Guten verlange mit der ganzen Inbrunst deines Herzens. Sei eingedenk deiner Sünde, damit du betrübt werdest; sei eingedenk des Todes, damit du ablassest; sei eingedenk der göttlichen Gerechtigkeit, damit du dich fürchtest; sei eingedenk der göttlichen Barmherzigkeit, damit du nicht verzweifelst. So viel du vermagst, entziehe dich der Welt, und weihe dich ganz dem Dienste des Herrn. Bedenke immer, dass die Keuschheit im Genusse, die Demut im Reichtum, die Frömmigkeit in Geschäften in Gefahr schwebt. Wolle keinem gefallen, außer Christo; fürchte dich keinem zu missfallen, außer Christo. Bete immer zu Gott, er wolle befehlen, was er will, und geben, was er befiehlt; was geschehen ist, zudecken, was geschehen soll, regieren. Wie du scheinen willst, so musst du auch sein; denn Gott richtet nicht nach dem Schein, sondern nach der Wahrheit. In Worten hüte dich vor vielem Reden, denn von jedem unnützen Wort wird das Gericht Rechenschaft fordern Matth. 12,36. Deine Werke, welcher Art sie auch immer sein mögen, vergehen nicht, sondern werden ausgestreut gleichwie Samenkörner für die Ewigkeit. Wenn du auf das Fleisch säest, so wirst du vom Fleische das Verderben ernten; wenn du auf den Geist säest, so wirst du vom Geiste das ewige Leben ernten Gal. 6,8. Die Ehren der Welt werden dir nicht folgen nach dem Tode, und die Menge des Reichtums wird dir nach dem Tode nicht folgen; die Vergnügungen werden dir nicht folgen, und die Eitelkeiten der Welt werden dir nicht folgen, aber wenn das Leben mit allen seinen Führungen zu Ende ist, werden dir alle deine Werke nachfolgen Joh. 14,13. Wie du also im Gericht sein willst, so stelle dich heute dar vor dem Angesichte Gottes. Siehe nicht auf das, was du hast, sondern siehe vielmehr auf das, was dir fehlt. Sei nicht stolz auf das, was dir gegeben ist, sondern sei vielmehr demütig um deswillen, was dir versagt ist. Lerne leben, so lange dir zu leben noch vergönnt ist. In dieser Zeit wird das ewige Leben erlangt oder verloren. Nach dem Tode ist keine Zeit mehr zum Wirken, sondern es beginnt die Zeit der Vergeltung. Im zukünftigen Leben wird nicht das Wirken, sondern die Vergeltung der Werke erwartet. Die heilige Betrachtung erzeuge in dir die Erkenntnis, die Erkenntnis die Herzenstraurigkeit, die Herzenstraurigkeit die Demut, die Demut wirke das Gebet. Von großem Nutzen für den Frieden des Herzens ist das Schweigen des Mundes: je ferner du dich von der Welt gemacht hast, um so angenehmer wirst du Gott sein. Was du zu haben wünschest, das erbitte dir von Gott; was du hast, das gib Gott: der ist des Empfangens nicht wert, der nicht Dank sagt für das Empfangene; der Zufluss der Gnaden hört auf, wenn dieselben nicht zurückfließen zu ihrem Ausgang. Was dir widerfährt, das wende zum Besten; so oft dir Glück zu Teil wird, bedenke, dass dir Grund zum Segnen und Loben gegeben wird; so oft Unglück zu dir sich nahet, bedenke, dass du erinnert werden sollst an Reue und Bekehrung. Die Stärke deiner Kraft beweise im Helfen, die Stärke deiner Weisheit im Erziehen, die Stärke des Reichtums im Wohltun. Das Ungemach breche deine Kraft nicht, und das Glück mache dich nicht stolz. Das Ziel deines Lebens sei Christus; dem folge auf dem Wege, damit du ihn erreichest im Vaterland. In allem sei der Gegenstand deiner größten Sorge tiefe Demut und eifrige Liebe. Die Liebe erhebe dein Herz zu Gott, dass du ihm anhangest; die Demut halte dein Herz nieder, dass du nicht stolz wirst. Halte Gott für den Vater kraft seiner Barmherzigkeit, für den Herrn kraft seiner Zucht; für den Vater kraft seiner freundlichen Gewalt, für den Herrn kraft seiner strengen Gewalt. Liebe ihn als den Vater aus Frömmigkeit, fürchte ihn als den Herrn aus Notwendigkeit; liebe ihn, weil er die Barmherzigkeit will, fürchte ihn, weil er die Sünde nicht will. Fürchte den Herrn und hoffe auf ihn Ps. 37,5; erkenne dein Elend, und preise seine Gnade. O Gott, der du das Wollen gegeben hat, gib auch das Vollbringen! Phil. 2,13.
29. DIE SICHERHEIT MUSS MAN ABLEGEN.
SICHER LEBEN IST DER TOD.
Denke, andächtige Seele, an die Schwierigkeit des Heils, und du wirst leicht alle Sicherheit ablegen. Niemals und nirgends ist Sicherheit, weder im Himmel, noch im Paradiese, viel weniger in der Welt. Der Engel ist gefallen unter den Augen der Gottheit, Adam ist gefallen am Orte der Anmut. Adam war geschaffen zum Bilde Gottes 1 Mos. 1,27, nichts desto weniger ist er durch die Nachstellungen des Teufels getäuscht worden. Salomo war der weiseste unter allen Menschen 1 Kön. 3,12, nichts desto weniger ist er durch Weiber von Gott abgewendet worden 1 Kön. 11,4. Judas war in der Schule des Heilandes Luk. 22,3, und täglich vernahm er die heilsamen Worte jenes höchsten Lehrers, und doch ist er nicht sicher gewesen vor den Stricken des Verführers, ist in die Tiefe des Geizes, und aus dem Geize in die Tiefe des ewigen Jammers gestürzt worden. David war ein Mann nach dem Herzen Gottes 1 Sam. 13,14, und war dem Jehova der werteste Sohn, aber durch Mord und Ehebruch war er ein Kind des Todes geworden 2 Sam. 12,5.7. Wo ist also in diesem Leben Sicherheit? Halte dich mit fester Zuversicht des Herzens an die Verheißungen Gottes, und du wirst sicher sein vor den Angriffen des bösen Geistes. Es gibt keine Sicherheit in diesem Leben, außer welche die Untrüglichkeit der Verheißungen denen gewährt, die da glauben und auf Gottes Wege einher gehen. Wenn wir zur ewigen Seligkeit gelangt sein werden, dann erst werden wir volle Sicherheit haben. In diesem Leben sind Furcht und Gottesfurcht mit einander verbunden, und das eine darf nicht sein ohne das andere. Sei nicht sicher im Unglück, sondern alles Unglück, das dir begegnet, halte für Züchtigungen wegen deiner Sünden: öfters straft Gott verborgene Vergehen durch offenbare Züchtigungen. Denke an die große Schmach deiner Sünden, und fürchte den gerechten Vergelter der Sünden. Sei nicht sicher im Glück, denn dem zürnt Gott, der in diesem Leben nicht gezüchtiget wird Hebr. 12,5.6. Was sind die Züchtigungen der Frommen? Bittere Pfeile von der süßen Hand Gottes geschickt. Viele hält Gott unwert der gegenwärtigen Strafe, die er doch in Ewigkeit verwirft. Der Fortgang des menschlichen Glücks ist oft ein Anzeichen der ewigen Verdammnis. Nichts ist unglückseliger als das Glück der Sünder, nichts elender als der, welcher sein Elend nicht kennt. Wohin du deine Augen wendest, da findest du Grund zum Schmerz und gegen die Sicherheit erblickst du diese Heilmittel: denke an Gott droben, den wir beleidiget haben; an die Hölle drunten, die wir verdient haben; an die Sünden hinter uns, die wir begangen haben; an das Gericht vor uns, das wir zu fürchten haben; an das Gewissen in uns, das wir befleckt haben; an die Welt außer uns, die wir geliebt haben. Siehe, woher du kommst, und erröte; wo du bist, und seufze; wohin du gehen willst, und erzittere. Eng ist die Pforte des Heils, aber noch enger der Weg des Heils Matth. 7,14. Den Schatz des Glaubens hat dir Gott gegeben, aber diesen Schatz tragen wir in irdischen Gefäßen 2 Kor. 4,7. Die Engel hat dir Gott zur Hut bestellt Ps. 91,11. Hebr. 1,14; aber der Teufel ist nicht fern, um zu verführen. Gott hat dich erneuert im Geiste deines Gemüts Eph. 4,23; aber du hast noch viel vom alten Fleische. Du bist eingesetzt in Gottes Gnade; aber du bist noch nicht eingesetzt in die ewige Herrlichkeit. Bereitet ist im Himmel die Stätte Joh. 14,2; aber die Welt ficht zuvor an mit ihrer Reizung. Dem Reumütigen hat Gott Gnade verheißen; aber die Lust zur Reue hat er nicht verheißen dem Sünder zu geben. Es erwarten dich die Tröstungen des ewigen Lebens; aber doch musst du durch viel Trübsal in das Reich Gottes gehen Ap. Gesch. 14,22. Verheißen ist die Krone der ewigen Belohnung; aber doch ist zuvor ein schwerer Kampf zu bestehen 2 Tim. 2,5. Gott ändert seine Verheißung nicht; aber du darfst auch die Übung in einem heiligen Leben nicht ändern. Wenn der Knecht nicht tut, was befohlen wird, so wird der Herr tun, was er drohet Luk. 12,47. Darum ist fort und fort zu seufzen und mit Hintansetzung der Sicherheit zu trauern, damit nicht der Mensch dem gerechten und verborgenen Gerichte Gottes überlassen und der Verdammnis wert in der Gewalt der bösen Geister verlassen werde. So lange die göttliche Gnade da ist, ergötze dich an ihr, doch so, dass du nicht meinst, du besitzest die Gabe Gottes wie ein berechtigter Erbe, nämlich dass du nicht so sicher wegen derselben bist, als könntest du sie nie verlieren, damit du nicht, wenn Gott vielleicht die Gabe entzieht und die Hand abzieht, plötzlich den Mut verlierst, und trauriger wirst, als sich ziemt. Selig fürwahr bist du, wenn du mit aller Sorge darauf denkst, vor der Sorglosigkeit, der Mutter aller Übel, dich zu hüten. Gott verlässt dich nicht, aber hüte dich, dass Gott nicht von dir verlassen werde. Gott hat Gnade gegeben, bitte, dass er auch das Beharren gebe. Gott gebietet, du sollst wegen deines Heils nicht in Zweifel sein, aber er hat nicht geboten, du sollst sicher sein. Du hast mutig zu kämpfen 2 Tim. 4,7, damit du endlich fröhlich siegest. Dein Fleisch kämpft in deinem Innern wider dich. Je näher der Feind, desto furchtbarer. Die Welt kämpft um dich her wider dich. Je zahlreicher der Feind, desto furchtbarer. Der Teufel kämpft über dir wider dich. Je mächtiger der Feind, desto furchtbarer. In der Kraft Gottes fürchte dich nicht mit diesen Feinden in Kampf zu geraten, in der Kraft Gottes wirst du den Sieg erringen können. Aber so große Feinde wirst du nicht durch Sicherheit, sondern durch Unermüdlichkeit im Kampfe überwinden. Die Zeit des Lebens ist eine Zeit des Kampfes. Du wirst dann am meisten angegriffen, wenn du nichts weißt vom Angriff. Sie sammeln da vornehmlich ihre Kräfte, wo sie sich zu einem Waffenstillstand zu verstehen scheinen. Jene wachen, und du schläfst? Jene rüsten sich, Schaden zu tun, und du rüstest dich nicht zur Gegenwehr? Viele ermüden auf dem Wege, ehe ihnen die Stätte im Vaterland gegeben wird. Wie viele Israeliten starben in der Wüste, von denen keiner das gelobte Land erreichte! 5 Mos, 1,35. Wie viele geistliche Kinder Abrahams gehen unter in der Wüste dieses Lebens, bevor sie das verheißene Erbe des himmlischen Reichs antreten! Nichts ist wirksamer zur Ablegung der Sicherheit, als wenn wir bedenken, wie selten die sind, welche beharren. Wie groß daher in uns das Verlangen nach der himmlischen Herrlichkeit und die Lust, dahin zu gelangen, ist, so groß sei der Schmerz, dass wir noch nicht dahin gelangt sind, so groß die Furcht, dass wir nicht dahin gelangen möchten, damit wir aus nichts Freude schöpfen als aus dem, was entweder Hilfe oder Hoffnung auf Erreichung des Ziels darreicht. Was hilft es, auf einen Augenblick fröhlich zu sein, wenn du ewig trauern musst? Welche Freude könnte es in diesem Leben geben, wenn das vergeht, was ergötzt, das aber nicht vergeht, was peiniget? Wir leben sicher, gleich als hätten wir die Stunde des Todes und des Gerichts bereits hinter uns. Christus spricht, dass er zum Gericht kommen will zu der Stunde, da wir’s nicht meinen Matth. 24,44. Dies spricht die Wahrheit, und wiederholt es gleich also, höre es und fürchte dich! Wenn der Herr kommen wird zu der Stunde, da wir’s nicht meinen, so haben wir uns sehr zu fürchten, dass wir nicht unbereitet zum Gerichte kommen; Wenn wir unbereitet kommen, wie werden wir die strenge Entscheidung dieses Gerichtes ertragen können? Nichts desto weniger wird das, was in diesem einen Augenblick verloren wird, nicht in Ewigkeit wieder gut gemacht werden können; in der Kürze eines Augenblicks wird gerichtet werden, was wir in Ewigkeit sein werden: in diesem einigen Augenblicke wird Leben und Tod, Verdammnis und Seligkeit, Strafe und ewige Herrlichkeit wem’s gebührt zugesprochen. O Herr, der du Gnade zum Guten gegeben hast, gib dazu auch Beharrlichkeit im Guten!
