DAS EINUNDVIERZIGSTE KAPITEL. (1.B./41.K.)

 

RICHTIGE WIEDERHOLUNG DES ERSTEN BUCHS.

DAS GANZE CHRISTENTUM BESTEHET

IN DER WIEDERAUFRICHTUNG DES BILDES GOTTES IM MENSCHEN,

UND IN AUSTILGUNG DES BILDES DES SATANS.

 

Inhalt.

1) In der wahren Erkenntnis Christi bestehet das ewige Leben. 2) Das ganze christliche Leben ist eine Aufrichtung des Ebenbildes Gottes. 3) Die Seele des Menschen ist ein unsterblicher Geist; 4) ein Spiegel Gottes. 5) In dem Verstande leuchtete das göttliche Licht. 6) Im Willen göttliche Heiligkeit. 7) Der Leib war der Seele Ebenbild, und ein reiner Tempel Gottes. 8) Der Mensch hatte auch Gottes vollkommene Freude. 9) Er konnte Gott in sich als einem Spiegel sehen. 10) Dies Bild Gottes hat Satanas mit List zerstöret, 11) und durch Hoffart den Menschen zum Fall gebracht, und in den ewigen Tod. 12) Diesen Tod verstehen die Hoch-angefochtenen am besten. 13) Lerne den Gräuel der Erbsünde erkennen, 14) seufze und jammere darüber, 15) und kämpfe täglich wider dieselbe. 16) Aus den tiefen Fall erhellet, wie höchstnötig die Widergeburt und Erneuerung sei. 17) Es ist zwar ein kleines Fünklein des natürlichen Lichts im Menschen übrig; aber es ist kein geistliches Leben da. 18) Wie denn die weisen Heiden an Gott ganz blind sein. 19) Es ist des Teufels Same und Gift im Menschen, 20) als da ist: Zorn, Haß, Neid; 21) Unkeuschheit und schändliche Brunst; 22) Diebstahl, Verleum-dung, Lügen. 23) Dies alles ist des Teufels Bild. 24) Solches kann keine Kreatur ausrotten; 25) denn in allen geistlichen Sachen ist der Mensch ganz blind und tot; 26) müßte auch blind bleiben, wenn ihn Gott nicht erleuchtete. 27) Ja bei Kindern Gottes selbst ist das Gute gar schwach, und daher täglicher Kampf nötig. 28) Diese Betrachtung lehret auf Gottes Gnade trauen, und von derselben alles er-bitten.

 

Nun aber spiegelt sich in uns allen des Herrn Klarheit, mit aufgedecktem Angesicht, und wir werden verkläret in dasselbige Bild, von einer Klarheit zu der andern, als vom Geist des Herrn. 2 Kor. 3,18.

 

In der wahrhaftigen Erkenntnis Christi, seiner Person, seines Amts, seiner Wohl-taten, seiner himmlischen, ewigen Güter, bestehet das ewige Leben, Joh. 17,3. welches alles der heilige Geist in unsern Herzen entzündet, als ein neues Licht, welches immer heller und klarer wird, als ein poliertes Erz oder Spiegel, oder wie ein kleines Kind täglich am Leibe wächst und zunimmt. Denn der Mensch wird in seiner Bekehrung neu geboren, wenn ihm durch den Glauben Christi Gerechtig-keit geschenkt wird, wird auch nach dem Ebenbilde Gottes täglich erneuert, ist aber nicht ein vollkommener Mann, Eph. 4,13. sondern ein Kind, das hernach vom heiligen Geist auferzogen, und Christo Jesu von Tage zu Tage gleichförmi-ger wird.

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2. Denn das ganze christliche Leben auf Erden ist, und muß nichts anders sein, als eine Aufrichtung des Ebenbildes Gottes, in einem gläubigen Menschen, also, dass er stets in der neuen Geburt lebe, und die alte Geburt täglich in sich dämpfe und töte, Röm. 6,4. Und das muß hie in diesem Leben angefangen werden, in jenem Leben aber wird es vollkommen werden. Und in wem es nicht vor dem jüngsten Tage und vor seinem Tode angefangen wird, in dem wird es auch nimmermehr in Ewigkeit aufgerichtet werden. Darum will ich zum Beschluß und zum Überfluß wiederholen, was das Bild Gottes, 1 Mos. 1,26. und das Bild des Satans sei; denn in diesen beiden Stücken besteht das wahre Christentum, und viele Artikel der Schrift erklären, als von der Erbsünde, vom freien Willen, von der Buße, vom Glauben, von der Rechtfertigung, vom Gebet, von der neuen Geburt, Erneuerung, Heiligung, vom neuen Leben und Gehorsam. Davon merke nun fol-genden Bericht.

