Heinrich Müller: Geistliche Erquickstunden (1666)

 

DR. HEINRICH MÜLLERS

GEISTLICHE ERQUICKSTUNDEN,

 

ODER DREIHUNDERT

HAUS- UND TISCH-ANDACHTEN.

 

UNVERÄNDERTE AUSGABE

nebst den die Sonn- und Festtags-Evangelien und Episteln etc.

enthaltenden Registern.

 

NEU-RUPPIN.

Verlag von F. W. Bergemann.

 

INHALT:

1. VON DER WELT FREUNDSCHAFT. 

2. VON DER WELTLIEBE. 

3. VON DER CHRISTEN FREUDE. 

4. VON DER VERLEUMDUNG. 

5. VOM TROST WIDER DIE FURCHT DES TODES. 

6. VON DER ABSCHEULICHKEIT DER SÜNDE. 

7. VON GOTTES GNADE GEGEN DIE GEFALLENEN SÜNDER. 

8. VOM ERNSTEN GEBET. 

9. VON DER BEHARRLICHKEIT IM GUTEN UND BÖSEN. 

10. VON DEM SELIGEN ZUSTAND DER KINDER GOTTES AUF ERDEN. 

11. VOM RECHTEN GEBRAUCH DER ZEIT. 

12. VOM FREUDIGEN MUT DER CHRISTEN. 

13. VON DER RECHTEN ZEIT DER BUSSE. 

14. VOM GEBRAUCH DER MITTEL. 

15. VON DER BEICHTE UND BUSSE. 

16. VON DER CHRISTEN FREIHEIT. 

17. VOM VERZUG GÖTTLICHER HILFE. 

18. VON DER VORTREFFLICHKEIT GÖTTLICHER GNADE. 

19. VON GOTTES UND DER WELT TRAKTAMENTEN. 

20. VON DER GÖTTLICHEN TRAURIGKEIT UND WELTLICHEN LUSTIGKEIT. 

21. VON DER BESCHAFFENHEIT DES CHRISTENTUMS. 

22. VON DER GEWISSENSPRÜFUNG. 

23. VOM TROST IM KREUZ. 

24. VON WIEDERERLANGUNG DER GNADE GOTTES. 

25. VON DER HEUCHELEI. 

26. VON DER SCHWACHHEIT DES GLAUBENS. 

27. VOM AMT DER PREDIGER. 

28. VON DER FLÜCHTIGKEIT DES LEBENS. 

29. VON DER RUHE DER SEELE IN GOTT. 

30. VOM TROST IM LEIDEN. 

31. VON DER GEISTLICHEN TRUNKENHEIT. 

32. VOM FRIEDEN MIT DEM TEUFEL. 

33. VON DER ERNEUERUNG NACH DEM BILDE GOTTES. 

34. VON DER GEDULD. 

35. VON DER SPARSAMKEIT. 

36. VON DER RECHTEN LIEBE DES FREUNDES. 

37. VON DER VERLIERUNG CHRISTI. 

38. VOM GEISTLICHEN TOD UND LEBEN. 

39. VON DER UNBESTÄNDIGKEIT DES GLÜCKES. 

40. VON DER ART DES GLAUBENS UND DER LIEBE. 

41. VON BEWAHRUNG DER SEELE. 

42. VON DER ZERBRECHLICHKEIT UNSERS LEBENS. 

43. VON DER FALSCHHEIT DER GEISTLICHEN. 

44. VON DER GELASSENHEIT. 

45. VON DER BETRACHTUNG DER EWIGKEIT. 

46. VON GOTTES BARMHERZIGKEIT UND GERECHTIGKEIT. 

47. VON DEM FRIEDEN MIT GOTT. 

48. VOM WAHREN CHRISTEN. 

49. VOM UNSCHÄDLICHEN REICHTUM. 

50. VON ERNEUERTEN SÜNDENFÄLLEN. 

51. VOM SELBSTGERICHT. 

52. VON DER BEGIERDE ZU LEBEN. 

53. VON DER MATERIE DES GEBETS. 

54. VON EINER RECHT GEORDNETEN LIEBE. 

55. VOM GEHORSAM GEGEN GOTT. 

56. VON DER MILDIGKEIT. 

57. VON DER REGIERUNG GOTTES. 

58. VON DEM VERLANGEN GOTTES. 

59. VON DER LIEBE DES HIMMLISCHEN. 

60. VON DER ERBSÜNDE. 

61. VOM BÖSEN GEWISSEN. 

62. VON DER LIEBE JESU GEGEN DIE ARMEN SÜNDER. 

63. VOM STREIT DES GEISTES UND DES FLEISCHES. 

64. VOM ENDE DES LEIDENS. 

65. VON DER UNGEDULD. 

66. VON DER RUHE JESU. 

67. VON DEN KENNZEICHEN DER LIEBE GOTTES. 

68. VON DER WOHNUNG EINES CHRISTEN. 

69. VON DER RECHTEN BUSSZEIT. 

70. VON DER GUTEN MEINUNG. 

71. VON DER GLEICHHEIT ALLER MENSCHEN. 

72. VON DER KRAFT DER ARZNEI. 

73. VON DER KRAFT DES GLAUBENS. 

74. VON DER DANKBARKEIT. 

75. VON DER UNDANKBARKEIT. 

76. VON DEN KENNZEICHEN EINES WAHREN CHRISTEN. 

77. VON DER BESCHAFFENHEIT EINES WAHREN CHRISTEN. 

78. VOM WACHSTUM DER CHRISTEN. 

79. VOM BEWEISTUM DES GLAUBENS. 

80. VON DER LIEBE GOTTES GEGEN DIE MENSCHEN. 

81. VOM TESTAMENT EINES CHRISTEN. 

82. VON DEM ÄRGERNIS DER AUGEN. 

83. VON DER LIEBE SEINER SELBST. 

84. VON DER CHRISTEN REDE. 

85. VON KLEINEN SÜNDEN. 

86. VON DER LIEBE GOTTES, SEIN SELBST UND DES IRDISCHEN. 

87. VON DER AUFRICHTIGKEIT GEGEN GOTT. 

88. VON DER MILDTÄTIGKEIT. 

89. VON DER GEWISSENSHÖLLE. 

90. VOM VORZUG DER SÜNDER VOR DEN HEILIGEN. 

91. VOM REICHTUM EINES CHRISTEN. 

92. VON DER RECHT GEORDNETEN LIEBE SEIN SELBST UND DES NÄCHSTEN. 

93. VON DER GESELLSCHAFT EINES CHRISTEN. 

94. VON DEN LEIDEN DER CHRISTEN. 

95. VON DER EINIGKEIT IM GEISTE. 

96. VON DER SEELENRUHE. 

97. VON DER BESTEN ART KREUZ ZU TRAGEN. 

98. VON DER WELT UNTREUE. 

99. VOM SELBSTERKENNTNIS. 

100. VOM ERKENNTNIS GOTTES. 

101. VON DEN BUSSTRÄNEN. 

102. VON DER HILFE GOTTES IM KREUZ. 

103. VON DER GELASSENHEIT. 

104. VON BEZÄHMUNG DER ZUNGE. 

105. VOM SELIGEN TOD. 

106. VON DER RARITÄT DER FROMMEN. 

107. VOM UNBEWEGLICHEN GLAUBENSGRUND. 

108. VOM INNERN SEELENGESICHT. 

109. VON DER AUFRICHTIGKEIT GEGEN GOTT. 

110. VON DER VERLEUMDUNG. 

111. VON VERFÜHRUNG DER WELTKINDER. 

112. VOM ZEUGNIS DES GEWISSENS. 

113. VON DER LIEBE DES HIMMLISCHEN. 

114. VOM MANGEL DER WAHREN LIEBE. 

115. VON DER FRIEDENSSTIFTUNG. 

116. VON DER CHRISTEN FEINDEN. 

117. VON ÜBERWINDUNG DER FEINDE. 

118. VON DER LIST UND BOSHEIT DES MENSCHEN. 

119. VON VERFOLGUNG DER FROMMEN. 

120. VOM WIDERSINN DES GEISTES UND DES FLEISCHES. 

121. VON LESUNG DER BIBEL. 

122. VOM GEIZ. 

123. VON GROSSER WISSENSCHAFT. 

124. VOM HOHEN EHRENSTAND. 

125. VON EIGNER RACHE. 

126. VON DER WAHRHEIT GOTTES. 

127. VOM ZUSTAND DER CHRISTEN AUF ERDEN. 

128. VON DEN GROSSEN PALÄSTEN. 

129. VON DER GÜTE GOTTES. 

130. VOM GESCHLECHTSADEL. 

131. VON BEFÖRDERUNG ZUM PREDIGTAMT. 

132. VOM VERGÖNNTEN ZORN. 

133. VOM BILLIGEN WUCHER. 

134. VON DER KLUGHEIT. 

135. VOM NUTZEN DER GOTTESFURCHT. 

136. VOM URSPRUNG WAHRER FREUNDSCHAFT. 

137. VON DER BRÜDERLICHEN BESTRAFUNG. 

138. VON DER VEREINIGUNG MIT CHRISTO. 

139. VON DER GÖTTLICHEN ABWECHSELUNG. 

140. VON DER REINEN LIEBE JESU. 

141. VON DER TÄTIGEN LIEBE. 

142. VOM WAHREN CHRISTEN. 

143. VOM SCHÄND- UND RÜHMLICHEN GEIZ. 

144. VON DER NACHFOLGE CHRISTI. 

145. VOM GEBET IM KREUZ. 

146. VON DER TÖTUNG DES FLEISCHES. 

147. VON DER UNBETRÜGLICHEN HOFFNUNG. 

148. VOM UNÜBERWINDLICHEN VERLUST. 

149. VOM VERLANGEN NACH DEM HIMMEL. 

150. VON DER BESTÄNDIGKEIT. 

151. VON DER EIGENEN FARBE DER TREUEN DIENER GOTTES. 

152. VON DER ABGÖTTEREI DER MAULCHRISTEN. 

153. VON DER WAHREN HERZENSDEMUT. 

154. VON DER MENSCHENGUNST. 

155. VON DER GELASSENHEIT. 

156. VON DEM ZORN DER LIEBE. 

157. VON BEWEGLICHEN PREDIGTEN. 

158. VOM WACHSTUM DER CHRISTEN. 

159. VON DER EIGENSCHAFT DES GLAUBENS UND DER LIEBE. 

160. VON DEN BESTEN RATGEBERN. 

161. VOM SELBSTBETRUG DER WELT. 

162. VON DER WUNDERLICHEN HILFE UND ERRETTUNG GOTTES. 

163. VON DER ABGÖTTEREI DES GEIZIGEN. 

164. VON DER UNGEWISSHEIT DES TODES. 

165. VOM RECHTEN GEBRAUCH DER FRÜHSTUNDEN. 

166. VON DER RUHE IN GOTT. 

167. VON DER GÖTTLICHEN HILFSTUNDE. 

168. VON ANNEHMUNG DER STRAFPREDIGTEN. 

169. VON DEN GERICHTEN GOTTES ÜBER DIE VERLEUMDER. 

170. VON DER CHRISTEN STANDHAFTIGKEIT. 

171. VOM STAND DER FÜRSTEN. 

172. VOM GEISTLICHEN SEELENHUNGER. 

173. VOM GUTEN GERÜCHT. 

174. VON FALSCHEN CHRISTEN. 

175. VON DER FREIHEIT DER GLÄUBIGEN SEELE. 

176. VON DER BEICHTE. 

177. VON EIGENSÜCHTIGEN PRIESTERN. 

178. VON DER TREUE. 

179. VON DER MENSCHEN FREUNDSCHAFT. 

180. VON DER GEGENWART GOTTES IM KREUZ. 

181. VON DER FREUDIGKEIT DES GEWISSENS. 

182. VOM MANGEL DER CHRISTLICHEN LIEBE. 

183. VON DER GROSSMÜTIGKEIT DER CHRISTEN. 

184. VOM MAMMONSDIENST UND SEINEM LOHN. 

185. VON DER LIEBE GOTTES IM KREUZ. 

186. VON DER UNGEORDNETEN LIEBE. 

187. VON DER GÖTTLICHEN ERQUICKUNG. 

188. VON DER EINFALT IM PREDIGEN. 

189. VON BÖSER GESELLSCHAFT. 

190. VON DER FRUCHT GÖTTLICHEN WORTS. 

191. VOM MÜSSIGGANG. 

192. VON DER REINEN LIEBE GOTTES. 

193. VOM STREIT DES GEISTES WIDER DAS FLEISCH. 

194. VON VIER SÜSSEN DINGEN. 

195. VON DEN WEGEN GOTTES UND DER MENSCHEN. 

196. VON DEN FARBEN CHRISTI UND SEINER GLIEDER. 

197. VON DEN ERWÄHLUNGEN DER PRIESTER. 

198. VON GOTTES TREUEM SINN. 

199. VOM LOHN DER FALSCHHEIT. 

200. VON DER MILDGEBIGKEIT. 

201. VOM KENNZEICHEN DER UNSCHULD. 

202. VON DER KRAFT DES GÖTTLICHEN WORTES. 

203. VON DEM NEID. 

204. VON GOTTLOSEN PRIESTERN UND ZUHÖRERN. 

205. VOM STRAFAMT DER OBRIGKEIT. 

206. VON CHRISTLICHER KINDERZUCHT. 

207. VON DER RECHTEN ART SICH CHRISTLICH ZU ERNÄHREN. 

208. VOM NAHRUNGSSEGEN. 

209. VON DER ERHÖRUNG DES GEBETS. 

210. VON DER BESTÄNDIGKEIT. 

211. VOM GEBET. 

212. VON DER BEICHTE. 

213. VON DEN TRÄNEN DER BETRÜBTEN. 

214. VON DER HEUCHELBEICHTE. 

215. VON DER HÖCHSTEN SORGE EINES CHRISTEN. 

216. VON DEN POSTILLANTEN. 

217. VOM WAHREN GÖTTLICHEN EIFER. 

218. VOM ARGWOHN. 

219. VON DEN GABEN GOTTES. 

220. VON DER VERSTOCKUNG. 

221. VON DER BLÖDIGKEIT IM KREUZ. 

222. VON DER HERZHAFTIGKEIT IM KREUZ. 

223. VOM BESTEN SCHATZ DER GLÄUBIGEN. 

224. VON DER CHRISTLICHEN ZUFRIEDENHEIT. 

225. VOM FREIEN. 

226. VON DER ERTRÄGLICHKEIT GEGEN DIE SCHWACHEN. 

227. VON EINEM HIMMLISCHEN HERZEN. 

228. VON DEN KENNZEICHEN DES GEISTLICHEN LEBENS. 

229. VON DER GROSSMÜTIGKEIT DES REICHEN. 

230. VON DER ARMUT. 

231. VON DER KRAFT DES BLUTES CHRISTI. 

232. VOM STRAF- UND TROSTAMT DER PREDIGER. 

233. VON DER MACHT DES TODES. 

234. VOM WAHREN GLAUBEN. 

235. VOM ADEL DES LÜGNERS. 

236. VOM GEDEIHEN GUTER UND BÖSER RATSCHLÄGE. 

237. VON DER EHRE GOTTES. 

238. VON DER VERACHTUNG GÖTTLICHEN WORTES. 

239. VOM REICHEN KINDERSEGEN. 

240. VON DEN ÜBLEN BEZAHLERN. 

241. VON DER KINDERZUCHT. 

242. VON HOHEN EHRENSTÄNDEN. 

243. VON DER MACHT DES GLAUBENS. 

244. VON DER MATERIE DES GEBETS. 

245. VON DEM ALLGEMEINEN GEBET. 

246. VON DER BESTÄNDIGKEIT IM GEBET. 

247. VON DER FRUCHT DER WAHRHEIT. 

248. VON DER SEELEN- UND LEIBESSORGE. 

249. VON DER SELIGEN TODESRUHE. 

250. VON DEM VERLANGEN NACH DEM HIMMEL. 

251. VOM UNTERSCHIED DIESES UND JENES LEBENS. 

252. VOM GEIZ DER PREDIGER. 

253. VOM NUTZEN DES KREUZES. 

254. VON DER LUST ZU STERBEN. 

255. VON DEN DREI HAUPTTUGENDEN. 

256. VOM RECHTEN WOHLSTAND DER CHRISTEN. 

257. VOM AMT DER PREDIGER. 

258. VON DER BEICHTE UND BUSSE. 

259. VON DER HERRLICHKEIT DES PREDIGTAMTS. 

260. VOM JÜNGSTEN GERICHT. 

261. VON DER DEMUT. 

262. VOM GLAUBEN UND DER LIEBE. 

263. VON DER KINDHEIT IM CHRISTENTUM. 

264. VON DEM NAMEN JESU. 

265. VON SCHRIFTREICHEN PREDIGTEN. 

266. VON DEM WOHLSTAND DER CHRISTEN. 

267. VOM REICHTUM DER BARMHERZIGEN. 

268. VON DER CHRISTEN ZUSTAND IM KREUZ. 

269. VON DEN DREI HAUPTSTÄNDEN. 

270. VON DER SELBSTBESCHWERUNG. 

271. VOM FRIEDEN MIT DEM NÄCHSTEN. 

272. VOM UNMENSCHEN. 

273. VOM MITLEIDEN. 

274. VON DER FÜRSORGE GOTTES. 

275. VOM WAHREN CHRISTENTUM. 

276. VON DER GELASSENHEIT IM KREUZ. 

277. VON DEN LEICHENPREDIGTEN. 

278. VOM TROST DES CHRISTENTUMS. 

279. VON DER LIEBE GOTTES IM KREUZ. 

280. VON GOTTES WUNDERBARER REGIERUNG IM KREUZ. 

281. VON DER HILFE GOTTES IM KREUZ. 

282. VOM SCHWACHEN GEBET. 

283. VOM ZUSTAND DES MENSCHLICHEN LEBENS. 

284. VOM KREUZ DER TREUEN LEHRER. 

285. VON DER CHRISTEN HERRLICHKEIT. 

286. VOM TODE DER GERECHTEN. 

287. VON DER BEFRIEDIGUNG DES HERZENS IM KREUZ. 

288. VON DER HEUCHELEI. 

289. VON DER EIGENLIEBE. 

290. VON BESCHAFFENHEIT DES NATÜR- UND CHRISTLICHEN LEBENS. 

291. VON DER EIGENSCHAFT TREUER LEHRER. 

292. VON DER SEELEN REINIGUNG. 

293. VOM GLAUBEN UND VON DER LIEBE. 

294. VOM GEBET UND ARBEIT DER CHRISTEN. 

295. VON DER LIEBE GOTTES IM KREUZ. 

296. VOM BERUF UND AMT DER PREDIGER. 

297. VON DEN KENNZEICHEN DES WAHREN CHRISTEN. 

298. VON DEM ZUSTAND DER STREITENDEN KIRCHE AUF ERDEN. 

299. VON DEN WUNDERWEGEN GOTTES. 

300. VON DER LIEBE JESU. 

 

VORREDE.

 

Der geistreiche Verfasser dieses hiermit neu aufgelegten Buches, Heinrich Müller, wurde zu Lübeck am 18. Oktober 1631 geboren. Er hatte einen schwächlichen Körper, aber einen aufgeweckten Geist. Mit dem 13. Jahre konnte er schon die Hochschule zu Rostock beziehen und erhielt bereits im 17. Jahre die Magisterwürde. Nachdem er durch akademische Studien und Reisen wohl vorbereitet, öffentliche Vorlesungen zu halten kaum begonnen hatte, wurde er, 20 Jahre alt, zum Archidiakonus der Marienkirche in Rostock berufen. Zwei Jahre darauf ehelichte er die Tochter eines dortigen Kaufmannes, Margarethe Elisabeth Siebrand, mit welcher er 22 Jahre eine glückliche, mit 6 Kindern gesegnete Ehe führte. Er äußert sich über den Antritt seines Amtes in einer seiner Schriften folgendermaßen: Ich erinnere mich ja wohl, da ich im 20. Jahre meines Lebens das heilige Amt antrat, das ich jetzt in der Kraft des Herrn bediene, dass mir zu allen Füßen kalt war, denn ich noch unerfahren war und in göttlichen Dingen ungeübte Sinne hatte, wenig Muts, die Gottlosen zu strafen. Was sollte ich tun? Vor meinem Gott kniete ich in meinem Kämmerlein und sprach mit Jeremia: „Ach Herr, Herr, ich tauge nicht zu predigen, denn ich bin zu jung. Der Herr aber sprach zu mir: Sage nicht, ich bin zu jung, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende und predigen, was ich dich heiße. Fürchte dich nicht vor ihnen, denn ich bin bei dir, und will dich erretten!“ – Neben seinem Predigtamte setzte Müller seine akademische Wirksamkeit fort, wurde 1662 als ordentlicher Professor der Theologie und 1671 zum Stadtsuperintendenten in Rostock erwählt. Unter Tränen nahm er diese Würde an, weshalb der ihn einführende Superintendent Parchim zu Sommerfeld verwundert ausrief: „Was seh’ ich, Tränen bei Ehren – das will ich merken!“

Bei dem Ernst und der Schärfe, welche sich, wie in vorliegenden Erquickstunden, auch in Müllers Predigten zeigte, darf es nicht Wunder nehmen, dass er angefeindet wurde, wie es ihm andererseits an ehrenvollen Aufforderungen zu andern Lehrämtern nicht fehlte. Er predigte schlicht und einfach, und hielt dafür, lieber mit wenig Worten viel, als mit vielen nichts zu sagen. Er starb schon in seinem 44. Lebensjahre am 23. September 1675. Kurz vor seinem Tode sang er noch mit Glaubensfreudigkeit: „Herr Jesu Christ, wahrer Mensch und Gott etc.“ und „O Lamm Gottes, unschuldig etc.“ Den um sein Bett Stehenden rief er zu: „Betet, betet, dass Gottes Wille an mir vollbracht werde; denn was mein Gott will, gescheh‘ allzeit, sein Wille ist der beste.“ Von seiner Gattin, seinen Kindern und seinem Freunde Barklai nahm er mit vielen Tränen Abschied, und segnete und ermahnte sie zum Glauben und Gottesfurcht. Unter anderem sagte er: „Nicht ich, sondern mein Elend und Jammer sterben! Ich weiß nicht, dass ich in meinem ganzen Leben einen recht fröhlichen Tag in dieser Welt gehabt. Nach diesem Leben wird meine Herzensfreude erst recht angehen. Ungehindert von dem Leibe des Todes, werde ich vor dem Stuhle des Lammes mit größerer Kraft für meine Söhne, für euch, mein lieber Beichtvater, für meine Schäflein, sonderlich auch für meine Wohltäter beten. Darum seid getrost! Ich weiß, dass ich bald gar sanft, ohne einige Verstellung der Gebärden und Herzensangst, aus diesem Leiden abscheiden werde.“ 

Noch an demselben Tage entschlief er sanft und selig, um zu schauen, was er geglaubt hatte, denn unter allen Leiden war sein Wahlspruch gewesen: „Immer fröhlich!“ 2 Kor. 6,10. Der Tag seines Todes war ein allgemeiner Trauertag. Barklai sagt in der ihm gehaltenen Gedächtnispredigt: Was hat ihn so frühzeitig zu Tode gebracht? Seine große Sorge für eure Seelengesundheit, die ihn seine eigene Leibesgesundheit vergessen ließ. – Zum Texte seiner Leichenpredigt hatte er die Worte Jer. 51,9. gewählt: „Wir heilen Babel; ach, dass sie sich wollte heilen lassen!“ 

O, dass auch durch diese neue Ausgabe der Erquickstunden des seligen Gottesmannes Müller mancher mühselige und beladene Leser Erquickung und Heilung fände!

HILF GOTT!

 

1.

VON DER WELT FREUNDSCHAFT.

Nichts um nichts. Grad auf.

 

Welt, das geht mich und dich an. Du gefällst mir nicht, ich gefall dir nicht, wir sind geschieden. Du gefällst mir nicht, weil ich dich kenne und weiß, dass unter deiner süßen Lockspeise ein giftiger Angel steckt. Ich gefall dir nicht, weil du mich nicht kennst und nicht wissen willst, dass du von meinem Vater-Unser dein täglich Brot hast. Ein Christ hat nicht Ursache sich an der Welt zu verlieben, denn sie ist eine hässliche Lea. Wie kann er etwas Gutes bei ihr finden, die ganz im Argen liegt? 1 Joh. 5,19. Die Welt aber hat große Ursach einen Christen hoch zu halten, denn wenn kein Christ mehr darin ist, muss sie im Feuer untergehen, wie Sodom, da Lot hinaus war 1 Mose 19,15. Doch begehr ich nicht, dass mich die Welt liebe. Denn Gleichheit ist der Liebe Mutter. Hält sie viel von mir, so findet sie gewiss viel an mir, das ihr gleich ist. Das wollt ich nicht gern. Frömmigkeit kann sie an mir nicht lieben, weil sie selbst gottlos ist: darum sei’s so, ich gefalle der Welt nicht, sie gefällt mir nicht. Doch habe ich noch einen Vorteil vor ihr. Ich darf der Welt nicht zu Gefallen sein, wenn ich nicht will. Sie aber muss mir zu Willen sein auch wider ihren Willen, nach dem Willen meines Gottes. Sie muss mir täglich Brot geben; wenn‘s in ihrem Willen stände, gäbe sie mir lieber den Tod und alles Unglück. Ich bin ihr Herr, sie ist mein Knecht. Sie dient mir, ich lohn ihr nicht. Sie trägt mich, ich zertrete sie. Sie speiset mich, ich dank‘s ihr nicht. Ich bin ihr ein Fluch, 1 Kor. 4,13., und sie muss mich doch segnen. Ich bin ihr zuwider, und sie muss mich doch leiden. Sie ist mein müde, und mag mein doch nicht los werden. Sie dräut mir den Tod und muss mich doch leben lassen. Sie kann mit aller ihrer Macht mir kein Härlein krümmen, ich kann mit keinem Seufzerlein ihre ganze Macht vernichten. Viel schadet‘s mir, so ich der Welt gefalle. Denn was ihr gefällt, kann Gott nicht gefallen. Der Welt Freundschaft ist Gottes Feindschaft Jak. 4,4. Gott gefallen oder Menschen gefallen? Sage mir, welches ist das beste? Ich halte es mit dem ersten. Wenig nützt es mir, ob ich der Welt gefalle. Denn was kann sie geben, die selbst arm ist? Wer nichts hat, gibt nichts. Was die Welt hat, gehöret nicht ihr, sondern meinem Gott. Der gibt‘s und nimmt‘s wem er will. Hat sie es heut, vielleicht hab ich‘s morgen. Nichts schadet‘s mir, so ich der Welt missfalle. Denn was kann sie mir nehmen? Mein Reichtum ist Vergnüglichkeit. Meine Ehre, Tugend. Meine Freude ein gut Gewissen. Mein Erbe der Himmel. Mein ein und alles der im Himmel wohnt. Viel nützt es mir, so ich der Welt missfalle. Ihre Feindschaft, Gottes Freundschaft. Nimmt sie, Gott gibt, und mehr als sie nimmt. Betrübt sie, Gott erfreut, und höher als sie betrübt. Schändet sie, Gott ehrt. Tritt sie ab, Gott tritt bei. Verlässt sie, Gott hilft. Verstößt sie, Gott nimmt auf. Je ungnädiger Welt, je gnädiger Gott. Drum wünsche dir nicht, mein Herz, dass du der Welt gefallen mögest.

 

2. 

VON DER WELTLIEBE.

Die Welt steht auf Säulen.

 

Weißt du wo? In deinem Herzen. Denn was willst du außer dir suchen, da du selbst nichts anders bist als eine kleine Welt voll Augenlust, Fleischeslust und hoffärtiges Leben? 1 Joh. 2,16. Deine Liebe ist die Säule, darauf die Welt ihre Ruhe findet im Herzen. In der Liebe findest du die Welt als ein Bild im Spiegel. Entzieh der Welt die Liebe, so hat sie keinen festen Grund mehr im Herzen. Ach was sollen die Käufer und Verkäufer im Tempel Gottes tun? Joh. 2,15. Peitsche sie hinaus. In deinen Welt- und Geldgedanken verkaufst du oft die Seligkeit um eine Hand voll Ehre, Geldes und schnöder Wollust; gib Jesu deine Liebe, der hat sie besser um dich verdient, als die Welt. Sie nimmt, er gibt. Sie betrübt, er erfreut. Sie tötet, er macht lebendig. Liebst du Jesum, so ruht Jesus in deinem Herzen. Wo Jesus ist, da muss der Himmel sein. Ach, Jesus ist doch nirgend lieber als in meinem Herzen. Wie begierig ist er darnach, begieriger als die Hungrigen nach einem Stücklein Brots! Wie ängstet er sich in seinen Dienern, wie fleht er, wie klopft er ohn Unterlass, dass ich ihm öffne! Hinaus Welt! Jesus soll mein Herz haben. Komm mein süßer Jesu! 

Nimm alles und jedes, was mein, 

Zu deiner Belustigung ein! 

Mein Herze soll werden 

Dein Himmel auf Erden.

Jesu, wie kannst du denn anderswo sein? 

 

3. 

VON DER CHRISTEN FREUDE.

Immer fröhlich. 2 Korinther 6,10.

 

Ist mein Symbolum. Was fragst du darnach? Traure du und friss immerhin dein Herz weg. Ich tu es nicht. Will mich der Teufel verzagt machen, ich biete ihm den Kopf und spreche: Packe dich Teufel, immer fröhlich ist mein Symbolum. Weißt du das nicht? Bin ich krank? Unbetrübt. Lazarus, den Jesus lieb hatte, war auch krank Joh. 11,3. Die Liebe hat ihre Streiche. Je härter sie gedrückt werden, je heilsamer sind sie. Gott haut uns mit der Rute, aber er errettet uns von der Hölle Spr. Sal. 23,14. So viel Jahre bin ich gesund gewesen, warum sollt ich nicht Gott zu Ehren auch ein paar Wochen krank sein? Abwechslung ist gut. Haben wir das Gute empfangen von Gott und sollen das Böse auch nicht annehmen? Hiob 2,10. Die Seele ist Gott Lob gesund. Auf meinen kranken Leib hat Gott die allerzarteste Aufsicht. Für kranke Kindlein sorgen die Eltern am meisten. Gott erquickt mich auf meinem Siechbette, und hilft mir von aller meiner Krankheit Ps. 41,4. Was will ich mehr? Werd ich verunglimpft? Darum nicht traurig. Musste nicht mein Jesus auch hören, dass er wäre ein Weinsäufer, ein Zöllner- und Sündergesell? Matth. 11,19. Ich rufe zu Gott, dem Allerhöchsten, der sendet vom Himmel, und hilft mir von der Schmach meines Versenkers Ps. 57,3.4. Mein Gewissen beißt mich nicht, das geht über tausend Zeugen. Sollte mich das betrüben, dass man Böses von mir redet, da ich kein Böses getan habe? Ach nein, vielmehr erfreuen. So mein Verleumder ein Buch wider mich schriebe, so wollte ich‘s auf meine Achseln nehmen und mir wie eine Krone umbinden Hiob 31,35.36. Ich weiß ja, was mein Jesus sagt: Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und reden allerhand Übels wider euch, so sie daran lügen; seid fröhlich und getrost, es wird euch im Himmel wohl belohnt werden. Denn also haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind. Matth. 5,11.12. Überfällt mich allgemeine Not und Trübsal? Unverzagt. Das Glied kanns nicht besser haben als der Leib. Wenn alle, die im Schiffe sind, zu Grunde gehen, warum wollte ich allein überbleiben? Lass trauern, die keinen Glauben haben. Ich bin versichert, dass der Hüter Israel nicht schläft noch schlummert Ps. 121,4. Ist doch noch ein Gott im Himmel, der an mich denkt und für mich sorgt. Hab ich solch Leiden verdient mit meinen Sünden, so will ich Buße tun und Gnade suchen. Der Gott, der allen bußfertigen Sündern Gnade und Vergebung zugesagt, wird auch mich armen Sünder nicht verstoßen. Verlier ich meine Freunde, Kind und Weib? Den Mut will ich nicht verlieren. Gott hat‘s gegeben, Gott hat‘s genommen. Der Name des Herrn sei gelobt! Hiob 1,21. Bleibt mir doch Gott noch. Sterben ist nur ein Scheiden, nicht ein Verlust: das ich liebte, liebte Jesus auch. Es war mit ihm näher vereinigt als mit mir. Ich muss es meinem Jesu gönnen und meinem Freund den Himmel nicht missgönnen. Komm ich um das Meine? Noch beherzt. Mein Gut ist nicht mein Gott. Was sag ich, mein Gut? Wär es ein wahres Gut gewesen, hätte es nicht können verloren werden. Wars doch nicht mein, sondern meines Gottes. Warum sollte mich verdrießen wieder zu geben, was mir nur geliehen ist? Leide ich doch noch keine Not. Ich danke Gott für das, was ich habe, und habe schon vergessen, was ich hatte. Mit Nahrung und Kleidung bin ich zufrieden. 1 Tim. 6,8. Der ist reich genug, der sich genügen lässt.

Mir ist eine große Bürde abgenommen, dass ich desto behender gen Himmel steigen kann. Wie wohl ist mir? Manch Kornfeld ist verdorben durch allzu dicke Saat. Mancher schöner Ast zerbrochen unter der Last allzu vieler Früchte. Ich denke noch wohl an die Worte meines Heilandes: Wie schwerlich werden die Reichen in das Reich Gottes kommen! Mark. 10,23. Der Kamelrücken ist weg, nun kann ich desto bequemer durch das Nadelöhrlein durchkriechen. Das Gut ist weg, die Sorg ist weg, die Verachtung ist weg, ich bin noch eins so fröhlich, als ich vorher war. Ich will dir‘s sagen mit Wenigem was ich meine. Mein Herz ist mit Gott so fest vereinigt, dass mich nichts betrübt, denn nur – was Gott erzürnen kann.

 

4. 

VON DER VERLEUMDUNG. 

Wären keine Hehler, so wären keine Stehler.

 

Wie kommt‘s, dass die Welt so voll ungehängter Diebe ist? Die Verleumder meine ich. Der Gelddiebe gibts viel, der Ehrendiebe noch mehr. Ich will dir‘s sagen. Weil du gern Verleumdung hörest, findet sich, der gern Verleumdung redet. Sein Mund ist der Stehler, dein Ohr der Hehler, seid beide gleich fest daran. Soll ich das Urteil sprechen? Henk auf den Stehler bei der Zunge, den Hehler bei den Ohren, da hangen zwei Diebe zusammen. Mein Christ, dreierlei nimm in Acht, willst du ein Christ sein. Fürs Erste denke nicht leicht Arges von dem Nächsten, es ist wider die Liebe. Bilde dir nicht deinen Nächsten so und so ein, es kann vielleicht anders sein, du bist ja kein Herzenskündiger. Argwohn ist blind, irrt und trügt. Wie übel gehts, wenn ein Blinder den andern leitet! Hoffe nach der Liebe das Beste vom Nächsten, ob dir gleich ein Widriges in den Sinn kommt. Fürs Andere: kannst du dich selbst nicht überwinden und des Argwohns entmüßigen, hüte dich, dass du nichts Arges vom Nächsten redest und ihn dadurch bei andern verdächtig machst. Es ist fürwahr wider alle Ehrbarkeit und christliche Liebe, wenn man sagt: mir däucht der Mensch sei so und so. So aber drittens jemand sich unterstände, Argwohn bei dir anzurichten, leih ihm dein Ohr nicht; sprich: ich kann‘s nicht glauben, ich will meinen Nächsten erst drum fragen, man lügt viel auf die Leute also; wird mancher Sünde gewehret und bleibet Friede. Tue das. 

 

5. 

VOM TROST WIDER DIE FURCHT DES TODES.

Bild gegen Bild.

 

Das eine ist schrecklich, das andere lieblich, und ist doch nur ein Bild. Der Tod hat eine andere Gestalt von vorne, eine andere von hinten. Vor ihm her geht Traurigkeit, hinten nach folgt Freude, vorne schwarz, hinten weiß. Vor ihm her geht Unlust, hinten nach folgt Wollust. Vorne bitter, hinten süß. Bittere Schalen, süßer Kern. Vor ihm her geht Höll und Teufel, hinten nach folgt der Himmel. Auf seinem Brustschild führt er einen Räuber, der Beute macht, mit dieser Überschrift: Ich mag dein nicht. Niemand lässt sich gern berauben. Am Rücken trägt er ein anderes Schild, darauf steht ein Held, der Beute austeilt, mit der Überschrift: Wie gern will ich. Haben wollen wir alle gern, was lieber als den Himmel? Den gibt der Tod; wovor graut dir denn? Vor dem Himmel? Nicht, nicht. Im Himmel werden wir haben, mein Herz viel schöner Gaben. Wahr ist‘s, der Tod, wenn er vorn angesehen wird, ist unter allem Schrecklichen das Schrecklichste. Kein Wunder, dass du dich vor ihm fürchtest; haben‘s doch die heiligsten, weisesten, tapfersten Männer der Welt auch getan. Aber die Furcht, die du fühlst als ein Mensch musst du überwinden als ein Christ. Sprich zum Tode, wenn er, dich antritt: Du siehst so aus, dass mir bald grauen möchte, aber kehre dich um, wie lässt dir‘s hinten? Ist deine Gestalt da auch so greulich? Ach nein, was folgt auf ein selig Stündlein. Ruhe, Friede, Sicherheit, Freude, Leben, Seligkeit und volle Genüge. O Tod, du schreckst mich nicht; was du auf deinem Rücken trägst, habe ich lange gesucht. Ich bin müde, wünsche mir die Ruhe; ich habe so manchen Feind, möchte so gern einmal Frieden haben. Ich lebe in steter Gefahr, möchte gar Schiffbruch leiden, sehne mich nach einem guten Hafen. Ich werde allenthalben geängstet, wann kommt doch einmal die Freude? Willst du bald fort, Tod? Ach, nimm mich mit, je eher je lieber. 

 

6. 

VON DER ABSCHEULICHKEIT DER SÜNDE.

Ärger als der Teufel.

 

Hüte dich. Willst du wissen, was es sei? Die Sünde. Durch die Sünde hat der Teufel Macht über dich. Vom Teufel erledigt werden, ist ein Großes, von Sünden noch ein Größeres, sagt Chrysostomus. Der Teufel besitzt manchen frommen Menschen leiblich; die Ursache ist Gott bekannt, er kann aber doch nicht sagen, dass ihm ein Härlein von dem Menschen zukomme. Den Gottlosen besitzt er geistlich: die herrschende Sünde ist das Haus, darin er wohnt, von dem kann er sagen, dieser ist mein eigen. Leiblich besessen sein, ist ein großer Jammer, geistlich, noch ein größerer. Fürchtest du dich nun vor dem Teufel, so fürchte dich vielmehr vor der Sünde. Ohne Stachel kann die Biene nicht schaden, und ohne Sünde der Teufel nicht. Wer das höllische Feuer fürchtet, der fürchtet sich nicht zu sündigen, sondern zu brennen, der aber fürchtet sich zu sündigen, der die Sünde selbst wie das höllische Feuer fürchtet, spricht Augustinus. Ich will dem Teufel. so feind sein als der Sünde, doch der Sünde noch feinder als dem Teufel, denn die Sünde ist des Teufels Reich und Werk in mir; er muss wohl draußen bleiben, wenn ihn die Sünde nicht einlässt. Der Teufel muss auch mein Bestes befördern; wir wissen, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge, auch Tod und Teufel, zum Besten dienen Röm. 8,28. Die Sünde aber sucht und bringt nur mein Verderben.

 

7. 

VON GOTTES GNADE GEGEN DIE GEFALLENEN SÜNDER.

Feind oder Freund, wer bist du?

 

Beides hast du an der Gnade Gottes, wenn du gefallen bist. Wie du siehst, wenn der Blitz einen Baum oder Menschen schlägt, dass er zweierlei Werk tut: erstlich zerreißt er den Baum und würgt den Menschen geschwind dahin. Darnach kehrt er das Angesicht des toten Menschen oder des Baumes Bruch oder Schnitt zu sich gen Himmel. Also tut die Gnade Gottes beim Sünder. Erstlich schlägt sie ihn mit Mosis Fluch, als mit einem Blitz darnieder, kündigt ihm an die Verdammnis und übergibt ihn dem Tode; daher kommt das Schrecken, Seufzen, Weinen und Klagen in der Buße, dass das Herz vor Angst und Unmut gleichsam wird zerrissen, wie die Juden in großem Leid ihre Kleider zerrissen. Denn die Buße, die sich mit friedlichen Gedanken übt, ist Heuchelei es muss ein großer Ernst und Wehtuung da sein, Joel 2,12.13., soll das Fleisch gekreuzigt werden. Darnach kehrt sie des erschrockenen Sünders Angesicht zu sich gen Himmel, lockt ihn mit vielen tröstlichen Verheißungen an sich, dass er kommt, an die Brust schlägt und mit dem Zöllner seufzet: Gott sei mir Sünder gnädig Luk. 18,13. Zuvor hieß es:

 

Wo soll ich fliehen hin, 

Weil ich beschweret bin, 

Mit vielen schweren Sünden? 

Wo soll ich Rettung finden?

Wenn alle Welt herkäme, 

Mein Angst sie nicht wegnähme.

 

Jetzt heißt es:

 

O Jesu voller Gnad’, 

Auf dein Gebot und Rat

Kommt mein betrübt Gemüte 

Zu deiner großen Güte, 

Lass du auf mein Gewissen 

Ein Gnadentröpflein fließen! 

 

Also hat Gott zwei Stühle. Der eine heißt Richterstuhl, bedeckt mit der Hölle, der andere Gnadenstuhl, bezogen mit einem schönen Himmel. Vor dem Richterstuhle wird gehalten das Untergericht, vor dem Gnadenstuhle das Obergericht. Ich appelliere vom Untergericht ans Obergericht, vom Richterstuhl an den Gnadenstuhl. Tötet der Buchstabe, so macht der Geist lebendig, schreckt die Hölle, so tröstet der Himmel. Welch einen freundlichen Gott haben wir, der mitten im Zorn der Barmherzigkeit gedenket!

 

8. 

VOM ERNSTEN GEBET.

Vereinigte Kraft ist die stärkste.

 

Ein Schütze, wenn er scharf schießen und das Ziel treffen will, tut er das Auge zu, damit die Kraft zu sehen im andern Auge beisammen und desto stärker sei. Wer eine Sache gar tief bedenken will, zieht die Sinne und Gedanken von allen andern Dingen ab, zwingt sie in seiner Seele zusammen, damit er der vorhabenden Sache desto besser nachsinnen könne. Mein Herz, wenn du mit Ernst beten willst, da gehört Kraft dazu, du zielst mit deinem Bogen und legst deine Seufzer darauf, sollen deine Pfeile in den Himmel dringen und Gottes Herz verwunden, es gehört Kraft dazu: du gehst einen Kampf mit Gott an, soll der Sieg auf deiner Seite bleiben, es gehört Kraft dazu. Ach, warum zerstreust du denn dein Herz so, trennst deine Gedanken und lässt den einen dieser, den andern jener Eitelkeit nacheilen? Wie kann Kraft sein in der Zerstreuung? Ich rühme es am Pharisäer, dass er gebetet hat bei ihm selbst Luk. 18,11. Bleib bei dir selbst, willst du beten; Gott will das Herz haben, nicht gebröckelt, nicht gestückelt, sondern ganz. Ehe ich anfange zu beten, sammle ich alle meine Gedanken zusammen, treibe sie in den verborgensten Winkel meines Herzens, halte sie da gleichsam gefangen, trete dann vor meinen Gott und spreche: Ach Herr, höre, dein Knecht hat sein Herz gefunden 2 Sam. 7,27. Mein Herz ist bereit, dass ich lobe und bete. Im Gebet bin ich kurz, dass die Gedanken nicht ermüden und vor der Zeit wieder ausreißen. Es ist besser wenig Worte viel Herzens, als viel Worte wenig Herzens. Glaube und Geist beten kurz, doch beweglich. Wenn das Gebet aus ist, versiegle ich die Bitte mit einem gläubigen Amen, das gibt den wenigen Worten große Kraft. Willst du kräftig beten, so gehe hin und tue desgleichen.

 

9. 

VON DER BEHARRLICHKEIT IM GUTEN UND BÖSEN.

Werden ist gut, bleiben noch besser.

Werden ist bös, bleiben noch böser.

 

Damit hält’s der Haufe, ich auch. Der Haufe spricht: Ein Kaufmann werden ist gut, bleiben noch besser. Wie mancher verläuft das Spiel. Reich werden ist gut, bleiben noch besser. Wie manchem zerstreut das Unglück in einem Tage, was das Glück in vielen Jahren kaum zusammen getragen. Ein großer Mann werden ist gut, bleiben noch besser. Haman war’s auch, aber wie lange? Schuldig werden ist böse, bleiben noch böser. Der Gottlose borgt und bezahlt nicht Ps. 37,21. In Unglimpf geraten ist böse; bleiben noch böser. Ein guter Name ist so köstlich als das Leben; wer ihn verliert, ist bürgerlich tot. Ich spreche: Ein Christ werden ist gut, bleiben noch besser. Ach, wie mancher ist abgefallen! Lass deine erste Sorge sein, dass du was Gutes werdest, deine andere, dass du bleiben mögest, was du Gutes worden bist. Sorge, Sorge muss da sein. Du gehst auf einem schlüpfrigen Wege und trägst deinen Schatz in irdischen Gefäßen 2 Kor. 4,7. Wie leicht magst du gleiten und das Krüglein zerbrechen, den Balsam verschütten. Ach, wie viel sind deiner Feinde und wie mächtig sind sie! Satan speit Feuer und versucht an dir seine Tausendkünste. Die Welt ärgert dich mit tausend bösen Exempeln. Fleisch und Blut hat auch sein Lockpfeiflein, das man gern spielen hört. Ich rate dir, wache und bete. Dies eine verloren, alles verloren. Was hilft‘s mir, dass ich ein Christ geworden bin, wenn ich‘s nicht bleibe? Besser nie geworden, als nicht geblieben. Über einen Heiden wird ein erträglicher Gericht ergehen, als über einen abgefallenen Christen, darum, mein Gott, hilf mir doch sorgen, dass ich behalte, was ich habe. Noch eins sage ich: gottlos werden ist böse, bleiben noch böser. Von dem höchsten Gut abfallen, ist ja bös genug. Mit dem höchsten Gut nimmer wieder vereinigt werden, ist noch viel ärger. Du hast gesündigt: ich trage Mitleiden mit dir. Fehlen ist menschlich. Bin ich doch dem Fall so nahe als du. Dass ich stehe, macht Gottes Hand. Ich biete dir die Hand und will dich wiederum aus der Grube ziehen, darein du gefallen bist. Du willst nicht, ich kann kein Mitleiden länger mit dir tragen. In Sünden verharren wollen, ist teuflisch. Das Werden verdammt dich nicht, sondern das Bleiben. Ach, mein Gott, lass mich nicht fallen, und so ich falle, reich mir deine Gnadenhand aus der Höhe, und richte mich wieder auf. 

 

10. 

VON DEM SELIGEN ZUSTAND DER KINDER GOTTES AUF ERDEN.

Zwei Himmel auf Erden. Ist‘s nicht genug?

 

Es ist nicht so gar wohl geredet, wenn einer spricht, Gott kann nicht zwei Himmel geben. Die Welt hat ihren Himmel auf Erden der Christ seine Hölle. Hat denn Gott nur einen Segen? Ist denn Gott so arm worden, dass er nicht sowohl seinen Kindern, als den Weltkindern kann Reichtum zuwerfen? Sind denn allein die Weltkinder in Würden und Wollüsten? Nein, Gott ist ein reicher Mann, das wissen wir; der reiche Mann ist unser Vater, das glauben wir; er lässt es seinen Kindern nicht allzeit über gehen, das sehen wir. Ich sage: Die Welt hat nicht einen, der Christ hat zwei Himmel. Wo der Himmel ist, da muss Freude sein. Wann ist ein Weltkind wohl recht fröhlich? Lachen und fröhlich sein ist nicht einerlei: bei manchem weint das Herz, wenn der Mund voll Lachens ist. Das Herz ist unten geschlossen, oben geöffnet; was nicht aus der Höhe kommt, bringt ihm keine Freude. Ist der volle, niedliche Tisch des Weltmenschen Himmel? Wenn er krank ist, und nicht essen kann, was hat er dann für einen Himmel? Ist Gewalt, Ehr und Herrlichkeit sein Himmel, muss er stets in Furcht leben, dass er aus dem Himmel in die Hölle, aus der Ehre in die Schande mit Haman fallen werde. Die Furcht ist ihm schon Hölle genug. Ist der Goldkasten sein Himmel? Ach, ein schlechter Himmel, der sich der Motten und Diebe nicht erwehren kann. Und wo bleibt sein Himmel, wenn er alles lassen muss? Ich begehre um des Gottlosen Himmel nicht ein Flitterlein zu geben. Seine Seele ist eine leibhafte Hölle, darin so mancher Teufel wohnt, als Sünde herrscht. Sein Leib ist nicht viel besser, denn auf jedem Beinlein und Äderlein hat er einen Teufel sitzen, nur dass man’s nicht sieht. Fahr wohl mit deinem Himmel. Ich bin mit mehreren und besseren Himmeln versorgt. Einen hab ich, den andern hoff’ ich. Hienieden ist mein Herz mein Himmel. Wo Gott mit seiner Gnade wohnt, da muss der Himmel sein Jes. 57,15. Geht Gott mit mir ins Grab, so ist das Grab mein Himmel. Fährt er mit mir in die Hölle, so ist die Hölle mein Himmel. Gott aber wohnt durch den Glauben in meinem Herzen Eph. 3,17. Ich bin schon samt Christo in das himmlische Wesen versetzt Eph. 2,6. Ich hab einen himmlischen Geist, das Pfand meines Erbes. Ich hab eine himmlische Speise, das Brot des Lebens, das verborgene Manna Joh. 6,61. Ich hab himmlische Aufwärter, die heiligen Engel, die mich auf den Händen tragen Psalm 91,11. Ich hab eine himmlische Kleidung, bin angetan mit der Sonne der Gerechtigkeit. Ich habe einen himmlischen Bräutigam, Jesum. Ich schmecke schon die Kräfte des Himmels und fällt mir ein süß Tröpflein nach dem andern ins Herz. Ich sammle mir täglich Schätze im Himmel Matth. 6,19. Ja, was noch mehr ist, ich hab nicht nur mein Herz, sondern auch meinen Fuß im Himmel Phil. 3,20. Willst du noch leugnen, dass ein Kind Gottes seinen Himmel auf Erden habe? Von der Hölle weiß ich nicht. Bestreiten mich die Höllenpforten, sie mögen mich doch nicht überwältigen. Ich zertrete alle höllischen Feinde durch die Kraft Gottes. Ficht mich Höllenangst an, ich halte sie für lauter Himmelslust. Vom Himmel kommt sie. Kann auch Angst vom Himmel kommen? Gott ist bei mir drin und verzuckert sie mir mit himmlischem Trost. Doch eine Hölle hab ich hienieden, die heißt Sünde. So peinlich den Verdammten der Hölle Schmerz, so peinlich ist mir die Sünde. Ich seufze täglich mit Paulus: Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? Röm. 7,14. Ach, wann wird die Zeit doch kommen, dass ich den befleckten Rock meines Fleisches abziehen und in weißen Kleidern prangen werde? Offenb. 7,9. Auf das Stündlein wart ich stündlich, das Stündlein wünsch ich augenblicklich, es bringt mir meinen Himmel mit. Gott helf!

 

11. 

VOM RECHTEN GEBRAUCH DER ZEIT.

Herr, diese Zeit ist mein und dein.

 

Sang jene Nonne im Chor. Es mag so sein. Ich stimm mit an: Herr, diese Zeit ist mein und dein. Welt, du bist ausgeschlossen. Soll ich dir dienen? Ich habe keine Zeit dazu. Die Zeit ist mein und meines Gottes. Was ist flüchtiger als die Zeit? Ihr Ende ist Ewigkeit. Hab ich wohl gedient, so ist das Ende gut. Böser Dienst, böses Ende. Ich diene Gott, so ist meine Ewigkeit im Himmel; dien ich dir, so ist sie in der Hölle. Wem sollte noch gelüsten dir zu dienen? Weißt du, was mich am meisten gereut? Dass ich so manch Stündlein meinem Gott entwand und in deinem Dienst zugebracht. Ach! könnt ich‘s mit heißen Tränen wieder an mich kaufen! Gold und Silber hab ich nicht. Bist du mir noch gram? Höre noch eins. Die Nonne hat nicht recht gesungen. Mein ist die Zeit nicht, sondern meines Gottes. Kein Blick steht in meinen Händen. Heut soll ich dir dienen? Der Tag gehört Gott zu. Heute, so ihr hören werdet seine Stimme, so verstocket euer Herz nicht Hebr. 3,7.8. Willst du bis morgen warten? Wer weiß wo ich morgen bin? Heut tret ich auf den Stein, morgen deckt vielleicht der Stein mein Bein. Und wenn du gleich noch so geduldig wärest, bin ich doch so missgünstig, dass ich dir kein Stündlein gönne, alle Tage gehören meinem Gott zu. Ermahnt euch selbst alle Tage, so lange es heute heißt, dass niemand unter euch verstockt werde durch Betrug der Sünde, V. 13. Welt, die Zeit ist nicht mein, ich kann dir nicht dienen, frage meinen Gott darum, ob er mir Urlaub geben wolle. Wo nicht, so lass mich zufrieden.

 

12. 

VOM FREUDIGEN MUT DER CHRISTEN.

Gewagt, gewonnen.

 

Damit hält‘s die Welt. Der Gottlose sündigt frisch hin, wagt‘s auf Gottes Barmherzigkeit. Wie manches Spiel nimmt man vor unter dem Hütlein göttlicher Gnade! Ich wag‘s nicht mit, der Gewinn ist schlecht. Wer auf Gnade sündigt, kriegt Ungnad und Zorn zum Lohn. Wer auf Gnade sündigt, der sündigt doppelt. War‘s doch genug, dass er seine Seele wagt, was darf er Gottes Gnade mit aufs Spiel setzen? Gottes Gnad ist nicht eine Hegerin, sondern eine Heberin der Sünde. Sonst lob ich‘s mit: gewagt, gewonnen. Von einem verzagten Christen halt ich nichts; Christen müssen kämpfen, Kämpfer müssen mutig sein. Wer nicht wagt, gewinnt nicht. Welt, willst du drann? Frisch fort. Ich wag es. Ist kein Gewinn zu hoffen, so ist auch kein Verlust zu fürchten; du gibst mir nichts, du nimmst mir nichts. Du hast nichts, was kannst du geben? Ich habe nichts, was kannst du mir nehmen? Was wir beide haben ist Gottes, der gibt‘s, der nimmt‘s, wenn er will, sein Name sei gelobt. Teufel, hast du das Herz? Komm an. Groß ist deine Macht, meine noch größer. Allmacht geht über Macht. Du bist ein Löwe, aber angebunden, brüllen kannst du wohl, nicht verschlingen. Du bist ein Hund, aber an der Kette; bellen kannst du wohl, beißen nicht. Du gehst bei Scharen, ziehst einen großen Bienenschwarm hinter dir her. Derer, die mit mir sind, sind doch mehr als die wider mich sind 2 Kön. 6,16. Ich fürchte mich nicht vor viel hunderttausend Teufeln, die sich umher wider mich lagern Ps. 3,7. Sie umgeben mich wie Bienen, aber im Namen des Herrn will ich sie zerhauen Ps. 118,11. Du bist böse; was acht ich böse sein, wenn man nicht schaden kann? Dein Kopf ist hin, deine Macht ist hin. Sei bös immerhin, was frag ich darnach. Du bist listig, verlässt dich auf deine Tausendkünste. Weisheit geht über List. Kennst du den Mann wohl, in welchem die Schätze der Weisheit verborgen sind? Kol. 2,3. Der ist mir von Gott zur Weisheit gemacht 1 Kor. 1,30. Tod willst du auch dran? Ich wag‘s, ach! mit dir am allerliebsten. Dich kenn ich wohl, dich setz ich bei mir an die Tafel, dich herberg ich in meinem Bette, mit dir rede ich, wenn ich allein bin, mit dir erlustige ich mich in meinem Garten. Ich bin des Sterbens wohl gewohnt, weil ich alle Tage sterbe. Du tust mir nichts. Heißt du bitter? Ich nenne dich süß. Heißt du schrecklich? Ich nenne dich lieblich. Heißt du keine Lust? Ich nenne dich meine Lust. Heißt du schaff ab? Ich nenne dich willkommen. Heißt du Tod? Ich nenne dich mein Leben. Heißt du schone nicht? Warum sollt ich denn bitten, dass du mein schonest? Bin ich doch nicht besser als andere Menschen. Was nimmst du mir? Das Leben? Nimm immerhin. Wenn‘s köstlich gewesen, so ist‘s Müh und Arbeit gewesen Ps. 90,10. Den Leib? Ich danke dir, dass du mich erlöset von dem Leibe dieses Todes. Was nimmst du den Meinigen? Ist denn Gott nicht mehr als ich bin? Mit dir gewagt, heißt viel gewonnen. Du setzest aus der Mühe in die Ruhe; aus dem Leid in die Freud. Sterben ist mein Gewinn Phil. 1,21. Sollt‘s denn mit Gott auch gelten? Ei nur dran, da gewinnt man das meiste. Du schreckst mich nicht, mein Gott, ich finde doch endlich, was ich finden soll, ein holdselig Angesicht unter der Larve, ein Vaterherz unter der Löwenhaut, du stellst dich anders als du bist. Du polterst und lärmst, dass du deinen Kindlein einen Schrecken einjagst. Fällt dann ein Tränlein vor dir nieder, so trittst du zu, hebst es auf, umfassest dein Kind und küssest es. Endlich geht‘s auf einen Segen aus. Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn 1 Mose 32,26.

 

13. 

VON DER RECHTEN ZEIT DER BUSSE.

Dem Teufel Wein und Gott die Hefen.

 

Ist das recht? Dem Teufel das Gerade und Gott das Hinkende, ist das recht? Dem Teufel das Gesunde und Gott das Kranke, ist das recht? Dem Teufel das Frischblühende und Gott das Verwelkte, ist das recht? Dem Teufel das Gewisse und Gott das Ungewisse, ist das recht? Dem Teufel deine gesunde, blühende Jugend und Gott dein hinkendes, stinkendes, lahmes, faules, krankes, verschrumpftes Alter, ist das recht? Willst du aufs graue Haar deine Gottesfurcht sparen? Wer weiß ob du den Tag erlebst, dass dir ein graues Haar wächst? Im Alter hinkt und stinkt alles, Frömmigkeit mit. Weißt du nicht, dass der verflucht ist, der dem Herrn ein Lahmes und Krankes opfert, da er ein Gesundes und Tüchtiges hat? Maleach. 1,13.14. Wer ist dein Freund, Gott oder der Teufel? Dem Freund gehört das Beste. Wer gibt dir das Beste, Gott oder der Teufel? Und welches ist das Beste, der Himmel oder die Hölle? Wie murrest du, wenn dir Gott nur ein klein Kreuz zuschickt, und ist dir doch so gut. Willst du geben, gib was Gutes: Was auf dem Boden liegt, ist das Geringste und taugt nicht viel. Was sollte Gott mit den Hefen deines Alters tun? Wenn du untüchtig bist, der Sünde zu dienen, kannst nicht mehr huren, buben, fressen, saufen, rechten, fechten, wuchern, geizen, wie in deinen jungen Jahren, so willst du anfangen Gott zu dienen. Der Teufel verstößt dich, Gott soll dich wieder annehmen. Was machst du aus Gott? Einen Notknecht des Satans. Ach, ich rate dir‘s, spare deine Buße nicht bis du krank werdest, sondern bessere dich, weil du noch sündigen kannst. Verziehe nicht fromm zu werden und harre nicht mit der Besserung deines Lebens bis in den Kot Sir. 18,22. Spann bei Zeiten an und fahr los, du möchtest zu spät kommen, vielleicht ist das Tor vor Abend zu: Kaufe bei Zeiten, weil der Markttag da ist. Laufe bei Zeiten, weil die Schranken offen stehen. Ach, wer weiß wie lange? 

 

14. 

VOM GEBRAUCH DER MITTEL.

Aug hinauf, Hand an.

 

Die Mittel, so Gott an die Hand gibt, sollen wir nicht verachten, doch auch nicht das Herz dran hängen, sondern mitten im Brauch der Mittel auf Gott sehen, der Kraft und Gedeihen dazu gibt, dass sie wirken können, was sie wirken sollen. Ein Stücklein Brot nährt mich, aber durch Gottes Kraft. Ein Kräutlein heilt mich, aber durch Gottes Kraft. Ein wohlriechendes Blümlein erquickt mich, die Kraft ist Gottes. Ein guter Freund tröstet mich, soll der Trost haften und fasten, muss Gottes Kraft dabei sein. Drum muss es heißen: Aug hinauf, Hand an, so geht‘s recht. Das Aug gen Himmel, die Hand ins Fass; so ist der Bissen recht gesegnet und schmeckt mir wohl. Das Aug gen Himmel, den Becher in die Hand und so angesetzt, dann hilft die Arznei und kommt zu Kräften. Verfluchte Menschen, die nur auf Mittel sehen, und nicht auf Gott, die machen aus den Mitteln einen Abgott. So oft du ein Stück Brotes in den Mund steckst und glaubst nicht, dass ihm Gott die Kraft gebe, dich zu sättigen, machst du das Brot zu deinem Gott. Hast du Brot, so hast du Mut, denn dein Gott lebt noch; ist‘s Brot auf, fällt der Mut hin, denn dein Gott, der dich nähren sollte, ist tot. Ich will der Mittel brauchen, die Gott beschert, auf dass ich ihn nicht versuche, doch will ich nicht auf die Mittel mein Vertrauen setzen, auf dass ich ihn nicht verleugne. Gott kann wohl ohne Mittel helfen, dazu ist er mächtig genug. Es heilt sie weder Kraut noch Pflaster, sondern dein Wort, Herr, welches alles heilet Weish. 16,12. Aber Mittel können nicht ohne Gott helfen, dazu sind sie viel zu schwach. Sie werden essen und nicht satt werden Hos. 4,10. Halt es mit Gott, das ist am sichersten. 

 

15. 

VON DER BEICHTE UND BUSSE. 

Luk. 18.

Kunst und Brunst.

 

Wo findet man‘s zusammen? Beim armen Zöllner. Fünf Kunststücklein lerne ich von ihm. Kurz ist sein Bußseufzerlein, aber wer kann‘s ihm von Herzen ohne viel Tränen nachsprechen? Gott sei mir Sünder gnädig; ein Kunststücklein ist‘s, dass er Gott und den Sünder vereinigt. Du entfernst dich von Gott durch die Sünde, trittst wieder nah zu ihm durch die Buße. Magst du auch Feuer und Stroh bei einander legen, dass das Stroh nicht anbrenne? Ist nicht Gott ein verzehrend Feuer in seinem Zorn? Sind nicht die Sünder wie die Stoppeln? Aber das tut der Glaube. Der weiß, dass Gott nirgend lieber ist, als beim Sünder, wie der Arzt nirgend lieber ist als beim Kranken. Noch ein Kunststücklein ist, dass er Sünde und Gnade vereinigt, die doch mit einander streiten als Feuer und Wasser. Wie reimt sich Gnade und Sünde? Auf Sünde gehört nicht Gnade, sondern Ungnade und Zorn. Was sagt Moses dazu? Aber der Glaube gründet sich auf die Trostsprüchlein göttlichen Worts, darin den bußfertigen Sündern Gnade angekündigt wird Hesek. 33. Matth. 11. Er macht die Zueignung auf sich und spricht: Die Gnade, die allen bußfertigen Sündern zugesagt ist, wird auch mir bußfertigem Sünder nicht abgesagt werden. Das dritte Kunststücklein ist, dass er die Gnade zur Mittlerin erwählt zwischen Gott und sich; Gott sei mir Sünder gnädig, Gott hie, der Sünder da, die Gnade in der Mitte. Gott hat das Schwert gezückt, der Sünder den Rücken geblößt, die Gnade fällt Gott in die Arme und hält das Schwert. Gott zürnt, der Sünder weint, die Gnade stillt und tröstet. Lass ja deine Werke nicht ins Mittel treten zwischen Gott und dir, denn mit deinen Werken verdienst du den Tod. In dir findest du nichts, was mitteln könne; darum verzage nur gänzlich an dir und hänge dich lauterlich an die Barmherzigkeit Gottes. Das vierte Kunststücklein ist, dass er die Gnade Gottes allein in Christo sucht. Sei gnädig, sagt er, das ist, um des Messias willen, welchen du hast vorgestellt zu einem Gnadenstuhl durch den Glauben in seinem Blut, vergib mir meine Sünde. Kein Heiliger kann dir Gnade erwerben. In Jesu allein ruht die Gnade Gottes. Jesum ergreifen, Gottes Gnade mit ergreifen. Ach, wenn du Jesu Wunden deinem Gott zeigst, so blutet ihm sein Herz, er muss dir gnädig sein.

Darum an Jesum halte dich. Ist in dir Sünde, bei ihm ist die Gerechtigkeit. In dir der Fluch, bei ihm der Segen. In dir der Tod und die Verdammnis, bei ihm das Leben und die Seligkeit. Er kann mehr zahlen als du schuldig bist. Ein Tröpflein seines heiligen Blutes ist kräftig genug, deine und aller Welt Sünde auszutilgen. Das letzte und beste Kunststücklein ist, dass er Beichte und Absolution in ein Seufzerlein fasset. Die Beichte ist, mir Sünder, oder ich armer Sünder. Die Absolution: Gott sei mir gnädig, oder wirst gnädig sein. Rund gebeichtet, rund absolviert. Ich spreche: Ich bin ein armer Sünder. Was will Gott mit mir machen? Verstoßen kann er mich nicht, seine Barmherzigkeit leidet‘s nicht, noch viel weniger sein Eid; hat er doch geschworen, so wahr als ich lebe, ich habe keinen Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern dass sich der Gottlose bekehre und lebe Ezech. 33,11. Gott muss mir antworten: Ich bin dir gnädig. Ach ja. Auf Erden geht Recht vor Gnade. Im Himmel geht Gnade vor Recht. Es ist noch immer Gnade bei Gott für einen armen Sünder. Gott selbst läuft dem Sünder nach, bietet ihm seine Gnade an, lockt und ruft: Kehre wieder, du abtrünniges Israel, so will ich mein Antlitz nicht gegen euch verstellen, denn ich bin barmherzig und will nicht ewiglich zürnen Jer. 3,12.

Darauf wage ich‘s, kehr mit dem verlornen Sohn wieder zurück, und spreche: Vater, ich habe gesündigt im Himmel und vor dir, und bin nicht wert, dass ich dein Sohn heiße, nimm mich wieder zu Gnaden Luk. 15,18.19. Gott wird‘s tun, das weiß ich.

 

16. 

VON DER CHRISTEN FREIHEIT.

Gefangen und doch frei.

 

Deß dank ich Gott. Wehe mir, wenn meine Seele so eingesenkt wär in diesen Körper, dass sie nicht weiter gehen könnte als sie von ihm getragen wird, gleich etwa einer Schildkröte, die sich außer ihrem Häuslein nicht bewegen kann. Aber Gott hat mir einen solchen Geist gegeben, der sich selbst bewegen kann, auch indem der Leib still liegt, der so geschwind und behend in seiner Bewegung ist, dass er eher von der Erden gen Himmel fahren kann, als mein Leib sich von einer Seite zur andern wendet. Du klagst, ich bin gefangen. Deine Freiheit ist dir doch nicht benommen. Freiheit ist ein Privilegium des Willens. Der Himmel hat die höchste Gewalt, zwingt alles und kann nicht gezwungen werden. Du bist ja ein Christ, so wirst du deinen Willen Gottes Willen unterwerfen. Gottes Wille ist offenbart in seinen Werken. Was Gott tut, das will er. Ist‘s nun sein Wille dich gefangen zu halten, muss es auch dein Wille sein. Ist‘s dein Wille, so klagst du vergeblich, dass dir deine Freiheit benommen sei. Weiter: Gott wirft täglich seine Liebesangel aus, dran steckt ein Würmlein, das heißt Himmelstrost. Ich beiß frisch an, das Würmlein schmeckt wohl. Darnach empfind ich erst, dass ich gefangen sei, gefangen und doch frei. Wenn ein Fisch recht angebissen, lässt ihn der Fischer im Wasser hin und her schwimmen, wie und wohin er will. Gefangen ist er und meint doch er sei frei. Die Liebe Gottes ist wohl ein starkes, doch auch liebliches Band, bricht den Willen nicht, sondern beugt ihn. Deo servire libertas, d. i. Gott in Liebe dienen, ist die höchste Freiheit Joh. 8,33-36.

 

17. 

VOM VERZUG GÖTTLICHER HILFE.

Morgen soll es besser werden.

