DAS SECHZEHNTE KAPITEL. (1.B./16.K.)

 

IN EINEM WAHREN CHRISTEN MUSS ALLEZEIT SEIN 

DER STREIT DES GEISTES UND DES FLEISCHES.

 

Inhalt.

Zum Selbsthaß gehöret drittens, dass man stets mit seinem Fleische kämpfe.

1) In einem Christen sind zweierlei widrige Menschen. 2) Die heißen Geist und Fleisch. 3) Welcher von diesen beiden im Menschen herrschet, von dem hat er seinen Namen. 4) Der Glaube und der Geist ist im Grunde eins. 5) Dieser muß das Fleisch in uns überwinden, das ist der größte Sieg, 6) und dienet zur Er-haltung des ganzen Menschen. 7) Dieser schwere Kampf gebieret einen herr-lichen Sieg. 8) Es fühlen zwar die Wiedergebornen noch die in ihnen wohnende Sünde; 9) weil sie aber dawider streiten, so verdammet sie nicht. 10) Weil die übrigen Kananiter im Lande wohnten, aber nicht herrschten. 11) Bei täglicher Buße hat man tägliche Vergebung der Sünden.

 

Ich sehe ein ander Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstrebet dem Gesetz in meinem Gemüte. Röm. 7,23.

 

In einem jeden wahren Christen sind zweierlei Menschen, ein innerlicher und äußerlicher. Diese zwei sind wohl bei einander, aber wider einander, also, dass das Leben des einen des andern Tod ist. Lebet und herrschet der äußerliche Mensch, so stirbt der innere. Lebet der innere Mensch, so muß der äußerliche sterben, wie St. Paulus 2 Kor. 4,16. sagt: Ob unser äußerlicher Mensch verwe-set, so wird doch der innerliche täglich erneuert.

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2. Diese beide nennet St. Paulus Röm. 5,23. das Gesetz seines Gemüts, und das Gesetz seiner Glieder. Und Gal. 5,17. nennet er diese zwei Geist und Fleisch. Das Fleisch gelüstet wider den Geist, und den Geist wider das Fleisch.

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3. Überwindet nun der Geist, so lebt der Mensch in Christo und in Gott, und wird geistlich genannt, und lebt in der neuen Geburt; überwindet aber das Fleisch, so lebt der Mensch im Teufel, in der alten Geburt, und gehört nicht in das Reich Gottes, und wird fleischlich genannt. Fleischlich aber gesinnet sein, ist der Tod, Röm. 8,6. Darum von dem, der die Herrschaft im Menschen behält, hat der Mensch seinen Namen in der Schrift, dass er fleischlich oder geistlich heißet.

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4. Wenn einer nun in diesem Kampf der bösen Lüste überwindet, das ist die Stärke des Geistes des innern Menschen; wo aber nicht, so ist es des Glaubens und Geistes Schwachheit, denn Glaube und Geist ist eins, wie geschrieben stehet: 2 Kor. 4,13. Weil wir den Geist des Glaubens haben, so reden wir auch.

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5. Es ist der viel stärker, der sich selbst überwindet, und seine bösen Lüste, als der die Feinde überwindet, wie in Spr. Sal. 16,32. geschrieben ist: Ein Geduldiger ist besser, denn ein Starker, und der seines Muts ein Herr, ist besser, denn der Städte gewinnet. Willst du nun einen großen Sieg haben, so überwinde dich selbst, deinen Zorn, Hoffart, Geiz und böse Lust, so hast du das Reich des Satans überwunden; denn in diesen Dingen allen hat der Satan sein Reich. Es sind wohl viele Kriegsleute, sie haben helfen Städte gewinnen, aber sich selbst haben sie nie überwunden.

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6. Hangest du dem Fleisch allzusehr nach, so tötest du die Seele. Nun aber ist es besser, dass die Seele überwinde, auf dass auch der Leib mit erhalten werde, als dass der Leib überwinde, und Leib und Seele verloren werde. Und allhie heißt es: Wer sein Leben lieb hat, der wird es verlieren, und wer sein Leben in dieser Welt hasset, der wird es zum ewigen Leben erhalten. Joh. 12,25.

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7. Nun ist es wohl ein schwerer Kampf, aber er gebieret einen herrlichen Sieg, und erwirbt eine schöne Krone: sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben, Offenb. 2,10. Item: Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwindet; die Welt ist aber in deinem Herzen. Überwinde dich selbst, so hast du die Welt überwunden.