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3. Die Seele des Menschen ist ein unsterblicher Geist, von Gott begabt mit herr-lichen Kräften; mit Verstand, mit Willen, mit Gedächtnis und andern Bewegungen und Begierden.

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4. Dieselbe halte nun gegen Gott, und abconterfeie in ihr das Bild Gottes, also, dass Gott, als in einem Spiegel in der Seele des Menschen erkannt und gesehen werde. Denn das meinet St. Paulus, dass sich die Klarheit des Herrn in dem er-neuerten Bilde Gottes spiegle, 2 Kor. 3,18.

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5. Gleichwie nun Gottes Substanz und Wesen gut und heilig ist, also ist auch die Substanz und Wesen der Seele anfänglich und ursprünglich gut und heilig ge-wesen. Wie in Gottes Wesen nichts Böses ist, also ist auch nichts Böses gewe-sen in des Menschen Seele. Wie alles, was in Gott ist, nur gut ist, 5 Mos. 32,4. Ps. 92,16. also ist auch alles, was in der Seele gewesen ist, gut gewesen. Wie Gott verständig und weise ist, also ist des Menschen Seele auch verständig und weise gewesen, voll Erkenntnis Gottes, voll geistlicher, himmlischer, ewiger Weisheit. Wie die göttliche Weisheit alle Dinge in Zahl, Gewicht, Maß und Ord-nung gesetzt, Weish. 11,22. und alle himmlische und irdische Kräfte aller Krea-turen weiß, also hat dies Licht auch geleuchtet in des Menschen Gemüte.

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6. Wie nun der Verstand in der Seele gewesen, also ist auch der Wille gewesen, heilig, und in allen Dingen Gottes Willen gleichförmig. Wie Gott gerecht, gütig, barmherzig, langmütig, geduldig, freundlich, sanftmütig, wahrhaftig, keusch ist, 2 Mos. 34,6. Ps. 103,8. Joel 2,13. Jon. 4,2. also ist die menschliche Seele auch gewesen. Wie der Wille des Menschen Gottes Willen gleichförmig gewesen, also alle Affekten, Begierden, Lüste und Bewegungen des Herzens sind heilig, und dem göttlichen, ewigen Gemüte und Bewegungen vollkommen gleichförmig gewesen. Wie Gott die Liebe ist, also sind alle menschliche Affekten und Bewe-gungen nichts als eitel Liebe gewesen. Wie Gott Vater, Sohn und heiliger Geist mit unaussprechlicher ewiger Liebe gegen einander verbunden und vereiniget sein, Joh. 10,30. Kap. 17,11. also sind alle Affekten, Bewegungen, Begierden der menschlichen Seele mit eitel vollkommener, reiner, lauterer, brünstiger Liebe entzündet gewesen, von ganzer Seele und von allen Kräften, 5 Mos. 6,5. 1 Kor. 13,4. Da hat der Mensch Gott und seine Ehre lieber gehabt, als sich selbst.

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7. Und wie in der Seele Gottes Ebenbild gewesen und geleuchtet, also ist auch der Leib der Seele Ebenbild gewesen mit allen lebendigen Leibeskräften, heilig, keusch, ohne alle unordentliche Bewegungen und Lüste, schön, lieblich und herrlich, allezeit gesund und frisch, unsterblich mit allen seinen inwendigen und auswendigen Kräften und Sinnen, ohne allen Verdruß, Leiden, Schmerzen, Beschwerung, Krankheit, Alter und Tod. Summa, der ganze Mensch ist voll-kommen gewesen an Leib und Seele, heilig, gerecht, Gott ganz wohlgefällig. Denn der Leib muß auch heilig und Gott gleich sein, soll der Mensch Gottes Ebenbild sein, spricht St. Paulus: 1 Thess. 5,23. Euer Leib, Geist und Seele soll heilig sein. Denn Leib und Seele zusammen sind ein Mensch, der seine Werke geistlich und leiblich zugleich tut, und wenn die heilige, gerechte Seele durch den Leib und in dem Leib wirken soll, so muß sie ein heiliges Werkzeug haben, das ihr nicht widerstrebe. Wie die Seele in reiner Liebe Gottes entzündet gewesen, also ist des Leibes Leben und Kraft in Gottes und des Nächsten Liebe entzündet gewesen. Wie die Seele aus allen ihren Kräften barmherzig gewesen, also ist der Leib auch in allen Kräften zur Barmherzigkeit mit bewegt gewesen. Wie in der Seele göttliche Keuschheit gewesen ist, also ist auch der ganze Leib, samt allen innerlichen und äußerlichen Kräften und Sinnen in vollkommener Reinigkeit und Keuschheit mit entzündet gewesen. Und also fortan ist der Leib in allen Tugen-den der Seele gleichförmig gewesen, als ein heiliges mitwirkendes Werkzeug. Und also hat der erste Mensch in seiner Unschuld Gott lieben können von ga-nzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften, und seinen Nächsten als sich selbst, 5 Mos. 6,5. Matth. 22,37. Wann Gott das Herz fordert, so fordert er den ganzen Menschen mit Leib und Seele, und allen Kräften. Und also mußt du das Wörtlein Herz in der Schrift verstehen von allen Seelenkräften, Verstand, Willen, Affekten und Begierden. Wenn auch Gott die Seele fordert, so fordert er den ganzen Menschen mit seinem ganzen Wesen, Leben und allen Kräften. Derselbe muß Gott gleich sein, und in Christo erneuert werden. Und also müssen wir im neuen geistlichen Leben, und im Geist wandeln, Gal. 5,16. Eph. 4,23.

