Johann Gerhard: Tägliche Übung der Gottseligkeit

 

(Vorbemerkung: Es handelt sich um eine Sammlung von Gebeten. Und wie es bei einem Gelehrten dieses Formats nicht anders zu erwarten ist, sind sie von theologischer Reflektion gesättigt. Sie wirken deswegen aber keineswegs „lehrhaft“. In einem „Anhang“ finden sich zusätzlich „Morgen- und Abendsegen“, sowie weitere Gebete Johann Habermanns, die denen Gerhards nicht nachstehen. Die Widmung und die Anmerkungen des ungenannten Übersetzers werden im Folgenden nicht wiedergegeben. Um den Gebrauch und das flüssige Lesen zu erleichtern, wurde die Rechtschreibung der heutigen angenähert. T.G. / 2020)

 

JOHANN GERHARD’S

TÄGLICHE

ÜBUNG DER GOTTSELIGKEIT.

AUS DEM LATEINISCHEN ÜBERSETZT.

SULZBACH, 

IN DER J. E. V. SEIDELSCHEN BUCHHANDLUNG.

1842.

 

VORWORT. 

Der reiche Segen, den ich selbst beim Lesen der nachstehenden Betrachtungen hatte, erregte in mir den Wunsch, es möchte dieses köstliche Büchlein auch andern zugänglich werden, die der lateinischen Sprache nicht kundig sind. Da mir nun keine Übersetzung davon bekannt geworden ist, so entschloss ich mich, selbst eine solche zu fertigen. Bei der Ausarbeitung derselben stießen mir wohl bald ganz eigentümliche Schwierigkeiten auf, die mich in Versuchung führten, durch bedeutende Veränderungen und Umschreibungen das Büchlein der Ausdrucksweise unserer Zeit genauer anzupassen; da jedoch dies eine völlige Umarbeitung zur Folge gehabt hätte, und das Buch seinen ursprünglichen Charakter dadurch verlieren musste, so suchte ich lieber den Grundtext möglichst wortgetreu wieder zu geben, um nicht mit dem Wort auch den Gedanken zu verändern oder gar zu verwischen. Die eigentümliche Ausdrucksweise hängt eng mit der Eigentümlichkeit der Gedanken zusammen, welche freilich dem Geschmacke des Zeitgeistes vielfach zuwider ist. Aber das Büchlein ruht auf biblischem Grund und Boden und führt die kräftige Sprache der heiligen Männer Gottes, wodurch es sich seinen Leserkreis für alle Zeiten gesichert hat. Es besteht aus vier Abteilungen. Die erste stellt dem Sünder einen Spiegel der Selbsterkenntnis vor die Seele, und gibt dadurch zugleich eine treffliche Anleitung zur Demut. Die zweite lehrt den unermesslichen Reichtum der Gnade und Erbarmung Gottes kennen, und öffnet den Mund zum Dank und Preis, leitet aber nicht minder zur Selbstprüfung und zur Übung in der Demut an; denn so viele Danksagungen darin enthalten sind, so viele Gewissensfragen sieht der Leser daraus an sich ergehen, und wer nicht mit dem Verfasser danken kann, der erkenne, wie viel ihm fehlt, und tue Buße! Die dritte öffnet uns die Augen über unsere vielfältigen wahren Mängel und Bedürfnisse, und leitet uns an, zu dem unsere Zuflucht zu nehmen, von dem alle gute und alle vollkommene Gabe kommt, und der uns selbst die Erlaubnis gegeben hat, ihn anzurufen in der Not, und solchem Anrufen auch Erhörung verheißen hat. Die vierte öffnet das Herz und den Mund zur Fürbitte. Dass auch diese beiden Abteilungen gewaltige Ansprachen an das Gewissen enthalten, wird jeder fühlen, der die darin enthaltenen Gebete nicht bloß liest, sondern betet. So eignet sich denn das ganze Büchlein vortrefflich zur Vorbereitung zur Beichte, und dient weit besser zur Selbstprüfung, als alle Anleitungen, die man hiezu in Beichtbüchern gewöhnlich in einer langen Reihe von Gewissensfragen findet, da dieses Büchlein den Leser unmittelbar in die Gegenwart Gottes und in‘s Gebet führt, und dadurch ein kräftiges Schutzmittel gegen Heuchelei und Schmeichelei und alle Art des Selbstbetrugs bietet, indem es den Sünder dem gegenüber stellt, der das Herz kennt und die Nieren prüft. Möge der Herr auf dasselbe auch in gegenwärtiger Gestalt seinen reichen Segen legen! 

 

          Geschrieben am 12. Mai 1841. 

                                                                     R.

 

ERSTE ABTEILUNG.

DAS ERSTE KAPITEL. 

BETRACHTUNG DER GRÖSSE UND SCHWERE DER ERBSÜNDE. 

Heiliger Gott, gerechter Richter, ich weiß, dass ich in Sünden empfangen und geboren, ich weiß, dass ich aus unreinem Samen im Mutterleibe gebildet bin! Jenes Gift der Sünde hat meine ganze Natur so verdorben und angesteckt, dass keine Kraft der Seele von seiner Ansteckung frei geblieben ist. Es ist in mir untergegangen jene heilige Beilage des göttlichen Ebenbildes, die mir im Stammvater meines Geschlechtes anvertraut war; es ist keine Kraft übrig geblieben, auch nur den Anfang dazu zu machen, dass ich zu meinem Heile dich erkennte, dich fürchtete, dir vertraute und dich liebte; es ist keine Fähigkeit übrig geblieben, deinen Geboten Gehorsam zu leisten; mein Wille ist von deinem Gesetze abgewandt, und das Gesetz der Sünde in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetze meines Gemüts, macht, dass meine ganze Natur verdorben und verkehrt ist. Ich elender und beklagenswerter Mensch fühle die Heftigkeit der Sünde, die meinen Gliedern hartnäckig anhanget, ich fühle das Joch der bösen Lust, die mich schwer drückt! Denn obgleich ich in dem Bad der Taufe durch den Geist der Gnade wiedergeboren und erneuert bin, so bin ich doch nicht in allen Stücken frei von dem Joch und aus der Gefangenschaft der Sünde, da jene bittere Wurzel, die in mir verborgen liegt, immer hervorsprossen will. Das Gesetz der Sünde, das im Fleische tobt, strebt darnach, mich gefangen zu nehmen; ich bin voll Zweifel, Misstrauen, Ehrgeiz; aus dem Herzen kommen arge Gedanken, die mich vor dir ganz unrein machen; aus der vergifteten Quelle fließen vergiftete Bächlein hervor. Gehe daher nicht in’s Gericht mit deinem Knecht, o Herr, sondern sei mir gnädig nach deiner großen Barmherzigkeit! Die Tiefe meines Elendes rufe die Tiefe deiner Erbarmung an. Für diese Hässlichkeit meiner unreinen Natur biete ich dir dar die allerheiligste Empfängnis deines Sohnes. Mir ist er geboren, mir also auch empfangen. Mir ist er gemacht zur Heiligung und zur Gerechtigkeit, also ist er mir auch zur Reinigung und Reinigkeit gemacht. Durch diesen und um dieses deines Sohnes willen erbarme dich meiner, o Höchster, und stelle nicht das verborgene Übel der Verderbnis, das an meiner Natur klebet, in das Licht deines Angesichtes, sondern siehe an deinen geliebten Sohn, meinen Mittler! Seine allerheiligste und unbefleckte Empfängnis komme meinem Elend zu Hilfe! Amen. 

 

DAS ZWEITE KAPITEL. 

ERINNERUNG AN DIE SÜNDEN DER JUGEND. 

Heiliger Gott, gerechter Richter, gedenke nicht der Fehltritte meiner Jugend, und sei nicht mehr eingedenk meiner vergangenen Sünden. Wie viele vergiftete Früchte hat die böse Wurzel der Lust, die an mir klebet, in meiner Kindheit hervorgebracht! Wie vielfältige wirkliche Sünden hat das Übel der Erbsünde ausgeboren! Die Gedanken meines Herzens sind vom ersten Knabenalter, ja, von zarter Kindheit an böse und verkehrt. Denn da ich einen Tag alt war, war ich vor dir keineswegs unschuldig. So viel Tage ich gelebt habe, so viel Schulden lasten auf mir, ja noch weit mehr und zahlreichere, da selbst der Gerechte an einem Tage siebenmal fällt. Wenn aber der Gerechte des Tages siebenmal fällt, so bin ich Verlorner und Ungerechter ohne Zweifel siebenzigmal siebenmal gefallen. Ich nahm an Alter zu: es wuchs das Gewebe der Sünden. So viel dem Leben durch deine Wohltat zugelegt wurde, so viel vermehrte sich die Last der Sünden durch die Lasterhaftigkeit meiner verderbten Natur. Ich prüfe mein vergangenes Leben, und was habe ich anders vor Augen, als ein ganz schändliches und hässliches Sündenkleid? Ich richte meine Augen nach dem Lichte deiner Gebote, und was finde ich anders im Verlauf meiner Jahre, als Finsternis und Blindheit? Jene zarte Blüte meiner Jugend sollte mit Tugenden gekrönt und Gott zum süßen Geruch dargebracht werden. Das Beste von meiner Lebenszeit gebührte ja dem besten Schöpfer der Natur. Aber die abscheuliche Hässlichkeit der Sünden hat jene meine Lebensblüte auf’s Schändlichste besudelt; der stinkende Kot der Übertretungen hat sie auf wunderbare und jämmerliche Weise befleckt. Das erste Lebensalter des Menschen ist unter allen übrigen am geschicktesten zum Dienste Gottes; aber einen guten Teil desselben habe ich zum Dienste des Teufels verwendet. Viele Sünden sind mir im Gedächtnis, die ich in der zügellosen Frechheit meiner Jugend begangen habe, aber noch weit mehr sind meinem Gedächtnis entschwunden. Wer kennt seine Fehler? Reinige deinen Knecht von den verborgenen Fehlern! Für diese Fehltritte meiner Jugend biete ich dir, heiliger Vater, den allerheiligsten Gehorsam deines Sohnes dar, und seine vollkommenste Unschuld, der dir gehorsam ward bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Als zwölfjähriger Knabe hat er dir einen heiligen Gehorsam geleistet, und deinen Willen mit der größten Bereitwilligkeit zu tun begonnen. Diesen Gehorsam, gerechter Richter, biete ich dir dar als Preis und Genugtuung für den vielfältigen Ungehorsam meiner Jugend! Amen. 

 

DAS DRITTE KAPITEL. 

BETRACHTUNG DER TÄGLICHEN SÜNDENFÄLLE. 

Heiliger Gott, gerechter Richter, vor dir ist niemand unschuldig, niemand von der Pest der Sünde frei. Auch ich ermangle jenes Ruhms, den ich mit mir vor dein Gericht bringen sollte; ich ermangle des Kleides der Unschuld, mit welchem angetan ich vor deinen Augen erscheinen sollte. Siebenmal, ja noch öfter, falle ich jede Stunde; siebenzigmal siebenmal sündige ich jeden Tag. Der Geist ist wohl bisweilen willig, aber das Fleisch ist immer schwach. Es lebt manchmal der innere Mensch und wird stark; aber der äußere Mensch ist träg und wird schwach. Denn nicht das Gute, das ich will, tue ich; sondern das Böse, das ich nicht will. Wie oft steigen eitle, schlechte und gottlose Gedanken im Gemüte auf! Wie oft kommen eitle, unnütze und schädliche Worte zum Vorschein! Wie oft beflecken mich verkehrte, schlechte und unrechte Taten! Alle meine Gerechtigkeit ist wie ein beflecktes Kleid. Daher wage ich nicht meine Gerechtigkeit vor dir aufzurichten, sondern demütige mich tief vor deinem gerechtesten Richterstuhl, und rufe aus der Tiefe zu dir: Herr, so du willst Sünden zurechnen, wer wird bestehen? Wenn du in’s Gericht gehen willst, wer wird bleiben? Wenn du eine strenge Prüfung nach deiner Gerechtigkeit mit mir vornehmen willst, wie werde ich vor dir stehen können? Wenn du genaue Rechenschaft über mein Leben fordern willst, so werde ich auf Tausend nicht Eines antworten können. Es wird also mein Mund verstopft; ich bekenne mich vor dir der ewigen Pein würdig, und gestehe mit Tränen, dass ich mit Recht dem ewigen Gefängnis verfallen bin. Für diese täglichen Sünden meines Lebens biete ich dir, heiliger Vater, das kostbarste Blut deines Sohnes dar, vergossen auf dem Altare des Kreuzes, das mich von allen meinen Übertretungen wäscht! Meine Sünden, die mich gefangen nehmen, sind bei weitem meine meisten und mächtigsten Feinde, aber noch weit kostbarer und wirksamer ist das Lösegeld deines Sohnes. Jener vollkommenste, vollgültigste und allerheiligste Kaufpreis Christi komme mir zur Vergebung meiner Übertretungen zu Gute! Amen. 

 

DAS VIERTE KAPITEL. 

PRÜFUNG DES LEBENS NACH DER REGEL DER ERSTEN GESETZTAFEL. 

Heiliger Gott, gerechter Richter, du hast uns dein Gesetz gegeben, und gewollt, dass dasselbe die Richtschnur für alle unsere Handlungen, Worte und Gedanken sei, so dass alles, was mit dieser Richtschnur nicht übereinstimmt, in deinem Gericht als Sünde angerechnet werde! So oft mir dieser hell-leuchtende Spiegel klar vor Augen steht, durchschaue ich meine Hässlichkeit, und schaudere am ganzen Menschen zusammen. Ich soll dich, mein Gott, über alles lieben; aber wie oft liebe ich die Welt, und vergesse deiner Liebe! Ich soll dich, mein Gott, über alles fürchten; aber wie oft willige ich in Sünden, und gedenke nicht deiner Furcht! Du verlangst, dass ich dir, mein Gott, über alles vertraue; aber wie oft wankt mein Herz im Unglück, und zweifelt bekümmert und ängstlich an deiner väterlichen Sorgfalt! Ich soll dir, mein Gott, von ganzem Herzen gehorchen; aber wie oft widerstrebt mein hartnäckiges Fleisch diesem Vorsatz des Gehorsams und nimmt mich bisweilen in der Sünde gefangen! Heilig sollten meine Gedanken sein, heilig und rein die Begierden; aber wie oft wird der Ruhm eines ruhigen Gemütes durch eitle und gottlose Gedanken zerrüttet. Ich soll dich, mein Gott, von ganzem Herzen anrufen; aber wie oft schweift das Gemüt beim Gebete umher und wird über die Erhörung ängstlich bekümmert! Wie bin ich zum Gebete so träge, und so furchtsam, ein Vertrauen zu fassen! Wie oft betet wohl die Zunge, und ich bete dich doch nicht im Geist und in der Wahrheit an! Wie vergesse ich oft deiner Wohltaten so gänzlich! Täglich gießest du deine Wohltaten reichlich auf mich aus, und doch ergieße ich mich nicht täglich wieder in Dank für deine Wohltaten gegen dich. Mit welcher Kälte denke ich an deine unermesslichen und unendlichen Gaben, mit denen du mich überhäuft hast! Wie gering ist meistens die Ehrerbietung in meinem Herzen! Ich gebrauche deine Gaben, und doch preise ich dich nicht als Geber! Ich hange an den Bächlein, und eile nicht zur Quelle. Dein Wort ist ein Wort des lebendig machenden Geistes, aber ich hindere es oft, dass es nicht Frucht bringen kann, und vernichte das Werk des heiligen Geistes in mir selbst. Ist der Funke eines guten Vorsatzes entzündet, so lösche ich ihn öfters aus, und verlange nicht ängstlich einen Zuwachs an Gaben. Für diese und alle meine Sünden und Mängel biete ich dir, mein Gott, den reinsten und vollkommensten Gehorsam deines Sohnes dar, der dich in den Tagen seines Fleisches von ganzem Herzen vollkommen liebte, und mit ganzem Herzen auf’s Vollkommenste dir anhing, in dessen Taten, Worten und Gedanken kein Flecken der Sünde gefunden ward, kein Fleckchen selbst der kleinsten Schuld. Was mir fehlt, das schöpfe ich gläubig aus seiner Fülle. Um dieses deines geliebten Sohnes willen erbarme dich deines Knechtes, o Herr! Amen. 

 

DAS FÜNFTE KAPITEL. 

BETRACHTUNG DES LEBENS NACH DER REGEL DER ZWEITEN GESETZTAFEL. 

Heiliger Gott, gerechter Richter, ewig und unbeweglich fest steht dein Wille, dass ich meine Eltern und Obrigkeiten wahrhaft ehren soll. Aber wie oft denke ich allzu gering von ihrem Ansehen, verweigere ihnen den wahren Gehorsam des Herzens, decke ihre Schwächen auf, und bete nicht ernstlich für ihre Erhaltung, hege öfters Zorn gegen diejenigen, denen ich mich in Geduld ganz unterwerfen soll. – Dein heiliger Wille fordert, dass ich dem Nächsten in allen Stücken, so viel ich kann, dienen soll; aber wie oft werde ich des Wohltuns überdrüssig und zur brüderlichen Vergebung verdrossen! Wie oft werde ich von meinem Fleische zum Zorn, Hass, Neid und Zank gereizt! Wie oft brennt innerlich das Feuer des Zornes im Herzen, wenn auch äußerlich streitsüchtige Worte nicht gehört werden! – Dein heiliger Wille fordert, dass ich keusch, sittsam und mäßig leben soll; aber wie oft nimmt die Liebe zur Unmäßigkeit und Wollust meine Seele in der Sünde gefangen! Wie oft brennt im Innern das Feuer der Begierden, wenn auch äußerlich die Glieder im Zaum gehalten werden! Wer ein Weib ansieht, ihrer zu begehren, der hat schon die Ehe mit ihr gebrochen in seinem Herzen, spricht die Wahrheit. Wie oft begehen wir also vor Gottes Gericht Ehebruch! Der unordentliche und unmäßige Gebrauch der Speise, des Tranks (und der Ehe) beschleicht uns unversehens, und macht uns vor dir schuldig, wenn du mit uns in’s Gericht gehen willst. – Dein heiliger Wille fordert, dass ich meinen Nächsten auf keine Weise im Verkehr betrüge; sondern dass ich vielmehr seinen Vorteil fördere, seine Fehler nicht offenbare, sondern mit dem Mantel der Liebe zudecke, und ihn nicht durch ein unzeitiges und unbesonnenes Urteil beschuldige. Aber wie oft suche ich meinen Vorteil mit Unrecht! Wie oft urteile ich über meinen Nächsten unbesonnen ab! – Dein heiliger Wille fordert, dass mein Geist, mein Gemüt, meine Seele von aller bösen Begierde frei sei. Aber wie oft reizt mich mein Fleisch zur Sünde, und befleckt auch den Geist mit bösen Begierden! Wie ein Born beständig sein Wasser quillet, so wallet mein Herz beständig von bösen Begierden auf. Für diese und alle meine Sünden und Mängel biete ich dir, heiligster Vater, den vollkommensten Gehorsam deines Sohnes dar, der alle Menschen mit vollkommener Liebe geliebt hat, und in dessen Munde kein Betrug erfunden ist, noch in seinen Worten oder Taten ein Irrtum, noch in seiner Natur eine Verderbnis! Zu diesem Gnadenstuhl fliehe ich in wahrem Glauben, und schöpfe durch den Glauben aus seinen Wunden, so viel mir zur Gerechtigkeit und zum Heile genügt. Erbarme dich meiner, mein Gott und mein Vater! Amen. 

 

DAS SECHSTE KAPITEL. 

NACHWEISUNG, DASS WIR UNS ÖFTERS FREMDER SÜNDEN TEILHAFTIG MACHEN. 

Heiliger Gott, gerechter Richter, du hast mir nicht nur die Sorge für meine, sondern auch für des Nächsten Seele übertragen. Aber wie oft leidet der Nächste durch meine Nachlässigkeit großen Schaden an der Gottseligkeit! Wie oft strafe ich ihn in seinen Sünden nicht freimütig und beherzt genug; wie oft hält mich Furcht oder Gunst zurück, seine Fehler freimütig zu tadeln. Für sein Heil zu beten, bin ich träge; seine Sünden zu strafen, furchtsam; sein Heil zu fördern, nachlässig; so dass du mit allem Rechte das Blut meines Nächsten von mir fordern könntest, wenn er verloren geht. Wenn eine völlige und reine Liebe gegen den Nächsten in mir wäre, so würde ja auch aus derselben eine ganz freimütige Bestrafung hervorgehen. Wenn in meinem Herzen das Feuer einer reinen Liebe brennte, so würde es ja auch heller zu einer Inbrunst des Geistes im Gebete für des Nächsten Heil ausbrechen. Für sich selbst zu beten, treibt die Notwendigkeit; aber für das Heil des Nächsten zu beten, die Liebe. So oft ich daher das Gebet für des Nächsten Heil versäume, so oft spreche ich mir selbst das Urteil, das Gebot der Liebe verletzt zu haben. Mein Nächster stirbt den Tod des Leibes, und siehe, ich erfülle alles mit Trauer und Seufzen, da doch der Tod am Leibe dem Frommen keinen Nachteil bringt, sondern vielmehr den Übergang zum himmlischen Vaterland bereitet. Mein Nächster stirbt den Tod der Seele, indem er Todsünden begeht; und siehe, sorglos sehe ich ihn sterben, und betrübe mich gar nicht, da doch die Sünde der wahre Tod der Seele ist, durch welche ein unberechenbarer Verlust der göttlichen Gnade und des ewigen Lebens, entsteht. Mein Nächster beleidigt den König, der den Leib töten kann, und siehe, ich suche auf alle Weise ihn auszusöhnen; er beleidigt den König aller Könige, der Leib und Seele in die Hölle senden kann; und siehe, sorglos sehe ich dies an, und denke nicht daran, dass diese Beleidigung ein grenzenloses Unglück sei. Mein Nächster stößt an einen Stein, und ich eile hinzu, bereit, ihn am Falle zu hindern, oder vom Falle aufzuheben; er stößt an den Eckstein unsers Heiles, und siehe, sorglos übersehe ich dies, und arbeite nicht mit der schuldigen Sorgfalt und Fleiß daran, ihn wieder aufzurichten. Meine eigenen Sünden sind zahlreich und schwer genug, und doch fürchtete ich mich nicht, auch an fremden teilzunehmen. Sei gnädig, o Gott, dem großen und allzu schwer beladenen Sünder. Ich nehme meine Zuflucht zu deiner Barmherzigkeit in Christo, die mir auch durch Christum verheißen ist; ich nahe mich diesem Leben, der ich in Sünden erstorben bin; ich nahe mich diesem Wege, der ich auf dem Pfade der Sünden irre; ich nahe mich diesem Heile, der ich um der Sünden willen die Verdammnis verdiene. Belebe, leite und rette mich, du mein wahres Leben, Weg und Heil in Ewigkeit! Amen. 

 

DAS SIEBENTE KAPITEL. 

ERINNERUNG, WIE UNS ALLES DER SÜNDEN ÜBERFÜHRT. 

Heiliger Gott, gerechter Richter, wenn ich gen Himmel blicke, so denke ich daran, dass du, mein Gott, vielfältig von mir beleidigt worden bist! Vater, ich habe gesündigt in den Himmel und vor dir; ich bin nicht wert, dass ich dein Sohn heiße! Wenn ich zur Erde blicke, so denke ich daran, dass ich die Geschöpfe durch Sünden schändlich gemissbraucht habe. Nicht nur das Dunkel der Nacht, sondern auch das Licht des Tages habe ich öfters auf die schlechteste Weise zu Werken der Finsternis gemissbraucht. Wenn ich die Beispiele von Sündern betrachte, die du nach gerechtem Gerichte gestraft hast, so finde ich, dass ich ihnen durch die Schwere meiner Missetaten gleich bin. Wenn ich die Beispiele der Heiligen betrachte, so finde ich, dass ich ihnen an heiligem Streben, dir zu dienen, weit nachstehe. Wenn ich an meinen Schutzengel denke, so finde ich, dass er öfters durch Sünden von mir vertrieben wurde. Wenn ich an die Teufel denke, so finde ich, dass ich ihren Eingebungen öfters Raum gegeben habe. Wenn ich die Strenge deines Gesetzes erwäge, so finde ich, dass mein Leben mannigfaltig von seiner Richtschnur abweicht. Wenn ich auf mich selbst blicke, so finde ich, dass mich die Gedanken meines Herzens vor deinem Richterstuhl verklagen. Wenn ich an meine zukünftige Todesstunde denke, so finde ich, dass der Tod der ganz gerechte Sold meiner Sünden ist, und dass er die Türe und der Anfang des ewigen Todes sein wird, wenn du mich nicht aus lauterem Erbarmen um Christi willen angenommen hast. Wenn ich an das zukünftige Gericht denke, so finde ich, dass ich verdient habe, dass meine Sünden nach der äußersten Strenge desselben gerochen, und zur genauesten Rechenschaft von der göttlichen Gerechtigkeit gezogen werden. Wenn ich an die Hölle denke, so finde ich, dass ich durch meine Sünden ihre ganz gerechten Strafen verdient habe. Wenn ich an das ewige Leben denke, so finde ich, dass ich die Hoffnung, dasselbe zu erlangen, durch meine Sünden nach Recht und Billigkeit verloren habe. Alles überführt mich also von meinen Sünden; sei du mir nur nicht gräulich, o mein Gott! Zu Christo, deinem geliebten Sohne, meinem einigen Mittler, nehme ich meine Zuflucht, und glaube festiglich, dass mir durch ihn deine Gnade und Vergebung der Sünden zu Teil werde. Die Geschöpfe klagen mich an, das Gewissen klagt mich an, Gottes Gesetztafeln klagen mich an, Satan klagt mich an Tag und Nacht. Du aber, o gütigster Jesu, nimm mich in Schutz! Dir ist ein Armer überlassen, den du von allem Troste der Geschöpfe verlassen siehst; zu deiner Genugtuung für meine Sünden, zu deiner Fürsprache für mich zur Rechten des Vaters soll ich gänzlich meine Zuflucht nehmen. Nimm, meine Seele, Flügel der Morgenröte, und verbirg dich wie eine Taube in den Felsenritzen, das ist, in den Wunden Christi, deines Erlösers; verbirg dich in diesem Felsen, bis der Zorn des Herrn vorübergehe, und du wirst in ihm Ruhe, Schutz und Befreiung finden! Amen. 

 

DAS ACHTE KAPITEL. 

HINWEISUNG, WIE WIR AUS DEN WIRKUNGEN DER REUE VON DER SCHWERE DER SÜNDEN ÜBERZEUGT WERDEN. 