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8. Nun möchte einer sagen: Was soll ich denn tun, wenn mich die Sünde bis-weilen wider meinen Willen überwindet, soll ich darum verdammt, oder kein Kind Gottes sein, wie St. Johannes sagt: Wer Sünde tut, der ist vom Teufel, 1 Joh. 3,8? Antwort: Wenn du den Streit des Geistes wider das Fleisch in dir befindest, und tust oft, was du nicht willst, wie St. Paulus spricht, so ist es eine Anzeigung eines gläubigen Herzens, dass dann Glaube und Geist wider das Fleisch kämpfen. Denn St. Paulus lehret uns mit seinem eigenen Exempel, dass solcher Streit in den Frommen und Gläubigen sei, da er spricht: Röm. 7,23. Er fühle ein ander Gesetz in seinen Gliedern, das widerstrebet dem Gesetz meines Gemüts, das ist dem neuen, inwendigen Menschen, und nehme ihn gefangen in der Sünden Gesetz, dass er tue, was er nicht wolle. Das Wollen habe er wohl, aber das Vollbringen nicht. Das Gute, das er wolle, das tue er nicht, und das Böse, das er nicht wolle, das tue er; und klaget darüber: Ich elender Mensch, wer will mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? das ist, von dem Leibe, darinnen Sünd und Tod stecket, die mich so plagen. Ist eben das, was der Herr spricht: Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach, Matth. 26,41. Mark. 14,38.

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9. So lange nun dieser Streit im Menschen währet, so lange herrscht die Sünde nicht im Menschen. Denn wider welchen man immer streitet, der kann nicht herrschen. Und wenn sie im Menschen nicht herrschet, weil der Geist wider die Sünde streitet, so verdammet sie auch den Menschen nicht. Denn obwohl alle Heiligen Sünden haben, wie St. Paulus spricht: Ich weiß, dass in meinem Fleisch nichts Gutes wohnet, Röm. 7,18. und St. Johannes: So wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, 1 Joh. 1,8. so verdammet doch die einwohnende Sünde nicht, sondern die herrschende Sünde. Und weil der Men-sch wider die Sünde streitet, und nicht darein williget, so wird ihm die Sünde nicht zugerechnet, wie St. Paulus Röm. 8,1. spricht: Es ist nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind, die nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist leben, das ist, die das Fleisch nicht herrschen lassen. In denen aber solcher Streit nicht ist, die solchen Streit nicht fühlen, die sind nicht wiederge-boren, die haben herrschende Sünden, sind überwunden, sind Knechte der Sünden und des Satans, und sind verdammt, so lange sie die Sünden in sich herrschen lassen.

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10. Dieses hat uns Gott durch die Kananiter vorgebildet, so im gelobten Land wohneten, aber nicht herrschen durften. Gott läßt die Kananiter unter Israel wohnen, Jos. 16,10. aber sie sollten nicht herrschen, sondern Israel sollte Herr sein, und nicht die übergebliebenen Kananiter; also bleiben die Sünden übrig in den Heiligen, aber sie sollen nicht herrschen. Der neue Mensch, der Israel heißet, Gotteskämpfer, 1 B. Mos. 32,38. der soll herrschen, der alte Mensch soll gedämpfet werden.

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11. Das beweiset, stärket und erhält den neuen Menschen, dass er einen steti-gen Kampf führet wider den alten Menschen. Der Sieg und Stärke des Geistes beweiset einen rechten Israeliten, einen neuen Menschen. Der Streit beweiset einen Christen; das Land Kanaan wird mit Streit und Kampf eingenommen und behalten. Bekommt aber bisweilen der Kananiter und das Fleisch die Herrschaft, so muß Israel und der neue Mensch nicht lange unterliegen, und die Sünde und den Kananiter nicht lange herrschen lassen, sondern er muß sich durch die Gnade Gottes wieder stärken in Christo, durch wahre Buße und Vergebung der Sünden wieder auferstehen, und den rechten Josuam, den Fürsten des Volks, anrufen, dass er ihn stärke, und in ihm siege, so ist der vorige Fall zugedeckt, vergessen und vergeben, und ist der Mensch wieder erneuert zum Leben, und in Christum versetzet. Und ob du gleich noch viel Schwachheit des Fleisches fühlest, und nicht alles tun kannst, wie du gerne wolltest, so wird dir, als einem unbußfertigen Menschen, das Verdienst Christi zugerechnet, und mit seinem vollkommenen Gehorsam deine Sünden zugedecket. Und also hat in solcher täglichen Buße, wenn man von Sünden wieder aufstehet, die Zurechnung des Verdienstes Christi allezeit Raum und Statt. Denn dass sich ein gottloser, unbuß-fertiger Mensch, der die Sünde weidlich in sich herrschen läßt, und dem Fleisch seine Lust weidlich büßet, das Verdienst Christi wollte zurechnen, ist umsonst und vergeblich. Denn was sollte dem Christi Blut nützen? der dasselbige mit Füßen tritt? etc. Hebr. 10,29.

 

Gebet um Sieg über das Fleisch und dessen Lüste.

 

O ich elender Mensch! was finde ich doch für Widerstand vom Fleisch in mir, wenn ich auch ernstlich Gutes tun will? Und wie schwach sind meine Kräfte, das Böse zu überwinden, und das Gute zu vollbringen? Doch, weil du, mein Gott und Herr! mich vorbereiten, stärken, kräftigen und gründen willst, dass ich in dir und in der Macht deiner göttlichen Stärke, dem Fleisch und Blut, ja auch dem Satan und seinem ganzen Heer, Widerstand tun, alles wohl ausrichten, und das Feld behalten möge; so laß mich an deiner Gnade und Hilfe nimmer verzagen, son-dern getrost sagen und singen: Ich lieg im Streit und widerstreb, hilf, o Herr Christ mir Schwachen.

 

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