DAS VIERTE KAPITEL. (5.B./1.T./4.K.)

 

VOM WORT GOTTES,

AUS WELCHEM DER NEUE INWENDIGE MENSCH

ALS AUS EINEM GÖTTLICHEN SAMEN, GEBOREN WIRD.

 

Inhalt.

1) Das Wort Gottes ist 1. ein Wort der Wahrheit, uns von den Lügen des Satans zu reinigen. 2) 2. Ein lebendiger Same, und 3. die Weisheit Gottes. 3) 4. Kraft und Leben, Wehr und Speise. 5. Ein Mittel der Vereinigung mit Gott etc. 4) 6. Unserer Seelen Licht. 5) 7. Geistlich, und muß auch mit dem Geist des Glaubens gefasset werden. 6) Führet es uns zur Vergleichung unsers Verstandes, mit dem unendlichen, unbegreiflichen, allweisen und allmächtigen göttlichen Wesen. 7) Dies Wort nun gebieret und stärket den neuen inwendigen Menschen. 8) Die aber vom neuen Menschen nichts wissen wollen, haben ein totes Wort und toten Glauben.

 

Der Apostel Petrus spricht 1 Epistel 1,23. Ihr seid wiederum geboren, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem leben-digen Wort Gottes, das da ewig bleibet. Und St. Jakobus C. 1,18. Er hat uns gezeuget nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit, auf dass wir wären Erstlinge seiner Kreaturen. Hie ist der Ursprung und Same des neuen Menschen beschrieben, dazu der heilige Geist, als die wirkliche Ursach, und das Mittel der heiligen Taufe, gehöret. Wollen aber jetzo allein vom Wort Gottes reden, als vom Samen Gottes, welcher in unser Herz gepflanzet und gesäet wird, unser Herz zu erneuern und zu reinigen von den Lügen des Satans, so er in uns als einen teuf-lischen Samen gesäet hat, darum es auch 1) das Wort der Wahrheit genennet wird. Denn des Teufels Lügen ist der erste Same und der Ursprung der Sünden und Verführung, 1 Mos. 3,1. derowegen Gott der Allmächtige nach seinem allein weisen Rat sein göttlich Wort, als die ewige Wahrheit, wider des Satans Lügen, List, Betrug und Verblendung uns geoffenbaret hat, auf dass er uns davon ab-wende, und uns durch das Wort einen andern Geist ins Herz pflanze. Denn was ein Mensch für ein Wort ins Herz fasset, solch einen Geist bekommt er. Und ist der Schade und Verderbung der Menschen Gemüter nicht genugsam zu bekla-gen, so da entstehet aus Lesung so vieler heidnischer, loser, leichtfertiger Bücher und Schriften, aus welchen die, so sich gar darauf legen, einen heidnischen Geist und Gemüte schöpfen, wo sie nicht mit rechtem Verstande und christlichem Herzen dieselben lesen. Es hat uns unser lieber Herr nicht umsonst gesagt: Joh. 17,17. Heiliger Vater, heilige sie in deiner Wahrheit, dein Wort ist die Wahrheit. Er lehret uns hiemit, dass unsere Gemüter durchs Wort geändert und geheiliget werden. Und also werden sie durch solche Bücher verunheiliget, so die Wahrheit nicht vortragen. Denn gleichwie der Geist der Wahrheit und des Lichts bei dem Wort der Wahrheit ist, also der Geist der Finsternis bei dem Wort der Lügen. Die Wege des Herrn sind eitel Güte und Wahrheit, sagt der 25. Psalm v. 10. Und abermal Ps. 119,160. Herr, dein Wort ist nichts, denn eitel Wahrheit. Derohalben reiniget Gottes Wort das Herz von den Lügen des Satans, vom falschen Gottes-dienst, und von dem Unfall der falschen Lehre und Aberglauben, wie der Herr Joh. 15,3. spricht: Ihr seid rein um des Worts willen. Derowegen wird unser Herz durch Gottes Wort gleichsam neu geboren, als durch Gottes Samen, welcher die fleischlichen Lüste ändert, und machet neue geistliche Bewegungen und Gedan-ken, gibt einen neuen Geist, welcher unsere Gemüter nach dem Bilde Gottes er-neuert.