Heiliger Gott, gerechter Richter, mein Herz ist zerbrochen und niedergeschlagen, mein Geist ist traurig und geängstet um der Schwere meiner Sünden willen, die mich drückt. Die Kraft meines Herzens ist verfallen, die Frische meiner Augen ist vergangen; mein Herz ist gepresst, daher stürzen die Tränen hervor; mein Geist ist gepresst, daher vergesse ich meiner Speise; mein Herz ist verwundet, daher ergießt sich das Blut des wunden Herzens, die Tränenquelle. Wer kennt die Fehltritte? Wer kennt daher auch den Schmerz eines über die Fehltritte geängsteten Herzens? Meine matte und geängstete Seele dürstet nach dir, der Quelle des Lebens, o Christe, tränke mich mit dem Tau des Geistes und der Gnade! Zu dir seufzet mein geängstetes Herz; o wahre Freude, gib mir den Frieden und die Ruhe des Herzens, dass ich durch den Glauben gerechtfertigt bei Gott Frieden habe! Mein Herz verdammet mich; sprich du mich los, der du stärker bist, als mein Herz. Mein Gewissen verklagt mich; sprich du mich los, der du die Handschrift des Gewissens an’s Kreuz geheftet hast. Ich biete dir dar, mein Gott, mein zerbrochenes und niedergeschlagenes Herz zu einem dir wohlgefälligen Opfer; ich biete dir meine Seufzer dar, die Boten einer wahren und ernstlichen Reue; ich biete dir meine vielen Tränen dar, die Zeugen eines ernstlichen Schmerzes. In mir verzage ich, in dir atme ich wieder auf; in mir sinkt der Mut, in dir erquicke ich mich wieder; in mir fühle ich Angst, in dir finde ich wieder Freude. Ich mühe mich ab, und bin allzu beladen; du wirst mich erquicken und meiner Seele Ruhe geben. Ein Abgrund ruft den andern an: der Abgrund meines Elends den Abgrund deiner Barmherzigkeit. Aus der Tiefe rufe ich zu dir; wirf meine Sünden in die Tiefe des Meeres! Es ist nichts Gesundes an meinem Fleische vor deinem Zorn; es ist kein Friede in meinen Gebeinen vor meiner Sünde; denn meine Sünden gehen über mein Haupt, wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer geworden. Heile meine Seele, himmlischer Arzt, dass ich nicht vom ewigen Tode verschlungen werde! Nimm von mir die Last meiner Sünden, der du sie am Kreuz auf dich genommen hast, dass ich nicht verzage unter dieser unerträglichen Bürde! Erbarme dich meiner, o Quelle der Gnade und Barmherzigkeit! Amen. 

 

DAS NEUNTE KAPITEL. 

BEWEIS, DASS ALLE WOHLTATEN GOTTES VON DER SCHWERE DER SÜNDEN ZEUGEN. 

Heiliger Gott, gerechter Richter, mit je mehr Wohltaten du mich überhäuft hast, desto mehr schmerzt es mich, dass ich dich, einen so wohltätigen Vater, so oft beleidigt habe! So viele Gaben du auf mich gehäuft hast, so viele Bande der Liebe hast du mir angelegt. Du wolltest mich dir verbinden; aber ich habe dein und deiner Güte vergessen, und eine Menge Sünden gehäuft. Vater, ich habe gesündigt in den Himmel und vor dir; ich bin nicht wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich als einen deiner Taglöhner! Ich missfalle mir ganz; mache, dass ich dir ganz gefalle. Deine reiche Güte und wunderbare Langmut hat mich lange zur Buße gerufen; aber ich habe mich bisher geweigert, zu kommen. Du hast mich öfter gerufen, gütigster Gott, durch die Predigt des Worts, durch die Mahnung der Kreaturen, durch die Züchtigung des Kreuzes, durch innere Eingebung; aber ich habe die Ohren meines Herzens gegen diesen Ruf ganz verstopft! Alle Kräfte meiner Seele, alle Glieder meines Leibes sind dein Geschenk; mit allen Kräften meiner Seele, mit allen Gliedern meines Leibes hätte ich daher zum heiligen Dienst bereit sein sollen, den ich dir schuldig bin. Aber, ach wehe! ich habe sie zu Waffen der Ungerechtigkeit und Sünde gemacht. Dein ist der Odem, den ich anziehe; dein die Luft, die ich einatme; dein ist die Sonne, deren Licht ich täglich sehe; alles dies hätte mir Beihilfe und Werkzeug zu einem heiligen Leben sein sollen. Aber, ach wehe! ich habe dies alles zum Dienste der Sünde verkehrt. Die Geschöpfe sollte ich zum Ruhme des Schöpfers gebrauchen; aber ich habe sie auf die schlechteste Art zu seiner Schmach gemissbraucht. Beim Lichte der Sonne sollte ich die Waffen des Lichtes anziehen; aber ich habe in denselben die Werke der Finsternis vollbracht. Was meinem Leben zugelegt wird, fließt mir aus deiner Güte zu. Mein ganzes Leben hätte daher dem dienen sollen, von dem es ganz und gar abhängt; aber auf deinen heiligen Dienst ist kaum der geringste Teil desselben gewandt worden. So viele gute Regungen ich merkte, so viele Dienerinnen deiner Gnade hast du an mich abgesendet, durch welche ich nach deiner großen Güte eingeladen wurde, dass ich durch wahre Buße zu dir zurückkehren sollte. Aber ach, wie oft habe ich mich, von ihrem liebreichsten Zureden beharrlich abgewendet! Nimm den auf, der nun endlich mit Seufzen und zerschlagenem Herzen zu dir zurückkehrt! Besprenge mich mit dem Blute deines Sohnes, dass ich, von allen Befleckungen des Fleisches und Geistes gereinigt, schneeweiß werde, und im himmlischen Jerusalem mit allen Auserwählten dich ewiglich preise! Amen. 

 

DAS ZEHNTE KAPITEL. 

ERWÄGUNG DER SCHWERE DES GÖTTLICHEN ZORNS GEGEN DIE SÜNDEN IN CHRISTI LEIDEN UND STERBEN. 

Heiliger Gott, gerechter Richter, ich sehe deinen Sohn an, wie er am Kreuze hängt, und sein Blut reichlich vergießt; ich sehe ihn an, und siehe, vor Schrecken sinkt mir der Mut ganz darnieder. Meine Sünden sind diese eisernen Nägel, mit denen ich seine Hände und Füße durchgraben habe. Meine Sünden sind diese schrecklichen Dornen, mit denen ich sein allerheiligstes Haupt gekrönt habe, das selbst die Engel, die himmlischen Mächte, verehren müssen. Meine Sünden sind diese stachlichten Geißeln, mit denen ich seinen vollkommen reinen Leib, der Gottheit eigenen Tempel, gepeitscht habe. Das böseste Tier hat jenen himmlischen Joseph zerrissen und seinen Rock mit Blut befleckt. Ich elender Sünder bin jenes böse Tier; denn auf diesen deinen liebsten Sohn sind meine Sünden auf einem Haufen hineingestürzt. Wenn der Sohn bei seinem vollkommenen Gehorsam so viele Angst und Mühe um fremder Sünden willen auf sich nehmen musste, was wird der ungehorsame und widerspenstige Knecht um eigener Sünden willen zu fürchten haben? Wahrhaft groß und tödlich müssen die Wunden meiner Seele gewesen sein, um deren Heilung willen dein eingeborner Sohn so jämmerlich geschlagen wird. Wahrhaft groß und tödlich muss die Krankheit meiner Seele gewesen sein, um deren Heilung willen der himmlische Arzt selbst, das Leben selbst, am Holze stirbt. Ich sehe die Pein seiner allerheiligsten Seele; ich höre den jammervollen Klageruf meines allerheiligsten Erlösers am Kreuze; um meinetwillen wird er so geängstet, um meiner Sünden willen klagt er, dass er von Gott verlassen sei. Wenn die Last fremder Sünden den allmächtigen Sohn Gottes so sehr drückt, dass sie ihm blutigen Schweiß auspresst, wie unerträglich wird der Zorn Gottes und wie unberechenbar sein Grimm gegen einen unnützen Knecht sein! O du dürres und unglückseliges Holz, das dem ewigen höllischen Feuer angehört, was wirst du am Ende zu fürchten haben, wenn du siehst, dass dies am grünen Holz geschieht? Christus ist der grüne Baum: grün an der Wurzel, welche die Gottheit ist, und in der Liebe zur Menschheit, grün an den Ästen, welche Tugenden, an den Blättern, welche heilige Worte, und an der Frucht, welche gute Werke sind. Er ist eine Zeder an Keuschheit und ein Weinstock an Freude, eine Palme an Geduld und ein Ölbaum an Barmherzigkeit. Wenn diesen grünen Lebensbaum das Feuer des göttlichen Zornes um fremder Sünden willen anzündete, wie viel mehr wird es den Sünder um seiner unfruchtbaren Werke willen wie einen dürren Baum ganz verzehren! Mit wie großen und blutigen Buchstaben erscheinen meine Sünden am Leibe Christi angeschrieben! Wie sichtbar, o gerechtester Gott, ist dein Zorn gegen meine Missetaten! Wie eng muss meine Gefangenschaft gewesen sein, da ein so kostbares Lösegeld gegeben ward, dieselbe zu lösen! Wie groß müssen die Flecken meiner Sünden gewesen sein, da so reichlich das Blut aus dem Leibe Christi herabfließt, um sie abzuwaschen! O gerechtester Gott und zugleich gütigster Vater, siehe an, wie Unwürdiges dein Sohn für mich gelitten hat, und vergiss, wie unwürdig dein gottloser Knecht gehandelt hat! Siehe an seine tiefen Wunden und versenke meine Sünden in die Tiefe des Meeres deiner Barmherzigkeit! Amen.

 

ZWEITE ABTEILUNG.

DAS ERSTE KAPITEL. 

DANKSAGUNG FÜR DIE BILDUNG IM MUTTERLEIBE UND DIE GEBURT IN DIESES LEBEN. 

Allmächtiger, ewiger Gott, Vater, Sohn und heiliger Geist, ich danke dir, ich preise dich, ich rühme dich, dass deine Hände mich gearbeitet haben und mich ganz gemacht, was ich um und um bin! Wie Leimen hast du mich in meiner Mutter Leibe gebildet, wie Milch hast du mich gemolken, und hast mich wie Käse gerinnen lassen; mit Haut und Fleisch hast du mich bekleidet, und mit Knochen und Nerven hast du mich zusammengefügt; Leben und Wohltat hast du an mir getan, und dein Aufsehen hat meinen Odem bewahret. Diese deine große Barmherzigkeit gegen mich will ich ewiglich lobpreisen, deine Güte will ich unaufhörlich mit Gesängen rühmen; du hast mich in meiner Mutter Leibe beschützt. Ich will dich preisen, dass ich wunderbar gemacht bin, wunderbar sind deine Werke, und das erkennet meine Seele wohl. Es war dir mein Gebeine nicht verholen, das du im Verborgenen gemacht hast, da du mich mit mancherlei Gliedmaßen geziert hast unten in der Erde. Deine Augen sahen mich, da ich noch unbereitet war, und es waren alle Tage auf dein Buch geschrieben, die noch werden sollten, und deren noch keiner da war. Aber wie köstlich sind vor mir, Gott, deine Gedanken; wie ist ihrer so eine große Summe! Sollte ich sie zählen, so würde ich ihrer mehr finden, denn des Sandes am Meer. Du hast mir deine Barmherzigkeit erzeigt, ehe ich dieselbe einsah; du bist mir mit deinen Wohltaten zuvorgekommen, ehe ich sie begehrte; deine Güte hat mich umfasst, ehe ich für dieselbe dankte. Du bist es, der mich nicht nur wunderbar in der Mutter gebildet, sondern mich auch aus meiner Mutter Leibe gezogen hat; du bist meine Hoffnung von meiner Mutter Brüsten an. Auf dich bin ich geworfen aus Mutterleibe; du bist mein Gott von meiner Mutter Leibe an. So oft ich daran denke, dass viele, ehe sie zum Tageslicht und zur Lebensluft hervorkamen, im Mutterleibe zu Grunde gingen, so oft bewundere und preise ich deine Erbarmung, die mich aus diesem Kerker lebendig und unverletzt auf den Schauplatz dieser Welt geführt hat. Wie viele Jahre sind vorübergegangen, in denen ich nichts war! Dir aber hat es gefallen, mir dieses Wohnhaus an meinem Körper aufzubauen, und mich aus jener Tiefe und Finsternis des Mutterleibes herauszuziehen. Du hast mir eine vernünftige Seele gegeben, du hast gewollt, dass ich ein Mensch, nicht ein Stein oder eine Schlange, sei. Für diese deine Barmherzigkeit sei dir, mein Gott, Ehre und Preis in Ewigkeit! Amen. 

 

DAS ZWEITE KAPITEL. 

DANKSAGUNG FÜR DIE ERHALTUNG. 

Ich danke dir, allmächtiger und barmherziger Gott, dass du mich von den ersten Tagen meines Lebens an wunderbar erhalten hast! Nackend bin ich in diese Welt gekommen; du hast mich nach deiner Güte gekleidet. Hungrig bin ich in diese Welt eingetreten; du hast mich bisher reichlich geweidet. In dir lebe, webe und bin ich; ohne dich falle ich in Nichts zurück und sterbe. In dir biege und bewege ich meine Glieder; ohne dich kann ich kein Leben und Bewegung haben. Dein ist die Sonne, die mir das Licht gibt, das ich täglich mit meinen Augen erblicke; dein ist die Luft, die ich beständig atme; dein ist der Tag, dein die Nacht, die mir wechselweise zur Arbeit und zur Ruhe dienen; dein ist die Erde, deren Früchte mich durch deine große Güte nähren; dein sind alle Kreaturen im Himmel, in der Luft, auf Erden und im Meer, zu meinem Nutzen und Dienst bestimmt; dein ist das Silber, dein das Gold; was ich zur Erhaltung dieses Lebens brauche, das habe ich alles aufs Reichlichste aus deinen Händen empfangen. Wie freigebig bist du gegen das menschliche Geschlecht, o Gott! Alles hast du einst zum Nutzen der Menschen geschaffen; alles erhältst du heute noch um der Menschen willen. Alles, was du an den Kreaturen tust, das tust du mir, weil du sie alle um meinetwillen wunderbar bildest, ausrüstest und erhältst. Einige Kreaturen dienen mir zur Aufwartung, einige zur Ernährung, einige zur Bekleidung, einige zur Heilung, einige zur Züchtigung; alle aber zur Lehre und Unterweisung. Wer könnte jene mannigfaltigen Arten von essbaren Dingen aufzählen, die du geschaffen hast, und heute noch uns zur Speise aus der Erde hervorbringst? Wer könnte jene verschiedenen Gattungen von Kräutern herzählen, die du jährlich, uns zur Heilung aus der Erde hervorrufst? Wer könnte alle verschiedenen Arten von Tieren mit Worten fassen, die zum Nutzen des Menschen geschaffen sind und ihm dienen? Dir sei Lob und Ehre in Ewigkeit, der du der Schöpfer und Erhalter aller Dinge bist! Ohne dich, du wahre Sonne, würde ich wie ein Schatten verschwinden; ohne dich, du wahres Leben, würde ich augenblicklich dahinsterben; ohne dich, du wahres Wesen, würde ich plötzlich in Nichts zerfallen. Dir allein verdanke ich, dass ich bin, dass ich lebe und mich bewege. Dir allein will ich daher leben und anhangen in Ewigkeit! Amen. 

 

DAS DRITTE KAPITEL. 

DANKSAGUNG FÜR DIE ERLÖSUNG DURCH CHRISTUM. 

O ewiger und allmächtiger Gott, ich bin dir den größten Dank schuldig, dass du mich erschaffen hast, da ich nichts war; aber noch weit größern, dass du mich erlöset hast, da ich verloren und verdammt war! Ich lag in der Hölle Rachen; du hast mich durch das Blut deines Sohnes herausgezogen. Ich war ein Eigentum Satans; aber deine Gnade hat mich aus dem Reich des Teufels erlöst, und in das Reich Christi versetzt. Ich bin mich ganz dir schuldig, denn du hast mich ganz gebildet. Meine Zunge soll dich beständig loben, weil du sie mir gegeben hast. Mein Mund soll immerdar dein Lob verkündigen, weil er von dir Luft und Odem holt. Mein Herz soll mit beständiger Liebe dir anhangen, weil du es gebildet hast. Alle Glieder sollen zu deinem Dienste bereit sein, weil du sie alle, wie viel und wie groß sie auch sind, wunderbar bereitet hast. Wenn ich schon zuvor mich ganz dir schuldig bin, weil du mich ganz gemacht hast, was wird’s sein, das ich dir für die Erlösung aus meiner Knechtschaft und Gefangenschaft vergelten könnte? Das verlorne Schäflein hast du den Krallen des höllischen Wolfes entrissen; den entflohenen Knecht hast du aus dem Kerker des Teufels gezogen; den verlornen Groschen hast du ängstlich gesucht. In Adam bin ich gefallen, du hast mich aufgerichtet; in Adam bin ich mit Banden der Sünde gefangen worden, du hast mich von ihnen erlöst; in Adam bin ich verloren worden, du hast mich wieder erretten wollen. Wer bin ich armer Wurm, dass du für meine Erlösung so besorgt, und zu meinem Heile so wunderbar freigebig sein wolltest? Wenn du die ersten Menschen, unsere Stammeltern, nach dem Falle ganz von dir verworfen, und sie zugleich mit allen ihren Nachkommen von dem Anblick deiner Herrlichkeit entfernt und bis in die unterste Tiefe der Hölle hinabgestürzt hättest, so könnte sich niemand von uns mit Recht beklagen, dass ihm Unrecht geschehen wäre; denn sie und auch wir hätten empfangen, was unsere Taten wert sind. Was konnten wir weiter von dir fordern oder erwarten, der du uns zu deinem Bilde geschaffen, und mit Kräften versehen hattest, die zur Bewahrung der Unschuld ausreichten? Aber nun erzeigest du deine unbegreifliche und unaussprechliche Liebe gegen uns, dass du deinen Sohn den ersten Eltern nach dem Fall als Erlöser versprichst, und denselben in der Fülle der Zeit uns sendest, und durch ihn aus dem Tode zum Leben, aus den Sünden zur Gerechtigkeit, aus der Hölle zur himmlischen Herrlichkeit uns zurückrufst. O Liebhaber der Menschen, der seine Lust bei den Menschenkindern hat, wer kann diese Menschenliebe würdig preisen? ja, wer kann sie würdig genug mit dem Verstande erfassen? Das ist der unbegreifliche Reichtum deiner Güte, das ist der unermessliche Schatz deiner Güter, den unsere Armut oder Einsicht nicht fasst. War der Knecht so wert, dass der Sohn zu seiner Erlösung in den Tod gegeben werden musste? War der Feind so zu lieben, dass du ihm den geliebtesten Sohn zum Erlöser bestimmt hast? Meine Seele staunt, wenn sie diese Wohltat erwägt, und wird ganz hingenommen und zerfließet in Liebe zu dir! Amen.

 

DAS VIERTE KAPITEL. 

DANKSAGUNG FÜR DIE MENSCHWERDUNG DES SOHNES. 

Ich danke dir, Jesu Christe, du einiger Mittler und Erlöser des Menschengeschlechts, dass du in der Fülle der Zeit die wahre menschliche Natur persönlich mit dir vereiniget und dir hast gefallen lassen, von einer Jungfrau geboren zu werden! Wie groß ist deine Menschenfreundlichkeit, dass du nicht die Engel, sondern den Samen Abrahams an dich genommen hast! Wie groß ist das Geheimnis der Gottseligkeit, dass du, der du wahrer Gott bist, dich im Fleische offenbaren wolltest! Wie groß ist die Zuneigung deiner Erbarmung, dass du um meinetwillen vom Himmel herabgekommen bist und dich der Geburt aus einer Jungfrau unterzogen hast. Um meiner, der verächtlichsten Kreatur, willen bist du, allmächtiger Schöpfer, Mensch geworden; um meiner, des verworfensten Knechts, willen hast du, glorreichster Herr, Knechtsgestalt angenommen, dass du durch‘s Fleisch das Fleisch befreitest. Mir bist du geboren. Was du daher an himmlischen Gütern in der Geburt mitbringst, wird mein sein. Mir bist du gegeben. Wie sollte mir nicht zugleich mit dir auch alles gegeben sein? Meine Natur ist in dir mehr verklärt worden, als sie in Adam durch die Sünde entehrt worden war. Denn du nimmst sie in die Einheit deiner Person auf, da sie vom Satan von einer nur hinzugekommenen Verderbnis geschwächt war; bist Fleisch von meinem Fleisch und Bein von meinen Beinen. Du bist Bruder; was wirst du mir versagen können, dem du durch Wesensgleichheit des Fleisches und durch Gesinnung der brüderlichen Liebe auf’s Engste verbunden bist? Du bist Bräutigam, der du nach des himmlischen Vaters Wohlgefallen die menschliche Natur wie eine Braut in persönlicher Verbindung dir selbst vereiniget hast. Ich preise und erkenne mit dankbarer Seele an, dass auch ich zur Freude dieser Hochzeit geladen bin. Ich wundere mich nicht mehr, dass Gott Himmel, Erde, Meer und alles, was darin und darauf ist, um des Menschen willen gemacht hat, da um des Menschen willen Gott selbst Mensch werden wollte. Du wirst mich nicht gänzlich verwerfen und verstoßen können, da du nicht leugnen kannst, dass du selbst Mensch und daher mein Bruder bist. Du wirst mich nicht gänzlich vergessen können, weil du mich in deine Hände gezeichnet hast; denn die Gemeinschaft des Fleisches selbst erinnert dich täglich und beständig an mich. Du wirst mich nicht gänzlich verlassen können, da du dir die menschliche Natur mit dem engsten Bande der persönlichen Vereinigung verbinden wolltest. Obgleich, daher mich meine Sünden zurückhalten, so stößt mich doch die Gemeinschaft der Natur nicht zurück. Ich will dir ganz anhangen, der du nach deiner ganzen Natur mich ganz angenommen hast! Amen. 

 

DAS FÜNFTE KAPITEL. 

DANKSAGUNG FÜR DAS LEIDEN CHRISTI. 

Wie großen Dank bin ich dir schuldig, o frommer Jesu, dass du die Strafen meiner Sünden auf dich nahmst, und Hunger, Durst, Kälte, Ermüdungen, Verleumdungen, Verfolgungen, Schmerzen, Armut, Banden, Geißeln, Dornenstiche, ja, den bittersten Kreuzestod ertragen wolltest! Wie groß ist die Flamme deiner Liebe, die dich getrieben hat, für den verachtungswürdigsten und undankbarsten Knecht dich selbst freiwillig in jenes Meer der Leiden zu versenken! Deine Unschuld und Gerechtigkeit machte dich von allen Leiden frei; aber deine unermessliche und unaussprechliche Liebe stellte dich an unserer Statt als Schuldner und Angeklagten dar. Ich hatte übertreten, du tust genug; ich hatte geraubt, du bezahlst; ich hatte gesündigt, du leidest. O gütigster Jesu, ich erkenne die Herzlichkeit deiner Erbarmung und die Glut deiner Liebe an. Du scheinst mich mehr zu lieben, als dich, da du dich selbst für mich dahingibst. Was hast du Unschuldigster mit dem Todesgedanken? was du Schönster unter den Menschenkindern mit dem Speichel? was du Gerechtester mit den Geißeln und Banden zu tun? Mir gebührte dies alles; du aber steigst aus unaussprechlicher Liebe in den Kerker dieser Welt herab, ziehst mein Knechtsgewand an, und übernimmst ganz bereitwillig die mir gebührenden Strafen. Ich sollte um meiner Sünden willen zu den ewigen Flammen des höllischen Feuers verurteilt werden; du aber machst, vom Feuer der Liebe auf dem Altar des Kreuzes geängstet, mich von jenen frei. Ich sollte um meiner Sünden willen vom Angesicht des himmlischen Vaters verworfen werden; du aber klagest um meinetwillen, dass du vom himmlischen Vater verlassen seist. Ich sollte in Ewigkeit vom Teufel und seinen Engeln gemartert werden; du aber gibst dich selbst aus unermesslicher Liebe für mich zum Schlagen und Kreuzigen des Satans Dienern hin. So viel ich Werkzeuge deines Leidens ansehe, so viel sehe ich Anzeigen deiner Liebe gegen mich, denn meine Sünden sind jene Banden, jene Geißeln, jene Dornen, die dich geschlagen haben, die du alle aus unaussprechlicher Liebe um meinetwillen erduldet hast. Deiner Liebe war noch nicht Genüge geschehen durch die Annahme unsers Fleisches, du wolltest sie noch offenbarer beweisen durch jenes bitterste Leiden deiner Seele und deines Leibes. Wer bin ich, allmächtiger Herr, dass du um eines ungehorsamen Knechtes willen so viele Jahre dienen wolltest? Wer bin ich, schönster Bräutigam, dass du um meinetwillen, der ich auf‘s Schändlichste an die Sünde verkauft und dem Teufel zu Willen ergeben bin, dich nicht einmal zu sterben weigertest? Wer bin ich, gütigster Schöpfer, dass du um meinetwillen, der ich die verächtlichste Kreatur bin, vor dem Holze des Kreuzes nicht schauderst? Ich bin dir, o liebreichster Bräutigam, wahrlich eine Blutbraut, um deren willen du eine so große Menge Blut vergießest. Ich bin dir, der schönsten Lilie, wahrlich ein Dorn, der dich verletzt und sticht. Ich lege dir eine harte und beschwerliche Last auf, deren Gewicht dich so sehr drückt, dass Blutstropfen reichlich aus deinem Leibe fließen. Dir, Herr Jesu, einiger Erlöser und Mittler, will ich um dieser deiner Liebe willen ewiglich lobsingen! Amen. 

 

DAS SECHSTE KAPITEL. 

DANKSAGUNG FÜR DIE BERUFUNG DURCH’S WORT. 

