ERSTER TEIL. (6.B./1.T./VERANTW.D.1.B.)

 

WIEDERHOLUNG UND VERANTWORTUNG

DES ERSTEN BUCHS VOM WAHREN CHRISTENTUM.

 

Das erste Kapitel.

Gottes Bild.

----------

Das Fundament und Grund des wahren Christentums ist das wahre Erkenntnis unsers Herrn Jesu Christi, nach seiner heiligen Person und Mittleramt, in wel-chem er uns von Gott gemacht ist zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung, 1 Kor. 1,30. Außer diesem Grund kann kein anderer Grund der Seligkeit gelegt werden, Kap. 3,11. Darum ist uns Christus in dem heiligen Wort Gottes klärlich geoffenbaret, dass wir ihn, als einem klaren Spiegel und hellen Licht, sehen und hören können, und ihn durch Gottes Gnade und Geist (so alle-zeit bei dem Wort Gottes sein) durch den Glauben ergreifen, und in unser Herz fassen können. Also muß ein wahrer Christ seinen Herrn Jesum Christum allezeit in seinem Herzen haben und behalten, mit allen seinen Wohltaten, so hat und behält er auch den Vater und den heiligen Geist, und also kommt die heilige Dreieinigkeit durchs Wort Gottes zu uns, und macht Wohnung bei uns. Und also wird der Mensch wiederum Gottes Bild. Denn wir wissen den Ratschluß der heiligen Dreieinigkeit über die Erschaffung des Menschen: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, 1 Mos. 1,26. Was nun dasselbige Bild für ein herrlicher Ornat und heiliger Schmuck muß gewesen sein, für eine hohe Weisheit, Gerechtigkeit und Heiligkeit, ist nicht auszudenken. Was auch Gott der Allmächtige, für Lust und Freude, Wohlgefallen und Lieblichkeit an den Men-schen muß gehabt haben, ist wohl abzunehmen aus dem Spruch: Spr. Sal. 8,31. Meine Lust oder Lieblichkeit ist bei den Menschenkindern. Wie gerne wollte aber Gott der Herr den Menschen zu solcher Heiligkeit wieder bringen? Wie hat er seines eigenen Sohnes darum nicht verschonet? Wie freundlich spricht er unsern Seelen zu in seinem Wort? denn durch dasselbe sein Wort handelt er vornehm-lich mit unsern Seelen, auf dass er sich selbst durchs Wort unserm Herzen und Seele insinuiere, wie von dem heiligen Geist geschrieben steht, Weish. 7,37. dass er sich vornehmlich in die heilige Seele gebe, und mache Propheten, und Gottesfreunde. Darum der 27. Ps. lehret, dass der Herr selber unser Licht und Heil, und unsers Lebens Kraft sei, und ist nichts gemeiners im Wort Gottes.

----------

Das zweite Kapitel.

Abfall.

----------

Der böse Feind aber, der Satan, hat aus Neid und Feindschaft sich an den Men-schen gemacht, und sich unterstanden, denselben von Gott abzuwenden; und hat erstlich des Menschen Herz und Seele angegriffen, und so lange an dersel-ben mit Lügen, List und Betrug hantieret, dass er ihr Gottes Wort, den Glauben, die Liebe, und Gehorsam Gottes aus dem Herzen gerissen, sie beraubt des schönen Bildes Gottes, das Herz, Seele und Gewissen vergiftet mit aller teuf-lischen Unart, so listig, verborgen, so tief, so unergründlich, dass die Schrift nicht genugsam darüber klagen kann. Sintemal die ganze menschliche Natur so sehr verdorben, dass sie Gott dem Herrn geistlich abgestorben, und vor Gott geistlich tot ist, nach dem strengen und eifrigen Urteil Gottes: Welches Tags du von dem Baum des Erkenntnis Gutes und Böses essen wirst, sollst du des Todes sterben, 1 Mos. 2.17.

----------

Das dritte Kapitel.

Christus.

----------

Inhalt.

1) Die ganze heilige Schrift gehet auf des gefallenen Menschen Herz, Christum in dasselbe zu pflanzen durch den Glauben, 2) welches Gottes Werk und Gabe, lebendig, geschäftig und kräftig ist. 3) Durch denselben wird der ganze Christus unser eigen. 4) Durch denselben werden wir gerecht vor Gott, und zu neuen Kreaturen wiedergeboren; 5) bekommen ein neues Herz und Geist, und ein geist-liches Leben.

----------

Darauf ist also bald das heilige göttliche Wort geoffenbaret durch Gott den Herrn selbst, von der Wiederbringung des gefallenen, verlornen und geistlich gestorbe-nen Menschen, welches Wort Gottes vornehmlich gerichtet ist auf des Menschen Herz und Seele, und weil dieselbe von Gott abgewichen, rief sie Gott der Herr wieder zu sich, und durch sein Wort erwecket Gott der Herr den Glauben im Herzen der gefallenen Menschen an den verheißenen Weibessamen, welcher der Schlange sollte den Kopf zertreten, 1 Mos. 1,15. Dahin gehet die ganze heilige Schrift, nämlich auch des Menschen Herz, Gewissen, Seele und Gemüt, auf dass sie Christum ins Herz bringe und einpflanze, durch den Glauben. Daher ist gekommen die mancherlei Art reden, vom Glauben, von des Glaubens Wir-kung, so vornehmlich in des Menschen Herz, Geist und Seele seinen Sitz, seine Wurzel, seine Kraft und Leben hat.

----------

2. Darum legen wir allhier bald anfänglich den Grund unserer Seligkeit, in das Wort der Gnade Gottes und der Verheißung von Christo Jesu unserem Herrn, welcher im Wort der Gnaden im Herzen, in unserer Seele, im Geist muß ergriffen werden. Ist demnach der Glaube nicht ein Menschenwerk, sondern ein Werk Gottes, durch das kräftige Wort Gottes, durch den heiligen Geist und heilige Sakramente im Herzen, und in der Seele gewirkt und angezündet; ist auch nicht ein fleischlicher menschlicher Wahn oder eine bloße Wissenschaft menschlichen natürlichen Verstandes, sondern eine Gabe Gottes, eine Frucht des heiligen Geistes, ein lebendiges, geschäftiges, tätiges, kräftiges Werk, wie die Epistel an die Hebr. am 11. des Glaubens Kräfte herrlich beschreibt, und Luther in der Vor-rede über die Epistel an die Römer.

----------

3. Dieser Glaube macht uns die Verheißung und das Wort der Gnaden, und Christum im Wort ganz zu eigen, mit seiner ganzen Person, mit seinem ganzen Amt, mit seiner heiligen Menschwerdung, mit seinem ganzen Evangelio, mit seinem Leiden und Sterben, Auferstehung, Himmelfahrt und Herrlichkeit, mit seinem ganzen heiligen Verdienst, mit aller seiner göttlichen Weisheit, Gerechtig-keit, Heiligkeit, Erlösung, Leben und Seligkeit. Damit aber ein jeder Christen-mensch dieser Wohltaten seines Erlösers möge genießen und teilhaftig werden, so erbeut sich Gott aus lauter Gnade und Barmherzigkeit, den heiligen Geist zu geben allen, die ihn darum bitten, und denselben durchs Wort, dero beider Frucht ist der Glaube, auf dass ein jeglicher durch seinen eigenen Glauben die hohen Wohltaten Christi ergreife, denn der Gerechte wird seines Glaubens leben, Habac. 2,4.