 

Damit hab ich mich und manch traurig Herz getröstet. Morgen soll es besser werden mit Gottes Hilfe. Ach so bald? Ja liebstes Herz, morgen, ob Gott will. Ich sage nicht: morgen sollst du ohne Kreuz sein. Nein, ein jeder Tag trägt seine Plage auf dem Rücken. Ich sage: morgen soll‘s besser werden. Höre, des Herrn Güte ist alle Morgen neu, Klagel. 3,23. Bricht die Morgenröte heran, so bricht eine neue Güte mit hervor, die neue Güte bringt neue Kraft des Geistes, die neue Kraft macht dir dein Kreuz leichter, da ist dir schon besser, als gestern. So oft du eines neuen Tages Licht erblickst, denke dran, danke Gott und sprich: Gott lob, mir ist schon besser. Kommt der Morgen und dich dünkt, die Besserung bleibt aus, lass den Mut nicht sinken, sondern sage mit David: Meine Seele wartet auf Gott von einer Morgenwache zur andern Ps. 130,6. So muss es sein. Auf Gott muss man warten. Ist denn gleich nicht heut der Morgen, drin du möchtest Linderung finden, ei so wird er morgen kommen. Auf Gott muss man warten. Wie manch Stündlein wartet Gott auf dich. Wie lang wartest du oft auf einen guten Freund. Ei so überwinde dich und halte Gott zu Ehren auch ein paar Stündlein aus. Ich will meinem Trauern Maß setzen. Die Hilfe kommt gewiss, wo nicht heut, doch morgen. Kommt Hilfe nicht, so kommt doch Trost, kommt Trost nicht, so kommt doch Kraft. Der morgende Tag bleibt auch nicht aus, er kommt wenn Gott will; Gott will, wenn seine Ehre und unser Heil kann befördert werden. Er weiß wohl, wenn’s am besten ist. Sein Wille ist ein Eilen. Darum will ich stillen Geistes sein und auf die Güte des Herrn hoffen. 

 

Ob es währt bis in die Nacht,

Und wieder an den Morgen,

Soll doch mein Herz an Gottes Macht

Verzweifeln nicht noch sorgen. 

 

18. 

VON DER VORTREFFLICHKEIT GÖTTLICHER GNADE.

Eins ist not. Luk. 10,42.

 

Wir Menschen sind auf viel Dings bedacht, das doch unnütz ist und machen uns viel vergeblicher Sorgen. Aber um das einige, das am nötigsten ist, bekümmern sich wenige. Mancher sorgt, wie er reich werde und wäre doch reich genug, so er sich begnügen ließe. Es ist ein großer Gewinn, wer gottselig ist und lässt ihm genügen 1 Tim. 6,6. Ein anderer bemüht sich groß zu werden in der Welt, wäre groß genug, wenn er sich selbst wüsste zu beherrschen. Ein Geduldiger ist besser denn ein Starker, und der seines Muts Herr ist, denn der Städte gewinnt Spr. Sal. 16,32. Manchem ist‘s um Glückseligkeit zu tun, die ihm doch nicht entgehen könnte, wenn er so lebte, dass er selig stürbe. Selig sind die Toten, die im Herrn sterben Offenb. 14,13. Aber wer bedenkt, was zu seinem Frieden dient? Mit Gott wohl dran sein und einen gnädigen Gott haben, ist das beste. Um das einige will ich mich bewerben. Ein gnädiger Gott ist mir Reichtums genug. An seiner Gnade lass ich mir genügen. Ich wünsche mir auch keine höhere Ehre, als die ich schon habe, dass ich Gottes Kind und Erbe heiße. Nach großem Glück frag ich nicht. Auf warme Luft folgt ein Donnerwetter, auf groß Glück, gemeiniglich ein groß Unglück. Und wer ist glückseliger, als der einen gnädigen Gott hat? Glückselig ist der Reiche, denn er hat viel. Noch glückseliger ein Christ, denn er hat alles. Glückselig ein Wollüstiger, denn er hat den Himmel auf Erden: noch glückseliger ein Christ, denn er hat den Himmel im Herzen. Glückselig ein Edler, der einen vornehmen Vater hat: glückseliger ein Christ, der Gott zum Vater hat; Blitz und Donner ist meines Vaters Stimme, davor müssen auch die Edlen erschrecken. Ach, dass wir so wenig nach einem gnädigen Gott fragen! Was macht‘s? Wir kaufen nicht gerne, was wir nicht kennen. Wenige haben Gott in seiner Güte erkannt, wenige haben seine Freundlichkeit geschmeckt. Bitte Gott, dass er dir von seiner Güte etwas ins Herz tröpfle; was gilt‘s, ob dich nicht nach ihm dürsten wird, wie einen Hirsch nach frischem Wasser? Aber wie kann Gott eingießen, wenn du nicht zuvor ausgießest? Dein Herz ist voll Weltlüste, dass die himmlische Wollust keinen Raum darin findet. Gottes Tröstungen sind so ekel, dass sie keinen Welttrost neben sich leiden. Nimmer wird dir Gott süß werden, ehe dir die Welt ist bitter worden. Was Gott leer findet, das füllt er, was er voll findet, das lässt er leer. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer Luk. 1,53. Ach, dass ich des Meinen nichts in mir hätte, so würde mir Gott des Seinen desto mehr geben. Geuß aus, mein Gott, und geuß ein, ich befehl dir beides. 

 

19. 

VON GOTTES UND DER WELT TRAKTAMENTEN.

Nicht zu süß, auch nicht zu sauer.

 

Damit halt ich‘s. Allzu süß bringt Ekel, allzu sauer benimmt die Anmut, beides ist dem Appetit zuwider. Die Welt weiß hierin kein Maß zu halten, traktiert ihre Liebhaber entweder zu süß oder zu sauer. Dem einen gibt sie alles, dem andern nichts. Der eine muss sie vom Ehrenthron, der andere aus dem Staub anbeten. Wenn sie betrübt, ist kein Trost dabei; hingegen wenn sie einmal erfreut, muss aller Kummer zum Haus hinaus; nimmer sieht man die Weltkinder lachen und weinen zugleich. Gott hält einen besseren Tisch, weiß süß und sauer fein zu temperieren. Die saure Trübsal versüßt er mit Trost, dass eine Herzstärkung daraus werde, wie aus einer überzuckerten Zitrone. Gleich wie wir des Leidens Christi viel haben, also werden wir auch reichlich getröstet durch Christum 2 Kor. 1,5. Die süße Himmelslust versäuert er mit Furcht. Ich freue mich mit Zittern, Ps. 2,11., denn ich weiß, dass vom dritten Himmel des Satans Engel nicht ferne wohnt 2 Kor. 12,2.7. Kinder Gottes können zugleich weinen und lachen. Denn sie sind als die Verführer, und doch wahrhaftig; als die Unbekannten und doch bekannt; als die Sterbenden, und die doch leben; als die Gezüchtigten, und doch nicht getötet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viel reich machen; als die nichts inne haben, und doch alles haben 2 Kor. 6,8-10. Ich will lieber bei Gott als bei der Welt zu Tisch gehen. Denn zu sauer mag ich‘s nicht, zu süß dient‘s mir nicht. Gott richtet‘s so zu, dass es mir allweg nützt, ob‘s gleich nicht allweg schmeckt. Der Welt muss ich den Tisch zu teuer bezahlen: in den Apfel gebissen, das Paradies verloren. Gott nimmt mit einem: Dank Gott! vorlieb. Ein Kluger hält das Seine zu Rat. 

 

20.

VON DER GÖTTLICHEN TRAURIGKEIT UND WELTLICHEN LUSTIGKEIT.

Lust hin, Lust her.

 

Sagt jener, da er ohne seinen Dank sollte lustig sein. Das hin und her liegt mir immer in den Gedanken. Die Welt mahnt mich an zur Lustigkeit. Mir schmeckt der Braten nicht. Lust hin, Lust her. Woher kommt der Welt Lustigkeit? Aus dem Fleisch. Wohin führt sie? In die Hölle. Mir graut, Welt, vor deiner Lustigkeit, als vor der Hölle. Wo sind die, die vormals so lustig waren und sangen: Wohl her nun und lasset uns wohl leben, weil‘s da ist, und unsers Leibes brauchen, weil er jung ist. Wir wollen uns mit dem besten Wein und Salben füllen, lasst uns die Maiblumen nicht versäumen. Lasst uns Kränze tragen von jungen Rosen, ehe sie welk werden. Unser einer lass ihm fehlen mit Prangen, dass man allenthalben spüren möge, wo wir fröhlich gewesen sind, wir haben doch nicht mehr davon denn das Weish. 2,6-9. Ach, ich sag es mit Tränen: In der Hölle. Wie hat sich die Lustigkeit des reichen Schlemmers in höllische Pein und Qual verwandelt! Ich wähle, was vom Himmel kommt, und zum Himmel führt die göttliche Traurigkeit die da wirkt zur Seligkeit eine Reue, die niemand gereuet 2 Kor. 7,10. Besser in Gott traurig, als in der Welt fröhlich. Lieber mit Jesu geweint, als mit der Welt gelacht. Wo liest du, dass er gelacht habe? Den Tränen aber ist er sehr nahe. Weint Maria, so weint Jesus mit. Der Welt Lachen endigt sich in Heulen. Wehe euch, die ihr hier lacht, denn ihr werdet weinen und heulen Luk. 6,25. Aus der Christen Tränen aber muss Freude wachsen; so manch Tränkörnlein, so manche Freudengarbe. Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten, sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen, und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben Ps. 126,6.7. Nichts finde ich auf Erden, das mich lustig machen, viel aber, das mich betrüben kann. Seh ich über mich, erblick ich zwar mein Vaterland mit Freuden; betrübe mich aber, dass ich Armer noch nicht daheim bin, sondern allhier im Elend herum wallen muss. Sehe ich unter mich, so schreckt mich die Hölle. Sehe ich zurück, folgt mir auf dem Fuße nach die Menge meiner Sünden, so ich mein Lebtag begangen; so mancher Sünde ich mich erinnere, so manche Last habe ich auf meinem Herzen, so mancher Pfeil verwundet mich. Sehe ich vor mich, wer weiß, was noch für Jammer auf mich wartet? Sehe ich um mich, der Greuel find allenthalben viel, darüber ich seufzen muss. Schau ich dann in mich selbst hinein, hilf Gott, welch ein Greuel der Verwüstung liegt im Grunde verborgen. Ach, das betrübt mich. Die Zähren fließen. Ein Tröpflein schägt das andere. Je tiefer ich grabe, je mehr Wassers ich finde. Darum Lust hin, Lust her, wer könnte noch lustig sein; doch sollst du gleich wohl nicht meinen, dass ich nimmer lustig sei. Ich hab einen gnädigen Gott, das freut mich; lässt er seine Himmelströpflein mir ins Herz fallen, wird die Freude vermehrt. Ich hab ein gut Gewissen, das macht ein fröhlich Herz; ein fröhlich Herz macht das Leben lustig Spr. Sal. 17,22. Ich hab ein Erbe im Himmel, deß freu ich mich in Hoffnung Röm. 12,12. Der Welt Lustigkeit hat ein Ende, wenn Trübsal ihren Anfang nimmt. Meine Lustigkeit besteht auch im Kreuz. Denn nimmer schmeckt mir Gott süßer, als im Kreuz, wenn alles bitter geworden. Welt bleibe wie du bist, ich bleibe, der ich bin. Meine Lust wird dir nicht, deiner Lust begehr ich nicht. 

 

21. 

VON DER BESCHAFFENHEIT DES CHRISTENTUMS.

Aller guten Dinge sind drei.

 

Auf drei Wörtlein muss ein Christ Tag und Nacht studieren. Sie heißen: wollen, werden, sein. Was willst du? Ein Christ sein. Was wirst du? Ein Christ. Was bist du? Ein Christ. Das Wollen ist der Anfangenden, Werden der Wachsenden, Sein der Vollkommenen. Wollen ist schwer, denn ein guter Vorsatz hat viel Feinde. Werden noch schwerer, indem man einen Berg hinan klettert, fällt man oft herab; der Geist willig, das Fleisch schwach. Sein das allerschwerste, und wird von niemand in dieser Sterblichkeit erreicht. Ich kann nicht sagen, ich bin ein Christ, denn ich fühle noch im Fleisch die Sünde, Röm. 7,25., die wider Christem ist. Gern wollen ein Christ sein, tut‘s auch nicht allein. Wie mancher wollte gern reich sein und bemüht sich doch nicht darum. Wenn das Wollen ins Werden geht, so lob ich‘s. Ich wollte gern ein guter Christ sein und werde es auch, ich werde von Tag zu Tag frömmer und besser, demütiger und sanftmütiger. Aber die wenigsten denken aufs Werden. Die meisten heucheln ihnen selbst und sind zufrieden mit dem Wollen. Nimmt doch Gott den Willen für das Werk, sprechen sie. Recht so, aber wenn der Wille sich bemüht ins Werk zu gehen und das Werden zu befördern. Kann ich nicht sein, der ich sein sollte, will ich doch durch Gottes Gnaden werden, der ich werden soll; kann ich aber nicht werden, der ich werden sollte, wollte ich‘s doch gerne werden und tut mir wehe, dass ich‘s nicht dazu bringe. Ich weiß, das wird meinem Gott auch gefallen. Es heißt ja nicht: der Knecht, der seines Herrn Willen weiß und tut ihn nicht, sondern, der ihn weiß und hat sich nicht bereitet, dass er darnach täte, wird viel Streiche leiden müssen Luk. 12,47. Ach Herr, ich bin bereit, deinen Willen, mein Gott, tue ich gern Ps. 40,9. Der du hast das Wollen gewirkt, schaffe auch in mir das Tun nach deinem Wohlgefallen Phil. 2,13.

 

22. 

VON DER GEWISSENSPRÜFUNG.

O Furcht! O Graus?

 

Du zitterst, ich auch. Vor dem Teufel? Ich nicht. Was kann mir der Teufel tun? Er sperrt den Schlund auf, muss mich doch nicht verschlingen; er geht um mich her, hat doch das Herz nicht, dass er zu mir eingehen darf wider meinen Willen; er wirft Feuer, ich lösch es aus mit dem Schild des Glaubens. Er beißt mich nicht, ich hab einen mächtigen Schutz. Aber weißt du, wovor ich erzittere? Ich will dir‘s sagen. Tauler spricht an einem Ort: ich für meine Person sag ohne Scheu, wer nicht zum wenigsten alle Tage einmal nach allen Kräften sich kehrt zu dem Grund seiner Seele und seines Gewissens derselbe lebt noch nicht, wie ein frommer Christ leben soll. Ach wie manchen Abend bin ich ins Bett gestiegen und bin nicht zuvor hinabgestiegen in die Tiefe meines Herzens, dass ich mein Wesen durchforscht und mich gründlich geprüft hätte. So oft ist das Bett meine Hölle gewesen und habe doch sanft darin geruht. (Sag doch, dass kein sanft Ruhen in der Hölle sei.) Hätte mich Gott in der Nacht vor Gericht gezogen, wie wäre ich gefahren? Wie er mich findet so richtet er mich. Vielleicht hat dazumal ein Mörder bei mir geschlafen, vielleicht ein Dieb, ja vielleicht ein Teufel. Ich erschrecke, wenn ich daran gedenke. Gottes Langmut und lautere Barmherzigkeit ist‘s, dass ich so oft der Hölle bin entronnen: hinfort muss ich klüger sein. Alle Stunden sind nicht gleich. Herz, den Bund mach ich heut mit dir: Ich will nie zu Bette gehen, ich habe denn beschaut, wie du aussiehst. Bist du ein Mörder? Bei mir sollst du nicht schlafen; trenne dich vom Mörder, so sollst du mit mir zu Bette gehen. Hast du was Übels im Sinn gehabt, verhehl es nicht, Gott kennt dich doch; Rund gebeichtet, rund absolviert. Sprich mit David: Ich habe gesündigt wider den Herrn, 2 Sam. 21,13., so wird dir der Herr antworten: Ich habe deine Sünde weggenommen, du wirst nicht sterben. Was willst du dich mit der Sünde beißen? Wirf sie hin auf Jesum, lass sie da ihr Recht suchen. Hat sie was zu sagen, sprich du: Ich will‘s nicht mehr tun. Das ist die beste Buße.

 

23. 

VOM TROST IM KREUZ.

Woher? Wohin?

 

So red ich mein Kreuz an, wenn mir bange wird. Woher kommst du? Vom Himmel. Sei mir willkommen, du bist ein Engel Gottes. Wo führst du hin? Zum Himmel. Ach nimm mich mit, du edler Himmelswagen! Mich wundert‘s, dass die Menschen vor dem Kreuze so erschrecken. Aber was macht‘s? Sie meinen, ihr Kreuz komme aus der Hölle, vom Teufel und bösen Menschen und fahre auch hinab zur Hölle. Nein, liebe Seele, dein Kreuz kommt vom Himmel. Könntest du die Hand sehen, die dich schlägt, du würdest sie küssen; sie ist Gottes Vaterhand. Dein Kreuz führt zum Himmel. Könntest du die Krone sehen, die den Kreuzträgern im Himmel beigelegt ist, mit Freuden würdest du tragen all dein Leiden. Will dich niemand haben, liebes Kreuz, komm nur zu mir. Ich weiß, wer dich gesandt hat: Mein Gott, von dem nichts Böses kommen kann; mein Schöpfer, der mich nicht verderben kann; mein allerliebster Vater, der‘s mit seinem Kinde nicht böse meinen oder machen kann. Ich weiß, was du mitbringst, einen gnädigen Gott! Habe ich den, was will ich mehr? Ich kenne dich wohl, du schreckst mich nicht: dein Drücken ist ein Erquicken, dein Belästigen ein Erlustigen, dein Stachel ist voll süßen Honigs, dein Betrüben voll süßen Trostes. Ich weiß auch wohl, wo du mit mir hingedenkst. In den Himmel, ach! In den Himmel. Wo wollte ich lieber sein? Nun, so mach fort, ich warte dein, ein lieber Gast sollst du mir sein. Kreuz, komm doch bald, dass ich meinen Kampf vollende, die Krone ist schon geflochten. Sic itur astra per ardura, d. i. Kreuz ist der Weg zum Himmel. 

 

24. 

VON WIEDERERLANGUNG DER GNADE GOTTES.

Geboren mit Freuden, angeschaut mit Schmerzen.

 

Rate, was ist das? Die Sünde. Sünde ist süß im Anfang, am Ende bitter. Mit Lust gesündigt, mit Pein gebüsset. Petrus schmeckte der Sündenapfel so süß, dass er einen Biss nach dem andern hinein tat. Aber was folgt daraus? Bitteres Weinen! Matth. 26,75. Mit Lust ging der ungeratene Sohn aus seines Vaters Haus, mit Schmerzen kam er wieder Luk. 15,18. Bedenk das Ende. Je größer Lust im Anfang, je größer Schmerz am Ende. Geboren mit Schmerzen, angeschaut mit Freuden. Was ist denn das? Die Gnade Gottes. Durch wahre Buße kommt man wieder zu Gnaden. Wie sauer aber geht‘s in der Buße daher! Schau Hiskias, wie girrt und winselt er Jes. 38,14. Schau David, wie kläglich tut er in seinen Bußpsalmen! Schau die große Sünderin Maria, sind nicht ihre Augen Tränenquellen? Luk. 7,38. Schau den Zöllner, wie voll Angst ist sein Herz! Kann er doch kaum die fünf Wörtlein herausklopfen: Gott sei mir Sünder gnädig Luk. 18,13. Im Lachen verliert man einen gnädigen Gott, in den Tränen findet man ihn wieder. Keiner bekommt den Zucker göttlicher Gnade zu schmecken, er habe denn zuvor in die Myrrhe der Buße gebissen. Dann erfreut die Gnade am höchsten, wenn sie mit vielen Tränen gesucht und nach heißer Angst erst gefunden ist. Wenn vorher im niedrigen Ton geht, was Hiskias winselt: Siehe, um Trost war mir sehr bange Jes. 38,17. Oder: Bitter, bitter ging‘s mit mir daher, wenn ich an Frieden gedachte! So mag man im höhern Ton nachsingen: Du aber hast dich meiner Seele herzlich angenommen, dass sie nicht verdürbe. Mit Trauern angestimmt: Ich bin so müd von Seufzen, ich schwemme mein Bett die ganze Nacht und netze mit meinen Tränen mein Lager. Meine Gestalt ist verfallen vor Trauer und ist alt worden, denn ich allenthalben geängstigt werde Ps. 6,7.8. Mit Freuden ausgehalten: Der Herr hört mein Weinen, der Herr hört mein Flehen, mein Gebet nimmt der Herr an, V. 9.10. Soll eins sein, will ich lieber im nassen Wetter säen und im trocknen ernten, als im trocknen säen und im nassen ernten. 

 

25. 

VON DER HEUCHELEI.

Gesehen und doch nicht gekannt.

 

Ach wie ist die Welt so voll Heuchler! Wer sieht sie? Ich und du. Wer kennt sie? Gott allein. Vor Menschen kann man den Schalk bergen, vor Gott nicht. Menschen sehen den Schein der Werke, Gott auf den Grund des Herzens. Doch höre, ich will dir weisen, wo der Heuchler zu finden. Nicht in den Haaren, auch nicht im Rock; denn die Platten und Kappenträger sind die ärgsten Schälke; sondern im Herzen. Ein jeder, sagt Luther, trägt einen ungeschorenen Mönch im Busen. Ist wohl geredet. Und ein jeder trägt einen Pharisäer im Herzen. Was suchst du den Pharisäer in Jerusalem? Er ist dir so nah, als du dir selber bist. Merk eins: wo sich der Mensch verliert, da findet sich gewiss der Heuchler. Wie sagt jener Pharisäer? Ich danke dir Gott, dass ich nicht bin wie andere Menschen Luk. 18,11. Erkennst du auch das, was Menschliches an dir ist? Fehlen ist menschlich; erkennst du auch, dass du ein Sünder bist und fehlen kannst? Wer sich ausnimmt aus der Zahl der Sünder, der nimmt sich aus der Zahl der Menschen. Denn es ist kein Mensch auf Erden, der Gutes tue und nicht sündige Pr. Sal. 7,21. Hier ist kein Unterschied, wir sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhms, den wir an Gott haben sollten Röm. 3,23. Kein Mensch ist besser als der andere; hältst du dich für einen Heiligen, so bist du gewiss ein Heuchler. Merk noch eins: wo Gott und der Teufel eins sind, da ist gewiss ein Heuchler. Gott ist ein Richter. Der Herr ist es, der mich richtet 1 Kor. 4,4. Der Teufel ist ein Ankläger. Er verklagt die Frommen Tag und Nacht vor Gott Offb. Joh. 12,10. Jener Pharisäer war des Zöllners Richter und Ankläger, Gott und Teufel. Du unterstehst dich den Nächsten zu richten; sag mir, kennst du auch seines Herzens Grund? Sprichst du nein: warum richtest du denn? Wer hat dich heißen richten ohne Grund? Sprichst du ja, machst du dich selbst zum Gott. Die Ehre hat Gott bisher allein gehabt, dass er Herzen und Nieren prüft Ps. 7,10. Jerem. 17,10. Du verklagst deinen Nächsten bei Gott; sag mir, was bewegt dich? Die Liebe kann‘s nicht tun, denn die ist mitleidig und deckt zu der Sünden Menge; wie vielmehr, dass Gott schone als strafe. Tut‘s der Hass und Neid? Woher kommt der? Vom Teufel. Ein Mensch, der seinem Nächsten die Seligkeit nicht gönnt, ist ein Teufel. Ist denn Gott und der Teufel in dir eins worden? So bist du der ärgste Heuchler unter der Sonne. Darnach prüfe dich, mein Christ, und so noch ein Schalk in dir steckt, befleißige dich, denselben gründlich zu erkennen, innig zu empfinden, eifrig zu bestreiten, tapfer zu übermannen. Gott helfe dir.

 

26. 

VON DER SCHWACHHEIT DES GLAUBENS.

Ein Fünklein ist auch Feuer.

 

Versuchs nur, leg Kohlen zu, blas drein, ob‘s nicht Feuer geben werde. Ein schwacher Glaube ist auch ein Glaube. Der Glaube ist nicht allzeit eine brennende Fackel, sondern oft nur ein glimmendes Kerzlein. Das Kerzlein leuchtet so wohl als die Fackel, obgleich nicht so hell. Der Glaube ist das Auge, damit wir Jesum ansehen. Ein blödes Auge ist auch ein Auge, ein weinendes Auge ist auch ein Auge. Du sitzest in Tränen und klagst, ach wie ist mir so herzlich bange, dass ich nicht glauben kann; ach dass ich doch glauben könnte! Mein teuerstes Herz, auch der glaubt, der sein vermeintes Nichtglauben herzlich beweint, denn solche Tränen zeugen vom Verlangen nach dem Glauben. Gern wollen glauben, heißt vor Gott geglaubt. Gott wirkt in uns sowohl das Wollen als Vollbringen, darum kann er jenes so wenig als dieses verschmähen. Der Glaube ist die Hand, damit wir Jesum ergreifen. Eine bebende Hand ist auch eine Hand. Ach! Der glaubt, dem das Herz im Leibe bebt, wenn er zugreifen und Jesum fassen soll. Du sprichst oft: O, wie kann ich mich der Wunden Jesu getrösten, und ich erzittere, wenn ich an meine große Sünde gedenke, ich bin des Trostes nicht wert! Das heißt doch geglaubt und Jesum mit bebender Hand ergriffen. Der Glaube ist die Zunge, damit wir schmecken, wie freundlich der Herr ist. Eine am Geschmack geschwächte Zunge ist auch eine Zunge. Auch dann glauben wir, wenn wir kein Tröpflein Trostes schmecken. Denn unser Glaube gründet sich nicht auf unser Fühlen, sondern auf Gottes Verheißen. Der Glaube ist der Fuß, so uns zu Jesu trägt. Ein kranker Fuß ist auch ein Fuß; wer langsam kommt, kommt auch. Ein Christ muss in seinem Glauben nicht sehen auf wie, sondern was. Was hält dein Glaube? Jesum. Wie hält er ihn? Schwächlich. Liegt nichts dran, wenn er nur Jesum hält. Gott hat die Seligkeit gelegt nicht in deinen Griff, sondern in den Ergriffenen, welcher ist Christus. Es ist eine doppelte Hand, die mir zum Himmel hilft. Meine Glaubenshand ergreift Jesum und hält sich an sein Verdienst. Jesu Gnadenhand ergreift mich und kommt meiner Schwachheit zu Hilfe. Mein Ergreifen und Halten ist leichter wieder losgemacht, sein Ergreifen und Halten ist desto fester. Also bin ich auf einmal zugleich schwach in mir, stark in meinem Jesu.

 

27. 

VOM AMT DER PREDIGER.

Wer bist du?

 

Ich bin eine Stimme eines Rufers, spricht der Täufer Joh. 1,23. Ich auch. Des Tages bin ich eine Stimme des rufenden Gottes. Gott ruft durch mich bald hart, bald linde, bald süß, bald sauer. Bald lockt und tröstet, bald schreckt und dräut er. Ich lass mir‘s sauer genug werden und ruf aus allen Kräften. Meine Tränen rufen, hab ich doch nicht abgelassen mit Tränen zu ermahnen. Meine Schweißtropfen rufen, ach könnte die Kanzel reden! Meine Blutstropfen rufen, wie oft siehst du im Eifer das Blut unter Augen! Wollte Gott dass meine Stimme ein Echo nach sich lassen möchte, und die Seelen so nachriefen, als Gott vorruft! Aber bei den meisten heißt es leider vox praetereaque nihil! Eine Stimme und nichts mehr. Der Rabe sitzt auf dem Dache und ruft; was nützt es? Eine Stimme ist‘s und nichts mehr. Rabe und Prediger richten beide gleich viel aus, dass Gott erbarm! Ach höre, weil Gott ruft, und nimm‘s zu Herzen, er möchte des Rufens bald müde werden. Des nachts bin ich eine Stimme der rufenden Kirche, und trage Gott in meinem Gebet die Not der Seelen vor. Das weiß, der alles weiß. Ich rufe aus der Tiefe meines Herzens. Meine Tränen rufen: Ach, Herr hilf! Das Blut in meinen Adern ruft: Ach Herr, wann willst du gnädig sein? Sei gnädig deinem Volk, das du, Herr, erlöset hast. Oft prallt die Stimme zurück mit einem unfreundlichen Wiederhall. Gott will nicht hören, weil du nicht hören willst; das betrübt. Oft folgt der Stimme ein lieblicher Nachschall, ach Herr, wann willst du gnädig sein? Das erquickt. Dein Werk soll sein, der du ein Diener Christi bist, dass du lehrst und betest.

 

28. 

VON DER FLÜCHTIGKEIT DES LEBENS.

Zwischen Leben und Tod ist nur ein kleiner Schritt.

 

Wie heißt er? Augenblick. In einem Augenblick fallen wir aus dem einen ins andere. Im Augenblick lebendig, im Augenblick tot. Die Menschen machen ihre Rechnung auf sehr lange Schritte; der eine auf 50, der andere auf 60, der dritte auf 70, ja wohl auf hundert Jahre. Lange Schritte sind gefährlich und glücken nicht allezeit. Wie viel Gefahr ist beim langen Leben, und wie wenig Glücks? Je länger du lebst, je länger sündigst du, je länger leidest du. Sei bedacht auf kurze Schritte. Ein Augenblick trifft dich gewiss, du kannst nicht wissen, welcher. Mir soll ein jeder der letzte sein. Deine Grenzen sind dir gesetzt, du weißt nicht, wie nahe. Ich will nicht anders denken, als ob ich schon am Ziele wäre. Deinen Abschied musst du einmal nehmen, weißt nicht wann. Ich gebe täglich meinem Leibe gute Nacht, wenn ich zu Bett geh, und weil er sich in sein Grab legt zur Ruhe, übergeb ich die Seel in Gottes Hände, da sind sie geschieden. Mein Herz, merk dies. Ein jeder Augenblick, den du lebst, geht ab von deinem Leben; es nimmt ab und zu, nur bei Stunden; je kleinere Schritte es tut, je schneller es läuft. Ach, dass du so sicher vor dem Tode bist, und trägst ihn doch allenthalben mit dir herum! Ist nicht dein Leib ein Leib des Todes? Wohnt nicht die Sünde drin, Röm. 7,20., des Todes Mutter? Fühlst du nicht viel Schwachheiten, des Todes Vorboten? Wie manches Schaf, wie manches Kalb, wie manchen Fisch hast du in dir begraben! Bist ein Totengrab, und denkst nicht ans Grab. Bereite dich, bereite dich. Unselig ist, den der Tod nicht bereit findet. Er wartet nicht auf einen Blick. Wie dich dein letzter Lebensblick lässt, so nimmt dich die Ewigkeit an. Daran gedenk, sei immer bereit, der Tod ist nicht weit. Ich rate dir‘s.

 

29. 

VON DER RUHE DER SEELE IN GOTT.

Ende im Anfang: Anfang im Ende.

 

So hält‘s die Sonne. Wo sie ihren Lauf anfängt, da endigt sie ihn, und wo sie ihn endigt, da fängt sie ihn wieder an. So hält‘s der Mensch. Seines Lebens Anfang ist seines Lebens Ende. Ein neuer Blick, ein neuer Tod, ein neues Leben. Es ist nur ein Pünktlein, dass wir leben, das Übrige ist entweder vergangen und gehört dem Tode zu, oder künftig und ungewiss. Das Ende seiner Zeit ist der Anfang seiner Ewigkeit. Wie gewonnen, so zerronnen. Bedenk, o Mensch, die Ewigkeit! Hast du wohl gelebt, so ist der Tod nicht deines Lebens Ende, sondern Anfang. Du stirbst nicht, dein Elend stirbt nur, wie Cäcilia die Märtyrin sagt. Du dringst durch den Tod ins Leben, ein besseres als du gehabt. Du hattest ein mühseliges, gewinnst ein ruhiges; hattest ein jammervolles, findest ein freudenvolles; hattest ein kurzes, bekommst ein ewiges. Was verloren, was gewonnen? Lebe so, dass du selig sterbest, so lebst du so, dass du nimmer stirbst. Ein Christ hält‘s auch so. Gott ist der Anfang, Gott ist das Ende seiner Werke. Mit Beten fängt er an, mit Danken hört er auf. Ein jedes Ende bringt einen neuen Anfang. Er kann nicht müßig sein, ist ein geistlich Uhrwerk, das nimmer still steht. Ist ein Werk im Herrn getan, folgt bald noch eins, dann wieder noch eins, so lang er lebt. Gott ist der Ursprung seiner Seele, nirgends als in Gott ruht sie mit ihrer Begierde. Wo sie ausgegangen ist, da geht sie wieder ein und ist dann wohl zufrieden. Der Stein ruht nicht in der Luft, sondern auf Erden. Die Erde ist gleichsam sein Mutterschoß. Darum willst du deiner Seele Frieden gönnen, so führe sie in Gott, da findet sie, was sie vergnügt. 

 

30. 

VOM TROST IM LEIDEN.

Honig im Löwen.

 

Süßigkeit im Schrecklichen, war Simsons Rätsel Richt. 14. Gott ist ein Löwe, wenn er zürnt, ein schrecklicher und grausamer Jes. 38,13. Jer. 17,17. Hiob 30,21. Dennoch find ich Honig bei ihm, dass er mitten im Zorn an Gnade gedenkt. Sag mir: wann ist der Vater im Himmel am allerzornigsten gewesen, denn da sein Sohn im Ölgarten Blut schwitzte? Dennoch hat der Sohn Gottes mitten in solcher Angst zum Vater schreien dürfen. Schrecklich ist Gottes Gerechtigkeit, süß und freundlich seine Güte; schrecklich ist er in seinem Gesetz, freundlich in seinem Evangelio; schrecklich den Feinden, holdselig den Freunden. Der Teufel ist ein Löwe und brüllt nach unsern Seelen, wie der Löwe nach dem Raube 1 Pet. 5,8. Ein schrecklicher, wenn er uns mit schreckhaften Gedanken, als mit feurigen Pfeilen ängstet. Geh ich hinzu, find ich doch Honig bei ihm: denn was vermag Satan? Das vermag er, das er will. Er hat das Wollen, er will mir schaden. Aber das Können vermag er nicht ohne Gott. Er darf mir nicht näher treten, als Gott zulässt, und muss dazu mein Heil befördern auch wider seinen Willen. Wie sauer ließ er sich‘s werden, dass er Jesum zum Tode brächte! Was richtet er damit aus? Dass alle Welt in dem getöteten Jesu ihr Leben fand. Wie bemühte er sich, Petrus durch die Siebe zu werfen! Was gewann er? Dass Petrus bekehrt, stärken konnte seine Brüder. Ich habe die Verheißung von Gott: Auf den Löwen und Ottern wirst du gehen und treten auf den jungen Löwen und Drachen Ps. 91,13. Und erfahr‘s täglich, dass Gott sein Wort wahr macht, wenn er einen Teufel nach dem andern zertritt unter meine Füße Röm. 16,20. Ich überwinde den Löwen durch des Lammes Blut Offenb. 12,11. Ist‘s nicht viel, der Löwe muss sich vorm Lamme fürchten. Ein Löwe ist der Tod, wenn er alle Gebeine zerbricht, ein König des Schreckens, doch führt er bei sich seinen Honig und was tröstlich ist. Ich darf sein spotten und sagen: Tod, wo ist dein Stachel? Kannst du auch beißen? Er mag beißen, wie er will; Sturm, Hagel, Blitz, Donner, Teufel, Hölle, mir muss er eine Friedensfahrt sein, wenn ich im Herrn sterbe. Mein Feind setzt auf mich zu wie ein brüllender Löwe, wenn er erschrecklich droht und pocht. Ich finde dennoch Süßigkeit im Schrecklichen. Er muss mich erhöhen, indem er mich zu erniedrigen sucht. Er presst mir manchen Seufzer aus. Mit einem Seufzerlein jag ich hunderttausend Teufel in die Flucht. Drum unverzagt!

 

31. 

VON DER GEISTLICHEN TRUNKENHEIT.

Der Wein redet durch mich.

 

Sagt ein Trunkener. Das ist nicht gut. Du lachst, ich erschrecke. Der Wein durch dich. Durch den Wein der Teufel. Der Teufel durch dich. Regiert der Teufel deine Zunge, so besitzt er auch dein Herz. Herz und Zunge hat die Natur durch ein Äderlein fest zusammengebunden. Das Herz ist die Quelle, darin der Bösewicht sein Gift kocht, die Zunge die Rinne, dadurch er es ausgießt. Wie kommt der Teufel in den Wein? sprichst du. Lieber, wie kam er in die Schlange? Er weiß sich fein behend in die Kreatur zu wickeln und schleicht durch dieselbe ins Herz. Wahrlich, ich habe mit dir nichts zu schaffen. Hat er durch die Schlange Eva betrügen können, warum nicht auch mich und dich? Aber lass so sein. Du rühmst dich, dass der Wein durch dich rede; ich rühme mich auch. Der Wein redet durch mich vielleicht öfter, als durch dich. Merkst du nicht, wenn ich predige, wie die Fülle des Geistes oft zum Munde heraus quillt? Manchmal steht mein Herz in tausend Sprüngen, und ein jeder Sprung geht in den Himmel hinein. Ich bin so mutig, dass ich mit meinem Jesu wohl durch Spieß und Schwerter, durch Feuer und Flammen, durch Not und Tod dringen wollte. Ich weiß selbst nicht, wie mir zu Mute ist und bin im Geiste gleichsam entzückt. Der fleischliche Mensch begreift nicht. Wer die Kräfte des Himmels geschmeckt hat, merkt wohl, dass ich trunken bin. Höre. Wenn mich mein Jesus bitterlich betrübt hat und es mit mir wieder gut machen will, so führt er mich in seinen Weinkeller Hohel. 2,4. Und tränkt mich mit Wollust als mit einem Strom Ps. 36,9. Dann werd ich voll Geistes, und weß das Herz voll ist, deß geht der Mund über Matth. 12,34. Ich singe und sage von meinem Jesu, wie süß er sei. Ich jauchze vor Freuden und rufe den Seelen, die im Geist mit mir verbunden sind, zu: Ach kommt doch, schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist. Wohl dem, der auf ihn traut Ps. 34,9. Da rede nicht ich, sondern die Fülle des Geistes, der himmlische Freudenwein redet durch mich. Da geht‘s, wie Paulus sagt Ephes. 5,19: Werdet voll Geistes und redet unter einander von Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in euren Herzen. Siehe, so redet der Wein nicht allein durch dich, sondern auch durch mich. Ach Jesu, lass mich schmecken deine Süßigkeit im Herzen, und dürsten stets nach dir. 

 

32. 

VOM FRIEDEN MIT DEM TEUFEL.

Mit dem Teufel macht keinen Stillstand.

 

Er hält nicht. Wir wollen gern mit dem Teufel Frieden haben. Ach, spricht mancher, dass mich der Teufel doch zufrieden ließe, und er lässt uns doch keinen Frieden. Er ist ein unruhiger Geist, kann nicht still sein. Dazu ist er schadengierig, wollte wohl alle Augenblicke, wenn es Gott zuließe, seine Klauen an uns setzen. Auch weiß er, dass er wenig Zeit hat Offenb. 12,12. Darum schläft er nicht. Mich wundert, Mensch, dass du so sicher bist. Der Feind wacht, du schläfst. Wie viel Unkraut kann er, indem du schläfst, auf deinen Acker säen. Der Feind geht um dich her und sucht, wo er einbreche; du tust ihm Tür und Fenster auf. Er hat mir Frieden zugesagt, sprichst du. Er ist ein Lügner und hält nicht. Ach wacht, wer weiß wie nah das böse Stündlein ist! Es geht nicht an Gut und Blut, sondern der Seelen Seligkeit. Ich will dem Teufel nimmer weniger trauen, als wenn er mir Frieden und Freundschaft anbietet, denn so hat er im Sinn, mich, ehe ich‘s vermute, zu überfallen. Auf meinem Fähnlein, das ich wider den Teufel führe, steht dies Symbolum: Gott zum Freund, den Teufel zum Feind. Was frag ich nach des Teufels Frieden, wenn ich Gott zum Freunde habe? Ach wie manchen Teufel hat Gott schon zertreten unter meine Füße! Es wäre meinem Gott eine Schande, wenn ich mit dem Teufel Frieden machte, gerade als wäre er nicht mächtig genug, mich wider seine Macht zu schützen. Mit allen will ich Frieden halten, so viel an mir ist, nicht aber mit dem Satan, der Welt und meinem Fleisch. Dem Satan will ich widerstehn, so flieht er Jak. 4,7. Die Welt will ich strafen in Lehre und Leben, so wird sie schamrot. Mein Fleisch will ich immer in Verdacht halten, so werde ich nicht leicht betrogen. Diesen Dreien sag ich alle Freundschaft auf.

 

33. 

VON DER ERNEUERUNG NACH DEM BILDE GOTTES.

Weß ist das Bild? Matth. 22,20.

 

Es muss meines Gottes sein. Sonst ist‘s nimmer recht. Dein Herz ist ein Täflein, worauf man bilden kann, was man will, Gott, Teufel, Welt, Himmel. Wem du es in Liebe zuhältst, der bildet sich hinein. Liebst du Gott, so nimmt‘s Gottes Bild an sich. Liebst du die Welt, so findest du die Welt drinnen. Die Liebe ist der Spiegel, drin sich das Bild präsentiert. Ach wehe dir, so etwas anderes auf deinem Herzen gebildet steht, als Gott! Bedenkst du nicht, was der Heiland sagt zu den jungen Pharisäern: Gebt Gott, was Gottes ist? V. 21. Am Bild erkennt man, wem du gehörst, Gott oder dem Teufel. Deß Bild du trägst in der Zeit, deß bist du in alle Ewigkeit. In Ewigkeit des Teufels sein, bedenke was es auf sich hat. Ich will bei Zeiten klug werden, und in diesem Stücke den Malern folgen, welche, wenn sie für sich selbst ein hübsch Bild malen wollen, zuvor ein ander gemaltes Bild gar eben beschauen, alle Punkte und Linien desselben auf ihr Täflein zeichnen, und alsdann ihr Bild darnach formieren, so treulich als sie können. Jesus soll mein Vorbild sein 1 Pet. 2,21. Dessen Lehre und Leben soll nimmer aus meinem Gedächtnis kommen. Dahin soll mein Fleiß gehen, dass ich verklärt werde in seinem Bilde von einer Klarheit zur andern 2 Kor. 3,18. Treff ich‘s nicht alsbald, will ich doch nicht aufhören, mich in ihm zu bespiegeln, bis ich‘s immer besser treffe. Kann ich‘s ihm nicht gleich machen, will ich doch allen Fleiß anwenden, dass ich‘s in etwas nachmache. Er bleibt wohl der Meister, ich will nur sein Schülerchen sein. Er bleibt wohl der Weg und behält den Vortritt; ich will zusehen, dass ich ihm nachtrete in seinen Fußtapfen. Du allerliebster Jesu, drücke dich selbst in mein Herz, dass ich nach dir gebildet, dein sei und bleibe ewiglich!

 

34. 

VON DER GEDULD.

Ein Kräutlein heilt alles.

 

Es wächst aber nicht in allen Gärten. Es ist rar und doch nicht teuer, bitter und versüßt doch. Der Apotheker hat‘s nicht zu Kauf, und wird doch von den Ärzten verordnet. Die Erde trägt‘s nicht, der Himmel gibt‘s. Willst du wissen, wie es heißt? Geduld. Ungeduld bringt Unruh, Unruh bringt Pein, Pein macht krank; je ungeduldiger Seele, je kranker Leib. Geduld bringt Ruh, Ruh stillt den Schmerz, gestillter Schmerz heilt die Wunde. Erkennst du nun, dass Geduld alles heile? Ich will geduldig sein. Ist‘s doch des Herrn Wille, dass ich leiden soll. Was der Vater will, muss den Kindern wohl gefallen. Hab ich‘s doch mit meinen Sünden verdient, und viel ein mehreres. Ist mir doch Gott im Kreuz mit seiner Gnade am allernächsten, ja, dann am nächsten, wenn‘s lässt, als wär er am allerfernsten. Je härter er schlägt, je gnädiger er ist. Muss es doch mir zum Besten dienen. Keine Trübsal ist so gering, leid ich sie Gott zu Ehren, sie ist mir nützer, als ob man mir die ganze Welt gäbe. Was haben andere Heilige vor mir gelitten, und wie fröhlich sind sie gewesen in der höchsten Marter? Was hat mein Jesus gelitten? Wer bin ich gegen ihn, und was ist mein Leiden gegen seines? Sollte mich etwas um seinetwillen zu leiden verdrießen, der sich‘s so sauer um mich hat werden lassen? Ach nein. Und wär‘s noch so groß, ja die Hölle selbst. Wie manch süß Honigtröpflein lässt er von seinen Lippen in meinen Kreuzbecher fließen? Wie lieblich wird er mich nach dem Leid erfreuen, wie herrlich nach dem Kampfe krönen? Willst du noch nicht geduldig sein, mein Herz, so lass es bleiben. Aber was gewinnst du? Dein Leiden machst du dir größer, deine Last schwerer, deine Pein bitterer. Ich will mit meinem Jesu sagen: Vater, nicht wie ich will, sondern wie du willst Matth. 26,39. Das Wort ist Gott am allerliebsten. 

 

35. 

VON DER SPARSAMKEIT.

Spare was, so hast du was.

 

Wer glaubt‘s? Und ist doch wahr. Spare nichts, habe nichts, wohnen unter einem Dach. Die Welt muss ja den Hebkorb verloren haben, weil die Brocken so zertreten werden, oder den Kapuzinerorden angenommen haben, weil alles vor Abend auf sein muss. Wie manchem wäre wohl zu raten, wenn er das Seine zu Rat halten könnte. Höre, was Christus erüberte: bei Abspeisung der 5000 Mann ließ er aufheben 12 Körbe. Wirf nicht weg, was übrig bleibt, und wär‘s nur ein Bröcklein. Kannst du doch nicht mit aller deiner Macht dir ein Brosämlein zu Wege bringen. Verschwendet man die Gaben Gottes, so verschwinden sie. Im Aufheben mehren sich die Brocken: Zerstreuen macht arm. Sammeln macht reich. In einem jeden Bröcklein ist ein neuer Segen Gottes, wenn man‘s in Acht nimmt. Wir sollen zwar für den morgenden Tag nicht sorgen; kommt Zeit, kommt Rat; gibt Gott das Leben, gibt er auch wohl Brot; ohne Zugabe lässt er uns nimmer von sich. Doch soll man nicht denken, heut muss alles auf sein. Nicht, nicht, morgen will man auch essen. Gott hat so ein kleines Maß nicht, dass er nur auf einen jeden Tag soviel zumesse, als wir eben verzehren können. Ein reicher Gott ist er, und gibt uns allerlei reichlich zu genießen 1 Tim. 6,17. Er hat seine milde Hand nicht eben an einen Tag gebunden, sondern gibt oft in einem Tage einen Vorrat auf viele Jahre. Da spare was, so hast du was. Aber höre noch eins. Kargheit ist keine Sparsamkeit. Denke nicht, ich will den Armen lassen hungrig weggehen, und mein Übriges für mich und meine Jungen ersparen. Was man an Gott erspart, ist mit dem Teufel verwahrt. Die Armen sind Gottes Schatzkästlein, können dir das Deine am besten verwahren. Was du an die Freunde Gottes wendest, ist nicht verloren. Sie sind der rechte Brotkorb, in welchem dein Vorrat nicht allein verwahrt, sondern auch vermehrt wird. Segne sie, so segnest du dich selbst.

 

36. 

VON DER RECHTEN LIEBE DES FREUNDES. 

Liebe und Hass vertragen sich wohl.

 

Feuer und Wasser sind wider einander und doch vereinigt im warmen Wasser. Liebe und Hass sind Feinde, vertragen sich aber gar wohl in einem göttlichen Menschen. Ich liebe Gott, und hasse alles, was an mir und andern Gott zuwider ist. Die Liebe selbst ist gehässig. Warum hasst Gott die Sünde? Weil sie zuwider ist seiner Gerechtigkeit, die er lieb hat. Ich liebe dich, und hasse doch an dir deine Laster. Das, meinst du, sei nicht von Herzen geliebt. Wie, sprichst du, kann Lieb und Hass verknüpft sein? Das wohl. Dich lieb ich, das Deine hass ich. Person und Laster sind nicht einerlei. Trenn dich und dein, so trennst du Lieb und Hass; fällt deine Sünde hin, mein Hass fällt mit hin. Bei wenigen findest du Lieb und Hass verbunden. Mancher ist ohne Hass, liebt dich und das Deine, sieht dich sündigen, schweigt still, sieht durch die Finger, lässt ihm wohlgefallen, was du Böses tust, will dich nicht erzürnen. Meinst du, dass derselbe dich liebe? Ach nein. Wie kann der mich lieben, der mich sieht in eine Grube fallen, und lässt mich nicht allein drin stecken, sondern lacht auch noch über mein Unglück? Die Liebe rettet, wo sie kann, allermeist die Seele. Das Deine liebt ein solcher, und um des Deinen willen lässt er dich zum Teufel fahren. Mancher ist ohne Liebe, hasst dich und das Deine. Sündigst du, läuft er voll Zorns, richtet und verdammt dich, enthält sich dein, sieht auch nicht gern, dass andre mit dir umgehen. Meinst du wohl, dass ein solcher dich jemals recht geliebt hat? Ach nein. Die Liebe zürnt allein dem Nächsten zu gut, und ob sie wohl zu seiner Sünde nicht schweigt oder dieselbe billigt, weiß sie doch einen feinen Unterschied zu machen zwischen Person und Untugend, und lässt nichts unversucht, was zu des Nächsten Besserung dienen kann. Augustinus sagt: Du musst die Laster nicht lieben um der Menschen willen, noch den Menschen hassen um der Laster willen, sondern je mehr du des Menschen Natur liebst, je mehr sollst du hassen das Laster, welches die Natur, die du liebst, besudelt hat. Ich weiß wohl, dass ich ohne Gebrechen nicht bin; drum will ich den für meinen besten Freund halten, der mir meine Gebrechen vorhält und aufrückt. So weiß ich wohl, dass meine Freunde nicht ohne Gebrechen sein können, drum will ich sie strafen, wenn ich sie sehe sündigen. Entweder kein Freund ihrer Gebrechen, oder kein Freund ihrer selbst. Ich will mit meinem gefallenen Freund umgehen wie der Goldschmied mit dem Gold, ihn säubern aber nicht verwerfen; wie der Arzt mit dem Kranken mich bemühen, dass ich ihn gesund mache, ihn aber nicht verlassen; wie ein Vater mit seinem Kinde; strafen will ich ihn, aber nicht verstoßen, sondern seine Besserung suchen, und wenn dieselbe da ist, die Rute wegwerfen. Meine Liebe soll nimmer vom Hass, noch mein Hass von der Liebe getrennt sein. Liebst du dich selbst, so wird‘s dir nicht missfallen, dass ich deine Gebrechen nicht liebe. So du aber dich selbst nicht liebst, wie kannst du mich lieben? Wähl dir zum Freund, wen du willst. Ich bin‘s nicht. 

 

37. 

VON DER VERLIERUNG CHRISTI.

Alles verloren, nichts verloren.

 

Du klagst über Verlust. Wie groß ist dein Schaden wohl? Dein Gut ist hin; Gut verloren, nichts verloren. Setz ein „o“ fürs „u“ und lass dir das nicht nehmen, so bleibt dir genug. Was sind dieses Lebens Güter? Eine Hand voller Sand. Was hat der wohl gewonnen, der dir‘s nimmt? Dein Freund ist hin; nichts verloren. Der beste Freund ist im Himmel. Wo findet man Treu auf Erden? Dein Weib und Kind ist hin; nichts verloren. Waren sie doch nicht dein. Mit dem Beding hat sie Gott geliehen, dass er sie abfordern wollte, wenn‘s ihm gefiele. Dein Mann und Vater ist hin; nichts verloren. Im Himmel wohnt, der der Waisen Vater und der Witwen Richter ist. Dein Ruhm ist hin; nichts verloren. Unbeflecktes Leben ist die beste Ehre. Im Himmel ist dein Name angeschrieben, wer will ihn auskratzen? Dein Leben ist hin; nichts verloren, als Müh und Elend; dort ist ein besser Leben, Sterben ist dein Gewinn. Aber, eins verloren, alles verloren. Ach verliere Jesum nicht! Wo findest du ihn? Im Kreuz. Wo verlierst du ihn? In guten Tagen. All dein Herz steht nur nach guten Tagen. Frag ich, warum? So ist mir wohl, sprichst du. Wie kann dir wohl sein, wenn du ohne Jesum bist? Der Himmel selbst müsste eine Hölle sein, wenn Jesus nicht drinnen wäre. Wie mir nirgend besser ist als bei meinem Jesu, so ist mir nirgend besser als im Kreuz. Da find ich Jesum, da schmeck ich ihn. Alles verloren, Jesum gefunden. Denn wenn mir alles ist zu nichts worden, will mir Jesus wiederum zu alles werden. Mein Gut ist hin; Jesus ist mein Reichtum; über hunderttausend Schätzen muss er mich ergötzen. Meine Freude ist hin; Jesus ist meine Freude. Wie bin ich doch so herzlich froh, dass mein Schatz ist das A und O, der Anfang und das Ende. Mein Freund ist hin; Jesus ist meiner Seele Freund. Kein besser Treu auf Erden ist, denn nur bei dir Herr Jesu Christ. Mein Vater und Mutter ist hin; Jesus nimmt sich mein an und sorgt für mich, mein Leben ist hin; Jesus ist mein Leben. So lang ich meinen Jesum habe, will ich nicht über Verlust klagen. Hab ich doch Jesum noch, wer will mir den nehmen? Wenn ich aber ihn verloren, will ich ihn mit Schmerzen wieder suchen, und nicht aufhören, bis ich ihn gefunden habe. Jesum gefunden, den Himmel gefunden. Was willst du mehr.

 

38. 

VOM GEISTLICHEN TOD UND LEBEN.

Tot und doch lebendig.

 

Rate, wer ist der? Ein wahrer Christ. Er stirbt, indem er lebt, und lebt, indem er stirbt. Am Abend stirbt er, am Morgen wird er wieder lebendig. Sein Grab ist das Bett, seine Grabtücher die Betttücher, sein Tod der Schlaf, eine jede Nacht die letzte; im Schlaf ruht er und sammelt neue Kräfte, wie ein Toter im Grab, steht am Morgen viel munterer auf, als er am Abend zu Bette gegangen. Da hast du ein Bild des Todes und der Auferstehung. Noch eins: ein Christ, indem er stirbt nach dem Fleisch, lebt er desto kräftiger nach dem Geist. Er findet den Tod im Leben. So ihr nach dem Fleisch lebt, werdet ihr sterben. Und das Leben im Tod. Wo ihr aber durch den Geist des Fleisches Geschäfte tötet, so werdet ihr leben Röm. 8,13. Je mehr das Fleisch stirbt, je kräftiger lebt der Geist, denn er hat so viel Hindernisse nicht vom Fleisch; je kräftiger der Geist lebt, je mehr erstirbt das Fleisch, denn ein jedes Leben rüstet und stärkt uns zum neuen Tod. Hingegen: je mehr der Geist stirbt, je kräftiger lebt das Fleisch. Wer kann ein wildes Pferd bezwingen, wenn‘s keinen Zaum hat? Der Geist hält das Fleisch im Zaum und macht‘s bändig. Je kräftiger das Fleisch lebt, je mehr stirbt der Geist; gießt man viel Wasser zum Lichtlein, so geht‘s aus: der Geist ist ein kleines Lichtlein in uns, das leicht verlischt. Adam ist ein Mörder, lass ihn in dir sterben. Jesus ist ein Herzog des Lebens, lass ihn in dir leben. Ich will sein wie ein Sterbender, der noch lebt; der Sünde will ich absterben und leben der Gerechtigkeit. Ich will mich befleißigen so zu leben, dass ich mich nicht fürchten darf, in diesem Augenblick zu sterben, und doch auch nicht schämen darf, länger zu leben. Ich will mich nicht fürchten, wenn mir die Welt den Tod dräut: sie wird mir doch das Leben nicht nehmen, ehe der Herr meines Lebens damit eins ist. Ich will gern folgen, wenn mich Gott in tiefe Herzensangst, als in den Tod, hineinführt; er wird mich drin mit himmlischer Lebenskraft versehen. Ich will nicht erschrecken, wenn mich Gott in die tiefe Herzensangst, als in den Tod, hineinführt; er wird mich drin mit himmlischer Lebenskraft versehen. Ich will nicht erschrecken, wenn ich in Todesgefahr gerate, kann mich doch Gott wunderbar nach seinem Willen am Leben erhalten. Das heißt: tot und doch lebendig. Was ist denn lebendig und doch tot? Ein falscher Christ. Er denkt nicht an den Tod, macht seine Rechnung auf viele Jahre; indem schlägt ihn der Tod plötzlich nieder. Da jener reiche Kornwurm zu seiner Seele sagt: Liebe Seele, du hast einen guten Vorrat auf viele Jahre, habe nun Ruhe, iss und trink und habe guten Mut; sagt Gott ein anderes dazu: Du Narr, diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern, und weß wird‘s sein, das du bereitet hast? Luk. 12,20. Er bildet sich ein, hat auch den Namen, dass er lebe, und ist doch tot Offenb. 3,1. Man findet keine geistlichen Lebenszeichen an ihm. Er verspricht ihm selber bei seinem Sündenwesen das ewige Leben, und hat doch nichts als den Tod zu erwarten 1 Tim. 5,6. Gleich jenen Weibern, die Christum im Grabe suchten, zu welchen der Engel sprach: Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten? Luk. 24,5. Also möchte man wohl hier sagen: Was suchst du das ewige Leben in den toten Werken? Kann man auch Trauben lesen von den Dornen, oder Feigen von den Disteln? Matth. 7,16. Mögen auch die Werke der Finsternis zum Erbteil der Heiligen im Licht bringen? Ach nein. Du betrügst dich selbst, bist lebendig und doch tot.

 

39. 

VON DER UNBESTÄNDIGKEIT DES GLÜCKES.

Das Glück spielt nur. Trau nicht.

 

Ist‘s nicht so? Wenn unsere Kindlein spielen, machen sie den einen zum König, den andern zum Bauern; diesen zum reichen Manne, jenen zum Bettler. Da trifft‘s sich oft, dass, wer heute den reichen Mann, morgen den Bettler, wer heute den Bauern, morgen den König spielt. Solch Kinderspiel treibt das Glück mit dir. Heute bringt‘s zu Ehren, morgen stürzt es in Schande. Wie mancher Haman sitzt heut oben an der Herrentafel und wird morgen an den Baum geknüpft! Es geht so. Heute reich, morgen arm; heute fröhlich, morgen traurig; heute gesund und rot, morgen krank und tot! Mancher weiß sich in dies Spiel nicht zu schicken, meint seine Herrlichkeit soll ewig währen und seine Freude soll nie ein Ende nehmen: aber, ehe er’s meint, ist alles aus und das Blatt hat sich gewendet. Das Glück ist kugelrund. Niemand steht so fest drin, dass er nicht leicht könnte fallen. Glück und Glas, wie leicht bricht das! Unter hundert soll man kaum einen finden, der sich in Glück und Unglück recht schicken könne. Ich hab gesehen, die vor Hochmut bersten wollen, wenn ihnen das Glück zugelacht, und mit ihnen zum Gewinn gespielt; dagegen auch gesehen, die vor Unmut zergehen wollen, wenn das Glück eine unfreundliche Miene gegen sie gemacht, und auf Verlust zu spielen angefangen. Ich will zusehen, dass ich das Mittel treffe. Wenn’s wohl geht, will ich mich nicht erheben, sondern gedenken, es könnte einmal wieder übel gehen. Ist doch wohl ehemals aus einem reichen Hiob ein armer Mann worden. Wenn’s übel geht, will ich nicht verzagen, kann‘s doch einmal besser werden. Das Glück spielt nur, es ist ihm kein Ernst, und Gott ist übers Glück. Was Gott gibt, muss lauter Glück sein, ob‘s die Welt für das höchste Unglück hielte. Was der Himmel schickt, ist der Erde ein Segen, auch Blitz und Donner. 

 

40. 

VON DER ART DES GLAUBENS UND DER LIEBE.

Immer ruhig. Nimmer ruhig.

 

So heißen Mutter und Tochter. Jene der Glaube, diese die Liebe. Der Glaube ist Gottes Schoßkindlein, ruht fein sanft in Gott, wie das Kind im Schoß der Mutter; er ist die Maria, die sich bei Jesu Füßen still niederlässt, und in seinem Wort erlustigt; er Jünger, der an Jesu Brüsten ruht, und die Milch seines süßen Trostes begierig eintrinkt. Wie die Täublein in den Steinklüften, das Wild in der Höhle, das Hühnlein unter den Fittichen seiner Glucke, so nimmt der Glaube seine Ruhe in den Wunden Jesu, da muss ihn Sünde, Tod und Teufel wohl unberuhigt lassen. Was will den betrüben, den Jesus liebt? Nach der Mutter pflegt man die Tochter zu nennen. Aber hier geht‘s anders. Die Liebe heißt nimmer ruhig. Sie ist die geschäftige Martha, hat beide Hände voll: ihre Liebe ist dem Nächsten zu dienen mit Gut und Blut, mit Leib und Leben. Sie wartet nicht, bis man ihres Dienstes begehrt, sondern dringt und nötigt sich allenthalben zu, wird traurig, wenn man sie mit ihrem guten Herzen verschmäht, und ihr nicht genug zu tun schaffen will; lacht und ist fröhlich, wenn viele auf einmal an ihre Tür anklopfen; sie wird nimmer müd, ist Tag und Nacht bereit, hilft gern, dankt noch dazu, dass man ihrer Hilfe braucht. So tut ihr Gott, so tut sie dem Nächsten wieder. Darum magst du wohl sagen, dass die Liebe ein Gott auf Erden sei. So ungleich sind Mutter und Kind. Die Mutter ist arm, nimmt immer, die Tochter ist reich, gibt immer; die Mutter ist so hoffärtig, dass ihr Gott und Engel aufwarten müssen, die Tochter ist so demütig, dass sie sich auch den Geringsten unter die Füße wirft; die Mutter sucht nur ihre Ruhe und Sicherheit, die Tochter setzt sich in Unruh und Gefahr Leibes und Lebens; die Mutter muss endlich sterben, die Tochter lebt ewig, denn die Liebe hört nimmer auf 1 Kor. 13,8. Willst du aber die Tochter haben, so halt‘s mit der Mutter. Denn der Glaube ist durch die Liebe tätig. Du, mein Jesu, zünde durch deinen Geist das Lichtlein an, so wird‘s brennen.

 

41. 

VON BEWAHRUNG DER SEELE.

Gottes Hand hält am festesten.

 

Die Philosophen machen viel Disputierens vom Sitz der menschlichen Seele. Etliche räumen ihr das Herz ein, andere das Gehirn, etliche wollen, dass sie wohne im ganzen Leibe. Wir mögen allen dreien von diesem edlen Gast etwas gönnen, die Wurzel dem Herzen, die vornehmste Kraft dem Gehirn, die Wirkung dem ganzen Körper. Ein Christ muss weiter denken, und seiner Seele ihren Thron aufbauen in den Händen. Wie sagt David? Ich trage meine Seele immer in meinen Händen Ps. 119,109. Was die Hand trägt, sieht das Auge. Dein Kind führst du bei der Hand, oder trägst es auf dem Arm, dass du Aufsicht darauf habest, dass es nicht zu Schaden komme. Welcher Schad ist der größte? Des Kindes oder der Seele? Wo du gehst und stehst, da gehst du in Gottes Gericht. An einem Augenblick hängt die Ewigkeit. Trage deine Seele immer in den Händen, dass du bei einem jeden Blick still stehen, und das Werk deiner Seele beschauen könnest. Hat sie was Gutes vor? Bitte den, der das Wollen gegeben hat, dass er auch das Vollbringen hinzu tue. Ist sie im Bösen begriffen? Red ihr ein und sprich, was hast du vor, liebe Seele? Vielleicht ist dieser Blick der letzte. Was hilft‘s dir, wenn du die ganze Welt gewinnst und dich selber verlierst? Lass ab vom Bösen und lerne Gutes tun. Die Seele nur nicht auf den Zaun gesetzt, sie soll in den Händen getragen werden. Ein jeder Blick kann dir der letzte sein. Was man feil hat, trägt man in den Händen. Dein Leben sollst du feil haben um Gottes willen. Hast du Gott lieber als das Leben, so bleibt dir in Gott das Leben, ob du gleich stirbst; hast du das Leben lieber als Gott, so hast du auf einmal beides verloren, und was das Elendeste ist, bist selber auf ewig verloren. Da hast du den Sitz deiner Seele, aber der noch nicht allzu sicher ist. Gottes Hand kann fester halten als deine. Darum sprich mit David: In deine Hände, Herr, befehle ich meinen Geist Ps. 31,6. Luther hat oft gesagt: Ich wollte nicht gern, dass meine Seele in meiner Hand stände. Stände sie in meiner Hand, Satan hätte sie längst, ja wohl in einem Augenblick, wie ein Geier ein jung Hühnlein, weggerissen. Aber aus der Hand Gottes, dem ich meine Seele befohlen habe, wird sie weder der Teufel noch sonst jemand reißen. Das ist ja des Herrn Wort selbst. Die Schafe, so meine Stimme hören, und mir folgen, kann niemand aus meines Vaters Hand reißen Joh. 10,27.28. Drum 

 

Meinen Geist befehl ich dir, 

Mein Gott, mein Gott, weich nicht von mir, 

Nimm mich in deine Hände.

 

42. 

VON DER ZERBRECHLICHKEIT UNSERS LEBENS.

Ein Glas, wie leicht bricht das.

 

Was bricht noch eher? Der Mensch. Dr. Luther hat auf eine Zeit seinem Kollegen Justus Jonas ein schön Glas verehrt und diese Verse darüber gemacht: 

Jonas dem Glas schenkt selber ein Glas Lutherus das Glas hier. 

Brechlichem Glas mag ähnlich erkennen sich jeder von Beiden. 

Ich habe Gläser gesehen, die vieler Menschen Leben überlebt und vielleicht meins und deins auch überleben werden. Du erlustigst dich am Glas, sonderlich wenn was Gutes drin ist, doch denkst du dabei, jetzt ist‘s entzwei. Wie mancher gefällt ihm selbst wohl, vorzüglich, so er große Gaben von Gott hat. Das hölzerne Kästlein stolziert mit dem güldenen Kleinod, das doch eine fremde Hand hinein gelegt und wieder heraus nimmt, wenn sie will. Mein, denke wer du bist? Ein Glas, wie leicht bricht das! Das Glas bricht sich selbst nicht entzwei; du hast in dir, was dich täglich zerbricht und entkräftet. Wie manche Traurigkeit, wie manche Krankheit, wie mancher Anstoß tut dir Abbruch am Leben! Die Erbsünde, so in dir wohnt, frisst an deinem Körper, wie der Wurm am Apfel und säumt nicht, bis sie ihn auf hat. Ein Glas kann lange dauern, wenn man‘s behutsam behandelt und sorgfältig bewahrt. Sorge wie du willst, nimm dich in Acht aufs allerbeste, du bist doch deines Lebens nicht auf einen Blick versichert. Ich kenne die beim Glase niedergesunken und schleunigst gestorben sind. Das Glas blieb, sie vergingen. Darum denk bei Zeiten an den Tod und lebe, als der du jetzt sterben sollst. Höre, was der weise Seneca im 24. Briefe sagt: Wir sinken nicht flugs in den Tod, sondern kommen demselben allmählich näher. Wir sterben täglich, denn alle Tage fährt ein Teilchen unsers Lebens hin, indem wir fortgehen, kommen wir dem Ziel immer näher und nehmen ab im Wachstum. Die Kindheit ist dahin, die Jugend auch. Was bis auf den gegenwärtigen Tag für Zeit verflossen, um die sind wir kommen: auch den jetzigen Tag, den wir erlebt, teilen wir mit dem Tode. Und Cyprianus im Buch von der Sterblichkeit: Wenn du in einem alten Hause wohntest, da die Wände wankten, das Dach über dir krachte, das ganze Haus tät, als wenn‘s übern Haufen fallen wollte, würdest du nicht eilend dazu tun, deine Gerätlein zusammenraffen und dich davon machen? Nun siehe, die Hütte deines Lebens wird alt und wandelbar und lässt sich dazu an, dass sie bald übern Haufen fallen und eingehen will. Wohlan, so mach dich auf die Fahrt und denke, dass das Ende vor der Tür sei. Ich will nimmer sicher sein, noch meines Lebens auf eine Stunde missbrauchen. Der Tod wartet mein an allen Orten, ich will sein wieder warten. Wer weiß, wie bald wir zusammen treten und uns in die Arme fassen? Er schreckt mich nicht, ich bin ihm in Christo wohl gewachsen. Selig ist, der da stirbt, ehe er stirbt, dem kommt der Tod nimmer zu früh. 

 

43. 

VON DER FALSCHHEIT DER GEISTLICHEN.

Traure, wer trauern kann.

 

Warum denn? Weil die Welt so falsch ist. Hat doch die Falschheit selbst nunmehr den Trauerhabit angelegt. Wo findet man mehr Falschheit, als unter den langen Mänteln? Der theologische Schalk ist der subtilste. Er hat manchen Schafpelz, damit er sich bedecken kann. Du nennst die Schalkheit eine Politik. Ach wie mancher Politikus geht in der krausen Kappe einher? Du nennst es eine Höflichkeit, wenn man Lügen für Wahrheit verkaufen kann. Großer Herren Höfe müssen viele Jungen ausgebrütet haben, weil überall der Höflinge und Höflichen so viel sind. Soll ich dem Kind seinen rechten Namen geben, so nenn ich‘s eine Schlangenzucht; denn die Schlange geht krumme Gänge, liebt verdeckte Fußstapfen und führt ihr Gift heimlich. Willst du auch das Bienlein mit anführen, das seinen Honig trägt im Munde und seinen Stachel im Hintern, magst du es tun. Ich hab in diesen dreizehn Jahren, da ich der Kirche Gottes gedient, manchen guten Theologus beim Politikus, und manchen argen Politikus beim Theologus gefunden. Darum will ich keinen Politikus verdammen, auch keinen Theologus rechtfertigen, Gott, der sie richten soll, kennt sie beide. Ich will aber niemand trauen, als den ich geprüft habe, dass mich der Teufel nicht in Engelsgestalt betrüge. Ein Kluger folgt.