Dir, Herr, mein Gott, gebührt Lob, Ehre und Dank, dass du jenes väterliche Wohlgefallen und jenen Ratschluss von unserm Heile durch die Predigt des Wortes uns offenbaren wolltest. Von Natur sind wir Finsternis; wir sitzen in Finsternis und am Ort der Schatten des Todes; du aber vertreibst durch das helle Licht des Evangeliums jene Finsternis. In deinem Lichte sehen wir das Licht; das ist, im Lichte des Wortes sehen wir jenes wahrhaftige Licht, das in diese Welt kam, um alle Menschen zu erleuchten. Welchen Nutzen hätte der verborgene Schatz gewährt, und das Licht, unter dem Scheffel versteckt? Mit dankbarem Herzen preise ich daher jene große Wohltat, dass du uns durch das Wort des Evangeliums den Schatz der Wohltaten deines Sohnes geoffenbart hast. Wie lieblich sind die Füße derer, die da Gutes predigen, Heil verkündigen! Diesen Frieden des Gewissens und dies Heil der Seele durch das Wort des Evangeliums verkündigest du uns noch heute, und rufst uns zum Reiche deines Sohnes. Ich war auf die Abwege der Irrtümer geraten, als ein elendes und schwaches Schäflein; du aber hast mich durch das Wort auf den Weg zurückgerufen. Ich war verdammt und verloren; du aber bietest mir im Wort des Evangeliums die Wohltaten Christi an; in den Wohltaten Christi deine Gnade; in deiner Gnade die Vergebung der Sünden; in der Vergebung der Sünden die Gerechtigkeit; in der Gerechtigkeit das Leben und die ewige Seligkeit. Wer kann diese deine herzliche Barmherzigkeit mit Worten würdig preisen? Ja, wer kann die Größe und den Reichtum deiner Güte ausdenken? Das Geheimnis von unserm Heile, das von Ewigkeit her verschwiegen gewesen ist, tust du uns kund durch die Offenbarung des Evangeliums; die Gedanken des Friedens, die du vor Grundlegung der Welt über uns hattest, enthüllest du uns durch die Predigt des Wortes, das unsern Füßen eine Leuchte zum ewigen Lichte ist, während sie durch dieses dunkle Tal wallen. Was hätte es uns genützt, geboren zu werden, wenn du uns nicht durch Christum befreit hättest, da wir durch die Sünde gefangen waren? Was hätte es uns genützt, erlöst zu werden, wenn du uns nicht diese unermessliche Wohltat der Erlösung durch das Wort verkündiget hättest? Du reckest deine Hände den ganzen Tag zu uns aus; du klopfest täglich an die Türe unsers Herzens, und rufst uns alle durch dein Wort zu dir, gütigster Herr! Wie viele Millionen Menschen leben in der Blindheit und den Irrtümern des Heidentums, denen kein solches Licht eines himmlischen Wortes er schienen ist, wie uns höchst Undankbaren deine Güte gestattet hat! Ach wie oft verdienen wir durch unsere Geringschätzung und Undankbarkeit, dass du den Leuchter des Wortes von uns wegnehmest; du aber bist langmütig, und übersiehst unsere Sünden, und bewahrst uns noch jene heiligste Beilage des Wortes, den kostbarsten Schatz, aus unaussprechlicher Barmherzigkeit. Für diese Wohltat sagen wir dir ewiglich Dank, und bitten dich demütig, du wollest uns denselben ferner erhalten! Amen. 

 

DAS SIEBENTE KAPITEL. 

DANKSAGUNG FÜR DIE LANGMUT GOTTES. 

Ewigen Dank bin ich dir schuldig, allbarmherziger Vater, dass du mit so großer Langmut und Güte meine Bekehrung erwarten wolltest, und mich von dem Pfade der Sünden in die Gemeinschaft deines Reiches gebracht hast. Wie groß ist deine Langmut, dass du mich, der ich dies tausendmal verdient habe, noch nicht von deinem Angesichte verworfen und zu den ewigen Strafen verstoßen hast! Wie viele Millionen Menschen hat der Tod ereilt, ehe sie wahre Buße taten! Wie viele Sünder hat der Teufel verstockt, dass sie nicht die Vergebung ihrer Sünden erlangten! Von diesen hat mich nicht die Beschaffenheit meiner Natur abgesondert, sondern allein deine langmütige Güte; nicht meine leichtere Schuld, sondern deine überschwängliche Gnade. Deine Barmherzigkeit stritt mit meinem Elend. Ich fuhr im Übertreten fort; du fuhrst im Erbarmen fort. Ich schob die Bekehrung auf; du schobst die gerechte Ahndung auf. Ich verirrte mich, und du riefst mich; ich weigerte mich zu kommen, und du wartetest auf mich. Diese deine Güte, zärtlichster Vater, kann ich nicht würdig preisen! Diese deine Langmut, gütigster Gott, kann ich mit keinem Verdienste je vergelten! Du hast mich vor unzähligen Sünden bewahrt, in die mich nicht weniger, als andere das Verderben des Fleisches, die Verführung der Welt, die Überredung des Teufels hätte stürzen können; und nicht allein hast du mich vor vielen Sünden bewahrt, dass ich nicht in dieselben gefallen bin, sondern hast auch meine Bekehrung von denen, in die ich gefallen war, mit größter Güte erwartet. Du lässest mich erfahren, dass deine Güte größer ist, als meine Schuld; ich sündigte, und du übersahst es; ich enthielt mich nicht von Lastern, und du enthieltest dich der Schläge; ich zog lange Zeit mein Sündenleben in die Länge, und du verlängertest deine zärtliche Liebe. Was waren da meine Verdienste? Nur schlechte, ja, ganz schlechte, nämlich eine große Menge der schwersten und in ihrer Mannigfaltigkeit abscheulichsten Sünden. Deiner Gnade und Güte allein habe ich’s daher zu danken, dass du auf meine Bekehrung mit so großer Langmut gewartet, und meine Seele aus so viel Stricken der Sünden gewickelt hast. Dir, Herr, sei Lob, Ehre und Preis in Ewigkeit! Amen. 

 

DAS ACHTE KAPITEL. 

DANKSAGUNG FÜR DIE BEKEHRUNG. 

Ich danke dir, mein Gott, dass du mein hartes und unbußfertiges Herz umgewandelt, dass du mein steinernes Herz weggenommen und mir ein fleischernes Herz gegeben hast. Es war mein eigenes Werk, dass ich in die Schuld fiel; aber ich vermochte nicht aus mir selbst wieder zur Buße aufzustehen. Ich konnte durch mich abirren; aber nur durch dich konnte ich auf den Weg zurückkehren. Wie der, welcher von seiner Mutter Leibe verkrüppelt geboren wird, nicht mit natürlichen Mitteln gerade gemacht werden kann, sondern durch göttliche Kraft aufgerichtet werden muss: so war meine Seele, mit jener geistigen Verkrüppelung zur Sünde und zu irdischen Dingen geboren; daher konnte sie durch keine menschlichen Kräfte, sondern allein durch deine Gnade aufgerichtet werden, dass sie zu deiner Liebe und zum Verlangen nach himmlischen Gütern aufstand. Ich konnte mich durch mancherlei Sünden auf’s Schändlichste verunstalten; aber du allein konntest mich wiederherstellen. Wie ein Mohr seine Haut nicht wandeln kann, noch ein Parder seine Flecken, so konnte ich nicht Gutes tun, der ich dem Eifer auf’s Böse ergeben war. Du, mein Gott, hast mich bekehrt, und ich bin bekehrt; nachdem ich durch dich bekehrt war, tat ich Buße, und nachdem mir’s gezeigt war, schlug ich vor Schmerz auf meine Hüften. Ich war tot in Sünden, und du hast mich lebendig gemacht. So viel ein Toter zu seiner Wiedererweckung beitragen kann, so viel konnte ich auch zu meiner Bekehrung beitragen. Wenn du mich nicht gezogen hättest, so wäre ich nie zu dir gekommen; wenn du mich nicht erweckt hättest, so wäre ich nie für dich erwacht; wenn du mich nicht erleuchtet hättest, so hätte ich dich nie gesehen. Die Sünden waren mir süßer, als Honig und Honigseim; dass sie mir nun bitter und herbe sind, verdanke ich dir, der du mir einen geistigen Geschmack geschenkt hast. Die Werke der Tugend waren mir bitterer, als Galle und Aloe; dass sie mir nun angenehm und süß sind, verdanke ich dir allein, der du das verdorbene Urteil meines Fleisches durch den Geist umgewandelt hast. Ich ging in der Irre, wie ein Schaf, das verloren gegangen ist, und wich auf den Weg der Bosheit ab; du aber, guter Hirte, hast mich wieder gesucht, und zur Herde der Heiligen zurückgeführt. Spät erkannte ich dich, du wahres Licht; denn es war eine große und finstere Wolke vor meinen Augen, die nach dem Eiteln blickten, welche mich hinderte, dass ich das Licht der Wahrheit nicht sah. Spät erkannte ich dich, du wahres Licht, weil ich blind war, und die Blindheit liebte, und durch die Finsternis der Sünden der Finsternis der Hölle zuwandelte; aber du hast mich erleuchtet, und hast den gesucht, der dich nicht suchte, und den gerufen, der dir nicht rief, und den bekehrt, der sich nicht zu dir bekehrte, und hast mit allmächtig wirksamer Stimme gesprochen: Es werde Licht im Innern dieses Herzens! und es ward Licht, und ich sah dein Licht, und erkannte meine Blindheit. Über jene unermessliche Wohltat will ich deinen Namen ewiglich preisen! Amen. Amen. 

 

DAS NEUNTE KAPITEL. 

DANKSAGUNG FÜR DIE VERGEBUNG DER SÜNDEN. 

Großen Dank schulde und bringe ich dir, ewiger und barmherziger Gott, dass du mich nicht hinausgestoßen hast, da ich zu dir kam, sondern mich ganz bereitwillig aufgenommen und mir alle meine Sünden nach deiner großen Barmherzigkeit vergeben hast! Ich war jener verschwenderische Sohn, o zärtlichster Vater, der das väterliche Gut mit Prassen umgebracht hatte. Denn ich habe die Gaben der Natur befleckt; die Gaben der Gnade verschmäht; der Gaben der Herrlichkeit mich selbst beraubt. Ich war dürftig und hungrig; du hast mich in meinem Hunger mit dem Brot der himmlischen Gnade gespeist. Ich war nackt und von allen Gütern entblößt; du hast mich wieder mit dem Kleide der Gerechtigkeit bekleidet und bereichert. Ich war verloren und verdammt; du aber hast mir das ewige Heil aus Gnaden geschenkt. Von Erbarmung gegen mich entzündet hast du mich umarmt und geküsst, indem du den liebsten Sohn, der in deinem Schoße ist, und den heiligen Geist, der der Kuss deines Mundes ist, als die größten Zeugen deiner unermesslichen Liebe sandtest; du hast mich mit dem besten Kleid angetan, indem du mir die ursprüngliche Unschuld wiederherstelltest; du hast mir einen Fingerring an meine Hand gegeben, indem du mich mit dem Geist der Gnade versiegeltest; du hast mir Schuhe angezogen, indem du mich mit dem Evangelium des Friedens waffnetest; du hast um meinetwillen ein gemästetes Kalb geschlachtet, indem du deinen liebsten, Sohn für mich in den Tod gabst; du hast gemacht, dass ich esse und fröhlich sei, indem du mir die Freude des Herzens und den wahren Frieden des Gewissens wiedergabst. Ich war tot, und bin durch dich wieder lebendig worden; ich war von Armut verzehrt, und bin durch dich wieder zum frühern Besitz gekommen. Von so viel Sünden befleckt, von so viel Fehlern bedeckt, von so viel Ungerechtigkeiten verdorben, konntest du mich nach deinem gerechtesten Gerichte verwerfen; aber deine Barmherzigkeit ist mächtiger geworden als meine Sünden; deine Güte ist größer gewesen, als alle meine Ungerechtigkeit. Wie oft habe ich dir, wenn du an der Türe meines Herzens klopftest, dieselbe verschlossen! Nach gerechtestem Gerichte hättest du mir daher eben so die Türen deiner Gnade verschließen können, wenn ich daran klopfte. Wie oft habe ich meine Ohren verstopft, dass ich nicht deine Stimme hörte, wenn du riefest! Nach gerechtestem Gerichte hättest du daher eben so deine Ohren verstopfen können, dass du meine Stimme nicht hörtest, wenn ich zu dir seufzte. Aber deine Gnade war überschwänglicher, als alle meine Übertretung und Schuld. Mit ausgestreckten Händen hast du mich aufgenommen, und hast alle meine Missetat wie eine Wolke vertilgt, und alle meine Sünden hinter dich zurückgeworfen. Du gedenkest nicht mehr meiner Verbrechen, sondern nimmst mich in den weiten Schoß deiner Erbarmung auf. Für diese unermessliche Wohltat will ich dir ewig danken! Amen. 

 

DAS ZEHNTE KAPITEL. 

DANKSAGUNG FÜR DIE BEWAHRUNG IM GUTEN. 

Dir, Herr, sei Ehre und Ruhm und Preis und Dank, dass du mich nicht bloß erbarmungsvoll aufgenommen, da ich Buße tat, sondern mir auch Kraft gegeben hast, mich von Sünden zu enthalten und ein besseres Leben zu führen. Was nützte es, einer Krankheit los zu werden, wenn sogleich ein schlimmerer Rückfall folgte? Was nützte es, von Sünden erlöst zu werden, wenn nicht Gnade gegeben würde, fromm zu leben? Du, treuester Gott, hast alle Obliegenheiten eines treuen und erfahrnen Arztes bei der Heilung der Wunden meiner Seele erfüllt! Meine Wunden waren tödlich; du hast sie durch die Wunden deines Sohnes geheilt. Es war Gefahr vorhanden, dass die geheilten Wunden wieder aufbrechen möchten; du hast dies durch die Gnade des heiligen Geistes, wie durch einen Verband, verhütet. Wie reichlich ist die Saat jener, welche, nachdem sie Vergebung der Sünden erlangt haben, auf’s Neue zu ihrer alten Lebensweise umkehren, und durch abscheuliche Wiederholung ihrer Verbrechen Gott noch schwerer beleidigen! Ach, wie viele sehen wir, von dem Joch der Sünde befreit, zur alten Gefangenschaft zurückkehren, und aus dem geistlichen Ägypten herausgeführt, zu dessen Fleischtöpfen zurückblicken! Sie sind entflohen dem Unflat der Welt durch die Erkenntnis Christi, werden aber wieder in denselbigen verflochten durch die alte Übung des schlechtesten Lebens. Sie waren befreit von Satans Banden, durch die Bekehrung; aber sie hangen wieder in denselben verstrickt durch den Betrug ärgerer Geister. Es ist gewiss mit ihnen das Letzte ärger geworden, als das Erste, und es wäre ihnen besser gewesen, dass sie den Weg der Gerechtigkeit nicht erkannt hätten, als dass sie ihn erkannten, und sich kehrten von dem Pfade des heiligen Gebotes, das ihnen gegeben war. Das sind die Hunde, die wieder fressen, was sie gespien haben, und die Säue, die sich nach der Schwemme wieder im Kot wälzen. Dasselbe konnte mir widerfahren, wenn dir nicht gefallen hätte, mich durch die Gnade deiner Kraft und durch die Wirksamkeit des heiligen Geistes im Guten zu bewahren. Derselbe unsaubere Geist, der jene bezwang, hat mich angegriffen; dieselbe Welt, die jene verführte, hat mich angelockt; dasselbe Fleisch, das jene überwand, hat mir eine Lockspeise gestellt. Deine Gnade allein hat mich gegen ihre Anfechtungen geschützt und mit den zum Siege nötigen Kräften ausgerüstet. Deine Kraft war in mir Schwachen mächtig; von dir kam die Stärke des Geistes herab, durch welche ich des Fleisches Triebe zügeln konnte. Was an mir Gutes ist, das kam von dir, der Quelle alles Guten, herab, da in mir von Natur nichts als Sünde ist. So viel ich daher an mir gute Werke finde, die doch, durch das Gebrechen meines Fleisches, unrein und unvollkommen sind, eben so viel Geschenke deiner Gnade muss ich anerkennen. Für dieses dein unermessliches Geschenk, das du mir gegeben hast, will ich dir ewig danken! Amen. 

 

DAS ELFTE KAPITEL. 

DANKSAGUNG FÜR ALLE GÜTER DER SEELE, DES LEIBES UND DES GLÜCKES. 

Ewigen Dank bin ich dir schuldig, ewiger und barmherziger Gott, dass du mir nicht nur Leib und Seele gegeben, sondern mich auch überdies mit mancherlei Gaben der Seele, des Leibes und Glückes ausgestattet hast! Du, o höchste Weisheit, lehrest alle Menschen, was sie wissen! Wenn ich daher etwas Gutes weiß, so zeigt dies deine überschwängliche Gnade gegen mich. Ohne dein Licht wäre mein Verstand finster, ohne deine Gnade mein Wille gefangen. Wenn irgend eine Fähigkeit und Klugheit in mir ist, so habe ich dies alles deiner Güte zuzuschreiben. Das Auge der Seele ist die Klugheit, das Auge der Klugheit die göttliche Gnade. Alles, was wir wissen, das erkennen wir entweder aus dem Lichte der Natur, oder aus der Offenbarung des Wortes. Und von dir, o Licht der ewigen Weisheit, entspringt die Erleuchtung aus der Natur; von dir auch entspringt die Offenbarung des Wortes. In der Tat kommt daher alles, was wir wissen, durch dein Geschenk zu uns herab. Du, o unversiegbare Quelle des Lebens, bist mein Leben und die Länge meiner Tage! Du, o ewig dauerhafte Gesundheit, bist meines Leibes Stärke und das Leben meiner Kraft! Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch deinen Mund ausgehet; so wird der Mensch auch nicht durch Brot allein bei Gesundheit und Kraft erhalten, nicht durch Arznei allein vor Krankheiten bewahrt, sondern durch ein jegliches Wort, das durch deinen Mund ausgehet. Die Ruhe des Gemüts bewahrt die Gesundheit des Leibes, die wahre Frömmigkeit erzeugt die Ruhe des Gewissens. Von dir, o höchstes Gut, ist alle wahre Frömmigkeit, die unerschütterte Ruhe des Gemütes und die erwünschte Gesundheit des Leibes! Was ich außerdem an äußern Gütern besitze, das verdanke ich alles deiner Güte! Auch nicht ein Stückchen Brot kommt meinen Verdiensten zu; wie viel weniger dies, dass du mich mit so vielen und so großen äußern Gütern überhäufest. Sie werden wohl Glücksgüter genannt; aber in der Tat sind sie Gaben deiner Gnade. Nichts ist seliger, als andern zu dienen und zu schenken. Dieses Glücks hast du mich teilhaftig gemacht, indem du mir eine reichere Saat an äußern Gütern mitgeteilt und auf mich den Samen deiner Gnade ausgestreut hast, dass davon für andere eine Ernte der Wohltätigkeit erstehen sollte. Du hast überhaupt sehr viele Güter meiner Verwaltung anvertraut, damit mir Gelegenheit gegeben würde, meinen Mitknechten wohlzutun. Von dir, der Quelle alles Guten, kommen auf mich die Bächlein der Güter herab. Ich bekenne, dass alles, was ich bin, was ich besitze, was ich verschenke, ganz von deiner Güte abhange. Für diese deine unermessliche Barmherzigkeit danke ich dir in Ewigkeit! Amen. 

 

DAS ZWÖLFTE KAPITEL. 

DANKSAGUNG FÜR DIE MITTEILUNG DES SAKRAMENTS DER TAUFE. 

Dir, o ewiger und barmherziger Gott, Vater, Sohn und heiliger Geist, sage ich demütigen Dank, dass du mich durch das heilige Bad der Taufe von allen Sünden abgewaschen, in den Bund der Gnade, aufgenommen und zum Erben des ewigen Lebens eingesetzt hast. Ich erkenne es als dein Geschenk an, dass ich von christlichen Eltern geboren und durch dieselben zu jener himmlischen Quelle gebracht worden bin. Wie viele Millionen Kinder werden fern im Heidentum geboren, welche ohne dieses heilsame Sakrament in ihren Sünden sterben! Von jenen hat mich nicht die Natur abgesondert, sondern allein deine überschwängliche Gnade. Ich war ihnen durch die Gemeinschaft der Schuld verbunden, aber durch die Mitteilung deiner Gnade bin ich von ihnen abgesondert worden. Wie groß ist diese deine Güte, dass du den gefunden hast, der dich noch nicht suchte, dass du den erhört hast, der dich noch nicht bat, dass du dem aufgetan hast, der noch nicht anklopfte! Diese deine Barmherzigkeit kann nicht genug gepriesen, ja auch nicht genug bewundert werden. Ich bin in deinem heiligen Namen getauft, dein Name ist über mich angerufen worden; ich bin also wirklich in die himmlische Familie aufgenommen, zu einem Sohne des himmlischen Vaters, zu einem Bruder Christi, und zu einem Tempel des heiligen Geistes gemacht worden. Heilig und himmlisch ist dieses Bad; ich bin also wirklich in demselben von allen Unreinigkeiten abgewaschen und gereinigt worden. Es ist ein Bad der Wiedergeburt und Erneuerung; ich bin also wirklich mittelst desselben durch des heiligen Geistes Gnade wiedergeboren und erneuert worden. Was Christus, mein Heiland, durch seinen allerheiligsten Gehorsam und durch die Vergiessung seines kostbarsten Blutes verdient hat, das hat er alles in die heilsame Quelle der Taufe gleichsam niedergelegt. Die Mitteilung der Taufe ist daher eine Besprengung mit dem Blute Christi. Jenes kostbare Blut Christi reinigt mich von allen Sünden, und macht mich schneeweiß in Gottes Augen. Einen ewigen Bund hast du, o ewiger Gott, durch die Taufe mit mir aufgerichtet, zu dem mir durch wahre und ernstliche Buße immer die Rückkehr offen steht. Du hast mich mit dir verlobt in Ewigkeit, in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit; du hast mir in der Taufe das Angeld und Pfand des Geistes gegeben; also wirst du mich nicht von deinem Angesichte verwerfen, sondern eingedenk deiner Verheißung wirst du mich zur Freude der himmlischen Hochzeit führen. Wie bei der Taufe Christi, meines Mittlers und Hauptes, sich die Himmel auftaten, so hast du mir durch die Teilnahme an seiner Taufe die Türe des Paradieses geöffnet. Wie bei der Taufe Christi der heilige Geist auf ihn herabfuhr und die Stimme des himmlischen Vaters versicherte, dass dies sein lieber Sohn sei, so bin ich durch die Teilnahme an seiner Taufe des heiligen Geistes teilhaftig und zu einem Sohne Gottes angenommen worden. Für diese unermessliche Wohltat danke ich dir, mein Gott, in Ewigkeit! Amen. 

 

DAS DREIZEHNTE KAPITEL. 

DANKSAGUNG FÜR DAS SAKRAMENT DES HEIL. ABENDMAHLS. 

Wie großen Dank bin ich dir schuldig, o höchster Gott, dass du mich in dem allerheiligsten Geheimnis des Abendmahls mit dem Leibe und Blute deines Sohnes speisest! Was gibt es im Himmel und auf Erden Kostbareres und Vortrefflicheres, als jenen göttlichen mit deinem Sohne persönlich vereinigten Leib? Welches gewissere Zeugnis und Pfand deiner Gnade, als jenes kostbare Blut deines Sohnes, auf dem Altar des Kreuzes für meine Sünden vergossen? Du schenkst mir selbst den Kaufpreis meiner Erlösung, damit das Zeugnis deiner Gnade gegen mich recht fest stehe. So oft ich durch Sünden aus dem Taufbund gefallen bin, so oft steht mir durch wahre Buße und heilsamen Gebrauch dieses Mahles die Rückkehr zu demselben offen. Es ist das Sakrament des neuen Testamentes; es beglückt mich immer mit neuen Schenkungen von Gnadengaben. In diesem Leibe wohnt das Leben selbst; daher erneuert und belebt er mich zum ewigen Leben. Durch die Vergiessung dieses Blutes ist für unsere Sünden Genugtuung geleistet worden; daher wird mir durch das Trinken desselben die Vergebung der Sünden bestätigt. Christus die Wahrheit, spricht: Wer mein Fleisch isst und trinkt mein Blut, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tage sicherlich zum Leben, sicherlich zum Ruhme. Denn dies ist das Brot des Lebens, das vom Himmel herabgekommen ist, auf dass, wer von demselben isst, nicht sterbe, sondern ewiglich lebe. Es ist der Genuss des Glaubens, den Christus empfiehlt, der überhaupt zum sakramentlichen Genusse kommen muss, damit das, was zum Leben eingesetzt ist, von uns zum Leben empfangen werde. Mit wahrem Glauben trete ich daher zu jener himmlischen Mahlzeit hinzu, auf’s Festeste überzeugt, dass jener Leib, den ich genieße, für mich in den Tod gegeben sei, dass jenes Blut, das ich trinke, für meine Sünden vergossen sei. Ich kann ganz und gar nicht an der Vergebung der Sünden zweifeln, da sie mir durch die Teilnahme an dem Kaufpreis selbst bestätigt wird, der für meine Sünden dargebracht wurde. Ich kann ganz und gar nicht an der Inwohnung Christi zweifeln, da er mir dieselbe durch die Gemeinschaft seines Leibes und Blutes besiegelt. Ich kann ganz und gar nicht an dem Beistand des heiligen Geistes zweifeln, da meine Schwachheit durch ein so mächtiges Hilfsmittel gestärkt wird. Ich fürchte mich nicht vor Satans Nachstellungen, da mich diese Engelsspeise zum Kampfe kräftiget. Ich fürchte mich nicht vor den Lockungen des Fleisches, da mich diese belebende und geistige Speise mit Kraft des Geistes stärkt. Diese Speise und dieser Trank macht, dass Christus in mir wohnt, und ich in Christo. Jener gute Hirte wird nicht leiden, dass sein Schäflein, das mit seinem Leib und Blut geweidet ist, vom höllischen Wolfe verschlungen werde, und wird nicht zulassen, dass des Geistes Stärke von der Schwachheit meines Fleisches überwunden werde. Dir, o gütigster Erlöser, sei Lob, Ehre und Dank in Ewigkeit! Amen. 

 

DAS VIERZEHNTE KAPITEL. 

DANKSAGUNG FÜR DIE BEWAHRUNG VOR MANCHERLEI ÜBEL. 

Ewigen Dank sage ich dir, o ewiger und barmherziger Gott, dass du mich vor unzähligen Übeln und Gefahren bisher bewahret, und mich durch den Schutz der heiligen Engel sicher erhalten hast! Deine Gnade erweist sich noch vielmehr darin, dass sie Böses von mir abwendet, als darin, dass sie mir Gutes erzeigt. So viele Übel an Seele und Leib ich an andern sehe, so viele Wohltaten deiner Barmherzigkeit gegen mich nehme ich wahr. Dass ich nun von jenen frei bin, verdanke ich allein deiner Güte. Wie groß ist die Macht des Teufels, wie groß seine betrügerische List! So oft daher jener böse Geist mit seiner großen List und Macht als unser Widersacher mir Schaden zuzufügen suchte, so oft konnte ich durch den Schild deiner Güte und durch den Schutz der Engel sicher diesen Netzen entfliehen. Aber wer wird die Nachstellungen des Teufels herzählen können? Wird daher wohl jemand den Reichtum deiner Wohltaten herzählen können? Wenn ich die Nacht hindurch schlafe, so wacht das Auge deiner Vorsehung über mir, dass der höllische Feind, der umhergeht wie ein brüllender Löwe, mich mit seinen Nachstellungen und Kräften nicht unterdrücke. Wenn mich Satan bei Tage mit seinen Versuchungen angreift, so stärkt mich die Kraft deiner Rechten durch deine große Gnade, dass mich nicht jener betrügerische Versucher in seine Garne locke. Wenn mir ein zahlloses Heer von Übeln auf den Nacken kommen will, so ist das Heerlager deiner Engel eine feurige Mauer um mich her. Es gibt keine Kreatur, wäre sie auch noch so verachtet und gering, von der mir nicht mancherlei Arten von Gefahren drohen. Wie groß und unermesslich ist daher die Wohltat, dass deine Hut mich vor ihnen sicher hält! Meine Seele ist zur Sünde, mein Leib zum Fall geneigt. Meine Seele regierst du daher, o gütigster Vater, durch deinen Geist, meinen Leib durch den Schutz der Engel; denn du hast deinen Engeln befohlen über mir, dass sie mich behüten auf allen meinen Wegen, und mich gleichsam auf ihren Händen tragen, dass nicht etwa meine Füße an einen Stein stoßen. Deiner Barmherzigkeit habe ich’s zuzuschreiben, dass ich nicht gar aus bin. Alle Tage umgeben mich neue Gefahren; deine Barmherzigkeit ist daher alle Morgen über mir neu. Du schläfst und schlummerst nicht, o du treuer und wachsamer Hüter der Seele und des Leibes! Deine Gnade ist der Schirm meiner Rechten, dass mich nicht die Mittagsstrahlen der offenen und heftigen Verfolgung treffen, und ich nicht der nächtlichen Finsternis verborgener Nachstellungen preisgegeben werde. Du behütest den Eingang, leitest den Fortgang, regierst den Ausgang. Für diese Wohltat will ich dir und deinem Namen ewiglich lobsingen! Amen. 