----------

4. Durch diesen Glauben werden wir allein vor Gott gerecht, und durch keines Menschen Werk, wie das Exempel unserer ersten Eltern klärlich bezeuget, welche in ihrer Bekehrung und Rechtfertigung sich allein an das Wort der Gna-den, als verlorne Menschen, ohne alle Werke haben halten müssen. Dadurch haben dieselben auch ein ander neues Herz bekommen, ein gläubiges Herz für das ungläubige, ein gehorsames Herz für das ungehorsame, ein bekehrtes Herz zu Gott, für das abgekehrte Herz von Gott, ein kindliches Herz für das furchtsame knechtische Herz. Und also sind sie wieder neu geboren durch den Glauben, das Wort der Gnaden und durch den heiligen Geist. Dies heißt eigentlich die neue Geburt, darum, dass wir durch den Glauben Kinder werden. Dazu unser Erlöser und Seligmacher im neuen Testament das Mittel der heiligen Taufe verordnet und eingesetzt hat, dadurch wir in den ewigen Gnadenbund aufgenommen wer-den, welcher ewig ist, und nicht hinfällt, ob wir gleich fallen, sondern uns vielmehr wiederum aufrichtet durch den Glauben, Jes. 34,10. und Ps. 146,8. Der Herr richtet auf die niedergeschlagen sein. Diese neue Geburt macht uns zu neuen Kreaturen, darum wir nicht in der alten, adamischen, fleischlichen, sündlichen, unreinen Geburt leben sollen, sondern in einem neuen, geistlichen und heiligen Leben.

----------

5. Dies neue geistliche Leben nimmt seinen Ursprung aus dem wahren leben-digen Glauben, und aus dem heiligen Geist, welcher ist der Geist Jesu Christi, unsers Herrn, welchen wir von ihm, als dem Gesalbten des Herrn, und unserm ewigen Hohenpriester empfangen, dadurch ein Unterschied gemacht wird zwi-schen Gläubigen und Ungläubigen; denn wer den Geist Christi nicht hat, der ist nicht sein, Röm. 8,9.

----------

Gleichwie wir nun des bösen Geistes Unart und Wirkung durch die fleischliche, sündliche Geburt empfangen haben; also müssen wir auch aus Christo einen neuen gewissen Geist und ein neues Herz empfangen, den Geist des Glaubens, der Liebe, der Hoffnung, der Gnaden und des Gebets, den Geist der Demut, der Sanftmut, der Geduld, der Langmut, der Barmherzigkeit, der Dankbarkeit, des Lobs Gottes, den Geist des Fleißes, des Gehorsams, der Freundlichkeit, der Gütigkeit, der Mildigkeit; den Geist der Keuschheit, der Mäßigkeit, der Wahrheit, der Aufrichtigkeit, der Beständigkeit, wie St. Paulus die Früchte des Geistes be-schreibet, Gal. 5,22. Dies ist das neue geistliche Leben in uns; ist aber nicht unsere Gerechtigkeit vor Gott, weil es unvollkommen ist, und mit vielen Gebre-chen behaftet. Darum bleibt Christus allein unsere Gerechtigkeit mit seinem heili-gen Verdienst.

----------

Das vierte Kapitel.

Buße.

----------

Dies ist nun das Fundament, Grund und Ursache, warum die ganze heilige Schrift auf den inwendigen neuen Menschen gerichtet ist, nämlich denselben aufzurichten, und den alten Menschen zu destruieren und abzuschaffen. Darum fürs 4. die wahre Buße hierauf notwendig folgen muß, welcher Effekt ist die Tötung des alten Menschen, auf dass der neue lebe. Und hie muß der innerste Grund des Herzens angegriffen werden, das tief verborgene unergründliche Übel der Erbsünde, und muß derselbe Gräuel insonderheit erklärt werden, oder es kann nimmermehr keine wahre gründliche Buße geschehen. Und weil die ganze menschliche Natur so ganz durch und durch vergiftet und verdorben ist, dass sie von Natur nichts kann, denn Böses gedenken und wollen, und Lust dazu hat, ja so kräftig zum Bösen geneigt ist; so muß dieselbe boshaftige Natur also ge-dämpft und geändert werden, dass der Herr sagt, Luk. 9,13. dass wir uns selbst verleugnen müssen, und daselbst am 14. Kap. v. 26.33. dass wir unser eigen Leben hassen müssen, und absagen allem, was wir haben, oder wir können des Herrn Jünger nicht sein. Im Gegenteil aber müssen die, so wahre Buße tun wollen, des Herrn Sanftmut und Demut an- und auf sich nehmen, als des Herrn Joch. Was ist des Herrn Christi Joch tragen anders, als seinem heiligen Exempel folgen, und seine Sanftmut und Demut auf sich nehmen? Denn Hoffart und Zorn ist des Teufels Joch, welches tausendmal schwerer zu tragen ist, als Christi Demut und Sanftmut. Wer dies nicht weiß, oder verstehet, wird nimmermehr auf den rechten Grund kommen, wird auch nimmermehr ein menschliches Herz bekehren. Siehe hie, ob dieses Weigelisch ist.

----------

Das fünfte Kapitel.

Glaube.

----------

Soll nun diese Buße heilsam sein, so muß notwendig der Glaube dabei sein, dadurch Gott das Herz erleuchtet, beweget und rühmet. Da hast du ja wiederum ein unwiderlegliches Zeugnis, dass Gott mit dem inwendigen Menschen, und mit der menschlichen Seele handelt. Und weil die heilige Schrift ein Wort des Glau-bens ist, wie soll sie denn anders, womit, als mit des Menschen Seele, Geist, Herz, Sinn und Gemüt handeln, dasselbe zu Gott zu richten, dass sie Gott an-hange, aus Gott ihr Leben, Trost, Heil und Seligkeit schöpfe, und sich mit Gott vereinige, auf dass der elende Mensch nicht mehr den Lügen des Satans glaube, und folge wie anfänglich, auch nicht der Welt und dem Fleische mehr anhange, und verblendet werde, sondern von dem ewigen Licht erleuchtet werde, in Geist und Glauben zur Seligkeit?

----------

Das sechste Kapitel.

Das Reich Gottes.

----------

Daraus folgt notwendig und unwidersprechlich: weil der Glaube aus dem Wort Gottes seinen Ursprung hat, und in den Herzen der Menschen gewirkt wird, dass Gottes Wort im menschlichen Herzen muß seine Lebenskraft erzeigen, und im Menschen erfüllt werden, wie kann es sonst den Glauben wirken? Wie kann sonst das Reich Gottes zu uns kommen, welches in uns ist, so das Wort Gottes nicht in uns haftet und saftet, wirket und lebet.

----------

2. Darum, auf dass es das Herz fassen könne durch den Glauben, hat Gott der Herr sein heiliges Wort also geoffenbaret, dass es nicht eine schlechte bloße Historie sein soll, sondern aller gläubigen Christen Leben und Wandel, Kreuz und Verfolgung, Glauben und Hoffnung ist in der heiligen Schrift dermaßen abgebil-det, dass es der Glaube bald annimmt, als wäre es von ihm allein gesagt, dass gleichsam der gläubige Mensch sein eigenes Herz in den Exempeln der Heiligen siehet; auch sein Kreuz, und seinen Trost, seine Hilfe und Errettung. Daher kommt es, dass der Glaube die Trostsprüche alten und neuen Testaments er-greift, ihm dieselben zueignet und zu Nutzen macht, dass gewißlich eine leben-dige Freude und Trost im Herzen daraus wird. Wie sollte denn Gottes Wort nicht im menschlichen Herzen leben? Ist denn der Geist Gottes im Wort tot und leb-los? Sind nicht des Herrn Worte Geist und Leben? Joh. 5,63. Oder meinest du, dass es außerhalb deinem Herzen, ohne Glauben seine Kraft erzeigen und erfüllen werde? Ja Gottes Wort wird täglich erfüllet, beide an und in den Gläubi-gen und Gottlosen. Jenen zum Trost, Schutz, Sieg, Errettung und zur Seligkeit, diesen zur Rache und Strafe, und wenn man die Augen wird auftun, so wird sichs also befinden. Siehe hier, ob dies Weigelisch sei. Wie oft erinnert uns der heilige Geist eines Trostspruchs in unsern Herzen, in welchem wir viele Weisheit, Lehre und Trost empfinden. Was ist die Weissagung? Jer. 31,33. Ich will ihnen mein Gesetz in ihr Herz und Sinn schreiben: Was dünket dich, ob das nicht eine hohe Gabe Gottes gewesen ist, als der Herr den Aposteln die Schrift eröffnet; du aber hast sie lange mit Haut und Haar gefressen.