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8. Wie nun der Mensch vollkommene Heiligkeit, Gerechtigkeit und Liebe gehabt, so hat er auch Gottes vollkommene Freude in seiner Seele und Lebenskräften gehabt. Denn wo göttliche Heiligkeit ist, da ist auch göttliche Freude. Diese beide sind ewig bei einander, und sind das Ebenbild Gottes. Weil wir nun die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes vollkommen nicht haben in diesem Leben, müssen wir auch seiner vollkommenen Freude entbehren. Doch weil die Gerechtigkeit Christi in allen Gläubigen hier angefangen wird, so wird diese geistliche Freude auch wahrhaftig in ihnen angefangen, und von Andächtigen und Geübten im Reich Gottes empfunden. So groß als nun ein jeder Christ Gottes Liebe in sich hat, so groß hat er auch Gottes geistliche Freude, Phil. 4,4. Ps. 63,12. Ps. 84,2.3. Und weil die Liebe an jenem Tage wird vollkommen werden, so wird auch die Freude vollkommen werden, wie der Herr Christus Joh. 16,22. spricht: Denn die Liebe ist Leben und Freude allein. Wo keine Liebe ist, da ist auch keine Freude noch Leben, sondern eitel Tod, in welchem alle Teufel und unbußfertige, verstockte Menschen ewiglich bleiben werden. Woraus empfindet ein Vater Freude? Aus Liebe seiner Kinder. Woraus hat ein Bräutigam Freude? Aus Liebe gegen seine Braut, Jes. 62,5. Vielmehr kommt unaussprechliche Freude aus der Liebe gegen den Schöpfer, der mit seines Mundes Kuß, d. i. in Christo, aufs lieblichste küsset, Hohel. 1,1. und in ihm, und durch die Liebe des heiligen Geistes zu uns kommt, und Wohnung bei uns macht, Joh. 14,23. Das Bild Gottes, welches in der Gleich-förmigkeit mit Gott bestehet, sollst du nicht also verstehen, als wäre der Mensch allerdings Gott gleich an so großer Heiligkeit, wie Gott selbst ist; denn Gott ist unbegreiflich, unermeßlich, unendlich in seinem Wesen, Tugenden und Eigen-schaften. Darum der Mensch Gottes Bild allein getragen, wie in diesem ersten Buche Kap. 1. der Unterschied deutlich gesetzt ist.

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9. Dieser Bericht von dem Ebenbilde Gottes ist klar, gewiß, wahrhaftig. Gott hat den Menschen zu seinem klaren, hellen Spiegel gemacht, auf dass, wenn der Mensch hätte wissen wollen, was Gott wäre, so hätte er sich selbst angesehen, und Gott, als in einem Spiegel, in sich selbst gesehen; ja er hätte Gottes Eben-bild in seinem Herzen empfunden.

