DAS DRITTE KAPITEL. (3.B./3.K.)

 

IM GLAUBEN IST DER GANZE SCHATZ

DES INWENDIGEN MENSCHEN,

NÄMLICH GOTT, CHRISTUS, DER HEILIGE GEIST,

UND DAS REICH GOTTES.

 

Inhalt.

1) Im Glauben ist Christus, das ganze Reich Gottes, und alle Seligkeit. Solchen recht zu verstehen, merke man acht Eigenschaften: 2) 1. Der Glaube gibt geist-liche Freiheit, Ruhe und Friede. 3) 2. Vereiniget mit Christo. 4) 3. Versichert der ewigen Seligkeit. 5) 4. Besieget die geistlichen Feinde. 6) 5. Gibt eine geistliche und ewige Herrlichkeit des Königreichs und geistlichen Priestertums. 7) 6. Er-neuert den ganzen Menschen. 8) 7. Macht sich durch die Liebe jedermann zum Knechte. 9) 8. Lindert, überwindet das Kreuz, und rühmet sich desselben.

 

Gott gebe euch Kraft, nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, und Christum, zu wohnen durch den Glauben in euren Herzen, und durch die Liebe ein-gewurzelt und gegründet werden. Ephes. 3,16.17.

 

Eines Christen vornehmstes Werk und Sorge soll sein, dass er den Glauben wohl lerne verstehen und üben. Denn im Glauben ist Christus und das ganze Reich Gottes, und alle Seligkeit. Darum auch die Ep. Hebr. 11,1. den Glauben nennet eine Substanz und Wesen. Denn das ganze geistliche Wesen und Leben bestehet im Glauben nicht in einer bloßen Wissenschaft, nicht in einem Schein- und Schattenwerk, sondern in lebendiger, tätiger Kraft. Summa, der Glaube bringet alle Seligkeit und benimmt alle Unseligkeit. Darum bald im Anfang unsers Christentums, in der heiligen Taufe, dadurch wir als durch eine Tür in die Christenheit eingehen, der Glaube vorne anstehet: Wer da glaubet und getaufet wird, der wird selig, Mark. 16,16. Und St. Paulus Röm. 10,9.10. Das ist das Wort des Glaubens, so wir predigen: Denn so du mit deinem Herzen glaubest, so bist du gerecht etc. Wir können aber den Glauben nicht besser verstehen und üben lernen, als durch seine Eigenschaften, derer wollen wir achte nach einander hö-ren.

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2. Die erste ist die geistliche Freiheit von Sünden, Tod, Teufel und Hölle, Fluch des Gesetzes, von allen mosaischen figürlichen Zeremonien, und von allen Menschensatzungen und Geboten. Denn gleichwie der Seele keine größere Plage und Angst widerfahren mag, und keine größere Seelenpein sein kann, als wenn sie leiden muß die feurigen Pfeile des Teufels, und die Tyrannei des Antichrists, dadurch die Gewissen mit Menschengeboten gefangen, bestricket und geängstiget werden; also ist hinwieder keine größere Ruhe, Friede, Trost und Freude der Seele, als die wahrhaftige Freiheit des Gewissens, von der Gewalt des Teufels und der Sünden und von allen Menschensatzungen. Welche Freiheit des Gewissens wahrhaftig nichts anders ist, als der wahre seligmachen-de Glaube. Ursach: Der Glaube ergreift Christum, den Sohn Gottes, mit allen seinen himmlischen Gnadenschätzen, sonderlich die Versöhnung mit Gott, Vergebung der Sünden, den heiligen Geist, und alles, was Gottes ist, und das ewige Leben. Da können weder Sünde, Tod, Teufel, Hölle oder Welt einem solchen Menschen schaden, denn er hat Christum in sich und bei sich wohnend, der seine Gerechtigkeit ist wider die Sünde, sein Leben wider den Tod, seine Stärke wider den Teufel, sein Himmelreich wider die Hölle, sein Sieg wider die Welt, sein Segen wider aller Welt Fluch, seine Seligkeit wider alle Unseligkeit dieser Welt, seine Freiheit wider alle Menschensatzungen; welche der Herr Joh. 8,36. mit dem kurzen Sprüchlein begreift: So euch der Sohn frei macht, so seid ihr recht frei. Also ist Christus dem Glauben alles, und er bedarf nichts mehr zur Seligkeit, als Christum alleine. Derowegen gibt der Glaube der Seele und dem Gewissen Ruhe, Friede, Freiheit und vertreibet alle Furcht, Angst und Schrecken und macht das Herz in Gott getrost und freudig.