----------

3. Was meinest du, ob es nicht höchst vonnöten, dass Gott der Herr zu deinem finstern Herzen spreche: Es werde Licht? Was siehest du in dem Opfer des Abels, in der Sündflut, in dem Rauchwerk Noä, in den reinen und unreinen Tieren, in der Taube und in dem Raben? Hast du nicht auch den Turm zu Babel in dir aufgebauet? Kennest du auch den Melchisedech? Sind Abrahams Gäste auch ehe bei dir gewesen, und haben Mahlzeit mit dir gehalten? Hast du auch ehe an des Lots Weib gedacht? Bist du der Sara oder Hagar Sohn? Hast du auch die geistliche Beschneidung angenommen? Hast du auch Abrahams Ver-suchung mit seinem eigenen Sohn erfahren? Weißt du auch den Unterschied unter Jakobs und Esaus Segen? Ist auch in dir der Esau dem Jakob gram? Hast du auch ehe die Himmelsleiter gesehen? Kennest du auch des Jakobs bunte Stäbe, und bunte Schafe? Sind dir nicht ehe die Mahanaim begegnet? Hast du auch ehe den Kampf Jakobs erfahren? Ist dir deine Tochter Dina nicht ehemals zur Hure geworden? Bist du nicht auch ehe ein Benjamin gewesen? Haben dich deine falschen Brüder nicht ehe in Ägypten verkauft? Hat dich dein Bruder Joseph nicht ehe in deinem Seelenhunger gespeiset? Hat er dir nicht ehemals aus seinem Becher geschenket? Hat dich Joseph nicht erst probieret, ehe er dich über seinen Tisch gesetzt? Glaubest du auch, dass dich Joseph werde auf seinem Wagen zu sich holen lassen, und sagen: Komme zu mir, und siehe dei-nen Vorrat nicht an, ich will dich und deine Kinder versorgen? Bist du nicht mit Israel aus dem ägyptischen Diensthause durch Angst und Meer gegangen? Hast du nicht auch mit Israel am roten Meer ein Siegeslied gesungen? Bist du nicht auch mit dem geistlichen Israel bei den zwölf Wasserbrunnen gewesen; und bei den 70 Palmenbäumen? Hast du nicht mit Israel Himmelsbrot gegessen, und von dem Felsen getrunken? Hast du nicht ehe den Donner und Blitz des Gesetzes empfunden? Bist du nicht gekommen zur Besprengung des heiligen Blutes? Hast du nicht ehe vor dem Gnadenstuhl gebetet und Cherubim gesehen? Den Vor-hang, den goldenen Leuchter, das Brustbild des Hohenpriesters, das süße Rauchwerk, die heiligen Opfer? Sind nicht in die Tafeln deines Herzens Gesetz und Evangelium geschrieben? Hast du nicht ehe das goldene Kalb angebetet? Hast du nicht ehe die weisen Baumeister gesehen, die am Heiligtum Gottes arbeiten? Hast du des Hohenpriesters Segen nicht gehöret? Bist du auch zu Jerusalem auf dem Jubelfest gewesen? Hast du auch von den Weintrauben aus dem gelobten Lande gegessen? Hast du auch den großen Goliath in dir erlegt? Hast du auch die eherne Schlange angesehen? Und was soll man sagen? Die Zeit würde es nicht ertragen, darinnen weiter zu traktieren; sollte ich auch die An-wendung der prophetischen und apostolischen Sprüche, und das Beispiel unsers Erlösers vornehmen, würde eine große Schrift daraus werden.

----------

4. Gehe nun hin, und sage, die Schrift müsse nicht in uns erfüllet werden; wird das nicht geschehen in dir, so wird dir Christi Menschwerdung, Evangelium, Wunderwerk, Leiden und Sterben, Auferstehung, Himmelfahrt und Herrlichkeit nichts nütze sein, und du wirst derselben nimmermehr teilhaftig werden.

----------

Das siebente Kapitel.

Gottes Wort im Gewissen und Herzen.

----------

Hieraus muß notwendig folgen, dass es müsse ein sehr grober unsinniger Ver-stand, ja ein großer Irrtum sein, wer nicht versteht und weiß, ja noch wohl leu-gnen darf, dass Gottes Wort in der Menschen Herzen, Geist und Seele müsse erfüllet werden kräftig nach seiner Art! oder empfunden oder geschmeckt wer-den, wie mans denn auch mag aussprechen.

NB. Was ist das angeschaffene Bild Gottes anfänglich anders gewesen, als was Gott in seinem Gesetz fordert? Und von der Predigt der Gnaden spricht St. Paulus: 2 Kor. 3,3. Ihr seid ein Brief Christi, durchs Predigtamt zubereitet, und durch uns geschrieben, nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht in steinerne Tafeln, sondern in fleischerne Tafeln eures Herzens. Wenn nun der heilige Geist dies innerliche Buch nicht bereitet, so bleibt freilich Gottes Wort wohl draußen; wo es aber durch den Geist Gottes ins Herz geschrie-ben wird, da wird es auch bewahret, dass es Frucht bringe in Geduld, da wird auch die Wahrheit gar bald erkannt, da ist das lebendige Zeugnis des Geistes, da ist die rechte grüne wohlschmeckende Weide der Schäflein Christi, da wird, als in einem goldenen Gefäß, das Himmelsbrot aufgehoben, und mit in das gelobte Land des ewigen Lebens gebracht. Gehe nun abermal hin, und sage, Gottes Wort müsse nicht in uns erfüllet werden.

----------

Das achte Kapitel.

Bußfertiges Herz.

----------

Hieraus siehest du nun, was für Herzen dieses großen Schatzes teilhaftig wer-den, und aller Wohltaten, so im Wort begriffen sein, sonderlich des Verdienstes Christi und der Vergebung der Sünden, nämlich allein die bußfertigen Herzen. Bedenke, was für Sünder gewesen sein, die der Herr Jesus hat aufgenommen. Bedenke, was die Opfer sein, die Gott gefallen. Bedenke, warum die Buße in der ganzen Welt geprediget ist, neben der Vergebung der Sünden. Bedenke auch, dass uns der Sohn Gottes beides zur Erlösung, als zu einem teuern Geschenk, von Gott gegeben ist, und auch zu einem Exempel und Regel unsers Lebens; auch mit was für einem Herzen und Gemüt wir in die Fußstapfen Christi treten müssen, nicht mit stolzem, hoffärtigem Gemüt.

----------

Das neunte Kapitel.

Glaube verleugnet.

----------

Darauf folget, dass ein wahrer Christ das Leben der jetzigen Welt examinieren muß, ob es dem Beispiel Christi ähnlich oder zuwider ist? Ist nun jemand ein wahrer Christ, der wird christliche Werke tun; ist er ein Kind des Glaubens, so wird er des Glaubens Früchte wirken, durch den heiligen Geist; ist er ein Kind des Unglaubens, so wird der Satan sein Werk in ihm haben. Daran, spricht der Evangelist, werden offenbar die Kinder Gottes und die Kinder des Satans, 1 Joh. 3,10. Wie die Frucht ist, so ist auch der Baum.

----------

Das zehnte Kapitel.

Falsches Christentum.

----------

Daraus folget ja unwidersprechlich, weil alles dem Glauben und der Liebe, und also Christo zuwider gehandelt und gelebt wird, und gleichwohl unter dem Na-men Christi geschiehet, dass ein solches Leben ein falsches Christentum sein muß; dawider um der Ehre Christi willen streiten, lehren, ermahnen, strafen, eifern, beten und wehren, ja weinen soll, wer Christum lieb hat, und die armen Seelen erretten will.