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10. Dieses Bild Gottes ist des Menschen Leben und Seligkeit gewesen; das hat ihm aber der leidige Satan missgönnet, und die allergrößte List und Geschwindig-keit gebraucht, das Bild Gottes im Menschen zu zerstören, durch Ungehorsam und Feindschaft wider Gott, 1 Mos. 3,4. Keine größere Geschwindigkeit ist je gebraucht worden, und wird auch nimmermehr gebraucht werden, als der Teufel allda gebraucht hat. Denn es hat ihm und dem ganzen menschlichen Geschlecht ihr allerhöchstes Gut gegolten, wer des andern Herr sollte sein und bleiben ewiglich. Und hat, nach seiner großen List und Geschwindigkeit, nichts Höheres finden können, womit er den Menschen betrügen und von Gott reißen könnte, als wodurch er selbst gefallen war, und sich selbst betrogen hatte. Solche Begierde bildete er unserer ersten Mutter ein, durch das schönste und lieblichste Tier im Paradies, aufs freundlichste und gütigste. Was kann für ein besserer und höherer und weiserer Rat sein, als wie ein Mensch Gott selbst werde? Denn dadurch wird das Bild Gottes im Menschen zerstöret, und des Satans Bild eingedrückt, wel-ches nichts anders ist, als wollen Gott selbst sein.

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11. Als nun diese Begierde und allergrößte Hoffart dem Menschen eingebildet war, da folgte der Fall, Ungehorsam und die Übertretung des Gebots Gottes an dem verbotenen Baum; da ist das Bild Gottes erloschen, der heilige Geist vom Menschen gewichen, und das Bild des Satans eingedrückt worden. Dadurch sind sie des Satans Leibeigene und Gehorsame, und er ihr Herr geworden, und hat in ihrer Seele gewütet, wie ein zorniger Riese über ein armes Kind wütet, ihren Verstand verfinstert und geblendet, ihren Willen von Gott abgewandt durch den höchsten Ungehorsam, alle Kräfte des Herzens Gott widerspenstig gemacht, und mit höchster Bosheit vergiftet: Summa, das ganze Bild Gottes in ihnen getötet, und dagegen sein Ebenbild in sie gepflanzet, sie mit seiner bösen Art besamet, und also zu seinen Kindern nach seinem Bilde geboren, mit aller Sünde und Feindschaft Gottes. Also sind sie des ewigen Todes gestorben. Denn gleichwie das Bild Gottes das ewige Leben und Seligkeit des Menschen gewesen ist, also ist die Beraubung des Bildes Gottes der ewige Tod, und die ewige Verdammnis, Eph. 2,1. Kol. 2,13.

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12. Diesen Tod verstehen am besten die betrübten Herzen, so die hohen geist-lichen Anfechtungen leiden müssen, und des Teufels Tyrannei, Wüten und Toben wider die arme Seele erfahren, über die gewöhnliche Macht der Sünden. Wenn da der heilige Geist unter dem Kreuze stille hält, und sie nicht tröstet, und mit lebendigem Troste erquicket, so kommt der Satan über sie, tötet sie mit dem Tode, und quälet ihre Seele mit der Höllenangst. Da verschmachtet der ganze Leib, das Herz verwelkt, das Mark verschwindet, wie Ps. 6. und 38. stehet. Da sind ihm alle Worte Gottes tot, und findet kein Leben darinnen, fühlet keine An-dacht und geistliches Leben in ihm. Das ist der rechte geistliche Tod. Da liegt im Kot aller Menschen Heiligkeit, Gerechtigkeit, Würdigkeit, Stärke, Vermögen, Ruhm, Ehre, Kunst und Weisheit. Hie kann nichts helfen, als Gottes Gnade.

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13. Da lerne nun, o lieber Mensch! was die Erbsünde für ein Gräuel über alle Gräuel sei, nämlich der Mangel der erblichen Gerechtigkeit Gottes, und die erb-liche Ungerechtigkeit, von dem Teufel dem Menschen eingepflanzt; um welcher willen der Sünder von Gott verworfen und verdammt ist zum ewigen Tode, da-rinnen er auch ewig bleiben müßte, wenn er nicht Vergebung der Sünden, um Christi willen, durch den Glauben erlangte.

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14. Damit du es aber besser verstehen mögest, will ich dir diesen Gräuel, womit dein Leib und Seele behaftet ist, besser entdecken. Bitte auch und ermahne jeden Menschen, um Gottes und seiner Seligkeit willen, dass er diesen Artikel wohl lerne und täglich betrachte, damit er seinen Jammer und sein Elend recht verstehen lerne, und die Erbsünde in sich so wohl kennen lerne, als sein Ange-sicht im Spiegel, und täglich darüber seufze und jammere.