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3. 2) So vereiniget der Glaube unsere Seele mit Christo, als eine Braut mit ihrem Bräutigam, Hos. 2,19.20. Ich will mich mit dir verloben in Ewigkeit, ja im Glauben will ich mich mit dir vertrauen. Alsdann haben diese beide ihre Güter mit einander gemein, auch ihr Kreuz und Leid. Denn was Christus hat, wird der gläubigen Seele eigen, und was die Seele hat, wird Christo eigen. Nun hat aber Christus alle himmlischen und ewigen Güter, Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung, Erlösung, und alle Seligkeit und ewiges Leben, 1 Kor. 1,30. Ja er ist das ewige Leben selbst, das wird der Seele eigen Gut. Unsere Seele hat dagegen Sünde, Un-reinigkeit, Jammer, Elend, Fluch und Tod, das wird Christo eigen. Unser Elend hält er für sein Elend, seine Güter schenkt er uns, unsere Armut und Elend nimmt er an sich. Dieweil aber Christi Güter ewig sind, unüberwindlich, ja allmächtig, so überwinden, verschlingen und vertilgen sie alle unsere Sünden und den Tod. Denn Christi ewig unüberwindliche Gerechtigkeit ist der Sünde zu stark, dass sie muß weichen, verschlungen und vertilget werden, also wird unsere Seele frei von Sünden, und dagegen mit Christi Gerechtigkeit bekleidet, Jes. 61,10. Das ist ein schöner und wunderbarer Wechsel, für Sünde, Tod, Fluch, Verdammnis, be-kommen Gerechtigkeit, Leben, Segen und Seligkeit, demnach ists unmöglich, dass die Sünde einen Gläubigen verdammen kann, denn die Sünde ist in Christo verschlungen, erwürget und getötet. Der Tod ist verschlungen in den Sieg 1 Kor. 15,55. Ist der Tod verschlungen, so ist auch die Sünde verschlungen und getil-get.

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4. 3) Daraus folget fürs dritte, dass der Glaube unsere Seele und Gewissen ver-sichert und gewiß machet der ewigen Seligkeit. Ich bin gewiß, sagt St. Paulus, dass uns nichts scheiden kann von der Liebe Gottes, Röm. 8,38. Siehe ich lege in Zion einen köstlichen Eckstein, wer glaubet, fleucht nicht, Jes. 28,16. Ich will mit euch einen ewigen Bund machen. Meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund des Friedens soll nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer, Jes. 54,10. Kap. 55,3.

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5. 4) Daraus folget nun der Sieg des Glaubens über Sünde, Tod, Teufel, Hölle und Welt. 1 Joh. 5,4.5. Alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt. Wer ist aber, der die Welt überwindet, ohne der da glaubet, daß Jesus Gottes Sohn ist? Da zugleich des Glaubens Ursprung angedeutet wird, dass er nicht aus eigenen, natürlichen, menschlichen Kräften gewirket werde, sondern der Glaube ist Gottes Werk in uns, Joh. 6,29. und die neue Geburt ist ein göttlich über-natürliches Werk. Deine Kinder werden dir geboren, wie der Tau aus der Morgen-röte, Ps. 110,3. Weil nun diese neue Geburt über die Natur ist, so kann ihr auch die ganze Welt nicht schaden. Denn obgleich ein Christ der Welt Fluch sein muß, so ist er doch in Christo ein Siegesfürst, ganz unüberwindlich. In dem überwinden wir alles um deß willen, der uns geliebt hat, Röm. 8,37.