----------

Das elfte Kapitel.

Das Haupt wirket in den Gliedern.

----------

Unwidersprechlich folget hieraus, dass der kein wahrer Christ ist, der nicht christlich lebt, ist auch nicht Gottes Kind, denn er ist nicht aus Gott geboren.

----------

2. Ursache, in einem neugebornen Menschen lebet, regieret, wirket Christus selbst, und ist ein grober Irrtum, dass man meinet, ein Mensch, so er etwas Gutes tut, so tut ers selbst, da doch der Herr Christus sagt: Ohne mich könnet ihr nichts tun, Joh. 15,5. So verstehen auch ihrer viele nicht die Ursachen der Menschwerdung Christi, und warum ihn Gott zum Hohenpriester und zum Haupt seiner Gemeine gesalbet und gesetzt hat.

----------

3. Freilich ist das unter andern eine sehr wichtige Ursache, warum der Sohn Gottes unser Fleisch und Blut an sich genommen; nämlich, weil dasselbe von Gott durch die Sünden abgerissen, er dasselbe wiederum aufs genaueste in seiner hohen Person mit Gott vereinigte, in ihm selbst heiligte und reinigte, und in seiner heiligen Menschheit durch sein Leiden machte die Reinigung unserer Sünden; da ist dem höchsten Übel das höchste Gut entgegen gesetzt worden, und ist in unserm angenommenen Fleisch von Gott gesetzt zum Haupt der Kirche, zur rechten Hand der Kraft Gottes, auf dass er in seinen gläubigen Glie-dern auf Erden lebete, wirkte, herrschte, dieselbe erleuchtete, heiligte, stärkte, tröstete, segnete, und alles verrichtete, was zur ganzen Fülle seines geistlichen Leibes gehöret, und alles in allem wirkte und erfüllte; darum spricht St. Paulus: Phil. 4,13. Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht; und ist der nicht in uns, der da wirket alles in allem? 1 Kor. 12,6.

----------

4. Dazu gehört vornemlich, was St. Petrus spricht: Er sitzet zur Rechten Gottes im Himmel, zu geben Israel Buße und Vergebung der Sünden, Ap. Gesch. 5,31. Da bedenke nun ein jeder Christ, was dies für ein gewaltiges Werk und Amt sei, unsers einigen Haupts zur rechten Hand Gottes? Er tilget durch seine Lebens-kraft und Herrschaft, und durch den heiligen Geist in unserm sterblichen Leibe die Sünde, als die Werke des Satans, denn er herrschet über Sünde und Teufel; und diese Herrschaft führet er in seinen gläubigen Gliedern auf Erden, wehret und zerbricht den bösen Willen, reiniget das Herz täglich durch den Glauben, vertreibt die Finsternis und den Irrtum des Herzens, stößt zu Boden alles was sich wider ihn erhebt, es sei menschliche Vernunft, Weisheit oder Gewalt, de-mütiget auch durchs Kreuz, so er zuschicket, und macht gar andere Menschen aus denen, die er bekehrt; zu dem Ende, dass er in ihnen lebe und kräftig sei, ihnen auch hierauf gebe den Trost der Gnaden, der Vergebung der Sünden, der Gerechtigkeit, und viele Gaben des heiligen Geistes, auf dass der bekehrte Mensch hernach nicht in ihm selber, sondern in Christo lebe, und Christus in ihm, d. i. des Herrn Christi Herz, Sinn, Geist, Affekten, Gedanken, Geduld, Demut, Sanftmut, wirken und leben in ihm, ob es gleich in großer Schwachheit geschie-het, und dem zuwider ist, und sich ein Kampf erreget; denn der Geist Gottes hilft unserer Schwachheit. Und dieselbe Anfechtung ist unser innerliches Kreuz, durch welches das Fleisch gedämpft ist, der alte Mensch gekreuziget wird, mit allen seinen bösen Gliedern, und der neue Mensch, der nach Gott gebildet ist, wieder auferstehe und lebendig werde, mit seinen schönen Gliedern. Wer nun nicht also lebt, der lebt wahrlich nicht in Christo, und kann mit St. Paulo nicht sagen: Ich lebe nicht, sondern Christus in mir, Gal. 2,20. und mache darauf die Rechnung, in wem er lebe, und wer in ihm lebe? Ob er ein wahrer Christ sei, die wahre Buße recht verstehe, ein Kind Gottes sei, und wem er angehöre?

----------

Das zwölfte Kapitel.

Der Welt absterben.

----------

Hieraus folget unwidersprechlich: Wer ein wahrer Christ sein will, muß in Christo leben, und Christus in ihm, ihm selber und der Welt absterben; denn hier muß aus dem Leben des Menschen, als aus einer Frucht, der Baum probieret werden. Denn wo die Werke des Satans herrschen, da ist ja nicht Christus, da lebt man nicht in Christo, sondern im Satan, und der Satan in ihm, und verdrießt das der Welt, dem hoffärtigen Fleisch und dem Teufel selbst, dass man solches so scharf anrühret, und aus den Wirkungen die Ursache zeiget. Dies ist genugsam mit Gleichnissen und Exempeln der Schrift probiert, und wird nimmermehr können umgestoßen werden.

----------

Das dreizehnte Kapitel.

Ursache des geistlichen Todes.

----------

Daraus abermal gewißlich folget, dass ein Christ ihm selber und der bösen Welt gerne soll absterben, erstlich um unserer Erlösung willen von unsern Sünden, darnach um der Liebe Christi willen, und endlich um der zukünftigen ewigen Herr-lichkeit willen.

NB. Hier aber wird nicht die Rechtfertigung beschrieben, sondern die Früchte

der Gerechtigkeit; dies ist hier mit Gleichnissen der Schrift erkläret, und ist eine große Gottlosigkeit, dies leugnen.

----------

Das vierzehnte Kapitel.

Das alte Leben hassen.

----------

Hieraus muß notwendig folgen, weil ein Christ ein neues geistliches Leben führen muß, dass er das alte Leben muß ablegen, und das fleischliche Leben aus-ziehen. Welches aber nicht geschehen kann, man muß das alte Leben hassen, und die Welt, welche nichts anders ist, als das fleischliche Leben, und die welt-lichen Lüste meiden, und die Welt verschmähen. Dies erscheinet am allerbesten aus dem Beispiel unsers Herrn Jesu Christi, in welchem war kein unordentlicher Affekt, keine eigene Liebe, keine eigene Ehre, sondern es war alles in ihm, sein Herz, Geist und Wille, dem himmlischen Vater aufgeopfert; da war kein Ungehor-sam, sondern eitel Gehorsam; kein Zorn, sondern eitel Sanftmut; keine Rache, sondern eitel Vergebung; keine Wiederscheltung, sondern lauter Geduld; kein Dräuen, sondern eitel Gelindigkeit. Auf welches Beispiel uns die heiligen Apostel weisen.

----------

Das fünfzehnte Kapitel.

Tötung des Fleisches, unser Kreuz.

----------

An diesem hanget nun die Tötung des alten Menschen. Denn soll diesem Bei-spiel Christi gefolget werden, so muß der alte Mensch täglich in uns sterben. Daher denn kommt die Verleugnung seiner selbst, welches dem Fleisch ein bitteres Kreuz ist, wie der Herr spricht: Will mir jemand folgen, der verleugne sich selbst, und nehme sein Kreuz auf sich, Luk. 9,23. Damit uns der Herr lehret, dass seine Nachfolgung unser Kreuz sei.

----------

Das sechzehnte Kapitel.

Streit.