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15. Denn das ganze christliche Leben ist und muß nichts anders sein, als ein geistlicher Kampf wider die Erbsünde, und Ausfegung derselben durch den hei-ligen Geist und durch wahre Buße. Denn je mehr du die Erbsünde dämpfest, desto mehr wirst du von Tag zu Tag erneuert zum Bilde Gottes; und die sich inwendig durch den heiligen Geist nicht töten, sind Heuchler, wie heilig sie auch äußerlich vor der Welt sind. Denn zum Himmelreich ist alles untüchtig, was nicht ihm selbst gestorben, und wieder durch den heiligen Geist erneuert ist nach dem Bilde Gottes.

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16. Daraus siehest du nun, wie höchst nötig die neue Geburt und Erneuerung sei; welches du alles besser verstehen wirst, wenn du das Bild des Satans be-trachtest nach dem Gesetze Gottes. Denn erstlich, wie der Teufel Gott nicht liebet, sondern ihm von Herzen feind ist, also hat er die Seele vergiftet, und seine ganze Feindschaft wider Gott in dieselbe eingegossen, dass sie Gott nicht liebet, ehret anrufet, noch vertrauet, sondern ihm feind ist und vor ihm fliehet. Wie der Teufel in Blindheit ohne Gott hinlebet, und gedenket seine Willens nicht, also hat er des Menschen Seele auch geblendet, dass sie ohne Gott hinlebet, und ge-denket seines Willens nicht. Diese Finsternis im Gemüt des Menschen ist eine grausame, schreckliche Zerstörung des Lichts und Bildes Gottes, und eine grausame Sünde, dass der Mensch spricht: Es ist kein Gott, Ps. 14,1. Um welcher Blindheit willen das ganze menschliche Geschlecht ein Gräuel ist vor Gott in seinem Wesen.

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17. Es ist zwar im menschlichen Verstande ein kleines Fünklein des natürlichen Lichts geblieben, also, dass ein Mensch aus dem Licht der Natur schließt, dass ein Gott sei, Röm. 1,20. weiß auch, dass er ein gerechter Gott sei, wie alle heidnische Philosophen bezeugen; aber das geistliche Leben nach Gott und seiner Gerechtigkeit ist im Menschen ganz gestorben. Denn das Gewissen, welches ist das Gesetz Gottes, so allen Menschen ins Herz geschrieben in der Schöpfung, sagt einem jeden, was recht ist. Nämlich, ein unzüchtiger Mensch gedenket bisweilen: Es ist ein Gott, und derselbe ist keusch, also solltest du auch sein, Unzucht ist ein Gräuel vor Gott: aber dieser Gedanke, der recht und gut ist, und ein kleines Licht ist, wird halb verdunkelt, wie ein kleiner Funken vom Wasser ausgelöscht und gedämpft. Die böse Lust und Brunst des Fleisches behält die Oberhand. Ein Verleumder und Mörder denket bisweilen desgleichen: Es ist ein Gott, der wahrhaftig ist, und den Menschen nicht will getötet, sondern erhalten haben; aber dieser Funken währet nicht lange, sondern wird durch teuflischen Zorn und Rachgier überwunden, und ist das geistliche Leben in der Liebe und Wahrheit ganz tot und gestorben in einem fleischlichen Menschen.

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18. Die weisen Heiden schließen wohl aus dem Licht der Natur, es sei ein Gott, der das menschliche Geschlecht regiere; aber wie bald werden sie von der Blindheit ihres Herzens überwunden, dass sie zweifeln an Gottes Vorsehung, wie ihre Bücher bezeugen. Aus dieser Erbblindheit und angebornen Finsternis quillet her der Unglaube und Zweifel, in welchem alle Menschen von Natur stecken, und deswegen vor Gott ein Gräuel sein. Denn sie leben nicht im Glauben und herz-lichem Vertrauen auf Gott. Von diesem geistlichen Leben und seinen Werken weiß der natürliche Mensch gar nichts, rufet auch Gott nicht an, sondern verläßt sich auf sich selbst, auf seine Weisheit, Vermögen und Stärke, welches die größte Blindheit ist.

