DAS ZWEIUNDDREISSIGSTE KAPITEL. (1.B./32.K.)

 

GROSSE GABEN BEWEISEN KEINEN CHRISTEN

UND GOTT WOHLGEFÄLLIGEN MENSCHEN,

SONDERN DER GLAUBE, SO DURCH DIE LIEBE TÄTIG IST.

 

Inhalt.

1) Gott fordert keine große Kunst von uns, 2) sondern Glauben, Liebe und Kreuzigung des Fleisches. 3) Keine hohe Gaben, sondern eine neue Kreatur gilt vor Gott. 4) Die Gaben gibt Gott zur Erbauung der Kirche. 5) Ohne Glauben und Liebe erkennet Christus keinen für den Seinen. 6) Die Liebe ist das rechte neue Leben. 7) Gott, Christus und sein Geist, die Kirche und das ewige Leben, ist aus lauter Liebe. 8) Wer nun ohne Liebe ist, der ist ein totes Glied der Kirche.

 

Das Reich Gottes bestehet nicht in Worten, sondern in der Kraft.

1. Kor. 4,20.

 

Wenn St. Paulus einen Christen beschreiben will, wie er soll geartet sein, spricht er: 1 Tim. 1,5. Die Hauptsumme aller Gebote ist, Liebe von reinem Herzen, von gutem Gewissen, und von ungefärbtem Glauben. Als wollte er sagen: Daß einer ein Christ und Gott wohlgefälliger Mensch sei, werden nicht viel große und hohe Dinge von ihm erfordert, viele Kunst und Geschicklichkeit, hohe Gaben, dass er ein Prophet sei, ein Redner, ein Sachkundiger, ein Wundertäter, sondern, dass er gläubig sei, und alles in der Liebe tue, dass er Gott gelassen sei, und sich den heiligen Geist regieren lasse.

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2. Darum ist nicht darauf zu sehen, wie gelehrt einer in Sprachen sei, oder wie wohl er reden könne, sondern wie er seinen Glauben durch die Liebe, und durch die Tötung seines Fleisches beweise. Denn die Christum angehören, kreuzigen ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden, Gal. 5.24. das ist, eigene Ehre, Lie-be, Ruhm, Nutzen, Lob und alles, was fleischlich ist. Darum St. Paulus spricht: 1 Kor. 4,20. Das Reich Gottes bestehet nicht in Worten, das ist, Künsten und Ga-ben, sondern in der Kraft, das ist, in lebendiger Übung der Tugenden, des Glau-bens, der Liebe, Sanftmut, Geduld und Demut.

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3. Derowegen niemand, um höherer Gaben willen, desto mehr vor Gott gilt, oder darum selig wird, sondern darum, dass er in Christo erfunden wird durch den Glauben, und in Christo lebet als eine neue Kreatur, 2 Kor. 5,17. Und wenn der allerbegabteste Mensch nicht in täglicher Buße lebt, und in Christo erneuert wird, der Welt absagt, und allem dem, was er hat an Gaben, sich selbst verleugnet, sich selbst hasset, und lauter und rein an Gottes Gnade hanget, wie ein Kind an der Mutter Brust; so kann er nicht selig werden, sondern wird mit aller seiner Kunst verdammt.

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4. Darum nicht die Gaben gegeben werden, dass einer dadurch vor Gott groß oder selig werde, sondern von wegen der Erbauung der Kirche. Denn als Luk. 10,20. die siebenzig Jünger wieder kamen, und sprachen: Herr, es sind uns auch die Teufel untertänig gewesen in deinen Namen, sprach der Herr: Freuet euch dessen nicht, die großen Wunder und Gaben werden euch nicht selig machen; freuet euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind, das ist, dass ihr glaubet, und mich kennet. Die Wunder, die Moses getan, haben ihn nicht selig gemacht, sondern sein Glaube. Aarons Beredtsamkeit machte ihn nicht desto angenehmer bei Gott. Mirjam, Mosis Schwester, war eine Prophetin, durch wel-che der Geist Gottes redete, Gott aber schlug sie mit Aussatz, 4 Mos. 12,10.

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5. Die Wunder und mancherlei Sprachen haben die Apostel nicht selig gemacht, sondern der Glaube. Es muß alles, vom höchsten Menschen bis auf den nie-drigsten, in den Glauben, und in die Demut, in die Buße, in die Kreuzigung und Tötung des Fleisches, in die neue Kreatur, die in Christo im Glauben lebet und in der Liebe, und Christus in ihr. Wenn das nicht geschiehet, so wird Christus kei-nen für den Seinen erkennen.

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6. Die christliche Liebe ist das rechte neue Leben im Menschen, ja Christi Leben in den Gläubigen, und die kräftige und tätige Beiwohnung Gottes, des heiligen Geistes, welche uns St. Paulus Ephes. 3,19. wünschet: Das wir erfüllet werden mit aller Gottesfülle. Und St. Johannes 1 Epist. Kap. 4,14. Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibet, der bleibet in Gott und Gott in ihm. Darum, wer die Liebe in seinem Herzen fühlet, der empfindet Gott in sich. Auf dass wir aber dessen eine gewisse Probe hätten, und nicht durch falsche eigene Liebe betrogen wür-den, so malet sie St. Paulus fein ab, als einen schönen Baum mit ausgebreiteten Zweigen, 1 Kor. 13,4. Die Liebe ist langmütig, geduldig etc. welches ist des neuen Menschen ganzes Leben.

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7. Summa, Gott der Vater ist die Liebe, Gott der Sohn ist die Liebe, Gott der heilige Geist ist die Liebe. Der ganze geistliche Leib, Christus, die werte Christen-heit, ist durch das Band der Liebe zusammen gebunden; ein Gott, ein Christus, ein Geist, eine Taufe, ein Glaube, Eph. 4,5. und das zukünftige ewige Leben ist nichts als ewige Liebe.

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8. Wer nun in der Liebe nicht lebt, der ist ein totes Glied am Leibe Christi. Wie ein totes Glied am natürlichen Leibe nicht erwärmt wird durch die natürliche Wärme, und derowegen kein Leben an ihm hat; also, wer nicht in der Liebe lebt, der hat das geistliche Leben Christi nicht, und ist tot, Gott und Christo abgestorben, denn er hat keinen Glauben, ist als eine verdorrete Rebe am Weinstock; hat auch keinen Teil an Gott, Christo und dem heiligen Geist, an der heiligen christlichen Kirche, und am ewigen Leben, kann auch nimmermehr hinkommen, wo Gott ist, als der die Liebe selbsten ist etc.

 

Gebet um den liebtätigen Glauben.

 

O allsehender Gott! weil deine Augen auf den Glauben, der durch die Liebe tätig ist, und nicht auf große Gaben, Kunst und Geschicklichkeit sehen, so laß auch mich nur dahin sehen und trachten, wie ich Glauben und gutes Gewissen habe und bewahre, Liebe übe, und demütig vor dir sei, und dadurch vergewissert werde, dein Reich, so nicht in Worten, sondern in der Kraft bestehet, sei und bleibe in mir, von nun an bis in Ewigkeit, Amen.

 

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