30. VON DER HEILIGEN NACHAHMUNG DES LEBENS CHRISTI.
CHRISTUS SEI DIE REGEL DES LEBENS.
Das heilige Leben Christi ist das vollkommenste Muster der Tugenden, jede Handlung Christi ist eine Unterweisung für uns. Viele wollen Christum haben, aber sie verschmähen es ihm nachzufolgen: wollen sich Christi freuen, aber ihm nicht auch nachahmen. Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig, und von Herzen demütig Matth. 11,29, spricht der Heiland. Wenn du Christi Schüler nicht sein willst, so wirst du nimmermehr ein wahrer Christ sein. Laß nicht bloß das Leiden Christi dein Verdienst, sondern auch das Tun Christi das Vorbild deines Lebens sein. Dein Freund ist weiß und rot Hohel. 5,10: sei auch du rot kraft der Besprengung mit dem Blute Christi, und weiß kraft der Nachahmung des Lebens Christi. Wie aber liebst du Christum, wenn du sein heiliges Leben nicht liebst? Lieber ihr mich, spricht der Heiland Joh. 14,15, so haltet meine Gebote. Wer also seine Gebote nicht hält, der liebt ihn auch nicht. Das heilige Leben Christi ist die vollendete Regel unsers Lebens. Allen Regeln des Franziskus und Benedictus ist die einzige Regel des Lebens Christi vorzuziehen. Willst du ein zu Gnaden angenommenes Kind Gottes sein, so siehe, wie jener eingeborne Sohn wandelt. Willst du Christi Miterbe sein, so musst du auch Christi Nachahmer sein. Wer mit den Lüsten leben will, der hat sich in den Gehorsam des Teufels begeben. Wer wirklich mit dem Teufel sein will, wie wird der mit Christo sein können? 2 Kor. 6,15. Die Lüste lieben heißt den Teufel lieben, weil alle Sünden vom Teufel sind 1 Joh. 3,8; wie also wird der ein wahrer Liebhaber Christi sein können, der ein Liebhaber des Teufels ist? Gott lieben heißt das heilige Leben lieben, weil von Gott alles heilige Leben ist; wie also wird der ein Liebhaber Gottes sein können, der nicht ein Liebhaber des heiligen Lebens ist? Der Prüfstein der Liebe ist die Tat: der wahren Liebe ist es eigen dem Geliebten zu gehorchen, mit dem Geliebten eins zu sein im Wollen, mit dem Geliebten eins zu sein im Empfinden. Liebst du Christum in Wahrheit, so wirst du seinen Geboten gehorsam dich beweisen, wirst mit ihm das heilige Leben lieben und, erneuert im Geiste deines Gemütes Eph. 4,23, auf das deine Gedanken richten, was droben ist. Das ewige Leben stehet in der Erkenntnis Christi Joh. 17,3: wer aber Christum nicht liebt, der erkennt ihn auch nicht: wer die Demut, Keuschheit, Sanftmut, Geduld, Freundlichkeit nicht liebt, der liebt auch Christum nicht, denn das Leben Christi war nichts als Demut, Keuschheit, Sanftmut, Geduld, Freundlichkeit. Christus sagt, dass er die nicht kenne, welche den Willen seines Vaters nicht tun Matth. 7,21.23; also kennen auch die Christum nicht, welche den Willen des himmlischen Vaters nicht tun. Welches ist aber der Wille des Vaters? Unsere Heiligung, sagt der Apostel 1 Thess. 4,3. Der ist nicht Christi, der Christi Geist nicht hat Röm. 8,9; wo aber der heilige Geist ist, da ist er auch mit seinen Gaben und Früchten. Welche sind aber die Früchte des Geistes? Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit Gal. 5,22. Wie auf Christo der heilige Geist ruhete Jes. 11,2, so ruhet er auch auf allen denen, die in Christo sind, durch den wahren Glauben, denn die Braut Christi gehet einher im Wohlgeruche der Salbe Christi Hohel. 1,3. Wer dem Herrn anhanget, der ist ein Geist mit ihm 1 Kor. 6,17. Wie das fleischliche Band des Mannes und Weibes aus ihnen ein Fleisch macht Matth. 19,6: so macht die geistliche Verbindung Christi und der gläubigen Seele aus ihnen einen Geist. Wo aber ein Geist, da ist auch ein Wille; wo ein Wille, da ist auch ein Tun. Wer daher sein Leben nicht nach dem Leben Christi gestaltet, der wird auch weder gedrungen dem Herrn anzuhangen, noch den Geist Christi zu haben. Ist’s denn nicht billig, dass unser ganzes Leben nach dem Leben deß gestaltet werde, der aus Liebe sich selbst uns ganz gleich gemacht hat? Phil. 2,7. Gott hat, indem er sich geoffenbaret im Fleisch 1 Tim. 3,16, uns ein Muster des heiligen Lebens aufgestellt, damit keiner, der das heilige Leben verschmähet, sich mit dem Fleische entschuldige. Kein Leben ist lieblicher und friedevoller als das Leben Christi, denn Christus ist wahrhaftiger Gott: was ist aber lieblicher und friedevoller als der wahrhaftige Gott, das höchste Gut? Das Leben mit der Welt bringt eine kurze Freude, hat aber zum Gefolge eine ewige Traurigkeit 2 Petr. 1,4. 1 Joh. 2,17. Luk. 16,23. Wem du im Leben dich gleich gestaltest, dem wirst du auch in der Auferstehung gleich gestaltet werden. Wenn du hier anfängst, dem Leben Christi dich nachzubilden, so wirst du auch ihm in der Auferstehung in vollkommenerer Maße ähnlich gemacht werden. Wenn du dem Teufel dich gleichest durch Verbrechen, so wirst du in der Auferstehung auch ihm gleich gemacht werden in Qualen. Wer mir will nachfolgen, der verleugne sich selbst, spricht der Erlöser, und nehme sein Kreuz auf sich täglich Matth. 16,24. Wenn du in diesem Leben dich selbst verleugnest, so wird dich Christus im Gericht für den seinen erkennen. Wenn du um Christi willen in diesem Leben der Ehrsucht, der Eigenliebe, dem Eigenwillen entsagst, so wird Christus in dem zukünftigen Leben dich seiner Ehre, seiner Liebe, seines Willens teilhaftig machen. Wenn du in diesem Leben Teil hast am Kreuze, so wirst du in dem zukünftigen Teil haben an dem ewigen Lichte; wenn du in diesem Leben Teil hast an der Anfechtung, so wirst du in dem zukünftigen Teil haben am Troste; wenn du in diesem Leben Teil hast an der Verfolgung, so wirst du in dem zukünftigen Teil haben an der ewigen Vergeltung. Wer mich bekennt vor den Menschen, sagt Christus Matth. 10,32, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. Nun aber haben wir Christum nicht bloß durch das Bekenntnis der Lehre, sondern auch durch die gleiche Gestaltung des Lebens zu bekennen; so erst wird er für die seinen uns im Gericht erkennen. Wer mich verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater Matth. 10,33. Christus wird nicht bloß durch Worte, sondern auch, und noch weit mehr durch gottloses Leben verleugnet. Wer also in dieser Welt Christum durch seine Taten verleugnet, der wird ihn auch im Gerichte durch seine Taten verleugnen. Der ist kein Christ, der den wahren Glauben an Christum nicht hat; der wahre Glaube aber pflanzet uns Christo, dem geistlichen Weinstocke Joh. 15,4, ein als Reben. Einen jeglichen Reben an Christo, der nicht Frucht bringt, den nimmt der himmlische Weingärtner weg Joh. 15,2; wer aber in Christo bleibt Joh. 15,5, und in wem Christus Wohnung macht durch den Glauben Eph. 3,17, der bringt viel Frucht. Es ist kein Rebe an dem Weinstocke, der nicht seinen Saft vom Weinstocke bekäme: es ist keine Seele in Christo durch den Glauben, die nicht den geistlichen Saft der Liebe von Christo bekäme durch den Glauben. Gestalte uns, lieber Jesu, in dieser Zeit nach deinem Leben, auf dass wir dereinst demselben völlig gleich gestaltet werden!