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6. 5) Daraus folget des Glaubens Herrlichkeit, dieselbe ist zweifach: die eine die geistliche, verborgene; die andere die zukünftige, sichtbarlich, offenbarliche Herrlichkeit im ewigen Leben. Beider Herrlichkeit Christi macht uns der Glaube, teilhaftig. Christi Herrlichkeit bestehet in seinem Königreich und Hohenpriester-tum. Er hat uns aber auch zu Priestern und Königen gemacht vor Gott, welches Petrus nicht hoch genug rühmen kann: Ihr seid das auserwählte Geschlecht, das heilige Volk des Eigentums, das königliche Priestertum, 1 Petr. 2,9. Die Herr-lichkeit aber des Königreichs Christi ist, dass es ein ewiges Reich ist, und alle seine Güter sind ewig; ewige Gnade, ewige Gerechtigkeit, ewiger Trost, ewiges Leben, ewige Freude, ewiger Friede, ewige Seligkeit. Was wäre uns mit einem weltlichen König gedienet? Die Güter der weltlichen Reiche vergehen mit der Welt, und der weltlichen Herren Gnade stirbet mit ihnen. Christus aber ist ewig, und seine Gnade, Gerechtigkeit und Heil. Darum bestehet nun das geistliche Königreich eines Christen darin, dass er durch den Glauben über alles erhaben ist, geistlicher Weise, das ihm kein Ding schaden kann an der Seligkeit, er ist ein Herr über alles dasselbe. Ja, es müssen ihm alle Dinge unterworfen sein, und helfen zur Seligkeit. Denn denen, so Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten gedeihen, Röm. 8,28. es sei Leben, Sterben, Tod, Teufel, Hölle, Welt. Das ist gar eine hohe, herrliche, geistliche Herrschaft und königliche Würdigkeit, da kein Ding so gut oder böse ist, es muß einem Gläubigen dienen zur Seligkeit, weil er Christum hat und besitzet, und Christus ihn. Also bedarf ein Christ nichts mehr zur Seligkeit, als Christum allein durch den Glauben, Christus ist ihm genugsam. Das laß mir eine köstliche Freiheit sein, und Gewalt der Christen nach dem inwendigen Menschen. Denn das ist gewiß, dass kein äußerlich Ding, außer Gottes Wort und Befehl einen Christen kann fromm oder selig machen. Sintemal die Frömmigkeit, Seligkeit, Freiheit der Christen, sind nicht äußerliche leibliche Dinge, gleichwie auch ihre Gebrechen, Gefängnis und Elend nicht äußerlich sein; darum hilft auch der Seele kein äußerlich, leibliches Ding, von Menschen er-dacht. Ja, was hilft das der Seele, wenn der Leib gleich frei, frisch und gesund ist, trinkt und isset etc.? Wiederum, was schadet es der Seele, wenn der Leib ge-fangen, krank und matt ist, Hunger und Durst leidet etc.? Diese Dinge gehen alle die Seele nicht an, sie frei zu machen, oder gefangen, fromm oder böse zu machen. Summa, der gläubigen Seele schadet nichts Äußerliches, sie bleibet in ihrer edlen, königlichen Freiheit und Herrschaft. Also kann auch kein äußerlich Ding der Seele an ihrem geistlichen Priestertum schaden oder sie hindern. Denn ihre Opfer im Gebet, Seufzen, Andacht, geschehen geistlich im Glauben ohne Hindernis aller äußerlichen Dinge, es sei Zeit, Ort, Speise, Kleidung, Kirche, Tempel. Hinwieder hilfts auch der Seele nicht, wenn gleich alle äußerlichen Dinge auf einem Haufen da stünden, Heiligen-Kleider, Kirchen, auch das leibliche Fasten, mündliche Beten, und alle äußerlichen Werke. Es muß ein anders sein, das die Seele fromm und frei machet. Denn es kann auch ein böser Mensch, ein Gleißner und Heuchler, dergleichen äußerliche Werke tun; hilft ihm aber nichts an der Seele. Denn es hat die Seele kein ander Ding, weder im Himmel noch auf Erden, darin sie lebe, fromm, frei, selig und fröhlich sein könne, als Christum, in welchem die Seele ruhet durch den Glauben. Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, Joh. 14,6. Kommet zu mir, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele, Matth. 11,28. Wenn der Glaube den Herrn Jesum hat, so bedarf er keines Dinges mehr, er hat an Christo alles und genug, Joh. 10,11. Speise, Freude, Friede, Licht, Kunst, Gerechtigkeit, Wahrheit, Weisheit, Freiheit, Trost, Seligkeit, Leben, Erhörung des Gebets, und alles. Alles und in allen Christus, Kol. 3,11. Man muß aber mit äußerlichen Zeremonien, um guter Zucht und Ordnung willen, umgehen, wohlan, den Reinen ist alles rein, Tit. 1,15. Ihr seid rein, um des Worts willen, Joh. 15,3. Also kann die Seele nichts beflecken, als der Unglaube und seine Früchte.

