DAS SIEBENTE KAPITEL. (1.B./7.K.)

 

WIE DAS GESETZ GOTTES

IN ALLER MENSCHEN HERZ GESCHRIEBEN SEI,

WELCHES SIE ÜBERZEUGT,

DASS SIE AN JENEM TAGE KEINE ENTSCHULDIGUNG HABEN.

 

Inhalt.

1) Gott hat dem menschlichen Gewissen drei vornehme Eigenschaften einge-pflanzet. 2) Davon auch nach dem Fall ein Fünklein übrig geblieben. 3) Daher die Heiden keine Entschuldigung haben; noch viel weniger aber die Christen. 4) Zwei Zeugen werden alle unbußfertige Christen verdammen: das Gewissen und Gottes Wort. 5) Daher die Qual der Seelen, 6) und die Größe der ewigen Pein kommen wird. 7) Die abscheulichsten Laster unter den Christen rühren daher, weil man Christo nicht folgen will. 8) Daher wird ihre Verdammnis größer sein, als der Heiden, 9) nach dem Zeugnis der heiligen Schrift.

 

Indem die Heiden des Gesetzes Werke tun, beweisen sie, dass das Gesetz in ihrem Herzen geschrieben sei. Röm. 2,14.15.

 

Als Gott der Herr den Menschen nach seinem Ebenbilde schuf, in vollkommener Gerechtigkeit und Heiligkeit, und ihn mit hohen göttlichen Tugenden und Gaben zierte und schmückte, und als ein vollkommenes schönes Meisterstück ausarbei-tete, als ein höchstes, edelstes Werk und Kunststück, hat er drei führnehme Eigenschaften dem menschlichen Gewissen so tief eingepflanzet, dass sie nimmermehr, ja ewig nicht können ausgetilget werden: Zum 1) das natürliche Zeugnis, dass ein Gott ist. Zum 2) das Zeugnis des jüngsten Gerichts, Röm. 2,15. Zum 3) das Gesetz der Natur, oder natürliche Gerechtigkeit, dadurch Ehre und Schande unterschieden, Freude und Traurigkeit empfunden wird.

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2. Denn es ist nie ein Volk so wild und barbarisch gewesen, dass da verleugnet hätte, dass ein Gott wäre, denn die Natur hat sie inwendig und auswendig über-zeuget; ja sie haben aus ihrem Gewissen empfunden, dass nicht allein ein Gott sei, sondern dass er auch müsse ein gerechter Gott sein, der das Böse strafe und das Gute belohne, weil sie in ihrem Gewissen entweder der Schrecken oder Freude empfunden. Daraus haben sie ferner geschlossen, dass die Seele müsse unsterblich sein, wie Plato davon gewaltig disputieret. Und letztlich haben sie aus dem Gesetze der Natur, das ist, aus der angebornen natürlichen Liebe, wohl gesehen, dass Gott ein Ursprung alles Guten sei in der Natur. Daher sie ferner geschlossen, dass demselben müsse mit der Tugend und reinem Herzen ge-dienet werden. Darum sie in die Tugend das höchste Gut gesetzet haben, daher die Tugendschulen des Sokrates und anderer weisen Philosophen entstanden sind. Daraus sehen wir nun, wie Gott ein Fünklein des natürlichen Lichts, oder eine Spur und Merkmal, auch nach dem Fall, lassen übrig bleiben, auf dass der Mensch seinen Ursprung soll erkennen lernen, woher er gekommen, und dem-selbigen nachgehen, wie auch etliche der Heiden solchen gemerket, als der Poet Aratus bezeuget, welchen St. Paulus anführt: Ap. Gesch. 17,28. Wir sind Gottes Geschlecht. Und Manilius: Es ist kein Zweifel, es wohnet Gott unter unserm Herzen, und die Seelen kommen vom Himmel, und gehen wieder zum Himmel.