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2. Das ist die Ursache, dass Gottes Wort 2) der lebendige Same Gottes ge-nennet wird, 1 Petr. 1,23. denn daraus wächset die wahre Erkenntnis Gottes, Gottes Liebe und der Glaube, Gebet, Gottesfurcht und der ganze inwendige neue Mensch, mit allen seinen Gliedern, Sitten und Tugenden, mit allerlei geistlicher Weisheit, heilsamer Lehre und kräftigem Trost, das ist der Baum, am Wasser des Lebens gepflanzet, dessen Blätter nicht verwelken, und was er macht, das gerät wohl, Ps. 1,3. Das ist der fruchtbare geistliche Regen und Tau, so vom Himmel fällt, und nicht leer wieder zu Gott kommt, Jes. 55,10. darum spricht Moses im 5 Mos. 32,1.2.3. Merket auf, ihr Himmel, ich will reden, und die Erde höre die Rede meines Mundes. Meine Lehre triefe wie der Regen, und meine Rede fließe wie der Tau; wie der Regen auf das Gras, und wie die Tropfen auf das Kraut. Denn das alte unwiedergeborne Herz kann ohne Gottes Wort nichts tragen, als lauter unnützes Gewächs, Dornen und Distel, Torheit und Irrtum; darum uns Gott sein Wort, 3) als den Samen der ewigen Weisheit, geoffenbaret und gegeben hat, und hat es selbst geredet durch den Mund seiner heiligen Propheten, durch den Mund seines lieben Sohnes, durch den Mund der heiligen Apostel, durch welche der Geist Gottes mit feurigen Zungen geredet hat, dadurch sich der verborgene Gott, der in einem Licht wohnet, da niemand zukommen kann, geoffenbaret hat, welchen niemand jemals gesehen, welchen aller menschliche Witz nicht er-forschen kann, und die Klugen dieser Welt nicht erkannt haben, 1 Kor. 2,6.8. Derentwegen Gottes Wort ein Brunn aller Weisheit ist, welchen noch niemand ausgeschöpfet hat. Und ist ein Spiegel des unsichtbaren Gottes, ein Schauplatz der heiligen Engel und der Heerschaaren Gottes, ein Conterfait des wahren Gottesdienstes, eine Richtschnur unsers Glaubens, eine Regel der Gottseligkeit, es ist der vollkommene Rat Gottes von unserer Seligkeit, ein Regierer unsers ganzen Lebens, ein kräftiger Trost im Sterben, und ein gewisser unbefleckter Weg zum ewigen Leben. Darum, o Mensch, sollst du Gottes Wort nicht für ein ohnmächtiges Wort oder Menschenwort halten und achten, denn Gottes Wort ist 4) lebendig und kräftig, und schärfer, denn ein zweischneidig Schwert, und durchdringet, bis dass es scheide Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinnen des Herzens und ist keine Kreatur vor ihm unsichtbar. Es ist aber bloß und entdeckt vor seinen Augen, Hebr. 4,12. Gottes Wort, ja die Kraft Gottes, Röm. 1,16. von dem mächtigsten Herrn ausgegangen. Es ist heilig von dem Allerheiligsten; wahrhaftig von der ewigen Wahrheit entsprossen; ewig, von dem Ewigen; unüberwindlich, von dem Unüberwind-lichsten; gerecht, von dem Gerechten; ein Richter aller Dinge, von dem, der aller Welt Richter ist. Ist nicht mein Wort ein Feuer, und ein Hammer, der die Felsen zerschlägt? Jer. 23,29. Die Stimme des Herrn gehet mit Macht, die Stimme des Herrn gehet herrlich, die Stimme des Herrn zerbricht die Zedern hauet wie Feuerflammen, Ps. 29,4.5.7. das ist, Gottes Wort richtet, verdammet, verwirft alles, was sich wider Gott, wider Christum und sein Reich auflehnet, und richtet alle Welt mit ihrer Weisheit, Vernunft, Hoheit, Ansehen und Herrlichkeit, Reich-tum und Ehre und bezeuget, dass solches alles vor Gott nichts gelte. Denn alles Fleisch ist wie Heu, und alle seine Herrlichkeit, wie eine Blume auf dem Felde, denn der Geist Gottes bläset darein, Jes. 40,6. Damit werden die Heiligen ge-wappnet und ausgerüstet, zum Streit wider den Satan und die Welt, wie solche geistliche Rüstung Eph. 6,13. beschrieben ist; und 2 Kor. 10,4. spricht St. Paulus: Die Waffen unserer Ritterschaft sind nicht fleischlich, sondern mächtig für Gott, zu zerstören Festungen, Anschläge, alle Höhe, die sich erhebet wider die Er-kenntnis Gottes, und nehmen gefangen alle Vernunft unter dem Gehorsam Christi. Es ist aber auch Gottes Wort freundlich den Frommen, Mich. 2,7. Es ist ohne Wandel, und erquicket die Seele, es ist gewiß, und machet die Albernen weise, es ist richtig, und erfreuet das Herz, es ist lauter, und erleuchtet die Au-gen, es ist rein, wahrhaftig und ewig, köstlicher denn Gold, süßer denn Honig und Honigseim, Ps. 19,8. seq. Daher ist es unserer Seelen Speise, Matth. 4,4. unser Leben, so aus dem Munde Gottes gehet, das himmlische Manna, welches mit dem Tau des heil. Geistes in unser Herz fällt, 2 Mos. 16,14. alsdann wird im Wort empfunden und geschmecket Gottes Freundlichkeit, Gnade, Liebe, Trost, Güte und Wahrheit. 5) Gottes Wort vereiniget uns mit Gott, vermählet unsere Seele mit Christo durch den Glauben, machet unser Herz zur Wohnung, Tempel und Werk-statt des heil. Geistes, mehret den Glauben, entzündet die Liebe, stärket die Hoffnung, gebieret Geduld, machet kräftig das Gebet, erwecket die Andacht, lindert die Trübsal, heilet die geistlichen Schmerzen, tröstet die Traurigkeit, be-sänftigt die Betrübnis erweichet die Härtigkeit des Herzens, bewegt zum Mitlei-den, verschmähet der Welt Eitelkeit, wirket Demut, entdecket dem Menschen seine eigene Schwachheit, streitet wider die Anfechtung, offenbaret göttliche Geheimnisse, preiset die Werke Gottes, mildert das menschliche Elend, bessert das ganze Leben, locket herzu die heiligen Engel, gibt einen Vorgeschmack des ewigen Lebens, und gibt das Geleit ins ewige Vaterland.