 

DAS FÜNFZEHNTE KAPITEL. 

DANKSAGUNG FÜR DIE VERHEISSUNG DES EWIGEN HEILS. 

Ich danke dir, mein himmlischer Vater, dass du mir nicht nur umsonst Vergebung der Sünden und die innerliche Erneuerung des Geistes gegeben hast, sondern auch die gewisse Verheißung des ewigen Heils. Wie groß ist diese deine Güte, dass du mir unwürdigen und sündhaften Menschen, der so oft deine Barmherzigkeit erfahren hat, auch noch verliehen hast, die himmlische Herrlichkeit in Hoffnung schon im Voraus hinzunehmen, und die keineswegs zweifelhafte Hoffnung zu fassen, dass ich die ewigen Wohnungen des himmlischen Hauses bewohnen werde! Die Güter jenes ewigen und wahren Lebens sind so groß, dass sie nicht gemessen werden können; so häufig, dass sie nicht gezählt werden können; so vielumfassend, dass sie nicht begrenzt werden können; so kostbar, dass sie nicht geschätzt werden können. Wie groß ist daher deine Güte und Freigebigkeit gegen mich, der ich solche gar nicht verdiene, dass du mich mit der gewissen Hoffnung dieser Güte in diesem Arbeitshause des Lebens beglückest! Der Apostel der Wahrheit bezeugt, dass ich schon da in Hoffnung selig sei. Dass die Hoffnung nicht zu Schanden werden lässt, wird durch das deutliche Zeugnis desselben Apostels bestätigt. Warum wird daher das Schifflein meines Herzens, in dem Christus durch den Glauben fährt, so oft mit Stürmen und Wogen der Zweifel geplagt? Du hast mir die Verheißung der Seligkeit gegeben, o Gott, der du der treue Gott bist; wie kann ich noch zweifeln, ob diese deine Verheißungen Worte von unbeweglicher und unveränderlicher Gewissheit sind? Aus freier Gnade kommt jene Verheißung des Lebens; daher wird sie nicht vom Verdienst meiner Werke abhängen. Über deine Wohltaten, die mir aus Gnaden verheißen sind, kann ich durch den Glauben so gewiss sein, als ich über die mir bereits erwiesenen durch den Augenschein gewiss bin. Du speisest mich mit dem Leibe und Blute deines Sohnes, und versiegelst mich mit dem innern Zeugnis des heiligen Geistes; welches Zeugnis kann gewisser oder welches Pfand kostbarer sein, womit du mir die Verheißung der Seligkeit gewiss machest? Tatsächlich mache ich die Erfahrung, dass du in der Not des gegenwärtigen Lebens bei mir bist; wie werde ich nicht bei dir in der seligsten Tröstung des ewigen Lebens sein? Wenn du mir so Großes in der Hütte dieser Welt erweisest: wie viel Größeres wirst du im Palast des himmlischen Paradieses erweisen! Was du verheißen hast, das ich zu hoffen habe, ist mir so gewiss, als alles das, was du in dieser Welt zum Gebrauche gegeben hast. Deine Barmherzigkeit und Wahrheit ist stark, und wird über mir stark sein ewiglich. Deine Barmherzigkeit ist mir zuvorgekommen, dieselbe wird mir auch folgen. Sie ist mir zuvorgekommen in der Rechtfertigung, sie wird mir folgen in der Verklärung; sie ist mir zuvorgekommen, dass ich fromm leben sollte, sie wird mir folgen, dass ich immer bei dir leben könne. Ich will daher jene Barmherzigkeit und deine Treue ewiglich preisen! Amen. 

 

DRITTE ABTEILUNG.

DAS ERSTE KAPITEL. 

GEBET UM ABTÖTUNG DES ALTEN MENSCHEN. 

Heiliger und barmherziger Gott, Vater unsers Herrn Jesu Christi, ich bitte dich durch diesen deinen Sohn im Heiligen Geiste demütig, dass du die Abtötung des alten Menschen, die mir täglich nötig ist, kräftig in mir wirken wollest, damit ich nach dem inwendigen Menschen in dir könne gestärkt werden! Es wohnt in meinem Fleisch die Sünde; gib mir Stärke des Geistes, dass ich ihr nicht die Herrschaft in mir gestatte. Meine unerkannten Sünden stellest du in’s Licht vor deinem Angesicht; o stelle sie, ich bitte dich, in’s Licht vor meinem Herzen, dass ich sie sehe und betrauere, und in Demut die Vergebung derselben suche. Ich bin noch nicht gänzlich frei von der Inwohnung der Sünde; o lass mich, ich bitte dich, aus Gnaden frei sein von der Schuld und dem Fluch der Sünde! Das Gesetz der Sünde in meinen Gliedern widerstreitet dem Gesetze meines erneuerten Gemütes; gib mir die Gnade deines Geistes, dass ich das Gesetz der Sünde gefangen nehme, damit ich nicht von der List des Fleisches gefangen werde. Das Fleisch in mir gelüstet wider den Geist, und den Geist wider das Fleisch; der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach; verleihe daher meinem Geiste den Reichtum deiner Kraft und Stärke, dass er die bösen Begierden des widerstrebenden Fleisches überwinden könne. Jene buhlerische Delila setzt mir täglich mit ihren Schmeicheleien zu; stärke mich durch deinen Geist am inwendigen Menschen, dass sie nicht endlich seine Kräfte breche. O wie schwer und hart ist es, gegen sich selbst, das ist, gegen sein Fleisch zu kämpfen! Wie schwer und mit welchen Schwierigkeiten ist es verbunden, einen Hausfeind zu bezwingen! Wenn du mich in diesem Zweikampf nicht mit himmlischer Kraft antust, so wird zu fürchten sein, dass ich gezwungen werde, wegen der verborgenen Nachstellungen dieses Feindes zu unterliegen. Drücke, brenne, schneide, töte den alten Menschen, dass ich seinem schmeichlerischen Betrug und Verführung entfliehen könne! Gib, dass ich täglich in mir sterbe, dass ich nicht durch die Schmeicheleien des Fleisches vom wahren Leben, das in Christo ist, abgezogen werde! Entzünde in meinem Herzen das Feuer des Geistes, dass ich dir den geliebten Sohn der Seele, die bösen Begierden und den Eigenwillen, zum Opfer bringe! Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben. Mögen sie daher in mir sterben, dass ich nicht vom Himmelreich ausgeschlossen werde! Welche nach dem Fleische leben, die werden sterben; welche durch den Geist des Fleisches Geschäfte töten, die werden leben. Welche Christo angehören, die kreuzigen ihr Fleisch mit seinen Lüsten. Durchstich und kreuzige daher mein Fleisch, o Christe, der du auf dem Altar des Kreuzes für mich durchstochen und gekreuzigt bist! Amen. 

 

DAS ZWEITE KAPITEL. 

GEBET UM ERHALTUNG UND MEHRUNG DES GLAUBENS. 

Du hast in meinem Herzen das Licht des lebendigen und seligmachenden Glaubens angezündet, o lebendiger und ewiger Gott! ich bitte deine Güte demütig, dass du solches gnädiglich erhalten und mehren wollest. Ich fühle bisweilen die Schwachheit des Glaubens, ich werde oft durch Stürme der Zweifel hin und her getrieben; darum schreie ich in Demut mit den Aposteln, dass du mir den Glauben mehren wollest. Mein Herz hält dir vor dein Wort. Du wirst das zerstoßene Rohr nicht zerbrechen, und das glimmende Docht nicht auslöschen. Ich trage meinen Schatz in irdenem Gefäße; ich trage die Fackel des Glaubens in einem zerbrechlichen Gefäße verborgen; was bleibt anders übrig, als dass ich dir die Bewahrung derselben mit ernstlichem Gebet und Seufzen befehle, und um Vermehrung derselben täglich flehe? In der Finsternis dieses Lebens und der Welt mache mich des himmlischen Glaubenslichtes teilhaftig! Dein Wort ist Licht und Leben; verleihe mir aus Gnaden, dass ich dem Worte mit wahrem Glauben an hange, und durch dich ein Kind des Lichtes und Lebens werde. Gegen alle Versuchungen Satans, gegen alle Einreden der Welt, ja, gegen alle Gedanken des eigenen Herzens lass in mir die Tröstungen deines Wortes kräftig sein! Ein einziges Wort der Schrift ist mehr wert, als Himmel und Erde, da es fester ist, als Himmel und Erde. Wirke in mir durch deinen heiligen Geist, dass ich deinem Worte festiglich glaube, und Sinne und Vernunft unter den Gehorsam des Glaubens bringe! Deine Verheißungen kommen aus freier Gnade und sind nicht durch meine Würdigkeit und meine Verdienste bedingt; mit der festesten Glaubensgewissheit werde ich mich daher auf sie stützen und von ganzem Herzen deiner Güte trauen können. Durch den Glauben wohnt und lebt Christus in meinem Herzen. Erhalte daher in mir das freie Geschenk des Glaubens, dass mein Herz eine beständige Wohnung Christi sei und bleibe! Der Glaube ist der Same von allen guten Werken und der Grund eines heiligen Lebens. Erhalte und befestige daher denselben in mir, gütigster Vater, dass nicht meine geistige Ernte und Wohnung Schaden leide! Stärke meinen Glauben, dass er die Welt und den Fürsten der Welt besiege; mehre sein Licht, dass es von Tag zu Tage hellere Strahlen nach außen werfe; erhalte ihn mitten in der Finsternis des Todes, dass er mir zum wahren Leben vorleuchte! Regiere mich durch deinen heiligen Geist, dass ich nicht durch Übereinstimmung mit den Lüsten des Fleisches und durch Hingebung an die Sünden wider das Gewissen den Glauben verliere; sondern befestige das gute Werk, das du in mir angefangen hast, dass ich durch beständigen Glauben das ewige Leben ererben möge! Amen. 

 

DAS DRITTE KAPITEL. 

GEBET UM ERHALTUNG UND MEHRUNG DER HOFFNUNG.

Allmächtiger, ewiger und barmherziger Gott, ich bitte dich um der allerheiligsten Wunden deines Sohnes willen, erhalte in mir die Stütze der lebendig machenden Hoffnung! Es schwankt bisweilen mein Herz wie ein Schiff mitten im Meere; verleihe mir den sichern und festen Anker einer unbeweglichen Hoffnung. Bändige die Fluten der Versuchung und des Zweifels, der du ein Gott der Hoffnung und alles Trostes bist. So gewiss und unbeweglich die Wahrheit deiner Verheißungen ist, so gewiss wird in mir die Festigkeit einer heiligen Hoffnung sein können. Auf deine Verheißungen stütze ich mich; du wirst mich nicht ohne Hilfe lassen. Deiner Güte traue ich; du wirst mich nicht ohne Trost lassen. Ich weiß, an wen ich glaube, und bin sicher, weil du mächtig bist, meine Beilage zu bewahren auf jenen Tag; ich bin auf‘s Gewisseste überzeugt, dass du, der du in mir das Werk angefangen hast, dasselbe auch vollführen wirst bis auf den Tag Jesu Christi. Drei Dinge sind es, die mich aufrichten, wenn ich darniederliege, mich stützen, wenn ich strauchle, mich zurecht leiten, wenn ich zweifle; nämlich die Liebe, die mich zum Kinde machte, die Wahrheit der Verheißung, die Macht, die in der Bezahlung meiner Schuld liegt. Das ist das dreifache Seil, das du aus dem himmlischen Vaterland in diesen Kerker herablässt, damit du mich aufrichtest und im Anblick deiner Herrlichkeit anziehst; diese Hoffnung ist der Anker meines Heils, dies ist der Weg, der zum Paradiese führt. Die Betrachtung deines Gebotes macht, dass ich hoffe; die Betrachtung deiner Verheißung macht, dass mein Herz beruhigt wird, wenn ich hoffe; die Betrachtung deiner Güte verhindert, dass ich an deiner Erbarmung verzweifle; die Betrachtung meiner eigenen Gebrechlichkeit macht, dass ich nicht auf mich und meine Kräfte und Verdienste meine Hoffnung setze. So viel weniger meine Hoffnung an dem eiteln und vergänglichen Sande der gegenwärtigen Güter und der menschlichen Hilfe haftet, um so viel fester und sicherer wird sie auf den unbeweglichen und unerschütterlichen Felsen deiner Verheißungen und der himmlischen Güter gebaut. Dir allein gehöre mein Herz an, dass ich mich ganz von der Welt abziehe und von ganzem Herzen dir anhange! Zu dir fliehe ich, als zum Gnadenstuhl und zur Lade der Barmherzigkeit, zur Lade des Bundes und zur Zufluchtsstätte der Freiheit, zum Fels der Stärke und zum Hafen des Heils. In mir ist nichts als Sünde, Tod und Verdammnis; in dir nichts als Gerechtigkeit, Leben, Heil und Trost. Daher verzweifle ich an mir, aber ich hoffe auf dich; in mir werde ich zerschlagen, in dir werde ich aufgerichtet. Es mögen sich wohl die Trübsale vermehren, wenn nur deine belebenden Tröstungen dabei sind, und meine Hoffnung aufrecht halten. Die Trübsale bringen Geduld, die Geduld Erfahrung, die Erfahrung Hoffnung, die Hoffnung lässt nicht zu Schanden werden. Auf dich, Herr, habe ich gehofft, ich werde nicht zu Schanden werden ewiglich! Amen. 

 

DAS VIERTE KAPITEL. 

GEBET UM ERHALTUNG UND VERMEHRUNG DER LIEBE. 

Ewiger und barmherziger Gott, der du selbst die Liebe bist, verleihe mir den Reichtum der wahren und reinen geistigen Liebe! Mein Herz ist kalt und irden; o Feuer, o Liebe, entzünde mich! Mein Herz ist hart und steinern; o Fels, o Liebe, erweiche mich! Mein Herz ist mit den Dorngesträuchen des Zorns und Hasses erfüllt; o gütigster Vater, o Liebe, reinige mich! Ich will dich lieben, Gott, meine Stärke, mein Fels und meine Burg, mein Erretter, mein Gott, mein Schild und Horn meines Heils! Was ich an den Kreaturen Gutes und Vorzügliches sehe, das finde ich alles noch reichlicher und vortrefflicher in dir, der du das höchste Gut bist; dich will ich daher von ganzem Herzen über alles lieben, in dem ich eine so große Fülle und Vortrefflichkeit der Güter wahrnehme. Je mehr ich in dich eingehen werde, desto besser werde ich’s haben, da es nichts Besseres gibt, als dich. Ich werde aber eingehen können nicht durch den Wandel mit den Füßen des Leibes, sondern durch die Liebe mit dem Verlangen des Herzens. Wenn ich nach Schönheit verlange: du bist der Schönste unter allen; wenn ich Weisheit begehre: du bist der Weiseste unter allen; wenn ich mir Reichtum wünsche: du bist der Reichste unter allen; wenn ich Macht liebe: du bist der Mächtigste unter allen; wenn ich Stärke liebe: du bist der Stärkste unter allen; wenn ich Ehre liebe: du bist der Glorreichste unter allen. Du hast mich von Ewigkeit geliebt; ich will dich wieder lieben in Ewigkeit. Du hast mich geliebt, indem du dich selbst mir gabst; ich will dich lieben, indem ich mich ganz durch die Liebe dir wieder gebe. Mein Herz entbrenne in mir; alle Kreatur werde mir nichts; du allein sollst meiner Seele süß werden. Du hast die menschliche Natur deinem Sohne mit unzertrennlichem Bunde vereinigen wollen; wie viel mehr geziemt es sich, dir mein Herz mit unzertrennlichem Bande der Liebe zu verbinden. Die göttliche Liebe hat deinen Sohn aus dem Himmel zur Erde gezogen, zur Geißelung an die Säule gebunden, zum Tod an’s Kreuz geheftet; sollte nicht eine so heiße Liebesflamme mein Herz von der Erde zum Himmel erheben, und dir, dem höchsten Gut, ungeteilt verbinden? Ich würde dir und mir ein großes Unrecht tun wenn ich das Irdische, Verächtliche und Mittelmäßige liebte, da du mich so wert gehalten, und mir so reiche Versprechungen gegeben hast, dass ich dich lieben dürfe. Aus dieser Liebe zu dir erwachse auch in meinem Herzen die aufrichtige Liebe zum Nächsten. Wer dich, o höchstes Gut, liebt, der hält auch deine Gebote, da die Liebe durch die Tat bewiesen wird; wenn du daher den Nächsten zu lieben befohlen hast, so liebt dich eben deshalb niemand aufrichtig, der dem Nächsten nicht die schuldige Liebe erweist. Wer nun auch mein Nächster sei: du hast ihn so wert gehalten, dass du ihn wunderbar schufst, erbarmungsvoll erlöstest, und mit großer Gnade zur Gemeinschaft deines Reiches beriefst. In dir und um deinetwillen soll ich daher meinen Nächsten lieben, den ich von deiner Güte zum Schmuck einer solchen Herrlichkeit erhoben sehe. Diese wahre und aufrichtige Liebe wollest du in mir kräftigen und mehren, der du bist die ewige und unveränderliche Liebe! Amen.

 

DAS FÜNFTE KAPITEL. 

GEBET UM ERHALTUNG UND MEHRUNG DER DEMUT. 

Allmächtiger und barmherziger Gott, der du allen Hochmut auf‘s Ärgste hassest, verleihe mir, dass ich eine Rose an Liebe und ein Veilchen an Demut sei, dass ich einen lieblichen Geruch durch Werke der Liebe verbreite, und niedrig in meinem Herzen von mir denke! Was bin ich, Herr, vor dir? Staub, Asche, Schatten, Nichts! Da ich nun nichts bin in deinen Augen, so verleihe mir, dass ich mich für nichts halte in meinen Augen. Unterdrücke den angebornen Hochmut meines Herzens, dass ich den Tau der himmlischen Gnade empfange; denn die Ströme deiner Gnade steigen nicht aufwärts auf hohe Berge, sondern fließen abwärts in die tiefen Täler eines demütigen Herzens. Nichts ist mein, als Schwachheiten und Missetaten. Was in mir Gutes ist, das ist aus der Quelle deiner Güte zu mir herabgekommen; daher kann ich mir nichts von den Gütern zueignen, da nichts eigentlich mein ist. Je erhabener ich von dir denke, desto schlechter muss ich von mir denken. Es sei ferne von mir, ja, sehr ferne sei es, dass ich über deine Güter, gnädigster Gott, stolz sein und andere deshalb verachten wollte! Du hast die Schätze deiner Güter in die Lade meines Herzens niedergelegt, welche und wie groß du wolltest; es sei ferne von mir, dass ich jene mir selbst zuschreibe, oder meiner Würdigkeit zuteile. Du hast in meinem Herzen durch deinen Geist das Feuer der Gottseligkeit und der Liebe angezündet; o verleihe mir, ich bitte dich, dass ich es zudecken könne durch die Asche der Demut! Wie groß ist denn jener Ruhm, der dem Menschen vom Menschen gegeben wird? Wie groß ist denn jenes Lob, mit dem der Mensch vom Menschen verherrlicht wird? Wer dir, o größter Schöpfer, groß ist, der ist wahrhaft groß; wer dir gefällt, der gefällt dem, der die Dinge nach der Wahrheit schätzt. Niemand aber gefällt dir, als der sich selbst missfällt. Du bist meines Lebens Leben; du die Seele meiner Seele. Daher schließe ich mein Leben und meine Seele in deine Hände ein, und hange mit demütigem Herzen ganz dir an. Deine Erhabenheit sehe auf meine Niedrigkeit, deine Höhe sehe auf meine Nichtswürdigkeit! Ach, warum verlange ich so sehr, in der Welt erhöht zu werden, da doch in ihr nichts Schönes ist? Warum erhebe ich mich so sehr, da mich doch das Joch der Sünde schwer drückt? Es durchbohre mein Herz der Stachel einer heiligen Furcht, damit es nicht etwa von der höchst gefährlichen Krankheit des geistlichen Hochmuts eingenommen werde! Beständig sollen mir meine unzähligen Sünden vor Augen sein; vergessen aber alle meine guten Werke! Das Andenken an meine Sünden betrübe mich mehr, als der Ruhm eines unreinen und unvollkommnen guten Werkes, das ich getan habe! In dir allein freue und rühme ich mich, der du meine Freude und mein Ruhm bist in Ewigkeit! Amen. 

 

DAS SECHSTE KAPITEL. 

GEBET UM DIE GABE UND MEHRUNG DER GEDULD. 

Allmächtiger, ewiger und barmherziger Gott, mit demütigem Seufzen flehe ich deine Gnade an, dass du mir wahre und aufrichtige Geduld verleihen mögest! Mein Fleisch verlangt immer das, was ihm angenehm ist, das ist Weichliches und Fleischliches; es weigert sich aber, Widerwärtiges geduldig zu tragen. Ich bitte dich, du wollest diese Leidenschaft des Fleisches in mir mächtig unterdrücken und meine Schwachheit durch die Stärke der Geduld stützen. O Christe Jesu, Lehrer der Geduld und des Gehorsams, unterweise mich innerlich durch den heiligen Geist, dass ich von dir lerne den Eigenwillen verleugnen, und das Kreuz, das du mir aufgelegt hast, geduldig tragen! Du hast Schwereres für mich gelitten, als du auflegest; ich habe härtere Strafen verdient, als du auferlegst. Eine Dornenkrone und des Kreuzes Last hast du getragen, Blut hast du geschwitzt, und die Kelter des Zornes hast du um meinet willen getreten; warum sollte ich mich daher weigern, so wenig Leiden und Angst geduldig zu übernehmen? warum verweigern, deinem Trauerbilde in diesem Leben gleichförmig zu werden? Vom Bache der Leiden am Wege hast du getrunken; warum sollte ich einen geringen Trunk aus dem Becher des Kreuzes verschmähen? Ewige Strafen habe ich mit meinen Sünden verdient; warum sollte ich die väterliche Züchtigung in dieser Welt nicht ertragen? Welche du von Ewigkeit vor Grundlegung der Welt zuvor versehen hast, die hast du auch verordnet, dass sie in der Zeit dieses Lebens gleich sein sollten dem Ebenbilde deines Sohnes. Wenn ich also diese Gleichförmigmachung durch das Kreuz nicht geduldig ertrüge, so würde ich deinen heiligen und ewigen Ratschluss über mein Heil verachten, was du von mir, deinem unwürdigsten Knechte, wollest fern sein lassen. Zur Prüfung, nicht zur Verwerfung geschieht es, dass du mich durch mannigfaltige Unglücksfälle übest. So viel du an Kreuz und Trübsal auferlegst, so viel teilst du auch an Licht und Trost mit; und nicht sowohl die Züchtigung, als die Vergeltung wird vermehrt. Die Leiden dieses Lebens sind nicht wert jenes himmlischen Trostes, den du in diesem Leben zugleich einflößest, und jener himmlischen Herrlichkeit, die du für die Zukunft verheißest. Ich weiß, dass du bei mir bist in der Not; warum sollte ich mich daher nicht vielmehr über die Gegenwart deiner Gnade freuen, als mich über die mir aufgelegte Bürde des Kreuzes betrüben? Führe mich, durch welchen Weg du willst, bester Meister und Lehrer; ich will dir durch Dornen und Hecken folgen, ziehe und halte mich nur, dass ich folgen kann! Ich neige mein Haupt, dass du die Dornenkrone darauf setzest, in der gewissesten Überzeugung, dass du einst die Krone der ewigen Herrlichkeit darauf setzen wirst! Amen. 

 

DAS SIEBENTE KAPITEL. 

GEBET UM DIE GABE UND MEHRUNG DER SANFTMUT. 

O gütigster Herr, der du uns menschenfreundlich zur Buße einladest, und langmütig unsere Bekehrung erwartest, gib mir einen Reichtum an Langmut und Sanftmut. Es kocht in meinem Herzen des Zornes Glut, so oft ich von meinem Nächsten einen geringen Schaden erleide. Ich bitte dich daher demütig, dass du durch deinen Geist diese Leidenschaft meines Fleisches tötest. Wie harte Worte, härtere Schläge und die härtesten Strafen hat dein geliebter Sohn um meinetwillen ertragen, und schalt nicht wieder, da er gescholten ward, sondern stellte alles dem heim, der da recht richtet! Welcher Stolz ist dies daher, welcher Trotz, dass ich Elender und Sterblicher, der Erde Staub und Asche, nicht einmal ein etwas zu hartes Wörtchen ertragen und die Widerwärtigkeit des Nächsten mit sanftmütigem Herzen besiegen kann! Lernet, lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, rufst du aus, bester Christus; ich flehe dich mit demütigem Seufzen an, nimm mich in jene Übungsschule des Geistes auf, dass ich wahre Sanftmut in ihr lerne! Mit wie schweren und mannigfaltigen Sünden beleidige ich dich, den gütigsten Vater, deren tägliche Vergebung ich bedarf. Warum wollte ich also, da ich ein Mensch bin, gegen den Menschen Zorn halten, und wagte von dir, dem Herrn Himmels und der Erde, Vergebung zu fordern? Wäre es nicht ungereimt, gegen einen Menschen, der mir ähnlich ist, keine Barmherzigkeit zu haben und dich, o Herr, um Nachlassung meiner Sünden zu bitten? Wenn ich dem Nächsten nicht seine Fehler vergebe, so werde ich auch nicht die Vergebung meiner Sünden hoffen können. Darum, o gütigster Herr, voll großer Erbarmung und Langmut, gib mir den Geist der Geduld und Sanftmut, dass ich wegen der Beleidigungen des Nächsten nicht sogleich in Zorn gerate, sondern denselben als einen Feind der Seele fliehe, oder wenigstens, wenn ich unvorsichtiger Weise hineingeraten bin, ihn eiligst dämpfe! Der Sonne Glanz soll über meinen Zorn nicht untergehen, dass er nicht als Zeuge meiner Wut entweiche. Im Zorn soll mich der Schlaf nicht überfallen, dass er mich nicht im Zorn dem Tode, seinem Bruder übergebe. Wenn ich mich an einem Feinde zu rächen wünsche, warum wende ich mich nicht gegen meinen Zorn, der sicher der größte und schädlichste Feind ist, da er die Seele tötet, und mich dem ewigen Tode aussetzt? Gib auch meinem Munde eine Wache, und bei der Leitung meiner Lebensverrichtungen Klugheit, dass ich nicht durch Wort und Tat den Nächsten beleidige! Gib, dass ich durch Wohlgeruch der Tugenden dem Nächsten eine wohlriechende Rose sei, nicht aber durch Beleidigungen und Entziehungen ein stechender Dorn! Gib, guter Jesu, dass ich in die Fußstapfen deiner Sanftmut trete, und mit aufrichtigem Herzen den Nächsten liebe! Amen. 