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3. Weil nun die Heiden das natürliche Zeugnis Gottes wider ihr Gewissen ver-achtet, und also dem Schöpfer selbst, werden sie durch ihre eigene Schuld verdammt werden, und keine Entschuldigung haben. Denn so schließt St. Paulus: Wer da weiß, dass ein Gott sei, und fraget nichts darnach, oder achtet nicht, wie er ihn recht erkennen, und ihm dienen möge, der wird am Tage des Gerichts keine Entschuldigung haben, Röm. 1,19.20. Und schließt ferner: Weil die Heiden Gottes Gerechtigkeit erkannt haben, indem sie von Natur gewußt, dass, die Böses tun, des Todes wert sein, haben aber das Böse nicht allein getan, sondern auch Gefallen daran gehabt, so haben sie sich selbst verurteilet, v. 32. Item Röm. 2,15. Ihre Gedanken, die sich selbst untereinander verklagen oder entschuldigen, haben sie überzeugt des zukünftigen Gerichts. So nun die Heiden keine Entschuldigung haben, die nicht allein von Natur wissen, dass ein Gott ist, sondern auch wider ihr Gewissen, Gott nicht gesucht haben; viel weniger werden die Entschuldigung haben, welchen Gott sein Wort geoffenbaret hat, und sie durch Jesum Christum, seinen lieben Sohn, hat lassen zur Buße rufen, dass ist, von Sünden abzustehen, sich von dem gottlosen Wesen abzuwenden, auf dass sie durch den Glauben des Verdienstes Christi möchten fähig und teilhaftig, und ewig selig werden.

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4. Darum wird ein jeder Mensch, der Christi Namen kennet, und sich nicht bekehret hat, an jenem Tage zwei gewaltige Zeugen wider sich haben: Zum 1) sein eigenes Herz, Gewissen und Gesetz der Natur. Zum 2) Gottes geoffen-bartes Wort, welches ihn richten wird an jenem Tage. Darum auch ein schreck-liches Urteil und Verdammnis darauf erfolgen wird, wie der Herr spricht: Dass es Sodoma und Gomorra an jenem Tage erträglich wird ergehen und die Königin vom Mittag wird aufstehen, und dies Geschlecht verdammen, Matth. 11,24. Cap. 12,42.

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5. Und daher wird die ewige Qual und Pein entstehen, weil Gott die Seele un-sterblich geschaffen, und in der Seele das Gewissen, das immer und ewig Gottes eingedenk ist, und kann doch nimmermehr zu Gott kommen, welches ist die größte und ewige Pein der Seelen.

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6. Und solche innere und ewig währende Seelenpein wird so viel desto größer sein, so viel immer mehr und mehr durch Unbußfertigkeit Gottes Zorn gehäufet wird auf den Tag des Gerichts, Röm. 2,5. Denn gleichwie Gott der Herr, nach seinem gerechten Gerichte, die Heiden in einen verkehrten Sinn gegeben, weil sie das innere Gesetz der Natur, und eigenes Gewissen, als Gottes Gerechtigkeit in ihr Herz geschrieben, verworfen und für nichts geachtet, sondern demselben, als Gott selbst, widerstrebet; durch welche Verblendung ihrer Sinnen sie in die greulichen, abscheulichen Sünden und Gräuel geraten sind, dadurch sie Gottes gerechten Zorn gehäufet haben. Also weil die, so Christen sein wollen, beide das innere und äußere Wort und Zeugnis Gottes verwerfen, und nicht allein nicht wollen Buße tun, sondern dem heiligen Geist widerstreben und Gott lästern; gibt sie Gott dahin in einen verkehrten Sinn, dass sie ärger werden, als die Heiden und Türken, sendet ihnen kräftigen Irrtum, dass sie den Lügen glauben, auf dass gestraft werden alle, so Lust haben an der Ungerechtigkeit, 2 Thess. 2,11.12.