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7. 6) Es erneuert auch der Glaube den ganzen Menschen, wirket in ihm Liebe und alle christliche Tugenden, und Werke der Barmherzigkeit, nicht dass er damit etwas bei Gott verdiene, sondern dass er dankbar sei. Opfere Gott Dank und be-zahle dem Höchsten deine Gelübde, Ps. 50,14. Da fähet denn der Glaube das neue Leben an im Menschen, und Gottes Wort ihn lebendig zu machen. Denn im Glauben ist die ganze heilige Schrift begriffen. Wie nun Gottes Wort ist heilig, wahrhaftig, gerecht, lebendig, geistlich, frei, und alles Guten voll, also macht es auch die, so es im wahren Glauben annehmen, heilig, gerecht, lebendig, wahr-haftig, Kinder Gottes und alles Guten voll.

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8. 7) Ob nun wohl der seligmachende Glaube ist ein Überwinder und Sieg über alle Welt und Teufel; dennoch hat er auch die Art, dass er sich jedermann zum Knechte machet durch die Liebe; weil ihm Gott umsonst Christum und alles mit ihm geschenket hat, also dass er zu seiner Seligkeit nichts bedürfe von allem, das in der Welt ist, dass ihn auch nichts von Gottes Liebe scheiden kann, Röm. 8,38. auch nichts ist in der Welt, das ihm schaden kann. Darum gedenket er auch also: Ich will aus schuldiger Dankbarkeit, meinem lieben Gott zu Ehren, meinem Nächsten wieder also werden, wie mir Christus worden ist. Alle meine Gaben, Weisheit, Verstand, Reichtum, Trost, soll wieder meines Nächsten werden, gleichwie Christi Güter mein worden sind.

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9. 8) Ist des Glaubens Art, dass er alles Kreuz lindert und überwindet, und sich des Kreuzes rühmet. Denn in Christo haben wir ja viel mehr Güter, als wir in der Welt lassen müssen. In Christo haben wir viel größere Ehre, ob uns gleich alle Menschen verachten. In Christo haben wir viel größere Liebe, ob uns gleich die ganze Welt hasset. In Christo haben wir viel mehr Segen, ob uns gleich alle Welt verflucht. In Christo haben wir viel mehr Freude, wenn uns gleich alle Welt be-trübet, und wenn es möglich wäre, dass unser Leib tausendmal in der Welt er-würget und getötet würde, so bleibt doch Christus, unser Herr, unser ewiges Le-ben, welches Leben ja unendlich besser ist, als unser zeitliches Leben.

 

Gebet um den wahren Glauben.

 

Weil du, o Gott! jedermann den Glauben vorhältst, und denselben durch deinen Geist und Kraft, im Wort und Sakramenten, wirkest; ach so wirke ihn auch in mir, dass ich stark werde an dem inwendigen Menschen, frei von Sünde, Tod, Teufel und Hölle, dir allein anhange, dem Nächsten in Liebe gern diene, geduldig leide, und aus diesen Stücken, als gewissen Proben, versichert sein möge, ich habe keinen toten, sondern den wahren seligmachenden Glauben, und werde der Seelen Seligkeit davon tragen, Amen.

 

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