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19. Aus dieser Blindheit quillet her Verachtung Gottes und Sicherheit. Denn wie der Teufel sich vor Gott nicht demütiget, sondern wider ihn hoffärtig bleibt, also hat er mit diesen Lastern der Verachtung Gottes, Sicherheit und Hoffart, die Seele auch vergiftet, dass sie sich vor Gott nicht demütiget, sondern in ihrer Hoffart bleibt, und inwendig alles tut nach ihrem Mutwillen, ohne allen Scheu vor Gott. Wie der Teufel sich auf seine Weisheit und Macht verläßt, und sich selbst regieret, also hat er des Menschen Seele auch vergiftet, dass sie sich auf ihre Weisheit und Macht verlässet, und sich selbst regieren will. Wie der Teufel seine eigene Ehre suchet, also auch der Mensch, und fragt nicht nach Gottes Ehre. Wie der Teufel wider Gott wütet, also hat er die Seele mit Ungeduld wider Gott besamet. Wie der Teufel Gottes Namen lästert, und undankbar ist gegen seinen Schöpfer, wie er unbarmherzig, zornig, rachgierig ist, so hat er die Seele des Menschen mit solchem Gift auch verderbet. Wie der Teufel gerne über die Menschen herrschet, und sich selbst ehret, also hat er auch die menschliche Seele verderbet, dass ein Hoffärtiger seinen Nächsten für einen Narren in seinem Herzen achtet, für einen heillosen nichtigen Menschen, mit großen Sünden besudelt, und begehret ihn für einen Fußschemel zu haben. Wie der Teufel ein Mörder ist, also hat er auch die Seele zur Mörderin gemacht. Und hiemit will ich dir es tausendmal gesagt haben, dass Gott allezeit die Seele anklaget und anspricht, und nicht die äußerlichen Glieder. Das Herz, die Seele ist der Mörder, Lügner, und nicht die Hände oder das Maul. Wenn Gott spricht: Rufe mich an in der Not, Ps. 50,15. so gebeut er der Seele, nicht dem Maul. Wer das nicht merket, der bleibt ein Narr in der heiligen Schrift, und versteht nimmermehr die Erbsünde, die Buße, neue Geburt, ja keinen Artikel recht.

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20. Wir sehen täglich diese teuflische Bosheit, schreckliche Hoffart, Haß und Neid wider den Nächsten, dass die Menschen lieber sterben wollen, ehe sie dem Nächsten sein Leben gönnen und lassen, er soll unter uns sein, oder nichts sein, nach unserer boshaften, zornigen Seele. Mit solchem grausamen Neid hat der Teufel die menschliche Seele besamet, und um solches großen Grimms, Zorns, Hasses, Neids und Feindschaft willen ist der Mensch des Satans Bild. So hat er sich in des Menschen Seele abgebildet und abconterfeiet.

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21. Gott hat dem Menschen eingepflanzet eine reine, keusche, züchtige, eheliche Liebe, Kinder zu zeugen, nach dem Ebenbilde Gottes. Und ist keine heiligere Lust und Liebe gewesen, als das Ebenbild Gottes fortzupflanzen, und das menschliche Geschlecht zu vermehren, zu Gottes Ehre und der Menschen Seligkeit. Ja, wenn ein Mensch in der Unschuld tausend Kinder zeugen, und das Ebenbild Gottes und seine Ehre hätte fortpflanzen können, das wäre seine heiligste, höchste Lust und Freude gewesen; denn das wäre alles aus Liebe gegen Gott und das menschliche Geschlecht, als das Ebenbild Gottes, ge-schehen. Denn wie Gott den Menschen in heiliger und herzlicher Wollust und Wohlgefallen geschaffen, und seine Freude und Wonne an ihm gehabt, als an seinem Bilde; also hätte auch der Mensch in heiliger Wollust seines Gleichen gezeuget, Freude und Wonne an ihm gehabt, als an Gottes Ebenbild. Wie aber der Satan diese reine, keusche, eheliche Liebesflamme verunreiniget mit seiner Unsauberkeit, bedarf keiner langen Predigt. Der Mensch zeuget nur seines Gleichen, 1 Mos. 5,3. wie ein unvernünftiges Vieh in seiner Blindheit und Brunst. Wie ist doch von dem unsaubern Geist die heilige Ehe mit so unordentlichen Lastern verwüstet!

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22. Wie der Satan ungerecht, ein Dieb und Räuber ist, so hat er die menschliche Seele mit seiner diebischen Art besamet. Wie der Teufel ein Verleumder, Sophist, Lästerer, Schänder Gottes und des Menschen ist, Gott und dem Menschen sein Wort und Werke verkehrt, wie er tat, da er unsere ersten Eltern betrog, 1 Mos. 3,1. seq. also hat er auch die Seele des Menschen mit seiner giftigen, verkehrten, lügenhaften Unart besamet, und die teuflische Art fortge-pflanzt, wie er ist, nämlich Lügner, Lästerer, Verleumder, Joh. 8,44. Dieses Gift ist in des Menschen Seele so unaussprechlich, auf so viel tausenderlei Art, dass man nicht Worte genug finden kann, dieselbe auszusprechen, wie Ps. 5,10. und Röm. 3,13. und Jak. 3,5.6. die böse, giftige Unart des Lügenmauls, und falscher Zungen beschreibt; wo du nichts anders verstehen sollst, als dieses teuflische diabolische Gift in der Seele. Denn Gott klaget in seinem Gesetz nicht allein das Maul, Zunge, Hände und Füße an, sondern den ganzen Menschen, sein Herz und die Seele, den Brunnen alles Bösen, wie er solches in den beiden letzten Geboten von den bösen Lüsten genugsam zu verstehen gibt, 2 Mos. 20,16.17. Das lerne nur wohl.