 

DAS ACHTE KAPITEL. 

GEBET UM DIE GABE UND MEHRUNG DER KEUSCHHEIT. 

Heiliger Gott, der du die Schamhaftigkeit und Keuschheit liebst, die Unreinigkeit aber und Wollust aufs Schärfste hasst, ich bitte dich um Christi, des keuschesten Bräutigams meiner Seele willen, dass du die wahre Keuschheit, die innerliche und äußerliche, der Seele und des Leibes, des Geistes und Fleisches in mir wirkest und mehrest, dagegen aber das Feuer der bösen Lust in meinem Herzen auslöschest. Deine heilige Furcht durchbohre mein Fleisch, dass es nicht in die Frechheit der Wollust stürze. Die himmlische Liebe hebe meine Seele zu dir empor, dass sie nicht mit unordentlicher Liebe am irdischen Unflat klebe. Ergieße über mich die Ströme der göttlichen Gnade, dass in ihnen die Flammen der Lust ausgelöscht werden, wie im Wasser die feurigen Pfeile erlöschen. Meine Seele ist zu deinem Bilde geschaffen, und durch Christum wieder hergestellt; die, dem Schöpfer und dem Erlöser, ja auch mir selbst würde ich das größte Unrecht tun, wenn ich das glänzende Angesicht der Seele mit dem Ruß und den Flecken einer schändlichen Liebe schwärzte. Es wohnt in meinem Herzen Christus, es wohnt in meinem Herzen der heilige Geist; der erfülle mich mit seiner Gnadenkraft und mit dem Geschenke seiner Gnadengaben, dass ich heilig sei am Geiste, heilig auch am Leibe. Ohne Heiligung wird niemand dich, das reinste Licht, sehen. So wünschenswert und liebenswürdig also das beglückende Anschauen deines Antlitzes ist, so abscheulich und verhasst sei mir der Verlust und die Erschütterung der Keuschheit. Der heilige Geist wird durch die Funken einer schändlichen Rede betrübt; wie viel mehr durch den Brand der Begierden! Das Verlangen der Wollust ist voll Unruhe und Wut; die Tat voll Abscheulichkeit und Beschimpfung; der Ausgang voll Reue und Scham; ihr Feuer steigt bis zum Himmel empor, aber ihr Gestank steigt bis zur Hölle hinab. Warum wollte ich also diesem schändlichsten Feinde die Türe der Seele öffnen, und denselben in das Innere des Herzens aufnehmen? Heiliger und starker Gott, Herr der Heerscharen, gib mir Stärke des Geistes, dass ich jenen Feind besiegen könne, der in mir gegen mich streitet; gib, dass ich mich nicht nur von unerlaubten Umarmungen und äußern Taten der Schande enthalte, sondern auch frei sei von den innern Begierden und Flammen derselben, da du nicht nur einen reinen Leib, sondern auch ein reines Herz von uns forderst, und sowohl das Innere als das Äußere mit deinen allerheiligsten Augen ansiehst! Kreuzige mein Fleisch und seine Lust, o Christe, der du für mich gekreuzigt bist! Amen. 

 

DAS NEUNTE KAPITEL. 

GEBET UM VERACHTUNG DES IRDISCHEN. 

Heiliger Gott, himmlischer Vater, ich rufe dich an durch deinen geliebten Sohn, dass du mein Herz durch den heiligen Geist vom Irdischen abziehst, und es zum Verlangen nach dem Himmlischen erhebst! Wie das Feuer seiner Natur nach aufwärts fährt, so strebe das geistige Feuer der Liebe und Andacht, das in meinem Herzen entzündet ist, gen Himmel empor! Was ist doch dies Irdische alles und wie ist es beschaffen? Es ist zerbrechlicher als Glas, beweglicher als die Meereswogen, flüchtiger als der Wind. Ein Tor wäre ich daher, wenn ich mit meinem Herzen ihm anhinge, und die wahre Seelenruhe darin suchte. Im Tode muss man endlich alles Irdische selbst wider Willen verlassen; o wirke in mir, ich bitte dich, dass ich dasselbe aus freiwilligem Triebe des Herzens früher verlasse! Töte in mir die Liebe zur Welt, dass die heilige Liebe zu dir wachse! Bewahre mich durch die Hilfe des heiligen Geistes, dass ich nicht diese Welt liebe, dass mein Herz von ihr nicht verunreinigt werde! Die Gestalt dieser Welt vergeht, es vergeht ihre kurze Herrlichkeit, nahe ist der Untergang des Himmels und der Erde. Beuge daher mein Herz, dass ich das Leben liebe, das ewig dauert, nicht aber das Leben dieser Welt, das so gar schnell entflieht! Was in der Welt ist, ist Fleischeslust, Augenlust und Hoffart des Lebens. Aber wie eitel ist es, die Fleischeslust zu lieben, wie gefährlich, der Augenlust nachzuhängen, wie schädlich, die Hoffart des Lebens zu erwählen! Von dem kann Christus, das Brot des himmlischen Lebens, nicht wahrhaft geliebt werden, der voll ist von den irdischen Trebern der Säue. Der kann sich nicht frei zu Gott erheben, dessen Herz von der Liebe dieser Welt gefangen ist. Die Liebe zu Gott kann da nicht eindringen, wo das Gefäß des Herzens mit der Liebe zu der Welt erfüllt ist. O Gott, meine Liebe, tilge daher in mir aus die Begierde nach dem Irdischen, nimm weg das Band der Weltliebe; gieße aus und reinige das Gefäß meines Herzens, dass ich mit reiner Liebe dich liebe und mit vollkommenem Herzen dir anhange! Ach, warum wollte ich das lieben, was in der Welt ist, da es das Verlangen meiner Seele, die für die Ewigkeit geschaffen ist, nicht stillt, und mir überhaupt keine Liebe vergilt? Jenen soll meine Seele lieben, bei dem sie ewig wohnen wird; dahin will ich meines Herzens Verlangen vorausschicken, wo mir eine ewige Herrlichkeit bereitet ist. Wo mein Schatz ist, da wird auch mein Herz sein. Gib mir Taubenflügel, dass ich empor zu dir fliege und mich in den Felslöchern verberge, dass mich nicht der höllische Jäger mit den Stricken der Weltliebe fange, und meine Seele wieder zum Irdischen ziehe. Die ganze Welt werde mir bitter, damit Christus allein meiner Seele süß werde! Amen. 

 

DAS ZEHNTE KAPITEL. 

GEBET UM SELBSTVERLEUGNUNG.

O Jesu Christe, Sohn des lebendigen Gottes, der du in deinem Worte ausrufst: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir! ich bitte dich um deines allerheiligsten Todes und deiner Kreuzigung willen, bringe in mir die Selbstverleugnung zu Stande, die du verlangst. Ich weiß, dass es leichter ist, alle Kreaturen zu verlassen, als sich selbst zu verleugnen. Was ich daher von mir selbst nicht leisten kann, das bitte ich demütig, wollest du in mir vollbringen. Es sollen in mir schweigen die Wünsche des Eigenwillens, dass ich deine göttlichen Reden hören kann! Es sollen ausgereutet werden aus meinem Herzen die Fasern der Eigenliebe, dass in mir die lieblichsten Pflanzen der göttlichen Liebe wachsen! Ganz will ich mir und meinen Lüsten sterben, dass ich ganz dir und deinem Willen lebe. Mein Wille ist veränderlich und beweglich, unstet und unbeständig. Gib daher, dass ich deinem Willen den meinigen unterwerfe, und dir allein als dem unveränderlichen und beständigen Gute ungeteilt anhange! Dann erst wachsen in uns die göttlichen Tugenden, wenn die natürlichen Kräfte abnehmen; dann erst werden unsere Werke in Gott getan, wann in uns der Eigenwille getötet ist; dann erst sind und leben wir wahrhaft in Gott, wann wir in uns selbst gleichsam zu nichts werden und verschwinden. Töte also, o wahres Leben, meinen Willen, dass ich anfange, wahrhaft dir zu leben! Was in uns vor Gott gelten und ihm gefallen soll, das muss von ihm in uns herabkommen. Gott allein ist daher alles Gute zuzuschreiben, und was sein eigen ist, das müssen wir ihm lassen. Was, in uns glänzet und schimmert, das entsteht von dem ewigen und unveränderlichen Lichte, welches die Finsternis, die unserm Verstande angeboren ist, bestrahlen möge! Auf diese Weise leuchte daher unser Licht vor den Leuten, nicht dass uns, sondern dass Gott daraus Ehre erwachse. Dieses Licht der wahren Erkenntnis zünde in meinem Verstande an, o Christe, wahres Licht! Diese Verleugnung der eigenen Ehre wirke in meinem Herzen, o Christe, wahrer Ruhm des Vaters! Es ist mir besser in dir, als in mir. Wo nicht mein ich gilt, da bin ich glücklicher daran. Meine Schwachheit wünscht sich auf deine Kraft zu stützen; mein Nichts begehrt nach deiner Stärke. Dein heiliger Wille geschehe auf der Erde meines Fleisches, damit dein himmlisches Reich in meine Seele komme. Töte in mir die Eigenliebe und eigene Ehre, damit sie nicht das Kommen deines Reiches hindere! Wenn es das ganze Gut eines Menschen ist, Gott zu lieben, so muss das ganze Übel eines Menschen sein, sich selbst zu lieben. Wenn das die Art des wahren Gutes ist, dass es sich mitteilt, so wird die Eigenliebe, welche die eigenen und anderer Güter sich anmaßt, ein großes Übel sein. Wenn Gott allein aller Ruhm gebührt, so wird die eigene Ehre, die fremde Güter an sich zieht, der größte Diebstahl sein. Diese Leidenschaft der Eigenliebe und eigenen Ehre tilge in mir aus, o Christe, gebenedeit in Ewigkeit! Amen. 

 

DAS ELFTE KAPITEL. 

GEBET UM ÜBERWINDUNG DER WELT. 

Allmächtiger, ewiger und barmherziger Gott, Vater unsers Herrn Jesu Christi, gib mir die Gnade des heiligen Geistes, dass ich über alle Versuchungen der Welt den Sieg davon trage! Die Welt greift mich an mit Hass, Schmeicheleien und verkehrten Beispielen; lehre mich, den Hass der Welt gering achten, ihre Schmeicheleien abwenden, und die Nachahmung der Bösen meiden. Was wird gegen mich der Hass der Welt vermögen, wenn deine Gnade mich wie ein Schild bedeckt? Was wird es mir schaden können, wenn alle Menschen mich mit Hass verfolgen, wenn nur du, mein Gott, mit Liebe mich umfassest; wiederum, was wird mir’s nützen können, wenn alle Menschen mich mit Liebe umfassen, und du indessen mit dem Grimm deines Zornes mich verfolgst? Die Welt vergeht, es vergeht der Hass der Welt; die beständige Gnade des einigen Gottes allein aber währt ewig. Entferne daher, o Gott, aus meinem Herzen jene unordentliche Furcht, dass ich nicht den Hass und die Verfolgungen der Welt fürchte; pflanze mir aber das volle Vertrauen der Seele und die Glut des Geistes ein, dass ich den Hass der Welt wie vorübergehende Wölkchen verachten lerne! Warum soll ich mich vor denen fürchten, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können; ich will vielmehr den scheuen und fürchten, der nicht allein den Leib, sondern auch die Seele in die Hölle des ewigen Feuers verstoßen kann. Der Glaube ist unser Sieg, der die Welt überwindet. Denn mit dem Glauben sehen wir nach der zukünftigen Freude, dass wir die gegenwärtigen Widerwärtigkeiten ertragen können; mit dem Glauben ruhen wir auf der göttlichen Güte, dass wir den Hass der Menschen ertragen können. Aber nicht nur zur Linken greift mich die Welt mit Hass an, sondern sie sucht mich auch zur Rechten mit ihren Schmeicheleien anzulocken; sie hat einen stechenden Schwanz, aber auch ein schmeichlerisches Gesicht; gib mir, o Christe, die Lieblichkeit der himmlischen Freude zu schmecken, dass alle Liebe zur Welt in mir untergehe! Der Geschmack meiner Seele ist verdorben, sie begehrt das Irdische, und die Verachtung der weltlichen Schmeicheleien scheint ihr bitter; aber du, der du die Dinge nach der Wahrheit schätzest, du hast mich gelehrt, die Reizungen der Welt zu verschmähen, und hast gewollt, dass meine Seele zum Himmlischen erhoben werde. Wende daher ab, wende ab mein Herz von den Schmeicheleien der Welt, dass es zu dir gewandt die wahren und geistigen Ergötzungen genieße! Was hat den nun verstorbenen Liebhabern der Welt der nichtige Ruhm, die kurze Freude, die geringe Macht genützt? Was nützte ihnen das vorübergehende Vergnügen des Fleisches, und die Fülle falscher Reichtümer? Wo sind sie, die vor wenigen Tagen bei uns waren? Nichts ist von ihnen übrig geblieben, als Asche und Würmer; sie haben in Sicherheit gegessen und getrunken, sie haben ihr Leben von fleischlicher Freude trunken hingebracht; jetzt wird ihr Fleisch hier den Würmern zur Speise gegeben, ihre Seele aber dort mit ewigem Feuer gepeinigt; alle ihre Herrlichkeit ist verblüht, und wie Heu auf dem Felde verdorrt. Verhüte, o Gott, dass ich nicht auf ihre Wege trete, damit ich nicht zu derselben Grenze des Elends gelange; sondern führe mich durch die Überwindung der Welt zur Krone der himmlischen Herrlichkeit! Amen. 

 

DAS ZWÖLFTE KAPITEL. 

GEBET UM TROST IN WIDERWÄRTIGKEIT UND UM DIE WAHRE SEELENRUHE. 

Allgütiger Vater, Gott aller Hoffnung und alles Trostes, verleihe mir in allen Widerwärtigkeiten den lebendig machenden Trost und die wahre Beruhigung der Seele! Ich fühle in meinem Herzen viele Bekümmernisse, aber deine Tröstungen werden meine Seele ergötzen können. Eitel und vergeblich ist aller Trost der Welt; in dir allein liegt die Stärke und Stütze meiner Seele. Es drückt mich die Last von mancherlei Unglück; aber durch dein innerliches Zureden und deinen Trost wird sie leichter gemacht. Keine Kreatur wird mich so traurig machen können, dass du nicht vielmehr durch den Geist der Freude mich aufheitern könntest. Keine Widerwärtigkeiten werden mich so sehr ängstigen können, dass nicht mein Herz durch deine Gnade noch mehr erweitert werden könnte. Es bedrängt mich die Hitze von mancherlei Anfechtungen; aber das Kosten deiner Süßigkeit gewährt mir eine angenehme Labung. Es träufeln aus den Augen die Tränenströme; aber deine allgütige Hand wischt sie ab. Wie du dem Stephanus, dem ersten Märtyrer, mitten unter den Steinwürfen dein freundliches Antlitz anzuschauen gabst, so wollest du mir Elenden in allen Widerwärtigkeiten deinen Trost zu genießen geben. Wie du im traurigsten Todeskampfe deinem Sohn einen Engel zum Tröster sandtest, so wollest du mir in dieser meiner Traurigkeit deinen Geist zur Unterstützung senden. Ohne deine Stärke falle ich unter der Last des Kreuzes hin, ohne deinen Beistand werde ich vom Angriff der mancherlei Widerwärtigkeiten zu Boden geworfen. Vertilge in mir die Liebe zur Welt und zu den Kreaturen; so würden mir die Widerwärtigkeiten der Welt und die Veränderlichkeit der Kreaturen nicht bitter werden. Wer mit seinem Herzen der Welt und den Kreaturen anhanget, wird niemals der wahren und ungetrübten Ruhe teilhaftig werden können; denn alles Irdische ist dem beständigen Wechsel der Veränderungen unterworfen. Wer aber den gegenwärtigen Gütern dieses Lebens nicht mit unordentlicher Begierde der Liebe anhangt, der wird, wenn die selben entweichen, nicht durch die Angst einer allzu großen Bekümmernis gequält werden. Gieße aus, gieße aus, o Gott, aus meinem Herzen die Liebe und das Verlangen zur Welt, dass der himmlische Elisa in das Gefäß der Witwe, das ist, der Seele, die von irdischem Troste verlassen ist, das Öl der himmlischen Freude eingieße. Mag alles Irdische zerrüttet, verändert, über und über gestürzt werden, du bist dennoch der unbeweglich und unerschütterlich feste Fels meines Herzens. Sollte eine dürftige und schwache Kreatur die Ruhe der Seele stören können, welche ich in dir, dem Schöpfer, gewiss und unbeweglich besitze? Sollten die Fluten der Welt, jenes unruhigsten Meeres, den Felsen meines Herzens erschüttern können, den ich in dir, dem höchsten und unveränderlichen Gute, unbeweglich fest habe? Ja, dein Friede übertrifft alle Erkenntnis; derselbe wird auch den Angriff aller Widerwärtigkeiten überwinden. Um diesen innern Frieden bitte ich dich, allgütiger Vater, mit demütigem Seufzen! Amen. 

 

DAS DREIZEHNTE KAPITEL. 

GEBET UM DEN SIEG IN VERSUCHUNGEN UND DIE BEWAHRUNG VOR DEN NACHSTELLUNGEN DES TEUFELS. 

Stehe mir bei, Gott Zebaoth, starker und barmherziger Gott, dass ich nicht den satanischen Versuchungen und Nachstellungen unterliege, sondern sicher durch deinen Schutz und unterstützt durch deine Hilfe, endlich Sieger werde! Inwendig ist Furcht, auswendig Streit! Denn innerlich verwundet der Teufel meine Seele mit den vergifteten und feurigen Pfeilen der Versuchungen; äußerlich ermüdet er mich mit mannigfachen Widerwärtigkeiten und tausenderlei Arten von Nachstellungen. Er ist eine Schlange durch betrügerische Hinterlist, ein Löwe durch gewaltsamen Angriff, ein Drache durch grausame Unterdrückung. Er hat es gewagt, den Führer des himmlischen Heeres selbst anzugreifen; wird er wohl meiner, des gemeinen Soldaten, schonen? Er hat kein Bedenken getragen, sich dem Haupte selbst zu widersetzen; was Wunder, wenn er gedenkt, das schwache Glied des geheimnisvollen Leibes zu Boden zu werfen? Es ist keine Kraft in mir, die gegen diesen starken Gewappneten Stand halten könnte; es ist keine Weisheit in mir, welche den Täuschungen und Netzen dieses Tausendkünstlers entfliehen könnte. Zu dir, dessen Macht unbegrenzt, dessen Weisheit unermesslich ist, wende ich mich daher mit demütigem Seufzen: Stehe mir bei, o Christe, starker Löwe aus dem Stamme Juda, dass ich jenen höllischen Löwen in dir und durch dich besiegen könne! Du hast für mich gekämpft und gesiegt; kämpfe und siege in mir, dass deine Kraft in meiner Schwachheit mächtig werde! Erleuchte die Augen meines Gemütes, dass mir die Nachstellungen Satans sichtbar werden; richte meine Füße, dass ich seinen verborgenen Stricken entfliehen könne! Der Sieg in der Versuchung gebe meinem Herzen das Zeugnis der himmlischen Wiedergeburt; die Gegenwart deiner Gnade bestätige mir die Verheißung des Sieges! Rüste und waffne mich mit der Macht deiner Stärke, dass ich in diesem scharfen Zweikampf stehen, und jenen Feind, von dem ich angegriffen werde, einst richten könne. Je häufiger und gefährlicher die Nachstellungen dieses Feindes sind, desto brennender schmachte ich nach der Hilfe deiner Barmherzigkeit. Er flößt mir nur eine unersättliche Begierde nach dem Irdischen ein, damit er mich, mit den Fesseln des Geizes gebunden, von dem Wege der Gerechtigkeit abführe. Er entflammt mich nur mit den Stacheln des Zorns, damit er innerlich mein Herz entbrenne, dem Nächsten Schaden zu tun. Einmal erregt er die Wollust und die Liebe zu Lustbarkeiten; bald flößt er der Seele Neid und Ehrgeiz ein. Ehe er in eine Sünde stürzt, beredet er, dass sie leichter sei, als eine Feder, geringer als die Luft und ein Blatt, damit er zur Sicherheit reize, bald, nachdem er in die Sünde gestürzt hat, gibt er vor, dass sie größer sei, als der ganze Bau des Himmels und der Erde, und zu schwer in der Wage der göttlichen Barmherzigkeit, damit er am Ende zur Verzweiflung bringe. So viele und so große Nachstellungen dieses Feindes kann ich nicht sehen; wie viel weniger werde ich sie mit meinen Kräften verhüten können! Zu dir nehme ich daher meine Zuflucht, der du meine Kraft bist, und der Fels meiner Stärke in Ewigkeit! Amen.

 

DAS VIERZEHNTE KAPITEL. 

GEBET UM EIN SELIGES STERBESTÜNDLEIN UND EINE SELIGE AUFERSTEHUNG ZUM EWIGEN LEBEN. 

O Jesu Christe, Sohn des lebendigen Gottes, du für uns Gekreuzigter und Auferweckter, der du durch deinen Tod unsern Tod zunichte gemacht und durch deine Auferstehung uns eine selige Auferstehung zum Leben erworben hast, dich bete ich als den einzig wahren Gott mit dem Vater und dem heiligen Geiste an, und bitte dich von ganzem Herzen, dass du mir einen seligen Ausgang aus dem Elend dieses Lebens und am Tage der Auferstehung und des Gerichts einen seligen Eingang zum ewigen Leben verleihen wollest! Ich weiß, dass mir die Grenze des Lebens von Gott vorher gesetzt ist, und dass nach dem Tode das Gericht folgen wird; stehe mir im Tode bei, der du für mich am Kreuze gestorben bist; beschütze mich am Tage des Gerichts, der du für mich ungerechter Weise gerichtet worden bist! Wann die irdische Hütte dieses meines Hauses zerbrochen sein wird, so führe meine Seele in die Wohnung des himmlischen Vaterlandes. Wann im Todeskampfe meine Augen dunkel werden, so entzünde in meinem Herzen das Licht des seligmachenden Glaubens! Wann sich in der Stunde des Todes meine Ohren schließen, so richte mich auf und tröste mich durch dein innerliches Zureden! Wann der kalte Schweiß aus meinen sterbenden Gliedern bricht, so lass mich eingedenk sein deines blutigen Schweißes, der der vollgültige Kaufpreis für meine Sünden, und das Unglück abwehrende Heilmittel meines Todes ist. Im Schweiße zeigt sich die Hitze des Kampfes, im Blute der Kaufpreis für die Seele, in der Vollendung des Laufes die Genugtuung für die Sünden. Wann in jenem letzten Kampfe die Sprache zu verfallen beginnt, so gib, dass ich durch des heiligen Geistes Gnade zu dir seufzen könne! Wann die letzte Angst mein Herz drückt, so stehe mir bei mit dem Troste und der Hilfe deiner lebendig machenden Gnade, und nimm mich, wenn ich von dem Beistand aller Kreaturen verlassen bin, in deine Fürsorge und Obhut auf! Verleihe mir, dass ich alle Schrecknisse und Ängste ganz geduldig ertrage, und führe endlich meine Seele aus diesem Kerker heraus! Ich bitte dich um deiner allerheiligsten Wunden willen, die du im Leiden und am Kreuze ertragen hast, gib, dass ich die verborgenen Pfeile des Satans besiegen könne, mit welchen er mich im Tode angreift! Ich bitte dich um der bittersten Martern willen, die du empfunden hast, gib, dass ich allen Spott der höllischen Mächte ertragen und überwinden könne. Das sei mein letztes Wort in diesem Leben, mit dem du am Kreuze alles zusammengefasst hast; und lass dir meine arme Seele, die du um so teuern Preis erkauft hast, in deine Hände befohlen sein. Einem seligen Tode folge auch eine selige Auferstehung; an jenem Tage des strengen Gerichts befreie mich von einem harten Worte, der du in diesem Leben mich mit deinem Beistand schütztest. Lass meine Sünden mit dem Schirm der Gnade bedeckt und in die Tiefe des Meeres geworfen bleiben! Meine Seele werde eingebunden in’s Bündlein der Lebendigen, dass ich mit allen Auserwählten zur Gemeinschaft der ewigen Freude gelange! Amen.

 

VIERTE ABTEILUNG.

DAS ERSTE KAPITEL. 

GEBET UM ERHALTUNG DES WORTES UND UM WACHSTUM DER KIRCHE. 