31. VON DER SELBSTVERLEUGNUNG.
DER VERLEUGNET CHRISTUM, WELCHER SICH NICHT SELBST VERLEUGNET.
Will mir jemand nach folgen, der verleugne sich selbst, sprach der Erlöser Matth. 16,24. Sich selbst verleugnen heißt der Eigenliebe entsagen; die Eigenliebe hindert die Gottesliebe. Willst du Christi Schüler sein, so muss die Wurzel der Eigenliebe in dir völlig ersterben: niemand liebt Christum, außer wer sich selbst hasst. Es sei denn, dass das Weizenkorn in die Erde falle und ersterbe, so bleibt es allein Joh. 12,24 1 Kor. 15,36.37: so wirst du auch die Frucht des heiligen Geistes nicht schmecken können, wenn in deinem Herzen die Eigenliebe nicht erstirbt. Der Herr sprach zu Abraham 1 Mos. 12,1: Gehe aus deinem Vaterland, und von deiner Freundschaft, und aus deines Vaters Hause, in ein Land, das ich dir zeigen will. Abraham konnte kein so großer Prophet werden, bevor er nicht aus seinem Vaterlande ging: du wirst auch kein wahrer Jünger Christi und kein wahrhaft geistlicher Mensch werden bevor du nicht von der Eigenliebe lässt. Durch das Ringen mit dem Engel hinkte Jakob auf dem einen Fuß, während der andere gesund und unversehrt blieb 1 Mos. 32,25. Mit diesen beiden Füßen wird die zweifache Liebe bedeutet, die Eigenliebe und die Gottesliebe: dann wird der Mensch der göttlichen Segnung teilhaftig sein, wenn er auf dem Fuße der Eigenliebe hinken wird, während jener andere der Gottesliebe gesund und unversehrt bleibt. Es ist unmöglich, dass du mit einem und demselben Auge den Himmel und die Erde betrachtest: eben so ist es unmöglich, dass einer mit einem und demselben Willen sich selbst unordentlich und Gott liebt. Die Liebe ist das höchste Gut unserer Seele; darum ist dieses höchste Gut der Seele dem höchsten Gute, nämlich Gott, zu geben. Deine Liebe ist dein Gott, das will sagen, was du am höchsten liebst, das stellest du an Gottes Statt; was du am höchsten liebst, das hältst du für das Höchste. Gott aber ist in Wahrheit das höchste Wesen. Wer also sich selbst liebt, der hält sich für Gott, und stellt sich an Gottes Statt, was fürwahr der höchste Götzendienst ist. Was du am höchsten liebst; das hältst du für das Ende aller Dinge und für das Ziel aller deiner Wünsche. Gott aber allein ist der Anfang und das Ende der Geschöpfe; er ist der Erste, und er ist der Letzte Jes. 44,6; er allein stillt das Verlangen unsers Herzens, und nichts Geschaffenes kann deine Wünsche stillen. Die Gottesliebe musst du darum der Eigenliebe vorziehen. Gott ist der Anfang und das Ende Off. Joh. 1,8; in ihm also muss unsere Liebe anfangen, in ihm muss sie auch aufhören. Das Wesen Gottes ist außer allen Geschöpfen, wie er von Ewigkeit her in sich selbst Gott gewesen ist: von allen Geschöpfen ziehe darum deine Liebe ab. Wie deine Liebe, so sind auch deine Werke. Wenn deine Werke aus dem wahren Glauben und der Liebe zu Gott hervorgehen, so sind sie Gott angenehm und groß in seinen Augen, wenn sie auch in den Augen aller Menschen gering sind. Wenn sie aus der Eigenliebe hervorgehen, so werden sie Gott niemals gefallen können. Die Eigenliebe verunreinigt auch die trefflichsten Werke. Da Christus im Hause Simonis war, da zerbrach ein Weib ein Glas mit köstlichem Wasser, und goss es Christo auf das Haupt Matth. 26,6.7. Dem Anschein nach war das ein geringes Werk, nichts desto weniger war es Christo angenehm, weil es aus wahrem Glauben, aus reiner Liebe, aus ernster Reue kam Matth. 26,10.12.13. Das Opfer unter dem alten Bunde war Gott angenehm; dennoch aber gefiel es Gott nicht, dass Saul die Beute der Amalekiter verbannete, um sie Gott zum Opfer darzubringen 1 Sam. 15,19. Warum? Weil das nicht aus Liebe zu Gott hervorging. Denn hätte er Gott wirklich geliebt, so hätte er das Gebot Gottes, dass alle Beute verbrannt werden solle, nicht verachtet; sich selbst liebte er, und seine Demut 1 Sam. 15,24. Die Liebe ist ein Feuer, denn die Kirche betet also: Komm, heiliger Geist, und entzünde in den Gläubigen das Feuer deiner Liebe. Das Feuer hängt nicht an der Erde geheftet, sondern strebt immer aufwärts: so darf deine Liebe nicht in dir seinen Ruhepunkt finden, sondern muss sich aufwärts zum Herrn erheben. Sich selbst verleugnen heißt weiter auf seine Ehre verzichten. Dem höchsten Gute allein gebührt die höchste Ehre. Gott ist das höchste Gut. Wer seine Ehre sucht, kann Gottes Ehre nicht suchen, wie der Heiland zu den Pharisäern sagte Joh. 5,44: Wie könnet ihr glauben, die ihr Ehre von einander nehmet? Christi Vorbild siehe an und folge ihm nach. Wiederholt bezeuget er von sich, dass er nicht seine Ehre suche Joh. 8,50, dass er nicht Ehre von Menschen nehme Joh. 5,41, dass er von Herzen demütig sei Matth. 11,29. Alle deine Gaben empfängst du von Gott; alle gib also Gott auch wieder. Alle Bächlein der Güter fließen aus dieser Quelle der göttlichen Güte; darum sind auch alle Güter wieder in dieses Meer zu versenken. Die Pflanzen, welche Sonnenwende heißen, richten sich immer nach dem Laufe der Sonne, von der sie Leben und Saft empfangen: so wende dich mit allen deinen Gaben und mit aller deiner Ehre zu Gott, und gib dir nichts. Hast du etwas von dir, so magst du deine Ehre suchen und dir selbst deine Gaben geben: aber weil du nichts von dir, alles vielmehr von Gott hast, darum musst du auch nicht deine, sondern Gottes Ehre suchen. Die Eigenliebe wendet den Menschen von Gott ab; ein Beispiel ist zu sehen an Nebukadnezar, welcher sprach: Das ist die große Babel, die ich erbauet habe, zum königlichen Hause, durch meine große Macht, zu Ehren meiner Herrlichkeit Dan. 4,27. Aber was folgt? Noch hatte der König diese Worte nicht ausgeredet, da fiel eine Stimme vom Himmel: Dir König, Nebukadnezar, wird gesagt: Dein Königreich soll von dir genommen werden, und man wird dich von den Leuten verstoßen, und sollst bei den Tieren, so auf dem Felde gehen, bleiben Dan. 4,28.29. So wirst auch du, wenn du dein geistlich Babylon, das will sagen, den Bau deiner guten Werke nach deiner Eigenliebe und deinem Hochmute preisest, und die Ehre dafür dir gibst, und nicht Gott allein, von dem Angesichte Gottes verworfen werden. Sich selbst verleugnen heißt endlich auf den Eigenwillen verzichten. Dem besten Willen muss man immer gehorchen; Gottes Wille aber ist der beste. Dem Willen dessen müssen wir gehorchen, von dem wir alles haben 1 Kor. 4,7; von Gott aber ist alles uns zu Teil geworden. Dem Willen deß müssen wir gehorchen, der uns immer zum Leben und zum Guten führt; der Wille Gottes führt immer zum Leben und zum Guten. Habe deine Lust am Herrn, der wird dir geben, was dein Herz wünschet Ps. 37,4. Der Eigenwille führt uns zum Tode und zur Verdammnis. Wodurch ist unser erster Vater aus der Gnade Gottes und dem Stande der Seligkeit in die ewige Verdammnis gefallen? 1 Mos. 3. Er folgte mit Geringschätzung des göttlichen Willens seinem Eigenwillen, verachtete Gottes Gebot und hörte auf den Rat des Teufels. Der wahre Jünger Christi verzichtet darum auf den Eigenwillen und verlangt dem göttlichen Willen zu folgen. Siehe Christum an; der bringt, da er in den heißesten Kampf des Leidens gestellt ist, den Eigenwillen Gott dar gleichwie das süßeste Opfer Matth. 26,39.42; opfere auch du Gott den Eigenwillen, und so wirst du vollbringen, was Christus fordert, die Verleugnung deiner selbst. O Herr, dein heiliger Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden! Matth. 6,10.
32. VON DER WAHREN RUHE DER SEELE.
DAS HERZ, DAS SICH AUF DEN HERRN VERLÄSST, IST RUHIG.