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23. Dies ist das Bild des Satans, so der Teufel der menschlichen Seele anstatt des Bildes Gottes eingedrückt und eingepflanzet, dass solche böse Unart zu sündigen, zu verleumden, den Nächsten zu vernichten, des Menschen größte Lust und Freude ist; wie mancher, der doch ein guter Christ sein will, oft Ursache sucht, sein Gift wider seinen Nächsten auszuspeien, und wenn das geschehen, sagen sie: Nun bin ich wohl zufrieden, ich habe es ihm lange nachgetragen. Es ist mir nun ein Mühlstein vom Herzen gefallen, ich bin nun, als wäre ich neu geboren. Ach du elender Mensch! erkennest du nicht, wer dich zu einem solchen Lästerer und Teufel geboren hat? Siehest du nicht, weß Bild du trägst? Also drücken uns alle andere Teufelsarten, Teufelskörner und Samen in unserer Seele, als Hoffart, Ehrgeiz, Unzucht, welches die tägliche Erfahrung genugsam bezeuget.

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24. Siehe, du elender Mensch, dies Bild des Satans, welches ist die Erbsünde, mußt du in deinem Herzen kennen lernen, wie nämlich die Seele mit des Teufels Bild und Unart besamet und ganz greulich verwüstet ist, so böse, dass niemand des Menschen Herz ergründen kann. Und du kannst auch selbst nicht genugsam ausdenken und aussprechen, was für ein Gräuel in deinem Herzen ist. Das, bitte ich, wollest du dir tausend- und aber tausendmal lassen gesagt sein, dass nämlich diese Vergiftung so groß, so tief, so heillos ist, dass es keiner Kreatur möglich, weder Engeln noch Menschen, die Sünden aus der Natur des Men-schen auszutilgen, auszurotten und auszufegen. Solches ist allen Menschen unmöglich, mit allen ihren Kräften. Denn wie kann einer sich selber mit seinen eigenen Kräften helfen, die ganz verdorben und geistlich gestorben sein. Der Mensch muß ewig in solchem Verderben bleiben, wo nicht ein mächtiger Sündentilger kommt, der über Sünde und Tod Herr ist, welcher auch die Natur des Menschen ändern, erneuern und reinigen kann. Da siehest du, dass die Rechtfertigung kein Menschenwerk ist, siehest auch, wie höchstnötig die neue Geburt ist, denn es kann die Seele inwendig aus ihren eigenen Kräften nicht anders leben, als in dieser ihrer eigenen Schwachheit, eingepflanzter Unart und Bosheit, in Sünden wider alle Gebote Gottes, und sonderlich der ersten Tafel, welche Übertretung die rechte Feindschaft Gottes ist. Da ist Verstand und Wille gefangen, ganz gestorben, und kann Gott von Natur nicht fürchten, lieben, vertrauen, anrufen, ehren, loben und preisen, noch sich zu ihm bekehren. Was aber die andere Tafel anlanget, da ist noch ein Fünklein des freien Willens in der Seele übrig geblieben, aber derselbe herrschet nur über die äußerlichen Werke der andern Tafel; wiewohl auch ganz schwach und kraftlos, und kann nur einigermaßen die Begierden und bösen Lüste zähmen und über sie herrschen, dass die äußerlichen Werke nicht vollbracht werden, wie man an den tugend-haften Heiden siehet; aber das Herz ändern, zu Gott wenden, von bösen Lüsten reinigen, ist unmöglich, da gehöret göttliche Kraft dazu. Denn die inwendige, giftige Wurzel bleibt, und ist gleich, als wenn man ein Feuer dämpfet, dass die Flamme nicht ausschlägt, und doch inwendig immer glimmend und ungeloschen ewig bleibt.