 

44. 

VON DER GELASSENHEIT.

Lass Gott raten.

 

Er ist der Älteste. Du sprichst, es geht mich an, ich muss mir raten. Ach nein. Wer ist jemals sein Ratgeber gewesen? Röm. 11,34. Er will allein, oder ganz nicht raten. Wie soll der alte Mann mit dem jungen Kinde, der Allweise mit dem Albernen, der Allerheiligste mit dem Sünder zu Rat gehen? Mein und dein Rat taugen beide nicht, Gottes Rat ist der beste. Leitet uns Gott nach unserm Rat, so läuft‘s auf Schande aus; leitet er uns aber nach seinem Rat, so nimmt er uns endlich mit Ehren an Psalm 73,24. Ich will Gott allein raten lassen. Der die ganze Welt regiert, wird mich Erdenklümplein auch wohl zu regieren wissen. Er ist mein Vater, wird‘s wohl machen, wunderlich, doch weislich. Sein Rat ist unerforschlich. Wie seltsam sich‘s anlässt, führt er’s doch herrlich hinaus. Gott führt seine Heiligen wunderlich Ps. 4,4. Was dünkt dich beim Hiob, David und andern; wie seltsam ließ sich‘s mit ihnen an, wie herrlich war das Ende! Welt und Gott haben hierin nicht einerlei Weise. Jene gibt zuerst den besten Wein, darnach den geringsten Joh. 2,10. Süße Vortrachten, saure Nachtrachten; Gott kehrt‘s um. Anfang bitter, süß Ende. Aus der Schande führt er in die Ehre, aus dem Leid in die Freude, aus der Hölle in den Himmel. Lass es zuerst schmecken, wie es will, wenn‘s nur zuletzt wohl schmeckt. Die süßen Nachspeisen müssen die sauren Vorspeisen vergüten. Ich will Gott nicht meistern. Das Vorschreiben gehört ihm, nicht mir zu. Lass ich doch einen Fuhrmann fahren wie er will, und leide, dass er mich auf raue, krumme Wege führe, und auch wohl bisweilen umwerfe; warum sollte ich nicht auch meinen lieben Gott fahren lassen, wie er will? Versteh ich‘s doch nicht besser, als er. Sein Wille ist mein Heil, mein Wille ist mein Verderben. Fahr hin, mein Gott, wohin du willst, du bist mein Schild, wenn ich bleib wo du bist, so bin ich nicht verloren. Mach‘s wie du willst, der du alles wohl gemacht hast, wirst es auch mit mir nicht bös machen. Du bist mein Vater, ich kenne dein Herz. Drum trau ich dir.

 

45. 

VON DER BETRACHTUNG DER EWIGKEIT.

In der Zeit, außer der Zeit.

 

Wohl dem, der‘s übt! Ich leb in der Zeit, zähle Jahre nach Jahren, Wochen nach Wochen, Tage nach Tagen, Stunden nach Stunden: Mein Herz aber ist außer der Zeit. Weil ich auf dem Wege zur Ewigkeit bin, hab ich mir vorgenommen, an die Ewigkeit immer zu denken. Steigt eine böse Lust in mir auf, denk ich, nun ist‘s Zeit, dass du hinabsteigst in die Hölle, ob die ewigbrennende Glut diese Lust in dir verzehren möchte. Ich frage, weß lüstet dich, mein Herz? Hast du Lust die Augen zu weiden an der Eitelkeit? Ach denke, was für Augenlust die Verdammten in der Hölle haben: In Ewigkeit sehen sie Gott nicht, in Ewigkeit sehen sie auch kein Licht, sie sitzen in der äußersten Finsternis, und haben nichts vor Augen, als lauter schwarze Teufel und höllische Schlachtschafe, ein erschreckliches, klägliches Elend. Hast du Lust, dich zu überfüllen mit Speis und Trank? Ach gedenke an den reichen Mann, der hier auch lebte in Wollust, Herrlichkeit und Freuden. Wie dürstet ihn jetzt! Wie kläglich fleht er! Nicht nach Wein, sondern nach Wasser, nicht nach einer Hand voll, sondern nur nach einem Tröpflein, das ihm dargereicht werde, nicht im güldenen Becher, sondern nur am Finger Lazarus. Gelüstet dich des köstlichen Geruchs und Balsams? Ach denke, was die Hölle für Balsam gibt. Der Herr lässt Feuer und Schwefel über die Verdammten regnen. Zünde ein einziges Schwefelhölzchen an, wie übel riecht‘s, zünde tausend an, wie hässlich ist der Stank, und das ist noch nichts gegen den höllischen Schwefelgestank. Wie hässlich wird dann erst der Teufel stinken! Gefällt dir das Sündigen so wohl, ach denke, dass du mit deinen Sünden ein Feuer göttlichen Zorns anzündest, das ewig brennen wird Jer. 21,12. Wie wehe tut‘s, wenn man nur den kleinsten Finger eine Stunde soll ans Licht halten! Noch ein größerer Schmerz ist‘s die ganze Hand ins Feuer stecken und verbrennen. Wie wehe wird‘s tun, wenn du ewig in der Hölle brennen sollst! Empfind ich mich träg zum heiligen Wandel, oder unwillig zum Leiden, tue ich einen Blick hinaus, und schaue wie herrlich im Himmel das, was man im Herrn tut und leidet, belohnt werde. Warum sollte mich gereuen der Arbeit, die ich im Weinberg Gottes hab angetreten? Obgleich des Tages Hitze und Last dabei zu tragen, wird sie doch mit einem schönen Gnadengroschen belohnt. Nur frisch an den Kampf. Der Himmel wird die Überwinder krönen. Vor den Schranken, 1 Kor. 9,24.25., nur nicht gescheut. Im Himmel ist ein schönes Kleinod beigelegt. Armut, du machst mich nicht bange. Ich sehe Lazarus in Abrahams Schoß, wie reichlich wird er da getröstet! Luk. 16,23-25. 

Da, da sind die edlen Schätze, 

Da mein Hirt;

Jesus wird 

Mich ohn End‘ ergötzen. 

Trübsal, du schreckst mich nicht. Ich sehe im Himmel die außer großer Trübsal kommen sind, die sind angetan mit weißen Kleidern, und tragen Palmen in ihren Händen. Sie hungert und dürstet nicht, es fällt auch nicht auf sie die Sonne oder irgend eine Hitze. Das Lamm mitten im Stuhl weidet sie, und leitet sie zu dem lebendigen Wasserbrunnen Offenb. 7,9.14.16.17. Fließet nur, meine Tränen, fließet nur. Bald wird die Zeit kommen, da mir mein Jesus alle Tränen abwischen wird von meinen Augen. Auf diese trübe und nasse Saatzeit wird eine liebliche Freudenernte folgen. Mein Christ, so leb in der Zeit, dass dir nicht graue alle Augenblick die Zeit zu verlassen, und in die Ewigkeit einzugehen.

 

46. 

VON GOTTES BARMHERZIGKEIT UND GERECHTIGKEIT.

Gnade und Recht.

 

Davon macht David ein eigen Liedlein. Ich stimm mit an: Von Gnad und Recht will ich singen Psalm 101,1. Mancher läuft nach Rom, und küsst dem Papst seine Füße. Ich lauft nicht mit. Wie darf ich Jesum zu Rom suchen, den Herrn beim Statthalter? Doch küsse ich ihm täglich die Füße in meinem Herzen. Wie seine Wege sind, so sind seine Füße, Gerechtigkeit und Güte. In beiden will er gepriesen sein, weil sie ihm beide gleich eigen sind: Er erwartet Ehre, nicht allein vom Himmel, sondern auch von der Hölle. Seine Gerechtigkeit züchtigt mich, seine Güte tröstet mich; durch seine Züchtigung gewöhnt er mich zu seiner Furcht, durch seine Tröstung erweckt er in mir ein Vertrauen. Die Welt küsst nur den einen Fuß. Kommt er zu trösten, ist er willkommen; kommt er zu stäupen, schlägt man die Tür vor ihm zu; vertrauen will sie wohl, aber dabei außer aller Furcht sein. Der eine muss so lieb sein, als der andere. Ist‘s nicht ein Jesus, der mich tröstet? Ist‘s nicht ein Herz, daraus beides gehet? Gereicht nicht beides zu einem Zweck, zu deinem Besten? Wie kann ich einen Jesus zugleich lieben und hassen? Wie kann aus einem Herzen zugleich mein Heil und Verderben kommen? Ist‘s nicht gleich, ob er durch Rosen oder Dornen mit mir gehe, wenn er mich nur in den Himmel bringt? Sag mir, warum züchtigt dich Jesus? Dass er dich hernach trösten könne. Niemand gießt Öl auf einen harten Stein, er muss zermalmt werden, soll er das Öl in sich trinken. Wann ist dir Jesus am süßesten? Wenn du zuvor in einen sauren Apfel hast beißen müssen. Liebst du den Trost, so musst du auch die Züchtigung lieben. Er heilt, die zerbrochenen Herzens sind Ps. 147,3. Verwundet muss das Herz sein, darein Jesus sein Lind- und Trostöl schütten soll. Was soll der Arzt dem Gesunden? Ich will nicht nur Jesu Mund küssen, wenn der mich tröstet, sondern auch die Hand, wenn die mich schlägt. Kreuzschläge sind Liebesschläge. Sein Rütlein macht fromme Christen, ich will‘s küssen, und mit David sagen: Ich danke dir, dass du mich demütigst, und hilfst mir Ps. 118,21.

 

47. 

VON DEM FRIEDEN MIT GOTT.

Fried mit Unfrieden.

 

Ist das möglich? Allerdings. Ich bin immer und doch nimmer zufrieden, und lach und weine zugleich. Du sprichst: Es ist Friede. Beweis es. Die Feinde sind zum Land hinaus. Ich sag ein Mehreres. Alle Teufel und Menschen haben sich wider mich verbunden, liegen rings um mich her, ängsten mich auf allen Seiten, und ist doch Frieden. Unfried außer, Fried in mir. Der Feinde sind viel, ich frag nach allen nichts. Die Gefahr ist groß, ich bin doch sicher. Die Feinde pochen; je mehr sie pochen, desto mutiger ich bin. Fragst du, wie geht das zu? Ich will dir‘s sagen. Der Teufel kann‘s nicht leiden, dass ich Frieden habe, darum richtet er ein Unheil nach dem andern an. Ich begehr auch seinen Frieden nicht, denn so ständ‘s übel um mich, wenn ich mit ihm Frieden hätte; er hält keinen Frieden als nur mit seinen Freunden. Ich muss doch Frieden haben, ob sich‘s der Teufel noch so sauer werden lässt, mich zu beunruhigen. Christus gibt mir seinen Frieden, Joh. 14,27., stillt das Herz, nimmt weg Furcht und Schrecken, macht, dass ich mich vorm Teufel nicht mehr fürchte, als vor einer Fliege. Ist‘s nicht so? Wenn die Mutter ihrem weinenden Kinde freundlich zuspricht, da wird‘s stille; und wenn Jesus meiner geängsteten Seele nur ein tröstlich Wort gibt, da gibt sie sich nicht allein zufrieden, sondern wird auch so keck und mutig, dass sie den Teufel so viel achtet als den Tod, und den Tod so viel als nichts. Das ist der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, und Herz und Sinn in Christo Jesu bewahrt Phil. 4,7. Mitten in der Gefahr bringt er Sicherheit, mitten in der Armut Fülle und Vergnügung, mitten in der tiefsten Schwachheit die höchste Kraft und Stärke; er zieht das Herz in Christum hinein, dass es seine Süßigkeit schmeckt; je kräftiger der Schmack ist, je fester rückt‘s hinein, bis es in ihm, als in einer unüberwindlichen Festung ganz still und sicher ist. Denn welcher Teufel mag diese Festung stürmen? Er macht das Herz nicht allein sicher, sondern auch fröhlich, nicht allein fröhlich, sondern auch großmütig; nicht allein großmütig, sondern auch unüberwindlich; und nicht allein unüberwindlich, sondern auch schrecklich den Feinden. Ich will mir in allen Dingen Gottes allerliebsten Willen wohl gefallen lassen, so hab ich Frieden mitten im Unfrieden.

 

48. 

VOM WAHREN CHRISTEN.

Alles und doch nichts.

 

Ist der Mensch. Alles, weil er ein kurzer Begriff ist aller Kreaturen, und von allem etwas hat. Mit den Steinen hat er gemein, dass er etwas ist; mit den Bäumen und Kräutern, dass er wächst und zunimmt; mit den Tieren, dass er empfindlich ist sieht, hört, geht, steht, isst, trinkt; mit den Engeln, dass er Witz und Vernunft hat. Nichts ist er, weil er, was er ist, von Gottes Gnaden ist. Was ist der Schatten gegen den Körper? Nichts. Was er hat, ist nicht sein, sondern Gottes. Die Kleinodien sind nicht des Kästleins, sondern deß, der sie hineinlegt, und Macht hat, wieder heraus zu nehmen, wenn er will. Hat er Schönheit, sie ist nicht sein, sondern Gottes, und wie bald kann eine schöne Blume verwelken, eine schöne Haut verschrumpfen! So ist er doch nichts. Hat er Klugheit? Sie ist Gottes. Dem ist‘s gar leicht, einem Nebukadnezar, der sich brüstet, das vernünftige Herz zu nehmen, und ein viehisches wieder zu geben. Was er Gutes tut, ist nicht sein, sondern Gottes; er ist nur das Werkzeug, Gott ist der Meister. Nicht ich, sondern die Gnade Gottes in mir 1 Kor. 15,10. Alles und doch nichts ist ein wahrer Christ. Alles ist er, weil er sich täglich mehr und mehr bildet nach dem, der alles ist, und in dem er alles findet. Alles ist er, weil er allen alles ist, und sich in jedermanns Weise, so viel das Gewissen zulässt, schickt. Nichts ist er, weil er nichts von sich hält, ihm selbst nichts anmaßt, sondern in allen Dingen Gott die Ehre gibt. Ich erinnere mich, dass ich einen wahren Christen vormals so beschrieben. Ein wahrer Christ ist ein solcher Mensch, der allzeit arm im Geist ist, denn er sieht in sein natürlich und sündlich Nichts; daher achtet er sich selbst gering, ja verschmäht sich selbst, lässt sich auch gerne verschmähen, hält von allem seinem Tun nichts, will auch nichts davon gehalten haben, sieht Gott als den Ursprung alles Guten an; daher maßt er ihm nichts an, sondern gibt Gott allein die Ehre. Dabei bleib ich noch. Prüfe dich. 

 

49. 

VOM UNSCHÄDLICHEN REICHTUM. 

Arm bei großem Gut.

 

Die Nachrede hat insgemein der Geizige, und ist auch wahr. Im Gemüt liegt Reichtum und Armut. Wer nicht mehr begehrt, ist reich; wer noch mehr begehrt, ist arm. So viel ich nicht begehre, habe ich; so viel ich noch begehre, mangelt mir. Der Geizige spricht nimmer: ich habe genug. Er ist arm bei großem Gut, weil er, was er hat, so hat, als hätt er’s nicht; das Anschauen hat er und sonst nichts, das kann ein anderer auch haben, der arm genug ist: Anschauen ein fremdes Gut ist mir nicht verboten, wegnehmen darf ich‘s nicht, weil‘s nicht mein ist, der Geizige ist sein eigen auch nicht: Gold ist sein Gott. Drum hat der Geizige von seinem eignen Gut nichts mehr, als ich vom fremden. Er ist so arm, dass er auch sich selbst nicht hat. Jener weise Mann vergleicht ihn mit einer Spinne, die, indem sie ihr Netz ausspannt für die Fliegen, ihr eigen Eingeweide verzehrt: so frisst der Geizige sich hinweg und tötet sich, indem er sorgt für sein Leben. Was kann der Mensch haben, der sich selbst nicht hat? Beim Christen schickt sich‘s besser arm sein bei großem Gut. Du gibst deinem Leibe, von allem, was du hast, bloße Notdurft, fliehst alle Wollust, allen Überfluss, so bist du arm bei großem Gut. Wo ist ein Armer, dem es an täglicher Notdurft mangeln sollte? Gott gibt noch immer ein Stücklein Brots so wunderlich und da man‘s nicht denkt. Du schreibst deinen Reichtum nicht deiner Klugheit oder Arbeit zu, sondern hältst ihn für ein Bettelbrot, das dir die milde Hand Gottes auf dein fleißiges Gebet zugeworfen; so bist du so arm, als ein Bettler, der täglich vor den Türen die Almosen sammelt. Du siehst dein Gut nicht an als ein Eigentum, sondern nur als ein geliehenes, darüber du nicht zum Herrn, sondern zum Haushalter von Gott gesetzt, gönnst daher den Armen die Notdurft davon eben so gern als dir; so bist du arm bei großem Gut. Denn wer kann ärmer sein, als der nichts eignes hat? Du hängst das Herz nicht an dein Gut, bist bereit, wenn Gott will, dasselbe wieder fahren zu lassen. Leidest du Schaden, wirst du nicht kleinmütig, sondern bist zufrieden, tust als wenn du es dein Lebtag nicht gehabt hättest, sprichst mit Hiob in wahrer Demut und Gelassenheit: Der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen, der Name des Herrn sei gelobt: so bist du arm, ob du gleich in vollem Gut sitzt. Zeitliche Güter sind niemand an der Seele schädlich, wo man nicht das Herz dran hängt.

 

50. 

VON ERNEUERTEN SÜNDENFÄLLEN.

Das Letzte ärger als das Erste.

 

Du hast gesündigt, lässt dir‘s leid sein, sprichst zum Beichtvater, ich will mein Leben bessern, gehst hin, vergisst der Reinigung deiner vorigen Sünde und tust immer wieder nach deiner vorigen Weise, so wird das Letzte mit dir ärger als das Erste. und widerfährt dir das wahre Sprichwort: Der Hund frisst wieder, was er gespien hat und die Sau wälzt sich nach der Schwemme in dem Kot 2 Pet. 2,20-22. Wem soll ich dich vergleichen? Ich vergleiche dich mit einem Menschen, der einen ungebrannten, rohen Ziegel wäscht, derselbe, je mehr er ihn wäscht, je mehr macht er ihn zum Kot. Ich vergleiche dich mit einem Tier, das, nachdem es sich durch die Flucht aus dem Netz losgemacht, hernach mutwillig wiederum hineinläuft. Ich vergleiche dich mit einem Kinde, das sein altes, besudeltes Röcklein hat abgetan und ein neues hat angezogen, legt sich damit in den Kot und besudelt sich noch mehr als vor. Ist nicht mit dem das Letzte ärger, als das Erste? Vor war das alte Röcklein nur besudelt, jetzt ist das neue dazu verdorben. Höre was Chrysostomus sagt: Gleich wie den Kranken, wenn sie nicht allzeit ordentlich leben, nichts hilft, dass sie drei oder vier Tage die vorgeschriebene Diät gehalten: so ist dem sündigen Menschen, wenn er sich der Sünde nicht allzeit enthält, mit zwei oder drei Tagen Besserung nicht gedient. Sei doch vorsichtig, scheue das Feuer, daran du dich einst verbrannt; meide die Grube, daraus du zwar einmal, doch kümmerlich gezogen bist. Vielmal in eine Sünde fallen macht endlich eine Gewohnheit; Gewohnheit macht die Sünde nicht allein angenehm, sondern auch kühn und mächtig, dass man zuletzt weder will noch kann ihrer los werden. Ach! Wie kann dir wieder süß werden, was dir einmal recht bitter gewesen; ich fürchte, deine vorige Buße werde nur Heuchelei gewesen sein. 

 

51. 

VOM SELBSTGERICHT.

Heute ich, morgen Gott.

 

Die Schrift nennt das Gericht einen Tag, 1 Kor. 4,3., weil die Alten sonderliche Gerichtstage hatten. Wir zählen manchen Tag im Jahr. Ein jeder heißt heute. Der gestern war, hieß heute; der jetzt da ist, heißt heute; der morgen kommen wird, wird heute heißen. Ein Christ muss zwei Tage wohl in Acht nehmen. Der eine ist sein, der andere Gottes: jener heißt heute, Luk. 19,9. Hebr. 4,7.; dieser morgen. Wer sich heute unter Gottes Hand nicht biegt, muss morgen darunter brechen. Wer sich heute nicht selbst richtet, wird morgen von Gott gerichtet 1 Kor. 11,31. Wähle was du willst. Ich greife nach dem Besten. Heute, heute. Aber Adams Kinder arten ihrem Vater nach, wollen gern Gott gleich sein. Ihr Tag soll nicht heute, sondern morgen heißen. Morgen, sprechen sie, will ich Buße tun, morgen will ich fromm werden. O Torheit! Der morgende Tag steht zwar in Gottes Händen, nicht aber in deinen. Drei Dinge sind, derer du dich bis auf den morgenden Tag nicht kannst versichern. Das erste ist dein Leben. Du willst morgen fromm werden? Wer weiß, ob du bis morgen lebst? „Cras“ (morgen) kehr‘s um, so wird ein „Sark“ draus: Heute gesund und stark, morgen tot im Sarg. Was sag ich, bis morgen? Du lebst kaum einen Augenblick. Dein Leben ist ein stetes Sterben. Das Lichtlein wird nicht verzehrt, wenn‘s ausgeht, sondern indem es brennt, verzehrt sich‘s allmählich; das Fass ist aus, nicht wenn der letzte Tropfen fällt, sondern indem man zapft. Wie das Feuer dasjenige aufreibt, wovon es ernährt wird, so frisst das Leben den Menschen weg, der ihm Unterhalt und Nahrung schafft: Tod und Leben hangen aneinander, denn das Leben ist der Weg zum Tode; je länger man lebt, je näher kommt man dem Tode. Wie gar recht sagt Augustin: Soll ich dieses Leben nennen sterbliches Leben oder lebendiges Sterben? Traun, einer der geboren wird, fängt an zu sterben, und wenn er stirbt, hört er auf zu sterben; so er aber ein Christ ist, fängt er dann erst an recht zu leben. Das andere ist die Buße. Morgen willst du Buße tun? Bist du auch versichert, dass dir kein Hindernis wird in den Weg kommen? Vielleicht ist morgen dein Gehirn verstört, dein Gemüt geändert. Vielleicht hindern dich morgen deine Geschäfte. Ach nimm, weil Gott gibt. Heute rührt er dein Herz, rühr du sein Herz wieder. Sein Herz blutet von Erbarmen, lass dein Herz von Tränen bluten. Das dritte ist Gottes Gnade. Morgen willst du dich um einen gnädigen Gott bekümmern; aber weißt du nicht, dass die Gnade, die du heute verachtest, dir morgen nach dem gerechten Gericht könne entzogen werden? Heute streckt Gott seine Hand aus, beut dir seine Gnade an. Du willst nicht, morgen zieht er sie zurück. Heute hält er die Gnadentür auf, du verachtest es; morgen schlägt er sie dir vor der Nase zu. Er wird auch endlich müd und straft dein Nichtwollen mit seinem Nichtwollen. Heute willst du nicht, morgen will er nicht. Dir geschieht kein Unrecht. Drum, mein Herz, ach heute, heute. Ich will meinen Gott auf mich nicht warten lassen. Der Knecht muss auf den Herrn warten. 

 

52. 

VON DER BEGIERDE ZU LEBEN.

Wen sollte noch gelüsten zu leben? 1 Makk. 2,3.

 

Spricht Mattathias der Priester. Mich nicht, ach mich nicht. Ich bin des Lebens satt. Eins find ich, das ich hab; eins such ich, das ich nicht hab; jenes macht mir das Leben bitter, dieses das Sterben süß. Ich finde, dass in mir, das ist: in meinem Fleisch, wohnt nichts Gutes. Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? Röm. 7,18.24. Ich suche, den meine Seele liebt Hohel. 3,1. Habe Lust abzuscheiden, und bei Christo zu sein Phil. 1,23. Wo wollte ich lieber sein, als bei meinem Jesu? Wo ist eine Braut lieber, als bei ihrem Bräutigam, ein Schäflein lieber, als bei seinem Hirten? Ach Jesu komm doch bald! Hast du aber noch Lust zu leben? Hör, ich will dir sagen, was dein Leben sei. Wenn jener weise Mann gefragt ward, was er machte, gab er zur Antwort: Ich sterbe allmählich. Ist wohl geredet. Denn unser Leben nimmt, indem es zunimmt, ab, und erreicht das Ziel im Laufen. Wie närrisch redest du! Du hast nicht Lust zu sterben, und hast doch Lust zu sterben. Nur willst du langsam sterben, desto größer ist die Qual. Du hast Lust zu leben und hältst dich so lang im Tode auf, willst nicht an das rechte Leben, das man durch ein selig Sterben gewinnt. Höre noch weiter: Leben ist, viel Böses leiden, viel Böses sehen, viel Böses begehen. Böses leiden bringt Schmerzen, Schmerz frisst das Herz. Böses sehen bringt Ärgernis, Ärgernis reißt nieder. Böses begehen bringt ein böses Gewissen, ein böses Gewissen ist die Hölle. Hast du noch Lust zu leben, leb immerhin. Doch höre noch eins; Bernhardus spricht: das Böse, das Bösere, das Böseste hat die Welt; das Gute, das Bessere, das Beste hat der Himmel. Ich wähle das Beste. Tue du es auch. 

 

53. 

VON DER MATERIE DES GEBETS.

Um eins, sonst keins.

 

Wir Menschen bitten Gott um viel Dinge, und wissen oft nicht, was wir bitten Röm. 8,26. Gott gibt oft im Zorn, was er nicht geben will in Liebe. Das Volk Israel bat um Fleisch, Gott gab‘s ihm, aber es aß den Tod dran. Mancher bittet um groß Gut; Gott gibt‘s ihm, aber es gereicht ihm zum Fluch; wäre er nicht so reich gewesen, möcht er vielleicht selig geworden sein. Durch die enge Himmelstür kann man keine großen Schätze tragen. Mancher bittet um einen hohen Stand, er erlangt was er wünscht, aber zu seinem Verderben; hoher Stand, hohe Leibes- und Seelengefahr; je höher gestiegen, je tiefer gefallen; hoher Leute Fall geht gemeiniglich in die tiefe Hölle. Ich hab mir vorgenommen, meinen Gott um nichts zu bitten, als nur um seinen allerliebsten Willen. Gott gebe mir was er will, ich bin, vergnügt. Er lege mir auf, was er will, durch seine Kraft will ich‘s tragen. Vollbringt Gott an mir seinen, so vollbringt er auch zugleich meinen Willen. Denn sein und mein Wille müssen ein Ding sein. Die Gottesfürchtigen begehren nichts, als was Gott will, und dann tut Gott, was die Gottesfürchtigen begehren. Ich find in ganzer heiliger Schrift keinen als David, der genannt wird ein Mann nach Gottes Herzen Ap. Gesch. 13,22. Fragst du warum? Denn er tat allen Willen Gottes. Sein Wille hat sich in Gottes Willen ganz verloren, wie ein Wassertröpflein, wenn‘s fällt ins Meer. Da er von Absalom verjagt ward, bat er nicht um seine Krone und Szepter, sondern um den allerheiligsten Willen Gottes. Werd ich Gnade finden, sprach er, vor dem Herrn, so wird er mich wieder holen. Spricht er aber also: ich hab nicht Lust zu dir; siehe, hie bin ich, er mach‘s mit mir, wie es ihm wohlgefällt 2 Sam. 15,25.26. Ich hab Lust, mit Gott ein Herz und eine Seel zu werden. Drum will ich in all meinem Gebet sagen: Herr, dein Wille geschehe. Ist‘s dein Wille nicht, so ist‘s auch mein Heil nicht. Herr, dein Wille geschehe. Höre ich doch das allerliebste Kind Gottes also beten im Ölgarten: Vater, nicht was ich will, sondern was du willst. Ich will mir selbst nichts ordnen oder setzen, nicht sagen, dies will ich, das will ich nicht. Die Ehre will ich meinem Gott allein lassen. Von mir wird nichts mehr begehrt, als dass ich mich in Demut selbst lasse und verleugne und in liebreichem Gehorsam dem Willen Gottes untergebe. Tue ich das, so tue ich genug. Das Übrige wird Gott wohl schicken und ordnen, wie es ihm gefällt und mir nützlich ist.

 

54. 

VON EINER RECHT GEORDNETEN LIEBE.

Liebe, doch nicht zu viel, auch nicht zu wenig.

 

Mit vier Dingen hat insonderheit unsere Liebe zu tun. Mit der Sünde, mit uns selbst, mit dem Nächsten, mit Gott. Die Sünde müssen wir gar nicht lieben. Wer sie liebt, hasst Gott, sich selbst und seinen Nächsten: Gott erzürnet, sich tötet, den Nächsten ärgert er. Uns selbst und den Nächsten mögen wir lieben, aber nicht zu viel. Uns selbst unter, nicht über Gott. Ich liebe mich selbst, drum bin ich gern gesund; gefällt‘s Gott, dass ich soll krank sein, des Herrn Wille geschehe. Gottes Will oben, mein unten. Den Nächsten sollen wir lieben in, nicht außer Gott. Weil ich den Nächsten lieb, geh ich freundlich mit ihm um; trennt er sich von Gott durch seine Sünde, wandle ich meine Freundlichkeit in einen Ernst und strafe sein Verbrechen. Nur den einigen Gott kann ich nicht zu viel lieben. Für Wohltaten, die man nicht vergelten kann, mag man nicht zu viel danken. Wer kann Gott was wiedergeben? Er hat dich erschaffen, kannst du ihn auch wieder erschaffen? Er hat dich erlöst, kannst du ihn auch wieder erlösen? Liebe begehrt er von dir und nichts mehr. Wie magst du den zu viel lieben, der dich liebt mit einer ewigen Liebe, der sein Leben hat für dich gelassen? Ach, deine meiste Liebe gibst du der Welt, die dich doch nicht wieder liebt. Wie viel Augenblicke hast du wohl Gott in deinem Leben lieb gehabt? Ich will nunmehr anfangen, Gott über alles, mich und alle Dinge in Gott zu lieben, auch mich und alle Dinge um Gottes willen gern zu hassen und zu lassen. Ich bitte dich, tue es auch.

 

55. 

VOM GEHORSAM GEGEN GOTT.

Es muss biegen oder brechen.

 

Sagt die Welt, wenn‘s recht gelten soll; der Teufel sagt auch, Gott auch so. Welt, dich geht‘s nicht an. Ich biege mich nicht vor dir, denn ich weiß dir nichts zu Willen. Hart gegen hart. Trotzest du! Ich auch. Du auf deine Macht. Ich auf meinen Gott. Auf ihn verlass ich mich, als auf eine Mauer, trotz dir und allen Teufeln! Bist du mächtig? Er ist noch mächtiger, hat wohl ehe einen Morgenkönig mit viel tausend Mann aus dem Feld geschlagen. Bist du listig? Er ist noch klüger, hat wohl eher einen spitzigen Ahitophel mit seinem Rat zu Schanden gemacht. Verlässt du dich auf deine Brecher? Komm an, welcher Arm ist der stärkste? Mein oder dein? Ich bin stark im Herrn und in der Macht seiner Stärke. Du Stücklein Fleisches, du Klümplein Erde, was willst du ausrichten wider den, der dich im Grimm zerbrechen kann? Ein rauschender Löschbrand bist du, Jes. 7,4.; zischen magst du wohl und einen Rauch von dir geben, der in die Augen beiße, aber verbrennen und verzehren kannst du nicht; dräuen und pochen, das Herz ängstigen, die Tränen aus den Augen ziehen, aber nicht schaden. Teufel, biegen will ich mich vor dir nimmer. Willst du deine Brecher ansetzen? Tue es. Brich mich in tausend Stücken, du sollst doch mit meinem Willen keinen Dienst von mir haben. Böses leiden, schadet mir nicht, wenn ich nur kein Böses tue. Aber mein Gott, vor dir will ich lieber biegen als brechen. Ich will gern in deiner Hand sein, wie ein Klümplein Wachs, das sich bilden, wie ein Zwang-Rütlein, das sich biegen und zwingen lässt nach deinem Willen. Deine Pfeile sind mir zu scharf. Deine Brecher sind mir zu stark. Hie bin ich, mein Gott, deinen Willen tue ich gern. Du biegst dich nach meinem, ich biege mich nach deinem Willen. Ach lass uns ein Herz und eine Seele bleiben!

 

56. 

VON DER MILDIGKEIT.

Geben ist seliger, denn nehmen. Ap. Gesch. 20,35.

 

Das will der Welt nicht ein. Die nimmt lieber als sie gibt. Viel geben, spricht sie, macht einen ledigen Beutel. Ich sage: geben ist seliger denn nehmen. Wer viel hat, gibt viel. Ist nicht nach deinem Sinn der Reiche glückseliger als der Arme? So ist auch geben seliger denn nehmen. Der Arme nimmt, der Reiche gibt. Ich sag noch einmal: geben ist seliger als nehmen. Je mehr du gibst, je mehr du nimmst. Es säen zwei Ackerleute ihren Samen aus, der eine viel, der andere wenig; ist nicht jener vor diesem glückselig? Allerdings. Wer viel gibt, nimmt viel; wer reichlich säet, erntet reichlich. Der Same ist nicht verloren, den man ins Erdreich wirft, er wächst wieder hervor und trägt Früchte. Geben macht niemand arm, viele reich: je milder Ausfluss, je milder Zufluss. Auf ein reiches „date“ (gebet) folgt ein reiches „dabitur“ (es wird gegeben werden). Von den Almosen heißt‘s nicht: Aliis inserviendo consumor: ich gehe drauf, indem ich andern diene, sondern consumor: ich nehme im Abnehmen zu. Ich sag zum dritten Mal: geben ist seliger denn nehmen. Je näher Gott, je seliger. Gott nimmt nicht, sondern gibt. Gott hat den Namen von der Güte: des Guten Art ist, dass es sich mitteilt. Gibst du viel, so bist du ein Gott auf Erden. Sag mir, warum heißen die Gewaltigen Götter? Weil sie sind Guttäter Luk. 22,25. Die Seligkeit hab ich lieb. Drum will ich lieber geben als nehmen. Ach, warum sollt ich meinem Jesu nicht ein Bröcklein wiedergeben, der mir täglich den Tisch deckt und mir allerlei reichlich zu genießen gibt? Hast du aber Lust, lieber zu nehmen? So gib desto mehr. Je mehr du gibst, je mehr du hast. Indem du ausfüllst, füllst du ein. Indem du andere segnest, segnest du dich selbst. Lass kein Herz trostlos von deiner Türe gehen, so wird dich Gott nimmer trostlos von sich gehen lassen. Er richtet sich nach dir. Wie du es vormachst, macht er es nach.

 

57. 

VON DER REGIERUNG GOTTES.

Lass gehen wie es geht. Es geht doch wie Gott will.

 

Soll‘s gehen nach des Teufels und böser Menschen Willen, wer wollte leben? Aber Gott ist noch über Teufel und Menschen. Gewiss ist, dass es nicht so gehen muss, wie der Teufel will, sonst lägen alle Menschen schon im Abgrund der Hölle. Die Welt dräut wohl, es soll dir so und so gehen, aber vom Dräuen sterb ich nicht. Hie steh ich, Welt, vor deinen Augen, tritt zu, krümm mir ein Härlein, hast du das Herz. Der im Himmel wohnt, lacht dein. Es mag über und über gehen, es muss doch gehen wie Gott will. Warum klagst du denn mein Herz, und sprichst: ach es geht mir so übel. Kann‘s wohl übel gehen, wenn‘s geht wie Gott will? Er hat alles wohl gemacht. Sein Will ist ein guter Will Röm. 12,2. Du meinst zwar, Gottes Will sei ein böser, bitterer und greulicher Will, weil er das heißt nicht sein und töten, was dein Fleisch für das Höchste, Beste und Edelste hält. Aber ach nein. Die Erfahrung lehrt‘s, und das Ende beweist es, dass alles gut gemeint sei. Tut‘s wehe, es ist doch wohl gemeint. Wie geht‘s, fragst du mich. Wie Gott will. Geht‘s denn nicht allezeit, wie es soll, so geht‘s mir doch immer wohl. Denen die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen. Ich bin mit meinem Gott zufrieden. Ach, dass er auch nur mit mir zufrieden wäre!

 

58. 

VON DEM VERLANGEN GOTTES.

Reiches als Gott.

 

Bin ich; (ich rede menschlich) mir fehlt nichts. Ich hab alles. Denn alles ist Gottes, Gott ist mein. Alles ist Gottes, sag ich. Eins aber fehlt ihm. Was? Dein Herz. Mein Sohn, ruft er, gib mir dein Herz Sprichw. 23,26. Nichts ist in der ganzen weiten Welt, dessen Gott bedürftig wäre, oder darnach er ein Verlangen trüge; eins ausgenommen, welches er so sehnlich begehrt, dass er auch nicht unterlässt, allen Fleiß anzuwenden, damit er‘s überkomme. Das einige Ding ist des Menschen Herz, das begehrt er nicht voll, sondern ledig. Denn Gott hat zwar alle Gewalt im Himmel und auf Erden, und kann keine Kreatur seinen Willen hindern; hierin leidet er gleichsam Not und Mangel, dass ihm nicht vergünstigt wird, seine Liebe in dem Herzen auszugießen. Weil er das höchste Gut ist, wollte er sich gern mitteilen im höchsten Grad, und zwar dem Menschen, als seiner edelsten Kreatur, die nach seinem Bilde erschaffen. Seine Brüste sind immer voll, wartet nur auf eine Seele, die Lust habe, sie auszutrinken. Er läuft uns nach mit vollem Horn, trägt seine Gnade hinter uns her, fleht uns, dass wir sie annehmen mögen; fliehen wir voran, er folgt uns. Wollen wir nicht, er trauert und klagt: Jerusalem, Jerusalem, wie oft hab ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel, aber ihr habt nicht gewollt Matth. 23,37. Nehmen wir an, er wird froh und gießt mit Freuden ein. Ach wenn wir nun wollten, der Himmel und alles wäre unser. Er ist viel gieriger zu geben, als wir zu nehmen. Ist‘s nicht zu betrauern? Der alles hat, und dir alles gibt, muss um dein Herz betteln, und kann‘s doch nicht los betteln. Mein Gott, ich will dich nicht vergeblich flehen lassen. Dein ist das Herz, und nicht mein. Mein ist der Nutz, und nicht dein. Nimm und schaff’ damit deinen allerheiligsten Willen. Leer geb ich‘s dir, voll gibst du es wieder, voll Lichts, voll Freuden, voll Himmels. Ach Gott, verschmäh es nicht!

 

59. 

VON DER LIEBE DES HIMMLISCHEN.

Leicht und doch schwer.

 

So find in meine Seele. Was leicht ist, sucht die Höhe; was schwer ist, sinkt nieder. Unsere Seele ist gleich einer Flaumfeder, welche, wenn sie allein bleibt, von einem gar geringen Wind oder Atem hoch über sich getrieben wird; so aber ein Stein, Blei oder Holz dran gebunden wird, fällt sie unter sich auf die Erde. Wenn ich meine Seele nicht mit Fressen, Saufen und Sorgen der Nahrung beschwere, mag sie leichtlich durch die Flügel geistlicher Betrachtungen in die Höhe geschwungen, und zur Anschauung himmlischer Dinge geführt werden; so ich sie aber mit der Liebe des Irdischen belade, ist sie keineswegs gen Himmel zu bringen. Was Wunder? Ein volles Gefäß sucht den Grund, ein leeres schwimmt oben. Der Welt Liebe hält das Herz immer unter, dass es nicht über sie steigen kann zu Gott. Weltgedanken lassen himmlische Gedanken nicht ein. Wie mag ein Schütze zugleich auf zwei Scheiben zielen? Wie kann sich in einem Spiegel zugleich Himmel und Erde präsentieren? Eins nur erkiest. Ich wähle den Himmel. Je mehr ich mich an himmlischen Dingen erlustige, je süßer werden sie mir, je süßer Himmel, je bitterer Erde; je mehr ich ans Himmlische gedenke, je himmlischer werde ich. Wer mit Balsam umgeht, riecht nach Balsam; wer lang in der Sonne steht, wird sonnengelb. Ich steig mit meinem Gemüt immer in den Himmel, ich find einen Segen vor mir, denn ich geh nimmer aus dem Himmel; ich lass einen Seufzer nach mir: Gott, lass mich in der Welt so viel Bitterkeit finden, dass ich ihrer vergesse. Was sie hat, das vergeht; was der Himmel hat, das besteht. Das ewige Gut macht rechten Mut, dabei ich bleib.

 

60. 

VON DER ERBSÜNDE.

Eher verdammt als geboren.

 

Ach Mensch, das gilt dir und mir. In Adam haben wir gesündigt. In Adam sind wir verdammt. Denn Adam hat nicht nur allein für sich, sondern auch für alle seine Nachkommen Gaben empfangen, und hernach nicht als eine Privatperson, sondern als der Stammvater des ganzen menschlichen Geschlechts gesündigt; daher auch seine durch Fortpflanzung der Natur mitgeteilte Sünde und derselben anhängige Schuld und Strafe eines jeden Eigen wird, gleichwie die durch ihn mitgeteilte Natur eines jeden Eigen wird. Ach, was soll ich sagen! Vom Mutterleibe hängt mir die Unart an, die verdammlich ist. Denn wie gleich einem jungen Wolf, ob er schon die Schafe noch nicht zerreißt, doch die Wolfsart angeboren ist; also klebt einem jeden Kinde stracks von der Empfängnis her die sündliche Unart, so dass wir alle mit David klagen müssen: Siehe ich bin aus sündlichem Samen gezeugt, und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen Ps. 51,7. Aus einer bösen Wurzel wachsen böse Früchte; aus einem unreinen Brunnen entspringen unreine Strömlein; aussätzige Eltern zeugen aussätzige Kinder. Drum will ich weder mich selbst rechtfertigen, noch einen andern verdammen. Der Allerheiligste ist verdammt von Mutterleibe an, ja, von Adam her. Dass er gerecht und selig wird, ist Christi Gnade, der macht‘s, dass nicht verdammen muss, was sonst verdammen könnte. Es ist nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind Röm. 8,1.

 

61. 

VOM BÖSEN GEWISSEN.

Feuer im Busen. Spr. Sal. 16,27.

 

Gewissen, Gewissen, ach was bist du? Ein Spiegel, vor welchem sich keine Sünde verbergen kann; ein Ankläger, der nicht zu stillen ist; ein Zeuge, dem man nicht widersprechen kann; ein Richter, vor dem man nicht bestehen kann; ein Prediger, der weder Tag noch Nacht ruhen lässt; ein Brandmal, das nicht auszulöschen; eine Wunde, die nicht zu heilen; ein nagender Wurm, der nicht stirbt; ein Feuer, das immer brennt. Muss nicht ein Gottloser, wenn das Gewissen aufwacht, klagen: Es ist in meinem Herzen wie ein brennend Feuer in meinen Gebeinen verschlossen, dass ich‘s nicht leiden kann, und muss schier vergehen Jer. 20,9. Ach hüte dich vor einem bösen Gewissen. Tritt täglich vor diesen Spiegel, beschaue deine Flecken, wasch sie ab mit Tränen und färbe die Tränen mit dem Blute Jesu Christi, dass dich‘s rein mache von allen Sünden 1 Joh 1,7. Komm durch die Selbstbeschuldigung der Anklage deines Gewissens zuvor, und sprich mit David: Ich erkenne meine Missetat, und meine Sünde ist immer vor mir. An dir allein hab ich gesündigt, und übel vor dir getan Ps. 51,5.6. Tue nichts im Verborgenen, deß du nicht jedermann gern zum Zeugen hättest, denn Gott wird alle Werke vor Gericht bringen, das verborgen ist, es sei Gutes oder Böses Pred. 12,14. Sprich dir selbst das Urteil des Todes, ehe dein Gewissen dich verdammt. So wir uns selbst richten, werden wir von dem Herrn nicht gerichtet 1 Kor. 11,31. Deine Pein lass sein die Buße; mit Lust verloren, mit Schmerzen wiedergesucht einen gnädigen Gott. Das Brandmal drücke ans Herz Christi, der ausgetilgt hat die Handschrift, so wider dich war, und hat sie aus dem Mittel getan, und an das Kreuz geheftet Kol. 2,14. Die Wunde heilt mit den Wunden Jesu, denn durch seine Wunden sind wir geheilt 1 Pet. 2,24. Wider den Biss des Wurms hilft dir das Purpurwürmlein, Ps. 22,7., das am Kreuz gehangen. Ach wandle behutsam. Wohl dem, der kein bös Gewissen hat, und seine Zuversicht ihm nicht entfallen ist Sir. 14,2.

 

62. 

VON DER LIEBE JESU GEGEN DIE ARMEN SÜNDER. 

Leib und Schatten lassen sich nicht trennen.

 

Nichts ist so fest mit einander verbunden, das man nicht trennen könnte. Mann und Weib sind ein Fleisch, doch setzt sie eine Ehescheidung von einander; Leib und Seele machen einen Menschen, doch trennt sie der Tod. Was die Liebe zusammenknüpft, kann oft ein böser Argwohn auflösen. Moses floh vor seinem Stab, da er zur Schlange ward: ist mein Freund mir ein Stab, halt ich mich zu ihm; zieht er die Schlangenhaut an, ergreif ich die Flucht. Nur zwei Dinge sind, die sich nicht trennen lassen, Jesus und der arme Sünder. Ein redlicher Arzt verlässt den Kranken nicht, wo ihm noch zu helfen steht. O Liebe, wenn ich sündige, tret ich von Christo ab, im Zorn von seiner Sanftmut, in der Hoffart von seiner Demut. Aber er eilt mir immer nach. Willst du wissen warum? Der Sünder ist Christi Schatten. Kannst du auch den Schatten vom Leib trennen? Der Schatten flieht vor dem Leib, der Leib verfolgt den Schatten; ich kenne Jesum nicht in seinem Heil, drum flieh ich voran. Jesus kennt mich wohl in meiner Not, drum folgt er mir nach; die Hölle suche ich, der Himmel folgt mir, ich lache, Jesus weint. Wenn eins sein soll, will ich lieber, dass Jesus lache, und ich weine, so wird mein Weinen endlich auch zum Lachen, als dass Jesus weint und ich lache, denn so muss ich gewiss nach dem Lachen weinen. Bin ich doch nicht besser, als mein Jesus. Wein ich, so lacht er; lach ich, so weint er. Drum will ich lieber weinen als Lachen. Weint mein Jesus, will ich ihm die Tränen abwischen mit dem Tüchlein meiner Buße; hör ich auf zu sündigen, so hört er auf zu weinen; wein ich dann über meine Sünde, so wischt er mir die Tränen ab mit dem Tüchlein seines Trostes. Ach dass meine Augen Tränenquellen wären! Wie gern wollt ich, dass Jesus Tüchlein fein nass würde! Meine Tränen sind nur Wasser, Jesus färbt sie mit seinem Blut; ein Tränlein mit Jesu Blut durchrötet, ist köstlicher, als die ganze Welt. Ich will gerne weinen über meine Sünde, denn mit meinen Tränen vereinigt der Heilige Geist seine Seufzer; so manch Tränlein aus den Augen, so mancher Seufzer aus dem Herzen; da geht‘s denn: Ach Gott! Ach Jesu! Erbarm dich; sei gnädig, Abba, Vater! Ach, ach! Sollt das Gottes Herz nicht rühren? Jesus ist mir nimmer näher, als wenn ich weine über meine Sünde. Der Wein erfreut dein Herz, wenn‘s matt ist, und meine Tränen laben Jesus Herz, wenn‘s traurig ist. Hast du Jesum verloren, du Gottesseele, suche ihn nirgends als bei einem traurigen Herzen, da findest du ihn gewiss. 

 

63. 

VOM STREIT DES GEISTES UND DES FLEISCHES.

Teufel und Engel um und in mir.

 

Ein jeder Christ hat seinen Teufel um sich, der ihn plagt, und seinen Engel, der ihn schützt. Der Teufel wirft ihm Steine in den Weg, dass er ihn anstoßen und fallen soll. Der Engel trägt ihn auf den Händen und hilft ihm hinüber. Der Teufel presst ihm manch Seufzerlein aus dem Herzen, manch Tränlein aus den Augen; der Engel fast sie alle auf in güldene Schalen und bringt sie vor Gott. Teufel und Engel streiten um mich wie Michael und Satan um den Leichnam Mosis. Wäre kein Streit, so wäre kein Sieg: auf Gottes Seite muss der Sieg bleiben, deß bin ich gewiss. So viel mich nun der Teufel schreckt, so viel erfreut mich der Engel. Gott sei gelobt! Weiter. Ein jeder Christ hat seinen Teufel und Engel in sich. Das Fleisch ist sein Teufel, der Geist sein Engel. Der Teufel ist ein Lügner, das Fleisch auch. Es betrügt den Menschen durch die verführerischen Lüste, Eph. 4,22., wie der Fischer durch den verführerischen Angel den Fisch fängt. Bald stellt er uns den Nutzen vor, den wir von der Sünde zu hoffen haben; da doch, wer durch sündhafte Mittel Nutzen sucht, mehr verliert, als gewinnt. Was hilft‘s dem Menschen wenn er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Matth. 16,26. Willst du Nutzen haben? So diene Gott und nicht dem Teufel. Die Gottseligkeit ist zu allen Dingen nütz, und hat die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens 1 Tim. 4,8. Bald hält‘s uns vor die Lust und Freud, so bei der Sünde ist. Aber ach, wie jämmerlich wird man verführt! Wenn ihm gleich die Bosheit in seinem Munde wohl schmeckt, spricht Zophar, und eine Zeit lang von ihm im Munde gehalten wird, so wird sich‘s doch inwendig in seinem Leibe in Ottergalle wandeln Hiob 20,12. Die Sünde ist gleich einer Speise, die gar lieblich schmeckt auf der Zunge, so lang man sie kaut, im Munde hält, hernach aber, wenn sie hinunter geschluckt wird und in den Magen kommt, durch Grimmen und Stechen großen Unwillen erregt. Willst du Freude suchen? Warum suchst du sie nicht im Herrn? Das Reich Gottes ist Gerechtigkeit, Fried und Freud im Heiligen Geist Röm. 14,17. Bald verspricht es großen Ruhm und Ehre. Ach Lügner! Schlechte Ehre, die aus der Sünde kommt. Ehr’ ist der Tugend Schatten und nicht der Sünde. Schämen und Grämen ist die Ehr’, die aus der Sünde kommt. Was hattet ihr dazumal für Frucht? Deren ihr euch jetzt schämet Röm. 6,21. Willst du Ehre haben, diene Christo. Wer mir dienen wird, spricht er, den wird mein Vater ehren Joh. 12,26. Bald sagt das Fleisch dem Sünder die Gunst und Freundschaft vieler und hoher Leute zu. Ach des Betrugs! Wie kann Freundschaft ohne Liebe, Liebe ohne Gott, Gott und herrschende Sünde zusammen sein? Frömmigkeit ist das rechte Mittel, gute Freunde zu gewinnen. Denn wenn jemands Wege dem Herrn wohlgefallen, so macht er auch seine Feinde mit ihm zufrieden Spr. Sal. 16,7. Und wer kann alle Verführungen des Fleisches erzählen? Der Teufel ist ein Mörder. Das Fleisch auch. Denn so wir nach dem Fleisch leben, werden wir sterben. Der Engel ist wahrhaftig, der Geist auch; er führt uns in alle Wahrheit. Der Engel hat Lust zur Buße und zum Leben, der Geist auch; denn so wir durch den Geist des Fleisches Geschäfte töten, werden wir leben. Engel und Teufel liegen immer in mir wieder einander zu Felde. Denn das Fleisch gelüstet wider den Geist und den Geist wider das Fleisch, dieselben sind wider einander Gal. 5,17. Wie manchen bösen Gedanken gibt dir dein Fleisch ein! Sind alle Teufel, die dich wollen zur Hölle reißen. Wie manchen guten Gedanken gibt dir der Geist ein! Sind alle Engel, die dich wollen zum Himmel führen. Wie viel besser ist der Engel als der Teufel? Dieser wirft Steine in den Weg, jener hilft hinüber; dieser tritt unter die Füße, jener trägt auf den Händen. Wähle dir einen Führer. Folgst du dem Teufel? Ich folge dem Engel. Fährst du zur Hölle? Ich fahre zum Himmel. Wer hat am besten für sich gesorgt?

 

64. 

VOM ENDE DES LEIDENS.

Das Fass ist voll. Zapf los.

 

Mein Herz, klagst du, ist voll Trauerns. Das ist recht, so muss es sein. Hat‘s dir Jesus doch vorher gesagt: Euer Herz ist voll Trauerns Joh. 16,6. Gott und die Natur lassen nichts leer. Ist das Geschirr nicht voll Wassers, so ist‘s doch voll Luft. Ist das Herz, drin Gott wohnt, nicht voll Freude, so ist‘s voll Trauerns. Wenn das Fass voll ist, zapft man los. Lass den lieben Gott nur füllen, er weiß, wie viel dein Fass fassen kann. Wenn’s Not ist, tritt er zu und zapft los; da kommt Luft zum Herzen. Die Krüge zu Kana mussten bis oben an gefüllt werden, eher war es nicht Zeit, dass Jesus aus Wasser Wein machte Joh. 2,7. Wenn das Herz so voll Leiden ist, dass es bluten und brechen möchte; wenn die Augen in vollem Wasser stehen, so ist Jesu Stündlein kommen, da macht er aus allem Leid große Freude. Das lerne. Je mehr des Leidens wird, je näher ist das Ende. Wenn dich die Trübsale mit Haufen überfallen und sich‘s anlässt, als wollten sie mit gesamter Macht dir das Garaus machen, so sprich: Sei gutes Muts, liebe Seele, nun wird‘s bald gut werden, die ägyptischen Trübsale nehmen zu, der Erlöser ist nahe, halt diesen Puff mit Freuden aus, so hast du überwunden. Ich will nimmer klagen, dass meines Leidens zu viel sei. Gott weiß am besten, wie viel ich tragen kann. Ist mein Herz voll Trauerns, so muss es auch voll Trostes sein. Deß hat mich mein Heiland versichert: Euer Herz, spricht er, ist voll Trauerns, aber ich sag euch die Wahrheit, es ist euch gut, der Tröster soll kommen Joh. 16,6.7. Eine jede Traurigkeit führt ihren Trost bei sich und ein jeder Trost zieht die Hilfe nach sich. Endlich muss nach vielem Ungewitter mir die Sonne doch wieder scheinen. Wenn’s Gott gefällt. 

 

65.

VON DER UNGEDULD.

Zwei für eins.

 

Ist gefehlt bei der Rechenbank. In der Kreuzschule sind wir keine guten Rechenmeister, zählen gemeiniglich zwei für eins. Schickt uns Gott ein Kreuz vom Himmel, so tun wir noch eins zu aus Fleisch und Blut. Dass wir krank werden, ist ein großes Kreuz und unter den äußerlichen fast das größte. Dass wir bei den Schmerzen ungeduldig werden, ist noch ein größeres. Jenes legt Gott auf, und hilft‘s auch tragen; wer will aber dieses tragen helfen, was wir uns selbst machen? Ja, das letzte macht das erste unerträglich. Ich hör dich oft klagen, mein Kreuz ist zu schwer, ich kann‘s nicht länger tragen. Lieber, woher kommt die Bürde? Von Gott? Ach nein. Gott ist getreu, und lässt niemand versuchen über sein Vermögen 1 Kor. 10,13. Legst du auch deinem Vieh mehr auf, als es tragen kann? Sollte Gott unbarmherziger sein über sein Kind, als du über dein Vieh? Nein, so könnt er nicht Vater sein. Du selbst machst dir das Kreuz schwer durch deine Ungeduld. Kreuz ist kein Kreuz, wenn nicht Ungeduld dazu stößt. So bist du denn unbarmherziger über dich selbst, als der dich züchtigt. Er legt dir ein Pfund auf, du tust einen Zentner hinzu. Klage nicht über Gott, sondern über dich selbst. Ich will mein Kreuz gern und geduldig tragen, je lieber ich‘s trage, je leichter ist es mir. Einen willigen Geber hat Gott lieb, und einen willigen Träger hat das Kreuz lieb. Den drückt‘s nicht zu schwer, auch nicht zu lang. An einem Kreuz hab ich genug zu tragen, darf nicht noch eins dazu tun. Ich kenne die Stärke meiner Schultern, dass sie nicht viel tragen können. Darum soll mir eins genug sein. 

 

66. 

VON DER RUHE JESU.

Ich suche Jesum.

 

Sagst du, wo find ich ihn? Ist gut, dass du auf die Gedanken kommen bist. Nach wem wolltest du lieber fragen, als nach deinem Jesu, nach dem guten Hirten, der dich, sein verloren Schäflein, so ängstlich sucht? Wer ihn sucht am rechten Ort, findet ihn gewiss. Da ihn die Braut im Bette sucht, fand sie ihn nicht. Der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht. Ach, suchst du den auf einem weichen Hauptkissen, der nicht gefunden hat, wo er sein Haupt hinlegen könnte? Was Augustinus sagt: Gehe nur in dich selber. Denn du kannst Gott nirgend besser finden, als in dir selber. Gehst du in dich selber, so gehst du in Gott. Denn Gott ist in dir und du in ihm, du bist ja eins mit ihm; ist wohl geredt. Du in Gott und Gott in dir. Gott in dir durch die Liebe, du in Gott durch den Glauben. So weißt du nun, wo du Gott und dich suchen sollst. Höre weiter, was Taulerus sagt: Es war eine andächtige Nonne unsers Ordens, die hatte oft und viel begehrt Christum unsern Herrn zu sehen, als ein junges, zartes Kindlein. Und da sie einstmals in ihrer Andacht saß, erschien ihr unser Herr und Heiland Christus als ein kleines Kindlein in einer Last stachliger Dornen eingewickelt, also dass ihr dasselbe nicht werden konnte, sie griffe denn mit Ernst in die Dornen hinein. Erkennest du nun, dass wer Jesum finden will, müsse ihn nicht in Rosen, sondern in Dornen suchen? Im Kreuz und sonst nirgend. Mir graut vorm Kreuz, sprichst du. Tust wohl dran, dass du es fein rund heraus sagst; ich will dir‘s fein rund wieder sagen: so graut dir auch vor Jesu. Dein Suchen ist nur Heuchelei. Ich wünsch oft, dass mich das Kreuz nimmer verlassen möge. Warum? So verlässt mich Jesus auch nicht. Christus und sein Kreuz lassen sich nicht trennen. Geht ja einmal das Kreuz meine Tür vorbei, so kehrt‘s doch gewiss bei einem andern frommen Herzen, das mit mir im Geist verbunden, ein. Da will ich Jesum suchen. Ich lass ihn nicht, er segne mich denn: der beste Segen ist im Kreuz. Ach Jesu, kehr doch auch mit deinem Kreuz bei mir ein. Du sollst mir ein lieber Gast sein!

 

67. 

VON DEN KENNZEICHEN DER LIEBE GOTTES.

Liebst du Gott?

 

Ich will dich auf die Probe setzen. Hast du auch Lust zu beten? Die Liebe offenbart dem Geliebten ihr Herz, und versieht sich alles Guten zu ihm. Wie vertraulich geht ein Kind mit den Eltern, eine Braut mit dem Bräutigam, ein Freund mit dem andern um! Das macht die Liebe. Liebst du Gott, so wirst du auch eine tröstliche Zuversicht zu Gott haben, dein Herz im Gebet oft vor ihm ausschütten, und in allen Nöten durch den kindlichen Geist zu ihm rufen, Abba, lieber Vater. Hast du auch Lust zu leiden? Die Liebe nimmt gern mit dem Geliebten vorlieb, Mühe, Schmerzen, Angst und Leiden, ja auch den Tod selbst. Was duldet eine Mutter nicht um ihres Kindes willen! Wie oft tut sie in der Geburt die Augen drüber zu, dass nur das Kind lebendig zur Welt kommt? Wie oft tränkt sie es mit ihrem Blut? Wie manche Nacht liegt sie schlaflos und sorgt? Liebst du Gott, so wirst du um Gottes willen alles gern leiden, Schmach, Armut, Verfolgung, Marter, ja den Tod selbst, und mit Paulo sagen: In dem allen überwinden wir weit, um deß willen, der uns geliebt hat Röm. 8,37. Die Liebe Gottes ist das Süßholz, das unser bitter Kreuzwasser versüßt, sie macht zur Freude auch das bittre Leiden. Hast du auch Lust zu sterben? Gregorius spricht: Die Art der göttlichen Liebe ist, dass sie durch heilige Begierden je mehr und mehr über sich steigt, und nicht ruht, bis sie ergriffen hat, den sie liebt, weil sie sonst nichts findet, das sie befriedigt. So ist es; wo Liebe ist, da ist eine Begierde zur Vereinigung. Ich empfind es. Je fester ich mit meiner Lieb an Gott, meinem höchsten Gut, hange, je verdrießlicher ist mir alles, was die Welt Liebliches hat; ich hab an mir selbst eine Unlust, hass das Leben, sehn mich nach dem Tode, damit mich nichts am Genieß des Geliebten hindere. Ich seufze ohne Unterlass: Ach, wer nur bei Jesu wäre! Jesu, mein Trost, hör mein Begier, ach mein Jesu, wär ich bei dir! Hast du nun noch Lust, länger zu leben, so liebst du Gott nicht von Herzen. Die Prob ist richtig. Wer die Welt liebt, hat Lust in der Welt zu bleiben. Wer Gott liebt, hat Lust bei Gott zu sein. Je länger du lebst, je länger du sündigst. Wie kannst du sagen: ich liebe Gott, wenn du noch Lust hast, zu sündigen? Gotteslieb und Sündenlieb stehen nicht wohl bei einander. Drum wer Gott liebt, hat Lust zu sterben, doch nach Gottes Willen. Die Liebe lässt sich selbst, und untergibt ihren Willen gänzlich dem Geliebten. Gefällt‘s Gott, dass ich noch länger leben soll? Des Herrn Wille geschehe. Das heißt auch geliebt. Solche Ordnungen macht Christus und musst du halten. Erstlich gebetet: Dein Reich komme; darnach hinzu getan: Dein Wille geschehe. Ich will der Welt so brauchen, dass ich sie lassen, und meinen Gott so lieben, dass ich ihm folgen kann in dem Glück, da er mich ruft. Der erste, der liebste. Meine Seele verlangt herzlich bei Gott zu sein, bei Gott, der meines Jammers ein Ende macht. Der Durst ist groß, du Lebensquelle stille ihn! Wann werd’ ich dahin kommen, dass ich Gottes Antlitz schaue? Wie lang! Ach Herr, wie lange!

 

68. 

VON DER WOHNUNG EINES CHRISTEN.

Nirgends und doch irgends.

 

Ich hab hier nirgend eine bleibende Stätte und trage doch mein Haus allenthalben bei mir. Tue du es auch. Darin bin ich der Schnecke nicht ungleich, die ihr Häuslein allenthalben bei sich führt. Mein Haus ist in mir. Ich wohne gern bei mir selbst. Ach das ist schwer. Du wohnst gern außer dir, lässt deine Gedanken in der Welt herum streichen, hast nimmer Ruhe; ich bleibe zu Haus, halte meine Gedanken bei einander, bin wohl zufrieden. Was hilft‘s, dass du dich versperrst in ein Kloster und bist doch nimmer im Kloster, sondern bald an diesem, bald an jenem Ende der Welt? Mein Haus ist über mir. Ich wohne gern im Himmel, da hab ich schon das Bürgerrecht, Phil. 3,20., gewonnen. Wo mein Schatz ist, da muss auch mein Herz sein. Den Himmel lieb ich, den Himmel such ich, an den Himmel denk ich, nach dem Himmel seufze ich. Willst du mich suchen? Suche mich nirgends als im Himmel. Mein Haus ist um mich. Der Leib, drin meine Seele wohnt. Wie viel vergnüglicher ist die Seel, als der Leib? Diesem baust du große Schlösser, jene nimmt mit einem Häuslein vorlieb. Das macht, sie will nicht ewig drinnen wohnen. Der Leib ist nicht ihr Haus, sondern nur ihre Herberge, ihr Kerker; sie hat nicht Lust drin zu wohnen, sondern wünscht immer hinaus. Ein Vöglein lebt gern in freier Luft, und wir, die wir des Geistes Erstlinge haben, sehnen uns auch bei uns selbst nach der Kindschaft und warten auf unsers Leibes Erlösung Röm. 7,24. Noch eins. Mein Haus ist unter mir, die Erde, darauf ich trete. Wie sie meine Mutter ist, wird sie endlich mein Grab werden. Ich erinnere mich gar wohl, was Gott zu Adam im Paradies gesagt: Du bist Erde und sollst zu Erde werden. Dies Haus trag ich allenthalben bei mir, denke immer ans Grab. Graut dir davor? Mir nicht. Ja, ich weiß wohl, dass die Schlangen und Würmer bei mir drin wohnen werden. Aber Gott ist auch drin. Mein Erlöser steht auf meinem Staube. Der Teufel habe das Herz und nehme ein Stäublein weg, wie wird ihm Jesus aus die Finger klopfen! Ist meine Schlangenhütte dem großen Gott nicht zuwider, warum sollte sie mir zuwider sein? Ein Grab mit Schlangen ist ein Heiligtum, wenn Gott mit drin ist. Nimmer ohne Gott, das ist der rechte Himmel. Fragst du nun, wo ich mein Haus habe? Auf Erden hab ich keins, das sag ich dir. So arm bin ich. Und doch so reich, dass ich vier Häuser allenthalben mit mir herumtrage.

 

69. 

VON DER RECHTEN BUSSZEIT. 

Meine Zeit (Joh. 7,6.) heißt allezeit.

 

Selig ist, der es erkennt. Meine Zeit ist die Bußzeit, da ich mein Herz blöße und Gott offenbare, wer ich bin. Allezeit sündige ich auch in den allerbesten Werken; allezeit muss ich büßen. Steht mir doch die Gnadentür noch allezeit offen. Die Welt hat nur Zeit alle viertel Jahr einmal, da bricht man ein Stündlein ab, geht zum Beichtstuhl und wird fromm, darnach frisch fort gesündigt auf einen neuen Kerbstock. Ach blinde Welt, du büßest nicht zu rechter Zeit! Deine Zeit ist die Bußzeit, dein aber ist nichts von der Zeit, als der gegenwärtige Blick. Was künftig ist, gehört Gott zu und steht allein in seinen Händen. Das viertel Jahr, das du hingelegt hast, ist dein gewesen; das noch kommen soll, ist Gottes; wer weiß, ob du es werdest erleben? Was denkst du an morgen? Vielleicht wird heute von dir Rechenschaft gefordert. Wie viel brennen schon in der Hölle, die auch den Vorsatz künftiger Besserung gehabt? Lässt du die Sünde erst in die Gewohnheit kommen, so machst du dir hernach die Buße selbst schwer. Wenn du in einen Brunnen wärst gefallen und dir würde heut die Hand geboten, dich herauszuziehen, wolltest du die Hilfe verachten und bis morgen drin bleiben? Was nützt das Salz, wenn‘s Fleisch faul ist? Wozu dient das Pflaster, wenn die Wunde schon alt ist? Junge Bäume lassen sich umpflanzen, zarte Fünklein lassen sich tilgen. Kann man auch Trauben lesen von den Dornen? Matth. 7,16. Wenn deine Natur durch sündige Gewohnheit schon in einen Dornbusch verwandelt, wirst du schwerlich einen Weinstock draus machen. Mit deinem Hausgerät eilst du, dass du es säuberst, wenn‘s befleckt ist, und mit deiner Seele sitzest du stille. Ist‘s nicht Schande? Ich will Buße tun, wo ich geh und steh. Wie lange soll Gott auf mich warten? Mein Beichtvater ist Gott, der hört mich gern alle Augenblicke, ich komm ihm nimmer zu oft, nimmer zu spät. Mein Beichtstuhl ist das Herz, das find ich Tag und Nacht offen; meine Beicht ist kurz: Gott sei mir Sünder gnädig. Kann ich sie nicht hersagen, so seufze ich, kann ich sie nicht herseufzen, so wein ich sie her und der Herr hört mein Weinen. Ach Herz, bei jedem Blick der Zeit steh still und denke: dieser Blick ist mein, ich muss büßen. Der künftige Blick steht nicht in meinen Händen. Ach Jesu, lass mich das bedenken! So fahr ich wohl.

 

70. 

VON DER GUTEN MEINUNG.

Anfang, Ende.

 

Kehr‘s um, so fährst du klüglicher. Ende, Anfang. Ende das Erste, Anfang das Letzte. Ein jeder wirkt um einer gewissen Endursache willen, welche, ob sie schon allzeit am ersten im Vorschlag, so kommt sie doch am letzten im Werk selber. Willst du weislich wandeln, bedenk allzeit vor dem Anfang das Ende. Hieronymus sagt: Ein jeder soll mit Fleiß auf seine Gedanken, Reden und Werke Acht haben und nachdenken, was daraus entstehen möchte, ob‘s Gott zu Ehren oder zu Unehren, dem Nächsten zu Nutz oder Schaden, ihm selbst zum Heil oder Verderben gereichen werde. Denn in alle dem, was wir vornehmen zu verrichten, ein löbliches und nützliches Ende vorzusetzen, das da Gott gefällig sei: zu dem sollen alle Anschläge, wie die Pfeile zum aufgesteckten Ziele gerichtet werden. Böses Ende, böses Werk. Ein heiliges Ende heiligt alle Dinge. Wie wir von den unvernünftigen Tieren darin unterschieden sind, dass wir wissen, zu was Ende wir alles tun, so wird ein gutes Werk vom bösen durchs Ende unterschieden. Das Ende macht den Unterschied unter Sauls und Davids Buße, des Pharisäers und Zöllners Gebet, Judas und Petrus Reue. Was die Seele dem Leib und die Wurzel dem Baum, das ist der Vorsatz den Werken. In allen deinen Werken lass Gott den Anfang und das Ende sein. Dein Anfang sei: hilf Gott! Der Knopf hält fest. Hilft Gott nicht, so gedeiht auch das Werk nicht. Dein Ende sei: Gott die Ehre. Siehe wohl zu, dass nicht dasselbe, was im Namen Gottes angefangen ist, sich in deinen eignen Ruhm oder zeitliches Vergnügen endige. Böses End, böser Lohn. Gott allein die Ehre. Zwei Dinge, sagt ein vortrefflicher Mann, sind in einem jeglichen guten Werk, Ehr und Nutz. Das Letzte gibt uns Gott, das Erste behält er für sich selber. Der Nutzen unserer Werke kommt nicht zu Gott, meine Gutheit reicht nicht an dich. Die Ehre unserer Werke kann uns nicht zugemessen werden. Ich gebe meine Ehre keinem Fremden Jes. 42,8. Ich will Gott in seinem Teil nicht verkürzen, dass er mir das meinige nicht nehme. Nicht uns Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib die Ehre.

