DAS SECHSUNDDREISSIGSTE KAPITEL. (1.B./36.K.)

 

WER IN CHRISTO NICHT LEBET,

SONDERN SEIN HERZ AN DIE WELT HÄNGET,

DER HAT NUR DEN ÄUSSERLICHEN BUCHSTABEN DER SCHRIFT,

ABER ER SCHMECKET NICHT DIE KRAFT

UND DAS VERBORGENE MANNA.

 

Inhalt.

1) Geistliche Überwinder schmecken die Süßigkeit des Worts Gottes. 2) Die am Weltfieber krank liegen, schmecken sie nicht. 3) Will man sie schmecken, so muß man dem Worte gleichförmig werden, 4) 5) Geist muß vom Geist geschmeckt werden. 6) Das ist der neue Name. 7) Aus dem Geschmack des süßen Himmel-brots ist die heilige Schrift kommen. 8) Er wird uns noch täglich angeboten; 9) die blinde Welt will es aber nicht verstehen. 10) Sie sucht das Vergängliche emsig, das Ewige läßt sie fahren, 11) wie Tyrus und Sydon taten. 12) In allen Ständen wird die Welt mehr gesucht und geliebt, als Gott; 13) da doch Gott mehr trösten kann, als die Welt. 14) Willst du Gottes Trost haben, so verschmähe die Welt. 15) 16) Die Welt rühmt sich nur äußerlicher Dinge. 17) Wem aber Gott und sein Wort schmeckt, der hat das Beste; 18) doch sind es hier nur noch Brosamlein. 19) Ach, höre Christi Stimme, und tue ihm dein Herz auf. 20) Wende dich aber ab von dem rauschenden Weltgetümmel; 21) so speiset dich Gottes Geist täglich mit himmlischem Manna. 22) Das hat David empfunden, 23) und Sirach zeuget da-von. 24) Nichts kann die Seele sättigen, als Gott, 25) hier im Vorschmack und dort in der vollkommenen Fülle. 26) Christum hat nach uns gedürstet, laßt uns auch nach ihm dürsten.

 

Wer überwindet, dem will ich zu essen geben von dem verborgenen Manna, und will ihm geben ein gut Zeugnis, und mit dem Zeugnis einen neuen Namen geschrieben, welchen niemand kennet, denn der ihn empfängt.

Off. Joh. 2,17.

 

Mit diesem Spruch werden wir gelehrt, dass die allein die Süßigkeit des himmli-schen Trostes und Freude in dem Wort Gottes schmecken, die da überwinden, verstehe ihr Fleisch, die Welt mit aller Ehre und Herrlichkeit, und dem Teufel. Denn welche ihr Fleisch durch tägliche Reue und Buße kreuzigen, samt den Lüsten und Begierden, die der Welt und sich selbst täglich absterben, denen ihr ganzes Leben ein bitteres Kreuz ist, die werden von oben herab von Gott inner-lich gespeiset mit der Süßigkeit des himmlischen Manna, und getränket mit dem Freudenwein des Paradieses. Die andern aber, so ihren Trost in der Welt haben, können nicht schmecken das verborgene Manna; Ursache, ein jegliches Ding vereiniget sich mit seines Gleichen, widerwärtige Dinge nehmen einander nicht an. Gottes Wort ist geistlich, darum vereiniget sich es nicht mit einem weltlichen Herzen. Gleichwie von der Speise, die der Magen nicht annimmt, der Leib keine Kraft empfängt, also schmecket die Seele nicht die Kraft des göttlichen Worts oder Himmelbrots, wenn sie nicht dasselbe ganz und gar in sich verwandelt, das ist, ins Leben.

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2. Und wie dem Menschen alles bitter schmecket, wenn er das Fieber hat, also denen, die am Fieber dieser Welt krank liegen, an der Weltsucht, an Geiz, Hoffart und Wollust, denen schmeckt Gottes Wort bitter, ja ihnen ekelt davor, wie den Fieberkranken. Welche aber den Geist Gottes haben, die finden darinnen das verborgene Himmelbrot; welche den Geist dieser Welt haben, die schmecken es nicht, denn keines nimmt das andere an.