----------

Daraus entsteht nun der Streit des Geistes und Fleisches, darüber auch St. Paulus, Röm. 7. klaget; auch beschreibet er diesen Kampf, Gal. 5,17. Und St. Petrus sagt, dass die fleischlichen Lüste wider die Seele streiten, 1 Petr. 2,11. Ach Herr Gott! dieser Streit gilt der armen Seele; siehe wohl zu, o Christen-mensch! dass deine Seele überwinde und erhalten werde.

----------

Das siebenzehnte Kapitel.

Ein Christ, ein Pilger.

----------

Weil nun die fleischlichen Begierden, so an zeitlicher Ehre, Reichtum und Wollust hangen, sollen überwunden werden durch den Geist, und ein Christ zu viel hö-hern Gütern, Ehre und Herrlichkeit erlöset ist; so muß er auch seinen wahren und besten Reichtum nicht in dieser Welt haben, sondern dieses Zeitliche als eines fremden Guts brauchen, als ein Pilgrim in dieser Welt wallen, bis er zum ewigen, unbefleckten, unvergänglichen und unverweslichen Erbe, das im Himmel aufge-hoben wird, gelanget, 1 Petr. 1,4.

----------

Das achtzehnte Kapitel.

Undankbarkeit.

----------

Daraus abermal folget, dass Gott sehr erzürnet werde, wenn man mit dem Her-zen am Zeitlichen hanget, und dasselbe mehr liebt, als die himmlischen und ewigen Schätze; welches die höchste Undankbarkeit ist wider die Liebe Gottes, dass er uns so hoch, so teuer, so überköstlich erlösen lassen, durch den Tod seines lieben Sohns, und uns die ewigen himmlischen Schätze so teuer hat erkaufen lassen, und wir achtens so gering. Ach Gott! gib allen erlösten Christen solches zu bedenken.

----------

Das neunzehnte Kapitel.

Menschliches Elend.

----------

Daraus folget abermal, dass ein Mensch wegen zeitlichen Reichtums und Ehre nicht zu stolzieren hat, sondern soll sich in seinem Herzen demütigen, sein Elend erkennen, in seinem Herzen geistlich arm werden, so wird ihn Gott mit himmli-schen Gütern erfüllen. Und je tiefer sich ein menschliches Herz in sein Elend senket, je mehr und tiefer sich Gott mit seiner Gnade in seine Seele versenket.

----------

Das zwanzigste Kapitel.

Geistliche Traurigkeit.

----------

Solches kann nun ohne innigliche göttliche Traurigkeit nicht geschehen. Denn Gott muß selbst das Herz also bereiten zum Himmelreich, und dasselbe von der Welt abwenden. Da gereuet es denn einen Christenmenschen schmerzlich, dass er Gott je beleidiget, die Welt je geliebt hat, ja so hoch von Gott geliebt sei, und habe ihm so wenig gedankt, und ihn dafür geliebt, weinet bitterlich darüber, dass er gegen das Leiden Christi so undankbar, so gottlos sich verhalten habe, und bittet um Entzündung der Liebe Gottes.

----------

Das einundzwanzigste Kapitel.

Gottesdienst.

----------

Daraus folget der wahre Gottesdienst, so bestehet im Geist und in der Wahrheit, im Glauben, in der Liebe, im Erkenntnis der Gnade Gottes, und Vergebung der Sünden, in der Gerechtigkeit und Heiligkeit Jesu Christi, und in den Früchten der Gerechtigkeit, so in uns durch Jesum Christum geschehen, zum Lobe und Preise Gottes.

----------

Das zweiundzwanzigste Kapitel.

Probe.

----------

Daraus folget, dass ein wahrer Christ an seinem Glauben und Liebe muß erkannt

werden, als ein Baum an seinen Früchten; und das muß keine Heuchelei sein, sondern von innen aus dem Herzen muß solches hervorblühen, aus dem Geist Christi. Gleichwie eine Frucht von innen aus dem Saft und Kraft des Baums hervorwächset, nicht in der Form der Blätter, sondern in wahrer, guter, wesent-licher Frucht; also muß eines Christen Leben sein, ja er muß leuchten wie ein Licht, dass man sehe die guten Werke, auf dass Gott im Himmel dadurch ge-priesen werde; mit welchen Worten der Herr Christus seine Gläubigen unter-richtet, dass sie ihnen nicht selber die Ehre geben, sondern der Gnade Gottes alles zuschreiben.

----------

Das dreiundzwanzigste Kapitel.

Gemeinschaft der Welt schädlich.

----------

Daraus folget nun, weil die böse Welt die Gläubigen mit ihren Ärgernissen hindert an allem Guten, dass sie der Gemeinschaft der Welt und der Gottlosen sich ent-halten müssen, auch alles dessen, was das Herz ärgert und nicht bessert, es sei in Reden, Gedanken, Worten oder Werken, Sehen, Lesen oder Hören; und viel-mehr ihr Herz, Sinn, Gedanken und Gemüt beisammen behalten, und in Gott zusammen colligieren und sammeln, mit Gott durchs Gebet reden, Gottes Trost und Freude im Herzen schmecken lernen, den Frieden und die Ruhe des Her-zens in Gott empfinden. Denn das ist die liebliche und freundliche Antwort Gottes in uns, davon fast der ganze Psalter redet; dadurch aber das heilige Predigtamt mit nichten ausgeschlossen wird, sondern das ist die menschliche Praxis der Gottseligkeit, dazu auch das äußerliche gehörte Wort Gottes dienet. Darum die Unerfahrnen solche Lehre für enthusiastisch halten; zu ihrem eigenen Zeugnis, dass sie niemals mit Gott dem Allmächtigen ein andächtig einsames Gespräch gehalten, auch niemals geschmecket, wie freundlich der Herr ist, darum sie in die Übung der heiligen Gottesgelehrtheit niemals gelangt und gekommen sein.

----------

Das vierundzwanzigste Kapitel.

Liebe.

----------

Daraus folget nun die Summe eines christlichen Lebens, wie sie St. Paulus beschreibt: 1 Tim. 1,5. Die Summa aller Gebote ist, Liebe von reinem Herzen, von gutem Gewissen, und von ungefärbtem Glauben. Da wir hören, dass Gott der Herr nicht von uns fordert große Wunderwerke, spitzfindige Künste, ge-schwinde Sophisterei, sondern die Liebe des höchsten Guts, nämlich Gottes, welches das allerliebste, süßeste, holdseligste, freundlichste Werk ist, da keine Unlust und Beschwerung dabei ist; denn das höchste Gut lieben, bringt die höchste Lust und Freude. Welches hernach mit großer Lust auch dem Nächsten mitgeteilt wird, aus Liebe der ewigen Liebe, welche Gott selbst ist.

----------

Das fünfundzwanzigste Kapitel.

Gottes Liebe in uns.

----------

Daraus folget, dass die Liebe des Nächsten rein sein muß, ohne Falsch und Heuchelei, denn sonst ist nicht Gottes Liebe in uns, denn Gott hat keine falsche Liebe. Aus der großen, reinen, lautern Liebe Gottes fließt die Erbarmung, die Vergebung, die Versöhnung, das Mitleiden, der Trost, die Hilfe über Feinde und Freunde. Ist deine Liebe nicht also, so ist sie nur eine falsche, und ist nicht Gottes Liebe in dir, wie St. Johannes sagt: Wie bleibt die Liebe Gottes bei ihm? 1 Joh. 3,17.

----------

Das sechsundzwanzigste Kapitel.

Ursachen der Liebe.