Die Seele sucht oft ihre Ruhe in vergänglichen und irdischen Dingen, und findet sie nicht. Warum? Weil die Seele mehr ist als alle Geschöpfe, darum kann sie in jenen geringeren Dingen Ruhe und Frieden nicht finden. Alles Irdische schwindet und vergeht, die Seele aber ist unsterblich; wie also kann sie wahre Ruhe in jenem finden? Jenes alles ist von der Erde, unsere Seele aber ist himmlischen Ursprungs; wie also könnte sie mit jenem ihre Sehnsucht stillen? In Christo findet sie Ruhe Matth. 11,29; der kann ihre Sehnsucht sättigen und stillen. Gegen den Zorn Gottes ruhet sie in den Wunden Christi, gegen die Anklage des Satans in der Macht Christi, gegen die Schrecken des Gesetzes in der Predigt Christi, gegen die schuldigenden Sünden in dem Blute Christi, das besser vor Gott redet als Abels Blut Hebr. 11,24, gegen die Angst des Todes ruhet und trauet sie in dem Sitzen Christi zur Rechten des Vaters. So findet unser Glaube Ruhe in Christo; aber auch unsere Liebe findet da die höchste Ruhe. Wer mit Liebe den irdischen Dingen anhängt, hat die wahre Ruhe nicht, weil die irdischen Dinge sie selbst nicht in sich begreifen, und das Verlangen der Seele nicht vollständig befriedigen können; denn alles ist endlich, unsere Seele aber, nach Gottes Bilde geschaffen, verlangt nach jenem unendlichen Gute, in dem alle Güter beschlossen sind. Wie daher unser Glaube auf keine von allen Kreaturen sich stützen darf, sondern allein auf das Verdienst Christi, so darf auch unsere Liebe keiner Kreatur anhängen, auch nicht einmal uns selbst. Die Eigenliebe hindert in gleicher Weise die Gottesliebe: Allem müssen wir die Gottesliebe vorziehen. Unsere Seele ist die Braut Christi 2 Kor. 11,2; ihm muss sie daher allein anhängen; unsere Seele ist der Tempel Gottes 1 Kor. 3,16; ihm muss sie daher allein Raum geben. Viele suchen Ruhe im Reichtum; aber außer Christo gibt es keine Ruhe der Seele; wo aber Christus ist, da ist Armut, wenn auch nicht der äußern Wirklichkeit, doch der innern Stimmung nach. Er, der Herr Himmels und der Erde, hatte nicht, da er sein Haupt hinlegen konnte Matth. 8,20; und so hat er uns die Armut empfehlen und heiligen wollen. Der Reichtum ist außer uns; aber was die Seele ruhig machen soll, das muss etwas Innerliches sein. Woran aber wird die Seele im Tode sich halten, wenn sie alles in der Welt zurücklassen muss? Entweder verlässt uns der Reichtum, oder wir ihn, häufig schon im Leben, immer aber im Tode. Wo wird also dann die Seele Frieden und Ruhe finden? Viele suchen Ruhe in Ergötzlichkeiten; allein für den Leib können diese wohl je zuweilen eine Ruhe und Erquickung sein, nicht aber für die Seele, zuletzt folgt ihnen doch gleichwie ihr Schatten Schmerz und Trauer. Die Ergötzlichkeiten beziehen sich auf dieses Leben; die Seele aber ist nicht geschaffen um dieses Lebens willen, weil sie durch den Tod gezwungen wird, aus demselben zu gehen: wie also könnte sie in Ergötzlichkeiten Ruhe finden? Außer Christo gibt es keine Ruhe der Seele. Wie aber war das Leben Christi beschaffen? Es war Schmerz durch und durch von der Stunde der Geburt bis zum Tode. So hat der Herr, der alle Dinge nach ihrem Werte zu schätzen wusste, uns lehren wollen, was wir von den Ergötzlichkeiten zu halten haben. Viele suchen Ruhe in Ehren. Elend aber sind die, welche genötigt sind nach jeder beliebigen Änderung der Volksgunst der Ruhe zu entbehren. Die Ehre ist ein äußerliches und sehr flüchtiges Gut; was aber der Seele Ruhe schenken soll, muss in uns sein. Was wirst du von menschlichem Lobe und Ruhme weiter sagen, als das berühmte Gemälde des Apelles? (Anm.: Apelles aus Kos, der berühmteste Maler seiner Zeit, ward, da er in Alexandrien in hohen Ehren lebte, von dem Maler Antiphilus angeklagt, an einer Verschwörung sich beteiligt zu haben. Er ward in Fesseln geworfen und wäre elend gestorben, wenn nicht einer der Verschworenen selbst ihn gerechtfertigt hätte. Da verließ Apelles die Laufbahn des Ruhmes oder der Ruhmsucht, kehrte in sein Vaterland zurück und malte zur Erinnerung an dieses Erlebnis sein berühmtes „Gemälde der Verleumdung“.) Betrachte den Winkel, in dem du verborgen lebst: was ist er im Verhältnis zu einer ganzen Provinz, zu Europa, zu dem ganzen bewohnbaren Weltkreis! Die nur ist die wahre Ehre, welche dereinst den Erwählten von Gott zu Teil werden wird. Die Ruhe eines Dinges kommt mit seinem Ende, und nicht eher ruhet ein Ding seiner Natur gemäß, als bis es sein Ende und Ziel erreicht hat. Das Ende der geschaffenen Seele ist Gott, weil sie nach dem Bilde Gottes geschaffen ist. Daher kann sie nicht ruhig und still sein, außer in jenem ihren Ende, nämlich in Gott. Wie das Leben des Leibes die Seele, so ist das Leben der Seele Gott. Wie also die Seele wahrhaft lebt, in welcher Gott durch geistliche Gnade wohnt, so ist die Seele tot, welche Gott nicht in sich wohnend hat. Wie aber kann’s ein Leben einer toten Seele geben? Jener erste Tod in Sünden bringet notwendig mit sich den andern Tod der Verdammnis Off. Joh. 20,6. Wer daher mit seiner Liebe Gott fest anhanget und innerlich des göttlichen Trostes genießt, dessen Ruhe können äußere Übel nicht stören: in Trübsal ist er fröhlich, in Armut reich, in zeitlichen Anfechtungen sicher, in weltlichen Stürmen ruhig, in Schmähungen und Lästerungen der Menschen still, im Tode lebendig. Es kümmern ihn nicht die Drohungen der Tyrannen, denn innerlich genießt er der Fülle göttlichen Trostes. Das Unglück betrübt ihn nicht, denn der heilige Geist spricht ihm innerlich sein kräftig Trostwort zu. Das Armsein ängstet ihn nicht, denn er ist reich in der Güte Gottes. Die Schmähungen der Menschen beunruhigen ihn nicht, denn er genießt der Süßigkeit der göttlichen Ehre. Die Lust des Fleisches ficht ihn nicht an, denn er freuet sich der lieblichen Süßigkeit des heiligen Geistes. Weltliche Freundschaften sucht er nicht, denn er kennt, wie lieblich es ist, Gott zum Gönner und Freund zu haben. Er trachtet nicht nach irdischen Schätzen, denn seinen höchsten Schatz weiß er im Himmel geborgen. Den Tod fürchtet er nicht, denn er lebt immer in Gott. Er begehrt nicht heftig nach weltlicher Weisheit, denn er hat in sich den heiligen Geist zum Lehrer 1 Joh. 2,20: das Vollkommene macht das Stückwerk überflüssig 1 Kor. 13,10. Blitze und Ungewitter, Feuer und Wassersnöten, Trauriges verkündende Stellungen der Planeten und Verfinsterungen der Lichter des Himmels schrecken ihn nicht, denn er ist hinausgehoben über das Wesen der natürlichen Dinge, ruhet im Glauben in Christo, lebt in Christo. Die Schmeicheleien der Welt zerstreuen ihn nicht, denn er hört in sich die weit süßere Stimme Christi. Die Gewalt des Teufels fürchtet er nicht, denn er schmeckt die göttliche Gnade. Der in ihm lebt und siegt, ist stärker als der Teufel, der ihn zu überwinden vergebens sich mühet. Den Lüsten des Fleisches folgt er nicht, denn er lebt im Geiste und genießt der reichen Güter des Geistes. Der Geist, der in ihm lebendig geworden ist Gal. 5,24, tötet und kreuziget das Fleisch. Vor dem Verkläger, dem Teufel, zittert er nicht, denn er kennt seinen Fürsprecher, Christum 1 Joh. 2,1. Diese wahre Ruhe wolle der einige Schöpfer und Geber derselben, unser Herr, der Gott ist, hochgelobet in Ewigkeit, unserer Seele geben!
33. VON DER REINHEIT DES GEWISSENS.
EIN GEMÜT, DES RECHTEN BEWUSST, IST LEBEN.
In allem deinem Tun bedenke mit der ernstesten Sorge dein Gewissen. Wenn der Teufel dich zu einer Sünde reizt, so achte das innere Gericht des Gewissens. Wenn du dich fürchtest in Gegenwart anderer Menschen zu sündigen, so halte dich noch viel mehr das eigene Gewissen von der Sünde ab: das innere Zeugnis ist mächtiger als das äußere. Obgleich also deine Sünden der Anklage aller Menschen entgehen, so wirst du doch niemals der innern Bezeugung des Gewissens entgehen können. Das Gewissen wird mitten unter jenen Büchern sein, von denen die Offenbarung bezeugt, dass sie im Gericht dereinst aufgetan werden Off. Joh. 20,12. 5,1ff. Das erste ist das Buch der göttlichen Allwissenheit, in welchem die Taten, Worte und Gedanken aller Menschen ohne Unterschied im hellen Wiederscheine leuchten. Das zweite Buch ist Christus, welcher ist das Buch des Lebens Off. Joh. 13,8; wer in diesem Buche durch den Glauben geschrieben gefunden wird, der wird von den Engeln in das Himmelreich geführt werden. Das dritte Buch ist die Schrift, nach deren Regel der Glaube und unsere Werke werden gerichtet werden. Das Wort, welches ich geredet habe, spricht der Erlöser, das wird sie richten am jüngsten Tage Joh. 12,48. Das vierte Buch enthält die äußeren Zeugnisse der Armen, welche am Tage des Gerichts uns aufnehmen werden in die ewigen Hütten Luk. 16,9. Das fünfte Buch enthält das innere Zeugnis des Gewissens, weil das Gewissen eine Urkunde ist, in welche alle Sünden eingetragen werden. Eine große Rolle ist das Gewissen, in die alles mit dem Griffel der Wahrheit eingegraben ist. Die Verdammten werden im Gericht ihre Sünden nicht leugnen können, weil sie durch das Zeugnis des eignen Gewissens werden überführt werden; sie werden sich der Anklage des Gewissens nicht entziehen können, weil das Gericht des Gewissens ein innerliches und unwiderlegbares ist. Das reine Gewissen ist der hellste Spiegel der Seele, in dem sie sich und Gott schauet: ein unreines Auge kann den Glanz des wahren Lichtes nicht sehen. Daher spricht der Erlöser: Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen Matth. 5,8. Wie das wohl gebildete und reine Antlitz eines Menschen lieblich anzuschauen ist, so ist das lautere und reine Gewissen vor den Augen Gottes angenehm; aber das befleckte Gewissen erzeugt Würmer, die nicht sterben Jes. 66,24. Mark. 9,44.46.48. Jetzt muss man darum den Wurm des Gewissens fühlen und töten, nicht aber für die Unsterblichkeit ihn hegen. In der Verbesserung dieses Buchs wird ein jeder anders befunden. Was nützt das große Wissen, wenn ein unreines Gewissen da ist? Nicht aus dem Buche des Wissens, sondern des Gewissens wirst du einst vor dem Throne Gottes gerichtet werden. Willst du dies Buch recht schreiben, so schreibe es nach dem Muster des Buchs des Lebens. Das Buch des Lebens ist Christus. Nach der Regel der Lehre Christi gestalte sich das Bekenntnis deines Glaubens; nach der Regel des Lebens Christi gestalte sich die Führung deines Lebens. Das Gewissen wird gut sein, wenn es im Herzen Reinheit, im Munde Wahrheit, im Handeln Ehrbarkeit hat. Das Gewissen brauche als eine Leuchte in allem Tun; denn das wird dir gründlich zeigen, welches Tun im Leben gut, und welches schlecht ist. Fliehe dieses Gericht des Gewissens, in welchem einer und derselbe Angeklagter, Anwalt, Zeuge, Richter, Peiniger, Gefängnis, Geißel, Vollstrecker, Stockmeister ist. Welch Entrinnen wäre hier möglich, wo der selbst Zeuge ist, der anklagt, und wo dem nichts verborgen sein kann, welcher richtet? Was nützt’s, wenn alle dich loben, und das Gewissen dich anklagt? Was wird es schaden können, wenn alle sich von dir lossagen, und das Gewissen dich verteidigt? Dieser einige Richter ist genug für einen jeden zum Anklagen, zum Richten, zum Verdammen. Dieser unbestochene Richter kann weder durch Bitten andern Sinnes, noch durch Geschenke andern Willens gemacht werden. Wohin du auch gehest, wo du auch bist, da ist immer dein Gewissen bei dir, und trägt bei sich, was du in es gelegt hast, es sei nun Gutes, oder Böses; dem Lebendigen bewahrt es und dem Gestorbenen erstattet es, was in es niedergelegt worden ist und was es zur Bewahrung empfangen hat. So sind in Wahrheit des Menschen Feinde seine eignen Hausgenossen Matth. 