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3. Daher kommt es, dass viele Menschen wenig Lust, Freude und geistliche Be-gierde empfinden aus dem heiligen Evangelio, ob sie es gleich täglich hören. Denn sie haben den Geist Gottes nicht, sie haben nicht himmlische Gemüter, sondern irdische Herzen. Wer aber das Wort Gottes recht verstehen will, und dessen Kraft empfinden, und von dem Himmelbrot essen, der muß sich befleißi-gen, mit seinem Leben gleichförmig zu werden dem Worte Gottes und dem Leben Christi. So speiset er die Demütigen mit seiner Gnade, 1 Petr. 5,5. die Sanftmütigen mit seiner Liebe, die Geduldigen mit seinem Trost, und macht ihnen sein Joch süß, und seine Last leicht, Matth. 11,30. Die Süßigkeit des Himmelbrots wird geschmecket unter dem Joch Christi, und da heißt es: Die Hungrigen füllet er mit Güter, und läßt die Reichen leer, Luk. 1,53.

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4. Meine Worte sind Geist und Leben, sagt der Herr, Joh. 6,63. So sie nun Geist und Leben sein, so können sie von keinem ungeistlichen, fleischlichen, üppigen Herzen und Sinnen empfunden werden, sondern im Geist, in der Stille, in Ver-schwiegenheit, mit tiefer Demut und heiliger, großer Begierde muß man es an-nehmen, und ins Leben verwandeln, sonst hat man vom Wort Gottes nichts mehr, als den äußerlichen Schall und Buchstaben. Gleichwie wenn man den Ton einer Harfe höret, versteht aber nicht, was es ist, so hat man keine Freude daran, also empfindet man nichts von der Kraft des göttlichen Worts, wenn es nicht ins Leben verwandelt wird.

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5. Darum spricht St. Johannes: Off. 2,17. Ich will ihm ein gut Zeugnis geben, und mit dem Zeugnis einen neuen Namen, welchen niemand kennen wird, denn der ihn empfähet.

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6. Dies ist das Zeugnis des verborgenen Geistes, welcher dem Worte Gottes Zeugnis gibt; und hinwiederum der Geist des Worts Gottes gibt Zeugnis unserm Geist, Röm. 8,16. und stimmen die beide überein, vereinigen sich mit einander, und werden ein Geist, 1 Kor. 6,17. und dies ist der neue Name, welchen niemand kennet, denn der ihn empfänget. Denn gleichwie niemand die Süßigkeit des Honigs empfindet, als der ihn kostet, also kennet niemand den neuen Namen des Zeugnisses Gottes im Herzen, als wer es empfindet, der kennet allein den Trost Gottes, der ihn empfindet. Das ist das neue Zeugnis, und der neue Name, wel-chen niemand kennet, denn der ihn empfänget, und ist neu, weil er aus der neuen Geburt gehet, so von oben herab kommt.

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7. Selig ist der Mensch, welchen Gott sich also in seinem Herzen zu schmecken gibt. Also hat Gott die Propheten vom Anfang mit seinem süßen Himmelbrot gespeiset, durch die Rede seines ewigen Worts, welches zu ihnen geschehen ist; davon haben sie reden können, denn sie haben es empfunden, und daher ist die heilige Schrift gekommen.

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8. Und auf den heutigen Tag läßt er nicht nach, mit allen Menschen zu reden, und sie mit seinem Wort zu speisen inwendig in ihrer Seele; aber die meisten Menschen sind für seine Stimme gar zu harthörig und taub, und hören lieber die Welt, als Gott; lieber folgen sie ihren Lüsten, als dem Geiste Gottes. Darum können sie nicht essen das verborgene Manna, sie essen lieber von dem ver-botenen Baum des Todes und ihrer fleischlichen Lüste, als von dem Baum des Lebens.

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9. Ist derowegen eine große Blindheit und Torheit, dass die Menschen nicht verstehen wollen, dass in Gott größere Lust und Süßigkeit ist, als in der Welt. Wer einmal Gottes Gütigkeit geschmeckt hat, dem ist die Welt mit aller ihrer Lust die höchste Bitterkeit. Unsere ersten Eltern haben sich von der Welt betören lassen, und von den verbotenen Früchten gegessen, und haben daran den bittern Tod gegessen; noch sind wir so blind und töricht, und essen von den verbotenen Lüsten unsers Fleisches, davon wir doch sterben, Röm. 8,13.

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10. Wer von mir isset, spricht der Herr Christus, der Baum und das Brot des Lebens, der wird leben in Ewigkeit, Joh. 7,51. Von ihm essen, heißt, an ihn glauben, und seines Herzens Lust, Freude, Liebe, Trost und Wohlgefallen an ihm haben, Sir. 24,29. Die Welt gibt nur so kleine, geringe, zeitliche Dinge, und wird ihr doch dafür mit großer Begierde gedienet. Gott gibt große, hohe, ewige Güter, und sind doch dafür so faul und träge der sterblichen Menschen Herzen. Wo findet man doch jemand, der Gott mit so großem Gehorsam und Sorge dient, als dem Mammon und der Welt? Um eines wenigen Geldes willen wird oft ein großer Weg gelaufen, aber um des ewigen Lebens willen wird kaum ein Fuß von der Erde aufgehoben.