Allmächtiger, ewiger und barmherziger Gott, Vater unsers Herrn Jesu Christi, der du durch den heiligen Geist die Kirche aus dem menschlichen Geschlechte sammelst, und die allerheiligste Beilage der himmlischen Lehre in derselben bewahrest, ich bete dich in Demut an, und bitte dich inständig, dass du die heilsame Lehre deines Wortes unverletzt bei uns erhalten und die Grenzen der Kirche täglich erweitern wollest! Du hast uns aus unermesslichem Erbarmen in dieser Finsternis der Welt das Licht deines Wortes angezündet; lass dasselbe nicht wieder durch die Nebel menschlicher Satzungen ausgelöscht oder verdunkelt werden! Du hast uns dein Wort zur heilsamen Seelenspeise gegeben; o verhindere, wir bitten dich, dass es nicht durch Satans List in Gift verwandelt werde! Töte in uns die sündigen Lüste des Fleisches, das nach dem Irdischen dürstet, damit wir die geistigen Ergötzungen deines Wortes, jenes verborgenen Manna’s kosten. Niemand wird seine Süßigkeit empfinden können, als der sie kosten will; niemand aber kostet dies, dessen Gaumen noch Überfluss an weltlichen Genüssen hat. Dein Wort ist das Wort des Geistes und Lebens, das Wort des Lichts und der Gnade. Entferne daher die fleischlichen Begierden und die verdorbenen Gefühle unserer Herzen, dass es uns auch innerlich leuchte, und uns zum Licht des ewigen Lebens leite. Aus dem Lichte des Wortes entstehe in unsern Herzen das Licht des seligmachenden Glaubens, dass wir in deinem Lichte das Licht sehen: im Lichte des Wortes das Licht deines Sohnes. Wie einst in der Wüste jenes himmlische Manna mit dem heilsamen Tau herniederkam, so mögen auch durch das Hören des Wortes unsere Herzen mit der Glut des Geistes erfüllt werden, dadurch die Kälte und Lauheit unsers Fleisches erhitzt, dagegen aber die Hitze der bösen Lüste gemäßigt werde! Dieser heilige Same des Wortes schlage Wurzel in unsern Herzen, damit er, wenn der Tau des heiligen Geistes hinzukommt, heilsame Früchte hervorbringe, und zum reichsten Saatfeld aufwachse. Schütze, o Herr, den Weinberg deiner Kirche, in der jener Same ausgestreut und die Frucht zum ewigen Leben gesammelt wird. Umzäune ihn mit der Hut der Engel, dass ihn die Säue und Füchse nicht verwüsten; jene durch gewaltsame Verfolgungen, diese durch betrügerische Verführungen. Richte in ihm die hohe Warte deiner väterlichen Fürsorge auf, dass er durch deine Hut von aller Zerstörung unverletzt bleibe. Wenn es dir bisweilen gut dünkt, die Trauben dieses Weinbergs in die Kelter des Kreuzes und der Trübsal zu werfen, so lass sie vorher durch die Glut deiner Gnade reifen, dass sie die lieblichsten Früchte des Glaubens und der Geduld geben können! Was man an die Wurzel des Weinstocks legt, wird in den Trauben in die lieblichste Flüssigkeit des Weines verwandelt; o wirke, ich bitte dich, dass unsere Seele Spott, Verfolgung, Lob und was ihr in dieser Welt begegnet, in den Wein des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, und in die Frucht der Geduld und Demut verwandle! Führe uns endlich aus dieser streitenden Kirche zur triumphierenden Kirche empor; diese tragbare Hütte werde endlich in den schönsten und unvergänglichen Tempel des himmlischen Jerusalems verwandelt! Amen. 

 

DAS ZWEITE KAPITEL. 

FÜRBITTE FÜR DIE PREDIGER UND ZUHÖRER. 

O Jesu Christe, Sohn des lebendigen Gottes, unser einiger Mittler und Erlöser, der du, zur Rechten des Vaters erhöhet, Hirten und Lehrer deines Wortes sendest, durch deren Arbeit du dir unter uns eine Kirche sammelst, dich, der du mit dem Vater und dem heiligen Geiste der einige wahre Gott bist, bitte ich demutsvoll, dass du jene deine Diener auf dem Wege der Wahrheit und die Herzen der Hörer zum wahren Gehorsam des Glaubens leiten wollest. Es gibt keinen Stand im menschlichen Leben, keine Gattung von Menschen, die dem Hass und den Nachstellungen Satans so ausgesetzt wäre, als der Kirchendienst am Wort. Beschütze daher seine Glieder mit dem Schild der Gnade, und rüste sie aus mit der Stärke der Geduld, dass Satans Nachstellungen sie nicht darnieder werfen können. O gib, ich bitte dich, deinen Dienern die nötige Einsicht, und eine fromme Wachsamkeit bei allen Leidenschaften, dass sie zuerst von dir lernen, ehe sie unternehmen, andere zu lehren. Regiere und erleuchte ihre Herzen durch deinen Geist, dass sie an Gottes Statt nichts anderes predigen, als Gottes Wort; dass sie die ihnen anvertraute Herde, die mit deinem kostbaren Blute erkauft und erlöset ist, aus wahrer und aufrichtiger Liebe weiden, nicht aus Habsucht oder Ehrgeiz; dass sie sie weiden von Herzen, mit Mund und Werk; sie weiden mit dem Gebet der Seele, mit der Ermahnung des Worts und Erweisung des Beispiels, dass sie in dessen Fußstapfen treten, dem dreimal die Sorge für die Herde des Herrn befohlen wurde. Ermuntere sie, dass sie über die ihnen anvertrauten Seelen wachen, als die bei der strengen Prüfung des jüngsten Gerichts eine schwere Rechenschaft für dieselben werden geben müssen. Wozu sie mit dem Worte heiliger Predigt ermahnen, darüber lass sie selbst zuerst mit dem Fleiße guter Werke wachen, dass sie nicht bei eigener Trägheit sich vergeblich mühen, andere zu ermuntern. Zu welchen guten Werken sie andere anfeuern, in denen lass sie selbst zuerst durch die Glut des Geistes entbrennen. Ehe die Worte der Ermahnung ertönen, mögen zuerst ihre Werke rufen, was sie sagen wollen. Sende in deine Ernte treue Arbeiter aus, dass sie viele Garben der Heiligen sammeln. Öffne auch die Herzen der Hörer, dass sie den Samen des Wortes mit heiligem Gehorsam des Glaubens aufnehmen. Gib ihnen deine Gnade, dass sie die heilige Beilage des Wortes in reinem Herzen bewahren und reichliche Frucht in Geduld bringen. Lass sie aufmerksam, andächtig, fruchtbar hören, dass nicht das Wort, das ihnen gepredigt wird, wenn der Glaube fehlt, sie am jüngsten Tage verdamme. Es besteht eine ausdrückliche Verheißung deiner Güte, dass dein Wort nicht wieder leer zu dir zurückkehren müsse; dieser deiner Verheißung eingedenk wirke, dass die Arbeit derer, die da pflanzen und begießen, gesegnet sei. O verhüte, ich bitte dich, dass der höllische Rabe nicht den heiligen Samen deines Wortes aus dem Acker der Menschenherzen raube, dass nicht die Dornhecke der Vergnügungen und des Reichtums ihn unterdrücke, und nicht die Härte des Felsen seine Fruchtbarkeit hindere, sondern gieße den Tau deiner Gnade darüber aus, und befeuchte jenen himmlischen Samen, dass eine recht reiche Saat guter Werke daraus hervorgehe! Verbinde die Herzen der Prediger und der Hörer unter einander mit dem engsten Bande der Liebe, dass sie in gegen seitigen Gebeten gemeinschaftlich kämpfen, und durch gegenseitigen Trost sich aufrichten! Amen. 

 

DAS DRITTE KAPITEL. 

FÜRBITTE FÜR OBRIGKEIT UND UNTERTANEN. 

Allmächtiger, ewiger und barmherziger Gott, Herr der Heerscharen, der du Könige absetzest und Könige einsetzest, von dem alle Gewalt ist im Himmel und auf Erden, den im Himmel die Engel anbeten, die Erzengel loben, die Thronen verehren, dem die Herrschaften unterworfen sind, die Fürstentümer dienen, den die Gewalten ehren und die Mächte scheuen, mit jenen heiligen und mächtigen Geistern vereinige ich diese meine mannigfachen Gebete und rufe dich in Demut an, dass du auch unsere Obrigkeit auf Erden mit dem Geiste der Weisheit erfüllest und mit der Stärke deiner Kraft beschützest. Stehe mit deiner Gnade allen christlichen Königen und Fürsten bei, dass, je größer die Gefahr ist, in der sie sich um der Höhe ihres Standes willen befinden, sie eine desto größere Fülle deiner Güte gegen sich erfahren. Entzünde in ihren Herzen das Licht der himmlischen Weisheit, damit sie erkennen, dass sie dir, dem Herrn über alle, dessen Vasallen sie heißen, unterworfen und verpflichtet sind, einst über ihre Regierung Rechenschaft zu geben. Lass sie nach dem Frieden trachten, da sie dir, dem Fürsten des Friedens, dienen; nach der Gerechtigkeit trachten, da sie dir, dem gerechtesten Richter dienen; nach der Güte trachten, da sie dir, dem gütigsten Vater, dienen. Lass sie Hüter der beiden Gesetztafeln sein; und Säugammen deiner in dieser Welt angefochtenen Kirche; lass sie anziehen eine väterliche Zuneigung gegen ihre Untertanen, und immer mit Gerechtigkeit ihr Richteramt verwalten. Ziehe ihre Herzen ab von dem Glanze jener irdischen und dürftigen Gewalt, dass sie nicht eine Vergesslichkeit des himmlischen Reiches und der wahren Frömmigkeit beschleiche. Regiere sie mit deinem heiligen Geiste, dass sie sich nicht etwa überheben und die ihnen anvertraute Gewalt zum Bösen missbrauchen. Gib, dass sie ihr Amt in allen Teilen in dieser Zeit so verwalten, dass sie ohne Ende in Ewigkeit mit allen Auserwählten herrschen, und aus der flüchtigen Herrlichkeit dieser Zeit zur ewigen Herrlichkeit des himmlischen Reiches gelangen. O verhüte, ich bitte dich, dass sie nicht Tyrannei in deinem Volke ausüben, und deshalb nach dem Glanz der Kleider und dem Schimmer der Edelsteine nackt und elend zu den Qualen der Hölle hinabsteigen! Uns aber, die wir nach deinem Willen jenen deinen Stellvertretern unterworfen sind, gib ein gehorsames Herz, das mit aller Bereitwilligkeit dir dient, dass wir unter ihrer Herrschaft ein ruhiges und stilles Leben führen mögen, in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit; denen Ehre und Gehorsam erweisen, deren Regiment und Herrschaft über uns wir als eine rechtmäßige anerkennen; ihren ehrwürdigen Geboten gehorchen, damit wir durch Dienstbarkeit gegen die Gesetze der wahren Freiheit teilhaftig werden. Denn das erst ist die wahre Freiheit: Gott, der Obrigkeit und den Gesetzen dienstbar sein. Lass uns die von Herzen, mit dem Mund und Werk ehren, die nach deinem Willen, o gütigster Gott, deine Stelle in den Ländern vertreten. Die Augen der Obrigkeit lass wachsam und sehend, die Ohren der Untertanen lass offen und hörend, beiden lass einst die Himmelstüren aufgeschlossen sein und offen stehen! Amen. 

 

DAS VIERTE KAPITEL. 

FÜRBITTE FÜR DEN HAUSSTAND. 

Allmächtiger und barmherziger Gott, Vater unsers Herrn Jesu Christi, der du nach deinem allweisen Rate außer dem Kirchendienst und dem Staatsregimente auch den Hausstand eingerichtet hast, ich bete dich an und bitte dich von ganzem Herzen, dass du jene heilige Pflanzschule der Kirche und des Staates erhalten wollest! Gib den Jungfrauen, Witwen und Ehegatten wahre Heiligkeit der Seele und Reinigkeit und Zucht am Leibe. Lass die Jungfrauen mit völlig ungeteiltem Herzen dir anhangen; die Witwen am Gebete bleiben Tag und Nacht; die Ehegatten sich gegenseitig mit aufrichtiger Liebe lieben; alle in Gerechtigkeit und Heiligkeit von ganzem Herzen dir dienen; das Ehebette unbefleckt, die Seele aller ohne Makel sein! Sie seien Veilchen an Demut und Lilien an Keuschheit; sie seien Rosen an Liebe und Balsam an Heiligkeit. Vereinige die Herzen frommer Ehegatten mit dem Bande keuscher Liebe, dass sie sich mit gegenseitiger Hingebung umfassen, und in ihrer heiligen Dienstbarkeit beharren. Bewahre sie vor den Nachstellungen des bösen Geistes, dass sie nicht in gegenseitigen Hass wider einander entbrennen. Das Weib sei dem Manne Gehilfin und gewähre ihm Trost in Widerwärtigkeit. Das unauflösliche Band der Ehe sei uns allen das Geheimnis der Liebe zwischen Christus und der Gemeinde. Je enger die Gemeinschaft der Ehegatten ist, desto brennender sei auch ihr Eifer im Gebet; je größeren Gefahren und Trübsalen sie ausgesetzt sind, desto inniger seien ihre Seelen verbunden zum Wandel in der Gottseligkeit und im Gebet. Stehe frommen Eltern bei mit deiner Gnade, dass sie ihre Kinder in heiliger Vermahnung und Zucht erziehen. Lass sie jene Früchte der Ehe als deine Gabe erkennen, und dieselben durch fromme und treue Unterweisung dir wiedergeben. Lass sie denselben vorleuchten mit dem Beispiel eines heiligen Lebens, und sich nicht der schweren Sünde des Ärgernisses schuldig machen. Neige auch die Herzen der Kinder, dass sie ihren Eltern den schuldigen Gehorsam erweisen; lass sie wohlriechende Pflänzchen des himmlischen Paradieses sein, damit sie nicht unnützes Holz werden, das in die Flammen der Hölle gehört. Lass sie den süßen Geruch der Frömmigkeit, des Gehorsams, der Ehrfurcht und mannigfacher Tugend von sich verbreiten, dass sie nicht in den abscheulichen Gestank der Sünden und der Hölle fallen. Lass sie eingedenk sein des Gebotes, die Eltern zu ehren; besorgt um die Vergeltung der Elternliebe; eingedenk der Erstattung der schuldigen Dankbarkeit für die Erziehung, dass sie sich nicht selbst in die Tiefe mannigfaltigen Elends stürzen. Lass Eltern und Kinder mit vereintem Eifer in diesem Leben dich, den wahren Gott, verehren, dass sie im ewigen Leben mit vereintem Lobe dich preisen! Die Knechte lass ihren Herren pünktlich und in Furcht gehorchen, und darnach streben, in Einfältigkeit ihres Herzens ihnen nicht nur vor Augen zu dienen, oder den Menschen zu gefallen, sondern sich dünken, dass sie Christo in diesem Stande dienen. Wiederum aber lass die Herren dieselben mit väterlichem Wohlwollen umfassen, dass nicht aus einer rechtmäßigen Herrschaft eine tyrannische Grausamkeit werde. Die Verbindung der Familie sei eine Gemeinde im Hause, Gott und den Engeln angenehm! Amen. 

 

DAS FÜNFTE KAPITEL. 

FÜRBITTE FÜR VERWANDTE UND WOHLTÄTER. 

Heiliger und barmherziger Gott, von dem die reichste Fülle mannigfaltiger Güter zu uns herniederkommt, der du mir durch Verwandte und Wohltäter sehr viele Unterstützungen dieses Lebens gereicht hast, ich bitte dich, dass du jenen dagegen mit ewigem Lohne vergeltest! Die mir nach deinem Willen durch ein ganz besonderes Band der Natur und des Blutes verbunden sind, dieselben befehle ich dir ganz besonders zur Bewahrung. Denen ich eine ganz besondere Liebe und vorzügliche Sorgfalt schuldig bin, deren Wohl übergebe ich dir mit ernstem und inbrünstigem Gebete. Gib, dass meine Verwandten mit vereinigten Herzen und Eifer in wahrem Glauben und Gottseligkeit dir dienen, damit alle einst die unverwelkliche Krone der ewigen Herrlichkeit empfangen. Meinen Eltern, die du mir nächst dir als Urheber des Lebens und Unterweiser in der wahren Gottseligkeit gegeben hast, kann ich keineswegs würdig lohnen. Dich bitte ich daher demütig, als den Urheber alles Guten, und Vergelter aller Wohltaten, dass du ihre Wohltaten zeitlich und ewig belohnen wollest. Das Beispiel Christi, deines Sohnes, der nahe am Todeskampfe seinem Jünger die Sorge für seine Mutter empfahl, lehre mich, bis zum letzten Hauch für die Eltern Sorge zu tragen. Es lehre mich die Natur selbst am Beispiel des Storches, dass dem Verdienste der Eltern ein beständiger Dank gebührt. Auch befehle ich dir, gütigster Vater, die Erhaltung meiner Brüder und Schwestern, so wie aller meiner Verwandten. Lass sie Brüder und Schwestern Christi, lass sie Erben des Himmelreiches sein. Lass sie mit mir im Reich der Gnade verbunden werden, die du mir im natürlichen Leben verbunden hast, und die des Todes Gewalt mit Tränen und Schmerzen schon längst von mir trennte, dieselben bringe mir deine letzte Zukunft mit ewiger Freude wieder. Mach’ uns alle zu Bürgern des himmlischen Jerusalems, wie du uns in diesem Leben zu Gliedern der wahren Kirche gemacht hast. Um eben dasselbe bitte ich auch für alle meine Wohltäter von Herzen; denn schon das Recht der Natur verpflichtet mich zu ernstlicher Sorge für sie und zum Verlangen nach ihrem Wohl. Nimm die in die ewigen Hütten der obern Bürgerschaft auf, durch die du mir so mannigfaltige und reichliche Wohltaten erwiesen hast. Mein Herz hält dir die untrügliche Verheißung deines Wortes vor, dass du aus Gnaden auch einen Trunk kalten Wassers belohnen wollest; wie viel mehr wird es billig sein, dass diejenigen deine Freigebigkeit und Wohltätigkeit erfahren, die mit so freigebiger Hand den Dürftigen Wohltaten aller Art erweisen. Unaufhörlich müssen deine Wohltaten auf die zurückfließen, von welchen so reichlich Wohltaten auf andere abfließen; beständig müsse der Born deiner Güte denen quellen, von welchen so reiche Bäche der Güte ausfließen. O wirke, ich bitte dich, allbarmberziger Gott, dass diejenigen, welche so reichlich Leibliches säen mit großem Wucher Geistliches empfangen; erfülle die Seelen derer mit Freude, die das Verlangen der Hungrigen stillen; die Frucht der Wohltätigkeit gehe ihnen nicht unter, obgleich diese von vergänglichen Gütern kommt; gib denen, die andern geben, du Geber alles Guten, gebenedeit in Ewigkeit! Amen. 

 

DAS SECHSTE KAPITEL. 

FÜRBITTE FÜR FEINDE UND VERFOLGER. 

Herr Jesu Christe, eingeborner Sohn Gottes, der du in deinem Wort uns diese Richtschnur der Liebe vorgeschrieben hast: Liebet eure Feinde, tut wohl denen, die euch hassen, und bittet für die, die euch verfolgen und euch fluchen! dich, der du mit größter Güte vergibst, bitte ich auch für meine Feinde und für die Verfolger der Kirche! Gib mir die Gnade des heiligen Geistes, dass ich meinen Feinden nicht nur von Herzen vergebe, sondern auch für ihr Heil von Herzen bete. O schärfe, ich bitte dich, nicht über sie das Schwert der strengen Rache, sondern salbe ihr Haupt mit dem Öl der Barmherzigkeit. Lösche in ihren Herzen aus die Glut des Zorns und Hasses, dass sie nicht in unterirdische Flammen der Hölle ausbreche. Lass sie erkennen, dass unser Leben ein Dampf und Rauch sei, der schnell verschwindet, dass unser Leib flüchtige Asche und Staub sei, dass sie nicht im sterblichen Leibe unsterblichen Zorn tragen, noch in das zerbrechliche Haus ihres irdenen Leibes den Feind ihrer Seele aufnehmen. Lass sie erkennen, dass dieser eingewurzelte Hass ihr größter Feind sei, da er ihre Seele tötet, und sie von der Teilnahme am himmlischen Leben ausschließt. Erleuchte ihre Gemüter, dass sie in den Spiegel der göttlichen Barmherzigkeit schauen, und die Missgestalt des Zornes und Hasses erkennen; regiere ihren Willen, dass sie durch das Beispiel der göttlichen Vergebung bewogen, von dem Vorsatze zu zürnen und zu beleidigen abstehen. Verleihe mir aus Gnaden, dass, so viel an mir ist, ich mit allen Menschen Frieden haben könne, und wende die Herzen meiner Feinde zur brüderlichen Versöhnung. Lass uns einträchtig auf dem Wege dieses Lebens gehen, da wir auf einen Ort im himmlischen Vaterlande hoffen, dass wir nicht auf Erden uneins seien, da wir einmal beisammen im Himmel zu leben wünschen. Wir rufen dich als einen Herrn und Gott im Himmel an; es schickt sich nicht, dass Knechte eines Herrn mit einander uneins sind. Wir sind ein geheimnisvoller Leib unter dem Haupte Christus; es ist sehr schändlich und schmachvoll, dass die Glieder eines Leibes wider einander streiten. Die einen Glauben und eine Taufe haben, denen ziemt es auch, dass sie ein Geist und Herz seien. Und ich bete nicht allein für meine persönlichen Feinde, sondern auch für die öffentlichen Feinde und Verfolger der Kirche. Bekehre sie zum Weg der Wahrheit, o höchste Wahrheit, und zerstöre ihre blutgierigen Unternehmungen, o höchste Macht! Der Glanz der himmlischen Wahrheit treffe ihre verschlossenen Augen, dass endlich die rasende Verfolgungswut in ihren Seelen ruhe. Ach lass sie erkennen, dass es nicht nur vergeblich, sondern auch gefährlich sei, wenn sie fortfahren, wider den Stachel zu löcken! Warum ahmen sie die Wut der Wölfe nach, die da wissen, dass Christi, des unbefleckten Lammes, Blut für uns vergossen sei? Warum dürsten sie darnach, jenes unschuldige Blut zu vergießen, für das, wie sie wissen, das Blut des Sohnes Gottes selbst auf dem Altare des Kreuzes vergossen ward? Bekehre sie, o Gott, dass sie zu dir von Herzen bekehrt werden, und die Frucht ihrer Bekehrung in diesem und dem zukünftigen Leben erlangen! Amen. 

 

DAS SIEBENTE KAPITEL. 

FÜRBITTE FÜR UNGLÜCKLICHE UND BEKÜMMERTE. 

Allmächtiger, ewiger und barmherziger Gott, der du bist der Heiland aller Menschen, besonders der Gläubigen, und durch den Apostel befohlen hast, Fürbitte zu tun für alle Menschen, ich bitte dich für alle Unglückliche und Bekümmerte, dass du sie mit dem Troste deiner Gnade unterstützest, und ihnen mit der Hilfe deiner Macht beistehest. Tue diejenigen mit himmlischer Kraft und Stärke an, welche im schwersten Kampfe satanischer Versuchungen schwitzen; mache sie deines Sieges teilhaftig, o Christe, allmächtiger Überwinder des Teufels! Deren Gebeine das Feuer der Traurigkeit austrocknet, dieselben richte die Labung deines himmlischen Trostes auf; unterstütze alle, die da fallen, und richte auf alle, die niedergeschlagen sind. Verleihe den Kranken aus Gnaden, dass die Krankheit des Leibes ihnen eine geistige Arznei sei, und die Widerwärtigkeiten des Fleisches ihnen Heilmittel für die Seele seien; dass sie erkennen, die Krankheiten seien Folgen der Sünde, aber Vorboten des Todes. Gib ihnen Stärke des Glaubens und der Geduld, o du zuverlässigster Arzt der Seelen und Leiber; stelle ihnen ihre vorige Gesundheit wieder her, nur dass es vorteilhaft sei für ihr ewiges Heil. Beschütze die Schwangeren, unterstütze die Wöchnerinnen. Du bist es, der die Frucht aus den engen Räumen des Mutterleibes befreiest, und durch deinen Segen das menschliche Geschlecht fortpflanzest. Stehe den Gebärenden bei, o, du Liebhaber und Geber des Lebens, dass sie nicht durch übermäßige Last der Schmerzen unterdrückt werden! Die Waisen, die von aller Hilfe verlassen sind, ernähre du, die Witwen, die der Misshandlung aller unterworfen sind, verteidige du, der, du dich selbst den gütigsten Vater der Waisen und den gerechtesten Richter der Witwen genannt hast. Die Tränen der Witwen, die über die Backen herabfließen, müssen durch die Wolken dringen, und nicht ruhen, bis sie zu deinem Throne kommen. Erhöre diejenigen, welche in die Gefahren des Meeres geraten sind und zu dir rufen, und die dem Schiffbruch nahe mit ernstlichem Flehen zu dir seufzen. Gib den Gefangenen Freiheit, dass sie mit dankbarem Herzen deine Güte preisen. Stärke diejenigen, welche um der Gerechtigkeit willen Verfolgung leiden, dass sie über alle ihre Feinde den Sieg davontragen und die ewige Märtyrerkrone erlangen. Stehe allen bei, so viele in Gefahren und Unglück geraten sind, dass sie ihre Seelen in wahrer Geduld fassen, und mit Verleugnung ihres eigenen Willens ihr Kreuz auf sich nehmen. Lass sie dem unter dem Kreuze folgen, an den sie glauben, als an den für uns am Kreuze Gestorbenen. Vor allen aber, o gütigster Vater, befehle ich diejenigen deiner Bewahrung, die an den Pforten des Todes stehen, zwischen der Zeit und Ewigkeit schweben, und mit diesem letzten Feinde aus allen Kräften ringen; stärke sie, o allmächtiger Überwinder des Todes; erlöse sie, o glorreichster Herzog des Lebens, dass sie nicht durch die Fluten der Versuchungen unterdrückt, sondern zum Hafen der ewigen Ruhe hindurchgeführt werden! Erbarme dich aller Menschen, der du aller Schöpfer bist! Erbarme dich aller, der du aller Erlöser bist! Dir sei Lob und Preis in alle Ewigkeit! Amen. 

 

ANHANG.

JOHANN HABERMANN’S

MORGEN- UND ABENDSEGEN

NEBST

EINIGEN ANDERN GEBETEN.

 

GEBET BEIM EINTRITT IN DIE KIRCHE. 

Allmächtiger Gott, himmlischer Vater, auf die Größe deiner Barmherzigkeit will ich in dein Haus gehen; ich will anbeten gegen den Tempel deiner Heiligkeit in deiner Furcht. Herr, führe mich in deiner Gerechtigkeit; richte meinen Weg vor dir! Leite mich durch den Pfad deiner Gebote, denn du bist mein Gott und der Herr meines Heils. Ich habe lieb die Stätte deines Hauses, und freue mich, in der Gemeinde der Heiligen zu sein, die dich loben und dir vertrauen. Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr der Heerscharen! Meine Seele verlanget und sehnet sich nach den Vorhöfen des Herrn. Kommt, lasset uns niederfallen und anbeten; lasset uns die Knie beugen vor dem Herrn, der uns gemacht hat; denn er ist unser Gott, und wir sein Volk und Schafe seiner Weide. Erhebet den Herrn, unsern Gott, und beuget euch zum Schemel seiner Füße, denn er ist der Heilige. Aber ich will mein Gebet zu dir richten, Herr; erhöre mich, Gott, wann es dir gefällig ist, um der Größe deiner Barmherzigkeit, um der Wahrhaftigkeit deines Heiles willen! Amen.

 

ANRUFUNG GOTTES UM DEN GEIST UND DIE GNADE, RECHT UND WAHRHAFTIG ZU BETEN. 

