DAS DREIZEHNTE KAPITEL. (2.B./13.K.)

 

WIE CHRISTUS JESUS DAS RECHTE BUCH DES LEBENS SEI,

UND WIE ER UNS DURCH SEINE ARMUT LEHRET

DER WELT HERRLICHKEIT VERSCHMÄHEN.

 

Inhalt.

1) Christus ist das Buch des Lebens nach seinem Verdienst, und mit seinem Exempel. 2) Sein ganzes Leben aber war ein stetes dreifaches Kreuz, so da bestand in großer Armut, noch größerer Verachtung, allergrößten Schmerzen. 3) Seine heilige Armut, als das erste Stück seines trübseligen Lebens, hat drei Gra-de: Er war 1. arm an zeitlichen Gütern. 4) 2. Er war arm an Freunden. 5) 3. Er äußerte sich seiner göttlichen Gewalt und Herrlichkeit, 6) unterwarf sich allen Kreaturen, uns zu gut; 7) und erniedrigte sich aufs tiefste, uns zu beschämen. 8) Er äußerte sich seiner göttlichen Weisheit, 9) des Ansehens großer Herrlichkeit, 10) und Heiligkeit. 11) Summa, alles dessen, was in der Welt ist. 12) O Torheit, dass wir nichts leiden wollen! 13) Wie weit sind wir vom Wege Christi entfernt!

 

Ihr wisset die Gnade unsers Herrn Jesu Christi, daß, ob er wohl reich ist, ward er doch arm um euretwillen, auf dass ihr durch seine Armut reich würdet. 2 Kor. 8,9.

 

Alle, die an Jesum Christum, den Sohn Gottes glauben, die sind in das Buch des Lebens geschrieben, derselben Name ist im Himmel geschrieben, Luk. 10,20. und wird an jenem Tage offenbaret werden, wenn Gott aller Gläubigen Namen vor allen heiligen Engeln bekennen wird, Off. 3,5. Es ist aber unser Herr Jesus Christus noch ein lebendiger Spiegel eines heiligen christlichen Lebens, weil er ist das ewige Wort und die Weisheit des Vaters, darum in die Welt gekommen und Mensch geworden, auf dass er durch seine heilwärtige Lehre, durch sein Leben und Tod uns lehrte, und durch sein heiliges Exempel uns vorleuchtete.

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2. Nun ist aber sein ganzes Leben, von Mutterleibe an, bis in seinen Tod, nichts anders gewesen, denn ein stetiges Kreuz, welches in diesen drei Stücken be-stehet, die nimmer in seinem Leben auf dieser Welt von ihm gewichen: das erste ist große Armut, das andere noch größere Verachtung, das dritte die allergrößten Schmerzen und Pein. Das hat sich mit seinem Leben angefangen, und mit sei-nem Tode geendet.

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3. Seine heilige Armut hat wieder drei Grade: erstlich, dass er klaget: die Vögel unter dem Himmel haben ihre Nester, die Füchse ihre Löcher; aber des Men-schen Sohn hat nicht so viel, da er sein Haupt hinlege, Matth. 8,20.

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4. Zum andern, so ist er arm gewesen an Freunden. Er hat von einer armen Mutter wollen geboren werden in großer Armut, Luk. 2,7. und keines Reichen, Herrlichen und Gewaltigen in dieser Welt Freundschaft gesucht. Lazarus zu Bethanien ist sein Freund gewesen, Joh. 11,11. welchen er aber nicht zum Freunde erwählet um seines Reichtums willen, sondern um seines Glaubens willen, dass er glaubte, er wäre der Messias.

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5. Der dritte Grad seiner Armut ist, dass er sich seiner göttlichen Gewalt und Herrlichkeit geäußert hat, Phil. 2,7. und sich ganz und gar in unser Elend ver-senket; ist ganz schwach und müde geworden, wie andere Menschen, sonderlich von der großen Menge der Kranken, die er geheilet, die er sich so hart hat lassen angelegen sein, dass die Jünger gemeinet, er würde von Sinnen kommen, Mark. 3,21. und sie haben daran gedacht, dass geschrieben stehet: Er trug unsere Krankheit, Matth. 8,17. Jes. 53,4. Er ist keinem Ungemach, keiner Armut, keinem Nebel ausgewichen, da ihm sonst wohl alle Kreaturen hätten dienen müssen, und alle Engel auf ihn warten, so hat er doch alles von allen geduldig erlitten, und dagegen seine Gewalt über alle Kreaturen nicht gebraucht. Hat zugelassen, dass ihm die Dornen sein Haupt zerstochen und verwundet, hat seine Hände binden lassen, seinen heiligen Leib geißeln, seine Hände und Füße durchgraben, seine Seite eröffnen. Welches alles er mit einem Worte hätte hindern können, ja mit einem Wink allen Kreaturen gebieten, ihm kein Leid zuzufügen.

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6. Summa, er hat sich allen Kreaturen unterworfen um unsertwillen, auf dass er uns die Herrschaft über alles, die wir verloren hatten, wieder erwärbe, dass er uns durch seinen Sieg und durch seine Auferstehung unüberwindlich machte. Ja, was noch mehr ist, er hat dem Satan zugelassen, ihn zu versuchen, umher zu führen, Matth. 4,1-8. und des Teufels Werkzeugen, den Juden, verhänget, ihn zu peinigen, und ans Kreuz zu schlagen, auf dass er dadurch die Menschen von der Gewalt des Teufels und aller seiner Werkzeuge erlösete.