10,36, so hast du im eignen Hause und von der eignen Familie Ankläger, Beobachter und Peiniger. Was nützt’s in der Fülle des Überflusses leben und von der Geißel des Gewissens gefoltert werden? Der Quell des menschlichen Glückes und Elendes liegt in dem Herzen. Was hilft’s einem Fieberkranken auf einem goldnen Bette liegen? Was hilft’s einem von den Bissen des Gewissens Geängsteten an der Masse äußeren Glückes sich ergötzen? Wie groß die Sorge um das ewige Heil ist, so groß sei auch die Sorge um das Gewissen. Ist das gute Gewissen verloren, so wird auch der Glaube verloren. Ist der Glaube verloren, so wird die Gnade Gottes verloren. Ist die Gnade Gottes verloren, wie kann auf das ewige Leben gehofft werden? Wie das Zeugnis deines Gewissens ist, so wirst du auch das Gericht von Christo erwarten. Die Sünder werden, ohne dass sie jemand der Schuld zeihet oder etwas wider sie vorbringt, selbst ihre eigenen Verkläger werden. Wie der Trunkene, wenn er eine Masse Wein’s hinabgestürzt hat, keinen Schaden vom Weine merkt, hernach aber, wenn er vom Taumel erwacht ist, die nachteiligen Folgen der Trunkenheit empfindet: so auch verfinstert die Sünde, bis sie vollbracht wird, den Geist, und umdüstert gleich wie eine dicke Wolke den Glanz des wahrhaften Gerichts: hernach aber erhebt sich das Gewissen und nagt gewaltiger als irgend welcher Verkläger. Es sind drei Gerichte: das Gericht der Welt, das Gericht deiner selbst, und das Gericht Gottes. Wie du aber dem Gerichte Gottes nicht entlaufen kannst, so wirst du auch deinem eigenen Gerichte nicht entlaufen können, wenn du auch einmal dem Gericht der Welt entläufst. Es gibt keine Wände, die es verhindern können, dass dieser Zeuge deine Handlungen sieht. Welche Entschuldigung wird’s vermögen, dich in Schutz zu nehmen, wenn die innere Anklage dich verdammt? Die Ruhe des Gewissens ist der Anfang des ewigen Lebens. Wahrer und zu größerer Erquickung wirst du mitten in Trübsal des guten Gewissens dich freuen, als des bösen mitten in der Freude. Aller Anschuldigung der Boshaften wirst du die Entschuldigung des Gewissens entgegenstellen können. Frage dich über dich, weil du dich viel besser kennst, als irgend ein andrer Mensch. Was werden im letzten Gericht die falschen Lobeserhebungen anderer helfen, was die falschen Verunglimpfungen anderer schaden? Gottes und deinem Gerichte wirst du stehen oder fallen, nicht dem Zeugnisse anderer wirst du stehen oder fallen. Das Gewissen hat kein Ende, wie die Seele kein Ende hat. So lange werden die göttlichen Strafen die Verdammten drücken, als die Anklage des Gewissens dauern wird. Kein äußerliches Feuer greift den Körper so heftig an, als diese innerliche Flamme die Seele mit ihrem Brande angreift. Ewig ist die Seele, die den Brand empfindet, ewig das Feuer des Gewissens, welches brennt. Keine äußerlichen Streiche sind dem Leibe so lästig, als der Seele diese innerlichen Schläge beschwerlich sind. Hüte dich darum vor dem Fluch der Sünde, damit du der Marter des Gewissens entgehest. Tilge durch wahre Buße die Sünden aus dem Buche des Gewissens, damit sie im Gerichte nicht gelesen werden und du die Stimme des göttlichen Urteilsspruches nicht hören musst. Töte den Wurm des Gewissens durch den Eifer in der Demut, damit nicht sein Biss dir ewigen Schauder bereitet. Lösche dieses innerliche Feuer aus durch Tränen, damit du zu den Freuden der himmlischen Erquickung gelangest. O Herr, gib, dass wir den guten Kampf kämpfen, den Glauben und das gute Gewissen bewahren, auf dass wir endlich wohl behalten und unversehrt zum himmlischen Vaterlande gelangen!
34. VOM EIFER IN DER WAHREN DEMUT.
WAS IST DER MENSCH? WAS IST AUSZEICHNUNG? NICHTS SIND SIE?
Bedenke, o gläubige Seele, das elende Los des Menschen, und du wirst mit Leichtigkeit allen Versuchungen zum Hochmut entgehen Sir. 10,9. Der Mensch ist kläglich beim Eintritt, erbärmlich im Fortschritt, beklagenswert beim Austritt; er wird von den bösen Geistern bekämpft, durch Versuchungen beängstigt, durch Ergötzlichkeiten gereizt, durch Trübsale zu Boden geworfen, in Sünden verstrickt; er ist entblößt von Tugenden, in den Netzen böser Gewohnheiten gefangen. Was erhebst du dich also, Erde und Asche? Was warst du vor deinem Ursprunge? Ein stinkender Same. Was im Leben? Ein Kotsack. Was nach dem Tode? Eine Speise der Würmer. Ist was Gutes in dir, so ist das nicht dein eigen, sondern Gottes. Dein eigen ist nichts als die Sünde. Darum rechne dir nichts zu von dem, was in dir ist, außer deine Sünden. Du bist ein unnützer und treuloser Knecht, der mit den Gütern seines Herrn sich brüsten will. Siehe, o Mensch, das Beispiel Christi an. Ihm ist alle Herrlichkeit des Himmels zu Dienst, ja er selbst ist die wahre Herrlichkeit, und doch verachtet er allen weltlichen Ruhm. Er ruft noch: Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig, und von Herzen demütig Matth. 11,29. Ein wahrer Liebhaber Christi ist auch ein Nachfolger Christi. Wem Christus lieb ist, dem ist auch seine Demut lieb. Es erröte und schäme sich der Knecht, der stolz ist, da der Herr des Himmels so demütig ist. Es sagt unser Erlöser von sich, dass er eine Rose sei im Tal Hohel. 2,1, nämlich weil er selbst, der die edelste Blume ist, geboren wird und nicht auf den Bergen weilt, das ist, in stolzen und aufgeblasenen Herzen, sondern in den tiefer gelegenen Tälern, das ist, in den zerknirschten und demütigen Herzen der Frommen: denn fürwahr die demütige Seele ist der Sitz und die süße Ruhekammer Christi, wie ein Heiliger (Augustinus) sagt. Die wahre Gnade blähet nicht auf, sondern demütigt. Darum ist noch nicht teilhaftig der wahren Gnade, wer nicht in Demut des Herzens einher gehet. Die Ströme der göttlichen Gnade fließen niederwärts, nicht aufwärts. Wie die Wässer ihrer Natur nach nicht hoch gelegene Orte suchen, so strömet die göttliche Gnade nur hin zu demütigen Herzen. Im Psalm (113,5.6.) heißt’s: Der Herr hat sich hoch gesetzt, und siehet auf das Niedrige, im Himmel und auf Erden. In Wahrheit das ist wunderbar, dass wir zum erhabensten und höchsten Gott nur durch Demut gelangen. Wer in seinen Augen gering ist, der ist in Gottes Augen groß; wer sich missfällt, der gefällt Gott. Aus Nichts hat Gott Himmel und Erde gemacht. Wie es bei der Schöpfung gewesen ist, so ist es noch bei der Wiederherstellung des Menschen: Gott schafft aus Nichts Hebr. 11,3, stellt wieder her aus Nichts. Damit du also der Schöpfung und Wiederherstellung teilhaftig werdest, sei nichts in deinen Augen, das ist, miß dir nichts bei, schreibe dir nichts zu. Wir sind alle schwach und gebrechlich, für gebrechlicher aber halte niemanden als dich. Es schadet nicht, wenn du dich für schwächer als alle hältst und aus Demut allen dich unterordnest; aber sehr viel schadet es, wenn du auch nur einem dich vorziehst. Vier und zwanzig Älteste, das ist, die ganze triumphierende Kirche wirft ihre Kronen nieder vor dem Throne Off. Joh. 4,10: erteilt alle Gerechtigkeit und Ruhm Gott. Was soll also der elende Sünder tun? Die Seraphim, heilige Engel, decken ihr Antlitz vor der göttlichen Majestät Jes. 6,2. Was soll der Mensch tun, dieses so geringe und gegen seinen Schöpfer so vielfach undankbare Geschöpf? Christus, der wahrhaftige und eingeborne Sohn Gottes, stieg aus bewunderungswürdiger Demut herab aus dem Himmel und nahm unsere hinfällige Natur an, ließ sich herab ins Fleisch, in den Tod, ins Kreuz Phil. 2,8. Was soll der Mensch tun, der durch Sünden so weit sich von Gott entfernt hat? Siehe, o gläubige Seele, durch welch eine bewunderungswürdige Demut Christus unsern Hochmut geheilt hat, und du hast noch Lust zum Hochmut? Auf dem Wege der Demut und des Leidens ist Christus zu seiner Herrlichkeit eingegangen Luk. 24,26, und du wandelst auf dem Wege des Hochmuts und denkst, du kannst zur himmlischen Herrlichkeit gelangen? Der Teufel ist um des Hochmuts willen aus dem himmlischen Reiche gestoßen worden, und du, da du noch nicht in der himmlischen Herrlichkeit gewesen bist, strebst dahin auf dem Wege des Hochmuts? Adam ist um des Hochmuts willen aus dem Paradiese getrieben worden 1 Mos. 3,24, und du begehrst auf dem Wege des Hochmuts zu dem himmlischen Paradiese zu gelangen? Wünschen wir vielmehr zu dienen und mit Christo die Füße anderer zu waschen Joh. 13,4.5, als mit dem Teufel um eine würdevollere Stellung uns zu bemühen! Demütigen wir uns in diesem Leben, auf dass wir in dem zukünftigen erhöhet werden! Nicht was du hast, sondern was dir mangelt, das bedenke immer, o gläubige Seele! Betrübe dich mehr über die Tugenden, die du nicht hast, als dass du dich rühmen magst der Tugenden, welche du hast. Die Tugenden halte geheim, die Sünden offenbare; denn es steht sehr zu befürchten, dass, wenn du den Schatz der guten Werke durch Rühmen bekannt machst, der Teufel dir ihn wegraubt durch Hochmut. Das Feuer erhält sich am besten, wenn es mit Asche bedeckt wird: so wird das Feuer der Liebe nie sicherer bewahrt, als wenn es unter der Asche der Demut verborgen wird. Hochmut ist die Wurzel aller Sünden, hüte dich also vor Überhebung, damit dir’s nicht begegne, dass du in den Abgrund der Sünden gestürzet wirst. Der Hochmut ist ein erwünschtes Ruhekissen des Teufels; hüte dich also vor Überhebung, damit dir’s nicht begegne, dass deine arme Seele vom Teufel unterjocht wird. Der Hochmut ist ein brennender und den Quell der göttlichen Gnade austrocknender Wind; hüte dich also vor Überhebung, damit dir’s nicht begegne, dass du von der göttlichen Gnade getrennt wirst. Heile, o Christe, die Aufgeblasenheit unsers Hochmuts! Deine heilige Demut sei uns das Mittel zum ewigen Leben, sie sei uns aber auch das Vorbild für unser Leben. Unser Glaube halte sich voll Zuversicht an deine Demut, und unser Leben ahme derselben beharrlich nach.