Ewiger, barmherziger Gott, da wir nicht wissen, was und wie viel wir beten sollen, wie sich’s gebührt, du aber mit unbegrenzter und überschwänglicher Fülle alles tun kannst, über das, was wir mit dem Verstande fassen oder bitten können: so rufe ich zu dir: gieße aus über uns, nach deiner Verheißung, den Geist der Gnade und des Gebets, der uns vertrete mit unaussprechlichem Seufzen, dass wir dich mit Herz und Mund demütig, ernstlich und inbrünstig anrufen, und dir ein angenehmes Lobopfer darbringen mögen. Herr, öffne meine Lippen, dass mein Mund dein Lob verkündige! Ermuntere mein Gemüt und meine Seele, dass ich nicht bloß mit meinem Munde zu dir nahe, und dich nur mit meinen Lippen ehre, das Herz aber ferne von dir sei; sondern verleihe aus Gnaden, dass ich dich, wie die wahren Anbeter, im Geist und in der Wahrheit anbete, mit innigster Andacht des Herzens, ohne Heuchelei und Hochmut, und dass ich nichts von dir bitte, als was deinem göttlichen Willen, deinem Lob und deiner Ehre, und auch dem Heile meiner Seele gemäß ist. Gib auch, dass ich alles, was ich von dir bitte, mit festem Vertrauen und gewisser Zuversicht von deiner Gnade ungezweifelt zu erlangen hoffe, und dir nicht Zeit, Art oder Grenzen der Hilfe und Erhörung vorschreibe, sondern deinem gnädigen Willen, der immer der beste ist, in allen Dingen mich gänzlich mit standhafter Hoffnung und Geduld in Demut des Herzens unterwerfe! Dazu verleihe uns Gnade, dass wir nicht mit unserm Gebete vor dir liegen auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit und im Namen Jesu Christi deines Sohnes, durch welchen wir mit Vertrauen hinzutreten zu dem Throne der Gnade, und mit kindlichen Herzen rufen: Abba, lieber Vater! Gib uns Stärke, dass wir nicht durch unser unwürdiges Leben im Gebete träge werden, noch uns davon abschrecken lassen! Stehe uns also bei, gütigster Gott, dass wir allenthalben heilige Hände aufheben, ohne Zorn und Zweifel, und anhaltend bei uns geschehen Bitten, Gebete, Fürbitten und Danksagungen für alle Menschen, dass wir nach deinen gnädigen Verheißungen sowohl leibliche, als himmlische Güter empfangen mögen! Amen. 

 

UM DEN WAHREN GLAUBEN. 

Herr, allmächtiger Gott, Vater des Lichts, bei dem keine Veränderung oder Schatten von Wechsel ist, von dem alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe von oben zu uns kommt, ich bitte dich, weil der Glaube nicht jedermanns Ding ist, dass du durch deinen heiligen Geist die wahre Erkenntnis deines Sohnes Jesu Christi in meinem Herzen pflanzest und erhaltest, und von Tag zu Tage reicher und völliger machest, damit ich dadurch mit aller Erkenntnis deines Willens, mit aller Weisheit und geistigen Einsicht erfüllt werde, dass ich wandle, wie es des Herrn würdig ist, durch alles ihm gefalle, an allem guten Werke Frucht tragend und wachsend in der Erkenntnis Gottes, mit aller Kraft gestärkt nach seiner herrlichen Macht zu aller Geduld und Sanftmut des Geistes mit Freude. Gib mir Kraft, nach dem Reichtum deiner Herrlichkeit mächtig gestärkt zu werden durch deinen Geist am inwendigen Menschen, dass Christus durch den Glauben in meinem Herzen wohne. O guter Gott, weil niemand deinen Sohn kennt, als du, Vater, allein, und niemand dich, den Vater, kennt, als eben dieser dein Sohn, und er dich einem jeden offenbaren will, darum bitte ich dich: ziehe mich zu ihm, und er möge mich zu dir führen! Gib mir Erkenntnis des Heils durch die Vergebung der Sünden. Stehe, ich bitte dich, meinem schwachen Glauben bei, der kleiner ist, als ein Senfkorn, dass er von Tag zu Tage wachse und zunehme, und ich in dir wurzele und auferbaut werde, dazu fest und unbeweglich stehen bleibe. O frommer Gott, der du den Funken des Glaubens in uns angezündet und in uns das gute Werk angefangen hast, zu dir schreie ich, dass du es auch bis an’s Ende vollführest, dass wir mehr und mehr reich werden in Erkenntnis und aller Einsicht, dass wir lauter seien, und ohne Anstoß unsern Lauf fortsetzen bis zum Tage Christi, erfüllet mit Früchten der Gerechtigkeit, zu seinem Lob und Ruhme! Befestige, was du in uns gewirkt hast, o Gott, dass nicht unter Kreuz und Versuchungen mein Glaube abnehme! Befestige mich im wahren und christlichen Bekenntnis, dass ich das vorgesteckte Ziel des Heils ergreife! Beschütze mich, mein Gott, dass ich nicht unter so vielen Irrtümern, Spaltungen und Sekten dieser Zeit verführt werde! Bewahre mich vor Aberglauben und allem falschen Gottesdienst, dass ich nicht in irgend einem Glaubensartikel einen Irrtum begehe oder zweifle! Dazu verleihe auch deine Gnade, dass dieser mein Glaube nicht tot, ohne Werke, oder schwach erfunden werde, sondern tätig, mit Werken geziert, und durch Liebe wirksam, damit ich das Ende des Glaubens davon trage, nämlich meiner Seele Seligkeit! Amen. 

 

MORGENSEGEN AM SONNTAG. 

Herr, himmlischer Vater, ewiger Gott! Gesegnet sei deine göttliche Herrlichkeit und Allmacht; gelobet sei deine grenzenlose Güte und Barmherzigkeit; gepriesen sei deine ewige Weisheit und Wahrheit; dass du mich in dieser Nacht mit deiner Hand bedeckt, und unter dem Schatten deiner Flügel hast sicher ruhen und schlafen lassen; dann auch, dass du mich gegen den bösen Feind und vor allen seinen Listen und Tücken hast bewahren und väterlich beschirmen wollen. Darum lobe ich dich um deiner Güte und um deiner Wunder willen, die du an den Menschenkindern getan hast, und will deinen Namen bei der Gemeinde preisen; dein Lob soll immer in meinem Munde sein. Meine Seele soll den Herrn rühmen, und alles, was in mir ist, den Namen seiner Heiligkeit, und ich will nimmermehr vergessen deiner Wohltaten, die du an mir getan hast. So lass dir also jetzt gefallen das Lobopfer meines Mundes, das ich dir frühe in Einfalt meines Herzens bringe! Aus dem innersten Triebe meines Herzens rufe ich dich an, du wollest mich diesen Tag vor aller Gefahr des Leibes und der Seele behüten, und deinen Engeln über mir befehlen, dass sie mich behüten auf allen meinen Wegen. Umgib mich mit deinem Schilde, und führe mich auf den Weg deiner Gebote, dass ich in Unschuld wandle, in deinem Dienste, als ein Kind des Lichtes, nach deinem Wohlgefallen! Wehre dem bösen Feind, und steure allen Ärgernissen dieser Welt! Zähme auch mein Fleisch und Blut, dass ich nicht, durch ihre Bosheit gefangen, schwer wider dich sündige und dich über meine Sünden erzürne! Regiere mich mit deinem heiligen Geiste, dass ich nichts vornehme, tue, rede oder denke, als was dir gefällt, und zur Ehre deiner göttlichen Majestät gereichet. Siehe, guter Gott, ich übergebe und opfere mich heute ganz und gar dir und deinem Willen mit Leib und Seele und mit allen Kräften des Leibes und der Seele, sowohl innerlichen, als äußerlichen. Lass mich ein dir lebendiges, heiliges und wohlgefälliges Opfer sein und bleiben, dass ich dir einen vernünftigen und angenehmen Gottesdienst leisten könne! Lass mich daher, heiliger Vater, allmächtiger Gott, allein dein Eigentum sein! Regiere mein Herz, Gemüt und Seele, dass ich nichts anderes, als dich wisse und verstehe! Herr, frühe wollest du meine Stimme hören; frühe will ich mich zu dir schicken und darauf merken; frühe will ich dich loben und des Abends nicht aufhören, durch Jesum Christum, deinen Sohn, unsern Herrn! Amen. 

 

ABENDSEGEN AM SONNTAG. 

Ewiger Gott, barmherziger Vater, ich erhebe meine Hände wie ein Abendopfer vor dir, und sage dir Lob, Preis und Dank, dass du mich diesen Tag und die ganze Zeit meines Lebens vor allem Übel und Gefahr durch den Schutz deiner lieben Engel wider Satans Nachstellungen gnädiglich beschirmt hast! Ich bitte dich, du wollest mir vergeben alle meine Sünden, wo ich unrecht getan habe, und wollest mich diese Nacht mit deinen heiligen Engeln umgeben, dass sie sich um mich lagern, wie eine Wagenburg und mich beschützen, auf dass ich desto leichter den Fallstricken und verborgenen Nachstellungen Satans entfliehen könne. Lass mich, dein armes Geschöpf, deiner Güte und Barmherzigkeit empfohlen sein! Schütze mich mit deinem ausgestreckten Arm; denn von ganzem Herzen begehre ich dein des Nachts, dazu wache ich mit meinem Geist allezeit zu dir. Ich harre deiner Güte, und meine Seele hofft auf dich, den lebendigen Gott; denn du bist mein Heiland und meine Zuflucht! Siehe Herr, wir wachen oder schlafen, so sind wir dein; wir leben oder sterben, so bist du unser Gott, der uns er schaffen hat! Darum schreie ich zu dir, lass deine Gnade nicht ferne von mir sein; beschirme mich mit deinem Schilde! Erhalte mich, dass ich im Frieden ruhe, sanft schlafe, und gesund wieder erwache! Verbirg mich in deinem Gezelt zur bösen Zeit; verbirg mich in der Verborgenheit deines Gezeltes, und erhöhe mich auf einen Felsen, so werde ich mir nicht grauen lassen vor dem Bösen. Denn ob ich schon wandere durch das Tal des Schattens des Todes, werde ich kein Unglück fürchten, denn du bist bei mir; dein Stecken und Stab trösten mich selber. Verleihe mir deine Gnade, dass, wenn der Leib schläft, meine Seele immer zu dir wache, dass ich dich immer in meinem Herzen habe, und du niemals aus meiner Seele weichest. Bewahre mich vor bösen und schändlichen Träumen, vor unruhigem Wachen, vor unnützen Sorgen, vor argen und schweren Gedanken, und endlich vor aller Qual! Siehe, mein Gott, in deinen gnädigsten Schutz befehle ich Leib und Seele, meine liebsten Eltern, Geschwister, und alle, die mir durch Blutsfreundschaft oder Verwandtschaft verbunden sind. Breite aus über uns deine Hände, und bedecke uns in dieser Nacht durch deine Güte; umgib uns allenthalben mit deiner Gnade, lass uns ruhen auf deiner Barmherzigkeit, dass wir an Seele und Leib behütet werden, durch Jesum Christum, unsern Herrn! Amen. 

 

MORGENSEGEN AM MONTAG.

Ich lobe dich, mein himmlischer Vater, und will deinen Namen ewiglich erhöhen; ich will dich allezeit preisen; dein Lob soll immerdar in meinem Munde sein! Meine Seele soll sich in dir rühmen, dass du mich durch deine große Gnade und Barmherzigkeit in dieser Nacht vor allem Übel und aller Gefahr an Leib und Seele behütet, und wider meinen Widersacher, den Satan, väterlich bewahrt hast. Denn wenn du nicht mein Schild und Beistand gewesen wärest, so hätte mich unzähliges Unglück verderbet, dass ich nicht gesund wieder aufgestanden wäre. Darum sage ich dir jetzt billig Dank für deine gnädige Beschützung. Ferner schreie ich zu dir aus dem Grunde meines Herzens, und mein Gebet kommt früh vor dich, früh suche ich dich, und bitte, du wollest mich, und alles, was mir zugehört, heute vor Nachstelllungen und allem Übel behüten! Komme mir zuvor in dieser Frühstunde mit deiner Gnade, weil ich ohne dich nichts vermag! Hilf mir, dass ich an dem heutigen Tage alle meine Werke in deinem Namen christlich anfange und gottselig vollführe, zur Ehre deiner göttlichen Majestät und zum Nutzen meines Nächsten! Bewahre meine Seele, Verstand, Vernunft, meine Sinne und Gedanken, endlich alle meine Werke, Reden und Taten, dass der leidige Teufel mir nicht schaden könne. Beschütze mich vor der Seuche, die im Mittag verderbet; behüte mich vor allen meinen Feinden, sichtbaren und unsichtbaren, dass sie nicht mit ihren Listen und Tücken, mit Bezauberungen und Vergiftungen, noch mit ihrer Gewalt und Bosheit heimlich oder öffentlich, mir widerstehen und schaden können. Herr Gott Vater, und Herr meines Lebens, behüte mich auch vor unzüchtigem Gesichte, und wende von mir alle bösen Lüste! Lass mich nicht in Schlemmen und Unkeuschheit geraten, und behüte mich vor unverschämten Herzen! Gib, ich bitte dich, dass ich durch deine Gnade das Auge, das mich ärgert, ausreiße und von mir werfe, durch Ablegung böser und unreiner Begierden des Herzens. Nimm von mir weg, was dir missfallen und mir schaden kann; verleihe mir aber, was dir wohlgefällig und mir nützlich ist, dass ich dir in wahrem Glauben diene! Siehe, treuer Gott, ich übergebe und biete mich dir heute ganz dar, nach deinem Willen zu leben! Mache mich dir zu einem wohlgefälligen Opfer, dass mein Dienst dir angenehm sei in Jesu Christo, unserm Herrn! Amen. 

 

ABENDSEGEN AM MONTAG. 

Starker und lebendiger Gott, Vater unsers Herrn Jesu Christi, ich danke dir, dass du mich an diesem Tage durch deinen göttlichen Schutz vor allen Übeln und Gefahren gnädig behütet hast, dass ich nicht in Feuersgefahr gefallen, und nicht in Wasserfluten untergegangen, nicht von wilden Tieren zerrissen, noch mit des Schwertes Schärfe durchbohrt worden bin; dass mich auch Feinde nicht ermordet, und boshafte Menschen nicht verwundet haben; dass mich Diebe und Räuber nicht erschlagen oder mir irgend einen Schaden getan haben; dazu, dass ich mich nicht zu tot gefallen habe, oder durch einen unvorsichtigen Stoß oder auf andere Weise verletzt worden bin; und, mit einem Worte, dass ich nicht in irgend eine Gefahr des Leibes und Lebens geraten bin. Dies alles habe ich deiner göttlichen Barmherzigkeit zu danken, der du allein mich auf allen meinen Wegen und Stegen behütest. Ich bitte dich ferner, dass du mir alle meine Sünden vergeben wollest, die ich wider dich begangen habe, und mich samt allen meinen Verwandten und Hausgenossen in dieser Nacht und hernach alle Tage unsers Lebens gnädig bewahren wollest, vor aller Angst und Widerwärtigkeit, vor Satans Nachstellungen und Ränken, mit welchen er uns Tag und Nacht zu bestricken suchet. Behüte uns vor der schädlichen Pestilenz, die im Finstern schleicht, vor schweren Krankheiten und Schmerzen, vor Furcht und Schrecken des Satans, endlich vor aller Gefahr des Leibes und der Seele; denn du bist ein starker Schutz für mich, eine mächtige Schutzwehr, ein Schirm vor der Hitze, ein Schatten vor dem Mittag, du bewahrest mich vor Widerwärtigkeit und bist meine Hilfe, wenn ich falle! Darum, treuer Gott, sei unser Wächter, umgib uns mit deinem Schutz, dass der Teufel mit seiner List uns nicht beschädigen könne! Denn bei dir allein steht unser Heil; zu dir allein erhebe ich meine Augen, woher meine Hilfe kommt. Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Siehe, wie die Augen der Knechte auf die Hand ihrer Herren sehen, wie die Augen der Mägde auf die Hand ihrer Frauen, so sehen unsere Augen auf den Herrn, unsern Gott, bis er uns gnädig werde. Sei uns gnädig, Herr, sei uns gnädig, denn wir sind arm und elend! Erhebe über mir das Licht deines Antlitzes, Herr, und erleuchte meine Augen, dass ich nicht etwa im Tod entschlafe, der du lebest und regierest in Ewigkeit! Amen. 

 

MORGENSEGEN AM DIENSTAG. 

Gelobt sei Gott, der Schöpfer Himmels und der Erde! Gelobt sei der Herr, der allein Wunder tut, und gelobt sei sein herrlicher Name ewiglich! Der den Tag und die Nacht durch seine göttliche Weisheit geschaffen und unterschieden hat, dazu verordnet, dass, so lange die Erde stehen wird, Nacht und Tag nicht aufhören sollten, damit der Mensch zur Nachtzeit ruhen, am Tage aber arbeiten könne. Herr, wie sind deine Werke so groß und viel, du hast sie alle weislich geordnet, und die Erde ist voll deiner Güter! Für diese Wohltaten sollen wir dir danken, ehe die Sonne aufgehet, und vor dich treten, wenn das Licht hervorbricht. Darum lobe ich dich auch jetzt, dass du mich in dieser Nacht hast sicher ruhen und schlafen lassen, auch wieder fröhlich und gesund erwachen, dazu vor aller Gewalt und Bosheit des Feindes mich väterlich beschirmen wolltest. Ich bitte dich, du wollest meine Seele in deine Hände einschließen, meinen Leib nach deinem Wohlgefallen gesund erhalten, und mich vor allen Übeln und Gefahren behüten. O barmherziger Gott! weil die Stunde schon da ist, dass wir vom Schlafe der Sünden und aller Ungerechtigkeit aufstehen, sintemal unser Heil schon sehr nahe ist, so hilf, dass wir ablegen die Werke der Finsternis, und anlegen die Waffen des Lichts, auf dass wir ehrbarlich wandeln, als am Tage, nicht in Fressen und Saufen, nicht in Kammern und Unzucht, nicht in Hader und Neid, sondern dass wir anziehen den Herrn Jesum Christum in wahrem Glauben und christlichem Wandel. Erwecke mich daher alle Tage: wecke mir das Ohr, dass ich mit gläubigem Herzen dein allerheiligstes Wort höre, dass ich dasselbe fest im Gedächtnis behalte, und dass ich mein Ohr zum Schreien und Flehen der Armen und Elenden neige, dass ich dieselben in ihrer Not nicht verlasse; und wenn ich am Tage meiner Angst zu dir rufe, so erhöre mein Gebet, merke auf die Stimme meines Flehens, und verachte nicht mein Seufzen in der letzten Not! Lass mein Gebet früh vor dich kommen, neige deine Ohren zu meinem Schreien! Erfülle uns früh mit deiner Gnade, so wollen wir rühmen und fröhlich sein in dir unser Leben lang, durch denselbigen deinen lieben Sohn, Jesum Christum, unsern Herrn, der mit dir und dem heiligen Geiste lebet und regieret von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. 

 

ABENDSEGEN AM DIENSTAG. 

Herr, barmherziger Gott, heiliger Vater, des Tages schreie ich zu dir mit meiner Stimme, wenn mir angst ist, rufe ich dich an, und des Abends gedenke ich deiner Güte und Barmherzigkeit, die du mir erzeiget hast! Jetzt aber besonders lobe ich dich, dass du mich aus lauter Gnade und Barmherzigkeit, ohne all mein Verdienst und Würdigkeit diesen verflossenen Tag vor unzähligen Schaden und Gefahren, die mich hätten treffen können, so väterlich behütet hast; dass mich Satan nicht mit einem plötzlichen oder unvorhergesehenen Tode umgebracht hat; dass ich nicht durch Ungewitter, Hagel oder Blitz erschreckt worden bin; dass mich nicht heftige Sturmwinde beschädigt haben, und dass mich der böse Feind nicht im Essen und Trinken mit Gift oder seinen andern Tausendkünsten verderbet hat; dass ich auch keinen Arm oder Bein durch einen Fall gebrochen habe. Dafür sage ich dir jetzt und allezeit Lob und Dank, und bitte dich um des bittern Leidens Jesu Christi willen, du wollest mir alle Sünden verzeihen, die ich heute wider dich getan habe, und wollest mich die künftige Nacht gnädiglich bewahren gegen meinen Widersacher, den Teufel, gegen Schrecken und Entsetzen des Nachts, dass mich kein Ungetüm noch traurige Phantasie betöre oder mir Schaden bringe! Behüte mich mit allem, was ich habe, vor Wassers- und Feuersnot, vor allem Übel Leibes und der Seele! Lass mich ruhig, ohne alle Sorge und Bekümmernis einschlafen, dass ich auch in Finsternis das Licht deines göttlichen Glanzes mit den Augen meines Herzens über mich scheinend sehen möge! Denn du bist jenes wahrhaftige und helle Licht, welches alle Finsternis, die uns umfangen hat, erleuchtet. Du, Herr Gott, bist bei mir, du bist mein Fels, meine Burg, mein Hort, auf den ich traue, mein Schild und Horn meines Heils und mein Schutz! Herr, mein Gott, ich breite des Nachts zu dir meine Hände aus, eilend erhöre mich, und beschütze mich in dieser Nacht, dass mein Geist nicht in Sünden entschlafe, und meinem Leibe kein Übel widerfahre. Wecke mich zu rechter und bequemer Zeit, dass ich das Licht des morgenden Tages nach deinem gnädigen Willen wieder erlebe und anschaue; denn du allein kannst mein Leben bewahren, und mich mit allem geistlichen Segen erfüllen in Jesu Christo, unserm Herrn! Amen. 

 

MORGENSEGEN AM MITTWOCH. 

Allmächtiger, barmherziger Gott, da dir alle deine Werke dienen, und alle Kreaturen ohne Unterlass dich loben und preisen sollen, was auch die Vögelein unter dem Himmel tun, die früh mit Aufgang der Sonne aufs Lieblichste mit ihren Zungen und Stimmen dich, den ewigen Gott und ihren Schöpfer loben sollen: so danke auch ich jetzt dir von Herzensgrund, dass du mich die vergangene Nacht und die ganze Zeit meines Lebens unter deinem Schutz und Schirm bis auf die gegenwärtige Stunde erhalten, aus dem Schlaf und der Finsternis dieser Nacht erwecken und mich fröhlich und gesund aufstehen lassen wolltest. Ich bitte dich durch die heilsame Auferstehung Jesu Christi von den Toten, dass du mich auch in Zukunft behüten wollest vor allem Übel und aller Gefahr, mit allen denen, die mir mit Blutsfreundschaft oder sonst irgendwie verwandt sind; dazu wollest du mich in dieser Frühstunde mit deiner Barmherzigkeit erfüllen, dass ich mit Freude den heutigen Tag in deinen Geboten ohne alle Todsünde zubringe! Erzeige mir deine Gnade, dass sie sei wie eine Tauwolke des Morgens, und wie ein fruchtbarer Tau, der früh Morgens sich ausbreitet und das Land befeuchtet. So wollest du deine Güte über mich ausstrecken, und mein träges Gemüt erfrischen, dass ich pünktlich und fröhlich deinen Willen tue. Regiere mich mit deinem heiligen Geist, dass ich dir mit reinem Herzen dienen könne, mit Gerechtigkeit und Heiligkeit, die dir gefällig ist, mein Leben lang! Behüte mich, Herr, dass ich an diesem Tage nicht wider dich sündige, oder mein Gewissen mit Fleischeslüsten beflecke, welche wider die Seele streiten. Bewahre auch meine Zunge vor Bösem, und meine Lippen, dass sie nicht falsch reden oder lügen; schandbare Worte und Narrentheidinge, welche Christen nicht geziemen, lass ferne von mir sein! Hilf, dass ich mit meinen Lippen niemand zum Ärgernis sei, oder etwa jemand afterrede, verurteile oder verdamme, auch nicht jemand lästere oder schmähe. O dass ein Schloss an meinem Munde läge, oder an meinen Lippen das Siegel der Klugheit, dass ich nicht plötzlich durch sie zu Fall käme, und meine Zunge mich nicht verdürbe! Gib mir Gnade, ich bitte dich, dass ich selbst meine Fehler erkenne und bessere, dass ich nicht in dein strenges Unheil und schreckliches Gericht falle! Das verleihe mir, ewiger Gott, durch Jesum Christum, deinen lieben Sohn! Amen. 

 

ABENDSEGEN AM MITTWOCH. 

O heilige Dreieinigkeit, in einem göttlichen Wesen! du bist mir Leben, Heil und ewiger Trost; ich sage dir Dank mit Mund und Herzen, dass du mich diesen Tag über gnädiglich behütet hast. Ich bitte deine göttliche Güte, dass du alle meine Missetaten bedecken wollest, besonders aber, was ich heute wider dich und deine heiligen Gebote mit meiner Zunge, mit unnützen und vergeblichen Worten, mit Afterreden oder auf irgend eine andere Weise gesündigt habe, und mich auch in dieser zukünftigen Nacht vor allem Schaden und aller Gefahr bewahren wollest. Denn auf dich allein vertraue ich; du bist mein Herr und mein Gott; in deine Hände befehle ich meinen Leib und meine Seele! So segne mich nun die göttliche Majestät; es beschirme mich die heilige Dreieinigkeit; es bewahre mich die ewige Einigkeit; es beschütze mich die unermessliche Barmherzigkeit; es verteidige mich die unaussprechliche Gütigkeit; es erfreue mich die unendliche Süßigkeit; es bedecke mich die höchste Wahrheit Gottes; es stärke mich die tiefe Erkenntnis Jesu Christi; es bewahre mich die unaussprechliche Güte des Herrn. Die Gnade des Vaters regiere mich; die Weisheit des Sohnes erquicke mich; die Kraft des heiligen Geistes erleuchte mich! Mein Schöpfer, stehe mir bei; mein Erlöser, hilf mir; mein Tröster, leiste mir Beistand! Der Herr segne mich und behüte mich; der Herr lasse sein Angesicht über mich leuchten, und sei mir gnädig; der Herr erhebe sein Angesicht über mich, und gebe mir Frieden! Dieser Schutz und diese Anrufung der einigen und ewigen Gottheit sei heute, jetzt und immerdar zwischen mir und allen meinen Feinden, sichtbaren und unsichtbaren, dass sie nicht zu mir nahen, mich töten oder beschädigen können. Wie die Wolkensäule in der Wüste zwischen dem Heer der Ägypter und dem Heer der Kinder Israel stand, und keines dem andern nahe kam, damit den Kindern Israel kein Leid widerfahren konnte: so wollest du zwischen mir und allen meinen Feinden eine feurige Mauer und Unterschied sein, dass sich meine Feinde nicht zu mir nahen, mich zu beschädigen. Erhalte mich auch in meinem letzten Stündlein, dann, wann meine Augen nicht mehr sehen, meine Ohren nicht mehr hören, meine Zunge nicht mehr reden wird; wann auch die Hände nichts mehr greifen, und die Füße nicht mehr gehen können, dann stehe mir bei, du hochgelobte heilige Dreieinigkeit, dass der Satan keine Macht an mir finde! Amen. 

 

MORGENSEGEN AM DONNERSTAG. 