----------

Darum müssen hierauf alsobald betrachtet werden die Ursachen, warum der Nächste zu lieben. Denn weil Gott die Liebe selbst ist, so kann derjenige kein Kind Gottes sein, aus Gott geboren, in welchem die Liebe Gottes nicht ist, er kann auch Christi Jünger und Glied nicht sein, denn Christus ist eitel Liebe; er kann auch des heiligen Geistes Werkzeug nicht sein, denn Gott hat seine Liebe in der Gläubigen Herzen ausgegossen durch den heiligen Geist; er kann auch in der heiligen christlichen Kirche Gemeinschaft nicht sein, denn er befleißiget sich nicht zu halten die Einigkeit durch das Band des Friedens: Ein Geist, ein Glaube, Eph. 4,3.4. Er kann auch in der heiligen Engel Gesellschaft nicht sein, denn Zorn und Falschheit, Haß und Neid ist nicht englisch, sondern teuflisch.

----------

Das siebenundzwanzigste Kapitel.

Probe der Kinder Gottes.

----------

Der höchste Grad aber der Liebe ist, die Feinde zu lieben, segnen, die uns flu-chen, wohl tun denen, die uns hassen, bitten für die, so uns beleidigen und ver-folgen, auf dass wir Kinder unsers Vaters im Himmel sein, Matth. 4,44.45. Das ist nun die höchste Kunst der Christen, der höchste Adel der christlichen Tugend, der höchste Sieg, der sich selbst überwindet, die rechte Nachfolge des Beispiels Christi.

----------

Das achtundzwanzigste Kapitel.

Probe der Liebe Gottes.

----------

Das ist nun die Probe der Liebe Gottes, nämlich, ob Gottes Liebe auch in uns ist, ob wir auch die Kraft, Freundlichkeit und Süßigkeit der Liebe Gottes je ge-schmeckt haben? 1) Wenn wir auf vorige Weise die Liebe üben; 2) wenn wir die Liebe Gottes aller Kreaturliebe vorziehen; denn wer die Welt lieb hat, in dem ist die Liebe des Vaters nicht, 1 Joh. 2,15. Weil nun Gott selbst die Liebe ist, und auch die Liebe in uns wirket, so ist ja unserer Liebe niemand mehr und besser würdig als Gott selbst; sind demnach alle irdischen Kreaturen unserer Liebe zu gering. Gott ist ewig und unsterblich; bleibt nun unsere Liebe in ihm, so ist die-selbe auch ewig und unvergänglich; hangen wir aber mit unserer Liebe an den sterblichen Kreaturen, so fällt sie mit ihnen dahin und vergehet. Die Liebe der Kreaturen reizet uns zu vielen Sünden; Gottes Liebe aber bewahret uns vor viel-en großen Sünden. Die Liebe der Kreaturen macht unserm Herzen viele Be-schwerung und Unruhe; aber Gottes Liebe gibt Friede und Freude, ist holdselig und lieblich.

----------

Das neunundzwanzigste Kapitel.

Versöhnung.

----------

Darauf folget die andere Probe der Liebe, nämlich die Versöhnung des Nächsten. Denn Gott der Herr wird selbst beleidiget durch die Feindschaft oder Unge-rechtigkeit wider den Nächsten, und kann des Menschen Gewissen den Frieden Gottes nicht haben, auch keine Seelenruhe, wo er sich nicht mit dem Nächsten versöhnet, und demselben vergibt. Da soll uns die Versöhnung mit Gott, durch den Tod Christi geschehen, immer vor unsern Augen stehen, dass wir uns unter einander aufnehmen, gleichwie uns Christus aufgenommen hat zu Gottes Lobe, Röm. 15,7.

----------

Das dreißigste Kapitel.

Wahre Liebe.

----------

Und weil ein Ding aus seinen Eigenschaften muß erkannt werden, so beschreibet St. Paulus, 1 Kor. 13,4. seq. der Liebe Eigenschaften, welche alle gerichtet sein wider die bösen Affekten des Herzens, welche wider die Liebe streiten, auf dass wir für wahre gründliche Liebe keine falsche Liebe üben, sondern wie St. Paulus spricht: 1 Tim. 1,5. Liebe von reinem Herzen, von gutem Gewissen und von un-gefärbtem Glauben.

----------

Das einunddreißigste Kapitel.

Große Gaben ohne Liebe nichts.

----------

Daraus folget notwendig, gleichwie die Liebe Gott allein anhangen, und den Nächsten mit einschließen muß; also muß sie auch die von Gott empfangenen Gaben moderieren, zieren, regieren, also, dass der Mensch mit seinen Gaben nicht seine Ehre suche, sondern allein Gottes Ehre und des Nächsten Erbauung, oder er verdirbt und macht zunichte alle seine Gaben vor Gott und den Men-schen, und wird nichts Fruchtbares damit ausrichten.

----------

Das zweiunddreißigste Kapitel.

Gott siehet keine Kunst an.

----------

Man muß derentwegen sich wohl fürchten und hüten vor den falschen Urteilen, dass man die äußerlichen und scheinbaren Gaben der Menschen nicht vorziehet dem Glauben, der Liebe, der Furcht Gottes, der Frömmigkeit, der Wahrheit, der Aufrichtigkeit und Treuherzigkeit. Denn Gott siehet Kunst und große Gaben nicht an, oder Beredsamkeit oder Wissenschaft, sondern den Glauben, und gilt vor ihm allein die neue Kreatur in Christo, Gal. 6,15.

----------

Das dreiunddreißigste Kapitel.

Gott siehet das Herz an.

----------

Darum richtet Gott alles nach dem inwendigen Grunde des Herzens. Derohalben hat der König Hiskia, als ihm Gott seinen Abschied ankündigen ließ, ihm flehent-lich vorgestellt, er wolle doch ansehen, wie er mit einfältigem, kindlichem, auf-richtigem Herzen vor ihm gewandelt hätte, Jes. 38,3. darinnen aber nicht bestand des Hiskiä Gerechtigkeit vor Gott, sondern die zeitliche Wohlfahrt und Verlänge-rung seines Lebens. Also richtet Gott alle Werke nach dem Herzen, welches Gott allein ansiehet, prüfet, richtet, erwäget. Und hilft hier kein Ansehen der Person, oder der Gaben, sondern es heißt: Man hat dich auf einer Waage gewogen, und zu leicht befunden, und wird nicht helfen, dass man sagt: Herr, Herr. Dan. 5,27. Matth. 7,21.

----------

Das vierunddreißigste Kapitel.

Gerechtigkeit allein Gottes Werk.

----------

Daraus unwidersprechlich folget, dass die Gerechtigkeit und Seligkeit eine viel höhere Gabe, Geschenk, und allein ein Werk Gottes ist, welches in keines Men-schen Tun und Lassen bestehet oder bestehen kann; die Sünde und Teufel, Hölle, Fluch und Verdammnis hinwegzunehmen, ist allen menschlichen Kräften unmöglich. Daraus folget, dass auch die Gerechtigkeit wieder zu bringen allen Menschen unmöglich ist; darum muß hier aller Mund verstopft werden, und Christus allein mit seinem Verdienst walten, herrschen, regieren, siegen, über-winden; der Mensch aber muß zum Kreuz kriechen, Buße tun, an Christum glauben, um Vergebung bitten, und alle seine Gerechtigkeit und Seligkeit aus dem Heilbrunnen des Leidens Christi schöpfen, und hernach auch aus dem-selben ein neues heiliges Leben durch des heiligen Geistes Regierung anfangen.

----------

Das fünfunddreißigste Kapitel.

Gute Werke keine Heuchelei.

----------

Wie nun der Glaube aus dem hohen göttlichen Werk unserer Rechtfertigung alle Menschenwerke ausschließt; also muß auch die Frucht der Gerechtigkeit, welche ist das neue christliche Leben, ausschließen alle Heuchelei, und muß die Änderung und Besserung des Lebens, Tat und Wahrheit sein. Denn der wahr-haftige Glaube bringt keine falsche Frucht. Darum, ob man gleich alle Schrift wüßte, alle Werke täte, ja ein Märtyrer würde, aus falschem Schein, aus eigener Ehre und Ruhm, gilt alles vor Gott nicht, sondern ist ein Gräuel vor Gott.