 

71. 

VON DER GLEICHHEIT ALLER MENSCHEN.

Erd ist Erd.

 

Ich bin Erd, bist du was mehr? Was brüstest du dich denn? Du so gut als ich, ich so gut als du. Halt dich zur Erde, weil du Erde bist, gleich zu gleichen. Aber du gehst in Samt und Seide, ich nur im groben Kittel. Erd ist Erd, man trag sie in Purpur oder schlechter Leinwand. Doch du sitzest oben, ich nur unten; Erd ist Erd, man lege sie auf den Tisch oder unter die Bank; Aber du traktierst dich niedlich und köstlich, ich behelf mich schlecht; Erd ist Erd, man feuchte sie mit Wasser oder Wein. Erd ist Erd. Wie seh ich denn, dass man in den Gotteskasten so wenig Goldes und Silbers, des Kupfers aber eine so große Menge wirft? Mein, was ist Gold? Gelbe Erde. Was ist Silber? Weiße Erde. Was ist Kupfer? Rote Erde. Warum hältst du einen goldenen und silbernen Pfennig besser als einen kupfernen? Vielleicht weil er schwerer ist? Was Wunder denn, dass du dein Herz beschwerst? Leichter Pfennig, leichtes Herz. Schlechter Pfennig, schlechte Sorge. Vielleicht wegen der Farbe? Farb ist Farb, Erd ist Erd; weiß und rot geht über gelb. Vielleicht weil er mehr gilt? Ist eine Einbildung. Warum gilt der kupferne nicht soviel als der güldene? Weil du dir’s nicht kannst einbilden. Doch, es sei so, Gold ist besser als Kupfer. Das Beste gehört Gott. Gib ihm, was er dir gegeben hat. Von ihm hast du sowohl das Gold als das Kupfer. Gib Gott, was sein ist. Sein ist alles, sowohl Gold als Kupfer.

 

72. 

VON DER KRAFT DER ARZNEI.

Arzt, hilf dir selber. Luk. 4,23.

 

Wie kommt‘s, dass so viele Ärzte sterben? Die andern helfen, können ihnen selbst nicht helfen. Vernimm die Ursach: Es heilt sie weder Kraut noch Pflaster, sondern dein Wort, Herr, das alles heilt Weish. 16,12. Menschen sind nur Wundärzte, Jesus ist der rechte Wund- und Wunderarzt. Jene kennen dich nur von außen, schmieren den Hals, wenn die Krankheit im Magen ist; dieser kennt dich von innen, und weiß, wo des Übels Wurzel liegt. Fragst du wo Heil, wo Arznei? Nicht beim Arzt, sondern bei Gott. Durch Gottes Wort lebt der Mensch, nicht durch Arznei. Wie oft widerfährt dir Hilfe durch ein schlecht Mittel, die der Arzt durch die allerköstlichste Arznei nicht könnte zuwege bringen! Dem Edelmann bringt man Perlenwasser in großer Menge bei, stirbt doch; dem Bauer hilft ein Bisslein versiegelter Erde; das macht das segensreiche Wort Gottes. Wie oft hilft Gott durch ein ungenügsames Mittel! Hiskias lag krank an pestilentialischen Drüsen, ward geheilt durch Feigen 2 Kön. 20,1-7. Man versuch‘s heut, ob man damit die Pest vertreiben könne. Ach die Feigen taten‘s nicht, sondern Gottes wunderkräftiges Wort. Wie oft wird dir geholfen durch ein seltsames, abenteuerliches Mittel, wie durch Schrecken im Fieber! Die Hilfe kommt nicht vom Schrecken, sondern vom Worte Gottes. Nimm das Wort Gottes von der Sonne, so wird sie nicht leuchten; vom Wasser, so wird‘s nicht feuchten; vom Brot, so wird‘s nicht nähren; von der Arznei, so wird sie nicht gesund machen. Ich will zwar nachkommen der Regel Sirachs: Der Herr lässt die Arznei aus der Erde wachsen und ein Vernünftiger verachtet sie nicht Sir. 38,4. Doch will ich keinen Arzt zum Gott machen, sonst möchte mir mein Gott absterben, ehe ich selbst sterbe; der Mittel will ich brauchen, aber dabei auf Gott sehen, ihm vertrauen, mich seinem Willen in demütiger Gelassenheit untergeben, und sagen mit jenem Aussätzigen: Herr, so du willst, kannst du mich wohl reinigen Luk. 5,12. 

 

73.

VON DER KRAFT DES GLAUBENS.

Dein Glaube hat dir geholfen. Luk. 17,19.

 

Ach! das ist ein schön tröstlich Wort. Ich wollt‘s um aller Welt Gut nicht geben. Wie? Hilft denn Jesus nicht? Allerdings. Aber seine Ehre legt er dem Glauben bei, gleich als wenn ein reicher Mann einem Bettler ein Goldstück in die Hand legte, und sagte dann zu ihm: Siehe, deine Hand hat dich reich gemacht. Gott eignet seine Wohltaten nicht ihm zu und seiner Güter, sondern unserm Glauben, damit wir erkennen, wo wir etwas nicht erlangen, das wir doch gern hätten, und wohl bedürften, dass es nicht an ihm und seiner Güte, sondern an unserm Glauben mangle. Wer nicht glaubt, der wankt und ist ungewiss, ob Gott geben werde, oder nicht. Ein solcher bekommt nicht, was er bittet Jak. 1,7. Gott kann ihm nichts geben, wenn er gleich gerne wollte; eben als wenn man ein Gefäß in den Händen hat, und will nicht still halten, da wird man nichts eingießen können, ob man gleich gerne wollte, denn es läuft nur neben hin und kommt um. Gott will seine Güte nicht vergebens hinschütten, dass sie soll verloren werden. Wie du glaubst, so geschieht dir. Gottes Wort kann kein bloßes Wort bleiben, es muss ein Werk daraus werden, wenn‘s unser Glaube fasst. Gott hat dir Nahrung in der Teurung zugesagt, glaube, so geschieht‘s; du musst Brot haben, sollten auch die Steine zu Brot werden. Dass dir‘s nicht geht, wie es soll, macht dein Unglaube. Im Glauben ist der Reichtum, im Unglauben die Armut; im Glauben der Himmel, im Unglauben die Hölle; im Glauben alles, im Unglauben nichts. Geht‘s mir übel, hab ich‘s keinem als mir selbst zu danken und meinem Unglauben. Der Güte Gottes aber will ich danken, wenn mir wohl geschieht. Denn sie ist‘s, die beides, den Glauben in mir wirkt und auch an mir krönt. 

 

74.

VON DER DANKBARKEIT.

Umkehr ist der beste Dank. Luk. 17,15-18.

 

Du preisest Gott mit deinem Munde. Tust wohl dran. Dank will Gott zum Opfer haben. Je weiter du den Mund auftust, je mehr gießt er ein. Ein jeder Dank erwirbt eine neue Wohltat. Die Flüsse entspringen aus dem Meer und kehren wieder zurück ins Meer; das Gebet leitet die Gnadenströmlein Gottes herab; die Danksagung leitet sie wieder hinauf. Gottes Güte ist eine rechte Jakobsleiter, da die Engel auf- und absteigen. Ein Betseufzerlein hinauf, ein Segen herab; Segen auf und ab, herab durchs Vater Unser, hinauf durchs Gratias. Ein jedes Ding sucht seinen Ursprung, darin ruht es, also auch Gottes Wohltaten. Aber sag mir, preisest du auch Gott mit deinem Leben? Umkehr ist der beste Dank. Beschaue deine Wege? Wo bist du? Dein Heiland ermahnt: Geht ein durch die enge Pforte, denn die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der zur Verdammnis abführt, und ihrer sind viele, die darauf wandeln Matth. 7,13.14. Bist du auch mit drauf? Hältst du dich auch zum großen Haufen? Stellst du dich auch der Welt gleich? Und die Pforte ist enge und der Weg ist schmal, der zum Leben führt, und wenige sind, die ihn finden. Bist du auch unter den Wenigen? Wohin führt dich dein Wandel? Beschaue die Fußstapfen. Hoffart, Zorn, Hass, Ungerechtigkeit, Lügen sind die Fußstapfen der Welt; Demut, Sanftmut, Liebe, Gerechtigkeit, Vergnüglichkeit, Barmherzigkeit, Wahrheit sind die Fußstapfen Jesu. Wo bist du? Kehr um, ach, kehr um, bist du nicht auf rechtem Wege. Durch Besserung lobt man Gott. Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, dass sie eure guten Werke sehen, und euren Vater im Himmel preisen Matth. 5,16. Ich frag noch eins. Preisest du auch Gott im Leiden? Gelassenheit ist ein schön Lob Gottes! Gott hat dir Güter geschenkt. Du sprichst: der Herr hat‘s gegeben, sein Name sei gelobt! Gott nimmt sie dir wieder. Sprichst auch noch: Der Herr hat‘s genommen, der Name des Herrn sei gelobt! Ein gelassen Herz ist allemal zur Umkehr bereit. Was ihm Gott gibt, das gibt er gern wieder zurück, wenn‘s Gott gefällt. Ich will Gott preisen mit Mund und Herz, im Leben und Leiden. Alles, was in mir ist, lobe den Herrn.

 

75. 

VON DER UNDANKBARKEIT.

Meide, Leide.

 

Was denn? Das Allergemeinste in der Welt, den Undank. Ach wie undankbar ist die Welt, bevorab ihrem Gott. Du zürnst, wenn du die Geschichte von den gereinigten Aussätzigen liest, dass aus zehn nur einer wieder kommen, der Dank gesagt Luk. 17,15. Aber was zürnest du auf andre? Zürne auf dich selbst. Greif in deinen Busen, ach, du wirst einen undankbaren Gast drin finden. Wie oft hast du wohl deinem Gott gedankt für deine Gesundheit, die doch goldener ist als Gold? Wie oft hast du wohl gedankt, dass dich Gott in der Taufe vom Aussatz der Sünden gereinigt? Was wolltest du danken! Du denkst nicht einmal dran. Ich denke oft, wie es komme, dass man im Jahr mehr denn hundert Bittzettel auf der Kanzel hat, und doch kaum zehn Dankzettel. Ist denn niemandem geholfen? Nein. Undank will‘s nicht wissen, dass ihm geholfen sei. Jedermann fordert Dank für seine Wohltaten; bleibt Dank aus, so brennt der Rhein. Wie behänd gehst du um mit deinem Freunde, als mit einem schallosen Ei, und hast etwa ein Talerchen des Jahrs von ihm zu genießen; aber wenn Gott zu danken, der doch alles gibt, ist niemand zu Hause; dann kommt aus zehn einer. Mein Christ, meide das schändliche Laster der Undankbarkeit. Wer einen Undankbaren nennt, der nennt alle Laster. Ein Undankbarer ist keiner Wohltat wert. Einen Undankbaren hassen Gott und Menschen. Er stopft die Brünnlein der Güte zu, die sonst milde fließen. Christlich ist‘s, der zugefügten Beleidigungen bald, der Wohltaten aber nimmer vergessen. Widerfährt dir‘s aber, dass du Stank für Dank zum Lohn hast, werde nicht müd im Lieben, leide was du meidest. Wie viel Gutes tut Gott der Welt! Wer dankt‘s ihm? Wie teuer hat Jesus die Menschen erlöst? Wer denkt daran, wer dankt dafür? Willst du ein besser Glück haben, als dein Jesus gehabt? Ach nein. Wie du um Danks willen nicht anfängst, so sollst du auch um Undanks willen nicht aufhören Gutes zu tun. Die Liebe wird nicht müde 1 Kor. 13,1-8. Sie ist wie ein guter Baum, der Frucht über Frucht gibt, auch dem, der ihn rüttelt und schüttelt. Ich will die Undankbarkeit als die schänd- und schädlichste Untugend, als den Kern und Auszug aller Laster meiden, auch gern zufrieden sein, so man meine Guttaten mit der allgemeinsten Münze, mit Undank bezahlt. Was die Erde nicht erkennt, das belohnt der Himmel.

 

76.

VON DEN KENNZEICHEN EINES WAHREN CHRISTEN.

Bewährung ist Beweisung.

 

Du gibst dich aus für einen guten Christen. Ich trau dir‘s nicht zu. Beweis es. Fragst du, womit? Bewährung ist die Beweisung. Bist du bewährt im Ofen des Elendes? Keine Kunst ist‘s, fromm zu sein, wenn‘s wohl geht. Im Kreuz wird ein Christ erkannt. Jedermann kann Steuermann sein bei gutem Wind und stillem Wetter, im Ungewitter lässt sich des Schiffers Verstand vornehmlich sehen. Gut Gold besteht im Feuer. Sag mir, wie tust du im Kreuz? Du hast verloren deine Güter. Gedenkst du auch, dass du einen bessern Schatz im Himmel habest, den dir niemand nehmen könne? Kannst du auch mit Hiob sagen: Der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen, der Name des Herrn sei gelobt? Dich plagt Krankheit. Klagst du auch über Schmerzen? Glaubst du auch, dass der innerliche Mensch täglich so viel zunehme, als der äußerliche abnimmt? Du wirst verjagt. Ist auch der Mut noch freudig? Erkennst du auch, dass du noch auf dem Wege zu deiner Heimat seist? Es geht ans Sterben. Erschrickst du auch? Sagst du nicht vielmehr mit Paulus: Christus ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn? Mit einem Worte: Der sein Kreuz willig auf sich nimmt, ist ein guter, der‘s geduldig trägt, ein besserer, der fröhlich ist, sich der Trübsal rühmt, und Gott von Herzen dafür dankt, ist der allerbeste Christ. Unter den Heiden hat man zwar tapfere Leute gefunden, die entweder aus einer angebornen Großmütigkeit, oder aus Ehrgeiz sich einen großen Namen in der Welt zu machen, einigen Verlust und Schmerzen in der Welt geduldig ertragen, aber keiner hat‘s dahin gebracht, dass er sich einer Freud in der Trübsal gerühmt hätte. Den Ruhm behält ein Christ für sich allein. Was andre für Unglück halten, hält er für Glück, und spricht mit Paulus: Wir rühmen uns der Trübsal, als der wohl weiß, dass Trübsal Geduld, Geduld Erfahrung, Erfahrung Hoffnung bringt, Hoffnung aber nicht lässt zu Schanden werden Röm. 5,3-5. Darnach prüfe dich. Bist du wohl einmal in deinem Leiden recht fröhlich gewesen? Hast du auch einmal Gott von Herzen dafür gedankt? Wo nicht, so gib dich ja nicht aus für einen guten Christen, sondern bitte Gott, dass er aus dir mache, was du noch nicht bist.

 

77. 

VON DER BESCHAFFENHEIT EINES WAHREN CHRISTEN.

Stets anheben ist der Christen Leben.

 

Dass man so träg und säumig im Christentum ist, wie kommt‘s! Man denkt schon ans End, und der Anfang ist noch nicht gemacht. Ich wollte, dass Paulus Sprichwörtlein nicht so bekannt und gemein wäre, als es ist: Ich habe einen guten Kampf gekämpft, habe meinen Lauf vollendet etc. 2 Tim. 4,7. Mancher denkt ans Kleinod, und hat kaum angefangen zu laufen; mancher an die Krone, und hat kaum den Feind gesehen. Ich will nicht, dass unsere Christen solche Anfänger sein mögen, die alsbald im Anfang still stehen und nicht fürder kommen. Nein, das Ende krönt. Besser nicht angefangen, als angefangen und nicht geendigt. Das will ich aber, dass unsere Christen sich nicht einbilden sollen, sie haben schon ergriffen, wonach andre noch jagen müssen, sie seien schon vollkommen, dürfen nicht weiter. Denn aus solcher Einbildung kommt alle Trägheit im Christentum, dass man sich nicht bemüht völliger zu werden. Ein Pfeil, wenn er vom Bogen losgedrückt wird, schießt im Anfang schnell fort, je näher er aber zum Ziel kommt, je langsamer wird er, und fällt endlich zur Erde. Christen, die da gedenken, sie haben heut ernstlich angefangen, zu werden, was sie werden sollen, sind eifrig und lassen nicht ab, bis sie das Ziel der Vollkommenheit erreichen; die sich aber einbilden, sie haben heute nicht erst angefangen Christen zu werden, sondern haben das Ziel schon eingeholt, werden langsam und verdrossen, bis der Eifer ganz erlöscht. Junge Leute sind im täglichen Wachstum, alte nehmen ab; wer sich für einen jungen anwachsenden Christen hält, bemüht sich immer zuzunehmen; wer sich aber dünken lässt, er sei zum vollkommenen Alter in Christo schon gekommen, nimmt mehr ab als zu. Das Alter geht doch immer bergab, nicht bergan. Ach, wie weit sind wir noch von der Vollkommenheit! Wie kurz ist die Zeit! Wie viel Hindernisse finden sich im Guten? Teufel, Welt und Fleisch sind immer geschäftig. Wie oft werden wir alsbald im Anfang niedergeschlagen? So wir nicht wollten einen neuen Vorsatz fassen und einen Anfang machen, wie wäre es möglich, dass wir ein gutes Werk zu Ende bringen könnten? Kaum hast du angefangen, vom Gebet des Herrn die ersten Worte „Unser Vater“ zu sprechen, alsbald fallen dir unnütze Gedanken ein. Wolltest du fortfahren, würdest du ja vor Gott deine unnützen Gedanken ausschütten. Wie mögen ihm die gefallen? Wolltest du ablassen? Was nützt, dass du angefangen? Mein Rat ist dieser: Jag die unnützen Gedanken weg, und mache einen neuen Anfang. Glaub mir, ich muss oft wohl zwanzig Mal anfangen, ehe ich ein Vater-Unser mit Andacht kann zu Ende bringen. Stets anheben ist der Christen Leben. Hab ich schon neunundneunzig guter Gedanken und guter Werke beieinander, fehlt mir noch immer eins, die gänzliche Verleugnung meiner selbst. Darnach muss ich suchen, so lang ich lebe, und so oft ich mich finde, von neuem anfangen mich wiederum zu verleugnen. 

 

78. 

VOM WACHSTUM DER CHRISTEN.

Still stehen ist zurück gehen.

 

Die Natur erkennt zwischen ab- und zunehmen ein Mittel. Ein Knabe von 12 Jahren nimmt zu an Kräften, ein Mann von 70 Jahren nimmt ab, der 40 oder 50 Jahre auf dem Rücken trägt, nimmt weder ab noch zu. Im Christentum geht dies nicht an. Nimmt das Laster nicht ab, so nimmt‘s zu; wo du nicht täglich an deinem Fleisch kreuzigst und tötest, so gewinnt‘s dir einen Vorteil nach dem andern ab, wird immer mutiger und mächtiger in seinen Lüsten. Wenn du nur erstlich in die Sünde willigst, nimmt sie bald das Herz durch ihre Lieblichkeit dermaßen ein, dass die Begierde zu sündigen immer höher steigt wie ein Wasserstrom, und immer weiter um sich frisst, wie ein Krebs. Es ist mit der Sünde wie mit der Speise, da zieht ein Bissen den andern nach sich, und wächst oft im Essen die Lust zu essen. Wer sich nicht vorm ersten Anbiss hütet, dem wird das Sündigen immer süßer, denn das Böse macht lüstern. Da heißt es recht: je älter, je geiziger. Hingegen wo die Tugend nicht zunimmt, da nimmt sie ab. Der Same des Guten ist in uns wie ein zartes Fünklein, das leicht verlöscht, so man nicht Holz oder Kohlen zulegt und es aufbläst; wie ein Docht in der Lampe, der geschwind ausgeht, so man nicht Öl zuschüttet und das Flämmlein nährt; wie ein junges Pflänzlein, das plötzlich verdirbt, wo man‘s nicht zum Wachstum immer feuchtet und wässert; wie ein baufälliges Häuslein, das auf einmal umfällt, wo man nicht stets dran flickt und bessert; wie ein jetztgebornes Kindlein, das verschmachtet, wo es nicht täglich neue Kraft aus der Mutter Brüsten nimmt. Drum müssen wir zusehen, dass wir immer völliger werden. Wir müssen als geistliche Bäume immer höher wachsen und an Früchten reicher werden; als neue Menschen an Kräften immer zunehmen und aus einem Alter ins andere treten; als geistliche Wandersleute immer fortgehen und dem Ziel näher kommen. Es ist damit nicht getan, dass du dir selbst heuchelst und sprichst: Wer ist unter den Menschen vollkommen? Ach, das bedaure, mein Christ, dass du nicht vollkommen sein kannst, wie du sein solltest, und strebe dennoch nach der Vollkommenheit. Ob du nicht vollkommen sein kannst, sollst du doch gern vollkommen sein wollen, und darnach aus allen Kräften ringen. Viel, viel ist am Wachstum eines Christen gelegen. Bleibt dein Glaube und Gottseligkeit nur immer ein Fünklein, hast du zu befürchten, dass einmal alles im Augenblick von sich selbst erlöschen werde. Ich will mich immerdar erinnern der Worte Bernhardi: Der ist keineswegs fromm, der nicht begehrt noch frömmer zu werden, und, wo du anfängst und willst nicht frömmer werden, so hörst du gar auf fromm zu sein. 

 

79. 

VOM BEWEISTUM DES GLAUBENS.

Rede, dass ich dich sehe.

 

Ach, wie trügt die Welt! Die Ohren füllt sie. Was haben die Augen? Nichts. Viel verheißen, wenig halten, ist gemein bei Jung und Alten. Du sprichst: Ich bin ein Christ, ich glaub an Gott den Vater, an Jesum Christum, meinen Erlöser, ich liebe meinen Nächsten. Die Worte hör ich, aber wo sind die Werke? Jener Heide (Cicero) sagt: Es stände übel um mich, wenn mich meine Worte mehr verteidigten, als meine Taten. Mein Christ, wie übel steht‘s um dich, wenn deine Worte nur für dich reden, und nicht deine Werke? Lass deinen Wandel reden, so glaub ich. Besser ein stummer Mund und eine laut redende Hand, als ein redender Mund und eine stumme Hand. Wenn dich ein Mohr bereden wollte, er wäre weiß, und du sähest doch vor Augen, dass er schwarz wäre, wolltest du ihm wohl Glauben zustellen? Du sagst, ich glaube, dass Gott mein Vater ist. Ich sehe aber nicht, dass du in kindlicher Liebe, Furcht, Zuversicht und Gehorsam vor ihm wandelst. Tue ich denn unrecht, dass ich deinen Worten nicht traue? Du sprichst, ich glaube, dass mich Jesus erlöst hat von Sünd und Tod. Die Worte sind gut, aber was sehe ich? Du dienst der Sünde und stürzt dich dadurch in den Tod. Wie schickt sich zusammen, von Sünde erlöst sein, und doch der Sünde dienen? Vom Tode erlöst sein, und sich selbst dem Tode ergeben? Du sprichst, ich liebe meinen Nächsten; tust wohl dran, wenn‘s wahr ist. Aber wie sehe ich denn, dass dir seine Leibes- und Seelennot nicht recht zu Herzen geht? Er ist traurig. Du gibst ihm kein tröstlich Wort. Er wandelt in der Irre, du hilfst ihm nicht zurecht; er sündigt vor deinen Augen, du strafst ihn nicht; er ist hungrig, durstig und nackt, du speist, tränkst und kleidest ihn nicht; er ist krank, du besuchst ihn nicht. Lieber, rede, dass ich dich sehe. Zeige mir deinen Glauben. Lass deine Liebe ins Werk gehen. Weißt du nicht, dass man den Baum an den Früchten kennen und die Rede am Wandel prüfen müsse? Ich muss Augen und Ohren voll haben, sonst glaube ich nicht: Gehe hin und zeige dich den Priestern Luk. 17,14. Den Befehl hast du vom Herrn. Zeige dich in den Werken, sonst trau ich nicht. Chrysostomus spricht: Gott wird seine Ehre nicht gegeben mit bloßen Worten, weil er uns auch nicht mit bloßen Worten geehrt, sondern mit der Tat und im Werke selbst; also wollen wir ihn auch durch die Werke ehren. Ich will tun wie ich rede, und die Worte mit den Werken bekräftigen. So hielt‘s Jesus, wie die Osterjünger von ihm rühmen Luk. 24. Er war mächtig von Taten und Worten. Die Taten stehen vor den Worten, weil sie die Worte wahr und mächtig machen. So will ich‘s auch halten, mit Gottes Hilfe.

 

80. 

VON DER LIEBE GOTTES GEGEN DIE MENSCHEN.

Geliebt über alles.

 

Wer denn? Der Mensch, sonst keiner. Gott sollten wir als das höchste Gut über alles lieben. Aber wer tut‘s? Dich liebst du über alles, auch über Gott, denn du suchst bei Gott nicht das Seine, sondern das Deine; nicht seine Ehre, sondern dein Wohlsein. Gott liebt dich über alles. Auch über alle Engel? Ja; die allerbeste Kreatur Gottes bist du. Du heißt ein Kind Gottes; kein Engel heißt so; Engel heißen nur Diener; sind nicht Kinder lieber als Knechte? Du bist Christi Bruder. Du bist Gottes Seele. Wo steht das vom Engel? Ein Engel lobt einen Heiland, du lobst deinen Heiland, Ps. 103,20., bist eines Buchstabens, der mehr einbringt als Himmel und Erde, reicher. Ein Engel dient Gott und dir, du dienst nur Gott und keinem Engel. Ein Engel hat zur Rechten Gottes nichts sitzen, wovon er sagen könnte: das kommt mir zu. Du kannst sagen, mein Fleisch und Blut sitzt zur Rechten Gottes. Ein Engel kann sich nicht rühmen, dass er Christo zu Ehren ein Tröpflein Bluts vergossen hätte; du kannst mit Paulus rühmen: Ich trage die Malzeichen des Herrn Jesu an meinem Leibe Gal. 6,17. So liebt dich Gott über alle Engel. Auch über sich selbst? Ich darf sagen: Ja; also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingebornen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben Joh. 3,16. Wenn du ein Kleinod an dich kaufst um 1000 oder mehr Talern, sag mir, was hast du am liebsten, das Kleinod oder Geld? Ich meine wohl das Kleinod, sonst möchtest du ja dein Geld im Beutel behalten. Wenn denn Gott sich selbst dahin gibt zum Kaufgeld, dich an sich zu bringen, wen liebt er am meisten, sich oder dich? Ich sage, dich. Meinst du, dass Gott um deinetwillen solche Marter würde ausgestanden haben, wenn er dich nicht über alles liebte? Deß freu dich. Liebt dich die Welt nicht? Gott liebt dich, und liebt dich über alle Welt. Lass dir dran genügen. Denke aber auf die Gegenliebe, und liebe über dich den, der dich liebt über sich. Lass dich, so findest du Gott.

 

81. 

VOM TESTAMENT EINES CHRISTEN.

Bestelle dein Haus, denn du musst sterben. Jes. 38.

 

Gottlob! Ich bin bereit. Mein Testament ist fertig. Mein Vater, der du bist im Himmel, und mich erschaffen hast, dir vermach ich meine Seele. Du hast sie mir gegeben, ich gebe sie dir wieder. In deinen Händen ist sie am besten verwahrt. Auch darf ich ein fremdes Gut nicht veräußern. Mein Heiland hat mir vorgebetet, dem bete ich nach: Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist Luk. 23,46. Mein Bruder Jesus, der du mich erlöst hast, dir vermach ich meine Sünde, ach nimm sie auf dich, du Lämmlein Gottes, der du trägst die Sünde der Welt. Wirf sie ins tiefe Meer deiner Wunden, dass ihrer nicht mehr gedacht werde in Ewigkeit. Mein Herzenströster, du werter Heiliger Geist, der du mich so oft erquickt hast mit himmlischem Labsal, dir vermach ich meinen letzten Lebensblick; wenn ich nicht mehr reden kann, so vertritt du mich bei Gott mit unaussprechlichem Seufzen; wenn ich nicht mehr hören kann, sprich du mir Trost ins Herz; wenn ich nicht mehr sehen kann, erleuchte meine Augen, dass ich nicht im Tod entschlafe. Ihr Engel, die ihr mich auf den Händen getragen habt, euer sollen sein die Tränen, die ich täglich weine über meine Sünde; da erquickt euch mit. Ich weiß doch, dass ihr lacht, wenn ich weine, und dass Freude im Himmel ist, wenn ein Sünder Buße tut. Teufel, willst du auch was haben? Alle die guten Werke, die nicht aus gutem Herzen getan sind, will ich dir geben. Fahr damit wohl. Erde, du bist meine Mutter, hast so viel Jahre durch Gottes Kraft meinen Leib versorgt, dafür will ich dir den Leib vermachen. Die Mutter mag des Kindes Grab werden, was liegt mir dran? Nackt bin ich von meiner Mutter Leibe kommen, nackt werd ich wieder dahin fahren Hiob 1,21. Pracht soll man mit meinem Aas nicht treiben. Weib, dir kiese ich einen Mann, der heißt Witwenrichter. Findest du auf Erden kein Recht? Bleib ihm nur treu, er wird dir Recht schaffen. Im Mangel wird er dein Versorger, im Druck dein Schutz, in der Traurigkeit dein Trost sein. Darauf verlass dich nur. Ich will der Welt nicht raten, dass sie dir Leid tue. Er verachtet des Waisen Gebet nicht, noch die Witwe, wenn sie klagt. Die Tränen der Witwen fließen wohl die Backen herab, sie schreien aber über sich wider den, der sie herausbringt Sir. 35,17.18.19. Lieben Kinder, euch wähle ich einen bessern Vater, als ihr an mir gehabt; den, der da ist der rechte Vater über alles, das da Kinder heißt im Himmel und auf Erden Eph. 3,15. Der aller Waisen Vater ist, wird auch euer Vater sein. Der für die jungen Raben sorgt, wird auch euch nicht aus seiner Sorge lassen. Aber hört, meine Söhne, euren Vater, dient dem Herrn in der Wahrheit, und haltet euch zu ihm rechtschaffen. Tut, was er befohlen hat, dass ihr Gott allezeit fürchtet, und ihm traut von ganzem Herzen Tob. 14,10.11. So wird‘s euch wohlgehen auf Erden. Ihr Freunde, euch lass ich einen gnädigen Gott, der ist der beste Freund. Lasst von Gott nicht, so lässt Gott von euch nicht. Ihr, meine Schäflein, sollt haben mein stetes Andenken und Fürbitte im Himmel. Vergesst ihr gleich meiner und der Meinigen, ich will eurer doch nimmer vergessen. Euch Armen gebe ich einen reichen Gott, und ein gläubiges Vater-Unser. Mehr hab ich nicht. Wo bleibt denn mein Gut? Gold und Silber hab ich nicht, und wäre Schande, wenn ich‘s hätte. Was ein Diener Gottes erübrigt, muss den Armen sein. Ich habe euch aber Schätze gesammelt im Himmel, die wird Gott austeilen zu rechter Zeit. Dieses ist mein letzter Wille. Darauf tue ich meine Augen fröhlich zu, wenn‘s Gott gefällt.

 

82. 

VON DEM ÄRGERNIS DER AUGEN.

Dein Herz verführt dich.

 

Und du verführst dein Herz. So geht‘s grad auf. Womit, fragst du, verführ ich mein Herz? Mit den Augen. Wie der Wagen den Pferden, so folgt das Herz den Augen. Sagt nicht Hiob, dass das Herz nach den Augen wandle? Hiob 31,7. Die Augen sind Türen, dadurch die Sünde ins Herz geht, und nicht nur Türen, dadurch sie eingeht, sondern auch Werkzeuge, die sie hinein holen. Wie ging‘s Eva, deiner Großmutter? Sie sah, dass von dem verbotenen Baum gut zu essen war, drauf nahm sie von der Frucht 1 Mose 3,6. Da hat‘s recht geheißen: Der Tod ist zu ihren Fenstern hineingefallen Jer. 9,21. Wie ging‘s ihren Kindern? Sie sahen nach den Töchtern der Menschen, wie sie schön waren, und nahmen zu Weibern, welche sie wollten 1 Mose 6,2. Wo trägst du den Mörder? In den Augen; da trägt auch der Basilisk sein Gift. Wo den Ehebrecher? In den Augen. Sie haben Augen voll Ehebruchs, sagt die Schrift 2 Pet. 2,14. Jener, da seine Freunde den Verlust eines seiner Augen beweinten, fragt, ob sie um das Auge weinten, das er verloren, oder um das, das er noch übrig hatte? Weint lieber, sprach er, um den Feind, der noch dahinten, als um den, der bereits hinweg ist. Ist wohl geredt. Deine Augen sind deine ärgsten Feinde, sie verführen das Herz, das Herz verführt dich. Mit den Augen siehst und weinst du. Ach, wie oft musst du das Sehen beweinen? Der Schade ist groß, den die Augen bringen, darum hat‘s die Natur weislich so gefügt, dass die Zeit zu schaden desto kürzer sein muss. Im Mutterleibe werden sie am letzten gebildet, im Tod am ersten gebrochen. Wie sorg- und vielfältig hat sie die Natur bedeckt! Missbrauche ihrer nicht, entzieh den Augen, was im Herzen arge Lust erweckt. So dich dein Auge ärgert, reiß es aus und wirf es von dir. Es ist dir besser, dass du einäugig zum Leben eingehst, denn dass du zwei Augen habest, und werdest in das höllische Feuer geworfen, Matth. 18,19. Wie es besser ist das Auge auszureißen, wenn man andergestalt den Leib nicht kann beim Leben erhalten, als das Auge behalten wollen, und darüber den ganzen Leib verlieren; so ist‘s besser, dass man die böse Lust in den Gliedern dämpft und die Freunde fahren lässt, als dass man durch Vollbringung der sündlichen Lüste sich selbst in das höllische Feuer stürzt. Drum, wenn mich die böse Lust reizt, mit meinen Augen verbotene Dinge anzuschauen, will ich tun, als ob ich kein Aug hätte, das ich zur Erlangung der verbotenen Dinge gebrauchen könnte; und wenn mich mein Freund, den ich so lieb hab als mein Aug, zur Sünde reizen will, will ich ihm nicht folgen, sondern tun, als ob ich den Freund nicht hätte. 

 

83. 

VON DER LIEBE SEINER SELBST.

Du bist dir selbst der Nächste nicht.

 

Denn niemand liebt dich weniger als du. Ich will‘s beweisen. Paulus sagt: Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses Röm. 13,10. Wer Schaden tut, liebt nicht. Je mehr man schadet, je weniger man liebt. Nun sag mir, wer tut dir den größten Schaden? Der Teufel? Kann er auch schaden? Nicht auf ein Härlein. Der Tod? Wie kann die Biene schaden, die keinen Stachel hat? Tod, wo ist dein Stachel? 1 Kor. 15,55. Die Welt? Was kann sie dir nehmen, der du nichts Eigenes hast? Du selber tust dir den größten Schaden; könntest reich sein, willst dir nicht genügen lassen, auch keine Schätze im Himmel sammeln; könntest hoch und herrlich sein, willst deine Affekten nicht bezwingen, und verachtest die Herrlichkeit, die du hast in Christo; könntest immer fröhlich sein, machst dich selbst traurig, und frisst das Herz weg ohne Ursach; könntest lange leben, wirst durch die Sünde dein Selbstmörder, und tötest dich vor der Zeit; könntest selig werden, bringst dich selbst durch Sicherheit um dein Erbe. Sage noch, dass du selbst dein ärgster Feind nicht seist. Wer liebt dich denn? Niemand mehr als Gott und dein guter Freund. Gott liebt dich und will dich gern selig haben, darum züchtigt er dich, dass du nicht mit der Welt verdammt werdest: Je lieber Kind, je schärfer Rute. Gott liebt dich, drum gibt er nicht allwege, was dein Wille, sondern was dein Heil ist. Welcher Vater gibt dem Kinde ein scharfes Messer? Welcher Arzt gibt dem Kranken, was ihm wohl schmeckt, und doch nicht dient? Gott liebt dich, drum will er dein Arzt und Vater, nicht dein Mörder und Verderber sein. Dein Freund sieht dich sündigen und straft dich; er hat dich lieb, und will deine Seele von der Hölle erretten. Das erkenn und danke. Fragst du nun, wer ist dein Nächster? Höre: Wer war jenes halbtoten Menschen Nächster? Der die Barmherzigkeit an ihm tat. Wer tut die größte Barmherzigkeit an dir? Nicht du, sondern Gott und ein guter Freund.

 

84.

VON DER CHRISTEN REDE.

Ja, ja. Nein, nein. Matth. 5,37.

 

Soll des Christen Rede sein. Lieber, weißt du was? Ja, ja, nein, nein dienen zwei Herren, Gott und dem Teufel, der Wahrheit und der Lüge, der Demut und der Hoffart. Unter ja, ja, nein, nein, wird oft Lüge für Wahrheit verkauft. Frage ich den Pharisäer: bist du ein Sünder? Nein, sagt er. Ich danke Gott, dass ich nicht bin wie andere Leute, auch nicht wie dieser Zöllner. Frag ich abermal: Bist du denn ein großer Heiliger? Ja, sagt er: Ich faste zweimal in der Woche, und gebe den Zehnten von allem, das ich habe. Heißt das nicht Lüge für Wahrheit? Unter ja und nein verbirgt sich mancher Schalk, wer kann den Leuten ins Herz sehen? Wenig Worte, ist gut, beim Überfluss der Worte ist gemeiniglich ein Überfluss der Sünden. Aber die Kürze im Reden muss zwei Geleitsleute haben, Wahrheit und Demut. Lass ja ein ja, und nicht ein nein; lass nein ein nein, und nicht ein ja sein. Nichts schmückt einen Christen mehr als Wahrheit und Treue. Wahrheit ist Gottes Bild im Menschen, je näher der Wahrheit, je näher Gott. Ach wie tückisch handelt die Welt; wie oft schwängert sie ihre Worte mit güldenen Bergen, und ist kaum ein Sandkörnlein dahinter. Nein denkt das Herz, wenn der Mund ja sagt. Trau ihr nicht, sie trügt nur. Wie kann sie wahr reden, die den Geist der Wahrheit nicht hat? Geht auch Süßigkeit aus dem bitteren Meer, oder reines Wasser aus trüber Quelle? Ihre Zunge ist ein Glöcklein, wird regiert vom Lügengeist. Wahrheit geht über Gold, ist auch viel rarer als Gold, darum kauf die Wahrheit und verkauf sie nicht Spr. Sal. 23,23. Lass aber bei der Wahrheit Demut sein. Demut spricht nicht schlecht ja, auch nicht schlecht nein, sondern knüpft nein in ja, und ja in nein. Fragst du Paulus: lieber Paulus, hast du nicht mehr gearbeitet, und mit deiner Arbeit mehr Frucht geschafft in der Kirche Christi, als alle andern Apostel? Ja, sagt er, was Gottes ist, muss man nicht verleugnen. Ich hab mehr gearbeitet, als sie alle. Doch nein, nicht ich, sondern die Gnade Gottes in mir 1 Kor. 15,9.10. Die Wahrheit sagt ja, die Demut setzt das nein dazu. Fragst du abermals: Paulus, bist du nicht untreu in deinem Amt gewesen? Nein, sagt er, das Gewissen ist die Richtschnur der Wahrheit, ich bin mir nichts bewusst. Doch ja, ich will mich nicht rechtfertigen 1 Kor. 4,4. Gott kennt mich besser, als ich, er weiß, was er an mir findet. So verbessert Demut das nein durchs ja, und das ja durchs nein. Ich will in meiner Rede lieben Kürze, Wahrheit, Demut. So treff ich’s recht.

 

85. 

VON KLEINEN SÜNDEN.

Kleine Hunde tun oft den größten Schaden.

 

Das meint der Hirsch nicht, und wird‘s doch gewahr mit seinem Schaden. Wenn er die großen Jagdhunde bestreitet, entkräftet, und hin an den Baum schmettert, laufen unterdessen die kleinen Hündlein hinzu, hängen sich haufenweise an ihn, reißen ihm ganze Stücken Fleisches aus dem Leibe; er achtet der Wunden nicht, bis sie eitern und faulen, so muss er dran sterben. Du bestreitest nur die Hauptsünden, willst nicht gern ein Mörder, Dieb und Ehebrecher heißen, dass du keine Schande vor der Welt habest; unterdessen versucht dich dein Fleisch durch kleine Sünden, derer du nicht achtest; du liebst die Gesellschaft der Menschen, nimmst ihre zierlichen, köstlichen Kleidermuster an dich, hältst mit ihnen bald von diesen, bald von jenen Dingen ein freundlich Scherzgespräch, wirst dadurch unvermerkt verwundet in deinem Herzen, achtest der Wunden nicht; dein voriger Eifer im Christentum fault allmählich und verlöscht in dir, endlich geschieht‘s, dass du an der Wunde des ewigen Todes stirbst. Siehe, so entsteht manchmal größer Unheil aus kleinen als aus großen Sünden. Denn große Sünde hältst du noch für Sünde, und meidest sie, kleine Sünde aber hältst du nicht für Sünde, und nimmst dich nicht recht in Acht. Ich rate dir, halt keine Sünde für klein. Wie klein sie mag dir vorkommen, beleidigt sie doch Gott, verwundet dein Gewissen, und wird dir eine Wurzel vieler großen Sünden. Wie bald kann aus einem Fünklein ein Feuer werden, wenn man‘s nicht wehrt? Wenn man einen Stein in einen Wasserwirbel wirft, macht er viel hin und wiederschwankende Zirkel im Wasser, da immer einer größer wird als der andere. Denn wenn einer erregt wird, so erregt er einen andern, der größer ist, und der wieder einen andern, der noch größer ist; also verhält sich‘s auch mit der Sünde. Die kleine ist ein Anfang der großen, die große ein neuer Anfang einer größeren; darum sagt Bernhardus recht: Ein gottergebenes Herz hütet sich sowohl vor der kleinen, als vor der großen Sünde, weil von den kleinen einen Anfang machen, die sich mit größern Sünden beflecken wollen. Es ist keine einzige Sünde, sie sei so klein als sie wolle, die den Tod nicht verdiene. Denn der Tod ist aller Sünden Sold Röm. 6,23. Und, so jemand das ganze Gesetz hält, und sündigt an einem, der ist‘s ganz schuldig Jak. 2,10. Augustinus gibt uns zu bedenken, wenn er spricht: Achte die Sünden nicht gering, weil sie klein sind, sondern fürchte dich, weil derselben viel sind. O, wie so gar klein sind die Sandkörnlein, doch wenn derselben zu viel ins Schiff kommen, senken sie dasselbe unter sich, dass es zu Grunde geht; und wie gar klein sind die Regentröpflein, doch machen sie, dass die Flüsse anlaufen und die Häuser einreißen. Kleine Sünden meiden und fliehen, ist ein Zeichen eines erleuchteten Gemüts. Denn gleich wie im Licht der Sonne auch die geringsten Stäublein gesehen werden, da man in der Finsternis auch eines großen Unflats nicht gewahr wird; also, je mehr der Mensch von Gott erleuchtet, je schärfer sieht und hasst er auch die geringste Sünde. Ich will alles für Sünde halten, was wider meinen Gott ist, es schein auch so gering wie es immer wolle; keine Sünde ist so klein, die mich nicht verdammen könnte, wenn Gott nicht gnädig wäre.

 

86. 

VON DER LIEBE GOTTES, SEIN SELBST UND DES IRDISCHEN.

Du liebst nichts, ich liebe alles.

 

Wer tut am besten? Nichts lieben ist unmöglich, sprichst du. Wer kann leben ohne Liebe? Ich geb dir‘s nach. Nicht lieben ist unmöglich, das aber, was nichts ist, lieben, geschieht leider mehr denn zu viel. Was liebst du? Dich selbst. Was bist du? Nichts. Hängst du nicht an Gott, wie der Schatten am Leibe? Was ist ein Schatten? Nichts. Aus nichts bist du erschaffen, zu nichts bist du geworden in deinen Sünden, in nichts musst du hinsinken, wenn dich Gottes Wort, das alles trägt, nicht mehr trägt. Was liebst du? Die Kreatur. Was ist sie? Nichts. Zwar die Kreaturen sind etwas, und die eine ist edler als die andere, wenn eine mit der andern verglichen wird; vergleichst du aber die Kreatur mit ihrem Schöpfer, so ist sie für nichts zu halten. Was ist ein Tröpflein im Regen gegen das große Meer? Nichts. Was ist ein Sandkörnlein gegen einen großen Berg? Nichts. Aber hör doch auf zu lieben, was nichts ist. Ich liebe was alles ist, meinen Gott, der alles ist in allem. Er hat alles, er gibt alles. Wie viel reicher bin ich als du? Du hast nichts, ich habe alles; ich tausche nicht. Doch hör: Tauschen will ich nicht, geben aber will ich wohl. Behalt dein nichts, aber liebe es nicht, sondern brauche sein zur Ehre Gottes, ich gebe dir mein alles zu. Gott ist mir und dir genug.

 

87. 

VON DER AUFRICHTIGKEIT GEGEN GOTT.

Gib Gott dein Herz.

 

Ein Stücklein Fleisches ist dein Herz und doch dreieckig, der dreieinige Gott will seinen Sitz drinnen haben. Im Herzen wohnen die Lebensgeisterlein; ist nicht Gott die rechte Lebensquelle, der herzstärkende Lebensgeist? Im Mittelteil des Leibes sitzt das Herz; Gott ist das Mittelpünktlein aller Dinge, dir zur Linken näher als zur Rechten, im Unglück tröstlicher als im Glück. Wer geben will, der gebe was Gutes. Das Herz ist das Beste. Wer geben will, der gebe was Liebes. Das Herz ist das Liebste. Mein Sohn, gib mir dein Herz. Dem Teufel bist du allzu aufrichtig, und dienst ihm von ganzem Herzen. Gott versagst du sogar das Herz, da er doch nur das Herz fordert. Die Werke sind wohl da, aber kein Herz dabei; die Spreu, aber kein Korn darin; die Schalen, aber ohne Kern; die Lampen, aber ohne Öl; die Wolken, aber ohne Regen. Willst du ihn abspeisen mit dem, was der Teufel nicht mag? Weß ist dein Herz? Gottes oder des Teufels? Warum gibst du nicht Gott, was Gottes ist, du Gottesdieb? Wer ist dein Herr, Gott oder der Teufel? Warum dienst du dem Teufel treuer als deinem Gott? Wem gehörte die Erstgeburt im alten Testament? War sie nicht Gottes? Warum entwendest du Gott, was er ihm will geheiligt haben? Dein Herz wird unter allen Gliedern im Mutterleib am ersten gebildet; Gott, und nicht dir gebührt’s. Wer bewirbt sich um dein Herz am meisten? Der Teufel gibt dir kein gut Wort drum. Gott flehet dich: ach gib‘s mir! Von wem hat dein Herz den größten Nutzen? Wohnt der Teufel drin, so ist‘s eine Hölle, wohnt Gott drin, so wird es ein Himmel. Gib‘s Gott, der sich‘s so sauer drum werden lässt. Leihen will er nicht, gib‘s ihm. Du dienst heute Gott, morgen dem Teufel. Was fragt Gott nach solchem Dienst? Niemand wohnt gern im Hause, das man ihm aufsagt, so oft man will. Will der Teufel ein, so muss Gott heraus, ist‘s nicht Schande? Gott begehrt dein Herz nicht, wo er nicht eine bleibende Wohnung, Joh. 18,23., drin haben kann. Kaufen will Gott dein Herz auch nicht, gib‘s ihm. Du liebst ihn, weil er dich empfindlich tröstet, liebst ihn nicht, sondern das Seine, und nicht das Seine um seinet-, sondern um deinetwillen. Gott hat dir‘s einmal teuer genug bezahlt mit seinem Blute. Soll er’s haben, so gib‘s ihm. Ach mein Gott, wem wollt ich‘s lieber gönnen, als dir? Du hast mir dein Herz mitgeteilt, da, dein Kind in vollem Blute für mich gestorben. Du bist noch in heißer Liebe also gegen mich gesinnt, dass du dein Herz wohl mit mir teilen wolltest. Dein Herz bricht dir, wenn du mich im Jammer siehst. Drum will ich Lieb mit Lieb vergelten, und dir mein Herz wieder geben. Wohn du drin und schaff damit, wie‘s dir gefällt, zu deinen Ehren und meiner Seligkeit.

 

88. 

VON DER MILDTÄTIGKEIT.

Mit Gott ist gut tauschen.

 

Versuch‘s nur. Was ich ihm gebe, gibt er mir verbessert wieder. Ein unrein hässlich Herz geb ich ihm, ein reines, geschmücktes Herz bekomm ich wieder. Er gibt mir mehr wieder, als er bekommt. Ein Körnlein säe ich aus, ganze Säcke voll sammle ich wieder ein. Mag auch das Ewige in eine Vergleichung kommen mit dem Zeitlichen? Doch will die Welt nicht dran. Was macht‘s? Sie traut Gott nicht. Spricht er, gebt, so wird euch gegeben, Luk. 6,38., denkt sie, wer wollt‘s drauf wagen? Hüte dich vor der ersten Auslage, was ich habe, das hab ich, was ich noch bekommen soll, ist ungewiss; so wenig Kredit hat Gott bei der Welt, die er doch täglich versorgt. Tust recht dran, dass du das Deine behältst, weil du nicht glaubst, Gott werde dir das wieder geben? Denn wie du glaubst, so geschieht dir. Was man im Unglauben tut, ist alles verloren. Ich habe Gottes Hand und Siegel, drauf wag ich‘s. Seine Hand lautet so: Wer reichlich säet, wird reichlich ernten 2 Kor. 9,6. Gal. 6,9. Darauf streu ich meinen Samen reichlich aus. Der Heilige Geist versiegelt das Wort in meinem Herzen, und versichert mich, dass die reiche Ernte nicht ausbleiben werde. Gottes Hand und Siegel muss nicht trügen. Geht heut die Ernte nicht an, so geht sie morgen an, wo nicht eher, doch gewiss, wenn der jüngste Tag kommt. Wenn mich die Armen aufnehmen werden in die ewigen Hütten, und mein Jesus zu mir sagen wird: Komm, du Gesegneter meines Vaters, ererbe das Reich, das dir bereitet ist von Anbeginn der Welt, denn ich bin hungrig gewesen, du hast mich gespeist; ich bin durstig gewesen, du hast mich getränkt etc. Matth. 25,34.ff. So werde ich ein jedes Sämlein vor mir finden mit hundertfältiger Frucht, und erfahren, dass mit Gott gut tauschen sei. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. 

 

89. 

VON DER GEWISSENSHÖLLE.

Wo ist die Hölle?

 

Frag Bellarmin. Der weist dich zum Mittelpünktlein der Erde. Tut wohl dran. So darf dir vor der Hölle nicht grauen. Vergeht die Erde, vergeht die Hölle mit, und du bist frei. Aber mein Freund, freue dich nicht zu sehr. Was suchst du die Hölle außer dir, die du in dir hast? Bist du fromm? Wie oft führt dich Gott in die Hölle? Wie oft empfindest du Höllenangst im Herzen? Wenn des Satans feurige Pfeile auf dich zuregnen, scheint dich das höllische Feuer so heiß an, dass du nicht anders gedenkst, als haben dich die Höllenbande schon umwickelt; kein Trost- und Gnadenlicht Gottes erquickt dich, sondern sitzest gleichsam in höllischer Finsternis; du seufzest wohl nach einem Tröpflein Trosts, wie der reiche Mann nach dem Tröpflein Wassers, aber vergeblich; Furcht, Angst und Schrecken hat dich umgeben, und ringst mit der Verzweiflung. Was ist das anders, als die Hölle? Bist du gottlos? Dein eigen Gewissen ist deine Hölle. Schläft das Gewissen, so dünkt dich, dass du im Himmel seist; wacht das Gewissen auf, so merkst du erstlich, dass du in der Hölle seist. An dem Gewissen hast du einen Vorschmack der Hölle, und weißt zum Teil, wie den Teufeln und Verdammten zu Mut sei. Bist du geizig? Sieh dich selbst an, so siehst du die Hölle. Die Hölle und Verderbnis werden nimmer satt, und der Menschen Augen sind auch unsättig Sprichwort 27,20. Ich will meine Höllenfahrt bei Zeiten halten, weil ich noch lebe. Nach dem Tode ist schlecht reifen. Ich will auch meinem Gott folgen, wohin er mich führt, es geh zur Hölle oder zum Himmel. Ist er bei mir, so muss mir auch die Hölle ein Himmel sein. Er führt in die Hölle und wieder heraus. Auf die traurige Höllenfahrt folgt die fröhliche Himmelfahrt. Das Glück hatte mein Jesus, ich werd‘s auch haben. Nur frisch hinein.

 

90. 

VOM VORZUG DER SÜNDER VOR DEN HEILIGEN.

Großer Sünder, großer Heiliger.

 

Welcher ist der beste? Ich halt‘s mit dem ersten. Der Zöllner hat den Preis vor dem Pharisäer. Paulus hält sich für den größten Sünder und geringsten Heiligen. Große Heiligkeit, große Hoffart. Die höllische Schlange gibt uns keine Haupt-, sondern Fersenstiche; der Teufel hindert das gute Werk nicht im Anfang, sondern befleckt‘s mit Eigensucht und Lassdünkel am Ende. Große Heiligkeit, große Gefahr. Die große Heiligkeit führt der Teufel auf die Zinne des Tempels, nicht dass sie desto eher in den Himmel komme, sondern dass er sie desto eher aus dem Himmel in die Hölle stürze, auf den Spitzen ist gefährlich stehen. Die Sünder lässt er in der Tiefe, ihr Fall geht aus der Hölle in den Himmel. Große Heiligkeit, große Versuchung. Ich will mich nicht für einen großen Heiligen ausgeben, so gibt mir der Teufel so viel nicht zu schaffen. Große Heiligkeit, große Heuchelei. Unsere Heiligkeit ist nicht groß; die beste ist ein unrein Tuch; wer sich große Heiligkeit einbildet, ist gewiss ein großer Heuchler. Der Pharisäer war ein Muster davon. Heuchelei ist das Scheidewasser, das dich und Gott von einander treibt; der Heuchler ist gezweiet, Gott ist einfältig; der Heuchler ist krumm, Gott ist aufrichtig; der Heuchler ist weder kalt noch warm, Gott leidet in seinem Munde nichts, als was recht warm ist. Mich wundert, dass Gott den Heuchler noch leben lässt. Die, so Menschen betrügen, bekommen einen bösen Lohn, was haben die zu erwarten, so sich unterfangen, Gott im Himmel zu betrügen? Noch eins sag ich: Ein großer Heiliger hat nicht Ursach, sich über einen großen Sünder zu erheben, und ein großer Sünder hat so wenig Ursach zu verzagen, als ein großer Heiliger. Denn in Christi Reich geht‘s verkehrt zu. Die Ersten die Letzten, die Letzten die Ersten Matth. 19,30. Wer heute ein großer Sünder ist, kann morgen ein großer Heiliger werden, und wer heute ein großer Heiliger ist, kann morgen ein großer Sünder werden. Ich will lieber aus einem großen Sünder ein kleiner Heiliger, als aus einem großen Heiligen ein großer Sünder werden.

 

91. 

VOM REICHTUM EINES CHRISTEN.

Was fehlt mir? Ich hab alles.

 

Ich hab nie einen reichen Mann in der Welt gefunden, als der im 73. Ps. V. 25.26. spricht: Herr, wenn ich nur dich habe, so frag ich nichts nach Himmel und Erde; wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil. Wer die zwei Wörtlein: „mein Gott“, in wahrem Glauben sprechen kann, der ist der Allerreichste. Wer dies nicht sagen kann, der hat nichts. Denn wir sind nur Haushalter, Gott ist der Herr. Alles ist sein, er allein ist unser; außer ihm haben wir nichts. Ist Gott mein nicht, so ist nichts mein. Ist Gott mein, so ist alles mein. Denn ich find in Gott alles. Und was dem Vater gehört, muss auch dem Kinde gehören, als ein Nichtshabender, der doch alles hat usw. 2 Kor. 6,10. Nichts gönnt, nichts gibt mir die Welt, in Gott find ich, was mich vergnügt. Die Welt sucht ihr vieles in vielen; zerstreute Dinge machen zerstreute Gedanken. Ich such mein alles in einem, drum bleiben meine Gedanken immer vereinigt; wer sie finden will, suche sie in Gott, und sonst nirgends. Nichts mehr begehren ist der beste Reichtum, aber in der Welt so rar als edel. Nimmer genug, immer mehr, hört man bei den meisten; bei den wenigsten, nicht mehr, als genug. Die Reichen dieser Welt sind gleich den Wassersüchtigen, je mehr sie trinken, je mehr sie dürstet; je mehr sie haben, je mehr sie begehren. Unsere Begierde steht nirgend still, als in Gott, da findet sie vollauf. An Gott nicht genug haben, ist entweder ein unersättlicher Geiz, oder eine Armut des Geistes. Wie reich ich heute bin, so arm kann ich morgen werden. Ein Buchstabe macht reich und arm; spricht man ihn im Glauben aus, macht er den allerreichsten; spricht man ihn nicht aus, macht er den allerärmsten Menschen. Wie heißt er? „M“. Ich kann Gott allezeit fassen als einen, aber nicht allezeit umfassen als meinen Gott, und dann find ich auch nicht in ihm, was mich vergnügt. Ich glaube, er sei barmherzig dir, aber nicht mir, er sei ein getreuer, aber nicht mein getreuer Gott. Das ist der Milchglaube. Ein Milchkindlein stutzt im Reden, wenn‘s zum „M.“ kommt. Ach wer das immer von Herzen sagen könnte: Du bist mein Gott, mein Licht; meine Freude, mein Leben! Was du bist, das bist du mir; was du hast, ist alles mein; was du tust, gereicht mir zum Besten. Du bist mein Vater, auch wenn du mich stäupst, und ich bin dein liebstes Kind, 

 

Weil du mein Gott und Vater bist, 

Dein Kind wirst du verlassen nicht,

Du väterliches Herz. 

 

Wie reich und freudig wär der in Gott! Aber oft fällt das „M.“ im Schlucken und Weinen dahin und verschwindet. Nun will ich doch darum nicht verzagen. Ich kenne ja meinen Gott und weiß, wie er gegen mich gesinnt ist. Die zartesten Kindlein sind die liebsten. Bin ich Gottes Milchkindlein, so bin ich auch sein Schoßkindlein. Das Verlangen der Elenden gefällt ihm. Kann ich nicht schreien, will ich lispeln, ist kein Vater vorhanden, wird ein Abba genug sein. Ich wollte gern sagen: mein Gott, und das Wollen wirkt er in mir. Wie kann er sein eigen Werk verschmähen? Ich will doch sagen in meiner Armut: Ach, wenn ich‘s glauben könnte, dass Gott mein Gott wäre! Selig sind die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden Matth. 5,6. Wer begehrt zu haben, hat schon, was er begehrt, oder kann doch zum wenigsten sich versichern, dass er’s haben werde. Eine demütige Armut ist oft besser, als ein stolzer Überfluss. Mancher ist arm bei großem Gut, und mancher ist reich bei seiner Armut Spr. Sal. 13,7. Ich will nicht eilen reich zu werden, vielleicht gefall ich Gott in der Armut meines Geistes besser, als ein anderer in vollem Reichtum. Wie kann ich genugsam dankbar sein für das, was ich habe, wenn ich allzu begierig greife nach dem, was ich nicht habe? Gefällt‘s Gott, über andere mit vollen Schalen seinen Reichtum auszuschütten, mich aber nur mit ein paar Gnadentröpflein zu laben, will ich deswegen nicht übel zufrieden sein; gibt er doch an einem Tröpflein mehr, als er mir schuldig ist, mehr als ich ihm mein Lebtag wieder geben kann. Ich will die Erstlinge dankbarlich annehmen als ein Pfand der völligen Ernte. Wer weiß, ob sich jetzt mehr Manna in mein Mäßlein, und mehr Öls in mein Krüglein schicke? Wie manches Bröcklein verschüttet, der in Vollem sitzt, das ein armer Lazarus begierig einschlingt, wenn‘s ihm nur werden kann. Wer einen schwachen Magen hat, isst oft und wenig, vielleicht kann ich in meiner Schwachheit auf einmal nicht mehr verdauen, als Gott gibt.

 

92. 

VON DER RECHT GEORDNETEN LIEBE SEIN SELBST UND DES NÄCHSTEN.

Das Hemd ist dir näher als der Rock.

 

Mancher erbarmt sich anderer, und erbarmt sich sein selbst nicht. Ich habe mit Verwunderung gesehen, wie viel sind, die andere speisen und tränken, ihre eigene Seele aber verschmachten lassen; andere kleiden sie, ihre eigene Seele lassen sie nackt; andere heilen sie und selbst liegen sie krank an mancher Seuche; andere strafen sie, ihnen selbst liebkosen und heucheln sie; gleich den Rinnen, die andern Wasser geben, und selbst keines behalten. Diese Leute verstehen noch nicht das Gebot des Herrn: Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst. Wen sollst du lieben? Den Nächsten. Wer ist dir der Nächste? Du oder dein Freund? Die Seele oder der Leib? Wie sollst du den Nächsten lieben? Als dich selbst. Kannst du auch andere lieben als dich, wenn du dich nicht liebst? Wie kannst du wissen, ob du im Strafen deinem Bruder zu linde oder zu strenge fallen werdest, wenn du nicht an dir selbst versucht hast, was sich für ein Pflaster auf die Wunde schickt? Augustinus sagt wohl, willst du deinen Nächsten strafen? So ist dir niemand näher, als eben du selbst. Was gehst du weit, du hast dich selbst vor dir? Wo du dich nicht selbst liebst, wie willst du deinen Nächsten lieben? Alles, was du am Nächsten tust, und wär‘s noch so künstlich, ist verloren, wenn‘s nicht ist abgezirkelt nach der Liebe dein selbst. Im Lieben mach den Anfang von dir selbst, und den Vorzug gönne deiner Seele. Die Frau oben, die Magd unten. So viel du für deine Seele sorgst, so viel sorgt Gott für deinen Leib, und die Seele selbst, wenn sie wohl versorgt ist, hilft für den Leib mit sorgen. Es findet sich leicht ein Stücklein Brots, das den Leib nährt, wenn die Seele zuvor erquickt ist mit Gottes Wort. Und solche Ordnung halt auch in der Liebe des Nächsten. Was hilft ein Almosen, wenn kein Trost dabei ist? Du gibst dem Armen Brot, und lässt ihn vor deinen Augen in Todsünden liegen: wär‘s doch besser, dass er Hungers stürbe, als dass er in Sünde lebt. Siehe zu, dass du nicht an seiner Seele zum Mörder werdest, indem du den Leib erhältst.

 

93. 

VON DER GESELLSCHAFT EINES CHRISTEN.

Allein, und doch nicht allein.

 

Ich bin gern allein. Denn mit der falschen Welt umzugehen hab ich schlechte Lust. Sie liebt und lobt nur, was mit ihr im Argen liegt. Das Gute hasst, lästert und verfolgt sie. Doch bin ich nimmer allein. Hab also nicht zu befürchten, was der weise Mann sagt: Wehe dem, der allein ist, fällt er, so hat er niemand, der ihm aufhilft. Mein Gott ist allzeit und allenthalben bei mir. Strauchle ich, so hält er mich; fall ich, richtet er mich wieder auf. Mein Freund besucht mich wohl, aber bleibt nicht; wie er kommt, so geht er wieder weg. Ich darf nicht Gott bitten, dass er zu mir komme, er wohnt schon in mir, und ist mir näher, als ich mir selber bin. Ich darf auch nicht sorgen, dass er werde wieder hingehen. Er verlässt sein Kind nicht, das weiß ich. Verbergen kann er sich wohl vor mir, verlassen aber kann er mich nicht. Wenn ich Menschen bei mir habe, was hilft‘s mir? Ist auch der falschen Welt wohl zu trauen? Und wenn sie gleich meine besten Freunde sind, ist doch zu besorgen, dass ich sie oder sie mich ärgern werden. Beides dient nicht. Fallen sie, wer weiß, ob ich das Vermögen hab, ihnen aufzuhelfen? Fall ich, wer weiß, ob sie so stark sind, dass sie mich aufrichten können? Vielleicht fall ich mit ihnen, oder sie mit mir dahin; ich will mich um Gesellschaft nicht bekümmern. Sie reißt in einer Stunde oft mehr nieder, als ich wieder aufbauen kann in einem Jahr. Wenn ich nur Gott bei mir hab in dem Grunde meiner Seele, der ist mir mehr als tausend Freunde. Lass dann alle Teufel und Menschen zustürmen, was wollen sie Gott abgewinnen? Mit Schanden werden sie abziehen müssen. Wohl dem, der immer, und doch nimmer allein ist.

 

94. 

VON DEN LEIDEN DER CHRISTEN.

Recht, und doch nicht recht.

 

Es ist nicht recht, sagst du, wenn dir Leid geschieht, man tut mir unrecht. Ich sag, es ist weder recht noch unrecht. Dass die Welt dir Böses tut, ist nicht recht. Wer wollt‘s ihr danken? Dass du Böses leidest, ist nicht unrecht, denn dazu bist du berufen, 1 Pet. 2,21., und ein Christ worden. Gutes tun und Böses leiden, ist der Christen Recht. Sag mir: War‘s auch recht, dass Jesus litt? Ja. Denn Gott wollt‘s haben, und so musste er die Sünden büßen. So ist‘s auch kein Unrecht, dass du leidest, denn Gott will‘s haben, und deine Sünden haben‘s verdient. Ach! Dass du noch von Recht sagen darfst, und hast doch so schlecht recht. Geschähe dir Recht, du wärest schon längst mit Leib und Seele in die Hölle gestürzt; aber bei Gott geht Gnade vor Recht. Willst du Recht haben? So bist du des Teufels. Willst du Gnade haben? So bist du Gottes. Die Gerechtigkeit Gottes hat kein ander Recht für dich, als dass du in der Hölle ewig brennen sollst. Ich rate dir, erkenn es. Geschieht dir Leid? Sprich deiner Seele zu: Liebe Seele, sei mit Gott zufrieden. Willst du nicht, so wird dein Elend größer werden. Ach es ist Gnade, dass Gott die Peitsche beiseite legt, und dich mit dem Kinderrütlein züchtigt. Ich will nimmer über Unrecht klagen; denn mein Leiden kommt von Gott. Der tut mir weder Recht noch Unrecht. Es ist lauter Gnade. Tritt mir die Welt zu nahe? Die hat deß kein Recht; denn ich gehöre Gott und nicht ihr zu; doch will ich mich mit dem Stein nicht beißen, sondern auf die Hand sehen, die ihn geworfen hat. Gott wird mein Recht wohl finden. Ich will des Herrn Zorn tragen, denn ich habe wider ihn gesündigt, bis er meine Sache ausführe und mir Recht schaffe. Er wird mich ans Licht bringen, dass ich meine Lust an seiner Gnade sehe Mich. 7,9.

 

95. 

VON DER EINIGKEIT IM GEISTE.

Einer ist nicht besser als der andere.

 

Du nicht besser als ich. Was neidest du mich, so ich ein Mehreres, und was verachtest du mich, so ich ein Geringeres habe? Bist du etwa aus Gold, und ich aus Erde gemacht? Sind wir nicht beide eine Hand voll Asche? Aber du bist reicher und gewaltiger als ich. Darum nicht besser. Diebe sind auch reich, Tyrannen sind auch gewaltig. War denn Judas besser als Petrus, weil er den Beutel trug? War denn Hamann besser als Mardochai, weil er nahe beim König saß? Nein, ach nein. Mit einem Wort: Du bist so gut als ich, und ich so gut als du. In Adam sind wir beide gleich verderbt; in dir wohnt der Mörder, in mir auch; dass du liegst und ich stehe, ist Gottes Gnade. Was du heut bist, kann ich morgen werden. In Christo sind wir beide gleich erhaben; er hat es sich um mich so sauer werden lassen als um dich, und hat dich so teuer erkauft als mich. Du bist Gottes Kind; ich auch. Dein Erbe ist im Himmel; meins auch. Haben wir nicht alle einen Herrn, einen Glauben, eine Taufe, einen Geist, einen Gott und Vater, der da ist über uns alle, und in uns allen, und durch uns alle? Lieber; warum zweien wir uns denn? Warum heißt‘s nicht unter uns, gleich geadelt, gleich geerbt, gleich geliebt, gleich gesinnt, ein Herz und eine Seele? Ap. Gesch. 4,32. Dass die Welt in zwei Haufen reitet, wie kommt‘s? Mehr sein wollen, das ist die Ursach. Ei wohl. Du bist so viel als ich, und ich so viel als du; du hast so viel als ich, und ich so viel als du, Christus lässt sich nicht teilen. Drum lass doch auch uns beide ungeteilt sein, ein Herz und eine Seele. Das helf Jesus!