35. FLIEHE DEN GEIZ.
WER IST IN WAHRHEIT ARM? DER GEIZIGE.
Wie lieblich das Heil der Seele ist, so hässlich muss die Sünde des Geizes sein. Der Geizige ist der Ärmste unter allen, weil ihm das, was er hat, eben so fehlt, wie das, was er nicht hat. Der Geizige ist der Elendeste unter allen, weil er gegen niemanden gut, gegen sich aber am Bösesten ist. Hoffart treibt zu allen Sünden Sir. 10,15, Geiz ist eine Wurzel alles Übels 1 Tim. 6,10, jene durch Abneigung von Gott, diese durch Hinneigung zu den Geschöpfen. Der Reichtum verursacht Mühe beim Erwerb, erzeugt Furcht im Besitz, weckt Schmerz beim Verlust, und was noch schlechter ist, die Arbeit der Geizigen ist nicht allein vergänglich, sondern auch verderblich; der Reichtum verlässt dich, oder du ihn. Setzest du daher deine Hoffnung auf Reichtum, welche Hoffnung wirst du haben in der Stunde des Todes? Wie wirst du deine Seele Gott befehlen, wenn du die Sorge deines Leibes ihm nicht befiehlst? Dem allmächtigen Gott bist du ein Gegenstand der Sorge; warum zweifelst du, dass er dich erhalten könne? Dem allweisen Gott bist du ein Gegenstand der Sorge; warum bist du in Ungewissheit, wie er dich erhalten wolle? Dem gnadenreichsten Gott bist du ein Gegenstand der Sorge; warum zweifelst du, ob er dich erhalten wolle? Du hast die Handschrift Christi, des Herrn aller im Himmel und auf Erden, dass nichts von dem, weß der Mensch bedarf, denen mangeln werde, welche nach dem Reiche Gottes trachten Matth. 6,33. Verlass dich auf diese Zusage Christi, sie wird nicht trügen, denn er ist die Wahrheit Joh. 14,6. Der Geiz ist die höchste Abgötterei Kol. 3,5, weil sie die Geschöpfe an den Platz Gottes stellt. Der Geizige trägt das Gott schuldige Vertrauen auf die Geschöpfe über. Was mehr geliebt wird als Gott, das wird Gott vorgezogen. Was Gott vorgezogen wird, das wird an den Platz Gottes gestellt. Esau verkaufte das Recht seiner Erstgeburt für eine Mahlzeit 1 Mos. 25,33: so verlieren viele das von Christo erworbene Erbe des himmlischen Reichs um des Erwerbs willen von zeitlichen Gütern. Judas verkaufte Christum für dreißig Silberlinge Matth. 26,15: die Geizigen verkaufen die Gnade Christi für zeitlichen Reichtum. Wie kann der sein Verlangen auf das Himmelreich richten, welcher täglich sich sättiget mit dem Futter der Säue? Wie kann der mit Erhebung des Herzens nach Gott streben, welcher die Ruhe der Seele im Reichtum zu finden sucht? Reichtümer sind Dornen, sagt die Wahrheit Matth. 13,22. Wer also den Reichtum liebt, der liebt in Wahrheit die Dornen. O ihr Dornen, wie viele Seelen ersticket ihr! Die Dornen hindern das Emporsprossen des Samens: so hindert die Sorge um den Reichtum die geistliche Frucht des Wortes. Die Dornen verletzen den Körper mit Stichen: so ängstet der Reichtum die Seele mit Sorgen. Du wirst verloren gehn, wenn du nur vergänglichen Reichtum sammelst. Die Schätze auf Erden sammeln, die sind gleich denen, welche ihre Feldfrüchte in tiefen und feuchten Örtern aufbewahren, ohne zu beachten, dass es gar nicht anders kommen könne, als dass sie da sehr schnell dumpfig werden. Wie töricht sind die, welche in den Reichtum das Ziel ihrer Wünsche stellen! Wie kann eine leibliche Sache die Seele, welche Geist ist, stillen, da vielmehr die geistige Natur durch eigne Kraft das Leibliche so in sich fasst, dass sie durch keine Menge kann ausgefüllt werden? Die Seele ist für die Ewigkeit geschaffen; du tust ihr Schmach an, wenn du das Ziel ihrer Wünsche in Zeitliches und Vergängliches setzest. Je mehr die Seele zu Gott erhoben wird, um so mehr wird sie von der Liebe des Reichtums abgezogen. Alles, je näher es dem Himmlischen ist, um so weniger begehrt und sammelt es das Geringere, wie die Vögel unter dem Himmel weder säen, noch ernten Matth. 6,26. Es ist ein großes Zeichen, dass die Seele auf das Himmlische denkt, wenn sie die irdischen Güter gering achtet und verachtet. Die Mäuse und die kriechenden Geschöpfe sammeln in Höhlen, denn sie sind von niederer Art und von unedlerer Natur als die Vögel. Ein großes Zeichen ist es, dass die Seele von Gott abgewendet und an das Irdische geheftet ist, wenn sie dem Reichtum mit unordentlicher Liebe anhängt. Gott hat dir die Seele gegeben, und du vertrauest ihm die Sorge des Fleisches nicht an? Die Vögel unter dem Himmel nährt Gott, und du zweifelst, ob er dich erhalten wolle, da du doch zu seinem Bilde geschaffen bist? Die Lilien auf dem Felde kleidet Gott Matth. 6,29, und du zweifelst, ob er für deine Kleidung Sorge tragen wolle? Schäme dich, dass der Glaube und die Vernunft das bei einem Menschen nicht ausrichten kann, was der natürliche Instinkt beim Vogel ausrichtet. Die Vögel säen weder, noch ernten sie, aber die Sorge für ihren kleinen Leib überlassen sie Gott. Die Geizigen messen den Worten Gottes keinen Glauben bei, bevor sie selbst für ihre Erhaltung Vorsorge treffen. Der Geizige ist der Ungerechteste. Warum? Weil er nichts mit in die Welt gebracht, und doch so besorgt um die irdischen Güter ist, als wollte er das Allermeiste mit sich aus der Welt nehmen. Der Geizige ist der Undankbarste. Warum? Weil er vieler Güter Gottes genießt, und niemals mit Vertrauen des Herzens zum Geber der Güter sich erhebt. Der Geizige ist der Törichste. Warum? Weil er das wahre Gut verlässt, ohne das es nichts wahrhaft gutes gibt, und dem anhanget, was ohne Gottes Gnade kein Gut ist. Wer von der Liebe zum Irdischen gefesselt wird, der besitzt nicht, sondern er wird besessen. Der Geiz wird weder durch Fülle, noch durch Mangel getilgt. Durch den Mangel wird er darum nicht gemindert, weil die Habgier wächst, wenn das nicht erlangt werden kann, was lange ersehnt ist. Durch die Fülle wird er darum nicht gemindert, weil der Geizige nur um so mehr sucht, je mehr er an sich bringt. Wenn erlangt wird, was von dem Geize ersehnt ward, so wird zugleich ein neuer Grund des Begehrens geweckt; und so wächst er nach Art des Feuers, wenn es das Holz, das es verzehrt, empfangen hat. Der Geiz ist zuerst ein kleiner Gießbach, hernach aber wächst er ins Unermessliche. Darum setze der Begierde nach Reichtum ein Ziel, damit nicht jene Begierde dich zum ewigen Verderben fortreiße. Viele verschlingen in diesem Leben, was sie nachher in der Hölle zu verdauen haben: viele, indem sie nach Gewinn schmachten, rennen in das augenscheinlichste Verderben. Das erwäge, andächtige Seele, so viel du vermagst, und fliehe den Geiz. Nichts von den Gütern wirst du mit dir nehmen zum Gericht, außer was du den Armen gegeben hast. Versage den Armen deine vergänglichen und hinfälligen Güter nicht, für die Christus sein Leben zu lassen nicht verschmähet hat. Gib dem Armen, damit du dir gibst. Was du dem Armen wirst nicht gegeben haben, das wird ein anderer haben. Der ist zu geizig, dem der Herr nicht genügt: der hofft in Wahrheit noch nicht auf das Himmlische, der die irdischen Güter hoch schätzt. Wie würde der sein Leben für den Bruder lassen 1 Joh. 3,16, der dem Bruder, der ihn bittet, eine leibliche Gabe versagt? Der Schatz im Himmel ist die Hand des Armen; was sie aufnimmt, damit es nicht auf der Erde verloren gehe, das legt sie im Himmel nieder. Willst du Christo einen angenehmen Dienst erweisen? Erzeige den Armen eine Wohltat: was an den Gliedern Gutes getan wird, das nimmt das Haupt an, gleich als wäre es ihm getan Matth. 25,40. Christus spricht zu dir: Gib mir von dem, was ich dir von dem Meinen gegeben habe. Tue Gutes von dem Guten, um deswillen du noch nicht gut bist, damit du dir Gutes erwerbest. Teile richtig das Irdische aus, damit du es bewahrst, denn durch zu großes Kargen wirst du es verlieren. Höre Christi Mahnung, damit du nicht dereinst im Gericht ihn müssest sagen hören: Gehet hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich nicht gespeist Matth. 25,41.42. Eine heilige Saat ist das Almosen; je nachdem sie kärglich oder reichlich gestreuet ist, wird die Ernte entweder eine kärgliche oder reichliche sein 2 Kor. 9,6. Willst du zur Zahl der Schafe gehören, so erweise auch den Schafen Gutes. Laß dich die Böcke erschrecken, die zur Linken gestellt sind, nicht weil sie geraubt, sondern weil sie nicht geweidet haben. Neige, o Gott, unser Herz zu deinen Zeugnissen, und nicht zum Geiz! Ps.119,36.