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4. Daher ist Gottes Wort 6) unserer Seelen Licht, welches unsere geistliche Fin-sternis vertreibet, und scheinet in einem dunkeln Ort, bis der Tag anbricht, und der Morgenstern aufgehet in unsern Herzen, 2 Petr. 1,19. welcher Morgenstern ist Christus Jesus unser ewiges Licht, wider alle Irrtümer, Abgötterei und Ver-führung. In ihm haben wir ein Gnadenlicht, ein Freudenlicht, ein Trostlicht, ein Licht des Lebens, Joh. 1,9.

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5. Und damit wir dieser hohen Früchte des göttlichen Worts und Lichts genießen, müssen wir 7) Gottes Wort mit reinem und gläubigem Herzen aufnehmen, und mit heiliger Andacht lesen und betrachten, und es dafür halten, als rede Gott selbst mit uns in seinem Wort; wie wir denn auch Gott selbst hören reden im Wort. Denn Gott will nun nicht mehr, weil seine Gnade im Evangelio geoffenbaret ist, so schrecklich mit uns reden aus dem Feuer, wie am Berge Sinai geschehen ist, 2 Mos. 20,19. oder wie Gott durch Mosen, dessen Angesicht schrecklich leuchtete, mit den Kindern Israel geredet hat, 2 Mos. 34,30. sondern durch ein schönes Licht, wie die Verklärung des Herrn auf dem Berge Tabor, Matth. 17,2. und die liebliche Flamme, so aus dem Munde der Apostel geleuchtet hat, Ap. Gesch. 2,3. bezeuget. Zwar wir sollen es dafür halten, wenn Gott der Herr drohet, dass er mit uns aus dem Feuer seines Eifers redet, wie St. Paulus 7,13. spricht: Will man sich nicht bekehren, so hat er sein Schwert gewetzt etc. Sollen uns auch vor seinem Drohen fürchten. Wenn er aber von seiner Gnade prediget, als Ps. 103,8. sollen wirs gewiß dafür halten, wir hören unsern lieben Vater mit uns davon reden, und sehen das liebliche, leuchtende Angesicht Christi in seiner Verklärung, und die leuchtende feurige Zungen und Flammen des heiligen Geistes.