 

96. 

VON DER SEELENRUHE.

Ruhe, Ruhe ist das allerbeste.

 

Freilich ja vor Gott und Menschen. Wo ruht Gott? In deinem Herzen. Sonst ruhen die Kinder unter dem Herzen ihrer Mutter, hier ruht der Vater im Herzen seines Kindes. Nach Erschaffung des Menschen ruhte Gott, denn seine Ruhe sollte im Menschen sein. Er ist eher nicht zufrieden, ehe du ihm dein Herz eingibst; hat er das, so gibt er sich zur Ruhe. Wo ruht deine Seele? In Gott und sonst nirgend. Bette ein krankes Kindlein, wohin du willst, es ruht nirgend sanfter als im Schoß der Mutter; das Schifflein im Hafen, die Braut in den Armen ihres Bräutigams. Die Seele ist zur Ewigkeit erschaffen, sagt Augustinus, drum kann sie nicht ruhen außer dem ewigen Gott. Sag mir, wann bist du in der besten Ruh? Wenn du reich bist? Nein. Viel Güter, viel Sorgen. Unter den Dornen kann man nicht sanft schlafen. Wenn du in hohen Ehren sitzest? Nein. Wie der Leib den Schatten, so zieht hoher Stand Missgunst, Nachstellung und Unruh hinter sich her. Wenn du im weichen Bette fein süß schläfst? Ach nein. Wie mancher Traum, wie manches Nachtschrecken beunruhigt dich! Ich bin nimmer besser bei mir zufrieden, als wenn ich einen gnädigen Gott habe. Denn wo meine Begierde sich endigt, da nimmt meine Ruhe ihren Anfang; nun ist nichts im Himmel und auf Erden, das meine Begierde stillen könnte, als die Gnade Gottes. An der allein lass ich mir genügen. Wo ich Gott finde mit seiner Gnade, da find ich alles, da ruhe ich und bin wohl zufrieden. In Jesu find ich Gottes Gnade, in Jesu find ich Ruhe. Wie gern gönnt mir das fromme Herz die Ruhe, wie freundlich lockt er: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. In mir sollt ihr Ruhe finden für eure Seele Matth. 11,28.29. Ja, liebster Jesu, mein Herz soll dein Ruhebettlein sein, und meine Ruhestätte will ich in deinen Wunden nehmen. Darin leb ich, darin sterb ich; ich leb im Frieden, und sterb mit Freuden. Hilf Helfer! Amen.

 

97. 

VON DER BESTEN ART KREUZ ZU TRAGEN.

Muss ist ein bitter Kraut.

 

Was Wunder denn, dass dir dein Kreuz noch bitter ist? Ich frag, wie geht‘s dir? Du antwortest: es muss sich leiden; das „muss“ macht dir dein Leiden bitter. Ich hab zwei Zuckerbisslein, die mir all mein Leiden versüßen, sie heißen kann und will; jenes ist, dieses noch süßer; jenes macht mir mein Kreuz leidlich, dieses lieblich. Wie geht‘s? Leidlich, es lässt sich noch tragen. Wie geht‘s? Lieblich, mir ist allwohl dabei. Muss ich denn nicht leiden? Allerdings. Wir müssen durch viel Trübsal ins Reich Gottes gehen. Musste nicht Jesus leiden? Gott hat‘s von Ewigkeit beschlossen; seinen Rat werd ich nicht umstoßen. Er hat‘s mir in seinem Wort vorher sagen lassen, sein Wort werd ich nicht zur Lüge machen. Ich bin ein Mensch; der Mensch ist ein kurzer Begriff der ganzen Welt; in ihm, als in einem Mittelstiplein eines Zirkels, kommt alles Leiden zusammen, so in der Welt zu finden; will ich ein Mensch sein, so muss ich leiden. Ich bin ein Christ; Christ und Kreuzträger ist ein Mann! Christum im Herzen, das Kreuz auf dem Rücken. Will ich ein Christ sein, so muss ich leiden. Aber es lautet doch besser, ich kann, denn ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus Phil. 4,13. Bin ich schwach? Ich kann doch tragen, was mir Gott hat aufgelegt; schwach in mir, stark in Gott; seine Kraft muss in meiner Schwachheit mächtig sein, davon hat er die größte Ehre. Ich will meinem Gott die Schande nicht antun, dass ich sagen sollte, es ist unleidlich, es lässt sich nicht mehr tragen. Ist denn Gott so schwach worden, dass er mich und mein Kreuz nicht mehr tragen könnte? Nein. Im Kreuz ist die höchste Kraft Gottes verborgen. Am allerbesten tue ich, wenn ich sage: Ich will. Denn damit liegt das Kreuz schon auf dem Rücken, und ist geschlagen. Geb ich ihm den Rücken und laufe voran, so verfolgt‘s mich; liefe ich zur Stadt hinaus, es ließe mich nicht; geh ich ihm aber frisch unter die Augen, und sprech: Sei mir willkommen, du bist mir ein lieber Gast, da ist mein Rücken, leg dich hinauf, arbeite, drücke, bis du müde wirst, so nimmt‘s das Reißaus, und denkt, hier ist keine gute Herberge für dich, solch Trotzen und Kopfbieten steht dir nicht an. Du weißt, was ich oft gesagt habe, mein Christ: wenn Gott uns hat nach seinem, so haben wir ihn wiederum nach unserm Willen. Will ich gern tragen, so will Gott mein schonen. Er nimmt den Willen für das Werk. Je williger dran, je eher davon.

 

98. 

VON DER WELT UNTREUE.

Ich kenne dich nicht.

 

So sprech ich in meinem Amt; die Liebe Gottes hat mich geblendet, dass ich keinen Menschen kennen kann. Du seist Freund oder Feind, reich oder arm, hoch oder niedrig, sündigst du. Ich strafe dich; mein Auge ist gerichtet gerad vor mich auf die Sünde, nicht nebenhin auf die Person. Ich kenne dich nicht. So spricht die Welt zu mir in meinen Nöten. Liegt auch nicht viel dran, Welt. Da meine Kammer voll Schatzes, und mein Tisch voll niedlicher Bissen war, kanntest du mich wohl. Jenes Edelmütterlein klagte einstmals: sie wäre verlassen von ihren Freunden. Da ich fragte wie denn? antwortete sie: als ich auf Karossen fuhr, kannten sie mich wohl, jetzt da ich zu Fuß gehe, kennt mich niemand. Hörst du da? So lange du auf Karossen fährst, kennt dich die Welt, wenn du zu Fuß gehst, kennt dich niemand; so lang ich helfen kann, stellen sich die Freunde wohl ein, sollen sie mir einmal wieder helfen, so ist niemand zu Haus. Recht so, denn sie lieben nicht mich, sondern nur das Meine; mit meinem Glück blüht, mit einem Unglück verwelkt ihre Liebe: falsch Gold hält die Probe im Feuer, und falscher Freund im Kreuz nicht. Ach Freund in der Not, wie rar bist du! Wer ihn hat, der halt ihn wert; er ist mit keinem Golde zu bezahlen. Wenn Gold vergeht, der Freund besteht. Kennst du mich aber nicht in meinen Nöten, Welt? Darum nicht tot. Du gehst mich nicht an; denn verflucht ist, der sich auf Menschen verlässt. Ich geh dich nicht an, du findest bei mir nicht, was du suchst, wir sind geschieden. Gottlob! Von dir getrennt, mit Gott verbunden. Ich gehöre mit zu der Zahl derer, die hier sagen müssen: Wir sind als die Unbekannten, und doch bekannt 2 Kor. 6,9. Kennst du mich nicht? Ist doch noch einer, der mich kennt. Gott kennt die Seinen. Sollte ein Vater sein Kind, ein Hirt sein Schaf, eine Henne ihr Küchlein, ein Bräutigam seine Braut nicht kennen? Ja wahrhaftig kennt er mich. Sorgt keine Welt für mich, Gott sorgt noch. Mein Vater und Mutter verlassen mich, der Herr aber nimmt mich an. Den Trost lass ich mir nicht nehmen. Gott kennt mich, ob mich kein Mensch auf Erden kennt. Ich kenn das Meine, Gott das Seine. Ach mein Gott, ich gehöre ja dir zu, als dein teuer erkauftes Eigentum. Bin ich nicht wert, dass ich dein Kind heiße, lass mich nur dein Würmlein sein. Für die Würmlein sorgst du ja auch. Dabei bleibt‘s. Gott kennt mich. Welt, nach deinem Kennen frag ich nichts.

 

99. 

VOM SELBSTERKENNTNIS.

Seltsam und doch nötig. Schwer und doch nützlich.

 

Die Notwendigkeit sollt‘s gemein, der Nutz leicht machen. Wie heißt‘s? Kenne dich selbst. Was ist seltsamer, als sich selbst kennen? Ich hab noch wenig gesehen, auch unter den Allerfrömmsten, die sich selbst nicht sollten geliebt haben. Sind sie vor andern von Gott begabt, oder tun sie für andre ein gutes Werk, hilf Gott! Wie gefallen sie sich selbst, wie verwundern sie sich über sich selbst, wie viel halten sie von sich selbst, wie spiegeln sie sich in ihren Gaben und Werken, wie der Pfau in seinen Federn! Wenn’s nicht hieße eigen Lob stinkt, würden sie sich kaum des Selbstlobs enthalten; haben‘s unterdeß gern, dass sie ein andrer lobt; verachtet man ihre Person, verkleinert man ihre Gaben oder Werke, klagen sie darüber, als über groß Leid, meinen, die Welt sei ihrer nicht wert, weil sie nicht erkennt, was sie an ihnen für einen Schatz habe; sie seien‘s allein, die Gott im Schoß sitzen, an alle andern kehr er sich nicht, um ihres Gebetes tue er Ländern und Städten wohl, mit ihnen müsse die Kirche untergehen, und alle Frömmigkeit sterben. Wolltest du wohl glauben, dass solche sich selbst kennen? Ach nein. Wer sich kennt, wird sich nicht lieben. Wer liebt, was nichts ist? Er wird von sich selbst nichts halten, weil er in seinem Grunde nichts Gutes findet. Was er Gutes hat und tut, wird er nicht sich selbst, sondern Gott als dem Geber und obersten Werkmeister zueignen. Niemand brüstet sich in fremden Kleidern, und die Axt rühmt sich nicht, dass sie das Haus gebaut habe. Er lobt sich selbst nicht, hat‘s auch nicht gern, dass ihn ein andrer lobt, weil er nichts an sich findet, was lobenswert sei; niemand kann ihn so tief verachten, als er selbst tut, ihn dürstet nach Verachtung, und ist nimmer besser zufrieden, als wenn ihn jedermann verachtet; er hält sich für den Allergeringsten, und jedermann höher und heiliger als sich selbst. Aber sag mir, wo findest du einen solchen? Das „lieb dich selbst“ ist das Allergemeinste, das „kenn dich selbst“ das Allerseltsamste und doch das Allernötigste. Ohne Selbsterkenntnis wird niemand selig; denn wo keine Selbsterkenntnis ist, da ist kein Glaube. Wer sich selbst nicht erkennt, traut nicht auf Gott, sondern auf sich; sucht nicht in Christo seine Gerechtigkeit, sondern in sich selbst und seinen Werken: sieht den Himmel an, nicht als ein Erb- sondern als ein Werbgut, will ihn nicht geschenkt, sondern verdient haben. Wie kann ein solcher selig werden? So nötig die Selbsterkenntnis ist, so nützlich ist sie auch. Brechen und bauen bringt einem Christen den besten Nutzen; die Sünde muss Abbruch leiden, der Tugendbau fortgesetzt werden. Wer sich selbst erkennt, weiß, welchen Lastern er von Natur am meisten zugetan, und welchen Tugenden er am meisten feind sei; die Laster bestreitet er am heftigsten, den Tugenden strebt er am eifrigsten nach. Siehe, so nötig, so nützlich, und doch seltsam. Was macht‘s? Schwer, schwer. Zur Selbsterkenntnis gelangt man durch tägliche Prüfung. Der Grund ist tief, niemand will sich hineinwagen; mancher scheut und schämt sich hinein zu gehen, dass ihm der Greuel der Verwüstung nicht vor Augen komme; mancher hat mit andern so viel zu tun, dass er sein selbst vergisst, vor anderer Türen fegt er, vor seiner eigenen bleibt aller Unflat liegen. Ich will auf meine eigene Brust schlagen, und nicht auf andere den Finger strecken. Mich selbst will ich kennen lernen, und meine Werke prüfen, ob sie aus Christo oder Adam gegangen, zu Gottes oder eigner Ehre gerichtet worden. Das wird mir dienen zu meiner Selbstbesserung und Wachstum in der Heiligung. 

 

100. 

VOM ERKENNTNIS GOTTES.

Kennen gut, Lieben besser.

 

Merk es. Du kennst den Himmel, ich kenne was Besseres, den, der im Himmel wohnt. Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums, sondern wer sich rühmen will, der rühme sich deß, dass er mich kenne, spricht der Herr Jer. 9,23.24. Ich kenne Gottes Herz, und weiß, dass dasselbe allen meinen Jammer fühlt. Je härter er auf mich zuschlägt, je mehr erbarmt er sich; denn je härter er auf mich schlägt, je weher tut‘s ihm selbst. Sein Herz bricht ihm, er muss sich mein erbarmen. Ich kenne Gottes Auge, und weiß, dass dasselbe all meinen Jammer sieht; will mich kein Mensch ansehen, Gott sieht mich doch an in meiner Not. So lieb hat er mich, dass er mich aus seinen Augen nimmer lässt. Ach Herr, sieh an meinen Jammer und Elend Psalm 25,18. Ich kenne Gottes Ohr, und weiß, dass dasselbe merkt auf mein Schreien; stopfen Menschen ihre Ohren vor mir zu, Gottes Ohr steht mir doch immer offen; ihm komm ich nicht zu oft, ihm mach ich‘s nicht zu lang; er hört nicht allein die Rede meines Mundes, sondern auch die Angst und das Verlangen meines Herzens, Ps. 10,17., die Tränen meiner Augen. Der Herr hört mein Weinen Ps. 6,9. Ich kenne Gottes Mund und weiß, dass er hält, was er zusagt; trifft mich eine Not, ich halt ihm vor sein Wort, er wird ja an mir nicht zum Lügner werden. Ich kenne Gottes Hand, und weiß, dass sie mir meinen Kreuzkelch eingeschenkt. Wie kann die Hand des Vaters dem Kinde Gift einschenken? Ich weiß auch, dass die Hand des Herrn alles ändern kann; wo Menschenhand nicht zureicht, da ist doch Gottes Hand noch nicht verkürzt. Ich kenne Gottes Fuß, und weiß, dass er mir nimmer näher ist als im Kreuz; je größer Not, je näher Gott, dann am nächsten, wenn mich dünkt, er sei am fernsten. Aber was kennen? Liebe ist besser. Wer Gott liebt, ist mit ihm vereinigt. Liebe verbindet. Bin ich mit Gott eins, wer kann mir Leid tun? Trifft der Feind mich, er trifft Gott. Schlägt er auf mich, er schlägt auf Gott. Kannst du auch meinen Leib anrühren, dass das Kleid, damit der Leib bedeckt ist, nicht berührt werde? Ich habe Jesum in der Taufe angezogen. Kannst du auch ein Kind im Mutterleibe verwunden, dass es die Mutter nichtfühle? Gott trägt mich in seiner Liebe, als in einer Mutter. Fleisch wider Gott, wie will das ablaufen? Ich wagt‘s nicht. Wer mit dem Kopf an die Mauer läuft, wird gewiss die Mauer nicht umstoßen, seinen Kopf aber wird er zerschmettern. Wer Gott kennt, muss ihn lieben. Und wer ihn nicht liebt, kennt ihn noch nicht. Er ist so süß und von unendlicher Lieblichkeit, dass wer ihn kennt, kann nicht anders, als ihn lieben. Noch eins. Kennen gut, lieben böse. Ich kenn die Welt und weiß, dass sie nichts anders ist als Eitelkeit und Trügerei; sie gibt nicht, was sie verspricht, und nimmt mehr als sie gibt; sie bildet sich anders, als sie ist, auswendig schön, inwendig hässlich, auswendig fröhlich, inwendig traurig, gleich den Äpfeln zu Gomorrha, den ägyptischen Tempeln und betünchten Gräbern. Ihr Reichtum ist ein Kot, ihre Herrlichkeit ein Schatten, ihre Luft ein süßes Gift. Wer sie kennt, liebt sie nicht. Was kann Gutes an ihr sein, da sie ganz im Argen liegt? Gott will ich kennen lernen, dass ich ihn liebe; die Welt aber, dass ich sie verschmähe.

 

101. 

VON DEN BUSSTRÄNEN.

Warme Luft, nasses Wetter.

 

Warme Zeiten, nasse Brüder; warmes Herz, nasse Augen. Ich sehe dich weinen über deine Sünde. Ach köstliche Tränen, die Jesus selbst mit seinen Tränen hat geheiligt; ohne Zweifel hat die Liebe Jesu dein Herz erwärmt. Leg Eis an die Sonne, so zerschmilzt es; leg Wachs ans Feuer, so zerrinnt‘s; gibt Jesus einen Liebesblick, so zerfließt das Herz und die Augen stehen in vollem Wasser. Jesus blickte Petrum an, Petrus weinte bitterlich. Wie ich mehr halte vom Regen, der bei stillem Wetter allmählich herab tröpfelt, als der unter vielem Blitz und Donner haufenweise herab fällt; so halt ich mehr von den Tränen, welche die Liebe Jesu tropfenweis herauslockt, als welche Moses mit seinem Fluch stromweise herausschreckt; jene sind dauerhaft und halten das Herz in steter Buße; diese trocknen ab, sobald Moses aufhört zu donnern. Ein Tropfregen hält länger als ein Platzregen. Diese fließen auch wohl aus einem verstockten Herzen, das nach wie vor ein Stein bleibt. Klopft nicht Moses Wasser aus dem Felsen? Jene aber sollen nur aus dem Herzen, das Jesus durch seinen Trost schon erweicht hat. Bußtränen müssen Liebestränen sein, sonst sind sie Gott nicht lieb. Bewein ich nur den Schaden, und nicht die Schuld, die Strafe, und nicht die Sünde, so fallen meine Tränen auf die Erde, und nützen nichts; bewein ich aber nicht so sehr das Leid, das mir geschehen ist durch Gottes Züchtigung, als das Gott ist zugefügt durch meine Sünde, so fallen sie in Gottes Sack, und werden mir zur Vergeltung im Himmel beigelegt. Dr. Luther sagt: Es ist eitel verführerische Heuchelei, dass man Reue bereiten lehrt allein durch Betrachtung der Sünden und ihres Schadens; man soll zuvor Christo in seine Wunden sehen, und aus denselben seine Liebe gegen uns, und alsdann unsere Undankbarkeit erwägen, und also aus herzlicher gründlicher Gunst zu Christo und Ungunst auf uns selbst die Sünde beweinen. Ich will nicht darüber weinen, dass mich Gott züchtigt, ist‘s doch wohl verdient; sondern darüber, dass ich meinen frommen Gott oft erzürnt, den Vater, der mir so viel Gutes tut an Leib und Seele; den Jesum, der sich‘s so sauer um mich hat werden lassen, und mich so teuer erkauft mit seinem Blut; den werten Heiligen Geist, der mein Herz in Nöten tröstet, und mir das Zeugnis göttlicher Kindschaft gibt. Ich weiß, solche meine Tränen werden Gott gefallen.

 

102. 

VON DER HILFE GOTTES IM KREUZ.

Ich bin Gott so nahe als ein anderer.

 

Liebe Seele, was fürchtest du dich denn vorm Kreuz? Bist du Gott so nahe als andere, so ist er dir auch so nahe als andern. Alle Kinder Gottes ruhen unter einem Herzen, und sitzen alle in einem Schoß, sind Gott gleich nahe. Du klagst über groß Leiden. Ich frage, weißt du denn keinen, der das gelitten hätte, was du leidest? Ja, sagst du, der und der. Nun gut, so gib dich zufrieden. Bist du Gott so nahe als der und der, so bist du auch dem Kreuze so nahe als der und der. Du hast viel Feinde. David hat auch geklagt: Ach Herr, wie sind meiner Feinde so viel? Ps. 3,1. Du und David seid Gott gleich nahe. Ist dir das nicht eine Freude? Dich überfallen Leibesschmerzen. Wie voll Schmerzen war Hiob? Du und Hiob seid Gott gleich nahe. Ist das nicht tröstlich? Du klagst mit Zion: Der Herr hat mich verlassen, der Herr hat mein vergessen. Jesus, Gottes Sohn, hat auch gerufen am Kreuz: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen Ps. 22,2. Jesus und du seid Gott gleich nahe. Das lautet gewiss am tröstlichsten. Mein Kreuz versichert mich, dass ich Gott so nahe sei als Jesus. Wie könnt ich näher sein? Je näher in Gott dem Herzen Jesu, je mehr der Schmerzen Jesu. Du sprichst: ich muss verzagen. Warum denn? Bist du nicht Gott so nahe, als ein anderer ist? Ist dir nicht Gott in diesem Kreuz mit seinem Trost so nahe, als andern? Ist wohl je ein Heiliger verzagt? Dich kränken deine Sünden; Hiskias kränkten seine auch; Hiskias rühmt: Du hast dich meiner Seele herzlich angenommen, und meine Sünde hinter dich zurück geworfen Jes. 38,17. Du wirst auch noch einmal so rühmen können, bist du doch Gott so nahe als Hiskias. Du leidest Hungersnot. Elias litt sie auch. Gott konnte einen Raben finden, der dem Elias Speise brächte; er kann auch einen Raben finden, ein frommes Herz erwecken, das sich deiner annehme. Bist du ihm doch so nahe als Elias. Kein Kreuz soll mich verzagt machen. Hat doch vor mir kein Kind Gottes im Kreuz verzagen dürfen. Gott hat noch immer Hilfe geschafft. Ich bin ihm so nahe als ein anderer. Er ist noch der alte fromme Gott. Sein Herz ist nicht verändert, noch seine Hand verkürzt. 

 

Ach Gott, du bist noch heut so reich, 

Als du bist gewesen ewiglich, 

Mein Vertrauen steht ganz zu dir.

 

103. 

VON DER GELASSENHEIT.

Lehre Gott nicht. Lehre dich nicht. Lass dich Gott.

 

Behalt die drei Stücklein, sie bringen großen Nutzen. Lehre Gott nicht, er ist zu alt dazu, dass er noch in die Schule gehen soll; er ist zu weise dazu, dass du sein Lehrmeister werdest. Sprich nicht, so und so; Gott lässt sich nicht vorschreiben. Ein erfahrener Steuermann lässt sich nicht meistern, ein alter kluger Soldat leidet nicht viel Einrede. Ich frag, verstehst du es besser als Gott? Sagst du ja, wer hat‘s dich gelehrt? Dein Nachbar. Wer hat‘s ihn gelehrt? Alle Weisheit kommt von Gott, so muss es ja Gott besser verstehen als du. Sprichst du, nein: was unterfängst du dich denn, den allweisen Gott zu meistern? Dein Rat, dein Verderben. Lehre dich nicht, was kannst du von dir selbst lernen, alles Böses, der du nur böse bist in all deinem Dichten und Trachten? Ach, solltest du dich selbst führen, wie würdest du auf schädliche Irrwege geraten! Fleisch und Blut ersinnt sich eigne Wege, und wandelt, wie ihm gelüstet. An keinem hast du so einen gewissen Verführer, als an dir selbst. Wie oft fällst du? Wer stößt dich um? Du selbst und dein alter Adam. Das erkenn und trau dem nicht, der dir der Nächste ist und in deinem Schoß schläft, das ist, dir selber. Lass dich Gott. Der ist der beste Lehrmeister. Er öffnet dir seine Schule im 32. Psalm: Ich will dich unterweisen und dir den Weg zeigen, den du wandeln sollst. Ein Christ muss sich nach dem Willen Gottes mit Verleugnung seines Willens lassen, nicht auf dem breiten Weltweg nach eignem Willen wandeln, sondern auf dem Wege, den er mich führt; gewiss geht‘s in den Himmel hinein, ob vielleicht durch manche Hölle. Was nützt es dem Diebe, dass man ihn durch einen grünen lustigen Weg führt, so es doch endlich zum Galgen geht? Und was schadet‘s mir, dass Gott mit mir durch manches Kreuz hindurch setzt, so ich nur endlich den Himmel erblicke? Ich will mich Gott lassen, er mach‘s mit mir, wie es ihm gefällt, hat er’s doch nimmer bös mit mir gemacht. Herr, lehre mich tun nach deinem Wohlgefallen, denn du bist mein Gott, dein guter Geist führe mich auf ebener Bahn! Ps. 143,10.

 

104. 

VON BEZÄHMUNG DER ZUNGE.

Schlüpfrig, schlüpfrig, sei behutsam.

 

Die Zunge sitzt am schlüpfrigen Ort. Was Wunder, dass der Mensch in seiner Rede oft strauchelt und fällt? Am glatten Ort ist kein sicher gehen, wo man nicht vorsichtig wandelt, und alle Tritte zählt. Ein kleines Glied ist die Zunge, aber richtet großen Schaden an. Ein klein Feuerlein, welchen Wald kann es anzünden? Sie ist eine Welt voll Ungerechtigkeit, ein unruhig Übel, eine giftige Schlange; denn wie die Schlange ihr Gift unter der Zunge am Zahnfleisch verbirgt, so führt die Zunge ein Gift bei sich, daran Leib und Seele sterben. Sie ist ein wildes mutiges Pferd, lässt man ihr den Zügel los, sie führt in tausend Abwege, und ist kein Halten da; halt sie, liebes Herz, mit dem Zaum klüglicher und vorsichtiger Regierung an dich. Ein Schiff, ob‘s wohl groß ist, und von starken Winden getrieben wird, lenkt man doch mit einem kleinen Ruder, wo der hin will, der es regiert. Wie wohl rudert David, wenn er spricht: Ich hab mir vorgesetzt, ich will mich hüten, dass ich nicht sündige mit meiner Zunge, ich will meinen Mund zähmen Ps. 39,2. Den Vorsatz fass auch im Herrn, so redest du recht. Die Natur hat deine Zunge angebunden mit einem Äderlein ans Herz, mit einem andern ans Gehirn? Nimm das in Acht, so handelst du klüglich. Vor allen Dingen reinige dein Herz. Wie keine Süßigkeit aus dem Meer, so kommen keine heilsamen Reden aus verderbtem Herzen. Weß das Herz voll ist, deß geht der Mund über. Ein guter Mensch bringt Gutes hervor aus seinem guten Schatz, ein böser Mensch bringt Böses hervor aus seinem bösen Schatz Matth. 12,34.35. Du kannst leider! dein Herz so vollkommen nicht reinigen, dass nichts von der argen Wurzel sollte übrig bleiben. Daher geschieht‘s, dass sich auch heilige Leute in Worten verstoßen, wie von Mose geschrieben, dass ihm in der Verbitterung einige Worte entfahren seien Ps. 106,33. Ach das bedaure, und sei desto vorsichtiger; unterdeß hüte dich, dass nicht Mund und Herz in der Rede uneins werden. Was die Natur verbunden hat, musst du nicht trennen. Worte zeugen vom Herzen, hüte dich, dass du kein falscher Zeuge seist. Was der Mund redet, soll das Herz empfinden, und was das Herz meint, soll der Mund reden. Darnach siehe auch zu, dass du nicht schnell und unbedachtsam seist im Reden, herauszustoßen, was dir nur auf die Zunge fällt. Nimm das Gehirn mit zu Rat, und überleg bei dir, was du reden willst, ehe du es redest. Ein guter Rat ist, den Jakobus gibt: Seid langsam zu reden Jak. 1,19. Ein Christ soll kein Wort aus seinem Munde gehen lassen, er habe denn zuvor bei sich bedacht, ob auch dadurch könne die Ehre Gottes verletzt, der Nächste geärgert, betrübt, oder in Schaden gesetzt, und sein eigen Gewissen verunruhigt werden. O, dass ich könnte ein Schloss an meinen Mund legen, und ein fest Siegel auf mein Maul drücken, dass ich dadurch nicht zu Fall käme, und meine Zunge mich nicht verderbte! Sir. 22,33. Hilf mir, mein Gott, dass ich‘s tue!

 

105. 

VOM SELIGEN TOD.

Der Letzte der Beste.

 

Welt, das geht dich nicht an, glaubst es nicht. Sieht man doch, wie Junge und Alte in allen Ständen um die Narrenkappe streiten, der größte Narr, die größte Kappe. Sünde, mit dir hab ich‘s zu tun. Du trittst mit mir auf. Das muss ich leiden; du wolltest auch wohl gerne mit mir abtreten; das muss nicht sein. Ich will dir gerne den Vorzug gönnen, du der Erste, ich der Letzte. Der Letzte der Beste. Wenn ich ein Mensch geboren werde, werd ich auch zugleich ein Sünder geboren. Sünd und Menschen treten zugleich auf. Wie der Same ist, so ist auch die Frucht; sündliche Eltern zeugen sündliche Kinder. Siehe, ich bin aus sündlichem Samen gezeugt, und meine Mutter hat mich in Sünden empfangen. Gar recht sagt Bernhardus: Ich bin stracks in meinem ersten Ursprung, und also gleichsam von der Wurzel her angesteckt, und meine Empfängnis ist unrein. Wie die Sünde mit den Menschen aufgetreten, so wollte sie auch gern mit ihm abtreten. Ach nein. Was ist unseliger als in Sünden sterben? Den verstockten Juden droht der Heiland: Ich gehe hinweg, und ihr werdet in euren Sünden sterben Joh 8,21. Wer ohne Jesum stirbt, stirbt in Sünden; wer ohne Jesum stirbt, ist ewig verloren. Wie kannst du einen hohen Berg hinanklettern, wenn dir eine große Last am Fuß gebunden ist? Die Sünde zieht dich hinab zur Hölle. Durch Gottes Gnade will ich‘s so halten: Die Sünde soll erst sterben; ich will die Geschäfte des Fleisches durch den Geist Christi täglich in mir töten, und ihm keine Kraft noch Herrschaft in mir lassen. Meine täglichen Fehler will ich herzlich bereuen; darnach auf Jesum legen und sagen: Sünde, willst du getragen sein? Komm ja zu mir nicht, ich finde mich zu schwach. Der Mann hat starke Schultern, kann dich besser tragen als ich; was mir eine Last, ist ihm ein leichtes Stäublein. Darauf will ich fröhlich sterben. Der Tod ist kein Tod, wenn die Sünde tot ist, denn er hat keinen Stachel. 

 

Sünd, du bist tot,

Nun hat‘s keine Not; 

Tod, dein ich spott,

Und fahr zu Gott! 

 

Amen. Das hilf mir, mein Jesu, wenn mein letztes Stündlein kommt! Amen.

 

106. 

VON DER RARITÄT DER FROMMEN.

Wunder über Wunder.

 

Dass noch ein frommer Mensch auf Erden ist. Unter Menschen einen Menschen finden, ist seltsam. Wie viel ziehen den Menschen aus? Diesen wandelt der Neid in eine giftige Schlange, jenen die Hadersucht in einen bellenden, beißenden Hund, den dritten der Grimm in einen grausamen Löwen, den vierten Völlerei und Unfläterei in eine garstige Sau, und so fortan. Wie wenig Menschen findet man unter Menschen! Kein Geschöpf verleugnet seine Art, allein der Mensch tut‘s. Findest du einen Menschen, verwundere dich. Unter Menschen einen Christen finden, ist noch seltsamer. Fürwahr es ist schwer, Pech angreifen, und doch die Hände nicht besudeln; unter verkehrten Leuten leben und doch nicht verkehrt werden. Sagt nicht Paulus: Böse Geschwätze verderben gute Sitten? 1 Kor. 15,33. Siehst du nicht, dass das Wasser den Geschmack und die Farbe des Erdreichs annimmt, dadurch es quillt? Dass nach Balsam riecht, der mit Balsam umgeht? Dass derer Gemüt verwildert, die dem Wild immerfort nachsetzen? Ach wie schwer ist, auf glühenden Kohlen gehen, und doch vom Feuer nicht versehrt werden; unter Klippen fahren und keinen Schiffbruch leiden; auf Netzen wandeln, und den Fuß nicht verwickeln; im Hurenhause die Keuschheit, in der Mördergrube die Gerechtigkeit erhalten; ein keuscher Joseph in Ägypten, ein gerechter Lot in Sodom bleiben. Wie viel Fromme hat die verkehrte Welt verkehrt, wie wenig Gottlose hat ein bekehrter Christ bekehrt! Doch es ist keine Kunst fromm sein, wenn man keine Reizungen zum Bösen hat, und Tugend übt, wenn Tugend ihr Lob und Lohn findet. Mitten unter den Dornen vieler sündlichen Anfechtung wie ein Röslein unversehrt aufwachsen und Tugend üben, wenn sie von allen gehasst und verfolgt wird, das ist preiswürdig. Ich will mit Menschen umgehn als ein Christ, ihnen gern meinen Christen mitteilen, auch ihren Menschen ertragen, so lange er mit gutem Gewissen zu ertragen ist, doch ihn nicht an mich nehmen. Mein Freund soll so mein sein, dass seine Laster seine eigenen bleiben. 

 

107.

VOM UNBEWEGLICHEN GLAUBENSGRUND.

Eine dreifältige Schnur reißt nicht leicht entzwei Pred. 4,12. 

 

Darauf verlass ich mich. Gott ist gütig, das erfreut mich. Gott ist wahrhaftig, das erhält mich. Gott ist allmächtig, das stärkt mich. Die Güte legt mir das Kreuz auf, die Wahrheit hilft‘s tragen, die Allmacht überwinden. Die Güte will helfen, die Wahrheit wird helfen, die Allmacht kann helfen. Güte ist das Herz, Wahrheit der Mund, Allmacht die Hand. Ich hab Gottes Herz, Mund und Hand, was will ich mehr? Das Herz bricht ihm vor Erbarmen; der Mund trieft von Honigseim; die rechte Hand kann alles ändern. Komm nur an, Feind, hast du den Mut. Dein Herz tobt und wütet. Herz gegen Herz. Gottes Herz ist voll Güte. Dein Mund droht und pocht. Mund gegen Mund. Gottes Mund ist voll Trostes. Deine Hand nimmt und verwundet. Hand gegen Hand. Gottes Hand gibt und heilt. Was kannst du mir schaden? Dein Herz ist mir nicht gewogen; Gottes Herz ist mir noch gnädig; ach, wenn mir nur die Gnade Gottes bleibt, nach deiner Gunst frag ich nicht. Dein Mund gibt mir kein tröstlich Wort in meinem Jammer; lass sein, Gottes Mund tröstet mich desto reichlicher. Je mehr Leides, je mehr Trostes. Deine Hand nimmt mir, was ich habe; ich muss das leiden, Gottes Hand kann mir‘s wiedergeben. Welt, du änderst dein Herz oft im Augenblick; was kann ein blinder Argwohn nicht ausrichten? Gottes Herz bleibt unverändert; in Not und Tod ist er mir am allergnädigsten. Dein Mund lügt und trügt, wer kann der falschen Welt trauen? Gott hält Wort und täuscht nicht, das hab ich erfahren. Das Vermögen deiner Hand ist oft gering, Gottes Hand wird nicht verkürzt; die Macht so er vor 1000 Jahren gehabt, hat er noch, und behält sie ewig. Ich will dir, mein Gott, vertrauen. Wenn niemand helfen will, so willst du doch, denn du bist gütig; wenn niemand helfen kann, so kannst du doch, denn du bist allmächtig; wenn niemand hält, brichst du doch nicht, denn du bist getreu und wahrhaftig. O wohl dem Herzen, das dir vertraut!

 

108. 

VOM INNERN SEELENGESICHT.

Blind und doch viel gesehen.

 

Nicht uneben redet Plato an einem Ort: Alsdann fangen die Augen des Gemüts erst scharf an zu sehen, wenn die Augen des Leibes nunmehr verblendet und dunkel worden sind. Wie der Mensch von außen, so ist er auch von innen. Der Leib hat seine Augen, die Seele auch. Ihre Lichter sind Vernunft und Glaube; jenes haben wir als Menschen, dieses als Christen; von jenem spricht Salomo: Der Atem des Menschen ist des Herrn Leuchte, die geht durchs ganze Herz Spr. Sal. 20,27. Von diesem Johannes: Gott ist ein Licht, und in ihm ist keine Finsternis. So wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander 1 Joh. 1,5.7. Das vernünftige Auge war scharf beim Homer. Ob er gleich stockblind gewesen, hat er doch der gelehrten Nachwelt in vielen Stücken ein Licht angezündet. Was ist für eine Landschaft, Stadt oder Ort in Griechenland, was für eine Schlacht und Schlachtordnung, was für Schiffe, was für Menschen, was für wilde Tiere, die er nicht so künstlich entworfen, dass, da er sie selbst nicht gesehen, wir sie doch sehen können! Wie hell war des Glaubens Auge beim alten Simeon, da er Jesum auf dem Arme trug! Sein leiblich Auge sah nur ein junges, unvermögendes Kindlein, sein Glaube aber erblickt in diesem Kindlein Licht, Heil und Preis für Israel und alle Welt. Diese beiden Seelenlichter übertreffen unsere beiden leiblichen Augenlichter so hoch, als das Licht selbst übertrifft die Finsternis. Die Sonne ist die herrlichste Kreatur, so deine leiblichen Augen immer sehen mögen; die Seelenaugen dringen in den, der die Sonne erschaffen hat. Ich will mit meinem Gott zufrieden sein. Gibt er, nimmt er, sein Name sei gelobt! Die Beraubung des Geringen ersetzt er mit Verehrung des Größern. Am Fleisch gelitten, am Geist gebessert

 

109.

VON DER AUFRICHTIGKEIT GEGEN GOTT.

Das Herz lässt sich nicht zweien.

 

Merk es du Heuchler! Ps. 12,3. Gott hat dir gegeben zwei Augen, damit kannst du über und unter dich sehen, den Himmel und die Hölle beschauen! Zwei Ohren, das eine kannst du dem Kläger, das andere dem Beklagten zukehren, wenn du richten sollst; zwei Hände, die eine Hand hinauf zu Gott und nimm, die andere hinab zum Nächsten und gib; zwei Füße, mit dem einen diene dir selbst, mit dem andern dem, der deines Dienstes bedarf. Aber eine Zunge hast du nur und ein Herz. Gott hält nichts von zweizüngigen Leuten, die kalt und warm aus einem Munde blasen, und im Sitzen anders reden, als im Stehen; viel weniger hält er von den zweiherzigen, die das Herz teilen, ihm die Hälfte und dem Teufel auch die Hälfte geben. Ein zweiherziger Mensch ist ein Monstrum (Ungeheuer), das will Gott nicht zum Opfer haben. Entweder allein, oder gar nicht sein. Und eben der Meinung ist der Teufel auch. Denn ob er dich gleich bereden will, du sollst das Herz teilen, er wolle mit dem halben gern vorlieb nehmen, sucht er’s doch ganz zu haben, er weiß wohl, dass Gott ein gezweites Herz nicht begehrt, so bleibt‘s doch ganz sein. Ach, wie so ein klein Stücklein Fleisches ist das Herz! Wenn’s größer wäre, wärst du doch schuldig, es dem zur Wohnung einzuräumen, von dem du es hast, und von dem es gebessert wird. Du aber willst es noch teilen und kleiner machen. Wer hat dir Macht gegeben, zu teilen, was nicht dein, sondern Gottes ist? Ihm gehört‘s ganz und nicht halb zu. Wie ist‘s möglich, dass du Gott und den Satan in dir vereinigen kannst? Wie ist‘s möglich, dass sie beide Teil an einem Herzen haben? Was Gott gut, macht der Satan böse. Gott verstört Satans, Satan verstört Gottes Werk. Wo Gott wohnt, da ist der Himmel, wo Satan wohnt, da ist die Hölle. Wie mag dein Herz zugleich Himmel und Hölle sein? Wo Gott wohnt, da dient man ihm; wo Satan wohnt, da dient man ihm; kannst du auch zweien Herren dienen, die mit einander uneins sind? Ich weiß, dass das nur Betrug sei. Gott hat mir mein ganz Herz gegeben, nicht als einem Herrn, sondern als einem Haushalter, ich will‘s ihm nicht veruntreuen, sondern wiedergeben. Das Herz ist sein, nicht mein. Will er’s teilen, steht‘s in seiner Macht, nicht in meiner.

 

110. 

VON DER VERLEUMDUNG.

Drei Schwerter auf einer Zunge.

 

Ist‘s nicht zu viel? Den Verleumder meine ich. Der tötet drei auf einmal, sich selbst, den, welchen er verleumdet und den, so der Verleumdung mit Stillschweigen zuhört. Lügen und Mord lassen sich nicht trennen. Vom Teufel sagt Christus, dass er sei ein Lügner und Mörder von Anfang Joh. 8,44. Der Verleumder ist nicht besser, er hat des Teufels Natur, und ist des Teufels Werkzeug. Wie niemand vorm Teufel sicher ist, so auch nicht vorm bösen Maul; und wie niemand den Teufel zähmen kann, also auch nicht die böse Zunge; das bedenk, der du frech Lügen redest wider deinen Nächsten. Du bist ein Teufel. Der Teufel verkroch sich im Paradies in die Schlange, die führt ihr Gift unter der Zunge; mit der falschen Zunge sticht und vergiftet er. Kein Schwert schneidet so scharf, kein Pfeil dringt so tief, keine Wunde tut so weh als Verleumdung. Eine Geißel macht Striemen, aber ein bös Maul zerschmettert Gebein und alles. Viele sind gefallen durchs Schwert, aber viel mehr durch böse Mäuler Sir. 28,22. Es sind keine Wunden übler zu heilen, als die so falsche Mäuler machen. Doch will ich mich nicht betrüben, wenn ich verleumdet werde. Tret ich dem Satan auf den Kopf durch mein Gebet, so weiß ich wohl, dass er nicht unterlassen werde, mir durch falsche Zungen einen Fersenstich wieder zu geben. Es sind nur Fersenstiche, sie töten nicht. Lass die Verleumder reden, was sie wollen, sie müssen am Tage des Gerichts Rechnung davon geben. Mir ist‘s ein geringes, dass ich von Menschen gerichtet werde, oder von einem menschlichen Tage; meine Ehre besteht nicht auf anderer Menschen Zunge, sondern in eigenem guten Gewissen. Wie ich nicht besser davon werde, dass man mich lobt, so werd ich auch nicht ärger davon, dass man mich lästert. Gott kennt mich. Wohl dem, der Lob bei Gott hat! Unterdessen sollen meine Werke mich verteidigen, und dem Verleumder das Maul stopfen. Verleumdung lebt nicht lang. Wahrheit liebt das Licht. Ich will erwarten des Gottes der Wahrheit. Er wird mein Licht hervorbrechen lassen, wie die Morgenröte, und meine Besserung wird schnell wachsen. Jes. 58,8. 

 

111. 

VON VERFÜHRUNG DER WELTKINDER.

Halt‘s mit den Wenigsten.

 

Mit einem und nicht mit neunen. Ein guter Rat. Verwirf ihn nicht. Höre, was Christus sagt: Die Pforte ist weit und der Weg ist breit, der zur Verdammnis abführt, und ihr sind viel, die drauf wandeln. Und die Pforte ist enge, und der Weg ist schmal, der zum Leben führt, und wenig sind, die ihn finden Matth. 7,13.14. Du sprichst: So lebt der Haufe, so leb ich mit. Wer kann allein wider den Strom schwimmen? Nein, der Haufe fährt zum Teufel. Willst du denn mit? Ich rat dir‘s nicht. Die Hölle brennt heiß, der Wurm beißt scharf. Das Ziel treffen wenig, viel schießen neben hin. Das Kleinod erreichen wenig, viel laufen umsonst, die wenigsten werden gekrönt, die meisten tun Luftstreiche; die wenigsten werden selig, halt‘s mit den wenigsten, so wirst du selig. Die Weltkinder sind keine guten Führer, sondern Verführer, keine wahren Lichter, sondern Irrlichter. Stell dich der Welt nicht gleich; Röm. 12,2. Ist‘s schwer wider den Strom schwimmen? Denke, dass Gutes tun immer schwerer sei, als Böses tun; zum Bösen bist du geneigt, und hast dazu viel Hilfsmittel; dem Guten bist du feind und hast viel Hindernisse dran. Lust und Übung macht alles leicht. Betäube dein Fleisch, so ist‘s nicht mehr schwer. Bist du verlacht von den meisten? Denke, du seist ein Fremdling, der muss leiden, dass auch die Kinder mit Fingern auf ihn weisen und sein spotten. Wie ging‘s den teuren Männern Gottes, den Aposteln? Man lästert uns, sagt Paulus, so flehen wir. Wir sind stets als ein Fluch der Welt, und ein Fegopfer aller Leute. Wir sind ein Schauspiel worden der Welt und den Engeln und den Menschen 1 Kor. 4,9. Sprich du mit David: Ich will noch geringer werden vor dem Herrn 2 Sam. 6,22. Ich will gern unter den wenigsten und geringsten sein, denn der Bösen sind die meisten und größten. Wird doch schier für einen guten Mann gehalten, der vom Allerärgsten kaum unterschieden ist. Nicht will ich in meinem Werke sehen auf die Menge derer, die es mir vor- oder nachtun, sondern auf den Willen Gottes, der mich lehrt das Böse vom Guten unterscheiden. Gefällt dann mein Tun den meisten nicht, will ich mich darum nicht bekümmern; muss doch Gott selbst leiden, dass die wenigsten mit seinen Werken zufrieden sind. Wenn mein Tun nur Gott und den Frommen gefällt; Gott als meinem Vater, der durch meine Werke soll geehrt, den Frommen als Brüdern und Schwestern, die dadurch sollen erbaut werden. 

 

112. 

VOM ZEUGNIS DES GEWISSENS.

Bin ich denn ein solcher?

 

Was fragst du mich? Geh in dein Gewissen. Bist du fromm? Das wird dir‘s sagen. Bist du ein Schalk? Das wird dir‘s sagen. Mancher bildet sich ein, er sei so, wie die Leute von ihm reden, und ist‘s doch nicht. Wenn er Nachfrage hält bei sich selbst, wird er den Betrug bald merken. Niemand kennt dich besser als du, drum kann niemand von dir besser zeugen, als du; aber hüte dich, dass du nicht ein falscher Zeuge seist; eigne Liebe blendet, daher kommt‘s, dass mancher sich vermisst fromm zu sein und ist‘s doch nicht. Je näher du ans Licht trittst, je schärfer siehst du. Beschaue dich beim Licht göttlichen Worts, und deines durch Gottes Wort erleuchteten Gewissens, da wirst du bald erfahren, ob du ein solcher seist oder nicht. Mancher will seine Sünden verhehlen. Wird er beschuldigt, läuft er voll Zorns, fährt in Unmut aus: Bin ich denn ein solcher? Hältst du mich für einen solchen Mann? Lieber, nicht zu trotzig, gehe in dein Gewissen. Wie fragst du mich, da du es besser weißt als ich? Dein Gewissen ist das Täflein, darauf du alles geschrieben findest, was du dein Lebtag gedacht, geredet, getan. Dieser Zeuge weicht nimmer von dir, und ist dir so nahe, als du dir selber bist! Was niemand sieht, ist ihm doch nicht verborgen; schläft er eine Zeit lang, er wacht doch endlich auf, sonderlich wenn das Kreuz kommt; redet er nicht eher, so redet er gewiss in der Todesstunde. Vor diesem Zeugen gilt keine Entschuldigung. Hast du es unwissend getan? Ach dein Gewissen überzeugt dich, dass du es wohl gewusst. Hast du es nicht bös gemeint? Der wahrhaftige Zeuge in dir überzeugt dich, dass du ein falscher Zeuge von dir selber seist. Drehe dich, wie du willst, gehe in dein Gewissen, das macht alle deine Ausflüchte zunichte. Höre, wenn ich ein gut Gewissen habe, achte ich nicht, was die Welt von mir redet. Lass sie reden, ich bin mir nichts Böses bewusst. Doch unterlass ich nicht, mein Gewissen täglich scharf zu fragen: bin ich denn ein solcher? Ja. Warum sollt ich mir heucheln? Ich bin der Ärgste unter allen, die ich kenne. Kenne ich doch niemand besser als mich. Von andern muss ich glauben, was ich höre oder sehe; Menschen können lügen; Werke können trügen. Von mir hab ich tausend Zungen in mir selbst, die nicht trügen.

 

113. 

VON DER LIEBE DES HIMMLISCHEN.

Ich bin nicht, wo ich bin.

 

Ich leb auf Erden und lieb im Himmel. Die Seele ist nicht da sie lebt, sondern da sie liebt. Der Leib im Kerker, die Seele im Himmel: gebunden und doch frei. Vom Zornigen sagt man, er habe sich verloren. Ist recht geredet, denn im Grimm ist man nicht bei sich selbst. Aber so geht‘s allen Weltkindern, sie verlieren ihre Seele im Irdischen, weil sie das Irdische lieben. Da steckt ihr Geist im Kot, ein köstlich Kleinod in der Dreckpfütze. Ich liebe, was im Himmel ist, da ist mein Schatz, da ist auch mein Herz. Willst du mich suchen, da findest du mich, den Himmel in mir, und mich im Himmel. Der Himmel muss ja besser sein, als die Erde, denn Gott hat ihn für sich und seine Freunde bereitet. Ist nicht der Schöpfer über sein Geschöpf? Sind nicht die Freunde Gottes edler, als die Feinde? Die Augen sind Führer zur Liebe, sagt man. Wird nicht der Himmel mehr gesehen, als die Erde? Wenig Meilen kann ich nur auf Erden sehen, da ich den Himmel beinah auf einmal sehe zugleich. Die Erde hat mir Gott gelegt unter meine Füße, den Himmel aber gebaut über mein Haupt. Warum? Dass ich das Irdische verachten und zertreten, das Himmlische aber lieben und suchen soll. Man hält dafür, dass die Erde in steter Bewegung sei, der Himmel in der Ruhe. Auf Erden hab ich meine Bewegung, Mühe, Arbeit und Trübsal; im Himmel find ich die wahre Ruhe. Was die Erde gibt, ist beweglich, läuft von einem zum andern, heut hab ich‘s, morgen hast du es; was der Himmel gibt, bleibt ewig. Denn der im Himmel wohnt, ist keiner Veränderung unterworfen. Ich will‘s machen wie Paulus, die Erde hinten, den Himmel vorne stellen, mich in die Mitte, und sagen: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich zu dem, das da vorne ist Phil. 3,13. Welt, ich mag dein nicht. 

 

Im Himmel ist das Gut, 

Darin mein Herze ruht; 

Hinauf steht mein Verlangen, 

Dich, Jesu, zu umfangen; 

Ach, nimm mich aus der Welt 

Zu dir ins Himmels Zelt. 

 

114. 

VOM MANGEL DER WAHREN LIEBE.

Charität. Rarität.

 

Wo ist ungefärbte Liebe? Was noch von der Liebe in der Welt übrig, ist nur ein Schein, Schaum und Farbe, gleich einem Bild an der Wand gemalt, das kein Leben hat; Zungenliebe, die nicht meint, was sie redet; Wortliebe, die viel zusagt, wenig hält. Du sprichst: Ich habe so manchen guten Freund. Mein, was liebt er? Dich oder das Deine? Freunde fliegen. Wenn sie den lieblichen Geruch deines Bratens riechen, oder die Süße deines köstlichen Getränkes schmecken, kommen sie häufig als ein Fliegenschwarm herzu, wenn alles aus ist, wo bleiben sie? Den Mund gewischt, davon gegangen. Das Deine, das Deine meinen sie, nicht dich. Du rühmst deinen Freund. Tust wohl dran. Aber hast du ihn auch geprüft? Zwei Schlösser muss ein rechter Mund haben, das eine am Mund, das andre am Fuß. Sein Mund muss deine Heimlichkeit, so du ihm vertraust, nicht verraten. Ach wie manchen Trüger gibt‘s hier, auch unter den besten Freunden? Kaum geredet, alsbald verraten. Drum siehe dich vor. Gleich wie du, wenn du ein Fass probieren willst, nicht Wein, sondern Wasser hinein schüttest, so vertrau deinem neuen Freund zuerst nichts Wertes, als ob‘s von hoher Wichtigkeit wär, und siehe, ob das Fass auch fest halte. Ein treuer Freund ist kein Verräter. Brenne mich, sagt Seneca, töte mich, mach‘s mit mir, wie du willst, ich will doch kein Verräter sein. Je mehr mir der Schmerz zusetzt, je geheimer will ich die Sache halten. Am stinkenden Atem prüfe deinen Freund, darin manche heimliche Sache verfault ist. Der Fuß muss auch geschlossen sein, dass er bei dir festhalte in Nöten, und sich weder Not noch Tod von dir trennen lasse. Ein solcher Freund ist leicht zu nennen, aber schwer zu finden. Noch eins. Du hältst viel von deinem Freund, ich rühme es. Aber hast du ihn auch einmal seiner Verbrechen halber gestraft, oder er dich? Hat er dich nicht gestraft, wie kann er dich lieb haben? Die Liebe ist gleich der Biene, die zugleich Honig gibt, und scharf sticht. Ich halte den für keinen Freund, der mich nicht straft, wenn ich‘s versehe. So oft ich sündige, werd ich mein eigener Mörder. Wie kann der mich lieben, der vor Augen sieht, dass ich mir einen Dolch ins Herz stoße, und wehrt‘s nicht? Wie kann der mich lieben, der meinen Tod liebt? Hat er dich aber gestraft? Sag mir, ist auch die Strafe so eingerichtet gewesen, dass du merken konntest, sie ging aus Liebe, und suchte deine Besserung? War auch der Geist der Sanftmut, ein mitleidig Herz und eine linde Zunge dabei? Hast du ihn gestraft? Wie hat er’s aufgenommen? Hat er auch geglaubt, dass du es in Liebe tätest, und gut mit ihm meintest? Wie mag der dich lieben, der nicht glaubt, dass du ihn liebst? Ach, wer kann‘s leugnen, dass in der Welt wenig ungefärbte Liebe, wenig aufrichtige Freundschaft zu finden sei? Ich will mit wenigen Freundschaft machen weil nichts Gefährlicheres als Freundschaft. Der soll mein Freund sein, der Gottes Freund ist. Denn wie kann der mich in Gott lieben, der Gott nicht liebt? Wie kann die Linie im Mittelpünktlein ihre Nebenlinie berühren, die das Mittelpünktlein selbst nicht berührt? Um solchen Freund will ich bitten, Gott wird ihn geben. 

 

115. 

VON DER FRIEDENSSTIFTUNG.

Mein und dein regt allen Streit.

 

Spricht Seneca. Ich spreche anders: Mein und dein hebt allen Streit. Zürnt Gott mit mir, und will mich meiner Sünden halber vor Gericht fordern? Mein und dein muss uns scheiden 2 Kor. 5. Liebster Jesu, meine Sünden sind deine Sünden, deine Gerechtigkeit ist meine Gerechtigkeit. Was suchst du, himmlischer Vater an mir? Sünden? Die findest du nicht. Alle meine Sünden liegen auf Jesu Rücken; fürwahr er trug unsere Krankheit, und lud auf sich unsere Schmerzen Jes. 53,4. Gerechtigkeit? Die hab ich. Im Herrn hab ich Gerechtigkeit und Stärke. Teufel, zürnst du auch? Was willst du? Dein und mein muss uns scheiden. Dein ist die Hölle, mein ist der Himmel; behalt das Deine; lass mir das Meine, so haben wir beide nichts zu sagen. Tod, siehst du sauer? Dein und mein muss uns von einander setzen. Ich tausche, gib mir das Deine, nimm das Meine; ich geb dir meine Mühe, gib mir deine Ruhe, ich geb dir mein Leid, gib mir deine Freude. Mit dir, mein Christ, will ich auch nicht zanken. Wir sind Brüder, lass uns eins sein. Dein und mein soll unter uns allen Hader schlichten. Du bist so reich als ich, ich bin so reich als du. Dein ist Gott, mein auch. Dein Vater mein Vater; mein ist Jesus, dein auch; mein Bruder dein Bruder; dein ist der Himmel, mein auch; dein Erbe mein Erbe. Hab ich Gut? Hab ich Ehr und Herrlichkeit? Lass dich‘s nicht verdrießen. Es ist weder mein noch dein. Gott gibt‘s, wem er will. Ich hab‘s, als hätt ich‘s nicht. Heute mein, morgen dein. Vielleicht hast du morgen, was ich heute hab. Vielleicht bist du morgen, was ich heute bin. Hast du wenig, ich viel? Von meinem vielen gehört mir nicht mehr zu, als dir von deinem wenigen. Lass uns eins sein, du mein, ich dein, ein Herz und eine Seele. 

 

116. 

VON DER CHRISTEN FEINDEN. 

Immer im Streit. Hiob 7,1.

 

Friede ernährt, Krieg verzehrt. Wo sind denn die Feinde? Mein Christ, du hast zu kämpfen mit der Sünde, sowohl wenn sie dich anficht, ehe sie begangen wird, als auch, wenn sie dich ängstet, nachdem sie begangen ist. Die Erblust ficht dich immer an, reizt bald zu dieser, bald zu jener Untugend, fordert deine Glieder zu ihrem Gehorsam. Wider diesen Feind musst du immer zu Felde liegen, wachen, streiten und beten, damit du nicht in Anfechtung fallest. Wie ermahnt Paulus? Wandelt im Geist, so werdet ihr die Lüste des Fleisches nicht vollbringen. Denn das Fleisch gelüstet wider den Geist, und den Geist wider das Fleisch, dieselben sind wider einander, dass ihr nicht tut, was ihr wollt Gal. 5,17. Wenn du im Vorsatz zum Guten oder Bösen begriffen bist, empfindest du streitende Gedanken in dir selbst, etliche raten zu, etliche halten zurück. Da streitet Geist und Fleisch. Der Geist gibt gute Gedanken sein zu hindern, dass nicht das Böse, das Fleisch raunt böse Gedanken ein, zu hindern, dass nicht das Gute vollbracht werde. Wenn aber die Sünde vollbracht ist, fängt sie einen neuen Krieg mit dir an, reizt dein Gewissen wider dich, dass es dich anklage, überzeuge, verdamme, und bis auf den Tod ängstige. Wie oft muss deine Seele mit der Sündenangst dermaßen kämpfen, dass es nahe bei der Verzweiflung daher geht! Zu kämpfen hast du mit der Welt, sowohl wenn dich die süße lockt, als wenn dich die bittere schreckt. Sie lockt dich durch ihre Kinder mit verführerischen Worten. Wie manche einfältige Eva wird von der listigen Weltschlange durch vergebliche Worte verleitet! Paulus hat‘s wohl gewusst, drum ermahnt er: Lasst euch niemand verführen mit vergeblichen Worten! Eph. 5,6. Sie lockt dich durch ärgerliche Exempel. Wie oft gedenkst du: Wer unter den Wölfen ist, muss mit den Wölfen heulen; weil ich in der Welt lebe, muss ich mich halten, wie sich die Welt hält. Aber was sagt Paulus dazu? Stellt euch der Welt nicht gleich, sondern verändert euch durch Verneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen möget, welches da sei der gute, der wohlgefällige und der vollkommene Gottes Wille Röm. 12,2. Sie lockt dich durch ihre Güter, Ehren und Wollüste. Oft gefällt dir der Apfel so wohl, dass du frisch hinein beißt, und das Paradies verscherzest. Ach übler Tausch! Gewonnen eine Hand voller Sand, verloren der Seele Seligkeit. Was lehrt Johannes? Habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist. So jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. Denn alles, was in der Welt ist, nämlich des Fleisches Lust, und der Augen Lust, und hoffärtiges Leben, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt, und die Welt vergeht mit ihrer Lust 1 Joh. 2,15.16. Mag die Welt mit ihrem Locken nichts erhalten, fängt sie an dich zu schrecken mit Droh- und Schmähworten, mit Not und Trübsal. Verschmähst du den Reichtum, so hast du die Armut zu fürchten; achtest du der Ehre nicht, so folgt dir die Schande auf dem Fuß nach; gelüstet dich der guten Tage nicht so hast du lauter böse Tage zu erwarten. Wie manchen überwältigt die Furcht, den die Hoffnung nicht konnte überwinden! Fleisch und Blut will nicht gern bei dem armen, elenden, verachteten, geplagten Jesu Fuß halten. Du hast zu kämpfen mit dem Teufel und mit der Hölle, wenn dich derselbe mit allerhand schwermütigen, zweifelhaften Gedanken, als mit feurigen Pfeilen ängstet; innerliche hohe Anfechtungen, traurige schreckliche Gedanken sind des Teufels Pfeile, mit welchen er die Seele verwundet und tief in Schrecken setzt; sie sind des Satans Engel, die unsere Seele so jämmerlich zurichten, wie ein Leib durch Faustschläge zugerichtet wird; die unsere Seele dermaßen quälen, als wenn sie an einen spitzigen Pfahl gespießt wäre. Hier muss David klagen: Ich fühle deine Schrecken, dass ich schier verzage. Hier muss Jonas winseln: Meine Seele will in mir verzagen. O, ein herber Kampf! Den allerhärtesten Streit hast du anzugehen mit Gott, wie dir solches vorgebildet wird an Jakob, da er mit dem Engel rang, und am kananäischen Weiblein, da es mit Christo gleichsam stritt. Gott verbirgt sich oft mit seiner Gnade, stellt sich hart und unfreundlich. Betest du? Er hört nicht. Schreist du? Er verstopft seine Ohren. Steckst du in der Not? Er stellt sich als ein Fremdling im Lande, der von deiner Not nicht weiß, oder als ein verzagter Held, der nicht helfen kann. Er lässt‘s oft mit dir daher kommen, dass du weder beten, noch seufzen, noch an ihn gedenken kannst. Seufzest du nach Trost? So kommt doch kein Trost. Trösten dich Menschen? Der Trost will doch weder haften noch saften. Mit dem Hiob ist‘s in diesem Kampf dahin gekommen, dass er im Schrecken diese greuliche Worte ausgestoßen: Die Schrecknisse Gottes sind auf mich gerichtet Hiob 6,4. Was etwa den Hiob abmatten, und in seinen Gedanken schrecken konnte, hat Gott alles gleichsam als in einer Schlachtordnung nach einander dahin gestellt, ihn anzugreifen. Meine Seele wünscht erhangen zu sein, und mein Gebein den Tod. Ich begehre nicht mehr zu leben Hiob 7,15.16. Tausendmal lieber will die Seele erhängt oder ertränkt, oder auf eine andere Weise vom Leib geschieden sein, als den Kampf mit Gott lang aushalten. Wenn ich schon anrufe, und er mich erhört, so glaub ich doch nicht, dass er meine Stimme höre Kap. 9,16. So schwach ist oft der Glaube bei dem, den Gott etwas hart angreift. Warum verbirgst du dein Antlitz und hältst mich für deinen Feind? Kap. 13,24. Wenn Gott mit den Gläubigen kämpft, verbirgt er alle Gnade, Trost, Licht, Leben vor ihnen, und geht nicht anders mit ihnen um, als wären sie seine abgesagten Feinde. Höre auch, wie David klagt: Meine Seele will sich nicht trösten lassen Ps. 77. 3. 5. 8. 9. 10. Weil die Seele nach Gott gebildet ist, hat sie allein in Gott ihren Trost; tritt Gott zurück und verbirgt sich, so muss sie trostlos sitzen, wie eine Witwe, die keinen Mann hat. Meine Augen hältst du, dass sie wachen; ich bin so ohnmächtig; dass ich nicht reden kann. Das heißt sich müd und matt ringen. Dem matten Leibe gönnt man noch eine Erquickung im Schlaf; aber Gott gönnt den Angefochtenen keine Ruhe, sondern hält ihre Augen durch immer quillende Tränen offen, dass kein Schlaf hinein kommt. Wird denn der Herr ewiglich verstoßen, und keine Gnade mehr erzeigen? Ist‘s denn ganz und gar aus mit seiner Güte; und hat die Verheißung ein Ende? Hat denn Gott vergessen gnädig zu sein, und seine Barmherzigkeit vor Zorn verschlossen? Sind höllische Gedanken. Ach Gott, wie müssen sie Davids fromme Seele gekränkt haben! Siehe, mein Christ, da hast du dein Leben. Fürsten und Herren haben zuweilen Frieden. Mit dir aber heißt es: Immer im Streit. Ich will nicht sicher sein, weil nichts Betrüglicheres als der Friede; auch nicht verzagen. Der mich hat heißen kämpfen, wird mir Mut und Kraft geben zu überwinden.

 

117. 

VON ÜBERWINDUNG DER FEINDE.

Nur frisch dran.

 

Die Feinde kennst du, mein Christ. Rüste dich. Gewagt, gewonnen. Frisch und fröhlich dran. Dein Fleisch kreuzige samt seinen Lüsten und Begierden. Du wirst ja die Sündenlust fühlen; aber fühle sie mit Unwillen, ängstige dich darüber, dämpfe sie im Anfang, damit sie in den Gedanken keine Kraft gewinne; rein aus, hau ab die ärgerlichen Augen und Füße, entzieh dem Fleisch, was die bösen Lüste erweckt und fördert, wach und bete allezeit, damit du nicht vom Fleisch übereilt werdest, und so du ja übereilt wirst, tue von Stund an Buße, erkenne und beklage deine Schwachheit, bitte Gott um Vergebung, und fasse den festen Vorsatz, hinfort mit größerm Eifer dein Fleisch zu bestreiten. Ängstet dich deine Sünde, lass dich nicht in Verzweiflung stürzen, sondern halt die Gnade Gottes mächtiger, und das Verdienst Jesu höher als deine Sünde. Dass du trauerst ist nicht unbillig, aber in der Traurigkeit musst du nicht verzagen. Hast da doch einen Gott, der gern Sünde vergibt. Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, so ihn fürchten Ps. 103,13. Kennst du wohl einen Vater, der so harten Herzens ist, dass er sein weinendes Kind sollte von sich stoßen? Ach nein; das Vaterherz gibt‘s nicht zu. Mit einem Seufzerlein kannst du Gottes Herz verwunden. Kaum magst du gesagt haben: Ach Vater, ich habe gesündigt im Himmel und vor dir, alsbald antwortet er: Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben. Wie teuer und kräftig ist das Blut Jesu, das für deine Sünde vergossen ist! Ein Tröpflein gilt mehr als aller Menschen Sünde. Ob jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesum Christ, der gerecht ist, und derselbe ist die Versöhnung für unsere Sünde 1 Joh. 2,1.2. Lockt dich die süße Welt? Wandle nicht nach dem verführerischen Schlangenwort, sondern nach dem Wort der Wahrheit: sei unanstößig, und ärgere dich nicht an ihren bösen Exempeln; lass dich die Welt nicht frech machen, sondern mach du sie fromm. Soll‘s heißen, wie du sprichst: Wer in der Welt lebt, muss es mit der Welt halten; so muss es auch heißen, wie ich spreche: Wer mit der Welt sündigt, fährt mit der Welt zum Teufel; gleiche Brüder, gleiche Kappen, gleiche Sünde, gleiche Strafe. Paulus sagt: Strafe sie vielmehr. Christus lebte nicht weltlich in der Welt, sondern strafte sie, und machte ihr Leben zu Schanden mit seinem ganz widerweltlichen Leben, ihre Pracht mit seiner Niedrigkeit, ihre Hoffart mit seiner Demut, ihren Geiz mit seiner Armut; so musst du in der Welt sein. Was die Weltkinder suchen, musst du fliehen, was sie verschmähen, musst du erwählen. Wirft dir die Welt ihre Lockspeise vor, die Augenlust, Fleischeslust und das hoffärtige Leben? Ach, halt das alles deiner Liebe nicht wert! Es sind Pillen, auswendig mit Gold überzogen, inwendig voll Bitterkeit, ein schön gefärbter Dreck. Was soll dir das Irdische, der du in Christo durch den Glauben schon viel reicher, herrlicher und seliger bist, als dich die Welt machen kann? Schreckt dich die bittre Welt? Sei getrost; sag mit Paulo: Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal oder Angst, oder Verfolgung, oder Hunger, oder Blöße, oder Fährlichkeit, oder Schwert? In dem allen überwinden wir weit, um deß willen, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unsern Herrn Röm. 8,35. Die Welt kann dir nichts nehmen, denn wer dir Jesum und den Himmel lässt, der hat dir nichts genommen. Setzt der Teufel an dich: ergreif den Schild des Glaubens, und lösch damit aus alle seine feurigen Pfeile. Du kannst ihm nicht wehren, dass er dich plage mit lästerlichen, bösen Gedanken; aber du kannst dich doch dawider fest machen durch den Glauben, und seinem Einblasen mit Ernst widerstehen. Willige nicht in die Gedanken, die er eingibt, sondern ängstige dich darüber. Wo keine Einwilligung, da ist auch keine Sünde. Wünschen magst du wohl, dass du solcher Gedanken los wärst, doch musst du aushalten, bis das Stündlein kommt, darin Gott dem Teufel sein Ziel gesetzt. Unterdeß schlage des Satans böse Gedanken mit dem Schwert des Geistes nieder, und setze ihnen aus Gottes Wort andere gute tröstliche Gedanken entgegen; im Wort der Wahrheit ist eine unüberwindliche Kraft, wider welche der Satan mit aller seiner Lüge nichts vermag. Zieht Gott wider dich zu Feld? Lass du den Mut nicht sinken, sondern stehe in deinem Vertrauen zu ihm fest. Aus seinem Wort bist du versichert, dass er dich nicht könne, noch wolle verlassen. Verbergen mag er sich wohl vor dir, aber verlassen kann er dich nicht, unfreundlich stellen, aber nicht unfreundlich sein und meinen. Sprich du mit Hiob: Ob mich der Herr gleich töten würde, will ich doch auf ihn hoffen. Erwarte der Stunden mit Geduld, die Gott bestimmt hat zu deiner Erquickung. Halt an mit Beten: ach Herr, erquick die Seele deines Knechts! Ich lasse dich nicht, du segnest (tröstest) mich denn. Verbirgt sich Gott vor deinem Seufzen, such ihn mit Tränen. Jakob kämpfte mit dem Engel, und siegte, da er weinte Hos. 12,5. Kannst du weder beten, seufzen noch weinen, so ängstige dich darüber, Gott ist der geängsteten Seele am nächsten. 