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7. Daher solche abscheuliche Laster bei den Christen im Schwange gehen, die nie erhöret sein, solche teuflische Hoffart und Pracht, so unersättlicher Geiz, schändliche Wollust, viehische Unzucht, und unmenschliche Taten, welche aus Verblendung und Verstockung eines verkehrten Sinnes geschehen. Denn weil die Christen nicht wollen in ihrem Leben folgen dem niedrigen, armen, sanft-mütigen und demütigen Christo, sondern ärgern sich an ihm, schämen sich seines heiligen Lebens, da ihnen doch Gott denselben zum Licht der Welt hat vorgestellt, dass sie sollen nachfolgen seinen Fußstapfen, Joh. 8,12. so gibt sie Gott dahin, dass sie dem Satan folgen, und sein teuflisches Leben annehmen durch allerlei Gräuel, Lügen und Unbarmherzigkeit, zu vollbringen die Werke der Finsternis, weil man nicht will im Licht wandeln, wie der Herr Joh. 12,33. spricht: Lieben Kinder wandelt im Lichte, weil ihrs habt, auf dass euch die Finsternis nicht überfalle.

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8. Und letztlich, weil Gott die Heiden mit so schrecklicher Blindheit und verkehr-tem Sinn gestrafet, weil sie dem kleinen innerlichen Licht, so in ihnen von Natur ist, und in ihrem eigenen Gewissen, und dem Gesetze der Natur nicht haben Folge getan, oder wie St. Paulus redet, Röm. 1,28. nicht geachtet haben, dass sie Gott erkennen, also, dass sie durch ihre eigene Schuld verlustig worden sein der ewigen Seligkeit: wie vielmehr werden die der ewigen Seligkeit beraubt werden, welchen nicht allein von Natur, sondern durchs geoffenbarte Wort Gottes, und durch den neuen Bund, Gottes Wort ins Herz geschrieben, und achten doch die dieser großen Gnade und Seligkeit nicht, davon Jer. 31,33. stehet: Das soll der neue Bund sein: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihr Herz schreiben, und soll keiner den Andern lehren, und sagen: Erkenne den Herrn, sondern sie sollen mich alle kennen, groß und klein, spricht der Herr. Denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünden nimmermehr ge-denken.

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9. So wir nun, spricht die Epistel Hebr. 19,26. seq. mutwillig sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen, haben wir fürder kein ander Opfer mehr für die Sünde, sondern ein schrecklich Warten des Gerichts und des Feuer-eifers, der die Widerwärtigen verzehren wird. Denn so jemand das Gesetz Moses bricht, der muß sterben ohne Barmherzigkeit durch zwei oder drei Zeugen. Wie viel ärgere Strafe wird der verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen tritt, und das Blut des Testaments unrein achtet, durch welches er geheiligt ist, und den Geist der Gnaden schmähet? Denn wir wissen, dass er sagt: die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr. Schrecklich aber ists, in die Hand des lebendi-gen Gottes fallen. Welcher Spruch nicht von denen, so aus Schwachheit, son-dern mutwillig wider die erkannte Wahrheit sündigen, und in Unbußfertigkeit ver-harren, zu verstehen ist.

 

Gebet um ein reines und gutes Gewissen.

 

Gütiger Gott und Vater! ich bin nicht nur durch die Natur auswendig und inwendig überzeuget, dass ein Gott ist, welchem ich zu preisen und ihm zu dienen schuldig sei, sondern ich werde auch aus dem geoffenbarten Wort gelehret, wie ich zu Gott dem höchsten Gut kommen, und ihm einen gefälligen Dienst leisten möge; derowegen so hilf mir, o Gott! dass ich solch gedoppeltes Zeugnis recht ge-brauche, alle Sünden und Laster fliehe, im Gegenteil einen vernünftigen und gläubigen Gottesdienst dir stets abstatte im Geist und in der Wahrheit. Ach laß mich nicht wider besser Wissen und Gewissen, wider deine göttliche Wahrheit tun und handeln, dass mein Gewissen mich nicht anklage und verdamme, und ich aus gerechtem Gerichte dahin gegeben werde in einem verkehrten und verstockten Sinn, zu tun, das nicht taugt, und dadurch mir selbst häufe den Zorn auf den Tag des Zorns, und der Offenbarung deines gerechten Gerichts, da drin Feuereifer die Widerwärtigen verzehren wird. Davor behüte mich in allen Gna-den, Amen.

 

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