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6. Wir sollen auch bedenken die Weisheit und Allmacht dessen, der in Gottes Wort mit uns redet, und Gottes Wort nicht nach der Vernunft beurteilen, denn er sagt es, dem alles möglich ist, welches Worte eitel Werke sein, dessen Weisheit ohne Zahl ist, welches Werke, Wege, heilige Gedanken unbegreiflich sein, denn so viel höher der Himmel ist, als die Erde, so viel höher sind seine Gedanken, als unsere Gedanken, und seine Wege höher, als unsere Wege, Jes. 55,9. Denn er überschwenglich tun kann über alles, was wir bitten und verstehen, Ephes. 3,20. Denn es ist keine Vergleichung unsers Verstandes mit dem unendlichen, unbe-greiflichen, allweisen und allmächtigen göttlichen Wesen. Sehet an, mit was großer Furcht der Mann Gottes Mose redet, 2 Mos. 3,5. seq. als ihm Gott er-schien in einem feurigen Busch. Gott befahl ihm, die Schuhe auszuziehen, denn der Boden, darauf er stünde, wäre heilig, das ist, wer das Heilige für der gött-lichen Rede zu empfinden begehret, muß den fleischlichen Sinn ablegen. Denn Gottes Wort ist nicht fleischlich, sondern geistlich, darum es auch nicht mit irdischen Sinnen, sondern mit geistlichem Gemüte ergriffen wird. Das heilige Land bedeutet die Gegenwart und Offenbarung des Sohnes Gottes und seiner Fußstapfen, und der brennende Busch bedeutet unter andern das gläubige Herz, mit Gottes Liebe und Furcht entzündet, welcher zwar brennet, aber nicht mit verzehrendem Feuer, sondern mit einem lebendigen Feuer; dessen Bild sind die feurigen Zungen der heiligen Apostel, Apost. Gesch. 2,3. Da redet Gott selbst. Und wenn du solche Kraft im Wort empfindest, so verhülle dein Angesicht, wie Moses, denn mit äußerlichen, fleischlichen Sinnen kannst du Gott im Wort nicht anschauen, sondern mit innerlichen Augen des Geistes und Glaubens, und gehe in dein Herz durch innerliche Andacht, wenn du Gottes Wort liesest, hörest, betrachtest, da wird Gott in dir von Herzen mit dir reden, dich lehren, erleuchten, trösten, lebendig machen, und mit dem Finger seines heiligen Geistes sein Wort in die Tafeln deines Herzens schreiben, wie Jer. 31,33. weissaget: Ich will mein Gesetz in ihr Herz und in ihren Sinn schreiben; und das ist das inwendige Zeug-nis der Kindschaft Gottes, welches der heilige Geist gibt unserm Geist, wie St. Paulus Röm. 8,16. tröstlich lehret.

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7. Das ist nun der lebendige Same und Ursprung des inwendigen neuen Men-schen, welcher aber nicht vollkommen ist, sondern wie ein kleines Kind, wie St. Petrus, 1 Ep. 2,2.3. redet: seid begierig nach der vernünftigen lautern Milch, als die jetzt geborenen Kindlein, auf dass ihr durch dieselbe zunehmet, so ihr anders geschmecket habt, dass der Herr freundlich ist, zu welchen ihr kommen seid. Ist nun Gottes Wort ein Wort der Wahrheit, so muß es uns ja billig lehren. Ist es Gottes lebendiger Same, so muß es ja in uns wachsen. Ist es Gottes Weisheit, so muß es uns ja die Erkenntnis Gottes geben. Ist es lebendig und mächtig, muß es ja in uns wirken. Ist es das Mittel, dadurch wir zu Gott kommen, so muß es uns ja mit Gott vereinigen. Ist es ein Licht, so muß es ja unsere Seele erleuchten. Ist es geistlich, so muß es ja mit dem Geist des Glaubens aufgenommen werden. Darum wächset nun der neue inwendige Mensch, und nimmt von Tage zu Tage zu.

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8. Die aber vom inwendigen neuen Menschen nichts wissen wollen, die wollen ein solches Wort haben, welches ihr Herz nicht lehret. Einen dummen Samen, der nicht wächset. Eine Weisheit, die nicht zur Erkenntnis führt. Ein ohnmächti-ges Wort, das nicht wirket. Ein Wort, das mit Gott nicht vereiniget. Ein Licht, das nicht in ihnen leuchtet. Ein fleischliches Wort, das den Geist nicht erworben. So haben sie denn ein solches Wort, aus welchem kein neuer Mensch kann geboren werden, und behalten den unwiedergebornen Menschen, der in ihnen lebt und herrscht, durch Geiz und Hoffart; sind kahle, unfruchtbare Bäume, die nur Blätter tragen ohne Frucht, haben nur den Schein der Gottseligkeit, aber die Kraft ver-leugnen sie, 2 Tim. 3,5. haben einen toten Glauben bis an ihr Ende, und in die Hölle hinein, wenn sie nicht den neuen Menschen anziehen.

 

Gebet um die Liebe des göttlichen Worts. (Siehe im Paradiesgärtlein.)

 

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