 

Ob sich‘s anließ, als wollt er nicht, 

Lass du dich doch nicht schrecken; 

Denn wo er ist am besten mit, 

Da will er’s nicht entdecken. 

Sein Wort lass dir gewisser sein, 

Und ob dein Herz spricht lauter nein, 

Lass du dir doch nicht grauen.

 

118. 

VON DER LIST UND BOSHEIT DES MENSCHEN.

Ein Mensch ist des andern Teufel.

 

Hört man doch so viel nicht über den Teufel klagen, als über böse Menschen. Doch läuft‘s auf eines aus. Teufel und Menschen ist hie ein Ding, wie Braut und Bräutigam. Der Mensch ist das Pferd, der Teufel der Reiter. Vorm Teufel kann man sich nicht hüten, sonderlich wenn er sich verstellt in einen Engel des Lichts. Und wer kann Menschen trauen? Den du oft für einen Engel hältst, ist dein Teufel, der Wolf im Schafpelz. Ein Haus kracht, ehe es übern Haufen fällt, und der Rauch verrät das Feuer; aber der Mensch verdeckt sein boshaft Vorhaben, und verdirbt im Nu, ehe man‘s vermutet. Ein wildes Tier schadet dir nicht, es werde denn gezwungen von Not und Hunger, aber dem Menschen ist‘s eine Lust, dir Leid zu tun. Drum hüte dich vor Menschen als vorm Teufel. Wütet doch kein Löwe wider einen Löwen, kein Wolf wider einen Wolf, kein Teufel wider einen Teufel und der Mensch wütet wider sein Fleisch und Blut. Die Schlange, die vormals des Teufels Werkzeug war, verbirgt ihr Gift unter der Zunge am Zahnfleisch; auf der Zunge verbirgt sich das Gift beim Menschen; indem er liebkost, sticht und verwundet, indem er heuchelt und schmeichelt, tötet er. Hüte dich. Unter dem Zungenhonig ist ein Herzensgift verborgen. Ich will meinem Nächsten mit Rat, Trost und Hilfe ein guter Engel sein, da ich kann; unterdeß will ich seiner gebrauchen, wie Moses seines Steckens; so lang er ein Stecken war, hielt er ihn in der Hand, sobald er zur Schlange ward, lief er davon 2 Mos. 4,3. So lang mein Nächster mich meines Verbrechens halber öffentlich schlägt und schilt, soll er mir lieb sein, wenn er aber anfängt, mir heimlich nachzuschleichen, und zu schmeicheln, will ich ihn fliehen.

 

119. 

VON VERFOLGUNG DER FROMMEN.

Beiss, wie du willst, mir schadest du nicht.

 

Du hasst und verfolgst ein frommes Herz? Ich verdenk dir‘s nicht. Du bist der Wolf, der Fromme ist das Schaf, kann auch der Wolf ein Schäflein küssen? Der Fromme ist Abel, du bist Kain, wirst von Kains Geist, vom Mordgeist regiert: wie kannst du lieben, der du den Geist der Liebe nicht hast? Umsonst suchst du Feigen am Dornstrauch, Süßigkeit im Meer, und Liebe bei dem, der von der Hölle angezündet, vor Hass und Bosheit brennt. Aber sag mir, wem schadest du? Dir oder dem Frommen? Kaum bist du dem Gerechten an sein Gut oder an seinen Leib gekommen, so hast du schon deine Seele verwundet. Wer sich mit einem Feuer oder Felsen schlägt, ist ein Narr, und verletzt niemand als sich selbst; der Gerechte ist mit einer feurigen Mauer umgeben, und auf einen Felsen gegründet. Wer ein Licht mit der Hand abtun will, macht zwar erst den Schein des Lichts etwas dunkel, bald aber leuchtet das Licht heller als vor, und er verschwärzt nur seine Hände; du schadest mit deiner Verfolgung dem Frommen nicht, sondern nützt ihm; seine Tugenden, Demut, Sanftmut und Geduld leuchten hell hervor, sein Ruhm wird gemehrt, seine Himmelskrone wird desto herrlicher; dir selber aber schadest du, machst dich unruhig, frisst dir das Herz im Leibe weg, wirst endlich zu Schanden, gleich den Hunden, die auf einen Stein zubeißen; der Stein bleibt wohl Stein, sie aber zerbrechen ihre Zähne. Die Frommen sollte man lieb haben, sie sind Gottes Kinder, reden mit Gott vertraulich wie ein Freund mit dem andern, sind Gottes zu allen Dingen mächtig, stehen wider den Riss. Kommt Gott und will ein Land verderben, eilen sie ihm getrost entgegen, fallen ihm in die Arme und begüten ihn. Verfolgt man die Frommen, so nimmt sie Gott hinweg. Das ist dann ein Zeichen des gänzlichen Untergangs. Sodom verfolgte Lot, Lot wich hinaus, Sodom musste untergehen. Israel verließ Ägypten, da es die Drangsale nicht länger ertragen konnte; Pharao musste mit seiner Heereskraft im roten Meer ersaufen. Ach, was ist ein Frommer für ein Schatz und Segen im Lande! Hat nicht der einige Joseph ganz Ägypten erhalten zur teuren Zeit? Stand nicht der einige Moses wider den Riss, da Gott das ganze Volk wegen des Kälbertanzes im Grimm tilgen wollte? Aber ein Schatz sind die Frommen, vergraben im Acker, deß niemand achtet, weil ihn niemand kennt; jedermann tritt ihn mit Füßen, es ist eine große Blindheit, dass man die Frommen verfolgt, die auch von den unvernünftigen Kreaturen geehrt, geschützt und gefürchtet werden. Das rote Meer teilte sich und ließ die Kinder Israel hindurch, da Pharao mit seiner Heeresmacht ängstete; die Löwen schonten Daniels, den die Menschen im Grimm verschlingen wollten; die Raben deckten Elias den Tisch, den Jesabel hätte Hungers sterben lassen; der Walfisch herbergte Jonam, den die Schiffsleute ins Meer warfen; das Feuer erhielt die Jünglinge beim Leben, die Nebukadnezar töten wollte. Ich will mich hüten, dass ich einen Frommen verfolge, denn wer ihn verfolgt, der verfolgt ganze Städte, Länder, ja Gott selbst. Werd ich aber verfolgt, werd ich geduldig sein. Je heftiger Pharao wider das Volk Israel wütete, je mehr wuchs und vermehrte es sich. Joseph ward verfolgt von seinen Brüdern und kam dadurch zu Ehren. Dem David brachte die Verfolgung ein so hohes Licht, dass er aus prophetischem Geist Psalmen dichtete. Was kann mir der Welt Bosheit schaden, wenn ich gutes Herzens bin? Mögen auch die Dornen den Rosen, mag auch das Feuer dem Golde schaden? Niemand wird verletzt, denn nur von seinem eigenen Herzen.

 

120. 

VOM WIDERSINN DES GEISTES UND DES FLEISCHES. 

Lust, Last.

 

So empfind ich‘s. Was mein Fleisch erlustigt, belästigt meinen Geist. Ich habe Lust reich zu werden, befind aber, dass das Herz dadurch beschwert wird. Je mehr Güter, je mehr Sorgen. Ich habe Lust zum hohen Ehrenstand, aber meiner Seele leg ich eine unerträgliche Bürde auf: hoher Stand, hohe Arbeit, Unlust, Mißgunst, Nachstellung. Warum sollt ich die Seele belästigen, das Fleisch zu erlustigen? Soll die Frau der Magd dienen? Wie lang währt des Fleisches Lust, und wozu nützt sie? Wenn ich tot bin, wo bleibt aller Reichtum? Fährt mir auch meine Herrlichkeit noch ins Grab? Heißt‘s nicht am Ende so, wie die Weltkinder mit Reue bekennen: Was hilft uns nun die Pracht? Was bringt uns nun der Reichtum samt dem Hochmut? Es ist alles dahin gefahren wie ein Schatten, und wie ein Geschrei, das vorüber fährt Weish. 5,8.9. Noch eins, Lust, Last. So nenn ich mein Leben. Dem Fleisch eine Lust, dem Geist eine Last. Ist‘s nicht so? Du hast Lust lang zu leben. Was gewinnst du damit? Eine Seelenlast; je länger du lebst, je mehr Körner trägst du zusammen, deinen Sündenberg groß zu machen. Musst du nicht schon mit David seufzen: Meine Sünden gehen mir über mein Haupt, wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer worden Ps. 38,5. Und mit Manasse: Meiner Sünden sind mehr, denn des Sandes am Meer. Und hast du noch eine Begierde länger zu sündigen? Geht wohl ein Augenblick dahin, dass du nicht sündigst, der du auch in deinen allerheiligsten Werken sündigst? So unbarmherzig bist du über dich selbst. Ach nein. Obgleich das Leben dem Fleische süß, gelüstet mich doch nicht länger zu sündigen; bittre Sünde, bittres Leben. Wir kehren‘s um. Last, Lust. Christi Leben ist dem Fleisch eine Last, dem Geist eine Lust: schwer im Aufnehmen, leicht im Tragen. Was dich drückt, hilft er tragen. Das geringste Stücklein liegt auf deinen Schultern. Wie die Flügel den Vogel nicht beschweren, sondern vielmehr tüchtig machen zum Fliegen; so beschwert Christi Joch das Herz nicht, sondern reißt es ab vom Irdischen, dadurch es beschwert wird; diese Last macht nicht träg, sondern munter, nicht klein-, sondern großmütig. Christi Tröstungen und seines Geistes Mitwirkungen machen alles leicht. Ein Tröpflein himmlischer Süßigkeit ist edler und lieblicher als alle Wollust der Welt. Eine Wunderlast. Je länger sie getragen wird, je leichter sie wird. Was dem Fleisch Wermut ist, das macht die Liebe Jesu dem Geist zu lauter Honig. Christi Leiden ist auch dem Fleisch eine Last, dem Geist eine Lust. Wie rümpft und würgt sich der alte Adam, wenn er mit Christo ans Kreuz soll! Will nicht gern hinan; der Geist ist willig, weil es Christi Kreuz ist. Der legt‘s auf, der will es tragen, der versüßt‘s auch mit seinem Trost; fällt ein Tröpflein seines Trostes in den Kreuzkelch hinein, so ist‘s durch und durch versüßt. Das Sterben ist dem fleischlichen Menschen eine Last. Wie krümmt und windet er sich, wenn das Treffen mit dem Tode angehen soll! Dem geistlichen Menschen aber ist‘s eine Lust, der spricht mit Paulus; Ich habe Lust abzuscheiden. Denn er weiß wohl, dass im Tod nichts verloren, viel gewonnen wird. Ich will meiner Seele keine Last aufbürden, damit sie sich zu Gott in den Himmel erheben könne. Mein Fleisch aber will ich gern unter der Last halten, damit es betäubt aufhöre dem Geist zu widerstreben. Was mein Fleisch belustigt, will ich verschmähen; was aber meinen Geist belustigt, will ich erwählen.

 

121. 

VON LESUNG DER BIBEL.

Ein Buch gelesen, genug studiert.

 

Du rühmst dich, dass du die Bibel so und so viel mal durchgelesen. Das Lesen ist gut, der Ruhm taugt nicht. Der Nutzen ist dein, der Ruhm soll Gottes sein. Ich muss dir‘s nachrühmen, wenn du begraben wirst, dass du in der Bibel fleißig studiert. Was nützt der Ruhm? Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib die Ehre! Die Bibel lieb und lies, sie ist ein köstlich Buch, goldner als Gold. Gehst du auf dem breiten Wege? Sie richtet deine Füße auf den engen Weg, und umschränkt deinen Wandel mit der Lehre und dem Leben Jesu Christi. Ist im Herzen Irrtum und Zweifel? Sie erleuchtet und vertreibt alle Finsternis. Neigt sich das Herz zur Welt? Sie zieht es zurück. Ihr Feuer verzehrt alle weltliche Lust. Gibt sie Gottes Liebe zu schmecken, so verliert sich bald alle Weltliebe. Sie trägt das Herz wie ein Magnet in die Höhe, wenn gleich die natürliche Unart noch so sehr zur Erde drückt. Ist das Herz träg zum Guten? Sie lockt es mit erzeigter göttlicher Güte an sich, fleht durch die Barmherzigkeit Gottes. Sollten solche Liebesschläge das Herz nicht erweichen? Sollten solche Liebesflammen das kalte Herz nichts erwärmen? So feurig ist Gottes Güte, wenn sie das Herz recht berührt, zieht sie dasselbe mit einer starken jedoch süßen Gewalt dermaßen nach sich, dass es mit Lust tut, was Gott gefällt. Ist das Herz traurig? Sie erfreut es. Denn Gott ist, der da redet. Seine freundliche Mutterstimme müsste ja dem weinenden Kinde tröstlich sein. Ist das Herz schwach? Sie stärkt es. Wie ein Gewürz, wenn‘s zerrieben wird, das matte Herz: so stärkt das Wort Gottes, wenn es in heiliger Andacht zu Herzen gezogen wird, die entkräftete abgemattete Seele. Aber, mein Christ, liest du die Bibel, so lies sie nicht zu dem Ende, dass du eine bloße historische Wissenschaft daraus schöpfst, sondern dass du dein Gemüt mit Andacht wie ein Bienlein mit Honig anfüllst, die Andacht im Gebet offenbarst, durch Gebet die Kraft des Wortes, wie der Baum den Saft durch die Wurzel, in dich ziehst, und die Kraft hernach im Leben beweisest. Die Bibel ist dir nicht zur Kunst, sondern zur Brunst; nicht zur Gelehrtheit, sondern zur Gottseligkeit gegeben. Der Teufel bewies in der Wüste, dass er auch in der Bibel gelesen, aber nicht sich selbst fromm zu machen, sondern Christum und seine Glieder damit zu bestricken. Mancher gelehrte Streitkopf liest die Bibel emsig, doch nicht zu seiner eigenen Besserung, sondern zu anderer Verwirrung. Ein solcher ist des Teufels Same. Mir soll die Bibel ein Spiegel sein, darin ich beschaue, was ich in Adam vor dem Fall gewesen, durch den Fall geworden; was ich in Christo sein könne und solle; was ich endlich in der Ewigkeit sein werde. Das erste wird in mir erwecken eine reine Liebe Gottes, und die aus der Liebe fließende Sündenreue; das andere wird in mir wirken den Hass mein selbst, die Tötung des Fleisches, Demut, Sanftmut und Geduld. Das dritte wird in mich pflanzen den Glauben und die Gottesfurcht. Das vierte wird mich lehren, die Eitelkeit zu verschmähen, und die Ewigkeit zu suchen. In diesen vier Stücklein besteht das ganze Christentum.

 

122. 

VOM GEIZ. 

Viel Schätze, viel Netze.

 

Wen wollte noch gelüsten reich zu sein? Die da reich werden wollen, die fallen in Versuchung und Stricke, und viel törichte und schädliche Lüste, welche versenken die Menschen ins Verderben und Verdammnis 1 Tim. 6,9. Reichtum verdammt niemand. Gott selbst ist der allerreichste, und sein Segen macht reich. Auch ist die Kreatur Gottes an ihr selbst gut und unverwerflich. Verdammlich aber ist die unordentliche ungezähmte Lust reich zu werden, da man Tag und Nacht darauf sinnt und dichtet, wie man viel Gold zusammen trage. Ein solcher ist hinterm Gold her, wie der Jäger hinterm Wild, und der Teufel ist wieder hinter ihm wie ein Jäger her. Er jagt ihn ins Sündennetz, und stürzt ihn aus der einen Sünde in die andere. Da hängt man Gottesfurcht und Gewissen an den Zaun, so wird man wohl reich. Aus dem Sündennetz jagt er ins Lustnetz, denn damit der Sünden immer mehr und mehr begangen werden, macht er die Geldlust immer größer; je mehr man hat, je mehr man haben will. Oft wird der Geizige so verstrickt und verwirrt in seinen Anschlägen und Begierden, dass er sich nicht wieder weiß heraus zu wickeln. Wie viel Torheit läuft da mit unter! Viel haben und doch nichts haben, ist‘s nicht Torheit? Der Geizige darf nicht brauchen, was er hat, sein Mammon möchte zürnen, so man ihn anrührt. Vollauf haben, und doch immer mehr begehren, ist‘s nicht Torheit? Wie viel Schadens entsteht aus solcher Geldlust! Wem schadet der Geizhals nicht? Den Nächsten bringt er um das Seine, ist wie ein Dornstrauch, hält an und raubt was ihm zu nahe kommt, sucht allenthalben seinen Vorteil, mit anderer Nachteil, sich selbst bringt er um Gottes Gnade und Segen, leidet Schiffbruch am Gewissen und guten Namen, verliert der Menschen Gunst und Liebe; seinen Erben hängt er einen Schandflecken an, und da er sich‘s sauer werden lässt, sie reich zu machen, macht er sie doch in Wahrheit nur arm. Gestohlen Gut gedeiht nicht. Wie gewonnen, so zerronnen. Endlich jagt ihn der Teufel gar ins Höllennetz hinein, und versenkt ihn in die Grube, da kein Wasser ist. Auf solche Arbeit gehört ein solcher Lohn. Er beschwert sein Herz mit Geld- und Weltsorgen; was schwer ist, muss zu Grunde sinken. Er war wie ein Wassersüchtiger, konnte nicht genug kriegen; jetzt liegt er in der Grube, da ihm kein Wassertröpflein werden mag. Er war gleich der Hölle, die nicht zu sättigen ist, und brannte vor Begierde, immer mehr und mehr zu haben; jetzt muss er im höllischen Feuer brennen. Sein Geizbrand ließ sich nicht löschen, sein Höllenbrand verlöscht auch nicht. Bedenk es Herz, und höre auf zu geizen. Aller Welt Reichtum mag dir so viel Trostes nicht bringen, als dir deine unersättliche Begierde Pein bringt. Betrachte deines Lebens Kürze. Vergeblich sammelst du so viel Schlamm, weil vielleicht das Stündlein nahe ist, darin du alles verlassen musst. Erwäge die Armut Jesu, und die Schätze, die Gott seinen Kindern im Himmel beigelegt hat. Gedenke, es ist ein großer Gewinn, wer gottselig ist, und lässt ihm begnügen. Denn wir haben nichts in die Welt gebracht, darum offenbar ist‘s, wir werden auch nichts hinaus bringen. Wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, so lasst uns begnügen 1 Tim. 6,6.7.8. Gibt dir Gott Reichtum, so werde nicht stolz, hoffe auch nicht auf den ungewissen Reichtum, sondern auf den lebendigen Gott, der dir dargibt allerlei reichlich zu genießen; tue Gutes, werde reich an guten Werken, gib gern, sei behilflich, sammle Schätze, dir selbst einen guten Grund auf‘s Zukünftige, dass du ergreifst das ewige Leben V. 17.18.19. Ich will meinen Begierden Maß setzen in der Notdurft. Gibt Gott ein mehreres, soll mein Überfluss des Nächsten Notdurft dienen.

 

123. 

VON GROSSER WISSENSCHAFT.

Viel Wissens, wenig Gewissens.

 

Sind zwei gute Freunde, und wohnen gemeiniglich bei einander. Du rühmst dich deiner großen Wissenschaft. Die Teufel wissen mehr als du, und müssen doch ewig in der Hölle brennen. Was nützt dein Vielwissen, wenn kein Gewissen dabei ist? Weißt du nicht, was Christus sagt: Der Knecht, der des Herrn Willen weiß und tut ihn nicht, wird viel Streiche empfangen? Du hast die Schrift studiert, aber hast du auch den innern geheimen Verstand gefasst? Was nützt sie im Gehirn und auf der Zunge, wenn sie nicht im Herzen ist? Die Liebe übertrifft das Wissen. Liebe bessert, Wissen bläht auf 1 Kor. 8,1. Wie das Wasser die Kraft des Weins dämpft, dass er nicht trunken mache; so muss die Liebe das Wissen bezwingen, dass es nicht aufblähe. Keine Wissenschaft bessert ohne Liebe. Wie die Speise den Leib nicht ernährt, wenn sie nicht durch die natürliche Hitze verdauet wird, so nützt keine Wissenschaft, wenn sie nicht das Feuer der göttlichen Liebe in sich hat. Ach, was erhebst du dich deiner Wissenschaft halber? Eine kleine Krankheit kann dein Haupt schwächen, deinen Verstand brechen, dein Gedächtnis verderben. Was brüstest du dich? Wie viel du immer weißt, ist doch alle deine Wissenschaft nur Stück- und Kinderwerk, 1 Kor. 13,9., und wo bleibt deine Wissenschaft nach dem Tode? Wie bald wird ihrer vergessen? Wer sich einbildet, er wisse was, der weiß noch nicht, was er wissen soll. Nichts wissen, ist das höchste Wissen. Du weißt alles. Kennst du auch dich selbst? Je mehr du dich bemühst, die Dinge zu wissen, die außer dir sind, je mehr vergisst du dein selbst, und deines inwendigen Grundes. Du weißt alles. Kennst du Gott auch? Alle Weisheit außer Gott ist Torheit, denn sie führt von der wahren Weisheit ab. Fürchte Gott. Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang. Siehe zu, dass du hie mit Gott vereinigt werdest durch den Glauben, so wirst du dermaleinst in Gott alles sehen und verstehen. Wie du ohne die Sonne die Sonne nicht sehen, und ohne Wasser auf dem Wasser nicht fahren; so kannst du Gott ohne Gott nicht erkennen. Drum bitte ihn, dass er dich erleuchte. Lass die Kreatur dir ein Spiegel sein, darin du Gott beschaust. Er ist aller Dinge Ursprung, und in ihm ist alles Gut unendlich besser, als in allen Dingen. Was du Gutes weißt, das übe; Wissenschaft ohne Tat ist eine Wolke ohne Regen, ein Baum ohne Frucht. Ich will allezeit dafür halten, dass ich nichts weiß, auch nichts begehren zu wissen, als nur Jesum den Gekreuzigten. So weiß ich genug, ob ich gleich sonst nichts wüsste. 

 

124. 

VOM HOHEN EHRENSTAND.

Große Würden, große Bürden.

 

Würde, Bürde. Freilich ja. Große Würden, große Sündenbürden. Die in hohen Ämtern leben, haben vor andern Anlass zu sündigen, sowohl, weil sie meinen, dass sie der gemeinen Strafe entzogen sein, als auch, weil sie viel mehr Neigungen haben denn andere. Der Teufel ist nirgend geschäftiger als an der Herren Höfen, denn er ist auch ein großer Herr und Fürst der Welt. Gleich sucht sich; die hohen Bäume werden von den Winden am meisten bewegt; hoher Stand ist beweglich, und zum Sündenfall geneigt; die großen Fische bestrickt das Netz, die kleinen können entrinnen. Wer in großen Ehren sitzt, ist gleich dem, der auf einem hohen Turm steht; wie leichtlich fällt er! Gleich dem, der auf einem schlüpfrigen Wege geht; wie bald strauchelt er! Große Würden, große Strafbürden. Fürsten sind der Untertanen Vorbilder, sündigen sie, so sündigt der Haufe mit. Wie können sie an den Untertanen strafen, deß sie selbst schuldig sind? Strafen sie nicht, so straft Gott. Da müssen sie oft mit Schmerzen sehen, wie ihr Land und Leute jämmerlich verderbt werden. Wie Gott an den hohen Leuten nicht nur ihre guten Werke, sondern auch ihre guten Exempel belohnt, so straft er nicht nur ihre bösen Werke, sondern auch ihre ärgerlichen Exempel. Ein großer Herr, der andere sündigen macht, muss so viel Klafter tiefer in die Hölle sinken, als viel er hat sündigen gemacht. Große Würden, große Amtsbürden. Die Schrift nennt das Amt einen Dienst. Große Herren, große Knechte. Je höher du bist, je mehr dir anvertraut, je mehr bist du andern verbunden, dir selbst genommen und aus der Freiheit in die Knechtschaft gesetzt. Hoher Stand, hohe Verantwortung. Große Herren müssen eben so wohl am jüngsten Tage von ihrem Leben Rechenschaft geben, als andere, und noch dazu von ihrer Regierung. Große Würden, große Kreuzbürden. Was hat hoher Stand doch für Mühe, Unruh, Gefahr und Nachstellung? Niemand ist unsicherer, als der auf der Spitze steht. Hohe Berge zerschmettert der Blitz. Drum, mein Freund, trachte nicht nach hohen Dingen Röm. 12,16. Warum willst du dir selbst eine Last aufbürden, da du frei sein kannst? Warum willst du lieber ein Knecht als ein Herr sein? Je größer auf Erden, je kleiner im Himmel. Was haben hohe Häupter mehr davon denn das? Mensch, du musst sterben; heute König, morgen tot. Sie sind so wenig vorm Tode sicher, als die hohen Ähren vor der Sichel. Und nach dem Tode ist kein Unterschied zwischen Hohen und Niedrigen. Gehe ins Sarghaus, du wirst dürre Knochen finden, und keine Wahl darunter. Wie viel Hohe haben ein klägliches Ende genommen! Das lass dich schrecken. Solltest du einen Blick in die Hölle tun, würdest du sehen, wie die hohen Häupter bei den Teufeln oben an sitzen und den ersten bittern Trunk aus dem Taumelkelch tun müssen. Ich bin mit Gott zufrieden, und halt‘s für eine Gnade, dass die Welt nicht höher mit mir hinaus will. Wäre mein Stand nach der Welt besser, vielleicht möcht er nach Gott ärger sein. Doch halt ich meinen Stand nicht für den geringsten. Ich bin ein Diener Christi, und Haushalter über Gottes Geheimnisse. Was kann höher sein? Gib mir, mein Gott, ein niedriges Herz beim hohen Stand, so werde ich dir gefallen.

 

125. 

VON EIGNER RACHE.

Lass Gott, was Gottes ist.

 

Du willst dich selber rächen; handelst töricht. Die Rache ist eine Art des Gerichts. Wie kannst du dein eigner Richter sein? Eigenliebe blendet. Gott hat sich erboten, die Mühe auf sich zu nehmen. Oder verstehst du die Kunst besser als Gott? Greif Gott nicht ins Amt, und setze dich nicht auf seinen Thron. Er leidet‘s nicht. Drei Dinge hat sich Gott vorbehalten. Die Herzenskündigung; es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding, wer kann‘s ergründen? Ich der Herr kann das Herz und die Nieren prüfen Jer. 17,9.10. Die Ehre aller Dinge; ich, der Herr, ist mein Name, und will meine Ehre keinem andern geben, noch meinen Ruhm den Götzen Jes. 42,8. Und dann die Rache; die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr Röm. 12,19. Lass Gott, was Gottes ist. Ach warum eilst du so zur Rache? Hat dein Nächster dich beleidigt? Wie oft hast du Gott beleidigt: Wenn sich Gott alsbald hätte zur Rache rüsten wollen, hättest du schon längst im höllischen Feuer brennen müssen. Weißt du nicht, was Christus sagt: Mit dem Maß, damit ihr messt, soll euch wieder gemessen werden Luk. 6,38. Gott zahlt dir mit deiner Münze. Rächst du dich am Nächsten, so rächt er sich an dir. Weil sich Eva versündigt hatte an der Frucht des Baumes, musste sie gestraft werden an der Frucht des Leibes. Wie kann dich dein Nächster beleidigt haben? Niemand wird beleidigt, denn nur von seinem eigenen Herzen. Gesetzt, dein Nächster habe dich beleidigt, willst du dich noch mehr beleidigen? Dein Nächster hat dich erzürnt, willst du dich noch mehr erzürnen? Dein Nächster hat dir Schaden getan an deinem Gut, du tust dir durch Eifer Schaden an deinem Blut; dein Nächster hat verletzt deinen Leib, du verletzt durch eigene Rache deine Seele dazu. Du willst Böses mit Bösem vergelten. Wem bist du gleich? Dem, der Kot mit Kot will abwaschen, dem, der seine Wunden mit eines andern Wunden heilen will. Warum suchst du dein Heil in deines Nächsten Unheil? Heißt das nicht Trauben suchen an dem Dornenstrauch? Dein Nächster hat dich beleidigt, du willst ihn wieder beleidigen. Wer empfindet das größte Leid von der Rache, du oder dein Nächster? Rache trifft gemeiniglich beide, den, der sie übt, und den, der sie leidet, doch jenen mehr als diesen. Die Biene, wenn sie im Zorn eines andern Fleisch vergiftet, verliert sie drüber ihren Angel; du schadest deinem Beleidiger und verlierst drüber oft dein Leben, oft deine Seligkeit dazu. Zorn und Rachgierigkeit ist gleich einem Ungewitter, das sich selbst verzehrt. Vergeben ist besser als rächen, denn Vergeben ist ein Zeichen einer Großmütigkeit, rächen aber ein Zeichen einer Kleinmütigkeit. Gott vergibt dir, vergib du dem Nächsten. Vergebet, so wird euch vergeben. Durch Wohltun kannst du dich am Feinde zum besten rächen. Hungert deinen Feind, so speise ihn, dürstet ihn, so tränke ihn. Durch Wohltun wirst du das feindselige Herz gewinnen, das kalte Herz anzünden. Aus deinem Liebesfeuer wird ein Flämmlein inbrünstiger Gegenliebe in seinem Herzen anglimmen. Lässt sich der Beleidiger nicht finden, so ertrage das Unrecht mit sanftmütigem stillem Geist auf Gott, befiehl ihm die Rache, und erwarte die Zeit der Vergeltung mit Geduld: bleibt Gott mit seinem Gericht lang aus, werde nicht ungeduldig, sondern harre, bis dein Beleidiger das Maß seiner Sünden erfüllt hat, und wisse, dass Gott den Verzug mit der Härtigkeit ersetze. Ich will die Beleidigung am Nächsten so rächen, dass Gott nicht Ursach habe, meine Rache an mir wieder zu rächen, das ist, ich will von Herzen vergeben. Das hilf mir, mein Gott! Amen.

 

126. 

VON DER WAHRHEIT GOTTES.

Ein Mann ein Mann, ein Wort ein Wort.

 

So sprichst du; das trügt. Menschen sind Lügner, reich an Worten, arm an Werken; Wolken, die einen großen Bauch machen, und wie eine ungeheure Last in der Luft hängen, als wollten sie jetzt zerbrechen, und das Erdreich mit einer Wasserflut überschwemmen, ehe man sich aber umsieht, hat sie der Wind von einander gejagt, und fällt kaum ein Regentropfen herab. So sind die Menschen; wer das Meiste zusagt, hält das Wenigste. Ich spreche so: Ein Gott ein Gott, ein Wort ein Wort. Höre, was David sagt: Herr Gott Zebaoth, wer ist wie du? Ein mächtiger Gott, und deine Wahrheit ist um dich her Ps. 89,9. Der Jäger umgibt das Wild mit Netzen, so kann‘s nicht entrinnen; Gottes Wahrheit ist um ihn her, so manche Verheißung, so manches Netz. Ein jede Verheißung dringt auf ihn zu, und spricht: Herr, das hast du zugesagt, das musst du halten. Gott kann mir nicht entrinnen, er muss erfüllen, was er versprochen; seine Wahrheit hält ihn allenthalben. Das Wild kann durchs Netz ein Loch machen, und so entfliehen; aber wie will Gott durch seine Verheißung ein Loch machen? Was will er sagen? Ich habe dir‘s nicht zugesagt? Herr, ich halt dir vor dein Wort, ich will dir‘s nicht halten? Herr, du wirst nicht an mir zum Lügner werden. Du bist‘s nicht wert? Herr, so ist doch deine Wahrheit noch wohl wert, dass sie nicht zu Schanden werde. Mein Herz, du traust einem glaubwürdigen Menschen auf sein bloß Wort: von Gott hast du Hand und Siegel, und willst doch nicht trauen? Durch Misstrauen machst du Gott zum Lügner. Wenn jemand zu dir sagte: Sorge nicht, ich will dich versorgen, und du sorgst doch, so hältst du ihn für einen Lügner. Denn was denkt dein Herz? Man kann nicht trauen, es wird viel gesagt, wenig gehalten; so denkt auch dein Herz im Misstrauen gegen Gott. Ich will meinem Gott trauen, er hält Wort. Verleugnet er sein Wort, so verleugnet er seine Wahrheit, verleugnet er seine Wahrheit, so verleugnet er sich selbst, so kann er kein Gott mehr sein. Drum lass ich‘s ankommen. Wenn Gott wird aufhören Gott zu sein, so wird er auch aufhören sein Wort zu halten. Wo bleibt denn die Verheißung? sprichst du. Warte, bis Gottes Stündlein kommt. Wenn seine Ehre und deine Seligkeit kann befördert werden; so ist die rechte Zeit; wenn die Not am größten, so ist die Hilfe am nächsten. Gott zieht aus dem Kreuzmeer nicht heraus, ehe das Wasser bis an die Seele geht. Wenn’s auf‘s Höchste kommt, dass die Not nicht kann größer werden, und man schon an aller Menschen Hilfe verzweifelt, so stellt sich Gott mit seiner Hilfe ein, und beweist, dass er der Herr sei, der Wunder tun kann; wenn eine Mutter hört, dass ihr Kind in Gefahr sei, denkt sie anfänglich, es habe so große Not nicht, schickt einen hin, der die Not in Augenschein nehme und helfe; ist‘s aber, dass die Gefahr ans Leben geht, säumt sie nicht, eilt hin und hilft dem Kinde. Darum mein Herz, je größere Not, je freudigerer Mut: denn so ist die Hilfe am nächsten. In großen Nöten schreit man jämmerlich, da stößt man ein Seufzerlein nach dem andern heraus, die fahren hinauf, stürmen Gott den Himmel, brechen ihm das Herz, dass er zutreten muss und Rettung schaffen. Kannst du es doch über dein Herz nicht bringen, wenn du einen kläglich heulen hörst, dass du nicht solltest hingehen, seinen Jammer zu beschauen, und ihm helfen. Gott ist barmherziger als du. Er hält auch Wort. Warte sein. 

 

127. 

VOM ZUSTAND DER CHRISTEN AUF ERDEN.

Wie eine Rose unter den Dornen. Hohel. 2,2.

 

So finde ich die Christenheit auf Erden. Ein wohlriechendes Röslein ist sie, geht aber nicht auf Rosen, sondern auf Dornen; muss sich vom Teufel und seinen Schuppen jagen und plagen lassen. So ist‘s. Jesum Christum kann die Welt nicht leiden. Die Juden haben ihn gekreuzigt in seiner Person, die Welt kreuzigt ihn noch in seinen Gliedern. Ist Jesus der gesegnete Weibessame in dir, so ist der verfluchte Schlangensame wider dich, gibt dir einen Mordstich nach dem andern. Du suchst bei Christo gute Tage? Ist recht. Aber so du die Tage gut nennst, die dem Fleische wohl tun, betrügst du dich nur und handelst ja so töricht, wie der, der Trauben am Dornbusch und Feigen am Distelstrauch sucht. Christus kommt nicht, dem Fleische gut Gemach und Wohlleben, sondern Kreuz und Unlust anzurichten; die Christo angehören, kreuzigen ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden Gal. 5,24. Bist du Christi Jünger, so musst du auch sein Nachfolger im Kreuz sein. Wo ich bin, sagt er, da soll mein Diener auch sein. Dies geht sowohl auf den Stand der Erniedrigung, als auf den Stand der Erhöhung. Denn wer mit ihm herrschen will, muss zuvor mit ihm leiden. Wo findest du Jesum im Stand der Erniedrigung? Nicht im Reichtum, sondern im Mangel: er hatte nicht, wo er sein Haupt hinlegen konnte, alles war sein; nicht in großen Ehren, sondern in Schmach und Schanden: er war ein Spott der Leute und Verachtung des Volks; nicht in Freud und Wonne, sondern in Blut und Tränen. Der Knecht ist nicht über seinen Herrn, noch der Jünger über seinen Meister. Schändlich würde es stehen, wenn der Knecht zu Pferde säße, der Herr zu Fuß ginge; wenn der Jünger sich wollte mit Rosen kränzen lassen, da der Herr mit Dornen umflochten ist. Du bist ja nicht besser als dein Jesus; was suchst du denn auf Erden ein besseres Glück zu haben, als er gehabt? Wenn dem Urias gesagt ward, er solle hinab in sein Haus gehen, und sich ergötzen mit seinem Weibe, gab er zur Antwort: „Die Lade und Israel und Juda bleiben in Zelten, und Jakob, mein Herr, und meines Herrn Knecht liegen zu Felde, und ich sollte in mein Haus gehen, dass ich esse und bei meinem Weibe liege? So wahr du lebst und deine Seele lebt, ich tue es nicht.“ Wenn dir die Welt zuruft, tritt zu uns, hab einen lustigen Tag mit uns, bei Christo ist lauter Trauern, gib du zur Antwort: Mein Jesus hat getrauert bis in den Tod, und ich sollte fröhlich sein? Mein Jesus hat geweint und ich sollte lachen? Nein, Welt, das tue ich nicht. Christen müssen Kreuzträger sein, drum, willst du ein Christ sein, schicke dich zum Kreuz. Die Kirche ist der Leib, Christus das Haupt; wie kann dem Leib wohl sein, wenn das Haupt leidet? Bist du ein Glied am Leibe Christi, so musst du auch Teil haben an den Schmerzen Christi, sonst bist du nicht ein lebendiges, sondern ein totes Glied. Ich will mich nicht weigern, mit Christo zu leiden. Es ist mir die höchste Ehre, dass ich seinem Bilde ähnlich werde. Unfruchtbare Bäume werden weder gesteinigt noch zerbrochen, weder gerüttelt noch geschüttelt, endlich aber abgehauen und ins Feuer geworfen; so hab ich ein gewisses Kennzeichen bei mir selbst, dass ich ein auserwählter Baum im Garten Christi bin. Gott will mir mit dem Kreuzrütlein die Bußtränlein aus den Augen stäupen. Wie das Eisen das ungesunde Geblüt aus den Adern, so zieht das Kreuz die Sündenlüste aus dem Herzen. Was das Feuer dem Gold und das Polierzeug dem Stein, das muss mir die Trübsal sein. Trübsal erleuchtet mich, dass ich Gott erkenne. Joseph ward nicht erkannt von seinen Brüdern, da er ihnen wohl tat, sondern da er sie ängstete. Trübsal erhebt mein Herz zu Gott; je mehr die Wasser der Sündflut wuchsen, je höher stieg der Kasten. Die Kreuzmyrrhe bewahrt mich vor der Sündensäule, ist zwar bitter, doch heilsam. In den bittern und salzigen Wassern fängt man die größten Fische, in den süßen nur kleine; je größeres Kreuz, je größerer Heiliger. Der Wind muss das Korn von der Spreu, und das Kreuz den Gerechten vom Ungerechten scheiden; die Gottlosen bestehen im Kreuz nicht, sind wie die Spreu, die in der Luft zerflattert; das Korn fällt zu den Füßen seines Herrn, die Gerechten fallen im Kreuz zu Gottes Füßen, und lassen sich in seinen Willen. Ein solches Körnlein war Christus: Vater, nicht was ich will, sondern was du willst. Ein solch Körnlein will ich auch sein. Im Kreuz wird ein jeder erkannt; was zum Israel Gottes gehört, geht durchs Kreuzmeer hindurch; was aus dem Weltägypten ist, das sinkt nieder. Gott muss uns züchtigen. Züchtigt er uns nicht hier als ein Vater, so züchtigt er uns dort als ein Richter. Ich will das Vaterrütlein küssen, damit ich dem Richterzorne entrinne. Nicht will ich Gott bitten, dass ich ohne Kreuz sei, sondern dass ich mein Kreuz geduldig tragen möge. 

 

128. 

VON DEN GROSSEN PALÄSTEN. 

Großer Gast, kleines Haus.

 

Du bist ein klein Stück Fleisches und bauest dir ein großes Schloss zu deiner Wohnung. Ach, Eitelkeit! Christi Stall und Krippe macht deine Paläste zu Schanden. Bist du nicht ein Fremdling auf Erden? Wer baut Häuser in fremden Landen? Die heiligen Männer, Abraham, Isaak, Jakob haben in Zellen gewohnt und lebten doch bei 700, 800 Jahren. Du, der kaum 60, 70 Jahre erreicht, bauest große Schlösser und erdenkst täglich neue Arten. Ach, wem bauest du deine schönen Häuser? Vielleicht dem Feuer, vielleicht dem Wasser, vielleicht dem Feinde und Zerstörer. Jerusalem ward ein köstlich Gebäu und ward doch so jämmerlich verstört, dass kein Stein auf dem andern blieb. Wie manches Schloss, das vor wenig Jahren mit großer Mühe und Kosten erbaut, liegt jetzt in der Asche! Gedenkst du nicht an den Tag, an welchem die Erde mit allen ihren Werken verbrennen wird? Wo bleibt dann dein Schloss? Dein Sinnen und Sehnen sollte gehen nach der Hütte, die nicht mit Händen gemacht ist, in der Ewigkeit solltest du dein Haus bauen, da liegt der Grund fest. Die Kinder spielen mit Sand- und Kartenhäuslein, halten mehr davon als von königlichen Schlössern; so albern und kindisch bist du, vergisst der himmlischen Wohnung und erlustigst dich an der irdischen. Die Seele wohnt im Leibe, da ist das Haus nicht größer als der Gast. Was bedarf denn ein kleiner Leib so eines großen Hauses, sind ihm doch nach dem Tode vier Bretter genug. Du wohnst länger unter als ob der Erde, und da dich unten ein enges Grab beherbergen kann, bauest du oben ein weites Schloss. O Torheit! O Eitelkeit! Ich will mich am meisten um meine Seele bekümmern und dieselbe Gott zur Wohnung aufbauen; meinem Leibe, dem Madensack, tut‘s wohl ein Leimhüttlein. Ich weiß, so mein irdisch Haus dieser Hütte zerbrochen wird, dass ich ein Haus habe von Gott erbaut, ein Haus nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Und über demselben sehne ich mich auch nach meiner Behausung, die vom Himmel ist, und mich verlangt, dass ich damit bekleidet werde 2 Kor. 5,1.2.

 

129. 

VON DER GÜTE GOTTES.

Der Herr Knecht, der Knecht Herr.

 

Sag mir, dienst du Gott, oder dient Gott dir? Ich will meinen Gottesdienst verrichten, sprichst du, wenn du zur Kirche oder zum Abendmahl gehen willst. Kehr‘s um und sprich: Gott soll seinen Dienst an mir verrichten. Dient der Krug dem Brunnen, oder dient der Brunnen dem Krug? Dient das Kind der Mutter, wenn es an den Brüsten liegt, oder dient die Mutter dem Kinde? Wer nimmt und Nutzen hat, dient nicht, sondern wer gibt und Nutzen bringt. Mein Herz, Gott dient dir; der Herr dem Knecht, und tut es gern, wenn du ihn nur mit seinem Dienst nicht verschmähst. Er ist ein Gott, der gern wohltut. Wie es der Sonne eine Lust ist, dass sie leuchtet, weil sie voll Lichts und Leuchten ihre Natur ist; so ist‘s Gott eine Lust Gutes zu tun, weil er die Güte selber ist. Er läuft uns nach mit vollem Horn, und freut sich, wenn er eine Seele findet, die seine Güte annimmt. Er tut Gutes, nicht Nutzen zu haben, sondern uns Nutzen zu bringen. Menschen tun oft auch Gutes, suchen aber im Wohltun nur ihren Vorteil, geben einen Schilling, dass sie einen Taler wieder gewinnen. Gott, der allselig ist in seinem Wesen, bedarf unsers Wohltuns nicht, sucht nur seine Brünnlein auszuleiten, und uns mit sich selbst zu vergnügen. Seine Wohltaten nützen uns, indem wir sie empfangen; seine Fürsorge speist und tränkt, sein Schutz bedeckt, sein Rat leitet, sein Trost erquickt, seine Macht stärkt, seine Gnade vergnügt uns. Auch nützen seine Wohltaten, wenn wir ihrer schon genossen, und es scheint als nützen sie nicht mehr. Deine Trübsal hat ein Ende, du denkst, der Trost sei nicht mehr nütze; die teure Zeit hört auf, du meinst, dass du der Fürsorge Gottes nicht mehr bedürfest. Denke nicht so, liebe Seele. Wenn neue Trübsale kommen, so erwecken die vorigen Wohltaten in dir ein Vertrauen, befestigen die Hoffnung, bringen Mut und Freudigkeit; da spricht man: Siehe, der alte Gott lebt ja noch, der vormals half, wird auch jetzt helfen, er ist noch so gnädig, er ist noch so mächtig als vor. Herr, der du bist vormals gnädig gewesen deinem Volk, sei auch jetzt gnädig! Psalm 85,2. 

 

Ach Gott, du bist noch heut so reich, 

Als du bist gewesen ewiglich, 

Mein Vertrauen steht ganz zu dir. 

 

Ich will gern die Güte Gottes annehmen, weil er so große Lust hat mir armes Würmlein Gutes zu tun; ich will seine Wohltaten tief ins Herz lassen, und durch ein heiliges Angedenken darin befestigen. Ich weiß, so wird‘s mir an Trost nimmer mangeln. 

 

130. 

VOM GESCHLECHTSADEL.

Fremde Federn.

 

Damit prangst du. Bist du ein Tor? Viel besser ist, selbst edel, als von Edeln geboren sein; viel besser ist‘s, selbst Schätze haben, als von andern Schätze betteln. Was ist ein edles Geblüt ohne edles Gemüt und Taten? Wenn die Juden rühmen: Abraham ist unser Vater! spricht Christus zu ihnen: Wenn ihr Abrahams Kinder wäret, so tätet ihr Abrahams Werke Joh. 8,39. Die Werke beweisen den Mann. Die Geburt adelt nicht, sondern die Taten. David war ein Hirtenknabe, aber seine Heldentaten machten ihn edel. Eine Wurzel ist‘s, die Rosen und Dornen trägt; von einer Mutter wird oft ein edles und ein unedles Kind geboren. Hat nicht ein Leib Kain und Abel, Jakob und Esau getragen? Doch waren sie nicht gleich edel an Sitten. Oft gibt dir ein unfruchtbar Erdreich Gold und Silber, dagegen ein fruchtbar Dornen und Disteln; oft entsprießt ein unedles Kind aus edlem Geblüt, oft ein edles Tugendbild aus unedlem Geschlecht. Prange nicht mit dem Titel des Edelgebornen, Wohledelgebornen, Hochedelgebornen; Geburt gibt keinen Adel. Der Adel, der dir von deinen Eltern angeerbt wird, heißt Sünde und Sterblichkeit; öffne deiner Vorfahren Grab, so wirst du deinen Geschlechtsadel vor Augen sehen. Die Verwesung heiß ich meinen Vater, spricht Hiob, und die Würmer meine Mutter und Schwester Hiob 17,14. Da hast du deinen Adel. Ein Staub bist du, ein Stank wird aus dir sowohl, als aus dem Bauern. Du Wurm, willst du dich deines Adels rühmen? Wenn dich dein Geschlechtsadel vor allen menschlichen, sowohl natür-  als sündlichen Zufällen bewahren könnte, wäre er billig hoch zu achten; aber das tut er nicht. Du sündigst sowohl als der Bauer und oft mehr. Auch geht Not und Tod nicht vor deiner Tür vorbei. Mich jammert dein, wenn ich betrachte die Worte Pauli: Nicht viel Gewaltige, nicht viel Edle sind berufen, sondern das Unedle vor der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt und das da nichts ist, dass er zu Schande mache, was etwas ist 1 Kor. 1,26.27. Wer nicht ein Sklave ist seiner Affekte, der ist recht edel. Ein lästerlich Leben verdunkelt den Adel des Geschlechts, wie die Wolken den Glanz der Sonne. Niemand lässt sich einbilden, dass ein schwarzer Rabe ein weißer Schwan sei, und ich glaube dir‘s auch nicht zu, dass du edel seist, wenn ich keine edlen Sitten an dir sehe und keine edlen Taten von dir höre; so wenig ein Sklave edel ist, so wenig ist die Seele edel, die der Sünde dient. Eines edlen Gemüts Kennzeichen sind diese: Es wird leicht bewogen. Wer ist edler als Gott? Es vergibt gern: Der Bienen König ist ohne Stachel. Es ist mildgebig und teilt sich allen mit; die Sonne, als die edelste Kreatur, leuchtet allen, das beste, edelste Gold lässt sich am weitesten ziehen. Es erhebt sich nicht im Glück, und fällt nicht im Unglück, sondern behält gleichen Mut in allem Zustand; es verachtet, was irdisch ist, lässt sich nicht denn nur am Himmel genügen; es liebt Tugend und Ehrbarkeit. Nach dem Tugendadel trachte, willst du edel sein. Der Geschlechtsadel ist nur der Deinen, der Tugendadel ist dein eigen; diesen Adel kann dir niemand geben, niemand nehmen, als du selber. Der höchste Adel ist aus Gott geboren. Dieser Adel ist allen Christen gemein. Du bist Gottes Kind, ich auch. Erheb dich nicht über mich, ich erheb mich nicht über dich. Wir sind beide gleich hoch geadelt. 

 

131. 

VON BEFÖRDERUNG ZUM PREDIGTAMT.

Schlafe, so wacht Gott.

 

Gott gibt‘s den Seinen im Schlaf. Was soll ich machen? sprichst du. Man vergisst mein. Jedermann kommt zu Diensten, ich bleib dahinten. Mein, hast du nicht gelernt deklinieren den Nominativ? Nein, ich wollte mich nicht gern selbst nennen; dazu hab ich keinen großen Namen in der Welt, such ihn auch nicht. Den Genetiv? Nein, ich bin nicht vom Stamm Levi, lass mich auch nicht gern hineinpfropfen. Den Dativ? Nein, mit schwerer Hand kann ich nicht kommen, Gold und Silber hab ich nicht, und hätte ich‘s, möchte ich mir doch keine Mühe, kein Kreuz an den Hals kaufen. Den Akkusativ? Nein, sollt ich mich hinein zu werben andere anklagen und vernichten, tät ich wider die Liebe. Den Ablativ? Nein, warum sollt ich begehren, dass um meinetwillen andere verstoßen würden, die der Last schon gewohnt sind, und sie vielleicht besser tragen können, als ich? Du armer Tropf, hast du so lange auf hohen Schulen gelebt, und kannst nichts? Ja. Den Vokativ kann ich noch wohl deklinieren. Ich wollte gern rechtmäßig und göttlich zu Amt berufen sein. Mein Freund, bleib dabei so ist dir am besten geraten. Wer rief den Samuel? Gott: Wann rief er ihn? Da er sich zur Ruhe gelegt hatte. So redet die Schrift davon: Und Samuel hatte sich gelegt im Tempel des Herrn, und der Herr rief Samuel. Er aber antwortete: Siehe, hie bin ich 1 Sam. 3,4.5. Wie vigilant ist mancher, wenn ein Dienstchen los ist! Wie vigilant sind seine Freunde! Ist doch des Laufens, Kaufens, Bettelns schier kein Ende. Man eilt zum Amt, als wenn lauter Zucker drin zu beißen, und zur Kappe, als wäre sie ganz leicht zu tragen; darnach wird aus dem Zucker Wermut, und aus der Lust eine Last. Ach, früh genug in die Mühe, Sorge, Trübsal und Verantwortung, darfst nicht darnach laufen. Was Mühe? Was Sorge? sprichst du, ich muss ja einmal zu Brot sein. Hat denn Jesus darum Blut geschwitzet, hat er darum dies heilige Amt eingesetzt, dass du Bauch und Beutel füllen könntest? Du willst Christi Diener genannt werden, und hast doch den Vorsatz, nicht ihm, sondern dir zu dienen, nicht ihm Seelen, sondern dir gute faule Tage, Gold und Silber zu gewinnen. Suchst du Lust im Predigtamt? Mich dünkt, du habest entweder nie oder nur obenhin gelesen die Worte, die Gott redet zum Ezechiel: „Du Menschenkind, ich habe dich zum Wächter gesetzt über das Haus Israel, du sollst aus meinem Munde das Wort hören, und sie von meinetwegen warnen. Wann ich dem Gottlosen sage, du musst des Todes sterben, und du warnst ihn nicht, und sagst es ihm nicht, damit sich der Gottlose vor seinem gottlosen Wesen hüte, auf dass er lebendig bleibe, so wird der Gottlose um seiner Sünde willen sterben, aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern“ Kap. 3,17.18. Siehe, wenn dir Jesus eine Schale mit seinem heiligen Blute angefüllt vertraute, würdest du ja so sorgfältig Aufsicht darauf haben, dass kein Tröpflein davon umkäme. Nun ist eine jede Seele mehr als eine solche Schale voll Bluts, denn für eine jede Seele hat Jesus all sein Blut vergossen. Ach, wie wirst du bestehen, so du eine einzige umkommen lässt? Seele für Seele. Ich glaube nicht, dass ein Diener Gottes, der sein Amt recht bedenkt, und den Schaden Josephs treulich zu Herzen nimmt, einmal recht von Herzen fröhlich sein könne, ja, ich glaube nicht, dass er fröhlich sterben könne. Selig will ich durch die Gnade Gottes sterben, denn ich habe Jesum im Herzen, den Brunnen aller Seligkeit; aber sollt ich wohl fröhlich sterben? Sollten mir nicht in meiner Stunde die Gedanken einfallen: Ach wer weiß, ob nicht ein Schäflein durch dich versäumt ist? Ich bin oft so kleinmütig, dass ich mich kaum selbst trösten kann. Ich bin mir zwar nichts bewusst, danke meinem Gott, dass er mir hilft heilsamlich lehren, und die heilsame Lehre zieren in allen Stücken; aber dadurch bin ich nicht gerechtfertigt. Wer weiß, was Gott an mir sieht, das ihm missfällt? Das bedenke, und eile nicht zum Dienst, sondern warte, bis dich Gott ruft. Ruft Gott, so gibt er auch das Gedeihen. Wie der Ruf, so das Gedeihen. Was von Menschen berufen ist, führt Menschenwort, Menschenworte, Menschenkraft. Wie könntest du mit Freudigkeit deinen Mund auftun, und die Laster strafen, wenn du dich nicht deines göttlichen Berufs zu getrösten hättest? Ich wollte lieber tausend Klaftern tief unter allen Toten stecken, als der Welt eine Strafpredigt halten, wenn mich Gott nicht gesandt hätte. Wie möchtest du mutig sein im Kreuz, wenn du nicht in deinem Gewissen eines rechtmäßigen Berufs versichert wärst? Menschen können dich nicht schützen. Menschen können sterben. Hat mich Gott gesandt, so muss mich Gott schützen. Der macht mich zu einer eisernen Mauer, dass die Verfolger an mir ihren Kopf zerbrechen müssen. Das hab ich, Gott Lob, zum öftern in meinem Amt erfahren. Sie sind zu Schanden worden, die mir nachstellten, und des Herrn Wille hat doch geschehen müssen. Traue Gott nur, der wird wohl wissen, wenn Zeit ist, dich zu fordern. Menschen Rat vergeht, Gottes Rat besteht. Lass Menschen laufen, lügen wie sie wollen, hat‘s dir Gott beschert, kein Mensch wird‘s wehren. Traue Gott nur!

 

132. 

VOM VERGÖNNTEN ZORN.

Zürne mit dir selbst.

 

Du zürnst mit andern. Was nützt es? Wirst ein zweifacher Mörder. Den Nächsten tötest du, dich auch. Den Nächsten tötest du mit dem Herzen, gönnst ihm das Leben nicht, sondern viel lieber den Tod und alles Unglück. Mit den Augen siehst du ihn sauer an, und verstellst dein Angesicht gegen ihn; mit der Zunge kränkst du seine Ehre, die ihm so lieb als das Leben ist, wünschst ihm den Tod und betrübst ihn mit manchem bittern Wort. Dich selbst tötest du geistlich, denn dein Zorn trennt dich von Gott. Gott ist den Seelen, was die Seele dem Leib; ohne Gott ist die Seele tot. Wo der Zorn die Herrschaft nimmt, da geht Christus die Sonne der Gerechtigkeit unter. Christus ist der Seelen Leben, ohne ihn bist du geistlich tot. Du tötest dich leiblich. Wie zittern deine Hände und Lippen im Zorn, wie nimmt die törliche Bleiche dein Gesicht ein, wie feurig sind deine Augen, wie stammelst du mit deiner Zunge, wie unordentlich ist die Bewegung deines ganzen Leibes! Sind alle Todeszeichen. Du tötest dich ewig. Denn der Zorn gehört mit zu den offenbaren Werken des Fleisches, von welchen Paulus sagt, dass die, so dieselben tun, nicht werden ins Reich Gottes kommen, Gal. 5,19-21. Willst du ja zürnen? So zürne wider deine Sünde. Willst du strafen? Straf dich selbst. Willst du richten? Sei ein strenger Richter in deinem eigenen Verbrechen. Dies ist der einzige Gewinn des Zorns. sonst schadet er nur. Wie spricht Seneca im 28. Brief? „So viel du immer kannst, erforsch dich selbst, sei erstlich dein Ankläger, darnach dein Richter, am letzten dein Ab- und Fürbitter. Erzürn dich auch bisweilen selbst.“ Was der Hund dem Schäfer, das soll mir der Zorn sein. Ich will ihn nicht weit von mir lassen, sondern nahe bei mir führen; nicht auf Menschen, sondern auf Wölfe loslassen. Was hat er mit meinem Nächsten zu tun? Meine eigenen Laster soll er anbellen, beißen und strafen. Ich will ihn so gewöhnen, dass er wie ein Schatten, wohin ich mich kehren werde, mir folgen soll. 

 

133. 

VOM BILLIGEN WUCHER.

Hundert für eins.

 

Ist‘s nicht zu viel? Die Rechte lassen nur fünf oder sechs um hundert zu. Aber was ist dem Geizigen zu viel? Die Hölle spricht nimmer, ich bin satt. Christen leihen den Armen, und hoffen nichts davon Luk. 6,35. Die Liebe mäßigt bei ihnen den Zins, dass er leidlich sei, nach der Notdurft dessen, der sein Geld ausleiht, und dem Gewinn dessen, der es hat gebraucht; unchristlich ist‘s, wenn der Abtrag des Zinses den Vorteil des Zinsgebers überwiegt. Aber, was nützt die Frage? sprichst du. Wer gibt tausend um eins? Gott und die Natur tut‘s. Von Gott versichert dich der Heiland: „Wer verlässt Häuser, oder Brüder, oder Schwester, oder Vater, oder Mutter, oder Weib, oder Kinder, oder Äcker, um meines Namens willen, der wird‘s hundertfältig nehmen, und das ewige Leben erben“ Matth. 19,29. Gott gibt dir anstatt der zeitlichen Güter ein vergnüglich Herz. Der Geizige begehrt noch 100 Taler, du begehrst nur einen zur Nahrung und Kleidung; so viel du nicht begehrst, so viel hast du. In der Begierde liegt Armut und Reichtum. Heißt das nicht hundert für eins? Du hast die 100 Taler, die der Geizige noch begehrt. Gott gibt dir ums Zeitliche das Ewige, für zwei Liebesscherflein den Himmel. Ist nicht der Himmel hundertmal besser als ein Scherflein, ja, als die ganze Welt? Wuchern willst du, und fängst es nicht recht an; dein Geld willst du austun, und bestätigst es nicht am rechten Ort. Wo steht‘s sicherer als bei Gott? Wer gibt mehr Zinsen als Gott? Bist du klug, so sammle dir Schätze im Himmel. „Wer sich des Armen erbarmt, der leiht dem Herrn, der wird ihm wieder Gutes vergelten“ Sprüchw. 19,17. Die Natur gibt dir auch hundert für eins im Ackerbau. Vom Isaak sagt die Schrift: „Und Isaak säete im Lande, und kriegte desselben Jahres hundertfältig, denn der Herr segnete ihn“ 1 Mose 26,12. Wenn Gott segnet, dann gedeiht der Ackerbau, und das Land gibt hundertfältige Frucht. Du tust dein Geld auf schändlichen Wucher, verlierst oft Hauptsumme, Zinsen und alles. Beim Erdreich darfst du keine Gefahr ausstehen, dass dein Same verloren werde. Was du ihm gibst, gibt es dir wieder mit reicher Zugabe. Ich halte keinen Wucher für billiger und nützlicher, als den Erd- und Himmelswucher. Damit halt du es auch.

 

134. 

VON DER KLUGHEIT.

Alles mit Bedacht, lass nicht außer Acht.

 

Eil mit Weil. Wieg es, wag es. Klüglich, glücklich. „Ein kluges Herz handelt bedächtiglich“ Sprüchw. 15,14. Der Haufe spannt die Pferde hinter den Wagen, und heißt‘s mit ihm: Erst getan nach bedacht, erst gewagt, darnach gewogen. Ist hierin nicht ungleich einem närrischen Kaufmann, der sich bereden lässt, eine Münze anzunehmen, die er nicht kennt, wird aber hernach, wenn er ihrer gebrauchen will, gewahr, dass sie ihr Gewicht nicht hat; wie schändlich ist der betrogen! Aber von wem? Von sich selbst, weil er nicht hat vor gewogen, und nach gewagt. Du sprichst: Es geht nicht wie es soll. Nein, wie der Anfang ist, so ist das Ende. Hast du das Werk klüglich angefangen? Wo nicht, so schreibe dir‘s selbst zu, dass das Ende nicht glücklich ist. Die Hebräer haben ein Wörtlein, in welchem sie die Klugheit und das Glück zusammenfassen, anzuzeigen, dass Klugheit des Glückes Mutter, und Glück der Klugheit Tochter sei. Wie in einer Linie Anfang und Ende unzertrennlich zusammenhängen, so lassen sich in unsern Werken Klugheit und Glück nicht trennen. Klüglich angefangen, glücklich geendigt. Versuch‘s, du wirst‘s erfahren. Tue nichts in Eile und Unbedachtsamkeit. Kühnheit und Tollheit sind zwei Schwestern. Selten gelingt‘s, wenn man mit seinem eignen Kopf durch will. Verwegenheit ist eine Stifterin vieles Unglücks. Jener Heide (Sallustius) sagt: „Ehe du was anfängst, bedenke es zuvor wohl, alsdann magst du es nach geflohenem Rat und reifer Erwägung ohne allen Verzug ins Werk setzen.“ Das nimm in Acht, es ist dir keine Schande, dass du vom Heiden etwas Gutes lernst. Oder schämst du dich vom Heiden zu lernen, so lass den Heidenlehrer Paulus deinen Lehrmeister werden. Wie ermahnt er seine Römer: „Bedenkt vorher, was ehrbar ist gegen jedermann“ Röm. 12,17. Und seine Philipper: „Was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was keusch, was lieblich, was wohl lautet, ist etwa eine Tugend, ist etwa ein Lob, dem denket nach“ Phil. 4,8. Ein Christ soll nichts anfangen, er habe denn zuvor bedacht, ob das Werk, das er vorhat, im Herrn geschehe nach Gottes Wort und zu Gottes Ehre, ob es auch einen guten Schein vor jedermann habe. Was man im Herrn tut, das gedeiht. Ich will‘s nicht eher wagen, ehe ich‘s habe gewogen, und kein Werk anfangen, ehe ich versichert bin, dass es Gott gefalle. Was mit Gott wird angefangen, das gelingt.

 

135.

VOM NUTZEN DER GOTTESFURCHT.

Halt‘s mit Gott, so hält‘s Gott mit dir.

 

Tätest du, was du solltest, so täte Gott, was du wolltest. Mit deiner Münze zahlt er dir; mit deiner Waagschale wiegt er dir. Mit deinem Maße misst er dir. Was du ausstreust, sammelst du wieder ein, was du einschenkst, musst du austrinken. In deinem Herzen bildet sich Gott ab, wie du gegen ihn gesinnt bist, so ist er gegen dich gesinnt. Höre, was David sagt: „Bei den Heiligen bist du heilig, und bei den Frommen bist du fromm, und bei den Reinen bist du rein, und bei den Verkehrten bist du verkehrt“ Psalm 18,26.27. Höre, was Gott selbst sagt zum Volke Israel: „Wenn ihr in meinen Wegen wandelt, so will ich mit euch sein und wandeln; werdet ihr mir aber entgegen handeln, so will ich euch wieder entgegen handeln“ 3 Mos. 26,3.12. Gott ist, wie du ihn haben willst. Bleibst du in der Gottesfurcht, und dienst ihm, so ist er mit dir in allem deinem Tun; widerstrebst du ihm, so widerstrebt er dir. Wie du ihn suchst, so findest du ihn. Hältst du ihn für deinen Vater, so hält er dich für sein Kind; ehrst du ihn, so ehrt er dich wieder; liebst du ihn, er liebt dich wieder; hältst du ihn für deinen höchsten Schatz und Reichtum, du wirst an ihm einen solchen Reichtum haben, der mit aller Welt Gut nicht zu bezahlen ist; hoffst du auf ihn, er lässt dich nicht zu Schanden werden. Hingegen, wo du ihn schändest, schändet er dich wieder; verachtest du ihn, er verachtet dich wieder. Zum Saul sagt er: „Weil du mein Wort verworfen hast, so hab ich dich wieder verworfen“ 1 Sam. 15,23. Ich kann Gott haben wie ich will; ist‘s nicht viel? Ich kann auch wissen, was Gott mit mir im Sinn habe, denn in meinem Herzen spiegelt sich sein Herz. Wer will‘s dem Gottlosen verdenken, dass er verzagt, wenn das Unglück kommt? Sein eigen Herz sagt ihm, dass er sich zu Gott keines Bessern versehen kann, als Gott von ihm gehabt. Er hat Gott verlassen, Gott verlässt ihn wieder; er ist von Gott gewichen mit seinem Herzen, Gott weicht von ihm mit seiner Gnade; er hat nicht hören wollen, da ihn Gott zur Buße gerufen, Gott erhört sein Gebet wieder nicht. Ich will‘s mit Gott halten, so hält er’s mit mir; bleib ich ihm getreu, bleibt er mir getreu. Mitten im Kreuz will ich gutes Muts sein, denn mein Herz versichert mich, dass Gott mein Helfer sei. Hat Hiskias dürfen in seiner Not vor Gott treten, und sagen: „Gedenke doch, Herr, wie ich vor dir gewandelt habe in der Wahrheit mit vollkommenem Herzen, und habe getan; was dir gefallen hat“ Es. 38,3; so will ich auch vor ihn treten und sprechen: Herr, du musst bei mir halten in meinem Kreuz, denn mein Fuß ist ja von dir nicht gewichen; du musst mein Gebet annehmen, denn ich habe dein Wort angenommen; du musst mich mit deinem Schutz und Trost nicht verlassen, denn mein Herz hat dich nicht verlassen mit seiner Zuversicht. Was will Gott tun? Er muss helfen. Mein Herz sagt mir‘s.

 

136. 

VOM URSPRUNG WAHRER FREUNDSCHAFT.

Ich will nicht.

 

Sprichst du. Ich auch nicht, sprech ich. Wie stehen wir mit einander? Sind wir Freunde oder Feinde? Du willst nicht, was ich will, ich will nicht, was du willst. Wir sind Feinde. Du willst nicht, was ich nicht will, ich will nicht, was du nicht willst. Wir sind Freunde. Will und will nicht macht alle Freund- und Feindschaft in der Welt. Du klagst über Feinde. Wer ist denn dein Feind? Der nicht will wie du willst? Die Feindschaft ist bald zu heben. Spricht dein Nachbar: Ich will nicht, wie du willst, antworte du: So will ich, wie du willst; da seid ihr Freunde. Am Willen liegt alles. Wenn mein und dein Wille ein Wille ist, sind wir die besten Freunde. Ist‘s Werk gut? gib deinen, ich gebe meinen; ist‘s bös? brich deinen, ich breche meinen Willen. Wir sind Freunde. Aber kein Ding lässt sich so übel bezwingen als der Wille. Dass ich meinen in deinen, und du deinen in meinen Willen lassest, ist schier so schwer, wie dass Himmel Erde, und Erde Himmel werde, nichts ist unbiegsamer im Menschen, als der Wille, der doch alles biegt. Doch wenn mein und dein Wille mit Gottes Willen ein Wille sind, so können sie auch in Gott miteinander ein Wille sein; wie wenn zwei Wachsklümplein im Feuer zerschmelzen und zusammen fließen, so wird ein Klümplein daraus. Dahin lass uns beide trachten, dass unser Wille mit Gottes Willen vereinigt werde, er ist ja unser Vater, wir sind seine Kinder; des Vaters Wille soll auch des Kindes Wille sein. Er ist unser Herr, wir sind seine Diener; der Knecht muss nicht nach seinem, sondern nach des Herrn Willen leben. Lass uns beide leben, wie Gott will, so sind wir in Gott eins. Du willst, was Gott will, ich will, was Gott will, mein und dein Wille ist in Gott ein Wille. Wär Eigenwille zur Welt hinaus, so wäre kein Streit. Aus Eigenwillen kommt Eigennutz, Eigenliebe, Eigenruhm. Diese stiften allen Hader. Mein Freund, wir haben beide einen Gott, einen Jesum, einen Geist, einen Glauben, einen Himmel; so lass uns doch auch beide einen Willen haben! Das bitt ich dich.

 

137. 