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7. Also ist der Allerstärkste schwach worden, der Allergroßmächtigste ohnmäch-tig, der Allerherrlichste der Allerverachtetste, der Allerschönste der Allerabscheu-lichste, unterworfen allen Plagen, Schmerzen und Leiden, auf dass er uns be-schämte, die wir so zart und weichlich sein, dass wir auch nicht gerne ein kleines Ungemach und Kreuz um Gottes und unsers Nächsten willen auf uns nehmen, sondern auch wider das Kreuz, so Gott zu unserer Besserung und zu seinen Ehren uns zuschicket, murren und grunzen.

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8. Nicht allein aber hat er sich seiner göttlichen Gewalt geäußert, sondern auch seiner göttlichen Weisheit. Denn er hat in der höchsten Einfalt gewandelt, als ein Unwissender, nicht als ein hochgelehrter, ansehnlicher Doktor, der mit großer Kunst und Weisheit daher pranget, sondern in der Stille, in der Wahrheit, gött-licher Kraft, in Unschuld, in Heiligkeit, in der Liebe, in Sanftmut und Demut. Und mit schlechten einfältigen Worten hat er den Weg Gottes gelehret. Matth. 22,16. Darüber ist er von den Stolzen verachtet, und als ein Unweiser gehalten worden; da er doch die ewige Weisheit ist, der durch die Propheten geredet, und ein Licht und Erleuchter ist der Menschen, uns zur Ehre, wie wir uns unserer Gaben nicht überheben sollen, sondern dieselben in Demut und Einfalt gebrauchen.

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9. Er hat sich geäußert des Ansehens großer Herrlichkeit. Darum ist er mit den Sündern umgangen, hat mit ihnen gegessen, getrunken, dass er sein Amt ver-richtete, das Verlorne wieder suchte, und selig machte, Luk. 19,10. Daher er einen Namen bekommen, der Zöllner und Sünder Geselle, ein Weinsäufer, Luk. 7,34. ein Samariter, Joh. 8,48. Ja endlich hat er sich, als der größte Übeltäter, zwischen zween Mörder aufhenken lassen, damit er unsere Missetaten trüge.

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10. Er hätte sich wohl können mit seiner Heiligkeit und Unschuld einen größern Namen machen, als Johannes der Täufer das scheinende Licht, Joh. 5,35. aber er hat sich solches Namens geäußert, auf dass er zunichte machte unsere Heuchelei, die wir oft für große Heilige angesehen sein wollen, da es im Grunde nichts mit uns ist, als ein Schein der Gottseligkeit.

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11. Summa: Er hat sich alles dessen geäußert, was in der Welt ist. Er war ein König, und ist den Königen und Herrschaften untertan gewesen, ja seiner armen Mutter und Pflegvater, Luk. 2,51. Er war ein Herr, und ist der ärmste und ge-ringste Knecht auf Erden geworden, Matth. 20,28. Er war der allerhochweiseste Prophet, und erwählte arme, unweise Leute zu seinen Jüngern. Er hätte sich ja billig seiner Herrschaft über seine Jünger sollen anmaßen; aber er spricht: Ich bin mitten unter euch wie ein Diener, Luk. 22,27. Er war zwar ihr Herr und Meister, aber nicht ein Meister der Herrschaft über sie in dieser Welt, sondern ein Meister der Lehre und des Lebens, also, dass er sie mit seinem Exempel lehrte den Gehorsam, die Demut, die Untertänigkeit. Darum trug er zuvörderst, als das Haupt, Verachtung und Schmach, Armut und Elend, dienete seinen Jüngern, wusch ihnen ihre Füße, Joh. 13,5. Also war er ihr Meister und Herr, sie mit sei-nem Exempel zu lehren.

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12. Ach unserer großen Torheit! die wir nach Ehren und Herrlichkeit trachten, nichts leiden wollen, niemand untertan und gehorsam sein wollen, eitel Freiheit suchen, und nach unserm eigenen Willen leben wollen, da doch unser Herr Christus nicht also gelebt hat, sondern mit seinem heiligen Exempel, als mit dem Buche des Lebens, uns viel anders gelehret.

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13. Siehe nun, wie ferne der Weg, den du wandelst, ist von dem Wege deines Herrn Christi. Denn du wandelst nicht den Weg Christi, deines Herrn, sondern den Weg dieser Welt, der zum Verderben führet. Das ist das erste Stück des trübseligen Lebens Christi.

 

Gebet um Verschmähung der Welt Herrlichkeit.

 

Herr Jesu! laß mich stets in dein heiliges Leben, als in das rechte Buch, sehen, und daraus lernen, wie ich mein Leben anstellen, und dir nachfolgen solle in der Armut, Niedrigkeit, Sanftmut, Verachtung aller Hoheit, Ehre, Reichtum und Herr-lichkeit, Verschmähung der Welt und ihrer Eitelkeit. Ach! mache mich recht geist-lich arm, damit ich durch deine Armut reich werde, Amen.

 

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