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25. Wenn dieser freie Wille in dem natürlichen äußerlichen Leben und Wesen nicht wäre, so könnte das menschliche Geschlecht bei einander nicht leben. Darum hat gleichwohl Gott der Herr den Satan nicht alle natürliche Kräfte und Affekten aus des Menschen Seele reißen lassen. Es ist gleichwohl noch übrig geblieben das Gesetz der Natur, die eheliche natürliche Liebe zwischen Ehe-leuten, Eltern und Kindern, sonst könnte das menschliche Geschlecht nicht bestehen. Denn wer alle seine bösen Lüsten und Begierden, seiner bösen Natur nach, äußerlich vollbringen will, der zerrüttet die menschliche Gesellschaft und stößt seinen Leib in das weltliche Schwert. So hat auch Gott die natürliche Liebesflamme darum lassen übrig bleiben, dass wir daraus erkennen und spüren sollten, welch ein hohes Gut und schönes Bild Gottes die vollkommene Liebe Gottes sei, und was für ein hohes Gut wir verloren haben. Sonst in geistlichen Sachen, die Seligkeit und das Reich Gottes betreffend, bleibts wohl ewig wahr, was St. Paulus 1 Kor. 2,14. spricht: Der natürliche Mensch verstehet nichts vom Geist Gottes, es ist ihm eine Torheit, und kann es nicht begreifen, das ist, er hat kein Fünklein des geistlichen Lichts, sondern er ist stockblind in dem ganzen göttlichen, geistlichen Leben, zu welchem allein der Mensch geschaffen ist, dass er nämlich im geistlichen Licht Gottes Gegenwart und seine herzliche Liebe gegen ihn mit inwendigen Augen der Seele ansehe, ewig vor und mit ihm wandele und sich von ihm regieren lasse in diesem Leben.

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26. Von diesem geistlichen Licht im Reiche Gottes hat der natürliche Mensch nicht das geringste Fünklein. In dieser Blindheit sind und müssen alle Menschen natürlich bleiben, wenn sie Gott nicht erleuchtet. Das ist die rechte geistliche Erbblindheit in Sachen, das Reich Gottes betreffend. Dazu kommt auch oft die natürliche Blindheit, wenn die Bosheit des Menschen überhand nimmt, dämpfet und verfinstert auch noch das kleine natürliche Licht in der Tugend und Ehrbar-keit, so zum äußerlichen Leben gehöret. Also ist die ganze Seele mit Blindheit geschlagen und verfinstert, und hätte ewig also bleiben müssen, wenn sie Christus nicht erleuchtet hätte.

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27. Siehe nun, lieber Mensch! was bist du, wenn dich Christus durch seinen Geist nicht neu gebieret, zu einer neuen Kreatur machet, zu Gottes Ebenbild wieder erneuert? Welches alles aber doch in dieser Welt nur angefangen wird in großer Schwachheit. Denn siehe dich selbst an, der du des heiligen Geistes neue Kreatur bist. Wie schwach und gering ist das Bild Gottes in dir? Wie schwach ist in dir die Furcht und Liebe Gottes, der Glaube und die Hoffnung? Wie gering ist die Demut? Wie groß dagegen das Misstrauen, Hoffart und Ungeduld? Wie kalt und schwach ist dein Gebet? Wie schwach ist deine Liebe gegen deinen Nächsten? Wie ein geringes Fünklein der reinen geistlichen Keuschheit ist in deinem Herzen? Wie große Flammen fleischlicher Unzucht? Wie groß ist deine eigene Liebe, Eigennutz, eigene Ehre, und die Brunst der bösen Lust? Da hast du nun durch den Geist Gottes zu kämpfen und zu streiten mit deinem alten Adam, mit dem Bilde des Satans in dir, bis in deine Grube. Da bete, flehe, seufze, suche, klopfe an, so wir dir der heilige Geist gegeben, der dir täglich das Bild Gottes erneuert und das Bild des Satans dämpfet.

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28. Also lernest du nicht auf dich selbst, sondern auf Gottes Gnade trauen und bauen, und dass Gottes Gnade alles in dir tun müsse. Also lernest du durch den Glauben von und aus Christo alles suchen, bitten, erlangen, göttliche Erkenntnis und Weisheit wider deine Blindheit, Christi Gerechtigkeit wider alle deine Sünden, Christi Heiligung wider alle deine Unreinigkeit, Christi Erlösung, Kraft, Sieg, Stärke wider Tod, Hölle und Teufel, und Vergebung aller deiner Sünden, wider das ganze Reich der Sünden und des Teufels, die ewige Seligkeit, wider allen deinen geistlichen und leiblichen Jammer und Elend, und in Christo allein das ewige Leben. Davon im zweiten Buch weiter.

 

Hieher gehören die Gebete, so zu Ende des 1. und 2. Kapitels dieses Buches ge-funden werden, Seite 24, 29.

 

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