VON DER BRÜDERLICHEN BESTRAFUNG.

Salz und Zucker muss beisammen sein.

 

So will‘s Paulus haben: Eure Rede sei allezeit lieblich und mit Salz gewürzt. Das Salz beißt, der Zucker heilt; die Bestrafung muss zugleich ernst und freundlich sein: der Ernst dient dazu, dass die Wunde gefühlt werde, und weh tue; die Freundlichkeit, dass der erregte Schmerz wiederum gestillt werde, und die Wunde wieder zugehe. Ohne Ernst wird aus der Bestrafung lauter Scherz und Schmeichelei; ohne Freundlichkeit lauter Störrigkeit und Verbitterung. Das Salz war bei den Alten ein Zeichen der Weisheit. Daher kommt das Salz der Weisheit. Klüglich und freundlich musst du mit dem gefallenen Menschen umgehen. Die Klugheit nimmt wohl in Acht, ob der Nächste gesündigt habe aus Bosheit oder Schwachheit? Ob im Schrecken oder außer dem Schrecken? Bosheit muss ein ander Pflaster haben als Schwachheit; was den Schwachen verzagt macht, kann den Boshaften in seiner Bosheit noch stärken. Die Bosheit verdient Zorn; die Schwachheit Mitleiden. Wer wollte mit einem schwachen kranken Menschen zürnen? Im Schrecken ist auch der Mensch nicht bei ihm selbst, denn es entfährt ihm oft ein Wort, dessen er sich hernach kaum erinnern kann; wenn er wieder zu sich selbst kommt, und sich besser besinnt, ist‘s ihm leid, wollte, dass er’s nicht geredet hätte. Wer wollte einen solchen hart strafen? Seine eigene Reue ist ihm Strafe genug. Zucker fordern solche Wunden, nicht Salz. Darin haben sich Hiobs Freunde gewaltig verstoßen. Die Klugheit nimmt in Acht die rechte Zeit, sie straft nicht öffentlich den, der heimlich sündigt, denn ihre Bestrafung geht aus Liebe. Die Liebe aber deckt zu der Sünden Menge. Wer öffentlich straft, was heimlich gesündigt ist, richtet ein Ärgernis an, bessert nicht, sondern beschämt und verbittert seinen Nächsten. Die Klugheit straft den Nächsten nicht, wenn er in einer heftigen Bewegung des Zorns, oder in Ungeduld, oder beim Trunk seiner selbst nicht mächtig ist. Wie könnten sich die Hefen zum Grunde niederlassen, wenn man das Gefäß noch mehr rütteln wollte als es schon gerüttelt wär? Den Trunkenen strafen, heißt die Perle vor die Säue, und das Heiligtum vor die Hunde werfen; ihn bauest du nicht, dich selber aber machest du zu Schanden; dass du dein Missfallen bezeugst mit Seufzen, Weggehen, wehmütigen Gebärden, ist gut, aber mit der Strafe halt ein, bis der ausgezogene Mensch wieder angezogen; den Menschen sollst du strafen, nicht die Sau. Die Klugheit straft den Nächsten vernünftig und bescheidentlich. Paulus vergleicht den gefallenen Nächsten einem verrückten Glied Gal. 6,1. Damit geht man vernünftig um, dass man‘s an seinen rechten Ort füge; Vernunft baut, Unvernunft reißt nieder. Wenn die Klugheit ihr Salz auf die Bestrafung gesprengt, so muss die Freundlichkeit ihren Zucker drein mengen, denn Salz ist gut, aber allzu salzig taugt nicht. Eine unangenehme Speise isst man nicht gern. Willst du heilsamlich strafen, so strafe mit freundlichen Worten und Gebärden. Der Gerechte schlage mich freundlich, spricht David im 141. Psalm, und strafe mich, das wird mir so wohl tun als Balsam auf meinem Haupt. Was ein Balsam der Wunde, das ist eine freundliche Strafe dem verwundeten Gewissen. Das Strafamt ist ein Amt des Geistes. Und die Freundlichkeit ist eine Frucht des Geistes. Strafe ohne Freundlichkeit geht nicht aus dem Geist, sondern aus dem Fleisch. Die Liebe straft, die Liebe ist freundlich; eine unfreundliche Strafe geht nicht aus der Liebe. Holdseliges Herz, holdselige Worte, denn weß das Herz voll ist, deß geht der Mund über. Harte Worte verhärten das Herz, sanfte Worte besänftigen das Herz, gleich wie Freudesworte ein Herz erfreuen. Doch muss aus der Freundlichkeit keine Schmeichelei und Falschheit werden. Honig und Milch führt Jesus unter seiner Zunge, Hohel. 4,11. Honig und Milch muss auch die Braut Jesu drunter führen, eine süße Lauterkeit und eine aufrichtige Freundlichkeit. Ich will drob sein, dass ich Salz und Zucker fein miteinander temperiere, wenn ich meinen Nächsten strafen soll; fühlt er die Wunde nicht, so will ich das Salz einer scharfen Gesetzpredigt hinein streuen; tut ihm die Wunde wehe, so will ich sie mit dem Zucker des evangelischen Trostes wieder zuheilen. 

 

138. 

VON DER VEREINIGUNG MIT CHRISTO.

Schwarz und weiß bindet sich nicht.

 

Das wissen die Spieler. Der Teufel will mit dir um deine Seele spielen. Er ist schwarz. Du auch? So gibt‘s einen guten Bund. Schwarz bei schwarz, gleich bei gleichem. Teufel und du seid verbunden. Deine Seele ist sein; seine Hölle ist dein. Die Sünde macht den Kopf fest. Ich bin zwar schwarz gewesen von Natur, nunmehr aber weiß geworden aus Gnaden. Die Erbsünde hatte mich geschwärzt; das Blut Jesu hat mich schneeweiß gemacht in der Taufe. Weiß und rot ist mein Jesus, weiß und rot bin ich auch. Seine Unschuld ist meine Unschuld, seine Gerechtigkeit ist meine Gerechtigkeit. Ich habe meine Kleider gewaschen und hell gemacht im Blut des Lammes, werde auch einmal vor demselben stehen, angetan mit weißen Kleidern. Teufel, mit dir mach ich keinen Bund; kein weißer Stein bindet den schwarzen. Willst du mich aus dem Brette schlagen? Ja, darauf verlässt du dich. Eine Probe hast du schon getan, da du mich samt meinen ersten Eltern aus dem Paradies geschlagen, aus der Ruhe in die Unruhe, aus der Unschuld in die Sünde, aus dem Leben in den Tod. Aber wisse, ich stehe nicht bloß; von dir getrennt, mit Jesu verbunden. Der ist meine Farbe; weiß bei weiß. Wüten kannst du wohl, aber schlagen kannst du mich nicht. Denn Jesus bindet mich. Der Glaubensknopf hält fest. Ach ja, mein Jesu, du bist mein, ich bin dein, wer will uns scheiden? Du bist mein Hirte, ich bin dein Schäflein, bei dir find ich Weide; du bist meine Gluckhenne, ich dein Hühnlein, mit deinen Gnadenflügeln deckst du mich; du bist mein Bräutigam, ich deine Braut, du küsst mich mit dem Kuss deines Mundes. Was du bist, das bist du mir, was dein ist, das ist alles mein. Dein Segen mein Segen, dein Leben mein Leben, deine Seligkeit meine Seligkeit. Bin ich arm? Du bist mein Reichtum. An dir allein ich mich ergötz, weit über alle güldne Schätz. Wenn ich dich hab, so hab ich wohl, was mich ewig vergnügen soll. Werd ich gedrängt? Du bist mein Schutz. Bin ich verstoßen? Du bist meine Zuflucht. Bin ich traurig? Du bist mein Trost und meine Freude. Was ich bin, das bin ich dir. Sünde, was suchst du an mir? Ich gehöre Jesu an, in seinen Wunden find ich Heil. Teufel, lass mich zufrieden, Jesus ist mein Schild, deine Pfeile treffen mich nicht, sondern ihn; was willst du ausrichten? Welt, wag‘s nicht. Jesus ist mit mir; fällst du mich an, du läufst mit dem Kopf an eine eiserne Mauer. Wem schadest du? Dir oder mir? Tod, gib dich nur gewonnen. Christus ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn. Jesu, bleib mein, ich bleibe dein, ewig soll die Liebe sein.

 

139. 

VON DER GÖTTLICHEN ABWECHSELUNG.

Eins ums ander.

 

Bald gewonnen, bald verloren. Gott wechselt ab. Er spielt mit dir nicht immer auf Gewinn; auch nicht immer auf Verlust, sondern eins ums ander. Heute gibt, morgen nimmt er; heute vollauf, morgen nichts; heute weinst du, morgen lachst du; heute gesund und rot, morgen krank und tot; bald sitzest du im Himmel, und jauchzest mit den Engeln; bald in der Hölle, und heulest mit den Teufeln. Dies Leben, spricht jener Heide, (Stobäus) ist einem Würfelspiel gleich. Denn wie die Würfel nicht immer einmal wie das andere fallen: so ist der Zustand dieses Lebens auch nicht jederzeit einerlei. Siehe, wie die Natur spielt in der großen Welt: da ist bald Licht, bald Finsternis, jetzt Wärme, jetzt Kälte, bald Tag, bald Nacht; so spielt Gott in der kleinen Welt, dem Menschen. Schicke dich in dies Spiel. Geht‘s heute wohl, morgen kann‘s übel gehen. Drum erheb dich nicht. Geht‘s heute übel; morgen kann‘s wohl besser gehen. Drum verzage nicht. Du zürnst, wenn‘s einmal widerlich geht, gleich dem, der unmutig wird, wenn die Würfel nicht immer glücklich fallen. Würfel sind Würfel, alle Würfel sind nicht gleich, so auch nicht alle Tage; jetzt ein guter, dann ein böser, heut ein trauriger, morgen ein fröhlicher Tag. Gute Tage, schwere Beine. Wer kann sie lange tragen? Drum muss Gott abwechseln. Die Philosophen sagen: Gegensätze neben einander gestellt, treten mehr ins Licht. Wenn man das Licht allein betrachtet, kann man seine Tugend und Herrlichkeit nicht recht erkennen; stellt man aber die Finsternis daneben, so erscheint am besten, wie herrlich und nützlich es sei. Daher kommt das Sprichwort: Eins ist gegen das andere wie Tag und Nacht. Ließe dich Gott nimmer krank werden, würdest du nicht erkennen, was Gesundheit für ein Kleinod wär, würdest du auch nicht recht von Herzen Gott drum bitten; drum wechselt Gott ab, dass du erkennest, es sei viel besser, gesund als krank sein. So schmeckt auch nicht immer einerlei Speise. Der guten Tage wird man endlich müde. Abwechselung bringt Anmut. Gott will beides erkannt haben, seine Güte und seine Gerechtigkeit zur Furcht; drum küsst und stäupt er nach einander. Ich will zufrieden sein mit dem, was die Würfel geben, es sei liebes oder leides, es ist beides gut, Gott macht‘s nicht böse. In allem Zustand will ich gleichen Mut behalten, nicht kleinmütiger werden, wenn ich wenig, als wenn ich viel; und nicht stolzer, wenn ich viel, als wenn ich wenig habe. Ich will allezeit mit Hiob sagen: Haben wir Gutes empfangen von Gott, und sollten das Böse auch nicht annehmen? Der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen, der Name des Herrn sei gelobt! Hiob 1,21. 2,10.

 

140. 

VON DER REINEN LIEBE JESU.

Zween unter einer Decke.

 

Das geht nicht an. In einem Herzen willst du Jesum und die Welt betten? Mit einer Liebe willst du Jesum und die Welt zudecken? Es geht nicht an. Das Bette ist so enge, dass nichts übrig ist, und die Decke so kurz, dass man sich darin schmiegen muss, Jes. 28,20. Hast du vergessen, was Johannes sagt: So jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters! Fällt dir nicht ein, was beim Jakobus steht: Wisst ihr nicht, dass der Welt Freundschaft Gottes Feindschaft ist? So belohnt die Welt ihre Freunde, dass sie dieselben zu Gottes Feinden macht. Magst du auch zween Füße bergen in einem Schuh? Zwei Formen bilden in ein Wachs? Zwei Schwerter stecken in eine Scheide? Oder mögen dich auch deine Füße zugleich bergab und bergan tragen? Ach nein. Eine Liebe treibt die andere aus; liebst du Jesum, so hassest du die Welt; liebst du die Welt, so hassest du Jesum. Gleichwie ein Fluss, wenn er in viele kleine Bächlein zerteilt wird, nicht so stark läuft wie zuvor, auch wohl endlich gar austrocknet, so nimmt die Liebe, wenn sie unter ihrer viel ausgeteilt wird, an ihren Kräften ab, und verlöscht wohl gar. Wo aber die Liebe aufhört, da fängt der Hass an. Die Welt geliebt, Jesum gehasst. Man hat‘s ja wohl, dass zween unter einem Dach wohnen, aber sie müssen eins sein! Jesus und die Welt sind mit einander uneins. Die Welt ist hoffärtig, Jesus demütig; die Welt geizig, Jesus vergnüglich; die Welt lacht, Jesus weint. Mit einem muss man‘s halten. Hältst du es mit der Welt? Ich halt‘s mit Jesu; seine Armut ist mir lieber, als der Welt Reichtum, seine Niedrigkeit werter, als der Welt Herrlichkeit. Die Welt kann mich nicht lieben, warum sollt ich sie lieben? Sie richtet gern Feindschaft an zwischen mir und meinem Jesu. Welt zum Haus hinaus! Jesus soll mein Herz allein haben.

 

141. 

VON DER TÄTIGEN LIEBE.

Reich an Worten, arm an Werken.

 

So findet man die Welt. Viel Komplimente, wenig Cordimente (Herzlichkeit); viel Worte, wenig Herzens; viel Blätter, wenig Früchte; großer Glanz, schlecht Gold. Wort und Werke zeugen beide vom Herzen; oft sind sie beide falsche Zeugen, doch belügen die Worte das Herz mehr, als die Werke. Darum ist den Augen mehr zu trauen, als den Ohren, denn die Augen ergreifen allezeit ein Gewisses, die Ohren oft ein Ungewisses. Ich glaube der Handsprache mehr als der Zungensprache. Viel halte ich von dem, der nichts zusagt, da er nicht zu halten gedenkt; noch mehr von dem, der redet und tut; am meisten von dem, der nicht redet und doch tut; nichts von dem, der redet und nicht tut. Denn Worte sind ein Bild des Herzens, falsche Worte, falsches Bild. Was hält man von falschen Zeugen? Meine Kindlein, lasst uns nicht lieben mit Worten, noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit 1 Joh. 3,18. Die reine Liebe ist tätig. Wie der Glaube über alles ein Herr ist, so ergibt sie sich allen zum Dienst. Was hältst du von einem Diener, der nur gute Worte gibt, und nicht tut, was er tun soll? Mit Worten dient man nicht, sondern mit Werken. Paulus gibt der Liebe eine schöne Farbe, wenn er spricht: Die Liebe ist freundlich 1 Kor. 13,4. Sie ist gutwillig, nützlich, lässt sich nicht nötigen Gutes zu tun, sondern dringt sich allenthalben selbst zu. Raten, helfen, wohltun ist ihre höchste Lust. Mein Herz, das nimm in Acht, und liebe so, dass du dem Geliebten nützt. Worte nützen nicht, sondern Werke. Gott nützt dir mit seiner Liebe. Wie herzlich nimmt er sich deiner Seele an! Wie reichlich überschüttet er dich mit Wohltaten! Die Kreatur beweist auch ihre Liebe gegen dich im Werk, und dient dir mit allem ihren Vermögen. Dir leuchtet die Sonne, dir fruchtet das Erdreich, dir gibt das Wasser Fische. Willst du recht lieben, so gehe hin, und tue desgleichen. Ich will meinem Nächsten geben das Herz, den Mund, die Hand; so lieb ich wie ich soll. 

 

142. 

VOM WAHREN CHRISTEN.

Ein Mensch, und mehr als ein Mensch.

 

Ein Christenmensch. Den Menschen bringen wir mit zur Welt, den Christen legen wir an in der Taufe. Denn wie viel unser getauft sind, die haben Christum angezogen. Gal. 3,27. In der Vereinigung mit Christo besteht das Christentum. Der Glaube macht den wahren Christen, wenn er sich durch eine tröstliche Zuversicht und Zueignung in das Verdienst Christi einwickelt, wie der Leib ins Kleid, und sagt mit Paulo: Christus Jesus ist mir gemacht von Gott zur Weisheit und zur Gerechtigkeit, und zur Heiligkeit, und zur Erlösung 1 Kor. 1,30. Die Liebe beweist den Christen, wenn sie einher geht in dem edlen Leben Christi, wie der Mensch in seinem Kleide, und Christum gleichsam in sich selbst, als im Spiegel darstellet, rühmend mit Paulo: Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Die Geduld bewährt den Christen, indem sie Tod, Teufel, Welt und alles Unglück auf sich zustürmen lässt, die Stürme tapfer aushält und spricht: lasst mich jagen, plagen, schlagen. Wer meinen Leib will rühren, muss ja auch das Kleid rühren, damit der Leib bedeckt ist; wer mich treffen will, muss meinen Jesum auch treffen; fühl ich‘s, er fühlt‘s auch. Tut mir‘s wehe, ihm noch weher, er wird schon Hilfe schaffen. Erwäge dies wohl, mein Herz. Du entschuldigst dich immer, wenn man dich vom Bösen ab und zum Guten anmahnt, mit dem Menschen, den du herumträgst. Ei, sprichst du, ich bin ein Mensch, fehlen ist menschlich, wie kann ein Mensch vollkommen sein? Wenn ein Heide so redete, der nichts mehr als Fleisch vom Fleisch geboren ist, möchte man‘s ertragen. Wie kann man‘s aber dir, der du getauft bist, und dich für einen Christen ausgibst, zu gut halten? Hast du nicht Christum in der Taufe angezogen? Bist du nicht mit seinem Geiste gesalbt? Ist denn nun Christi Geist so schwach geworden, dass er die Geschäfte des Fleisches nicht mehr bezwingen kann? Ist denn Christus nun so ohnmächtig geworden, dass er nichts mehr vermag? War nicht Paulus sowohl ein Mensch als du? Trug er nicht Fleisch und Blut am Halse, wie du, hatte er nicht mit der verführerischen, ärgerlichen Welt zu streiten, wie du? War ihm nicht der Teufel eben so gram als dir? Ist dir Jesus nicht so nah als ihm? Wie kommt‘s denn, dass er rühmen kann: Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus, Phil. 4,13? Und du klagst, dass du nichts vermögest, auch nicht ein andächtiges Seufzerlein zu Gott zu schicken, ein Splitterlein vom Kreuz zu heben? Ach, behilf dich nicht mit solcher nichtigen Ausflucht. Du schändest Jesum nur damit. Ist er mit dir vereinigt, wirst du das Böse hassen und lassen. Denn, was hat denn die Gerechtigkeit für Genieß mit der Ungerechtigkeit? Was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis? Wie stimmt Christus mit Belial? 2 Kor. 6,14.15. Tust du Böses und rühmst dich Christi, so muss Christus die Schuld des Bösen tragen. Kannst du auch den Mund beschuldigen, dass er Böses geredet habe, und die Seele entschuldigen, dass sie deß nicht entgelten dürfte? Hast du nicht von der Seele das Vermögen, den Mund aufzutun und zu reden? Reden denn die Toten auch? So muss Jesus entgelten, was du Böses tust, wenn du dich bei deinem sündlichen Wesen rühmst, dass du Jesu angehörst. Darum darf Paulus wohl sagen: Du rühmst dich des Gesetzes, und schändest Gott durch Übertretung des Gesetzes, denn eurethalben wird Gottes Name gelästert unter den Heiden Röm. 2,24. Ist Christus mit dir vereinigt, wirst du das Gute lieben und üben. Denn Christus ist nicht tot noch müßig in der Seele. Wo er ist, da lässt er sich hören und sehen. Durch den Glauben, wohnt er im Herzen; der Glaube aber mag nicht verborgen sein, sondern geht hervor und zeigt sich in den Werken. Wolltest du wohl glauben, dass eine Seele im Leibe wäre, wenn er unbeweglich wie ein Klotz vor dir läge, und kein Glied regte? Nein, sprichst du, wie kann ich denn glauben, dass Christus in dir wohne, wenn er sich in dir nicht geistlich bewegt, und durch einiges Zeichen seine Gegenwart offenbart; tote Glieder leidet er nicht an seinem Leibe. Ein guter Baum bringt gute Früchte. Ein jeglicher Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Matth. 7,17.19. Der Christenname richtet‘s nicht aus. Die Tat muss dabei sein. So lobe ich‘s mir.

 

143.

VOM SCHÄND- UND RÜHMLICHEN GEIZ.

Je älter, je geiziger.

 

Ist Wunder. Wenn die Natur alt wird, und alle Laster schier mit veralten, ist der einige Geiz in seiner besten Blüte. Es bringt sonst das Alter mit sich eine Verminderung der natürlichen Hitze, und also auch eine Verminderung der unordentlichen Lüste, aber die Begierde reich zu werden vermehret‘s bei den meisten. Mich wundert, dass der Geiz Lust habe in einem alten baufälligen Hüttlein zu wohnen, darin er seinen Schatz nicht so gar sicher kann verwahren. Aber, sagt der Geizige, bergab ist leicht zu tragen, mein Leben geht bergab. Weit gefehlt. Bist du ein Christ, so muss dein Leben bergan gehen; unser Wandel ist im Himmel, sagt Paulus, Phil. 3,20. Wie willst du mit der Geldlast bergan, zum Himmel, fortkommen? Sage mir, wem folgst du? Der Welt oder Christo? Die Welt führt bergab, Christus bergan; folgst du der Welt? Geiz immer hin; folgst du Christo? Höre auf zu geizen. Und gesetzt, dein Leben gehe bergab, ach wie schwerlich lässt sich eine Last bergab tragen! Sie stürzt oft in den Grund hinein. Was schwer ist, sucht den Grund, der Geiz die Hölle. Ein Reicher wird schwerlich ins Himmelreich kommen Matth. 19,23. Mit dem Leben sollte auch deine Sorge abnehmen. Deine Schultern werden schwach, und bürdest dir immer größere Last auf. Du siehst den Tod vor Augen, und schaffst noch so großen Vorrat ein. Lieber, wer soll‘s haben? Deine Kinder? Wer sorgt für die jungen Raben? Denkst du nicht an Gott? Wer weiß, wo deine Kinder morgen sind? Wer weiß, was für ein Wind in einem Tage zerstreut, das du in vielen Jahren gesammelt hast? So kommt‘s dann den Deinen nicht zu nütze. Höre auf zu geizen, Schlamms genug für einen Magen. Denk ans Grab. Ich aber will doch je älter, je geiziger werden, nicht nach den Schätzen dieser Welt, die vergehen, sondern nach den Himmelsschätzen, die ewig bleiben. Du sprichst: ich bin reich und habe genug. Die Reichen lässt Gott leer. Ich spreche: mir mangelt noch sehr viel; die Hungrigen füllt er mit Gütern. Mein Herz soll mich nicht bereden, dass ich‘s weit genug gebracht habe. Ich bin noch weit vom Ziel. Die Zeit ist kurz. Wir verwelken wie die Blumen, und verblühen, indem wir blühen. Wir finden uns, indem wir uns lassen, und müssen anfangen, uns von neuem wiederum zu lassen. Wenn der Tod mein Herz bricht, so will ich sagen: Nun hab ich genug.

 

144. 

VON DER NACHFOLGE CHRISTI.

Folge, schaue wem?

 

Aus dreien wähle einen. Fleisch, Welt und Jesus bieten ihren Dienst an. Das Fleisch spricht: Folge mir, und tue, was dir gelüstet. Wer wollte nicht folgen? sprichst du; leben nach aller Lust, heißt das nicht herrlich leben? Ach, folge nicht, der Führer verführt nur. Mag auch ein Blinder den andern leiten? Werden sie nicht beide in die Grube fallen? Das Fleisch ist blind und blendet. Tust du, was dir gelüstet, so musst du leiden, was dir nicht gelüstet. Das Ende ist der Tod. So wir nach dem Fleisch leben, werden wir sterben. Die Welt spricht auch: Folge mir, und mach es so, wie ich es mache. Wer wollte nicht folgen? sprichst du; es geht zum Reichtum, zur Ehre und zur Wollust. Ach, stelle dich der Welt nicht gleich! Der breite Weg führt zum Verderben durch zeitlichen Reichtum in die ewige Armut, durch zeitliche Ehre in die ewige Schande, durch zeitliche Wollust in ewige Pein. Der reiche Schlemmer hat‘s erfahren, hüte dich. Jesus spricht auch: Wer mein Jünger sein will, der folge mir nach. Wer wollte folgen? sprichst du. Er führt in Not und Tod. Ach folge, der dich hineinführt, weiß dich auch hindurch und heraus zu führen. Er führt durch zeitliche Armut in ewigen Reichtum, durch zeitliche Schande in ewige Herrlichkeit, durch zeitliches Leid in ewige Freude, durch zeitlichen Tod ins ewige Leben, aus der Hölle in den Himmel. Er führt dich in die Wüste. Warum? Dass er dich mit Manna speise, und dir ins Herz rede. Ich will meinem Jesu folgen, der verführt mich nicht. Ich will ihm folgen im Leben, Leiden und Sterben. Im Leben will ich seine Fußtapfen betreten; im Leiden will ich Fuß bei ihm halten, er hält Fuß bei mir; im Sterben will ich bereit sein, wenn er mir winkt, an der Welt ist nichts Gutes mehr. Jesu, mein Trost, hör mein Begier; ach mein Jesu, wär ich bei dir!

 

145. 

VOM GEBET IM KREUZ.

Dies Kräutlein hilft.

 

Das hilft, sprechen alle Heiligen. Diese Kunst ist gut, die Probe ist richtig, versuch‘s nur. Was denn? Wenn du betrübt bist, so bete. Frage Hiskias: Was soll ich machen, wenn ich Seelen- und Leibesschmerzen fühle? Er wird antworten: Bete. Frage Jonas: Wie greif ich‘s an, wenn meine Seele in mir verzagen will? Er wird antworten: Bete. Frage David: Was tue ich, wenn ich traurig bin, womit labe ich mein mattes Herz? Die Antwort findest du im 42. Psalm. Mein Gott, betrübt ist meine Seele in mir, darum gedenke ich an dich. Der Herr hat des Tages verheißen seine Güte, und des Nachts singe ich ihm, und bete zu Gott meines Lebens. Ich sage zu Gott, meinem Fels: Warum hast du mein vergessen? Warum muss ich so traurig gehen, wenn mein Feind mich dränget? Das hilft, sprechen alle Heiligen. Gott will nicht, dass wir in Nöten uns selbst quälen und das Herz wegfressen sollen. Damit richten wir nichts aus. Beten sollen wir und ihm die Not vortragen. Zwar der alles weiß, weiß auch unser Anliegen wohl. Der die Tropfen im Regen, die Sandkörnlein im Meer, die Tage im Jahr zählt, der zählt auch unsere Tränen. Wie sollt er nicht wissen, was uns drückt? Legt er’s doch selber auf, und hilft‘s tragen. Er sah die Drangsal der Kinder Israel in Ägypten, er sieht auch meinen Jammer, und weiß meine Trübsal. Dennoch will er, dass wir ihm die Not klagen sollen, denn durchs Beten wird in uns der Eifer zum Gebet immer mehr angezündet; je mehr Kohlen man ans Feuer legt, desto heller brennt’s; durch Gebet offenbaren wir unser Vertrauen gegen Gott, denn vor keinem schüttet man das Herz aus, als vor einem vertrauten Freunde; durch Gebet erleichtern wir uns selbst das Herz; so lange die Not nicht abgeklagt wird, liegt sie als ein schwerer Stein auf unserm Herzen. Nun mag Gott nicht, dass wir schweren Herzens sind, drum hat er’s gern, dass man die Not vom Herzen abklagt, abschüttet, abweint; durch Gebet wird Gottes Herz bewegt, dass er helfen und retten muss, deckt man die Wunden vor ihm auf, er kann‘s nicht über sein Herz bringen, er muss ein Pflaster drauf legen. Aber, ach, sagst du, wer nur beten könnte! Ja, mein Herz, wie Gott dann am kräftigsten tröstet, wenn du keinen Trost empfindest; so betest du eben dann am heftigsten, wenn dich dünkt, du könntest vor Angst nicht beten; nicht beten können, und doch gern beten wollen, ist das allerbrünstigste Gebet. Kann ich nicht beten, will ich doch seufzen, kann ich nicht seufzen, will ich doch an Gott denken; kann ich nicht an Gott denken, wird doch Gott an mich denken, und die Angst meines Herzens in Gnaden ansehen. Er wird‘s tun. Ich glaub‘s festiglich.

 

146. 

VON DER TÖTUNG DES FLEISCHES.

Ich mag nicht.

 

Bist du denn tot? „Mag nicht ist tot,“ sagt man. Ach wär er tot! Ich wollte noch eins so fröhlich sein. Will ich arbeiten? Mag nicht, sagt Fleisch und Blut; faulenzen und gute Tage haben ist besser. Will ich beten? Mag nicht, sagt mein Fleisch, ich kann meine Gedanken nicht zusammenbringen, sie haben noch in der Welt viel zu tun. Will ich zur Kirche gehen? Mag nicht, sagt das Fleisch, ich muss zu Haus bleiben, vielleicht ist noch ein Tälerchen zu gewinnen. Will ich vergeben meinem Beleidiger? Mag nicht, sagt mein Fleisch, die Ehre leidet Not, die Reputation muss beibehalten werden. Will ich den Dürftigen Gutes tun? Mag nicht sagt das Fleisch, viel geben macht einen leeren Beutel. Ach, dass „mag nicht“ tot wär, ich geb mein Leben drum! Denn ich weiß, dass in mir ist, das ist in meinem Fleisch wohnt nichts Gutes. Wollen hab ich wohl, aber vollbringen das Gute hab ich nicht. Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht. Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? Röm. 7,18.19.24. Wenn „mag nicht“ tot wäre, könnte ich mit Paulo rühmen: Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus, Phil. 4,13. Ich mag arbeiten, beten, zur Kirche gehen, vergeben, geben. Nun es muss gewagt sein! „Mag nicht,“ du tötest mich oder ich dich, eins nur erwählet, das letzte das beste. Ich fühle ja deine Lüste, wie du mich vom Guten denkst abzuhalten, und zum Bösen anzufrischen, aber ich fühl auch drüber Todesangst in mir; ich hab einen Abscheu davor, als vor einem stinkenden Aas, und will lieber sterben, als deine Lüste vollbringen. Was soll ich mehr tun? Damit bist du getötet. Soll ich sündigen? Ich mag nicht. Kann auch ein Toter sündigen? Soll ich‘s mit der Welt halten? Ich mag nicht. Wie kann‘s ein Toter dem Lebendigen nachmachen? Ich bin der Sünde und der Welt abgestorben, und lebe der Gerechtigkeit 1 Petr. 2,24. „Ich lebe, doch nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“ Magst du nicht beten? Du musst. Das eine, das du willst, das andere, das du sollst. Ich bin dein Herr. Geist muss gebieten, Fleisch muss gehorchen. „Mag nicht“ ist tot, „mag wohl“ lebt in mir. Kein Toter widerstrebt dem Lebendigen. Fleisch, du musst nicht widerstreben dem Geist. Du bist getötet.

 

147. 

VON DER UNBETRÜGLICHEN HOFFNUNG.

Hoffen und Harren macht zum Narren.

 

Sagen die Weltkinder aus eigener Erfahrung. Freilich ist‘s so. Was die Welt hofft, ist ihr nicht. Die Hoffnung des Heuchlers wird verloren sein. Denn seine Zuversicht und seine Hoffnung ist wie ein Schilf Hiob 8,13.14. Ein Schilf wächst auf, und grünt schön, so lang es Feuchtigkeit hat; fällt große Hitze ein, verwelkt es. Der Gottlose ist eine Zeit lang fröhlich und glückselig; wenn ihn aber die Hitze des göttlichen Zorns nur ein wenig berührt, so fällt alle seine Hoffnung auf einmal hin. Das Gut ist weg, der Mut ist weg. O Not! O Jammer! Das Weltkind hofft auf Menschen. Wie närrisch handelt es! Was ist veränderlicher als des Menschen Herz? Heute Freund, morgen Feind; heute gelobt, morgen gelästert. Wie der Wind die Mühle, so treibt oft ein bloß Gewäsch, oft ein blinder Argwohn des Menschen Herz um. Was ist nichtiger als ein Mensch? Ach, wie gar nichts sind doch alle Menschen? Kann wohl die Hilfe besser sein als der Helfer ist? Nichtiger Mensch, nichtige Hilfe. Der soll dir helfen, der ihm selbst nicht helfen kann? Was ist flüchtiger, als der Mensch? Heute lebendig, morgen tot. Stirbt er, so stirbt deine Hilfe mit. Der Stab ist entzwei, du tust einen Fall, magst wohl sagen: Hoffen und Harren macht zum Narren. Du Narr, willst du dein Haus auf den Sand bauen, wie will‘s bestehen, wenn ein Sturm kommt? Treibsand ist kein guter Ackergrund. Ein Christ hat nicht Ursach zu sagen: Hoffen und Harren macht zum Narren; denn er gründet seine Hoffnung auf Gott, der Grund wanket nicht. Mein Gott, kann er mit David sagen, ich hoffe auf dich. Lass mich nicht zu Schanden werden, dass sich meine Feinde nicht freuen über mich. Denn keiner wird zu Schanden, der dein harret; aber zu Schanden müssen sie werden, die losen Verächter Ps. 25,2.3. Was Paulus sagt, das bekräftigt bei den Frommen die Erfahrung: Hoffnung lässt nicht zu Schanden werden Röm. 5,5. Der Glaube ist eine gewisse Zuversicht dessen, das man nicht hat, als hätte man‘s schon. Wenn ich in meinen Nöten Gottes Güte und Allmacht betrachte, die von der Welt her gewesen ist, so bin ich der Hilfe bei mir selber so gewiss, als hätte ich sie schon in Händen, ich poche und trotze darauf, und denke schon aufs Dankopfer, das ich Gott bringen will, denn ich bin versichert, dass mich Gott in meiner Hoffnung nicht lässt zu Schanden werden. Es ist unmöglich, dass Glaube und Hoffnung fehlen. Wie ich glaube, so muss mir geschehen, das weiß ich. Sollte Gott den Glauben fehlen lassen, so würde er ein Lügner und Betrüger, gleich dem, der seine Hand voll Geld nähme und spräche zum Armen: Reich deine Hand her, ich will dir ein Stück Geldes geben; zöge aber, indem der Arme zugreifen wollte, die Hand zurück, und steckte das Geld in den Beutel. Wofür hältst du einen solchen? Für einen Leutebetrüger. Dass Gott mit seiner Hilfe im Kreuz verzeucht, geschieht nicht, den Glauben zu betrügen, die Hoffnung zu beschämen, sondern zu prüfen und zu bewahren. Je länger, je lieber. Was lang ausbleibt, ist desto angenehmer. Ich harre, Herr, auf dich. Du, Herr, mein Gott, wirst erhören Ps. 38,16.

 

148. 

VOM UNÜBERWINDLICHEN VERLUST.

Verloren, verloren.

 

Auf einmal alles. Was denn? Mein Geld. Geld verloren, nichts verloren. Geld ist Geld, bleibt in der Welt. Das Geld hat Flügel, Sprüchw. 23,5., wie Salomon sagt. Was nützen Flügel, wenn man nicht fliegen will? Reichtum ist flüchtig. Das Geld war nicht dein, sondern nur dir geliehen. Hier gefunden, hier gelassen. Nenne nichts das deine, als wovon du versichert bist, dass du es nicht einmal mit dir wegnehmen werdest. Ist denn nichts mehr verloren? Ach ja, die goldene Zeit. O Not! Zeit verloren, viel verloren. Was ist köstlicher als die Zeit? Solltest du den reichen Schlemmer, der schon in der Hölle brennt, fragen, was er wohl geben wollte für ein Jahr, für einen Tag, für eine Stunde, so sie ihm werden könnte? Ich weiß, er würde allen seinen Schmuck, Purpur, alle seine Herrlichkeit und Freude, ja die ganze Welt, wenn er sie hätte, dafür geben. Ach, wenn er nur eines Augenblicks Frist hätte, sich zu bekehren, sollte er gern dafür tausend Jahr seinen Leib in der Hölle brennen lassen! Noch mehr verloren? Ja leider! ja, der Seelen Seligkeit. O wehe! O wehe! Seligkeit verloren, alles verloren. Was kann der Mensch für seine Seele geben? Was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne, und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann der Mensch geben, damit er seine Seele wieder löse? Matth. 16,26. Nero hat oftmals in einem Wurf tausend Taler verspielt; ein anderer hat innerhalb einer Stunde sechszehntausend Goldgülden auf dem Brett verwürfelt; aber was ist das alles gegen die Seele. Kann man auch mit hunderttausend Talern eine Seele wieder kaufen? Ach, ist denn kein Spielstündlein mehr übrig, da man etwas wieder gewinnen könnte? Nein, das Spiel ist aus, das Brett ist zu; was verloren, ist verloren. Kein Körnlein ist im Glase mehr, du musst davon. Wie geworfen, so gewonnen. Verloren, verloren, ach ewig verloren. Gott erbarm sich‘s.

 

149. 

VOM VERLANGEN NACH DEM HIMMEL.

Ach, nimm mich in den Himmel.

 

Herr Jesu, bald. Die Erde ist mir gram, der Himmel hold; die Erde bitter, der Himmel süß; die Erde meine Last, der Himmel meine Lust; die Erde mein Kerker, der Himmel meine Freiheit; die Erde mein Babel, der Himmel mein Jerusalem. Ach, nimm mich in den Himmel, Herr Jesu, bald! Ich bin ein Schäflein, mein Hirt ist im Himmel; ich bin ein Küchlein, meine Gluckhenne ist im Himmel; ich bin eine Braut, mein Bräutigam ist im Himmel. Wo find ich Weide, Schutz, Erquickung? Im Himmel. Ach, nimm mich in den Himmel, Herr Jesu, bald! Wo ist mein Freund? Im Himmel. Wo ist mein Schatz? Im Himmel. Wo ist meine Freude? Im Himmel. Wo ist mein Haus? Im Himmel. Wo ist mein einigs? Im Himmel. Wo ist mein alles? Im Himmel. Ach, nimm mich in den Himmel, Herr Jesu, bald! Mein Herz seufzt, mein Auge tränt, mein Mund wünscht, mein Ohr hört, meine Hand greift; wonach? Nach dem Himmel. Ach, nimm mich in den Himmel, Herr Jesu, bald! Ich schmecke was Süßes, ich sehe was Schönes, ich höre was Liebliches, ich rieche was Anmutiges, ich halte was Köstliches; was denn? Den Himmel. Ach, nimm mich in den Himmel, Herr Jesu, bald! Ich werde gerufen, die Stimme kenn ich; ich werde gezogen, den Zug empfind ich; wohin? Hinauf, hinauf. Ach, nimm mich in den Himmel, Herr Jesu, bald! Was hab ich? Mühe, Unruhe, Gefahr, Not und Tod. Was find ich dort? Ruhe, Sicherheit, Lust, Leben; mehr gewonnen, als verloren. Wo denn? Im Himmel. Ach, nimm mich in den Himmel, Herr Jesu, bald! Die Erde vergisst, der Himmel denkt mein; die Erde verlässt, der Himmel schützt mich; die Erde drückt, der Himmel erquickt mich; die Erde dräuet, der Himmel hilft mir; die Erde verstößt, der Himmel nimmt mich auf. Ach, nimm mich in den Himmel, Herr Jesu, bald! Wie müde bin ich der langen Reise! Wie satt bin ich der sauren Speise! Schwach sind die Beine, zart ist die Zunge; der Himmel ist mein Vaterland, der gibt das Süßeste. Ach, nimm mich in den Himmel, Herr Jesu, bald! 

 

Ich bin des Lebens satt,

Von vielen Ängsten matt, 

Auf Erden wird mir bange, 

Mein Jesu, wie so lange?

Ach nimm mich aus der Welt

Ins güldne Himmelszelt!

 

150. 

VON DER BESTÄNDIGKEIT.

Ende gut, alles gut.

 

Ende bös, alles bös. Du fängst wohl an, ist gut; du endigst wohl, ist besser. Du fängst übel an, ist böse; du endigst übel, ist noch böser. Wer‘s gut trifft in beiden Stücken, hat den besten Ruhm. Doch wenn ja eins sein soll, will ich lieber mit Paulo übel anfangen und gut endigen, als mit Judas gut anfangen und übel endigen. Gott ist zufrieden, wenn man am Ende vergütet, was im Anfang verdorben. Das Ende bringt die Krone. Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben Offenb. 2,10. Gott gebe sie mir und dir, dass wir beide davon tragen unsers Glaubens Ende!

 

151. 

VON DER EIGENEN FARBE DER TREUEN DIENER GOTTES.

Als die Verführer und doch wahrhaftig. 2 Kor. 6,8.

 

Das Glück hatte mein Jesus. Seinen Aposteln ward‘s nicht besser. Wie den andern treuen Lehrern? Ich will dir‘s sagen. Waren nicht Athanasius, Luther, Arndt, Lütkemann hocherleuchtete Gottesmänner? Wie lautet ihr Symbolum? Als die Verführer, und doch wahrhaftig. Trifft dich‘s auch, mein Christ? O wie selig bist du! Der Heiligen Kreuz auf Erden, der Heiligen Kron im Himmel. Freu dich von Herzen. Setze mutig in den Schild: als die Verführer und doch wahrhaftig. Vor Gott wahrhaftig, vor Menschen ein Verführer. Wahrhaftig vor den Frommen, Verführer vor den Gottlosen. Wofür hielten Kaiphas und seine Gottlosen Christum? Für einen Samariter und Verführer. Wofür hielten ihn Nikodemus, Joseph und andere gottselige Herzen? Für einen Wahrhaftigen. Du redest und predigst nach der Wahrheit des Christentums, wie man nicht auf den äußerlichen Schein der Werke sehen, sondern Christo im lebendigen Glauben nachfolgen soll; fromme Herzen erkennen die Kraft der Wahrheit und loben‘s. Was sagen die Pharisäer dazu? Er ist ein Ketzer, verführt die Leute, und richtet Aufruhr an im Gewissen. Heißt das nicht Gott gelästert, aus Licht Finsternis, aus der Wahrheit Lügen, aus Christo einen Samariter, aus Gott einen Teufel gemacht? Was Wunder? Wer die Wahrheit göttlicher Lehre loben soll, muss sie lieben; wer sie lieben soll, muss sie kennen; wer sie kennen soll, muss erleuchtet sein vom Geist Gottes. Wie ein Blinder von der Farbe, so richtet ein Unerleuchteter von der Lehre; jener soll wohl schwarz weiß, und blau grün nennen; so nennt dieser bös was gut, und Ketzerei was Wahrheit ist. Wie kann aber der Gottes Licht und Geist haben, der vom Fürsten der Finsternis durch Geiz und Hochmut verblendet, Jesum, das Licht der Welt, in seinen Gliedern hasst und verfolgt? Du verwahrst ja, was du köstliches hast, nicht an einem unsaubern Ort, sollte denn Gott wohl sein Licht und Gnade in ein stinkend Gefäß, in eine unreine Seele legen? Wie mögen Licht und Finsternis, Christus und Belial, Gott und Teufel in einem Herzen wohnen? Lass dich‘s nicht kränken, wenn die dich einen Ketzer und Verführer schelten, die vom Teufel besessen Jesum und die Wahrheit nicht kennen. Wer hat sie zu Richtern reiner Lehre gesetzt, die Werkzeuge des unsaubern Geistes, die Wölfe im Schafpelz, die Teufel verstellt in Engel des Lichts? Kann der auch wohl riechen oder schmecken, der einen starken Fluß oder Schnupfen hat? Sie saufen das Unrecht in sich wie Wasser, ihr Herz quillt Bosheit als ein voller Brunnen; drum schmeckt ihnen bitter, was süße, und heißen sie ärgerlich, was besserlich, Lügen, was Wahrheit ist. Das Evangelium, das andern ein Geruch des Lebens zum Leben, ist ihnen ein Geruch des Todes zum Tode. Sie sind schon verstockt wie Pharao, und verhärten sich immer mehr in ihrem stolzen Sinn. Man muss sie Gott befehlen. Recht muss dennoch Recht bleiben, und dem werden alle fromme Herzen zufallen. 

 

152.

VON DER ABGÖTTEREI DER MAULCHRISTEN.

Gottesdienst, Götzendienst.

 

Ach, wem sollte nicht das Herz vor Unmut brechen? Gott muss den Götzen schmücken. Wie manchen Gottesdienst verrichtet der Maulchrist unter dem Schein und Namen des Gottesdienstes! Mit Tränen habe ich in meiner apostolischen Schlußkette am 758. Blatt geschrieben, und schreibe es abermals mit Weinen: Es hat die heutige Christenheit (von den Heuchelchristen ist die Rede, wie der Nebentext sattsam ausweist) vier stumme Kirchengötzen, denen sie nachgeht, den Taufstein, Predigtstuhl, Beichtstuhl, Altar. Sie tröstet sich ihres äußerlichen Christentums, dass sie getauft ist, Gottes Wort hört, zur Beichte geht, das Abendmahl empfängt; aber die innere Kraft des Christentums verleugnet sie, sie verleugnet die Kraft der Taufe, weil sie nicht im neuen, sondern im alten Menschen wandelt, da doch die Taufe ein Bad der Wiedergeburt und Erneuerung ist; sie verleugnet die Kraft des göttlichen Worts, weil sie nicht wandelt als das Wort lautet, sondern widerlegt das Wort Gottes mit ihrem gottlosen Leben und macht‘s zur Lüge; sie verleugnet die Kraft der Absolution, weil sie unverändert bleibt in ihrem Wesen nach wie vor, und heute als gestern, da doch das Herz, wenn’s mit dem Trost göttlicher Absolution erquickt ist, nicht wird das Böse mehr lieben, und das Gute hassen; sie verleugnet die Kraft des heiligen Abendmahls, weil sie nicht lebt in Christo, mit welchem sie vereinigt ist, sondern wandelt nach den Lüsten ihres Fleisches, und ergießt sich in allerlei Sünde. Wie stimmt Christus mit Belial zusammen? Dies alles ist Abgötterei. Denn Gott ist ein Geist, und will, dass wir ihm im Geist und in der Wahrheit dienen. Wie? Ist das nicht wiedertäuferisch, dass man Taufe, Wort, Beichte, Abendmahl stumme Götzen nennt? Mein, ist denn bei dir kein Unterschied unter Taufe und Taufstein, Predigt und Predigtstuhl, Beichte und Beichtstuhl, Abendmahl und Altar? Der Wiedertäufer hebt den rechten Brauch des Taufsteins, Predigtstuhls, Beichtstuhls, Altars; ich bemühe mich zu heben das nichtige Vertrauen des Maulchristen, das sich auf diese Dinge niederlässt und gründet; ist denn kein Unterschied zwischen Brauch und Missbrauch? Ich spreche so: Ein Abgott ist, wenn das Herz, an etwas hängt und auf etwas traut, das nicht Gott selbst ist. Woran das Herz des Maulchristen mit seinem Vertrauen außer Gott hängt, das ist sein Götze. An Altar, Predigtstuhl etc.; denn er vertraut auch, da er nicht an Christum glaubt, und den Glauben durch die Liebe nicht ausübt, dennoch dadurch selig zu werden, dass er in seiner Kindheit auf den Taufstein getragen, ob er gleich die Kraft der Taufe im Leben nicht beweist; dass er den Prediger auf der Kanzel sieht und hört, ob er gleich das Wort im Glauben nicht annimmt, noch ins Leben bringt; dass er alle Vierteljahr zum Beichtstuhl kommt, obgleich das Herz nicht meint noch empfindet, was der Mund beichtet; dass er mit andern Kommunikanten um den Altar herum geht, obgleich weder Andacht noch Glaube im Brauch des Abendmahls bei ihm ist. Heißt das nicht Abgötterei treiben, wenn ich meine Seligkeit nicht durch den wahren Glauben auf Christum, sondern durch einen Wahnglauben auf Holz, Kalk oder Steine gründe? Ich spreche noch eins. Wer Gott nicht dient, wie er ihm will in seinem Wort gedient haben, im Geist und in der Wahrheit, sondern nur mit bloßem äußerlichen Schein und Werk, der ist abgöttisch. Einbildung ohne Wort Gottes ist sowohl ein Götze, als ein hölzern und silbern Bild. Sag mir, warum nennen unsere Theologen den päpstlichen Gottesdienst eine Abgötterei? Weil er nicht zur Maß und Richtschnur hat das Wort Gottes. Eben darum nenne ich den Gottesdienst der Maulchristen Abgötterei, weil Gott in seinem Wort ausdrücklich verwirft die Opfer ohne Fett, die Werke ohne Glauben. Ach, davon sollte man nicht Disputierens machen, sondern im Herrn einen Mut fassen, wider die Baaliten mit Elias eifern, sich bemühen, den Tempel des Herrn zu reinigen, und die selbst gemachten Götzen in den Herzen der Menschen nieder zu reißen. Es hilft nicht, dass man sagt: Der Wiedertäufer kann solche Worte missbrauchen, und seine Lügen damit bescheinigen. Musste nicht Gott leiden, dass ihm der Teufel das Wort aus dem Munde riß, und wieder Christum fälschlich anführet in der Wüste? Matth. 4. Wenn Paulus gar tröstlich gelehrt hat, dass, wo die Sünde, da sei auch die Gnade Gottes mächtig, Röm. 5,20., fährt der freche Haufe zu, und folgert: Ei, so müssen wir nur getrost Sünde auf Sünde häufen, dass die Gnade Gottes ihre Macht an uns beweisen könne. Wer hat sie so heißen schließen? Nicht Paulus und seine wohlgemeinten Worte, sondern der Teufel und ihr verkehrter Sinn. Gift aus der Rose. Wer kann dawider? Nun, in der Vorrede meiner Schluß-Kette habe ich dem christlichen Leser geschrieben: Sollte sich ein Lästerer unterstehen, an diesem Buche seine giftigen Zähne zu wetzen, werd ich mich darob nicht zu Tode grämen. Ist doch eben solch Leiden über meinen liebsten Heiland, seine Apostel und treuen Diener in der Welt ergangen. Ein besser Glück hab ich mir nie begehrt, als mein Herr und meine Brüder im Herrn vor mir gehabt. Recht muss dennoch Recht bleiben, und dem werden alle frommen Herzen anhangen. Der Welt Unart ist, dass sie das Gute lästert, weil sie selbst böse ist. Was der fleischliche Mensch nicht versteht, muss er ja lästern. Dabei bleibt es. Dich geht‘s an, du Pharisäer.

 

153. 

VON DER WAHREN HERZENSDEMUT.

Gott wiegt die Geister. Sir. 16.

 

Menschen richten nach dem Äußerlichen, ob einer reich oder arm, hoch oder niedrig ist; Gott sieht das Herz an, wie sich dasselbe in Reichtum und Armut, Hoheit und Niedrigkeit hält. Was hilft‘s, dass ich niedrig und dürftig bin mit Unwillen? Überall nichts. Wiederum, was hindert‘s die heiligen Väter, Abraham, Isaak und Jakob, dass sie reich waren? Was schadet David sein Königsstuhl, Daniel seine große Gewalt in Babylonien, so ihr Herz nichts darauf gibt, noch das Seine darin sucht? Es muss ja äußerlich Unterschied der Personen und Stände bleiben auf Erden, aber das Herz muss weder ankleben noch fliehen, nicht an Reichtum hangen, noch Armut fliehen, weder Hoheit lieben, noch Niedrigkeit hassen. Das ist nicht Demut vor Gott, dass du dich mit schlechten Kleidern behilfst, mit geringen Leuten umgehst, allenthalben den Untersitz nimmst, um den Ruhm der Demut zu erjagen. Ja, ich frage dich, ob nicht dein Herz nach hohen Dingen trachtet, dazu es durch solch demütig Gespenst gedenkt zu kommen? Ach, wer von Herzen demütig ist, sieht einfältig auf solch niedrig Wesen, geht damit um und wird doch nicht gewahr, dass er darum demütig ist. Da quillt das Wasser aus dem Brunnen, da folgt von ihm selbst ungesucht, dass er geringe Gebärde, Worte, Person, Kleider führt, meidet, wo er kann, hoch und groß Ding. Einen solchen überfällt die Ehre unversehens, und seine Erhöhung kommt ihm unbedacht, denn er hat sich an seiner Niedrigkeit einfältig genügen lassen, und nach der Höhe nie getrachtet. Aber einen falschen Demütigen wundert es, dass seine Ehr und Erhöhung so lang ausbleibt; denn sein himmlischer Hochmut lässt sich nicht genügen an dem Geringen, das er hat, sondern denkt heimlich immer höher und höher. Mit einem Worte: Wahre Demut weiß nicht, dass sie demütig ist; denn so sie es wüsste, würde sie vom Ansehn solcher schönen Tugend hochmütig, sondern sie hängt mit dem Herzen allein an geringen Dingen, die hat sie ohn Unterlass vor Augen, wie ein Bild im Spiegel, dieselben hindern, dass sie nicht hoher Dinge gewahr wird, bis ihr die Ehre unversehens kommt, dass sie nicht weiß woher. Wie wunderlich war der engelische Gruß in Mariens Augen, wie entsetzte sie sich davor! Denn sie hat nicht denken mögen, dass ihr solche Ehre widerfahren sollte. Hingegen falsche Demut weiß nimmer, dass sie hochmütig ist; wüsste sie es, sie würde bald vor der häßlichen Gestalt der Hoffart erschrecken und demütig werden, aber sie hängt mit dem Herzen an hohen Dingen, darin erlustigt sie sich, wie ein Pfau in seinen Federn, denkt immer, wird nicht bald die Ehr auch zu deiner Tür kommen? Drum, wenn sie kommt, findet sie dieselbe immer bereit und ist vollkommen; vor Schande und Erniedrigung aber entsetzt sie sich und lässt den Mut fallen. Darnach prüfe dich, mein Christ, und lerne von deinem Jesu demütig sein von Herzen Matth. 11,29. Das gebe Gott!

 

154. 

VON DER MENSCHENGUNST.

Menschengunst, Erdendunst.

 

Die Brücke bricht und du fällst, siehe dich vor. Der Dunst kommt aus der Erde. Und warum ist dir der Mensch günstig? Weil du irdisch gesinnt bist, es so mitmachst, wie er’s macht; wird dein Herz erleuchtet und du gewinnst einen himmlischen Sinn, so ist alle Gnade aus. Du hast der irdischen Güter viel. Gut macht Gunst; Gut hin, Gunst hin; ach tritt auf diese Brücke nicht, sie bricht. Die Sonne zieht die Dünste hinauf, drum gibt‘s in heißen Sommertagen starke Platzregen. Geht deine Glückssonne auf, scheint hell und warm, du hast der Gönner viel, wenn du dieselben Gönner nennen willst, die ihnen selbst günstiger sind als dir, und bei dir nicht dich und das Deine, sondern sich und das Ihre suchen; geht die Sonne unter, verloschen ist die Gunst. Die Dünste steigen auf und ab; der Menschen Gunst nimmt zu und ab, nachdem du im Glück blühst und verwelkst; heut erheben dich deine Gönner und setzen dich mit ihrem Lob unter die Sterne, wer ist da gelehrter, weiser, heiliger, geschickter, qualifizierter, als du? Morgen stürzen sie dich mit ihrer Lästerzunge in den Grund hinein, wer ist da ungelehrter, ungeschickter, unheiliger, närrischer, als du? Aus den Dünsten wirkt die Sonne den Regen; ach wie mancher Tränenregen netzt deine Wangen; wenn du im Unglück bedenkst, wie viel deiner Gönner vor gewesen und wie wenig ihrer jetzt sind; wie viel dein reichlich genossen im Wohlstande, von welchen du jetzt kein Tröpflein Wassers zu genießen hast in deinem Wehstand. Das bedenk, verlass dich nicht auf Gunst der Menschen. Wie sich das Wetter, so wendet sich der Menschen Gunst. Heute sanft und still, morgen rauh und ungestüm; heute Freund, morgen Feind. War nicht David dem König Saul anfangs ein erwünschter Mann? Bald ändert sich sein Herz und trachtet ihm nach Leib und Leben. Wie lieb war Judas den Hohenpriestern, da er kam, Jesum zu verraten; aber da ihm seine Verräterei leid war, hielten sie ihn so wert nicht, dass sie ihm in seiner Angst ein tröstlich Wort gaben, sondern sprachen ganz höhnisch: Was geht‘s uns an? da siehe du zu. Nicht anders macht‘s die Welt. Sie genießt dein, wenn du im Vollen sitzest, dann bist du bei ihr der Liebste und Beste. Kommt Mangel zu deiner Tür, gehst hin, klagst deine Not, ist sie fertig mit diesem Trost: Was geht‘s mich an? da siehe du zu. Ich hab gesehen, dass betrübte Herzen in ihrem Unglück mit Spott und Tränen abgespeist sind von denen, welchen sie zuvor manch Freudenmahl bereitet. Drum will ich auf Menschengunst mein Datum nicht setzen, sondern mich bloß allein um die Gnade meines Gottes bekümmern, der ist und bleibt mir treu, das weiß ich wahrhaftig. Amen. 

 

155. 

VON DER GELASSENHEIT.

Des Herrn Wille geschehe.

 

Ist‘s Gottes Wille nicht, so ist‘s auch mein Heil nicht. So spricht ein Christ. Wie aber ein Weltkind? Mein Wille geschehe. Wie weh tut‘s den Leuten, wenn nicht geschieht, was sie wollen; wie zürnen und rumoren sie, wenn‘s nicht nach ihrem Willen geht! Liebers ist nichts, als Eigenwille, den man auch schwerlich lassen kann und ist doch das allergrößte Übel, ja die Wurzel alles Übels in uns. Denn wer seinen Willen hat, ist gewiss wider Gottes Willen. Gottes Wille und Eigenwille sind wider einander, wie Feuer und Wasser; soll Gottes Wille geschehen, muss Eigenwille untergehen. Was kann der Gutes stiften, der wider Gott streitet? Mein Christ, gewöhne dich nicht zu tun, was dich gelüstet, sondern, was wider deinen Willen ist; denn dein Wille ist nimmer gut, er scheine so gut wie er wolle. Wär ein guter Wille in dir, dürftest du nicht täglich beten aus des Herrn Munde: Herr, dein (nicht mein) Wille geschehe. Matth. 6,10. Ein Christ, sagt Dr. Luther, soll sich selbst üben, dass er einen Überwillen habe wider seinen Willen und nimmer unsicherer sein, denn wenn er findet, dass nur ein Wille und nicht zwei Willen wider einander in ihm sind, und also sich gewöhnen, dem Überwillen zu folgen gegen seinen Willen. Beleidigt dich jemand und bringt dich um das Deine, leide, als geschehe dir recht. Denn obgleich dein Beleidiger unrecht daran tut, so ist‘s doch recht vor Gott, dass du es leidest. Es ist alles Gottes, was du hast, der mag dir‘s durch einen Bösen oder Guten nehmen, da soll dein Wille nicht widerstreben und sagen: Ich will‘s nicht leiden, sondern sich lassen und sprechen: Des Herrn Wille geschehe! Hast du etwas Gutes vor und wirst dran gehindert, sollst du nicht in Ungeduld ausfahren und sagen, ich will‘s haben, es muss so sein, sollt‘s auch den Teufel und alle Welt verdrießen, sondern fein gelassentlich sprechen: Mein Gott, ich meinte, es sollte gut sein, so es aber nicht sein soll, geschehe dein Wille, ich bin‘s zufrieden. Ist dein Wille gut, so ist doch Gottes Wille noch besser, und wenn Gott deinen guten Willen hindert, tut er’s allein darum, dass er besser werde; dann wird er besser, wenn er dem göttlichen gleichförmig wird, bist du gar gelassen, frei, willenlos nicht mehr weißt, denn dass du Gottes Willen gewartest. Ja, spricht das Weltkind, das heißt gezwungener und nicht ein freier Wille, warum hat mir denn Gott einen freien Willen gegeben? Lieber, du bestrickst dich selbst; hat dir Gott einen freien Willen gegeben, warum willst du ihn denn machen zu einem eigenen Willen und lässt ihn nicht frei bleiben? Wenn du damit tust, was du willst, ist er nicht frei, sondern dein eigen; solcher Eigenwille kommt nicht von Gott, sondern vom Teufel und Adam, die haben ihren freien Willen von Gott empfangen, ihnen selbst zu eigen gemacht. Ein freier Wille ist, der nichts eigenes will, sondern allein auf Gottes Willen schaut, dadurch er denn auch frei bleibt, nirgend anklebend als an Gott. Ich will durch Gottes Gnade ein freier lediger Mensch sein, an keinem Dinge haften, als blos lauter an dem Willen Gottes, weder Gutes begehren, noch Böses fürchten, gleich achten Ehre und Schmach, haben und mangeln, leben und sterben, allein daran gesättigt sein, dass Gottes Wille also sei. Was der mit mir armen Würmlein machen will, soll mir all wohlgefallen. Er hat‘s ja noch nimmer bös gemacht. Sein Name sei gelobt! Amen.

 

156. 

VON DEM ZORN DER LIEBE.

Harr, du arge Rute.

 

So spricht die Liebe, wenn sie ausgezürnt hat. Hat ein Vater sein Kind gestäupt, lockt er’s wieder an sich, gibt ihm die besten Worte, zürnt mit der Rute, schilt und tritt sie mit Füßen, als habe sie es getan, nicht er, deutet seine Strafen auf‘s Beste, wie er’s so gut gemeint habe und sei nicht Zorn, sondern eitel Liebe gewesen, gibt ihm einen Schilling oder Apfel zum Liebeszeichen, dass das blöde Kindlein der Rute vergesse und sich wieder kindlich zu ihm stelle. Gleich so macht‘s Gott, wenn er seine Kinder gezüchtigt hat. Zum Zacharias spricht der Engel, der mit ihm redet: Predige und sprich: so spricht der Herr Zebaoth: Ich habe sehr geeifert über Jerusalem und Zion. Aber ich bin sehr zornig über die stolzen Heiden, denn ich war nur ein wenig zornig, sie aber helfen zum Verderben. Darum, so spricht der Herr: Ich will mich wieder zu Jerusalem kehren mit Barmherzigkeit und mein Haus soll drinnen gebaut werden. Es soll meinen Städten wieder wohl gehen und der Herr wird Zion wieder trösten und wird Jerusalem wieder erwählen Zacharia 1,14-17. Wie entschuldigt hie Gott seine Züchtigung, wie legt er’s alles den Heiden bei, als der Rute seines Zornes, wie schilt er sie und wie zürnt er gleichsam mit ihm selbst, wie lockt er die blöden Herzen mit süßen Verheißungen an sich und wischt ihnen damit die Tränen ab von ihren Augen! Gottes Zorn ist kein Feindeszorn, sondern ein freundlicher Vaterzorn, wie die mit einander zürnen, die sich lieb haben, welcher Zorn nur dazu dient, dass die Liebe immer hitziger und neuer werde, wie der Heide Terentius spricht: der Zorn der Liebenden ist die Erneuerung der Liebe. Wo die Liebe zürnt, sagt man, tut sie keinen Schaden. Hingegen, wo Hass und Neid zürnt, da verdirbt alles. Der Liebezorn will das Böse (welches er hasst) vom Guten (welches er liebt) sondern, auf dass das Geliebte erhalten werde, wie ein Vater mit der Rute sein Kind erhalten, die Sünde aber abtun will. Der Neidzorn aber fährt plump darein und will beides das Gute mit dem Bösen, die Person mit der Sünde zu nicht machen. Ach, es ist eine schlechte Liebe, die nimmer zürnt; sich meint sie, nicht dich; dein Verderben, nicht dein Heil. Wollest du wohl glauben, dass der Vater das Kind lieb habe, mit welchem er seiner Untugend halber nimmer zürnt? Wahrhaftig, der ist dein Freund nicht, der dich deiner Verbrechen halber nimmer straft. Nenn es keinen Hass, wenn dein Freund wider deine Sünde zürnt. Es ist eitel Liebe. Der Hass zürnt mit bleichem, giftigem, die Liebe mit rotem, brünstigem Angesicht; der Hass hört nicht auf zu zürnen, wenn gleich die Ursach zu zürnen aufhört; wer liebt, hört auf zu zürnen, wenn das Böse, so ihm zuwider war, abgetan ist, da zürnt er gleichsam mit ihm selbst, seines gefassten Zornes halber, er straft sich selber seiner Strafe halber; da heißt‘s: harr, du arge Rute! damit der Nächste in Gegenliebe entzündet, erkenne, es sei gut gemeint gewesen und sein Vertrauen zu ihm erneuere. Mein Freund, ich will dich so lieben, dass ich auch dein Heil liebe. Drum verdenk mir nicht, so ich zürne wider das, was dir an deinem Heil hinderlich ist. Es geschieht zu deinem Besten. Liebst du mich von Herzen, so gehe hin und tue desgleichen.

 

157. 

VON BEWEGLICHEN PREDIGTEN.

Von Herzen ins Herz.

 

Das geht mich und dich an, die wir arbeiten im Wort und in der Lehre. Du klagst, es geht den Leuten nicht zu Herzen, was ich predige. Ich frage, geht‘s auch von Herzen? Was nicht von Herzen, das geht auch nicht zu Herzen. Das Herz will gern etwas Gewisses haben. Wie kannst du trauen, dass die Zuhörer deiner Lehre gewiss sind, wenn du nicht derselben durch eigne Erfahrung bei dir selbst versichert bist? Belade nicht die Zuhörer mit der Schuld, dass die Lehre nicht zu Kräften komme, ehe du dich selbst entladen hast. Du redest ohne Verstand dahin wie ein Papagei, predigst das Wort schläfrig wie ein Träumender und ist dir weder durch den Glauben, noch durch einige empfindliche Beistimmung deines Herzens bewusst, was du redest. Glaube mir, dass du des Unglaubens beim Zuhörer so wohl schuldig seist, als er selbst. Wenn Christus sagt zu Nikodemus: Wir reden, was wir wissen, ihr aber nehmt unser Zeugnis nicht an, Joh. 3,11.; gibt er’s sattsam zu erkennen, dass die Juden einigermaßen Ursache gehabt hätten, das Wort zu verwerfen, sofern es ihnen ohne Wissenschaft und Selbsterfahrung wäre vorgetragen. Prediger sind Säugammen der Gemeine; sollen ihre Brüste gesunde, süße Milch geben, müssen sie zuvor selbst die Speise göttlichen Worts schmecken, kauen, verdauen und ins Leben wandeln. Bienen müssen sie sein, die sich selbst zuvörderst, darnach auch andere mit Honig satt machen. Ach, wie viel sind gleich den Rinnen, durch welche nur das Wasser hinfließt, andere wässern, selbst bleiben sie dürre! Wie kann das Wasser ein Schiff bewegen, das selbst nicht bewegt wird von den Winden? Eine Rede, die aus einem bewegten Herzen geht, dringt tief ein und wirkt kräftiglich, ob‘s gleich nur eine Rede ist eines geringen Menschen. Ja, selbst das Stillschweigen eines solchen ist nicht ohne Kraft. Origenes, als er nach seinem Fall diese Worte aus dem 50. Psalm: Was nimmst du meinen Bund in deinen Mund, im Text der Predigt dem Volk vorlas und nicht reden konnte vor Tränen, machte, dass die ganze Gemeinde mit ihm weinte. Wenn das Herz der Lehrer reden möchte, ach, wie kräftig würden ihre Predigten sein! Nun ich will drob sein, nicht dass ich zierlich, sondern beweglich predige, nicht die Ohren kraue, sondern das Herz rühre. Von mir selbst will ich den Anfang machen. Was mich nicht bewegt, wie will das andere bewegen? Ich habe wohl ehe unter meiner Predigt die Tränen fließen sehen, wenn mir zuvor selbst die Tränen geflossen in meinem Studierstüblein. Ach mein Gott, lass deinen Wind wehen, dass wir selbst durchgeweht, auch andere kräftig anwehen, so wird man deine Würze riechen. 

 

158. 

VOM WACHSTUM DER CHRISTEN.

Je älter, je kälter. 1 Kön. 1,1.

