DAS VIERTE BUCH

VOM WAHREN CHRISTENTUM.

 

VORREDE

ÜBER DAS VIERTE BUCH VOM WAHREN CHRISTENTUM.

 

DIE KREATUREN SIND HÄNDE UND BOTEN GOTTES,

DIE UNS ZU GOTT FÜHREN SOLLEN.

 

Inhalt.

1) Die große Welt und die kleine Welt sind zwei gewaltige Zeugen Gottes. 2) Von diesen beiden Zeugen soll dies vierte Buch handeln, 3) welches allerdings zum wahren Christentum gehöret. 4) Die Kreaturen sollen uns zum Lobe Gottes lei-ten; 5) denn sie sind Hände und Boten Gottes, die zu Gott führen. 6) Vergisset man über den Gaben des Gebers, so handelt man übel. 7) Der größte Bote und das größte Geschenk Gottes ist Christus. 8) Der erste Teil dieses Buchs soll von der Schöpfung Gottes insgemein; 9) der andere von dem Menschen insonderheit handeln.

 

Durch ihn ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sicht-bare und Unsichtbare, beides die Thronen und Fürstentümer, Herrschaften und Obrigkeiten. Es ist alles durch ihn und in ihm geschaffen, und er ist vor allem, und es bestehet alles in ihm. Kol. 1,16.17.

 

Der große Prophet Moses hält uns im Buche der Schöpfung vor zweierlei gewal-tige Zeugen Gottes. Erstlich die große Welt, und dann die kleine Welt, das ist, den Menschen. Von diesen beiden nimmt die heilige Schrift herrliche Zeugnisse an vielen Orten, beide aus der großen Welt und aus des Menschen Herzen, durch welche uns der Schöpfer und Erhalter aller Dinge geoffenbaret, und in unser Herz gebildet wird.

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2. Wollen demnach in diesem Buch solche beide Zeugnisse, erstlich der großen Welt, darnach der kleinen Welt, einführen, und lernen, wie die Kreaturen gleich-sam als Hände oder Handleiter und Boten Gottes sein, so uns, christlicher Er-kenntnis, auch zu Gott und Christo führen.

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3. Achte derohalben unnötig, zu beweisen, dass auch dies Buch zum wahren Christentum gehöre, wie sich etliche möchten ein Widriges träumen lassen. Wollen sie aber je Beweis haben, so nehmen sie denselben aus obgesetztem Spruch Kol. 1. und aus dem Eingang des Evangelii Johannis und andern sehr vielen Orten alten und neuen Testaments, bedenken auch, was der königliche Prophet David im 19., 104. und 139. Psalm singet; item: was St. Paulus Röm. 8,22. von der Angst der Kreaturen schreibt, und 1 Kor. 15,42.52. von der Aufer-stehung der Toten, so werden sie mir gütlicher und gnädig sein; werden es auch unserm Erlöser Jesu Christo zu Gut halten, dass er aus dem großen Weltbuche der Natur durch so viele tröstliche Gleichnisse das wahre Christentum und das Himmelreich erkläret und seinen Kindern vor Augen stellet. Sie mögen auch die heiligen Sakramente aufheben mit ihren Substantialien, so zu Zeugen und Siegeln der Gnade Gottes verordnet, und aus dem großen Weltbuche der Natur genommen und geheiliget sein. So werden ihnen auch antworten die heiligen Väter, Ambrosius, Basilius, Theodoretus und andere, die von den sechs Tag-werken der Schöpfung herrliche Bücher gestellet.

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4. Lassen demnach denselben hiemit auf's Kürzeste, aber mit sattem Grund ge-antwortet sein, und sagen also: Dass ein wahrer Christ der Kreaturen Gottes gebrauchen soll, zur Erkenntnis, Lob und Preis Gottes, auf das in allen Dingen Gott gepriesen werde, durch Christum Jesum unsern Herrn.

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5. Wie uns aber die Kreaturen zu Gott führen, merke also: Gott tut gleich als ein liebreicher Vater, der ein Kind zu sich rufet und gewöhnet mit süßen Worten; will es denn nicht bald kommen, so wirft er ihm einen Apfel oder eine Birne zu, oder einen schönen bunten Rock, wie Israel seinem Sohn Joseph, 1 Mos. 37,3. nicht aber darum, dass das Kind den Apfel oder das schöne Kleid soll so lieb haben, dass es an der Gabe hangen und kleben bleibe, sondern es soll an der Liebe des Vaters hangen, und des Gebers; also läßt es unser lieber Vater im Himmel dabei nicht bewenden, dass er uns mit so holdseligen und freundlichen Worten durch die Propheten und Apostel zu sich rufet, sondern gibt und wirft uns auch noch viele gute Gaben zu, viele fruchtbare Zeiten vom Himmel, und erfüllet unsere Herzen mit Speise und Freude, Ap. Gesch. 14,17. welches eitel Hände und Boten Gottes sind, die uns sollen zu Gott führen, und uns seine Liebe bezeugen und einbilden, auf dass wir den Geber selbst in den Kreaturen und Gaben empfangen sollen.

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6. Aber siehe nun, wie übel du tust, du elender Mensch, dass du an der Gabe kleben bleibest, an einer Hand voll Gold und Silber, Häuser und Äcker, weltlicher Ehre und Lust, welche doch vor Gottes Augen nicht anders sein, als ein Apfel oder eine Birne, dadurch dich Gott will zu sich ziehen und locken, und wenn es auch ein Königreich wäre. Ja eben darum hat Gott den Menschen so mangelhaft, so dürftig, so elend erschaffen, nackend und bloß, hungrig und durstig auf diese Welt lassen geboren werden, auf dass ihn Gott mit so vielen Wohltaten, Gaben und Geschenken zu sich ziehe, auf dass der Mensch Gottes Liebe in allen Din-gen schmecken möge, auf dass er in den sterblichen Kreaturen den unsterb-lichen Gott finden möge, auf dass der Mensch lernen solle, dass der ewige un-sterbliche Gott mehr erfreuen, trösten, stärken, erhalten könne, denn die ver-gänglichen und sterblichen Kreaturen.

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7. Der größte Bote und Legat Gottes aber, und das größte Geschenke und die stärkste Hand Gottes, die uns zu Gott führen soll, ist Jesus Christus, der Sohn Gottes, in dem ist alles, und alle Fülle, der strecket seine Hand aus in alle Krea-turen. Denn alle Dinge sind durch ihn gemacht, Joh. 1,3. Es bestehet alles in ihm, Kol. 1,17. Er trägt und hält alles, Hebr. 1,3.

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8. Darauf fangen wir nun an den ersten Teil dieses Buchs, nämlich die sechs Tagwerke der Schöpfung Gottes insgemein zu beschreiben, zum Erkenntnis, Lob und Preis des Schöpfers.

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9. Vom Menschen aber insonderheit soll im andern Teile hernach folgen. Und damit niemand zu geschwind urteile, will ich ihn gewiesen haben auf den Be-schluß, so zu Ende des andern Buchs ist angeheftet. Denn ich diese meine Schriften nach den symbolischen Büchern der Kirche, der Augsburgischen Con-fession, und nicht anders will verstanden haben.

 

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