----------

Das sechsunddreißigste Kapitel.

Gottergebenes Herz genießt der Lieblichkeit Gottes.

----------

Hieraus folgt unwidersprechlich, wenn der Mensch im Glauben erleuchtet, an-fängt in Christo zu leben, ihn zu suchen, herzlich zu lieben, so wird ihm der Herr Christus immer süßer, liebreicher, holdseliger und freundlicher. Dahin ist ge-richtet das ganze Hohelied Salomonis, wie die gläubige Seele ihren Bräutigam suchet, findet, liebet, küsset, herzet, flehet, sich mit dem Geliebten vereiniget, und an seinem Halse weinet, da redet der Bräutigam ins Herz, da er spricht: Komm, meine Taube, meine Liebe, Kap. 2,13.14. Da speiset und tränket er die Seele mit dem verborgenen Manna, da heißt es dann: Wer von mir isset, den hungert und dürstet immer nach mir, Sir. 24,28. Denn die Seele muß Gott allein sättigen; sie ist der durstige Hirsch, der nach frischem Wasser schreiet, Ps. 42,2. da ist ein solches Herz, das da spricht: Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth, mein Leib und Seele freuet sich in dem lebendigen Gott, Ps. 84,2.3. Und abermal: Meine Seele dürstet nach Gott, als ein dürres Land etc. Ps. 143,6. Da heißt es: Joh. 6,27. Wirket Speise, die bleibe ins ewige Leben. Da sind die, von derer Leibe Ströme des lebendigen Wassers fließen, Joh. 7,38. die da schmecken, wie freundlich der Herr ist, Ps. 34,9. da heißt es: Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unser Herz durch den heiligen Geist, Röm. 5,5. Sehet zu, ihr Calumnianten, ob das Enthusiasterei sei? Ihr elenden Leute, wenn wollt ihr lernen, dass die Theologie nicht eine menschliche Wortkunst sei, sondern eine himmlische göttliche Weisheit und Erleuchtung, durch den heiligen Geist und Wort Gottes angezündet? Ein lebendiges Erkenntnis Gottes und Zeugnis des heiligen Geistes, dadurch die Kraft des Worts bekannt und geschmecket wird durch den Glauben, wie St. Johannes sagt: Wer an den Sohn Gottes glaubt, der hat dies Zeugnis bei ihm, 1 Joh. 5,10. Ist demnach das menschliche Herz die einzige Werkstatt des göttlichen Wortes, darinnen der heilige Geist seine Kraft erzeigt durch die Gabe der Weisheit, des Erkenntnisses, des Verstandes, des Rats, der Kraft, der Furcht Gottes, der Andacht und des Gebets, Jes. 11,2. Dies edle Werk des Geistes Gottes wirst du Unverständiger nicht zur Enthusiasterei machen. Woher soll Glaube, Liebe, Hoffnung, Geduld, Demut, Sanftmut kommen, wenn es nicht durchs Wort und Geist im Herzen gewirkt wird? Dies sind nicht bloße Worte, die der Geist Gottes wirket, sondern es sind lebendige Be-wegungen und Kräfte; das ist das himmlische Manna, welches süßer ist, denn Honig und Honigseim, welches die Hoffärtigen, Ruchlosen und Gottlosen nie geschmecket haben, auch nie schmecken können oder werden.

----------

Das siebenunddreißigste Kapitel.

Ohne Buße lauter Finsternis.

----------

Hieraus folgt abermal unwidersprechlich, dass das eine große Blindheit sei in geistlichen Sachen, wer dies nicht erkennt, verstehet, glaubt und siehet, nämlich, dass die Frucht des Worts Gottes, und des Glaubens sei Leben und Licht, Erleuchtung, Trost und Kraft, und allerlei geistliche Gaben. Und dieselbe Blind-heit kommt daher, dass man sich nicht von der Finsternis bekehret, und ab-wendet, zum wahren Licht, durch wahre Buße und tägliches Absterben der Sünden. Und lehret es ja die innerliche Erfahrung, wie das Herz erfreuet wird mit himmlischer Freude, wenn man dasselbe abwendet von der Welt zur göttlichen Betrachtung, wie man in den Psalmen und prophetischen Lobgesängen merket, und in den Lobgesängen des neuen Testaments. Welche eine sanfte, süße Ruhe ist in der wahren Liebe Gottes und des Nächsten! Welch eine Freudigkeit ist in der Übung des wahren Glaubens! Welch ein kräftiger Trost ist im Gebet! Woher kamen sonst die geistlichen Freudenworte der heiligen Schrift, auch anderer andächtiger, heiliger Leute in ihren Betrachtungen? Das ist das verborgene Manna, das ist die himmlische Mahlzeit, welche der Männer keiner, so die Welt liebgewonnen haben, nimmermehr schmecken werden, Luk. 14,24. Wer es nun seither nie geschmeckt hat, wie kann er es andern lehren? Summa, die himmli-schen Schätze und Gaben, des heiligen Geistes Erleuchtung und anderer Früchte des Glaubens und Erkenntnis Gottes, müssen mit himmlischen Gemü-tern, und nicht mit irdischen Herzen ergriffen werden. Der Friede des Herzens ist ein groß himmlisches Gut, höher denn alle menschliche Vernunft, und bewahret Herz und Sinn in Christo Jesu; der Gottlose aber hat keinen Frieden, spricht mein Gott, Phil. 4,7. Jes. 57,21.

----------

Das achtunddreißigste Kapitel.

Größte Strafe der Gottlosigkeit.

----------

Daraus folgt unwidersprechlich, dass zuletzt das gottlose, unbußfertige, un-christliche Leben mit falscher Lehre, vielen Irrtümern und Ketzereien muß gestrafet werden. Derowegen wir täglich bitten sollen, dass unser lieber Gott um unserer großen Sünden und Unbußfertigkeit willen sein Wort und die reine apostolische Lehre nicht wolle von uns nehmen. Wie betet der Prophet: Jer. 14,7. Ach Herr! unsere Missetaten habens ja verdienet; aber hilf doch um deines Namens willen, denn unser Ungehorsam ist groß, damit wir wider dich ge-sündiget haben. Da klaget der Prophet über den Ungehorsam wider Gottes Wort. Und Kap. 15,16. spricht er: Indeß erhalte uns, Herr! dein Wort, wenn wirs kriegen, denn es ist unsers Herzens Freude und Trost. Wenn man predigt wider die Verachtung des göttlichen Worts, so verstehen es die albernen Leute von dem Gehör des Worts. Ach du Elender! vom Ungehorsam wider Gottes Wort ist die Verachtung zu verstehen, dass niemand nach Gottes Wort lebet; ist kein Glaube, keine Treue, keine Liebe, keine Gottesfurcht, keine Andacht, kein Gebet, keine Ehre gegen Gott und Menschen unter den Leuten, sondern alle Bosheit im höchsten Grad hat überhand genommen. Das ist (du Blinder) die Verachtung Gottes und seines Wortes, das ist das Unkraut, welches der Feind säet unter den Weizen, nämlich die Kinder der Bosheit, da säet der Teufel Abgötterei, Irrtum, Ketzerei, durch hoffärtige, ehrgeizige, fleischliche und weltsüchtige Leute, auf dass gestraft werden alle, die Lust haben an der Ungerechtigkeit, 2 Thess. 2,11.12.

----------

Das neununddreißigste Kapitel.

Heilige Lehre heilig zu bewahren.