36. VON DEN EIGENSCHAFTEN DER WAHREN LIEBE.
DAS KENNZEICHEN DER HEILIGEN IST DIE LIEBE.
Die wahre und reine Liebe ist eine bleibende Eigenschaft der Frommen. Kein Christ ist ohne Glauben, kein Glaube ohne Liebe; wo der Glanz der Liebe fehlt, da fehlt auch das Feuer des Glaubens. Trenne das Licht von der Sonne, und du wirst die Liebe vom Glauben trennen können. Die Liebe ist das äußere Tun des innern Lebens eines Christenmenschen. Der Leib ist tot ohne das Atmen: so ist der Glaube tot ohne die Liebe Jak. 2,26. Wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein Röm. 8,9. Der hat Christi Geist nicht, der nicht die Gabe der Liebe kund werden lässt, denn die Frucht des Geistes ist Liebe Gal. 5,22. Der Baum wird nur dann für einen guten erkannt, wenn man sieht, dass er gute Früchte bringt Matth. 7,16.17. Die Liebe ist das Band der christlichen Vollkommenheit Kol. 3,14. Wie die Glieder des Leibes durch den Geist, das ist, durch die Seele verbunden werden, so werden die wahren Glieder des geheimnisvollen Leibes durch den heiligen Geist vermittelst des Bandes der Liebe vereinigt. Im Tempel Salomo’s war alles mit Gold überzogen, inwendig und auswendig 1 Kön. 6,21.22: so sei in dem geistlichen Tempel Gottes alles mit Liebe geziert inwendig und auswendig. Die Liebe bewege das Herz zum Mitleiden, die Liebe bewege die Hand zu reichlichem Wohltun. Das Mitleiden reicht nicht hin, wenn nicht das äußere reichliche Wohltun hinzu kommt, und das äußere reichliche Wohltun reicht auch nicht hin, wenn nicht das innere Mitleiden hinzu kommt. Der Glaube empfängt alles von Gott, die Liebe teilt alles wieder aus an den Nächsten. Durch den Glauben werden wir teilhaftig der göttlichen Natur 2 Petr. 1,4, Gott aber ist die Liebe 1 Joh. 4,16. Wo daher die Liebe sich äußerlich nicht kund gibt, da glaube keiner, dass der Glaube innerlich vorhanden sei. Keiner glaubt an Christum, der Christum nicht liebt; keiner liebt Christum, außer wer auch seinen Nächsten liebt. Der hat mit der wahren Zuversicht des Herzens die Wohltat Christi noch nicht ergriffen, welcher seinem Nächsten die schuldige Pflicht versagt. Das ist kein wahrhaft gutes Werk, das nicht aus dem Glauben kommt Röm. 14,23; und das ist auch kein wahrhaft gutes Werk, das nicht aus der Liebe kommt; denn die Liebe birgt in sich den Keim aller Tugenden. Es gibt keine gute Frucht, außer welche aus der Wurzel der Liebe hervorgeht. Die Liebe ist der geistliche Geschmack der Seele; denn ihr allein schmeckt alles Gute, alles Bittere, alles Widerwärtige, alles Mühevolle. Der Geschmack der Liebe macht auch den Tod sehr angenehm, weil die Liebe stark ist wie der Tod Hohel. 8,6, ja stärker als der Tod, weil die Liebe Christum zum Tode geführt hat. Die Liebe erweckt auch die wahrhaft Frommen, dass sie für Christum zu sterben kein Bedenken tragen. Alle Werke Gottes gehen hervor aus der Liebe, auch sogar die Strafen: so sollen auch alle Werke eines Christenmenschen hervorgehen aus der Liebe. In allen Geschöpfen hat Gott uns einen Spiegel der Liebe vorgestellt. Die Sonne und der Mond leuchten nicht sich, sondern uns; die Kräuter reinigen nicht sich, sondern unsere Leiber; die Luft, das Wasser, die unvernünftigen Tiere und alle Geschöpfe dienen dem Menschen: so stelle auch du dich selbst ganz in den Dienst des Nächsten. Die Zungen nützen nichts ohne die Liebe 1 Kor. 13,1, denn ohne die Liebe bläset das Wissen der Zungen auf, die Liebe aber bessert 1 Kor. 8,1. Das Wissen der Geheimnisse nützt nichts ohne die Liebe 1 Kor. 13,2, denn auch dem Teufel sind die Geheimnisse bekannt, die Liebe aber ist nur dem Frommen eigen. Auch der Glaube, der Berge versetzt, nützt nichts ohne die Liebe 1 Kor. 13,2, weil solcher Glaube nur Bewunderung erregt, nicht aber Heil schafft. Die Liebe zeichnet sich aus durch die Gabe, Wunder zu tun, denn jene ist das unzweifelhafte Kennzeichen wahrer Christen, diese aber wird auch zuweilen den Gottlosen zu Teil Mark. 9,38. Luk. 7,22. Es hilft nichts, alle seine Habe den Armen geben, wenn die Liebe fehlt 1 Kor. 13,3, weil die äußere Tat eine heuchlerische ist, wenn die innere Liebe fehlt. Die Bäche des Wohltuns helfen nichts, wenn sie nicht aus der Quelle der Liebe entspringen. Die Liebe ist langmütig 1 Kor. 13,4, denn nicht leicht zürnt einer dem, den er liebt. Die Liebe ist freundlich 1 Kor. 13,4; denn wie könnte, wer sein Herz, das höchste Gut der Seele durch die Liebe verschenkt hat, die kleineren äußeren Güter versagen? Die Liebe eifert nicht 1 Kor. 13,4, denn die Güter des andern sieht sie an wie ihre eigenen. Die Liebe treibt nicht Mutwillen 1 Kor. 13,4, denn niemand verletzt den leicht, den er wahrhaft und herzlich lieb hat. Die Liebe blähet sich nicht 1 Kor. 13,4, denn durch die Liebe werden wir eines Leibes Glieder, aber ein Glied hält sich nicht für besser als das andere. Die Liebe stellt sich nicht ungebärdig 1 Kor. 13,5, denn dem Zornigen ist es eigentümlich, sich ungebärdig stellen, die Liebe aber ist der Zaum des Zorns. Die Liebe, sucht nicht das Ihre 1 Kor. 13,5, denn was einer liebt, das zieht er sich selbst vor, und dessen Vorteil sucht er mehr, als den seinigen. Die Liebe lässt sich nicht erbittern 1 Kor. 13,5, denn aus dem Hochmut kommt aller Zorn, die Liebe aber unterwirft sich allen. Die Liebe trachtet nicht nach Schaden 1 Kor. 13,5, denn wen man einem andern Unfall bereiten sieht, der zeigt eben damit, dass er denselben noch nicht wahrhaft liebt. Die Liebe freut sich nicht der Ungerechtigkeit 1 Kor. 13,6; denn die Liebe macht das Elend anderer zu dem ihrigen. Die Liebe verträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles 1 Kor. 13,7; denn was die Liebe sich erwiesen zu sehen wünscht, das wehrt sie sich auch nicht andern zu erweisen. Die Sprachen werden aufhören, die Weissagungen werden aufhören, das Wissen wird aufhören, die Liebe wird nicht müde 1 Kor. 13,8, sondern ihre Unvollkommenheit wird in dem zukünftigen Leben vollkommen gemacht, und ihre Vollkommenheit wird in dem zukünftigen Leben vermehrt werden. Zwei Altare hat Gott in der Stiftshütte errichten lassen, das Feuer ward von dem äußeren auf den inneren getragen: eine zweifache Kirche hat Gott gesammelt, eine streitende und eine triumphierende: das Feuer der Liebe wird einst von der streitenden auf die triumphierende übergetragen werden. Das erwäge, andächtige Seele, und befleißige dich der heiligen Liebe: welcher Art auch dein Nächster sein mag, er ist es, für den Christus hat sterben wollen Röm. 14,15. Was also sträubst du dich dem Nächsten Liebe zu erweisen, da Christus kein Bedenken getragen hat, das Leben für ihn zu lassen? Wenn du Gott aufrichtig liebst, so musst du auch sein Ebenbild lieben. Wir sind alle ein geistlicher Leib Eph. 4,4; darum haben auch alle nur eine geistliche Seele. Es ist unrecht, dass die uneins sind auf Erden, welche einst miteinander leben wollen im Himmel: wenn die Herzen einstimmig sind in Christo, dann mögen auch die Verlangen mit einander verbunden sein. Wir sind Knechte eines Herrn Eph. 4,5; es ist nicht recht, wenn wir nicht einstimmig sind. Das ist ein totes Glied des Leibes, welches das Leiden des andern nicht fühlt: der halte sich nicht für ein wirkliches Glied des geheimnisvollen Leibes Christi, welcher kein Mitleid hat mit dem andern, das leidet. Es ist ein Gott und Vater aller Eph. 4,6, den du als Christi Jünger täglich als Vater anrufest Matth. 6,9. Wie wird der dich als seinen wahrhaftigen Sohn anerkennen, wenn du nicht gleicherweise seine Kinder für Brüder erkennest? Den Menschen, der von Gott dir befohlen ist, liebe, wenn er’s verdient, denn er ist’s wert, dass du ihn liebst; ist er’s aber nicht wert, so liebe ihn gleichwohl, weil’s Gott verdient, dass du ihm gehorchst. Liebst du einen feindseligen Menschen, so zeigst du, dass du ein Freund Gottes bist. Achte nicht auf die Kränkungen, die ein Feindseliger dir zufügt, sondern achte auf die Wohltaten, die dir der zufließen lässt, der gebietet, dass du den Feind lieben sollst Matth. 5,44.45. Die Nächsten sind wir einander durch das Verhältnis der irdischen Geburt, und Brüder durch die Hoffnung auf das himmlische Erbe. Darum wollen wir uns gegenseitig lieben. Entzünde in uns, o Gott, das Feuer der Liebe durch deinen heiligen Geist!
37. VON DEM EIFER UM DIE KEUSCHHEIT.
EIN KEUSCHES GEMÜT IST DIE RUHESTÄTTE CHRISTI.
