DAS SECHZEHNTE KAPITEL. (4.B./2.T./16.K.)

 

EINE GEMEINE REGEL UND LEHRE, WIE UND WELCHERGESTALT

DER MENSCH GOTT GEBEN SOLL, WAS ER IHM SCHULDIG IST.

 

Inhalt.

1) Die Kreaturen lehren uns, wie wir Gott 1. eine reife, vollkommene, süße Frucht der Liebe bringen sollen; 2) und 2. aus lauterer Einfalt, ohne Betrug und Eigen-nutz.

 

Mein Freund komme in seinen Garten, und esse seiner edlen Früchte.

Hohel. 4,17.

 

Der Mensch ist schuldig, ebenermaßen Gott zu lieben, gleichwie die Kreaturen von Gott geordnet sind, dem Menschen zu dienen; und also hat Gott die Krea-turen zu unsern Schulmeistern und Lehrern verordnet. Sehet einen Baum an, der gibt nicht allein seine Früchte dem Menschen, sondern er gibt sie ihm auch 1) wohl reif, zeitig, süß, wohlschmeckend, vollkommen und angenehm, sonst nähme sie der Mensch nicht an, wenn sie unzeitig, bitter, verdorben wären, und so hätten die Bäume vergeblich gearbeitet; also soll der Mensch Gott nicht allein seine Dienste bezeugen, als Liebe, Furcht, Ehre, sondern es soll auch eine wohlreife, vollkommene, süße, angenehme Frucht sein. Sie wird aber lieblich und angenehm durch Christum, und in Christo, durch den heiligen Geist, der alle gute Früchte in uns wirket. Und daran soll er höchsten Vermögens arbeiten mit sei-nem Glauben und Gebet, dass seine Frucht angenehm sei. Gleichwie ein Baum aus allen Kräften durch die vier Jahrzeiten daran arbeitet, dass seine Frucht angenehm und lieblich sei dem Menschen. Denn Gott will so wenig eine bittere, faule, unreife Frucht vom Menschen haben, als der Mensch von einem Baum, oder alle Arbeit des Menschen ist verloren.

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2. Und wie die Bäume dem Menschen dienen 2) ohne allen Betrug und List, sondern in höchster Einfalt, wissen selbst nicht, was sie machen, und ihre Natur ist, dass sie den Menschen erfreuen, und der Mensch seine Lust an Bäumen, Blumen und Tieren sehe; also soll der Mensch aus lauter Einfalt, ohne allen Eigennutz und Verdienst, ohne allen Betrug und List, ohne alle Eigenehre Gott dienen aus reinem Herzen, gutem Gewissen und ungefärbtem Glauben, nur dass er seinen Schöpfer erfreue. Und das ist die allgemeine Regel und Lehre aus der Natur, wie und welchergestalt der Mensch Gott dienen soll, nämlich, dass er nicht aufhören soll, bis so lange seine Frucht Gott angenehm sei. Und also kann der Mensch aus der Natur erkennen, dass aller erdichteter Gottesdienst, auch alles, was List und Betrug ist, Gott nicht gefalle, sondern bei ihm, als eine verdorbene Frucht, so ganz und bitter und verwerflich sei.

 

Gebet um Gnade, ein fruchtbarer Liebesbaum zu sein.

 

O dass ich dir mein Schöpfer! als ein guter Baum, gute und angenehme Früchte bringen möchte, in aller Einfalt und Lauterkeit. Dazu aber bereite mich durch Jesum Christum, in der Kraft deines Geistes, Amen.

 

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