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11. Die Propheten werfen den großen Kaufstädten Tyron und Sidon vor, dass sie übers Meer ihr Kaufmannsgut geholt und gesucht haben, und um das ewige Gut haben sie nicht einen Fuß aufgehoben, Jes. 23,1. Jer. 47,4. Ezech. 27,12.13.

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12. In allen Ständen wird die Welt mehr gesucht und geliebt, als Gott. Mancher gelehrte Doktor studieret Tag und Nacht, dass er in der Welt zu Ehren kommen möge, aber um der ewigen Ehre und Herrlichkeit willen nimmt er oft nicht der Weile, ein Vater unser zu beten. Mancher befleißiget sich, im Kriege Adel und Ritterschaft zu erlangen, aber mit einer einigen Untugend seines Fleisches will er nicht kriegen, dadurch man den ewigen, himmlischen Adel erlangt. Mancher ist ein Überwinder vieler Länder und Völker, und weiß sich selbst nicht zu über-winden. Wie viele sind ihrer, die das Zeitliche suchen, und darüber sich selbsten und ihre Seele und Seligkeit verlieren? Und alle, die das tun, haben nicht ge-kostet das verborgene Manna des göttlichen Worts. Denn die überwinden nicht, sondern lassen sich von der Welt überwinden. Denn wer das Manna schmecken will, der muß um Gottes Liebe willen die Welt verschmähen und überwinden. Wer das tun kann, der wird den allersüßesten Trost des heiligen Geistes empfinden, welchen niemand kennet, als der ihn empfänget.

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13. Es muß ja erst der Baum des Lebens in uns gepflanzt werden, sollen wir von seinen Früchten essen. Es muß ja erst das Herz von der Welt zu Gott gewandt werden, sollst du den himmlischen Trost empfinden. Du lässest dir der Welt Trost eine große Freude sein, und denkest nicht, dass Gottes Trost mehr erfreuen kann, als die ganze Welt. Was Gott tut, ist allezeit edler, als was die Kreaturen tun. Die Lehre, so von oben herab kommt, durch das Einsprechen des heiligen Geistes, ist viel edler, als die vom Menschenverstande durch große Arbeit er-lernet wird. Ein Apfel und Lilie, so die Natur macht, ist viel edler und besser, als die ein Künstler von lauterm Golde macht, also der allerkleinste Anblick und Funken des Trostes Gottes ist edler und besser, als ein großes Meer voller Freu-de dieser Welt.

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14. Willst du nun den edlen Trost Gottes haben, so mußt du der Welt Trost und Freude verschmähen. Willst du mich recht hören, so mußt du dein Ohr zu mir wenden; willst du mich verstehen, so mußt du dein Herz zu mir wenden; willst du mich sehen, so mußt du deine Augen zu mir wenden: also wende zu Gott dein ganzes Herz, alle deine Sinnen, so wirst du ihn sehen, hören und verstehen, schmecken und empfinden. Denn so stehet Jer. 19,13. So ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, will ich mich von euch finden lassen, spricht der Herr.

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15. Man spricht jetzt: Hilf Gott, wie reich, mächtig, weise und gelehrt ist der Mann! Aber wie sanftmütig, demütig, geduldig, andächtig er sei, davon sagt man nichts. Also siehet man jetzt den Menschen nur von außen an; aber das Inwendi-ge, so das Beste und Edelste ist, siehet man nicht an. Man spricht: Dieser Mann hat viele Länder und Städte gesehen; ach wer Gott gesehen hätte! das wäre das Beste. Man sagt: Dieser Mann hat Kaiser, Könige, Fürsten, Herren gehöret und ihnen gedienet; ja wer Gott recht hören könnte in seinem Herzen, und ihm recht dienen, der hätte wohl gedienet, und etwas gehöret. Viele sagen aus lauter Weltliebe: Es ist jetzt eine gelehrte Welt, eine geschickte und kunstreiche Zeit, und wissen nicht, dass die rechte Kunst, Christum lieb haben, besser ist denn alles Wissen, gar erloschen samt dem Glauben, Eph. 3,19. Luk. 18,8. und dass wenige seien der rechten Gottesgelehrten, Jes. 54,13. und derer, die von Christo das rechte demütige und sanftmütige Leben lernen wollen, Matth. 11,29. Ja die Allerklügsten sind oft entfremdet von dem Leben, das aus Gott ist, und haben noch nie gelernet, dass in Christo ein rechtschaffen Leben sei, Eph. 4,18.21. Sie meinen, es sei alles an dem Wortkünsteln gelegen, da doch die rechte Geschick-lichkeit nicht bestehet in Worten, sondern in der Tat und in der rechtschaffenen ewigen Weisheit, davon in dem Traktat von der alten Philosophie weiter. Wenn man aber sagte: Es wäre jetzt eine gottlose Welt, das wäre der Wahrheit und Gottes Wort ähnlicher.