Herr Jesu Christe, der du bist das wahre und ewige Licht, welches die Finsternis der Nacht und den Schatten des Todes vertreibt, ich will deinen Namen loben, ich will dir lobsingen und danken, dass du mich in dieser Nacht so gnädiglich behütet, und mich aus der Finsternis an dieses Licht gebracht hast. Du hast mich vor dem Grauen der Nacht und vor des Teufels Schrecken und Gespenstern bewahrt, vor der Pestilenz, die im Finstern schleicht, vor mancherlei Seuchen und Krankheiten, die mir hätten widerfahren können. Auch hast du mit deinem Schild meine Seele umgeben und beschützt, wie ein Hirt seine Herde beschützt und weidet. Dazu alles, was ich besitze, ist mir durch deine große Barmherzigkeit unversehrt behütet worden. Für diese Güte und diesen Schutz und für alle deine Wohltaten sei dir Lob, Ehre und Preis gegeben! Von deiner Macht will ich singen und früh Morgens deine Barmherzigkeit loben; denn du bist meine Zuflucht und meine Kraft, meine Stärke und mein treuer Gott, auf den ich traue! Du hast mir Freude in meinem Herzen gegeben, und hast mein Angesicht fröhlich gemacht. Ich bitte dich bei deiner heiligen Menschwerdung und Geburt, du wollest an diesem Tage deine Barmherzigkeit über mir aufgehen lassen, welche hervorbreche wie die schöne Morgenröte, und zu mir komme wie ein Frühregen. Erleuchte meine blinde Natur und mein verdunkeltes Herz mit deinem Glanze, dass in meinem Herzen jener wahre Morgenstern aufgehe, und das wahrhaftige Licht, welches die Menschen zum ewigen Leben erleuchtet! Behüte mich auch heute vor allem Übel, erbarme dich meiner, o Herr, denn auf dich harre ich; sei mein Arm frühe, auch mein Heil zur Zeit der Trübsal! Behüte meinen Leib und meine Seele, dass mir kein Übel begegne, und keine Plage zu mir nahe! Alle bösen Geister treib’ ferne von mir; stehe mir bei wider die Boshaftigen! O Gott, sei mein Beistand wider die Übeltäter, und eile mir zu Hilfe; denn meine Seele wartet auf dich von einer Morgenwache zur andern. O Herr, unser Gott, fördere das Werk unserer Hände bei uns, ja, das Werk unserer Hände wollest du fördern, und unsere Arme stärken; auch unsere Finger lehre deine Gebote halten, dass wir heute nicht wider dich sündigen! Dies alles verleihe uns um deiner Barmherzigkeit willen! Amen. 

 

ABENDSEGEN AM DONNERSTAG. 

Gelobet sei Gott und der Vater unsers Herrn Jesu Christi im heiligen Geiste, der einige und ewige Gott, der durch seine mannigfaltige Barmherzigkeit mich armen Sünder und elenden Menschen am heutigen Tage gnädiglich bewahret hat vor allen feurigen Pfeilen des Satans, die des Tages fliegen; vor der Pest, die im Mittag verderbet, vor einem plötzlichen und unversehenen Tod und allen Übeln väterlich behütet hat. Guter Gott, deine Güte und Barmherzigkeit reicht höher, als der Himmel ist, und deine Wahrheit so weit, als die Wolken gehen! Ich bitte dich, du mildtätiger Gott, du wollest mir verzeihen, alles, was ich gegen dich mit Werken, Worten oder Gedanken begangen habe! Du wollest mir auch deine Barmherzigkeit mitteilen, und mich in dieser zukünftigen Nacht schlafen und ruhen lassen, dass ich dich, der du die ewige Ruhe bist, niemals, auch in die ganze Ewigkeit hinaus nicht verlasse, sondern durch den Glauben in dir bleibe, und unter deinem Schirm sicher wohne, dass der böse Feind nicht zu mir nahen und mir keinen Schaden zufügen könne. Herr, du bist mein Licht und mein Heil, vor wem sollt’ ich mich fürchten? Herr, du bist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen? Auf dich verlässt sich mein Herz, und mir ist geholfen. Du bist meine Stärke und mein gewaltiger Schutz, deine rechte Hand stärkt mich, deine Rechte tröstet mich, und unter dem Schirm deiner Arme habe ich Zuflucht. Siehe, mein Gott, ich rufe den Tag über, und du antwortest mir; ich schweige nicht, und du erhörst mich. Wenn ich mich zu Bette lege, so denke ich an dich, wenn ich erwache, so rede ich von dir; denn du bist meine Hilfe, und im Schatten deiner Flügel bin ich fröhlich. Meine Seele hanget dir an; deine Rechte erhält mich. O gütiger Gott, ich bitte dich, verleihe mir die Gnade, dass, wenn mein letztes Stündlein naht, und ich mich in’s Sterbebett zur ewigen Ruhe niederlegen soll, ich im Vertrauen auf deine Hilfe, in wahrem und festem Glauben, getrost und unverzagt gottselig zum ewigen Leben einschlafen möge. Indessen erhalte mich, dass ich immer wache, nüchtern und mäßig lebe, und in christlicher Frömmigkeit bereit erfunden werde, weil ich nicht weiß, zu welcher Stunde du, unser Gott, kommen und mich von hier abrufen wirst. Dies verleihe mir, ich bitte dich, durch Jesum Christum, unsern Herrn! Amen.

 

MORGENSEGEN AM FREITAG. 

Gepriesen sei Gott, mein Schöpfer, gepriesen sei Gott, mein Heiland, gepriesen sei Gott, mein höchster Trost, der mir Gesundheit, Leben und Segen gibt; der mein Beschützer und Helfer ist; der mich an Leib und Seele nach seiner großen und unbegrenzten Barmherzigkeit in dieser verwichenen Nacht vor mancherlei Beschädigungen Satans behütet hat, und mich gesund zu dem heutigen Tage hat aufstehen lassen. Ich bitte dich, mein himmlischer Vater, bei dem blutigen Schweiß deines lieben Sohnes Jesu Christi, du wollest mich heute in deinen göttlichen Schutz nehmen, mich beschützen und behüten, innerlich und äußerlich, dass mir nichts Böses widerfahre; denn in deine Hände befehle ich heute und alle Tage meines Lebens meine arme Seele, meinen elenden Leib, meine Sinne, meine Vernunft, meinen Verstand und meine Anschläge, dazu alle meine Gedanken, Worte und Werke, mein Reden und Tun, meinen Eingang und Ausgang, mein Gehen und Stehen, mein Sitzen und Liegen, meinen Willen und meine Ratschläge, mein Dichten und Trachten, meinen Glauben und mein Bekenntnis, und was ich äußerlich und innerlich an Kräften bin und vermag, das Ende meines Lebens, den Tag und die Stunde meines Todes, mein Sterben und Auferstehen. O Herr Gott, tue du mit mir, wie du willst und weißest, was zur Ehre deines Namens und zu meiner Seele Seligkeit gereichen kann. Und wenn ich etwa wider dich aus Schwachheit sündigen sollte, so bitte ich dich, du wollest deine Barmherzigkeit nicht von mir weichen lassen, noch deine Gnade von mir wenden, und mir deine Hilfe nicht entziehen; denn außer dir ist kein Gott, noch Helfer, vor dir ist kein anderer gemacht, so wird auch nach dir kein anderer sein. Ja, du bist der Erste und der Letzte, und außer dir ist kein Gott. Daher rufe ich zu dir allein, lass deine Gnade über mich walten! Lass mich früh deine Barmherzigkeit hören, denn ich hoffe auf dich! Leite meine Füße auf die Wege der Gerechtigkeit, dass ich nicht wandle im Rate der Gottlosen, und nicht stehe auf dem Wege der Sünder, und nicht sitze, da die Spötter sitzen; sondern dass an deinem Wort und Gesetz meines ganzen Herzens Lust und Wohlgefallen sei, und ich darin mich übe Tag und Nacht, durch unsern Herrn Jesum Christum, der mit dir und dem heiligen Geiste lebt und regiert in alle Ewigkeit! Amen. 

 

ABENDSEGEN AM FREITAG. 

Gelobet sei der Herr, der allein Wunder tut, und gelobet sei sein herrlicher Name ewiglich, und alle Lande müssen seines Ruhmes voll werden. Ich will täglich den Namen Gottes rühmen, und des Abends soll sein Lob immerdar in meinem Munde sein; denn wenn ich schreie, so erhört er mich; wenn ich flehe, so neigt er seine Ohren zu mir; wenn ich bete, so merkt er auf meine Stimme. Der Herr ist mir Schutz und Stärke; seine Hilfe ist mir in Ängsten reichlich widerfahren. Darum sage ich dir, ewiger Gott, Lob und Preis, dass du mich diesen Tag väterlich vor allem Schaden und Gefahr behütet hast, die mir hätten begegnen können. Mein Herz ist fröhlich, und meine Seele lobet dich um deiner Güte und Barmherzigkeit willen. Meine Zunge soll dein Lob aussprechen, und immer sagen: Hochgelobt sei Gott, gesegnet sei sein heiliger Name! Ich bitte dich, du wollest mir heute aus Gnaden vergeben alles, was ich gegen dich gesündigt habe, und mich in dieser kommenden Nacht mit allem, was mir angehört, beschützen! Herr, behüte mich; Herr, sei mein Schatten über meiner rechten Hand; behüte mich vor allem Übel; behüte meine Seele! Erbarme dich meiner, denn auf dich hofft meine Seele! Ich hoffe auf den Herrn, und rufe zu Gott, dem Allerhöchsten, der meinem Jammer ein Ende machen wird. Siehe, der mich behütet, schläft nicht; siehe, der Hüter Israel schläft und schlummert nicht. Du wirst meinen Gang auf rechter Bahn erhalten, dass meine Füße nicht gleiten, und meine Tritte nicht wanken. Er wird meine Füße vom Fall erretten, denn sein Wort ist meines Fußes Leuchte, und ein Licht auf meinem Wege. Darum, wenn ich zu Bette liege, werde ich mich nicht fürchten, sondern sanft schlafen, und werde nicht plötzliche Schrecken fürchten, noch den Sturm der Gottlosen, wenn sie mich etwa angreifen wollten. O Herr Gott, erhebe über mich das Licht deines Antlitzes, dass ich liege und schlafe ganz im Frieden, weil du, Herr, allein mich zuversichtlich unter deinem Schutze wohnen lässt! Du Herr allein hilfst mir! In deinem Namen will ich mich nun zur Ruhe niederlegen, und meine Augen schlafen und meine Augenlieder schlummern lassen. Du, Herr Gott, wirst mich fröhlich wieder erwecken, zu Lob und Ehren deiner göttlichen Herrlichkeit, durch Jesum Christum, deinen lieben Sohn, unsern Herrn, der mit dir lebt und regiert in Einigkeit des heiligen Geistes! Amen. 

 

MORGENSEGEN AM SONNABEND. 

Wahrer und unsterblicher Gott, Vater unsers Herrn Jesu Christi, zu dir erhebe ich mein Gemüt mit schuldiger Dankbarkeit! Deine Gerechtigkeit will ich nicht verbergen in meinem Herzen, von deiner Wahrheit und deinem Heil will ich reden. Ich will nicht verhehlen deine Barmherzigkeit und deine Wahrheit in der großen Gemeinde, und alles Gute, das du mir getan hast, will ich nicht verschweigen; denn es ist ein köstlich Ding, den Herrn preisen und lobsingen deinem Namen, du Höchster; des Morgens deine Gnade und des Nachts deine Wahrheit verkündigen. Darum lobet dich meine Seele, dass du mich in dieser Nacht durch deine überschwängliche Barmherzigkeit beschützt hast. Gesegnet bist du, Herr, Gott der Heerscharen, der du dich allen gnädig erzeigst, die dich suchen, und dein Heil lieben! Gesegnet sei dein großer Name in allen Landen, der unser Schutz und unsre Hilfe ist! Gesegnet seien alle deine Werke, die du an den Menschenkindern tust! Ich bitte dich, du wollest mich diesen Tag auch bewahren, dass mir Satan keinen Schaden zufüge, und die Hand der Gottlosen mich nicht beschädige. Herr Gott, mein Heiland, früh suche ich dich, früh kommt mein Gebet vor dich; gib mir, dass ich die Werke meines Berufes, und was mir befohlen ist, fleißig und treulich ausrichte, zu deines Namens Lob und meines Nächsten Besserung, dass ich nicht das Licht dieses Tages zum Sündigen missbrauche, oder dich mit Reden oder Taten beleidige, und den Bund meiner heiligen Taufe verletze! Verleihe mir auch die Gnade, dass ich fliehe die sechs Stücke, die du hassest, und das siebente, das dir ein Gräuel ist, nämlich hohe Augen, falsche Zungen, Hände, die des Unschuldigen Blut vergießen, ein Herz, das mit bösen Tücken umgehet; Füße, die behend sind, Schaden zu tun; einen falschen Zeugen, der frech Lügen redet, und der Hader zwischen Brüdern anrichtet. Vor diesen und ähnlichen Verbrechen bewahre mich, mein Gott, und verleihe mildiglich die Gnade, dass alles mein Tun und Leben dir gefalle, in Christo Jesu, deinem lieben Sohn, unserm Herrn, der mit dir lebt und regiert in Einigkeit des heiligen Geistes von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. 

 

ABENDSEGEN AM SONNABEND. 

Lob sei dir, dem höchsten und unsterblichen Gott! Lob sei deiner Güte, Gnade und Barmherzigkeit! Lob sei deiner ewigen Weisheit und Wahrheit, der du mich am heutigen Tage vor allem Schaden und Übel behütet hast! Ich bitte dich, du wollest deine Güte, die du an mir angefangen hast, gnädiglich vollenden, und mich auch in dieser Nacht unter deinem höchsten Schirm ruhen lassen, und mich mit deinen Fittichen bedecken. Lass meine Zuversicht sein unter dem Schatten deiner Arme, dass ich kein Unglück fürchte! Bewahre mich, Gott, wie einen Augapfel, im Schatten deiner Flügel verbirg mich! Herr, du bist mein Erbteil, mein Heil steht in deinen Händen! Hilf nur durch deine Güte, dass nicht Furcht und Zittern über mich komme, und mich Grauen der Nacht nicht überfalle! Erbarme dich meiner, denn auf dich traut meine Seele, und unter dem Schatten deiner Flügel habe ich Zuflucht! Am Tage meiner Angst suche ich den Herrn; meine Hand ist des Nachts zu ihm ausgestreckt, und lässt nicht ab; meine Seele hat sonst keinen Trost; ich weiß auch von keinem andern Helfer im Himmel und auf Erden, als von dir allein. Zu Mitternacht stehe ich auf, und gedenke deines Namens, der so lieblich ist, und deiner Güte und Treue, die du mir erzeigt hast, und sage dir Dank für die Rechte deiner Gerechtigkeit. Wenn ich betrübt bin, so denke ich an Gott, wenn mein Herz in Ängsten ist, so rede ich von meinem Heiland, denn er führt meine Seele aus dem Verderben, und errettet mich von den Banden des Todes. Herr, Gott, mein Heiland, Tag und Nacht schreie ich vor dir, und rufe dich an, dass du mir alle meine Sünden verzeihen wollest, die ich in der vergangenen Woche und heute wider dich getan habe! O Herr, errette meine Seele um deiner Barmherzigkeit willen; du bist gnädig und gerecht, und unser Gott ist barmherzig; der Herr behütet die Einfältigen; wenn ich schwach bin, so bewahrt er mich. Darum will ich rühmen, frohlocken und dich preisen in meinem Bette. Ich befehle daher meinen Leib und meine Seele in deine Hände; du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott, durch Jesum Christum, unsern Herrn! Amen. 

 

ÖFFENTLICHE BEICHTE. 

Gerechter Gott, barmherziger Vater, ich elender und unwürdiger Mensch bekenne, dass ich nicht allein in Sünden empfangen und geboren bin, sondern auch meine ganze Lebenszeit, von meiner frühesten Kindheit an bis auf die gegenwärtige Stunde, in vielen und schweren Sünden zugebracht habe. Denn ich habe nicht dich, meinen Herrn und Gott, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüte geliebt und gefürchtet, habe auch nicht auf dich über alles vertraut, deinen heiligen Namen nicht von ganzem Herzen angerufen und gelobt, sondern denselben zum Fluchen, Schwören, Lügen und Trügen missbraucht. Die Predigt deines heiligen Wortes habe ich öfters versäumt, verachtet, und nach derselben sehr wenig mein Leben eingerichtet und gebessert. Meinen liebsten Eltern und meinen Vorgesetzten bin ich ungehorsam gewesen; dazu habe ich meinen Nächsten nicht geliebt, wie mich selbst; sondern habe ihn gehasst, verachtet, geärgert, bin ihm selbst zum Schaden gewesen, und habe zugelassen, dass ihm andere Schaden zufügten. In Worten und Werken war ich leichtsinnig und schmutzig; in meinen täglichen Geschäften und Handlungen gebrauchte ich mancherlei Unredlichkeiten wider die Nächstenliebe; ich habe auch meinen Nächsten fälschlich belogen, verraten, ihm afterredet und bösen Leumund gemacht. In Summa, ich bin in bösen Dingen verstrickt gewesen, und habe mich noch daran ergötzt. Ich bin hochmütig, geizig, wollüstig, jähzornig, verschwenderisch, neidisch und träg gewesen; überdies habe ich meinen Nächsten zum Sündigen gereizt und unterstützt; und so habe ich meinen heiligsten Taufbund übertreten. Und was ich jemals wider dich gesündigt habe, mit Worten, oder Werken, oder Gedanken, öffentlich oder heimlich, auch alle meine unbekannten und verborgenen Vergehungen, deren du, o Herzenskündiger, mich schuldig erkennst, besser, als ich mir selbst bewusst bin; diese alle bekenne ich mit zerknirschtem und gebeugtem Herzen; ja, ich bin ein unnützer Knecht, und habe gesündigt in den Himmel, und vor dir, und bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen, oder meine Augen zu dir aufzuheben! Denn ich habe dich mit vielen und sehr schweren Sünden stark beleidigt; ich habe meine arme Seele und mein Gewissen übermäßig mit begangenen Ungerechtigkeiten beschwert, die mich drücken, und mir wie eine schwere Last zu schwer geworden sind. Daher komme ich jetzt, da ich noch Gnade und Erbarmung finden kann, zu dir, und appelliere von deiner strengen Gerechtigkeit an deine grenzenlose Barmherzigkeit. O Herr, Gott, sei mir armen Sünder gnädig, vergib mir meine Sünden, nimm zu deren Bezahlung an, ich bitte dich, das unschuldige Sterben Jesu Christi, deines lieben Sohnes, und verleihe mir Besserung meines Lebens! Amen. 

 

GEBET VOR DEM ABENDMAHL. 

Herr Jesu Christe, ewiger Sohn Gottes, der du in deiner wahren Menschheit für uns den Tod gelitten, uns von Sünden und der ewigen Verdammnis erlöst, und, dass wir deine so große Güte nie vergessen möchten, bei deinem letzten Abendmahle ein ewiges Gedächtnis gestiftet, und einen neuen Bund aufgerichtet hast, in welchem die Sünden der Gläubigen einer ewigen Vergessenheit übergeben werden, wo du bestimmt und verordnet hast, dass dein wahrer Leib im Brot gegessen und dein hochheiliges Blut im Wein getrunken werden solle, und die Verheißung der Vergebung der Sünden hinzugefügt hast. Wir armen und elenden Menschen kommen zu dir, der Quelle aller Gnade und Barmherzigkeit, und bitten, dass du alle unsere Sünden und Befleckungen abwaschen, unsere Gewissen reinigen und trösten wollest, dass wir mit wahrer Buße und Zerknirschung, im wahren und festen Glauben, mit frommer Andacht und gebührender Ehrfurcht, wohl bereitet und würdig deinen hochheiligen Leib und Blut zu unserm Heile empfangen. Hilf uns, dass durch dieses Geheimnis des neuen Testamentes der Glaube in uns gemehrt, die Hoffnung gestärkt, die Liebe entzündet werde, das verzagte Gewissen Trost empfange, alle Bekümmernis überwunden werde, und wir in unsern Herzen die Bestätigung und Versicherung erhalten, dass wir deiner göttlichen Gnade und ewigen Erlösung teilhaftig seien, so dass wir deine überschwängliche Gnade erhalten, welche in diesem Sakramente verborgen ist. O gnädigster Gott, gib uns erleuchtete Augen unsers Gemütes, dass wir erkennen, welche jene Hoffnung unsers Erbes sei, und welcher sei der herrliche Reichtum deines Abendmahls, in welchem du zugleich mit deinem Leib und Blute uns die Vergebung der Sünden, die wahre Gerechtigkeit und alle himmlischen Güter mitteilst, dass wir öfters aus innerstem Triebe des Herzens und frommer Begierde dies Sakrament würdig empfangen, und deine Süßigkeit schmecken mögen. Nimm weg von uns, was dir missfällt, oder was uns hinderlich ist und uns von dir abwendet. Verleihe uns aber, was uns zu dir wendet und treibet, damit wir der Frucht dieses heilsamen Tisches teilhaftig werden, und unsere Seelen, die hungrig und durstig sind, hier Speise und Trank empfangen, und im zukünftigen Leben des himmlischen Brotes und Trankes mit dir in alle Ewigkeit genießen mögen! Amen. 

 

DANKSAGUNG NACH DEM ABENDMAHL. 

O Jesu Christe, unser wahrer und ewiger Hoherpriester, der du zur Rechten auf dem Throne jener himmlischen Majestät sitzest, Diener des Heiligtums und jener wahrhaftigen Hütte, die nicht mit Händen gemacht ist. Du bist durch dein eigenes Blut einmal in das Heiligtum eingegangen, nachdem du eine ewige Erlösung erfunden hast, wo du dich selbst ohne Schuld deinem lieben Vater dargeboten hast, zu reinigen unsere Gewissen von toten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott. Wir danken dir von ganzem Herzen, dass du zum Fluch für uns gemacht, den schmachvollen Tod des Kreuzes, in freiwilligem Gehorsam gegen deinen himmlischen Vater, aus heißer Liebe und unaussprechlicher Geduld unschuldig für uns arme Sünder gelitten hast; dazu auch das ehrwürdige Sakrament deines Leibes und Blutes zum ewigen Gedächtnis und zur Erinnerung deiner göttlichen Gunst und deines Wohlwollens gegen uns, auch zum Pfand, Siegel und Bestätigung der Vergebung der Sünden uns eingesetzt hast; sodann auch, dass du uns zur Teilnahme und Gemeinschaft desselben rufen und kommen lassen wolltest, und unsere hungernden und dürstenden Gewissen zum Leben gespeist und getränkt hast. O Herr, Gott, wie groß ist deine Liebe, wie unaussprechlich ist deine Barmherzigkeit, wie unerforschlich ist deine Gnade, da du niemand von diesem ehrwürdigen Mahle ausschließest, wenn nur niemand sich selbst von demselben ausscheidet, und sich unwürdig macht. Wenn also jemand hungrig und durstig ist, der wird hier gesättigt; wenn jemand dürftig und arm ist, der erlangt hier alle Schätze und Reichtümer des Lebens; wenn jemand geängstet und bekümmert ist, der findet hier Ruhe; wenn jemand schwach oder krank ist, der bekommt hier Arznei und Gesundheit für seine Seele; wenn jemand durch Sünden mühselig und beladen ist, der findet hier Erquickung für sein Gewissen; wenn jemand im Tode ist, der hat hier das ewige Leben. Hilf uns daher, o guter Gott, dass dieses hochheilige Sakrament uns zum Heil gereiche, und dass wir nachher das Bekenntnis des Glaubens fest behalten und nicht abweichen! Denn du bist treu in deinen Verheißungen. Dazu, dass wir auch unter uns gegenseitig für unser Heil Sorge tragen, dadurch, dass wir uns anreizen zur Liebe und zu guten Werken, und nicht verlassen unsere Versammlung, sondern uns unter einander ermahnen, und das um so mehr, da wir alle sehen, dass der Tag des jüngsten Gerichts und das Ende unsers Lebens herannahet, damit wir mit Freuden deine Ankunft erwarten! Amen. 

 

UM EIN SELIGES STERBESTÜNDLEIN. 

O du frommer Gott, du hast dem Menschen ein Ziel des Lebens gesetzt, das er nicht übergehen kann; denn seine Tage sind bestimmt und die Zahl seiner Monden steht bei dir! Du hast alle Tage unsers Lebens gezählt, die doch so schnell ablaufen, wie ein Strom und wie ein Fluss, der abläuft, nicht anders, als flögen wir davon. Wie ein Rauch, wie ein Schatten, der schnell vorübergeht, sind alle unsere Tage vergangen. Jeder Mensch ist wie Gras, das schnell verdorrt, und wie des Grases Blume, die leicht dahinfällt. Lass mich daher mein Ende bedenken, o Herr, und welches das Maß meiner Tage sei, damit ich wisse, wie vergänglich ich bin! Siehe, wie eine Spanne Zeit hast du meine Tage gemacht, und mein Leben ist wie nichts vor dir; ja, ganz eitel ist jeder Mensch in seinem Leben. Herr, lasse uns wissen, dass wir unsere Tage zählen sollen, und dass wir hier keine bleibende Stätte haben! Lass mich bedenken, wie gar kurz und hinfällig mein Leben ist, dass ich in dieser Welt nicht nur mir, sondern dir lebe und sterbe, im Glauben munter und fröhlich den Tag meiner Erlösung aus diesem Arbeitshause und der Erscheinung deines lieben Sohnes Jesu Christi erwarte, und in heiligen Gesprächen und in Übung der Pflichten der Gottseligkeit wohl bereitet derselben gleichsam entgegen eile. Verleihe mir, ich bitte dich, einen glücklichen Ausgang aus diesem Leben, dass ich, wenn mein letztes Stündlein herbeikommt, sanft einschlafe, und in aufrichtigem Bekenntnis, mit dem völligen Gebrauch meiner Vernunft das Leben beschließe, dass ich nicht bei geschwächtem Verstand und Sinnen nach Art der Geistesabwesenden in lästerliche, gottlose oder dem christlichen Bekenntnis widersprechende Äußerungen ausbreche, gegen dich, meinen Herrn, und gegen mein Heil. Behüte mich vor einem plötzlichen und unversehenen Tode und vor der ewigen Verdammnis, dass ich nicht wider Erwarten plötzlich, von meiner letzten Stunde übereilt, dahingerafft werde, sondern dass ich in wahrer Buße und aufrichtigem Leben bereit erfunden werde! Und wenn dieselbe meine letzte Stunde kommen wird, so mache mich stark und unverzagt, den zeitlichen Tod zu ertragen, der mir die Türe zum ewigen Leben öffnen wird. Und lass endlich mich, deinen Knecht, in Frieden dahinfahren, nach deinem Worte: Weil meine Augen dein Heil gesehen haben, das du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht zu erleuchten die Heiden, und zum Preis deines Volkes Israel. Gib, dass mein letztes Wort jenes sei, das dein lieber Sohn auf dem Altar des Kreuzes sprach: Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist! Und wenn ich nicht mehr reden kann, so erhöre, ich bitte dich, die letzten Seufzer meines Herzens! Amen. 

 

J. Gerhard, Übung der Gottseligkeit.pdf
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