----------

Daraus folgt ja unwidersprechlich abermal, dass auch mit heiligem gottseligem Leben, neben dem öffentlichen Widersprechen der falschen Lehre, die reine Lehre erhalten werde. Erstlich darum, weil der heilige Geist, der Geist der Wahr-heit bei den Frommen und Gottesfürchtigen bleibt, die Gottlosen und Ruchlosen aber fliehet, und der Satan verfinstert und verblendet die Hoffärtigen, Stolzen und Vernunftgelehrten. 2) Ists nicht genug, dass man fest halte an dem Fürbilde der heilsamen Worte vom Glauben, sondern auch von der Liebe in Christo Jesu, welches so nötig ist, Ärgernis abzuwenden, auf dass der Name Gottes nicht verlästert werde. 1 Tim. 6,3.4. So jemand nicht bleibet bei dem heilsamen Wort unsers Herrn Jesu Christi, und bei der Lehre von der Gottseligkeit, der ist ver-düstert, und weiß nichts, sondern ist zänkisch in Fragen und Wortkriegen. 3) So fallen die, so allzuhoch steigen in ihren disputationibus und speculationibus, ge-meiniglich herab in große Irrtümer, oder exspintisieren Subtilitäten, die keinem Menschen nützlich oder besserlich sein, darum St. Paulus die Korinther, von den hohen Gaben und Subtilitäten der Sprachen und andern Sachen, herunter in die Liebe weiset und spricht: Ich will euch einen bessern Weg zeigen, 1 Kor. 12,31. 4) So darf auch niemand gedenken, dass der Glaube rein und wahrhaftig sei, der durch die Liebe nicht tätig ist. Wie kann nun die Lauterkeit des göttlichen Worts durch einen untätigen und fruchtlosen Glauben erhalten werden? Denn die Schrift stellet uns zwischen Gott und den Menschen, dass wir beiden Teilen Ge-rechtsgebühr geben sollen durch den Glauben und durch die Liebe.

----------

Das vierzigste Kapitel.

Regeln christlichen Lebens.

---------

-Hierauf ists nun sehr förderlich zur Gottseligkeit, dass man andächtige, tröstliche Regeln vor Augen hat, die man sonderlich ins Gedächtnis fasse, und oft daran gedenke. Dasselbe aber sind rechtschaffene Regeln des christlichen Lebens, die dem Menschen seine eigene Nichtigkeit und Schwachheit zu erkennen geben, die einen Christen darinnen recht unterrichten und trösten, die die Liebe pflan-zen, die Geduld erwecken, die Andacht befördern, die Danksagung stärken, die Sünden dämpfen, die Demut anzünden, und vor allen Dingen den Glauben be-wahren.

----------

Das einundvierzigste und zweiundvierzigste Kapitel.

----------

Darauf folget nun der Beschluß und die Wiederholung des ganzen ersten Buchs, und hat diesen Grund: Gottes Wort in der heiligen Schrift ist eine göttliche Lehre, wodurch Gott der Herr mit des Menschen Herz und Seele, Geist und Gemüt handelt, dasselbe erleuchtet und bewegt durch den heiligen Geist, welcher in den Herzen der Menschen den Glauben wirket, und im Anfang vor allen Dingen die inwendige Bosheit und Unreinigkeit des Herzens, so aus dem kläglichen Sünden-fall herrühret, angreift: nicht also wie die ehrbare und sittliche Weltzucht, so die äußerlichen Laster und Untugend straft und beschreibt, sondern der Geist Gottes greift viel tiefer in den Grund des Herzens hinein, durchforscht alle heimliche, verborgene Unart, so Gott zuwider ist, und die unerkannte Unreinigkeit, welche die Vernunft nicht für Sünde achtet, und stellet dieselbe ins Licht vor Gottes Angesicht. Ps. 90,8. welcher so viele sein, wie Sand am Meer, dass wohl die Schrift sagt, das Herz des Menschen sei unergründlich und unerforschlich böse, Jer. 17,9. Dagegen aber fordert Gottes Wort die neue Geburt, welche nicht mehr wirket ein fleischliches Leben, sondern ein neues geistliches Leben; nicht auf diese Weise, wie jene ehrbare sittliche Weltzucht ein äußerliches, sittliches, ehrbares Leben erfordert, sondern ein innerlich heiliges Leben, welches bestehet in wahrer täglicher Buße, und im lebendigen Glauben, und in der Regierung des heil. Geistes, in Tötung des Fleisches, in Absterbung der Welt, in Verleugnung sein selbst und der bösen Lüste, und hinwieder in wahrem lebendigem Trost der Gnade Gottes, der Vergebung der Sünden, der Gerechtigkeit Christi, des geist-lichen Seelenfriedens, der lebendigen Freude im heiligen Geist. Dies ist das neue geistliche Leben, welches weit übertrifft das äußerliche ehrbare Leben der Ver-nunft. Denn dies ist ein Leben, das aus Gott ist, nämlich ein innerlich, geistlich, göttliches Leben, mit seinen geistlichen Gliedern. Denn da ist anfänglich eine göttliche Erkenntnis, eine göttliche Traurigkeit, ein göttlicher, ewiger, himmlischer Trost, eine göttliche geschenkte und nicht menschliche Gerechtigkeit, welche aus Christo dem Sohne Gottes durch den Glauben an uns gelanget; ein göttlicher Friede, eine göttliche Freude, eine göttliche Weisheit, welche die Weisen dieser Welt nicht erkannt haben.

NB. Wenn dir es aber Gott hat zu erkennen gegeben, so siehe zu, dass sich dein Herz nicht erhebe, sondern bleibe in Demut und Gottesfurcht, sonst wirst du deine Gaben verlieren und verderben, dass sie weder dir, noch deinem Nächsten zu Nutz kommen können.

 

 

SCHUTZSCHLUSS WIDER DIE LÄSTERER.

 

Wer Jesum Christum in seinen Schriften zum einzigen Zweck und Ziel setzet mit seiner Person und Amt;

----------

2. alles auf ihn ziehet und referieret, was im alten und neuen Testament ge-schrieben ist, beides mystice oder typice, das ist, figürlicher oder offenbarer Weise;

----------

3. insonderheit aber den hohen Artikel von unserer Rechtfertigung vor Gott, so aus dem Verdienst Christi, als aus einer lebendigen Quelle, entspringet, welche so hell und klar sein muß, dass nicht ein Stäublein menschlicher Werke darinnen muß gespüret werden, rein führet;

----------

4. die Mittel zu unserer Seligkeit, Gottes Wort, Geist, Glauben, und die heiligen Sakramente rein behält und lehret;

----------

5. die Früchte der Gerechtigkeit, die Erneuerung und Heiligung ernstlich fordert nämlich den Baum mit den Früchten;

----------

6. das falsche Christentum und die Heuchelei aufs heftigste strafet, weil es gar überhand genommen, und der Tausende nicht erkennet noch verstehet, was das christliche Leben sei, und sein muß und soll;

----------

7. in allen Punkten der Augsburgischen Confession und Formulä Concordiä un-terschreibt und gemäß lehret.

----------

Demselben tut man Gewalt und Unrecht, dass man ihn lästert, verleumdet, für Osiandrisch, Schwenkfeldisch, Weigelisch und Päpstisch ausrufet. Diese Punkte alle wird man in allen meinen Büchern deutlich, klärlich, öffentlich finden, also, dass allen Calumnianten sei Trotz geboten, dass sie in ihren Schriften derselben Artikel einen klarer, ernstlicher und heilsamer zeigen. Denn darauf jemand kühne ist, darauf bin ich durch Gottes Gnade auch kühne, 2 Kor. 11,21. Und versuche es einer meiner Lästerer, ob er des menschlichen Herzens verborgene Bosheit, darnach sein Unvermögen, Nichtigkeit und Elend; hinwieder aber Gottes Gnade, Liebe und Gerechtigkeit in Christo gründlicher und höher kann beschreiben und rühmen, so will ich ihm mit Freuden danken. Zu dieser Torheit verursachen mich die Lästerer und Verleumder. Darum tut man mir vor Gott und seiner Kirche Ge-walt und Unrecht, und Gott wird zu seiner Zeit solche Lästerung richten, und die Lästerer zerschmeißen.

 

- Zum nächsten Kapitel -