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16. Man sagt: Dieser Mann hat einen stattlichen Tisch und Küche. Ach wem Gottes Wort wohl schmecket, der das verborgene Manna gekostet, das ewig währende lebendige Himmelsbrot, Joh. 6,35. der hat einen herrlichen Tisch, den Gott bereitet hat, Ps. 23,5.

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17. Wem Gott und sein Wort wohl schmecket, dem mag nichts übel schmecken; und wem Gott und sein Wort nicht wohl schmecket, was mag der für Freude haben? Gott selbsten ist die Freude, die alle erschaffene Freude übertrifft. Er ist das ewige Licht, das alle erschaffene Lichter übertrifft. Der wolle mit seinem verborgenen Freudenschein unsere Herzen durchdringen, unsern Geist und alle Kräfte reinigen, erleuchten, erfreuen, verklären und lebendig machen. Wann wird dieselbe Stunde kommen, da uns Gott mit seiner Gegenwart, und mit allem, was er ist, ersättigen wird? Jes. 55,1.2.

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18. So lange solches nun nicht geschieht, wird in uns keine vollkommene Freude. Müssen derowegen mit den Brosamlein seines Trostes vorlieb nehmen, die von unsers Herrn Tische fallen, bis dass die rechte Freude des ewigen Lebens an-geht, Matth. 15,27.

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19. Siehe, ich stehe vor der Tür, spricht der Herr Off. Joh. 3,20. und klopfe an. Wer meine Stimme hören wird, und mir auftun, zu dem will ich eingehen, und das Abendmahl mit ihm halten, und er mit mir. Höre, lieber Mensch, es kommt dir ein edler Gast, willst du ihn lassen draußen stehen? Es ist eine große Schande, einen Freund lange draußen stehen, und vor der Türe warten lassen; größere Schande ist es, deinen Gott lassen draußen stehen, der dein Gast will werden. Du darfst ihn nicht speisen, er speiset dich; du sollst mit ihm sein Himmelsbrot und verborgenes Manna essen. Bringt nicht ein großer Herr seine Küche mit, wenn er bei seinen armen Freunden einkehret?

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20. Der Herr spricht: Höre meine Stimme, und tue mir auf. Aber wie in einem Hause, da ein Weltgetümmel ist, keine liebliche Musik kann gehört werden, also kann Gott in einem weltlichen Herzen nicht gehört werden. Denn es wird Gott nicht aufgetan, läßt ihn auch nicht ein, darum kann ein solch irdisches Herz das himmlische Manna nicht schmecken. Wenn das Getümmel der Welt im Herzen stille wird, so kommt Gott und klopfet an, und läßt sich hören; dann kannst du sagen mit dem Propheten Samuel: Rede, Herr, denn dein Knecht höret, 1 Sam. 3,10.

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21. Die Epistel an die Hebräer am 6,4. redet auch von diesem inwendigen, geist-lichen und himmlischen Abendmahl, und spricht: Dass die, so erleuchtet sein, und teilhaftig worden des heiligen Geistes, die haben geschmecket die himmli-schen Gaben, das gütige Wort Gottes, und die Kraft der zukünftigen Welt. Da hören wir, wo der heilige Geist im Menschen ist, und nicht verhindert wird, so speiset er täglich die Seele mit dem verborgenen Manna des gütigen Worts Gottes, so aus Gottes Munde gehet, von welchem wir leben.