Wer ein wahrer Jünger Christi sein will, der muss sich der heiligen Keuschheit befleißigen. Ein keuscher und reiner Geist ist der allbarmherzige Gott; mit keuschen Bitten musst du ihn anrufen. Es hat ein Weiser gesagt, dass die Unbeflecktheit des Leibes und die Unbescholtenheit der Seele zwei Schlüssel der Gottesfurcht und der Glückseligkeit sind. Wenn der Leib nicht rein und unbefleckt von Hurerei erhalten wird, so wird auch die Seele im Gebete nicht entbrennen können. Unser Leib ist ein Tempel des heiligen Geistes 1 Kor. 6,19; mit allem Fleiße müssen wir uns hüten, dass wir diese heilige Wohnung des heiligen Geistes nicht beflecken. Unsere Leiber sind Christi Glieder 1 Kor. 6,15; wir müssen uns hüten, dass wir nicht die Glieder Christi nehmen und Hurenglieder daraus machen. Dem Herrn wollen wir durch Glauben und Keuschheit anhangen 1 Kor. 6,17; der Hure wollen wir nicht anhangen, dass wir nicht mit ihr ein Fleisch werden 1 Kor. 6,16. Die Sodomiten, die in Lüsten entbrannt waren, wurden vom Herrn mit Blindheit geschlagen 1 Mos. 19,11, mit leiblicher und mit geistlicher. Dieselbe Strafe trifft heute noch die unreinen Menschen. Die Lüste der Sodomiten wurden mit Schwefel und Feuer, das vom Himmel fiel, gerächt 1 Mos. 19,24: so wird Gott die Brunst jener schändlichen Begierde in den Hurern mit ewigem Feuer anbrennen; dies Feuer wird nicht verlöschen und der Rauch ihrer Qual wird aufsteigen von Ewigkeit zu Ewigkeit Off. Joh. 14,11. Draußen, das ist, außerhalb des himmlischen Jerusalem sind die Hunde, das ist, die unreinen und wollüstigen Menschen Off. Joh. 22,15. Christus hat uns mit seinem teuren Blute abgewaschen in der heiligen Taufe, mit allem Eifer müssen wir uns hüten, dass wir nicht durch unreine Lüste uns beflecken. Selbst unter Leitung der Natur schämen sich die Gottlosen solche Schandtaten vor den Augen der Menschen zu vollführen, und doch schämen sie sich nicht, dieselben vor den Augen Gottes und der Engel zu vollführen. Keine Wände können die Augen Gottes, die viel heller sind als die Sonne Sir. 23,28, am Sehen hindern; keine Winkel machen die Gegenwart der heiligen Engel unmöglich, keine Einsamkeit bringt das innere Zeugnis des Gewissens zum Schweigen. Das ist zu Verwundern, dass die Brunst der Ausschweifung gleichsam zum Himmel aufsteigt, da doch der Gestank derselben zur Hölle niedersteigt. Jener kurze Sinnenrausch wird ewigen Schmerz erzeugen; einen Augenblick währt, was ergötzt, ewig währt, was peinigt; kurz ist der Sinnenrausch der Hurerei, ewig die Strafe des Hurers Hebr. 13,4. Das Andenken an den Gekreuzigten kreuzige in dir dein Fleisch. Das Andenken an die Hölle tilge in dir die Brunst der Begierde. Die Tränen der Reue löschen in dir das Feuer der unreinen Lust aus. Die Furcht vor Gott töte dein Fleisch, damit die Lust des Fleisches dich nicht verführe. Bedenke, dass das Verlangen der Lust voll Angst und Unverstand, die Tat voll Schande und Schmach, das Ende voll Reue und Schimpf ist. Siehe nicht an das gleißnerische Antlitz des bösen Geistes, der zur unreinen Lust anreizt, sondern den Schwanz, mit dem er sticht, wenn er flieht. Betrachte nicht die Kürze der Vergnügung, sondern vielmehr die Ewigkeit der Verdammnis. Habe deine Lust an der Kenntnis der Schrift, und du wirst deine Lust nicht haben an den Lüsten des Fleisches. Richte immer irgend eine Arbeit aus, damit der Versucher, wenn er kommt, dich beschäftigt findet. Den David hat er in der Stunde der Muße verführt 2 Sam. 11,2; den Joseph konnte er im Dienste nicht verführen 1 Mos. 39,9. Denke an den Tod, der alle Stunden bevorsteht, und es wird dir leicht sein, alle Lust des Fleisches zu Verachten. Liebe die Mäßigkeit, und du wirst leicht die schändliche Begierde überwinden. Ein Leib, glühend vom Wein, schäumt rasch über in die unreine Lust: die Keuschheit ist in Gefahr im Genusse. Wenn du daher das Fleisch in unmäßigen Genüssen weidest, so nährst du dir selbst einen Feind. Das Fleisch musst du so nähren, dass es diene, so zähmen, dass es sich nicht erhebe Röm. 13,14. Denke an den Schrecken des letzten Gerichts, und du wirst die Brunst der unreinen Lust leicht dämpfen. Der Rat der Herzen wird offenbaret werden 1 Kor. 4,5; wie viel mehr die im Finstern vollbrachten Taten? Rechenschaft wird gegeben werden müssen auch von unnützen Worten Matth. 12,36; wie viel mehr von unflätigen Reden? Rechenschaft wird gegeben werden müssen von schändlichen Worten; wie viel mehr von unreinen Taten? So lange dein Leben gedauert hat, so lange wird auch deine Anklage dauern: soviel deiner Sünden waren, so viel werden deiner Ankläger sein. Die Gedanken, über die wir aus Gewohnheit uns keine Gedanken machten, werden nicht unerörtert bleiben. Was nützt’s also, dass deine Hurerei eine Weile vor Menschen verhehlt wird, da sie am Tage des Gerichts vor den Augen aller ohne Ausnahme muss geoffenbaret werden? Was nützt’s, dem Stuhle des irdischen Richters entgehen, da du doch dem Stuhle des himmlischen Richters nicht entgehen kannst? Diesen Richter wirst du nicht mit Geschenken bestechen können; denn er ist der gerechteste Richter. Du wirst ihn auch nicht durch Bitten von seinem Urteilsspruche abbringen können; denn er ist der strengste Richter. Du wirst auch seinem Gebiete und seiner Rechtspflege nicht entlaufen können; denn er ist der mächtigste Richter. Du wirst ihn auch nicht mit nichtigen Entschuldigungen täuschen können; denn er ist der weiseste Richter. Du wirst auch wider den gefällten und gesprochenen Schluss keinen Einspruch erheben können; denn er ist der höchste Richter. Da wird Wahrheit in der Untersuchung, Offenheit in der Veröffentlichung, Strenge in der Vollstreckung sein. Darum, andächtige Seele Gottes, schwebe dir immer der Ernst dieses Richters vor; so wird dich die Brunst der unreinen Begierde nicht verführen. Sei die Rose der Liebe, das Veilchen der Demut und die Lilie der Keuschheit: lerne von Christo Matth. 11,29, deinem Bräutigam, Demut, lerne auch von ihm Keuschheit. Groß ist die Würde der Keuschheit, weil sie in dem Leibe Christi geheiligt worden ist: groß ist die Würde der Keuschheit, weil sie im Fleische außer dem Fleische leben macht. Wie es nichts erbärmlicheres gibt, als vom Fleische überwunden werden, so gibt es nichts herrlicheres, als das Fleisch überwinden. Und nicht bloß die äußeren Hurereien sind zu fliehen, sondern auch die unreinen Gedanken, weil Gott nicht bloß der Richter der äußeren Handlungen, sondern auch der innern Gedanken ist. Durch’s Gesicht wird oft die Frömmigkeit, durch die Augen oft die Keuschheit verletzt, höre, was die Wahrheit spricht: Wer ein Weib ansieht, ihrer zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen Matth. 5,28. So schwer dieser Kampf ist, so ruhmvoll wird der Sieg sein. Schwer ist es, die mannigfache Glut der Lust zu dämpfen: die noch nicht Mannbaren stachelt sie auf, die reife Jugend entzündet sie, die Alten und Abgelebten macht sie laß und träge, sie verschmäht die Hütten nicht, sie scheuet die Paläste nicht. Aber so schwer es hier ist zu kämpfen, so preiswürdig wird es sein zu triumphieren. Die ersten heftigen Regungen müssen sofort unterdrückt, und dieser Flamme darf durch gottlosen Gedanken keine Nahrung zugeführt werden. Da der Apostel erklärt hat, dass man allen Lastern Widerstand entgegen setzen muss, gebietet er wider die Hurerei nicht das Handgemeinwerden mit ihr, sondern die Flucht: Fliehet, spricht er, die Hurerei 1 Kor. 6,18. Wie ein fremder Bettler, der mit geheuchelter Unschuld sich naht, um uns zu hintergehen, sich entfernt, wenn wir ihn nicht zulassen; aber wenn wir ihn bei uns eintreten lassen, Gast wird, Kräfte sammelt, endlich, wenn wir ihm in allen zu Willen sind, Herr wird, so reizen uns die Bewegungen der schandbaren Lust; wenn wir sie nicht hätscheln, weichen sie. Wenn du willst, dass dieser Feind nicht über dich herrsche, so nimm ihn nicht auf in das Haus deines Herzens. Bewahre uns, o Gott, in der Heiligkeit der Seele, und in der Keuschheit des Leibes!
38. VON DER FLUCHT DES GEGENWÄRTIGEN LEBENS.
WAS IST DAS LEBEN DER MENSCHEN? EIN ZYLINDER.
Bedenke, andächtige Seele, das Elend und die Flucht dieses Lebens, damit dein Herz erhoben werde zur Sehnsucht nach dem himmlischen Erbteil. Während dieses Leben zunimmt, nimmt es zugleich ab; während es vermehrt wird, wird es zugleich vermindert: was zu ihm hinzu kommt, das geht auch zugleich von ihm ab. Ein Punkt von Zeit ist es, was wir leben, und noch weniger als ein Punkt; indem wir uns umdrehen, wird die Ewigkeit da sein. Wir sind im Leben gleichwie in einem fremden Hause. Abraham hatte in dem Lande Kanaan kein Grundstück zum Wohnen, sondern nur ein Erbbegräbnis 1 Mos. 23,4ff.: so ist das gegenwärtige Leben der Ort der Herberge und des Begräbnisses. Der Anfang dieses Lebens ist sofort der Eingang des Todes. Unser Leben ist einem Schiffenden ähnlich; wer schifft, er stehe nun, oder sitze, oder liege, der kommt immer näher hinzu zum Hafen, und nimmt den Lauf dahin, wohin er vom Laufe des Schiffes geführt wird: so werden auch wir, wir wachen nun, oder wir schlafen; wir liegen nun, oder wir wandeln; wir wollen nun nicht, oder wir wollen, durch die Augenblicke der Zeit immer hin zum Ende geführt. Dieses Leben ist vielmehr Tod, weil wir alle Tage sterben, wiefern wir nämlich alle Tage etwas von unserm Leben wegnehmen. Dieses Leben ist voll Schmerzes im Betreff der Vergangenheit, voll Mühe im Betreff der Gegenwart, voll Angst im Betreff der Zukunft. Der Eingang in dieses Leben ist klägl