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22. Dieses hat der königliche Prophet David durch den heiligen Geist auch in seinem Herzen und in seiner Seele empfunden, als er Ps. 16,11. spricht: Vor dir ist Freude die Fülle, und liebliches Wesen zu deiner Rechten ewiglich. Und Ps. 34,9. Schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist, wohl allen, die auf ihn trauen. Ps. 23,5. Du bereitest mir einen Tisch gegen meine Feinde, du salbest mein Haupt mit Öl, und schenkest mir voll ein. Ps. 63,4. Deine Güte ist besser, denn Leben, meine Lippen preisen dich. Und Ps. 36,8. seq. Wie teuer ist deine Güte, Gott, dass alle Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel trauen! Sie werden trunken von den reichen Gütern deines Hauses, und du tränkest sie mit Wollust, als mit einem Strom; denn bei dir ist die lebendige Quelle, und in deinem Licht sehen wir das Licht. Und Ps. 70,5.6. Freuen und fröhlich müssen alle sein, die nach dir fragen, und die dein Heil lieben müssen immer sagen: Hochgelobet sei Gott. Ich aber bin elend und arm, Gott eile zu mir, denn du bist mein Helfer und Erretter, mein Gott, verzeuch nicht. Da zugleich beschrieben ist, was das für Leute seien, die da innerlich mit dem gütigen Wort Gottes gespeiset werden, nämlich: die im Geist und Seele arm und elend sind, und nur an Gottes Trost hangen, die sind würdig zu schmecken die himmlischen Gaben, davon der ganze 84. Psalm redet: Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth, mein Leib und Seele freuet sich in dem lebendigen Gott etc. Daher lehret uns der liebe David, dass die geringste Lieblichkeit des ewigen Lebens übertreffe die größte Freude dieser Welt, also, dass dort ein Tag besser sei, denn hie tausend Jahre. Und wer das einmal recht geschmeckt hat, dem ist dagegen alles bitter, was in der Welt ist, der wird der Welt müde und überdrüssig, denn er hat etwas Bessers und Lieblichers empfunden.

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23. Daher die ewige Weisheit Sir. 24,27.28. spricht: Ich bin viel süßer, denn Honig und Honigseim, wer von mir isset, der hungert immer nach mir.

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24. Das ist ein heiliger Hunger und Durst, welchen keine Kreatur sättigen kann, als Gott selbsten mit seiner Liebe. Und so werden die Heiligen Gottes trunken; davon das Hohelied Salomons spricht: Kap. 5,1. Esset, meine Lieben, und trin-ket, meine Freunde, und werdet trunken.

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25. Das läßt nun Gott seinen Geliebten widerfahren, auf dass er dieselben zu ihm ziehen möge, damit sie das Irdische vergessen. Geschieht aber das in diesem Leben, da wir ein kleines Brosamlein des verborgenen Manna essen, und ein kleines Tröpflein des himmlischen Weinstocks kosten, was wird denn dort ge-schehen im neuen Leben, da wir den Brunnen selbst haben werden?

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26. Da der Herr am Kreuze sprach: Mich dürstet, Joh. 19,28. da hat ihn darnach gedürstet, dass er in uns einen heiligen, geistlichen, himmlischen Durst erweckte und fände. Denn gleichwie er selbsten unsern geistlichen Hunger und Durst sättiget und löschet, also sind wir diejenigen, die seinen Hunger und Durst sättigen. Denn ihn hungert und dürstet mehr nach uns, als uns nach ihm, wie St. Joh. 4,34. spricht: Meine Speise ist, dass ich Gottes Willen tue. Gottes Wille aber ist die Seligkeit der Menschen. Und wenn uns so sehr nach ihm dürstete, als ihn nach uns, so würde er uns mit seinem Geiste so mild und süß tränken, dass von unserm Leibe Ströme des lebendigen Wassers flössen, Joh. 7,38. das ist, es würde alles an uns geistlich, holdselig, lieblich und tröstlich sein; ja er würde uns mit einem großen Strom seiner Gütigkeit tränken, dass unser Leib und Seele, und alle Kräfte sich in Gott erfreueten, als ergösse sich in unserer Seele ein großer Wasserstrom himmlischer Freude. Denn es ist nichts so groß, als des Menschen Seele in ihrer Freudigkeit und Freiheit, welche Gott, Himmel und Erde begreift. Es ist nichts so klein, als des Menschen Seele in ihrer Niedrigkeit und Demut, wenn sie sich vor Gott unter alle Kreaturen demütiget.

 

Gebet um die Kraft des Wortes Gottes in der Seele.

 

Herr Jesu! du hast Worte des Lebens geredet, und durch deinen Geist dieselbe zu unserer Seligkeit aufschreiben lassen, damit unsere Seele möge Tag und Nacht sich darinnen weiden, Leben und volle Genüge finden; ach! öffne mir doch die Augen, dass ich die Wunder in deinem heiligen Gesetze sehe! Erwecke in mir einen Hunger nach dem verborgenen himmlischen Manna, und laß mich die Kraft der Süßigkeit desselben schmecken! Zeige mir den Weg deiner Rechte, dass ich sie bewahre bis ans Ende, und das ewige Leben finde, Amen.

 

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