 

Da David 70 Jahre alt war und wohlbetagt, konnte er nicht warm werden, ob man ihn gleich mit Kleidern bedeckte. Wenn ein Lichtlein kein Öl, ein Feuer kein Holz, Stroh oder Kohlen mehr hat, geht‘s aus; wenn Speise und Trank nicht mehr schmeckt, verzehrt sich nachgerade die Lebenswärme. Das Alter ist gleichsam der Winter unsers Lebens. Im Winter ist die Kälte scharf. Von der Kälte alter Leute zeugen die weißen Haare. Wandelt doch die Kälte zur Winterzeit die Regentropfen in weiße Schneeflocken. Je älter, je schwächer. Wenn die Natur im Wachstum ihr Ziel erreicht, nimmt sie allmählich an Kräften wieder so ab, als sie vor zunahm; hört sie auf bergan, so fängt sie an bergab zu gehen. Das Alter ist ein gemeiner Graben, darin sich alle Schwachheiten menschlichen Körpers ausschütten. Die letzten Tage sind die Hefen unsers Lebens, die suchen allemal den Grund Diese sind‘s, die der Prediger nennt die bösen Tage und die Jahre, davon du wirst sagen, sie gefallen mir nicht. Da die Sonne und das Licht, Mond und Sterne finster werden und Wolken wieder kommen nach dem Regen. Zur Zeit, wenn die Hüter im Hause zittern und sich krümmen die Starken und müßig stehen die Müller, dass ihr so wenig worden ist und finster werden die Gesichter durch die Fenster Pred. 12,1–3. Darum mein Herz, verspare deine Frömmigkeit nicht bis ins Alter. Da ist alles kalt, faul, tot Ding, Frömmigkeit mit. Ach leider, wie ist‘s mit unserm Christentum bewandt! Müssen wir nicht auch klagen: Je älter, je kälter, je älter, je schwächer? Wir sollten mit der Zeit an geistlichen Kräften zunehmen, so nehmen wir ab; wir sollten immer eifriger werden zu guten Werken, so werden wir immer träger. Wie manches Kind tut hie einem Alten zuvor? Das rede ich vielen zur Schande. Im Christentum sollt‘s heißen: Je älter, je eifriger; nimmt doch im Laufen die Hitze zu. Je älter, je stärker. Das Christentum besteht nicht im Ab-, sondern im Zunehmen, nicht im Rück-, sondern Fortgang. Ein Baum muss immer wachsen; wir sind Bäume, gepflanzt im Hause des Herrn, in den Vorhöfen unsers Gottes. Drum müssen wir wachsen in der Gnade und Erkenntnis Jesu Christi 2 Petr. 3,18. Die Kinderschuhe müssen wir als neue Menschen nach und nach ausziehen, und darnach trachten, dass wir ein vollkommener Mann werden in dem Maß des vollkommenen Alters Jesu Christi Eph. 4,13. Ich weiß wohl, dass ich die Vollkommenheit in dieser Sterblichkeit nicht ergreifen werde, doch will ich ihr nachjagen, ob ich sie ergreifen möchte Phil. 3,12. Was ich nicht bin, will ich mich durch Gottes Gnade bemühen zu werden, und was ich nicht werden kann, wollt ich doch gern werden; Gott ist der Wille so lieb als das Werk, wenn er ernstlich ist. Unterdessen will ich zu Gott seufzen, dass er in mir wirke beide das Wollen und das Tun nach seinem Wohlgefallen Phil. 2,13. 

 

159. 

VON DER EIGENSCHAFT DES GLAUBENS UND DER LIEBE. 

Nichts gemein, alles gemein.

 

Jedermann will gern was eignes haben. Eigen Herd ist Goldes wert. Und ist doch von allem, was wir haben, nichts unser eigen, alles ist Gottes. Wir sind nur Haushalter, er ist der Herr. Das, was unser eigen sein könnte und sollte, geben wir preis; wer will, der hab‘s, die Gnade Gottes, das Heil Jesu Christi. Was aber gemein sein sollte, reißen wir als ein Eigentum zu uns; die Güter dieser Welt. Was macht‘s? Wir sind keine guten Christen. Der Glaube macht, die Liebe beweist den Christen. Der Glaube eignet ihm absonderlich zu, was die Schrift gemein macht, Gott und seine Gnade, Jesum und sein Heil, den Himmel und die Seligkeit. Wenn die Schrift sagt: Gott ist ein Gott der Gläubigen, fährt der Glaube zu, reißt Gott an sich, und spricht mit Thomas: Mein Herr und mein Gott, grad, als wäre kein Mensch in der Welt, den Gott anginge, als ihn. Wenn die Schrift sagt: Christus ist in die Welt kommen, die Sünder selig zu machen, so spricht der Glaube mit Paulo: Er ist mir gemacht von Gott zur Gerechtigkeit 1 Kor. 1,30. Er hat mich geliebt, und sich für mich in den Tod gegeben Tit. 2,14. Gerad als hätte sich keiner des Leidens Jesu zu trösten, denn er allein. Wenn die Schrift sagt, dass die, so ritterlich kämpfen, sollen gekrönt werden, 1 Kor. 9,25., spricht der Glaube mit Paulo: Mir wird der gerechte Richter die Krone der Gerechtigkeit geben 2 Tim. 4,8. Nicht anders, als wollt er allein selig werden. Hingegen macht die Liebe gemein, was Gewinn und Besitz zu eigen macht. Wo ungefärbte Liebe ist, da herrscht kein mein und dein. Die Liebe. sucht nicht das Ihrige. Da heißt‘s: was mein ist, ist auch dein, was dein, ist auch mein. Dein Leid mein Leid, meine Freude deine Freude, deine Not meine Not, mein Brot dein Brot; ein Herz, eine Seele, ein Gewinn, ein Verlust. Die Liebe, wenn‘s möglich wäre, wollte wohl das Herz im Leibe mit dem Nächsten teilen. Gott hat die Kreatur zum Dienst erschaffen, nicht dem Reichen nur, sondern auch dem Armen. Darum hat die Kreatur nicht Lust, in des Reichen Kasten als eine Herrscherin zu ruhen, sondern jedermanns Notdurft zu dienen; die Liebe hält sich auch nicht auf, sondern lässt sich gern dienen. So ungleicher Art ist Glaube und Liebe. Jener nimmt und geizt für sich, diese ist überall und teilt andern mit; jener sieht auf das Seine, diese auf das Gemeine. Ich will nichts mein eigen nennen, als Gott und seine Gnade, die soll mir kein Teufel nehmen. Das Irdische soll also mein sein, dass ich ihm gebieten kann, wie jener Hauptmann seinen Knechten; heraus Dukaten, Gulden, Schillinge, gehe hin und schaffe dem Hungrigen Brot, dem Durstigen Trank, dem Kranken Arznei und Pflege. Es soll also mein sein, dass ich dennoch auch mein bleibe und nicht sein werde: mein Knecht und nicht mein Herr.

 

160. 

VON DEN BESTEN RATGEBERN.

Ohnrat, Unrat.

 

Unrat, Unart. Wer sich nicht raten lässt, gerät gemeiniglich in ein unartiges Leben. Wer soll denn mein Ratgeber sein? sprichst du. Nicht du selbst. Selbstrat, Schalksrat. Indem dir dein Schalksherz Rat gibt, verrät es dich. Gehst du mit dir selbst zu Rat, so gehst du zu Rat mit deinem ärgsten Feinde; an keinem hast du einen so gewissen Feind als an dir selbst. Gehst du mit dir selbst zu Rat, so wirst du am ersten betrogen. Der höchste Betrug steckt in deinem Herzen. Drum sagt Chrysostomus recht: ein jeglicher ist sich selbst der ärgste Rat. Die Welt soll auch zum Rat nicht erwählt werden; Weltrat, wilder Rat. Wie manchen hat er geführt in ein wildes, wüstes Leben! Wer bei der Welt Rat sucht, ist gleich dem, der sich vom Blinden leiten lässt; sie fallen beide in die Grube. Die Welt führt nicht, sondern verführt. Lasst euch niemand verführen mit vergeblichen Worten, denn um dieser willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Unglaubens. Drum seid nicht ihre Mitgenossen Eph. 5,6.7. Nimm Gott zum Ratgeber, mein Christ. Gottes Rat, guter Rat. Bei Gott geht Asaph zu Rat. Du, spricht er, leitest mich mit deinem Rat, und nimmst mich endlich zu Ehren an Ps. 73,24. Folgst du deinem oder der Welt Rat, es läuft gewiss auf Schande aus. Folgst du aber Gottes Rat, so hast du Ehre von deinem Tun, wo nicht auf Erden, doch im Himmel. Bei Gott geht David zu Rat, und rühmt‘s im 119. Psalm: Ich habe Lust zu deinen Zeugnissen, die sind meine Ratsleute. In Gottes Wort ist eine gewaltige Weisheit und so trefflicher, kluger Rat in vielen Sachen, dass man sich verwundern muss. Da findet man guten Rat für alle Stände. Der geistliche Stand hat seinen Rat an den Exempeln der heiligen Propheten und Apostel, wie die es gemacht haben im Lehren, Leben, Leiden, so mach es nach. Die Politiker können nützliche Weisheit schöpfen aus den Büchern der Könige, sonderlich den Sprüchen Salomonis, der alle Weltweisen zur Schule führt. Im Sirach ist eine solche häusliche Weisheit vorgetragen, die wohl nie kein Hausvater auslernen wird. Ach, das liebe Wort Gottes, wie manchen guten Rat gibt es, wenn sonst aller Rat verloren! Die Schrift ist Gottes Mund. Was kann aus Gottes Mund anders als Heil und Weisheit gehen? Ohne Rat will ich nichts anfangen, denn was Rat nicht anfängt, pflegt Reu zu endigen. Ich selbst kann mir so wenig raten, als mir selbst trauen. Der Welt Rat verrät mich nur und übergibt mich meinem gewissen Verderben. Mit Gott will ich‘s halten, der gibt den besten Rat. Wenn ich oft keinen Rat gewusst, wohin oder wo hinaus, so hat er mir doch allezeit einen guten Rat ins Herz gegeben, dass ich meine Sache habe glücklich hinausführen können. Er wird‘s auch weiter tun. Ich trau ihm, er ist mein Gott und trügt mich nicht.

 

161. 

VOM SELBSTBETRUG DER WELT.

Die Welt will betrogen sein.

 

Wer kann ihr helfen? Ginge der Betrug ihr Zeitliches an, möchte man‘s verschmerzen. Aber Jammer, Jammer! Sie kommt drüber um der Seelen Seligkeit. Du suchst, der dir das Wort des Herrn predige, triffst einen Eiferer Gottes an, der die Wahrheit von Herzen redet und der Menschen Seligkeit mit Ernst sucht. Was dünkt dich? Soll er’s sein? Behüte Gott! Schaff ab, weg mit dem! Ei warum denn! Er eifert gar zu sehr, möchte dem Pharisäer den Schafpelz abdecken, dass das Wolfsherz hervorblickte. Es muss ein Politikus sein, der die Liebe nicht schüchtern macht, sondern fein an sich hält, da man Lust hat mit umzugehen, der sich in der Leute Weise schicken kann und alles fein mitmachen, wie es der Haufe macht, mit Saufen, Fressen, Wuchern, Geizen, Prangen, Alamodieren etc., ein Mansuetist und Modestiner, der uns fein sanft predige, damit das Hündlein, das man Gewissen nennt, nicht aufwache und uns allzuhart anbleffe. So sollt‘s sein? Ach Lieber, wo bleibt dann die Wahrheit? Wie geht‘s dann mit der Seligkeit? Was Seligkeit. Ach, wer Blut weinen könnte! Doch die Welt will betrogen sein, wer kann ihr helfen? Weichlinge darfst du so peinlich nicht suchen. An der Herren Höfe sind die Höflichen und gehen in Fuchsschwänzen. Aber hüte dich; Leisetreter sind keine Seligmacher, die Biene die keinen Stachel hat, bringt auch keinen Honig. Ja, sagst du, um einen guten Prediger ist mir‘s zu tun, der den Mund weidlich auftue und die Wahrheit rede ohne Scheu. Mein, wie hör ich denn dass du hasst, lästerst, verfolgst und Hungers sterben lässt, die deine Greuel ans Licht legen und dir eine Schamröte nach der andern abjagen, dagegen erhebst und mit Gaben überschwemmst, die dir Lügen predigen und deinen alten Adam bei allen Sündengreueln mit lauter Trost ausfüttern? Ja, so muss es sein. Wer‘s wohl meint und im Herrn eifert, findet keine Herberge, der Brotkorb wird ihm oft so hoch gehangen, dass er’s verlaufen muss. Darum müssen andere kommen, die dir mit Lügen das deine abstehlen, und muss doch nicht Lügen, sondern eitel heilsame Lehre heißen. Das sind die lieben schönen Diebe und Lügner, sagt Dr. Luther, die alle Welt verzehren und sie zum Lohn dafür verführen. Recht so. Das schadet dir nicht. Du willst betrogen sein, wer kann dir helfen? 

 

162. 

VON DER WUNDERLICHEN HILFE UND ERRETTUNG GOTTES.

Strick ist entzwei.

 

Der Vogel ist frei. Victoria. Victoria. Gottlob! Ich lebe noch, der Feind, griff mir schon nach der Gurgel. Als dem Isaak das Messer an die Kehle gesetzt ward, trat Gott dazwischen. Das heißt recht wie Paulus sagt: Als die Gezüchtigten und doch nicht getötet 2 Kor. 6,9. Halt ein, spricht Gott, wenn der Feind zu nahe treten will und was Arges im Sinn hat, züchtigen magst du mein Kind wohl, aber nicht umbringen; sein Arzt sollst du sein und nicht sein Mörder. Die Welt ist voll Mordgeister. Wie grimmig ist ein Mensch auf den andern, wär‘s möglich, er verschlänge ihn lebendig, oder ließe alles Wasser und Feuer vom Himmel auf ihn fallen. Aber so grimmig die Welt ist zu verfolgen, so mächtig ist Gott zu erretten. Wie wunderlich hat er die Feinde der Kirche von Anfang her gestürzt und sein verlassenes Häuflein bis auf diesen Tag erhalten, die nicht anders als ein Vogel den Stricken entflogen sind! Welch eine wunderliche Erlösung war die der Kinder Israel im roten Meer; der Stadt Jerusalem, dass der Feind keinen Pfeil hineinschießen muss; des Propheten Elisa aus der Hand der Syrer; des Apostels Paulus aus der Hand der Juden, die sich verbannt hatten, ihn zu erwürgen; des Petrus aus dem Gefängnis! Diokletianus, Maximinus hatten sich verschworen, den Christen das Garaus zu machen. Aber wie geriet‘s? Einer erstach sich selbst, der andere ward erhenkt. Deß tröst dich, mein Herz. Der Feind hat sein Garn ausgestellt, dir seine Mordpraktiken verborgen, setzest deinen Fuß getrost hinein; da ruft männiglich: Strick zu, der Vogel ist gefangen. Aber der im Himmel wohnt, lacht ihr, denn ehe der Strick zugeht, ist der Vogel schon entronnen. Gott ist getreu, 1 Kor. 10,13., und schafft aus allem Kreuz eine gnädige Entrinnung. Wird nicht oft der Feind gefangen in seinem eigenen Netz, und geschlagen mit seinem eigenen Schwert? Wie mancher fällt in die Grube, die er andern hat gegraben und erlebt das Unglück an sich selbst, das er andern gedacht zu tun; Pharao wollte die israelitischen Kindlein ersäufen lassen, ersoff selbst im roten Meer. Gott gibt seine Kinder nicht in den Willen ihrer Feinde. Er weiß die Frommen zu schützen und den Gottlosen ihre Mordstücke zu vergelten. Ach, wie oft hat der Verfolger gedacht, er hätte mich schon in seinen Klauen! Wunderbarlich hat mich Gott errettet. Gelobt sei mein Gott, der meine Füße aus dem Netze zieht, das sie mir stellen. Amen! 

 

163. 

VON DER ABGÖTTEREI DES GEIZIGEN.

Gold ist der Christen Gott.

 

Sagten die wilden Leute in der neuen Welt, da die Hispanier so kümmerlich nach dem amerikanischen Golde fragten. Du jagst nur dem Golde nach, hast du Gut, so hast du Mut, denn dein Gott lebt; fällt Gut hin, fällt Mut hin, denn dein Gott ist tot. Sag mir, ist nicht Gold dein Gott? Wem du dein Herz gibst, den machst du zu deinem Gott. Dein Herz fällt mit seiner Zuversicht, Liebe, Freude aufs Gold; ist nicht Gold dein Gott? Du sollst zur Kirche gehen, Gottes Wort zu deinem Trost hören, bleibst zu Haus, weil ein Gulden zu gewinnen; setzt du nicht Gold über Gott? Machst du nicht den Goldklumpen zu deinem Trost? Du suchst durch Fluchen, Lügen, Trügen dich zu bereichern. Was verlierst du? Gott und seine Gnade. Was gewinnst du? Ein Stücklein Goldes. Hast du nicht Gold lieber als Gott? Du hast gesündigt, Gottes Gnade ist hin, doch seh ich dich kein Tränlein weinen über deine Sünde. Du hast eingebüßt, willst vor Gram vergehen, ist nicht Gold dein Gott? Ein Lazarus kommt vor deine Tür, ist hungrig, will sich mit deinen Brocken sättigen; du sprichst: Gott tröste dich, und gibst ihm keinen Heller. Ist dir nicht ein Pfennig lieber als Gott? Was gilt‘s? Wenn du Gott in der einen Hand trügst und den Heller in der andern, ob du nicht lieber Gott als den Heller ließest. Wie kommt‘s? Gold ist dein Gott. O, dass du verflucht seist mit deinem Dreckgötzen, mit deinem Golde. Höre, was Dr. Luther in der Kirchenpostille 1. post. Trin. schreibt: „Wie geht das zu, dass der Geiz am allermeisten Abgötterei genannt wird und andere Sünde nicht? Uns zu großer Schande geschieht‘s; darum, dass Gold unser Gott ist, dem wir dienen und auf den wir uns verlassen, der uns doch nicht erhalten, noch erretten kann, ja, selbst weder stehen noch gehen, der weder hört noch sieht, keine Kraft noch Macht hat, bei dem weder Trost noch Hilfe ist. Es ist ein schändlicher, hässlicher, ohnmächtiger Gott, der auch einem an einem Schweren nicht helfen kann, ja, der sich selbst nicht bewahren kann. Da liegt er im Kasten und lässt sein warten, als ein kraftlos, tot Ding. Wer ihn hat, muss Tag und Nacht drauf sehen, dass ihn die Diebe nicht stehlen, oder er sonst umkomme. Pfui dich, des ohnmächtigen toten Gottes, der doch in dem geringsten nicht helfen kann. Und ist doch so ekel und köstlich, lässt sein auf‘s Herrlichste warten und sich mit großen Kasten und Schlössern verwahren. Ist solcher Schatz an Kleidern, so muss man ihn schützen vor den allergeringsten Würmlein, vor den Motten, dass ihn die nicht verzehren. Sollten uns doch die Wände anspeien, dass wir mehr trauen auf den Gott, den die Motten fressen und der Rost verdirbt, als auf den Gott, der alles schafft und gibt: Himmel, Erde und alles was drinnen ist. Andere Sünden geschehen doch also, dass der Mensch die Kreatur braucht und hat des Fleisches Lust davon; allein im Geiz muss sich der Mensch selbst martern und plagen mit Sorgen und hat keinen Nutzen davon. Da liegt das Geld auf einem Haufen und lässt sich dienen und der Geizwanst, der es hat, darf es nicht angreifen, noch zur Lust brauchen, dass er seinen Gott nicht erzürne. Also geht‘s denen, die diesem Götzen dienen. Der wahre Gott lässt sein doch gebrauchen, dient den Leuten; das tut der Mammon nicht, der will still liegen und ihm gedient haben. Wer von dieser Abgötterei nicht rot wird, der hat eine eiserne Stirn.“ Gott soll mein Herr, Geld mein Knecht sein; jenem will ich gehorchen, diesem gebieten; jenem anhangen, diesen verachten. Lass dir raten, mein Christ, und folge. Gott bleibt dir, wenn Gold dich lässt.

 

164. 

VON DER UNGEWISSHEIT DES TODES.

Heute rot, morgen tot.

 

Heute reich, morgen bleich; heute stark, morgen im Sarg. Gewiss ist der Tod, Anfang bringt ein Ende. Wie wir alle haben ins Leben einen Eingang, so haben wir auch alle aus dem Leben einen Ausgang. Wer an der Gewissheit des Todes zweifelt, erkennt nicht, dass er täglich sterbe. In dem Augenblick, da wir anfangen zu leben, fangen wir auch an zu sterben, und sterben immerfort, indem wir leben. Gleichwie der Wein nicht plötzlich aus dem Fass läuft, sondern rinnt tropfenweise, nach und nach; so tröpfelt unser Leben täglich dahin, bis kein Tropfen mehr übrig ist. So gewiss aber der Tod, so ungewiss ist die Stunde des Todes. Du denkst auf einen alten Mann und verblühst in der Blüte deiner Jahre. Nicht alle Schultern sind stark genug, den alten Mann zu tragen. Nicht alle Häupter sind würdig, dass ihnen die Ehrenkrone der grauen Haare aufgesetzt werde. Man trägt mehr Kälberhäute zu Markt als Kuhhäute. Der Tod sagt nicht vor an, wann er kommen will; im Hui setzt er seine Sichel an und haut dich nieder. Du bist ihm nimmer zu unreif in seine Scheuern. Wenn Jesabel ihrem Angesicht falschen Purpur anlegt, muss sie plötzlich der Hunde Speise werden. Wenn Belsazar mit seinen Gästen fröhlich ist und die goldenen Weinschalen ausschöpft, wird ihm der Tod an die Wand gemalt. Wenn jener reiche Bauer seiner Seele mit diesem Liedlein einen guten Mut macht: Sei nun zufrieden, liebe Seele, denn du hast einen Vorrat auf viele Jahre, iss und trink; spielt ihm der Tod ein ander Liedlein auf: Du Narr, du Narr, diese Nacht wird man deine Seele von dir nehmen. Drum, mein Herz, setz dein Datum nicht weit hinaus. Sorge nicht für morgen, vielleicht stirbst du heute noch. Der dir heute dein Leben gab, gab dir auch heute des Lebens Unterhalt; gibt dir Gott das Leben morgen, wird er dich auch mit Brot versorgen. Denk nicht, morgen will ich Buße tun; es kann zu spät sein, vielleicht ist heute der letzte Tag, wer weiß, wie bald man sterben mag? Wahrlich, so wahr der Herr lebt, spricht David zu Jonathan, und so wahr deine Seele lebt, es ist nur ein Schritt zwischen mir und dem Tode 1 Sam. 20,3. Das magst du auch wohl sagen, mein Christ, du sitzest oder gehest, liegest oder stehest, so hast du den immer zu gewarten. Bist du zu Schiffe? Kaum bordsbreit vom Tode. Bist du zu Pferde? Es ist um einen Fall zu tun. Gehst du durch eine Gasse? Ein jeder Ziegel auf dem Dache dräuet dir den Tod. Unser Leben ist nur wie eine Hand breit, ja, wie nichts. Der Tod soll auf mich, ob Gott will, nicht lange warten, ich will sein warten alle Stunden. Die erste die liebste. Mein Jesu, komm nur bald!

 

165.

VOM RECHTEN GEBRAUCH DER FRÜHSTUNDEN.

Morgenstund, Gold im Mund.

 

So hätte es die Welt gern. Wenn’s alle Morgen Geld regnete, würde mancher früh auf sein und sammeln. Doch wer früh auf ist zur Arbeit, findet sein Gold zu rechter Zeit. Im Graben kommt man endlich zur Goldader. Arbeit hat einen goldenen Boden. Aber was ist dir gedient mit vielem Golde? Die Zeit bringt‘s, die Zeit nimmt‘s; die Erde gibt‘s, die Erde behält‘s; hie gefunden, hie gelassen. Tilge das „L“ und sprich: Morgenstunde hat Gott im Mund. Das lautet besser. Hab ich Gott, so hab ich Gold. Gott ist der rechte Goldmacher, sein Segen macht reich. Hab ich Gott, so hab ich was besser ist als Gold. Wenn Gold vergeht, Gott besteht. Gold ist immer ein stummer Götze, kann weder raten noch trösten, wenn Rat und Trost vonnöten; Gott tritt bei mit Rat, wenn alles verworren ist, und mit Trost, wenn das Angstwasser bis an die Seele geht. Gold wirft mir die Sorge auf meinen, Gott nimmt meine Sorge auf seinen Rücken; hältst du es mit Gold, ich halt es mit Gott. Ihm brachte man im alten Testament die Erstlinge vom Vieh und Früchten, ihm opfere ich die Erstlinge meiner Tage. Die Morgenstunde hat Gott im Munde Klagl. 3,23. Früh denkt Gott an mich, und lässt alle Morgen eine neue Güte über mich aufgehen. Früh denk ich an Gott und bringe ihm alle Morgen neue Farren meiner Lippen. Er hat mich, da ich als tot geschlafen, so väterlich bewahrt! Er hat mich unter dem Schatten seiner Flügel schadlos gehalten vorm Teufel und allem Unglück. Dafür bring ich ihm mein Dankliedlein. Dass er mich am Tage mit seinem Geist regiere, vor Sünd und Leid bewahre, des Teufels Mord und List an mir wehre, meine Arbeit segne, mein Kreuz tragen helfe, ersuch ich von ihm mit einem brünstigen Gebet. Mit Danken und Beten fang ich den Tag an, so hat die Morgenstunde Gott im Munde. Kommt dann kein Gold, so hab ich Gott, und hab ich Gott, so hat‘s nicht Not; im Hunger ist er mein Versorger, im Druck mein Schutz, im Leid meine Freude. Herr, wenn ich nur dich habe, so frag ich nichts nach Himmel und Erde, und wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Teil Ps. 73,25.26. Ich bin mit Gott zufrieden. Sei du es auch.

 

166. 

VON DER RUHE IN GOTT. 

Hier ist gut wohnen.

 

Hier ist dein Altar, Herr Zebaoth. Hier wird das Herz mit himmlischem Trost begossen und mit Wollust getränkt als mit einem Strom. Hier ist der Vorschmack des ewigen Lebens. Ade Welt! Ach wie ist mir so wohl! Hier ist der Himmel. Wo denn, ach wo? In meinem Herzen. Gott in mir, ich in Gott, das ist der rechte Himmel. In der Welt hab ich Angst, da ist meine Seele wie ein verschüchtertes Vögelein, das aus seinem Nest vertrieben, um seinen Gatten und seine Jungen kommen ist, es lebt in Furcht und Sorgen, weiß nicht wohin. Zu wem soll ich mich doch hier in der Welt halten? Die Welt tut, als ging ich sie nicht an, als kennte sie mich nicht. Wohin denn? Ich schlag frisch die Flügel meiner Begierde an und schwing mich in die Höhe, ruhe nicht, bis ich komme zum Altar des Herrn, da find ich Ruhe. In meinem Jesu wohn ich so sicher, wie ein Vöglein im Nest. In mir, spricht er, habt ihr Frieden Joh. 16,33. Will er mich aber auch verstoßen? Mit nichten, nein; komm meine Taube, in die Felslöcher, in die Steinritzen Hohel. 2,14. Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken, in mir sollt ihr Ruhe finden für eure Seelen Matth. 11,28.29. Das Täublein Noäh fand nirgend Ruh als in seinem Kasten. Bin ich außer Christo, werd ich vom Fleisch, Welt und Teufel verunruhigt; halt ich mich zu seinen Wunden, da find ich ein sicheres Nest, das nicht zerstört wird. Tobt dann die Welt? Lass sie toben. Ich bin in meinem Nestlein sicher. Wer will mich aus den Wunden Jesu reißen? Die Wellen schrecken mich nicht; mein Schifflein ist im Hafen. Betrübt die Welt? Mein Jesus lässt mich nicht ungetröstet. Die Freudenquelle ist in mir. Mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott Ps. 84,3. Jesus muss ja höher erfreuen können als die Welt betrüben kann. Mein Symbolum bleibt mir: Als die Traurigen, und doch immer fröhlich 2 Kor. 6,10. Presst sie Tränen aus? Jesus wischt sie ab. Verfolgt mich die Welt und jagt zum Tor, zur Stadt, zum Land hinaus? Was tut sie mir, als dass sie mich hinein jagt in die Wunden Jesu? Dies Räumlein muss sie mir doch lassen. Gedenk dran, mein Herz, wenn du Ruh und Lust suchen willst, ach, such sie nirgend als in deinem Gott. Kannst du doch in ihm alles finden, was du begehrst; wonach wolltest du dich denn anders als nach ihm sehnen? Lass dich‘s nicht verdrießen, täglich ein Stündlein abzustoßen, darin du dein Gemüt von der Welt abwendest und dich im Herzen erlustigst. Die Lust in Gott verschlingt die Bitterkeit der Welt. Schütte ein bitteres Tröpflein in eine ganze Kanne süßen Weins, wirst du es auch schmecken? Du darfst nicht fragen, was für Freude im Himmel sei, kannst sie täglich schmecken in deinem Herzen und dir damit all dein Leiden versüßen. Dein Herz ist Gottes Lusthaus und Himmel, da offenbart sich Gott in seiner Güte, da schmeckt man, wie freundlich der Herr ist. Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth; meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des Herrn. Mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott. Hier ist gut wohnen, mein Herz, hier will ich mein Hüttlein aufschlagen.

 

Ach, Jesu, lass mich ein, 

Ich bin dein Täubelein; 

Lass mich in deine Wunden, 

Da ich stets Ruh gefunden.

 

Verbirg in dieser Höhl 

Die hochbedrängte Seel, 

So will ich fröhlich sein, 

Auch mitten in der Pein.

 

Wenn Menschen trotzig toben, 

Will ich dich, Jesu, loben, 

Und singen für und für: 

Lob sei, Herr Jesu, dir!

 

167. 

VON DER GÖTTLICHEN HILFSTUNDE.

Alles aus.

 

Alles verloren. Ich muss verzagen. Nein, liebstes Herz, da sei Gott vor! Wenn die Erde still schweigt, so antwortet der Himmel. Wenn Menschenhilfe am schwächsten, ist Gottes Hilfe am nächsten. Hilf, Helfer, hilf! Das Wasser geht mir bis an die Seele. Die Mutter Gottes meint, ihr Sohn sollte doch nicht zum Garaus kommen lassen, sondern Wein schaffen, da noch Vorrat da wäre. Nein, sagt Christus: Meine Stunde ist noch nicht kommen Joh. 2,4. Wenn alles aus ist, so ist die rechte Zeit. Lazari Schwestern gedachten, wenn der Herr kommen wäre, da ihr Bruder noch lebte, so hätte es keine Not gehabt, nun er aber gestorben, wär ihm nicht zu helfen; das Widerteil beweist Christus in seiner Auferweckung. Wenn alles aus ist, so hilft Jesus. Wenn dem Hiskias der Tod schon aus den Augen guckt, wenn das kapernaitische Weiblein all das Ihrige verarzt, wenn die Witwe zu Nain ihren Sohn zum Tor hinausbringt, so kommt Jesus und beweist sich als ein Wundermann, der allein helfen kann, wenn alles aus ist. Du sprichst: Gott Lob, ich hab noch Korn auf dem Boden, noch Bier im Keller, es hat noch so große Not nicht. Ist gut, weil Not nicht da ist, hat Jesus auch da nichts zu schaffen. Die Not geht an, dein Korn tritt auf, dein Bier ist bald aus, der Mut entfällt dir, ach, sprichst du, wird mir nun nicht bald geholfen, so ist‘s verloren. Warte, liebes Herz, bis alles aus und auf ist, so will Jesus kommen; wenn kein Körnlein mehr auf dem Boden, kein Tröpflein mehr im Fass, so will Jesus helfen und was schaffen, wo nichts ist. Hat er nicht aus nichts alles gemacht? Die Kunst kann er noch und beweist es in der Not. In der Wüste tut Gott Wunder, da lässt er Manna vom Himmel regnen und Wasser aus dem Felsen fließen, da muss der Engel Brunnen weisen und der Rabe Speise bringen; da sättigt er 5000 Mann mit 5 Broten und lässt noch 12 Körbe Brocken aufheben; wenn alles um dich her wüste und öde ist, die Nahrung ist wüste, das Haus ist wüste, und du ganz sorgfältig beginnst zu sagen: Woher nehme ich Brot in der Wüste, dass ich esse mit meinen Kindern? so schickt Gott Brot. Entweder muss Brot vom Himmel regnen, oder die Engel müssen dir‘s zutragen, oder der Hunger muss dir statt des Brotes nährlich sein. Lass dich‘s nicht wundern, was ich sage. Gott tut noch Wunder alle Tage. Glaubst du es nicht, so geschieht‘s nicht. Gottes Wunderhand streckt sich nach deinem Wunderglauben. Ach, dass du Gott raten ließest! Wenn alles auf ist, hat seine Kammer doch noch Brot und sein Brünnlein Wassers die Fülle. Wenn das Wasser geht bis an die Seele, so zieht er aus der Tiefe heraus. Warte du der rechten Zeit; die Stunde Mariä muss sich richten nach der Stunde Christi und nicht die Stunde Christi nach der Marien. Es muss deine Not jedermann bekannt werden, so hat Gott Ehre von seiner Hilfe. Was ist des Eilens Not? Wenn wir nur glauben, dürfen wir nicht fliehen und eilen Jes. 28,16. Gott säumt nicht, ob dich‘s gleich dünkt; er eilet im Weilen, er ist der allerweiseste alsdann zu wirken, wenn seine Stunde da ist, und diese Stunde ist, wenn die Sache auf‘s Höchste und Letzte kommen, wenn‘s scheint aus zu sein. Wie spricht David: Die Stimme des Herrn ist da, denn sie haben sein Gesetz verworfen Ps. 119,126. Und Gott selbst beim Jesaia: Nun will ich mich aufmachen, nun will ich mich erheben, nun will ich hoch kommen Jes. 33,9.10. Warum denn eben nun, liebster Gott? Weil die Sache desperat ist, weil das Land kläglich und jämmerlich liegt und Basan und Karmel öde ist. Nun, wenn mich alle Welt aufgibt und spricht: es ist aus, will ich an Gottes Allmacht nicht verzweifeln, sondern sagen: Herr, hilf mir, deine rechte Hand kann alles ändern; er lässt das Kind nicht, das ihm trauet. Ich weiß es.

 

168. 

VON ANNEHMUNG DER STRAFPREDIGTEN.

Wahrheit rumort.

 

Der Pfaff ist zänkisch. Lieber, beweis es. Er sticht und schilt immer. Mein, wo fühlst du die Stiche und wo tun sie dir wehe? Im Gewissen. Was kann der Pfaff dazu, dass dein Gewissen dich sticht und beißt; steht er doch auf der Kanzel und rührt dein Gewissen mit keinem Finger an. Der Prediger straft das Böse, kaum fällt das Wort ins Ohr, so ist alsbald dein Gewissen ein schneller Zeuge wider dich, klagt dich an, überweist und verdammt dich. Deß muss der arme Prediger Schuld tragen. Dein Herz zankt mit dir über deine Bosheit, so ist der Prediger zänkisch. Dein Herz will dir keinen Frieden lassen, ehe du Buße tust und dich bekehrst, so ist der Prediger friedhässig. Den Prediger willst du beschicken und stillen. Warum beschickst und stillst du dein Gewissen nicht? Ach! Dein eigen Gewissen ist der schärfste Bußprediger wider dich. Die Vorpredigten, die der Priester von der Kanzel hält, stechen lang so scharf nicht, als die Nachpredigten, die dein Gewissen in dir hält. Mein Christ, ich will dir einen guten Rat geben. Wenn du merkst, dass dein Herz auf den Prediger zürnt, so stell es vor, frag und sprich: Mein Herz, weißt du dich deß schuldig, das der Prediger gestraft hat? Sagt‘s nein, was zürnst du denn? Weißt du nicht, wie hoch dem Prediger das Strafamt auf sein Gewissen anbefohlen? Hast du nicht gelesen, was Gott zum Ezech. Kap. 3,17.18. sagt: Du Menschenkind, ich habe dich zum Wächter gesetzt über das Haus Israel; du sollst aus meinem Munde das Wort hören und sie von meinetwegen warnen. Wenn ich dem Gottlosen sage: Du musst des Todes sterben; und du warnst ihn nicht und sagst es ihm nicht, damit sich der Gottlose vor seinem gottlosen Wesen hüte, auf dass er lebendig bleibe: so wird der Gottlose um seiner Sünde willen sterben; aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern. Ach, wolltest du wohl, dass der Prediger samt dem Gottlosen sollte zum Teufel fahren, da er beide, sich und die ihm zuhören, kann selig machen? Strafpredigten verdienen keinen Zorn, sondern Dank. Denk, wie wollte der Bosheit gesteuert werden, wenn man zu allen Greueln still schwiege? Sagt‘s ja, ei so zürne mit dir selbst, warum hast du Böses getan? Nicht, wer Böses straft, sondern wer Böses tut, hat Zorn verdient. Jener baut den Himmel, dieser die Hölle. Dank dem Prediger, der durch seinen Zorn in dir einen Zorn über deine Sünde erwecken will; damit du dem ewigen Zorn mögest entrinnen. Es ist ein Liebezorn, er meint‘s gut. Ich will der Wahrheit nimmer feind sein, weil sie mein bester Freund ist und mir zum Himmel hilft.

 

169. 

VON DEN GERICHTEN GOTTES ÜBER DIE VERLEUMDER.

Still, still.

 

Und harr des Herrn. Im Stillsein und Harren liegt der Christen Stärke. Dass die Welt Gottes Wunder nicht erfährt, woran liegt‘s? Sie kann nicht still sein und die Hilfe Gottes abwarten; kommt man ihr zu nahe, alsbald will sie aus der Haut fahren, rechten, fechten, raufen, balgen. Damit macht sie, dass Gott still sitzt und sich ihrer Sache gar nicht annimmt. Ich kenne einen Menschen, der auch schier so getan hätte und auf Zuraten kluger Leute mit dem Papst, dem Ketzermacher, einen Injurienprozess angefangen, aber gleich traf sich (ohne Zweifel durch Gottes Schickung), dass er Jesum predigte vor Kaiphas und Pilatus stehend, da er der Ketzerei und des Aufruhrs durch falsche Zeugen beschuldigt ward und antwortete kein Wort auf alle die Lügen. Was tat Gott? Die Lüge muss sich selbst verraten und schamrot machen. Denn die Zeugnisse der falschen Zeugen stimmten nicht überein. Da überwand der Christ den Menschen und ließ Gott die Rache. Mein Christ, ist die Sache Gottes, so will sie keinen menschlichen Schutz haben. Soll der Mensch Gottes Advokat oder Patron sein? Gott im Himmel muss der Bosheit selbst durch seine wunderlichen Gerichte das Maul stopfen. Sonst hören doch die Verächter Gottes und bösen Mäuler nicht auf zu lästern, weil man kein Recht wider sie auf Erden findet. Es heißt, wie David sagt: Wenn du das Urteil hören lässt vom Himmel, so erschrickt das Erdreich und wird stille Ps. 76,9. Was nahmen Pharao, Saul, Ahab, Isabel, Herodes für ein Ende? Wie kam Julianus um? Das ist Gottes Urteil. So lange Gott schweigt, gehen die Lästerer und Verfolger in ihrem stolzen Sinn einher, dürfen sich wohl einbilden, sie tun recht und wohl. Da ist der Satan geschäftig. Spricht Gott nur ein Wort dazu, so müssen sich legen ihre stolzen Wellen. Da Jesus schlief, tobte das Meer und die Winde brausten; sobald er dem Meere und Winde drohte, ward‘s still. Wenn die Feinde so unsinnig werden, dass sie Christum und sein Evangelium angreifen, ist‘s unnötig, dass wir uns fürchten. Leiden wir schon etwas darüber, haben wir doch deß Ehre vor Gott, ob wir auch hätten Schande vor den Menschen. Was Christi Ehre und Lehre betrifft, müssen sie dieselbe wohl stehen lassen. Trotz ihnen! Vergeblich stürmen die Höllenpforten auf diesen Felsen zu Matthäi 16,18. Ja, sprichst du, unterdeß leidet mein ehrlicher Name. Wie lange aber? Spricht nicht David: Gott wird deine Gerechtigkeit hervorbringen wie das Licht, und dein Recht wie den hellen Mittag? Ps. 37,6. Zehn Jahre währte es beinah, dass David gedrückt ward vom Saul, aber er konnte ihn doch mit aller seiner Macht nicht unterdrücken. Gott brachte ihn endlich wie ein schön Licht hervor, wie die Sonne am Mittag, und welch ein schön Licht war David im ganzen Lande? Eine große Eclipsis und Finsternis überfiel die gottlosen und tugendreichen Jünglinge, den Joseph und Daniel; aber endlich riss sie Gott aus der Finsternis heraus und brachte sie ans Licht, dass Joseph in Ägypten und Daniel in Persien heller leuchteten, als die Sonne am Himmel. Werd ich verleumdet, ich will Gott die Sache auftragen. Der mir die Sache verboten hat, wird sich derselben annehmen; sein ist die Sache, sein ist die Rache; er hat wohl ehe meine Sache ausgeführt, und mich zu Ehren gesetzt. Wie manches fromme Herz hat er erweckt, das öffentlich auftreten und wider die Verleumder teils reden, teils schreiben müsse. Still, still, Gottes Rache kommt langsam aber schwer.

 

170. 

VON DER CHRISTEN STANDHAFTIGKEIT.

Der letzte Stich gilt.

 

Im Krieg wird gepriesen der bis auf den letzten Mann steht. Unser Leben ist ein Krieg. Muss nicht der Mensch immer im Streite leben. Da gewöhne dein Herz, mein Christ, dass du im Nachgeben nicht der Erste, sondern der Letzte seist. Dein Fleisch streitet in dir wider dich, seine Stärke ist in den fleischlichen Lüsten und Begierden, welche wider die Seele streiten 1 Pet. 2,11. Deine Kraft liegt im Enthalten. Das Fleisch begehrt deiner Glieder zum Dienst der Unreinigkeit; von einer Ungerechtigkeit zur andern, Röm. 6,19.; deines Mundes zum Fluchen, deiner Hand zum Schlagen etc. Du aber willige nicht drein. Hält das Fleisch an mit Locken und Reizen, „tue das:“ fahr du fort mit Abschlagen, „nein, ich tue es nicht.“ Du der Letzte auf dem Plan. Der Letzte der Beste. Das Kreuz fällt auf dich zu, fängt an zu drücken, du verzagst alsbald und sprichst: Lass ab, liebes Kreuz, ich bin schon müde. Nicht so, mein Christ, du musst das Feld nicht zum ersten räumen, und ermüden das Kreuz zu tragen, das Kreuz muss ermüden dich zu plagen. Es gilt nicht weichen, sondern beharren. Erblickst du das Kreuz, frisch ihm unter die Augen und sprich: Komm nur an, liebes Kreuz, da hast du mich. Was willst du mit mir anfangen? Mich plündern, schänden, würgen, sieden, braten, brennen, säufen? Das alles schreckt mich nicht; du sollst doch eher müde werden mich zu martern, als ich ermüden will, deine Marter zu dulden. Es ist fürwahr, mein Christ, ein verzagtes Ding ums Kreuz, wenn‘s ein generös tapfer Gemüte findet, das ihm fein mutig unter die Augen geht und den Kopf beut, da frisst sich‘s bald an zu Tod wird kraftlos und fällt von sich selbst hin; aber, wo Furcht Füße macht, dass man die Flucht ergreift und ihm den Rücken gibt, da fasst es einen Mut und jagt oft bis in die Hölle hinein. So muss man mit dem Kreuz kämpfen, dass man der Letzte auf dem Platz bleibe, den Feind verlache und sage: Da liegst du, ich steh noch; du weinst, ich lache noch; du bist tot, ich lebe noch. Willst du noch einmal dran? Nur gewagt, ich habe deine Zähne schon gefühlt, du beißt mich nicht zu Tode. Der Teufel setzt zu dir an mit seinen höllischen Versuchungen. Was tust du? Weichst du, so bist du sein, von rückzu halten seine Klauen fest und lassen nicht so leicht, was sie einmal ergreifen. Das Beste ist, dass du stehst. Stehe fest, sagt Petrus. 1 Petri 5,9. Dein Grund ist Gottes Wort, der wanket nicht. Aus dem Worte Gottes behalte nun den letzten Stich, wie Christus in der Wüste: So steht geschrieben Matth. 4. Dann muss der Teufel mit Schanden abziehen. Der Tod will‘s auch wagen? Beißen kann er nicht, sein Zahn ist ihm im Ölgarten von Christo ausgebissen, da er mit dem Tode rang und sein mächtig ward. Stechen kann er nicht, sein Stachel ist hin. Tod, wo ist dein Stachel? 1 Kor. 15,55. Gib du ihm den letzten Stich, und sprich: Tod, du bist tot, ich lebe noch. Christus ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn Phil. 1,21. Wie dann mit Gott? Tritt er mit dir zusammen, sei du der Letzte. Verbirgt er sich? Höre du nicht auf zu suchen, bis du ihn findest. Vor deinen Tränen kann er sich nicht ewig verbergen. Das Wort steht da und muss fest stehen. So ihr mich von Herzen suchet, will ich mich finden lassen Jer. 29,13.14. Setzt er seine Löwenklauen an, Jes. 38,13., und drückt zu mit der schweren Hand, Ps. 38,3., unverzagt! Liebesschläge töten nicht. Unter der Löwenhaut ist ein Vaterherz. Drückt dich die Rechte, so herzt die Linke: Scherz ist kein Ernst. Er spielt nur mit dir. Will er das Reißaus nehmen? so hast du gewonnen; da sprich mit Jakob: Herr, dem Sieger die Krone. Ich lass dich nicht, du segnest mich denn. So kriege, dass du siegest, liebes Herz. Gott helfe dir!

 

171. 

VOM STAND DER FÜRSTEN.

Fürstenstand, fährlicher Stand.

 

Willst du wissen warum? Denn wo ein Aas ist, da sammeln sich die Adler, und wo ein Fürst ist, da finden sich die Fuchsschwänzer. Sagt‘s doch Jesus selbst: Die in weichen Kleidern gehen, sind an der Herren Höfen. Diese sind‘s, die der Fürsten Herzen blenden, dass sie sich selbst nicht kennen lernen. Ihr Urteil und Lob ist gleich einem Spiegel, der ein Bild verkehrt präsentiert, spiegeln sich die Herren drin, so finden sie sich ganz anders gebildet, als sie sind. Im Herzen ist Ungerechtigkeit und Hoffart, so bildet sich im Spiegel lauter Gerechtigkeit und Demut; im Leben ist Gottlosigkeit, so präsentiert der Spiegel eitel Frömmigkeit. Ach, wie großer Gefahr sind solche Fürsten unterworfen! Sie werden nimmer besser, immer ärger. Denn wie Selbsterkenntnis der nächste Weg ist zur Selbstbesserung; so kann derselbe nicht trachten besser zu werden, als er ist, der nicht weiß, wer er ist. Sie werden Stölzlinge und Heuchler, denn in ihrer Einbildung sind sie so fromm, gerecht, sanft- und demütig, als sie der falsche Spiegel einbildet und der Fuchsschwanz malt; und ist doch in der Wahrheit vor Gott und Menschen mit aller ihrer Frömmigkeit, Gerechtigkeit, Sanftmut, Demut lauter Gespenst, Betrug, Farbe und Lüge. Vor Zeiten hieß es: wohl tun und übel hören ist fürstlich; jetzt kehrt‘s sich um und lautete übel tun und wohl hören, ist die Manier großer Herren. Solch verkehrt Wesen richtet der Fuchsschwanz an. Wäre zu wünschen, dass ihn die Fürsten zum Lohn einmal ließen tapfer ausklopfen. Fürstenstand, fährlicher Stand. Der Teufel ist auch ein Fürst, Ephes. 6,12., drum hält er sich gern bei den Fürsten auf. Gleich sucht sich. An großer Herren Höfen ist er am allergeschäftigsten. Leckerbisslein frisst er gern, wenn er sie bekommen kann. Er weiß, dass sie vor allen geneigt sind zu sündigen, die der gemeinen Strafe entnommen sind. Denn, dass sich die verderbte Natur des Bösen enthält, tut sie bei den Meisten gezwungen, aus Furcht der Strafe, weil böse Arbeit bösen Lohn bringt. So weiß er, dass großer Herren Exempel in großem Ansehen sind beim Volk, eben wie ihre Person, und kann‘s der Fürst sobald nicht vormachen, alsbald macht‘s der Untertan nach. Drum sieht er, wie er die Fürsten in Sünden stürze und durch ihre Exempel das ganze Land sündigen mache. Er findet auch die beste Gelegenheit dazu an der Herren Höfen. Denn da lebt man in Müßiggang und Wollüsten, in allerhand Scherz und Kurzweil, in Neulichkeit und Bauchfülle. Da baut der Teufel seine drei Weltschanzen auf, die Augenlust, Fleischeslust und das hoffärtige Leben. In solchen Netzen fängt man solche Fische. Tritt dann ein eifriger Johannes auf und predigt: Es ist nicht recht, so rumort und tobt man; sollte uns der lehren, was recht ist, weiß er nicht, dass er unserer Gnaden lebt? Bedenkt er nicht, dass wir Fürsten sind, und dass man uns höflich traktieren muss? Ein Paar Schuhe soll dein Sold sein. Zum Turm hinein. Zum Tor hinaus. Was dünkt dich, steht‘s nicht gefährlich um große Herren? Wenn dann dazu kommt, dass Gott um der Fürsten Sünde willen Land und Leute straft; wenn die Untertanen von den Regenten gedrückt und ausgesogen, in ihren Trübsalen zu Gott seufzen und Gott aus ihren Seufzern eine Lauge macht, die Fürsten damit zwackt, dass Haut und Haar hernach geht; wenn Gott das „abgesetzt“ mit großen Herren spielt und die, so zuvor ihren Untertanen auf die Köpfe traten, den Feinden unter die Füße wirft; so mag man ja wohl sagen: Fürstenstand, fährlicher Stand. Wie? Ist denn kein frommer Fürst mehr auf Erden? Ja freilich. Gott hat in allen Ständen die Seinen, auch unter den Gewaltigen die Säugammen und Säulen seiner Kirche. Willst du ihr Bild sehen? Luther legt‘s dir in einem schönen Spiegel vor, wenn er spricht: Ein frommer Fürst muss fürs erste ansehen seine Untertanen, und allen seinen Sinn dahin richten, dass er denselben nützt und dienstlich sei, nicht also denken: Land und Leute sind mein, ich will‘s machen, wie mir‘s gefällt; sondern also: Ich bin des Landes und der Leute, ich will‘s machen, wie es ihnen nütz und gut ist. Nicht soll ich sehen, wie ich hochfahre und herrsche, sondern, wie ich sie mit gutem Frieden beschütze. Er soll Christum in seine Augen bilden und also sagen: Siehe, Christus, der oberste Fürst, ist kommen und hat mir gedient; nicht gesucht, wie er Gewalt, Gut und Ehre an mir hätte, sondern alles daran gewendet, dass ich Gewalt, Gut und Ehre durch ihn hätte. Also will ich auch tun, nicht an meinen Untertanen das Meine suchen, sondern das Ihre, dass sie Gut und Nutzen davon haben, nicht ich. So sprichst du dann, wer wollte dann Fürst sein? Mit dem würde der Fürstenstand der elendeste sein auf Erden, da viel Mühe und Unlust innen wäre; wo wollten dann die fürstlichen Ergötzungen bleiben, mit Tanzen, Jagen, Rennen, Spielen? Antworte ich, wir lehren jetzt nicht, wie ein weltlicher Fürst leben soll, sondern wie ein weltlicher Fürst ein Christ sein soll, dass er auch gen Himmel kommt; wer weiß das nicht, dass ein Fürst Wildbret im Himmel ist? Wenn die Fürsten also sich drein schickten, dass ihr Tanzen, Jagen, Rennen den Untertanen ohne Schaden wäre, würde ihnen Gott dasselbe ja wohl gönnen. Aber es wird sich selbst wohl lernen, wenn sie ihrem Amt nach ihre Untertanen versorgen wollen, dass gar manches liebe Tanzen, Jagen, Rennen, Spielen müsste nachbleiben. Für‘s andere muss er Acht haben auf seine Räte und sich gegen sie also verhalten, dass er keinen verachte, auch keinem vertraue, denn Gott kann der beiden keines leiden. Er hat einmal durch einen Esel geredet, drum ist kein Mensch zu verachten, wie gering er ist. Wiederum hat er lassen den höchsten Engel vom Himmel fallen, drum ist auch keinem Menschen zu vertrauen, wie klug, heilig oder groß er sei; sondern man soll einen jeglichen hören, durch welchen Gott reden oder wirken wolle. Ein Fürst soll selbst den Zaum in der Faust behalten und allenthalben im Lande zusehen, wie man regiert und richtet. Denn er darf nicht denken, dass sich ein anderer sein und seines Landes so hart annehmen werde, als er selbst. Und hüte er sich vor denen am meisten, die da sagen: Ei, gnädiger Herr, vertraut mir E. Gn. nicht mehr denn so viel? Denn er ist gewiss nicht rein, will Herr im Lande sein und den Fürsten zum Maulaffen machen. Denn, wo er ein rechtschaffener Christ und fromm wäre, würde er’s gar gern haben, dass man ihm nicht vertraute, und dass sein Tun vor jedermann am Tage läge, weil Christus spricht Joh. 3,21.: Wer Gutes tut der kommt ans Licht etc. Es ist gar ein jämmerlich Ding, wo an Herren Höfen Schmeichler regieren, oder der Fürst sich auf andere verlässt, lässt jedermann machen, als er macht. Fürs dritte soll er Acht haben, wie er mit den Übeltätern recht fahre; hier muss er klug sein, auf dass er ohne anderer Leute Verderben strafe, nicht folge den Räten und Eisenfressern, die ihn hetzen Krieg anzufahen und sagen: Ei, sollten wir solch Wort und Unrecht leiden? Es ist gar ein schlechter Christ, der um eines Schlosses willen das ganze Land in die Schanze schlägt. Seinen Schaden soll ein Fürst nicht achten, sondern der andern Unrecht, das sie über seine Strafe leiden müssen. Denn was haben so viele Weiber und Kinder verdient, dass sie Witwen und Waisen werden, auf dass sich der Fürst räche an einem unnützen Maul oder bösen Hand, die ihm Leid getan? Aufs vierte und vornehmlich soll sich ein Fürst gegen seinen Gott ernstlich halten, dass er sich ihm unterwerfe mit ganzem Vertrauen und ihn bitte um Weisheit, wohl zu regieren. Summa, ein frommer Fürst soll sich in vier Orte teilen: Zu Gott mit rechtem Vertrauen und herzlichem Gebet; zu seinen Untertanen mit Liebe und christlichem Dienst; gegen seine Räte mit seiner Vernunft und unbefangenen Verstand; gegen die Übeltäter mit bescheidenem Ernst und Strenge. Wäre zu wünschen, dass die Worte in der Fürsten Stuben mit güldenen Buchstaben angeschrieben ständen! Gott schreibe sie ihnen ins Herz mit seinem Finger. 

 

172. 

VOM GEISTLICHEN SEELENHUNGER.

Hunger ist der beste Koch. 

 

Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden. Matth. 5,6. Du hörst so manch Trostwort in der Predigt, schmeckt dir aber nicht und geht nicht zu Herzen. Was kann dir lieblicheres gepredigt werden, als dass sich Christus dir zu eigen gegeben hat, mit allem, was er hat und vermag, dass dein Unglück sein, sein Leben dein sei? Doch hast du keine Wonne davon im Herzen. Wie kommt‘s? Weil du deine Seele mit Weltträbern schon angefüllt, bist du satt und fühlst keinen Hunger? Ein voller Bauch zertritt auch Honigseim, spricht Salomon. Wenn der göttliche Trost einem Weltherzen vorgelegt wird, ist‘s eben, als wenn man einen Vollzapf, dem Bier und Wein möchte aus Nase und Mund gezapft werden, ein Trünklein süßen Weins vorsetzt, er stößt den Becher samt dem Wein um; das Weltkind verachtet den Tröster samt dem Trost, weil es die Fülle des Welttrostes hat. Aber, wenn Gottes Tröstung in ein geisthungrig Herz fällt, wird sie so begierig eingeschlungen, wie das Wasser vom heißen Stein. Wer ein weltgesinntes Herz mit göttlichem Trost will abspeisen, ist gleich dem, der dem Pferd Gold und Silber in die Krippe wirft: das Pferd sollte eher verschmachten, als Gold und Silber anrühren. Heu und Hafer ist des Pferdes Speise, nicht Gold und Silber. Es ist keine Seele geschickt zu schmecken, wie freundlich der Herr ist, als die durch Anfechtung und Trübsal von allem kreatürlichen Trost ganz ausgeleert und entblößt ist. Nur ein zerbrochenes Herz will Gott heilen, ein verwundetes verbinden, ein mattes stärken, ein trauriges trösten. Ein blödes Gewissen ist das Gefäß, das Gott mit dem Honig seines Trostes anfüllt. Wenn das Herz seinen Jammer fühlt, wird‘s begierlich nach göttlichem Trost, wie ein hungriges krankes Kindlein nach den Mutterbrüsten. Hört‘s dann nur ein Wörtlein davon, so spürt‘s immer mehr und mehr nach und kann nicht satt werden. Wenn der reiche Mann die Höllenflamme empfindet, dürstet ihm nach einem Tropfen Wassers; wenn die feurigen Pfeile des Satans auf uns zufliegen und die Höllenflammen ans Gewissen schlagen, dass wir klagen müssen mit David: Es umfangen mich die Todesbande, und die Bäche Belial erschrecken mich, und der Höllen Bande umfangen mich, und des Todes Stricke überwältigen mich, Ps. 18,5.6.: so seufzet das Herz nach Trost, wie ein dürres Land nach dem Regen. Lässt dann Gott die Tröpflein herabfallen, so erquickt sich‘s an, wie ein welkes Blümlein am kühlen Tau, es tut seinen Mund immer weiter auf, wollte gern mehr haben. Das ist‘s, was Maria singt in ihrem Lobgesang: Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer Luk. 1,53. Gott und die Natur lassen nichts leer. Was schon voll ist, lässt Gott, wie es ist. Wein und Wasser dienen nicht in ein Fass, so auch Himmel und Erde nicht in ein Herz. Ist das Fass voll Wasser, muss der Wein draus bleiben. Ist das Herz voll Welttrost, muss Gottes Trost zurück stehen; was aber Gott leer findet vom irdischen, das füllt er mit himmlischem Trost an. Ich will mich nicht verwundern, wenn ich sehe, dass die nach dem Himmel nichts fragen, die im Irdischen ihren Himmel suchen und von der Hölle noch nichts empfunden. Mir müsste ja Jesus süß sein. Fragst du nun, warum? Weil mir die Welt immer bitterer wird. Was sie drückt, erquickt er. Ich erfahr es täglich, Gott sei gelobt! 

 

173. 

VOM GUTEN GERÜCHT.

Lieb als das Leben.

 

Ein gut Gerücht mein ich. Leben und guter Name gehen gleichen Schritt. Wer mir das Leben nimmt, tötet mich leiblich; wer mir meinen guten Namen raubt, tötet mich bürgerlich. Viel sind gefallen durch die Schärfe des Schwertes, noch mehr durch böse Mäuler Sir. 28,22. Man hat, die sich wenig bekümmern um ein gut Gericht; schilt man sie Ehrendiebe, Teufelsapostel, Seelenmörder, ei, sprechen sie, es ist Raserei; man überlasse sie ihrer Raserei. So sprach Festus auch zum Paulus, da er die Wahrheit redete. Paule, du rasest. Wahrheit muss der Welt immer Raserei und Rumor heißen; dennoch will Gottes Wort, dass wir nach einem guten Namen trachten sollen. Salomo spricht: Ein gut Gerücht ist besser denn gute Salbe Pred. 7,2. Viel einen lieblicheren Geruch des Wohlgefallens und der Nachfolge gibt bei ehrliebenden Leuten ein guter Name, als das köstlichste Öl geben mag. Paulus will, dass wir uns der Ehrbarkeit befleißigen sollen gegen jedermann, Röm. 12,17.; dass wir auch allen bösen Schein fliehen sollen; dass wir verhüten sollen, dass uns nicht jemand übel nachreden möge, und sehen darauf, dass es redlich zugehe, nicht allein vor dem Herrn, sondern auch vor den Menschen 2 Kor. 8,20.21; dass wir nachdenken sollen dem, was wahrhaftig, ehrbar, gerecht, keusch, lieblich ist, was wohl lautet, was etwa eine Tugend oder ein Lob Phil. 4,8. Petrus erfordert, dass wir einen guten Wandel führen unter den Heiden, auf dass die, so von uns afterreden als von Übeltätern, unsere guten Werke sehen 1 Petr. 2,12. Nicht mit Worten, sondern mit Werken sollen wir unsern Verleumdern das Maul stopfen. Vergeblich rühmst du dich deines guten Gewissens, wenn du dich nicht schämst, durch dein gottlos Leben anderer Gewissen zu verunreinigen. Nicht genug ist es, dass du nicht arg seist, du musst auch den Nächsten nicht ärgern; und nicht genug ist es, dass du für dich selbst gut seist, du musst auch, andere zu bessern, einen guten Schein haben vor jedermann. Christus selbst beruft sich in seiner Passion auf das Zeugnis seiner Zuhörer und spricht zum Kaiphas: Frage die drum, die wissen‘s, wie ich gelehrt habe Joh. 18,21. Auch hält er Nachfrage bei seinen Jüngern, wie die Leute von ihm reden: Wer sagen die Leute, dass des Menschen Sohn sei? Ach, lerne von ihm und tue desgleichen. Ein Christ muss zwei Zeugen haben, die ihn vertreten: einen vor Gott, den andern vor Menschen; jenen in sich, denn Gott sieht das Herz an; diesen außer sich, denn Menschen sehen auf das, was vor Augen ist; jener heißt ein gut Gewissen, dieser ein guter Wandel und Name. Beide setzt Salomo zusammen, Sprüchw. 22,1.: das Gerücht ist köstlicher, denn großer Reichtum, und Gunst besser, denn Silber und Gold. Durch Gunst versteht er ein gutes Gewissen, welches uns der Gunst und Gnade Gottes versichert. Wie? Soll man denn seinen guten Namen durchrechten, fechten, defendieren? Mein Christ, ein unsträfliches Leben ist der beste Schutz; reden die Leute so von dir, lebe du anders und widerlege mit deinen Werken ihre Worte. Wird bei deinem unsträflichen Wandel deine Person gelästert, verschmerz es. Niemand kann dich je so tief verachten, als du wert bist und dich selbst verachten sollst. Trifft die Schmach Gottes Ehr und Lehr, dein Amt, Glauben und christlich Leben, so leide nicht, dass deinem Gott durch dich eine Schande aufgebürdet werde, sondern sprich der Wahrheit das Wort und siehe zu, dass Recht Recht bleibe, es wüte der Satan in seinen Schuppen wie er immer wolle. Dahin muss es nicht kommen, dass man der Welt gut hieße, Gott zu lästern, und ihr des noch dankte. Ist kein Recht für dich auf Erden, so wird doch noch Recht im Himmel sein. Die Sache ist des Herrn, der wird seine Ehre wohl retten. Ich will weder im Tun noch Lassen etwas anfangen, ehe sich bei mir versichert, dass es einen guten Schein habe vor jedermann, damit (so viel an mir ist) niemand etwas Sträfliches an mir finde. Werd ich dann bei solchem christlichen Wandel geschmäht, will ich mich getrösten meines guten Gewissens und für meinen Verleumder bitten, dass ihn Gott bekehre. Will er sich nicht bekehren, so wird ihm Gottes Hand schwer genug fallen. 

 

174. 

VON FALSCHEN CHRISTEN.

Christ, Widerchrist.

 

Jakobs Stimme, Esaus Hände. So weit sind Name und Tat von einander. Wer nicht mit mir ist, sagt Christus, der ist wider mich Luk. 11,23. Bist du ein Christ, so bist du mit Christo. Im Glauben bist du mit ihm verbunden, er ist der Bräutigam, du bist die Braut; er der Mann, du das Weib; im Leben bist du sein Nachfolger und wirst mit ihm auf einem Wege gefunden, auf dem schmalen Wege, der zum Leben führt Matth. 7,14. Auch im Leiden verlässt du ihn nicht, gehst getrost mit ihm in Not und Tod hinein und sprichst mit Paulo: Wer will mich scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal, oder Angst, oder Verfolgung, oder Hunger, oder Blöße, oder Fährlichkeit, oder Schwert? In dem allen überwinde ich weit, um deß willen, der mich geliebt hat. Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentum, noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch eine andere Kreatur mag mich scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm Herrn Röm. 8,37-39. Bleibst du, wo Jesus ist, so bist du ja unverloren. O selige Herzen, die also mit Christo sind! Kommt ein Platzregen oder Ungewitter, so sammeln sie sich unter seine Gnadenflügel, wie die Küchlein unter die Fittiche ihrer Glucken; setzt der Feind wie ein Wolf auf sie an und will sie verschlingen, so sammeln sie sich zu Jesu, wie Schäflein zu ihrem Hirten, und finden bei ihm Schutz. Sie sammeln mit ihm und werden durch seine Gnade reich an guten Werken. Sie sammeln sich Schätze im Himmel 1 Tim. 6,18.19. Da legt ihnen Jesus ein jedes Seufzerlein und Tränlein als einen Schatz bei. Weil sie mit Christo sind, ist er mit ihnen wieder, ihr Licht in der Finsternis, ihre Fülle im Mangel, ihr Reichtum in der Armut, ihr Schatz im Druck, ihr Trost in Trübsal, ihre Freude im Leid, ihr Himmel in der Hölle. Was kann einem solchen Herzen fehlen? Sag noch, dass es nicht selig sei. Aber ach, wie wenig gibt‘s unter den Christen solcher Christen! Die meisten, die sich Christen nennen und nennen lassen, sind Antichristen. Sie widerstreben der Lehre Christi, halten sie für Torheit, Ärgernis und Lügen, tun seinem Wort zuwider, was sie nur können, lästern und verfolgen treue Lehrer, die ihnen den Weg zum Himmel zeigen. Sein Leben widerlegen sie mit ihrem Leben. Da er heilig, liebreich, sanftmütig, demütig, geduldig war, sind sie unheilig, gehässig, zornig, schwülstig, unruhig. Aber wer kann‘s ohne Tränen sagen? Christus hat sich mit seinem heiligen Leben ganz verloren bei denen, die Christen heißen wollen. Das lustige, prächtige, alamodische Weltleben gefällt ihnen baß, als das strenge, niedrige Leben Jesu. Ach, im Kreuz fallen sie von Christo ab; verlassen ihn mit Demas; verleugnen ihn mit Petro; sie machen sich angenehm nach dem Fleisch, allein dass sie nicht mit dem Kreuz Christi verfolgt werden Gal. 6,12. Ja, wenn Christus weint, lachen sie; wenn er in Dornen watet, tanzen sie auf Rosen; sie drücken den Gedrückten und betrüben den Betrübten immer mehr. Sind sie Christen? Ja, wie der Wolf ein Schaf und eine Schlange eine Taube. Widerchristen sind sie, Feinde Christi. Ach, wie viel sind ihr! Möchte doch das Herz Blut drüber weinen. O unselige Herzen. Sie zerstreuen. Wie das Schaf in der Zerstreuung ein Raub der Wölfe, so sind sie ein Raub aller Teufel. Weil sie Jesum verlassen, verlässt er sie wieder; weil sie sich wider ihn setzen, setzt er sich wieder sie; weil sie seine Feinde sind, ist er ihr Feind. Wo nehmen sie Schutz, Rat und Trost, wenn sie in Nöten sind? Ich will‘s mit Jesu halten, so hält er’s mit mir. Ist er mit mir, lass hunderttausend Teufel wider mich sein, kein Härlein sollen sie mir krümmen. 

 

Lass zürnen Teufel und die Höll, 

Gottes Sohn ist worden mein Gesell. 

Es mögen mich viel fechten an, 

Dem sei Trotz, der‘s nicht lassen kann!

 

175. 

VON DER FREIHEIT DER GLÄUBIGEN SEELE.

Ich bin dir nichts schuldig.

 

Was mahnst du mich? So darf ich Moses kecklich antworten, wenn er sein Schuldbuch aufschlägt und will bezahlt sein. Ich bin mit Christo im Glauben verehelicht. Er sagt selber: Ich will mich mit dir verloben in Ewigkeit, ich will mich mit dir vertrauen in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit, ja, im Glauben will ich mich mit dir verloben Hos. 2,19.20. Er ist Mann, ich bin Weib; das Weib hat ihr Gnadenrecht im Gesetz. Niemand darf vor Gericht das Weib belangen, der Mann muss für sie antworten. Will Moses mich zur Rechnung ziehen? Ich weise ihn auf Christum und sprech: Ich bin dir nichts schuldig, was mahnst du mich? Da ist mein Mann, lass den antworten. Ich kann um meiner Schuld willen, damit ich dem Gesetz verhaftet bin, nicht mehr zur Rechnung gezogen werden als Christus selbst, wenn ich durch den Glauben seine Genugtuung ergreife und mir zu eigen mache. Christus ist gerechtfertigt, 1 Tim. 3,16., das ist, los von unsern Sünden, und ich in Christo. Denn es ist nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind Röm. 8,1. Mahnt mich das Gesetz. Ich antworte fein beherzt: Was mahnst du mich? Ich bin dir nichts schuldig. Ich habe dich vollkömmlich gehalten, und dir auch den letzten Heller abgetragen, weil die Genugtuung Christi mein ist. Wärs doch unrecht, wenn eine Schuld sollte zweimal bezahlt, und eine Sünde zweimal bestraft werden. Das Gesetz kann mich nicht verdammen, ich appelliere ans Evangelium. Das Evangelium kann mich nicht verdammen, denn ich glaub an Jesum Christum und erhalt durch den Glauben dies gnädige Urteil: Wer glaubt, soll selig werden Mark. 16,16. Mein Ankläger kann das Gewissen sein, Moses auch, der Teufel auch, aber nicht mein Richter. Ich triumphiere mit Paulus: Wer will die Auserwählten Gottes verdammen? Röm. 8,33. Lässt mich der Richter los, was frag ich nach dem Kläger? Nicht in des Klägers, sondern in des Richters Händen steht mein Heil und Verdammnis. Wie will mich aber der Richter verdammen, der sich selbst für mich gegeben hat? Er gilt mehr denn tausend Welten mit allen Sünden; und eher müsste er selbst verdammt werden, ehe die Sünde den verdammen sollte, für den er sich selbst gegeben. Am Glauben liegt‘s nur, mein Herz, dass der stark sei und nicht wanke. Christus wankt nicht, er ist fest genug. O welch ein kernhafter Trost soll mir‘s sein in meiner letzten Stunde, wenn der Satan auftritt und mich anklagt! Troll dich, Satan, will ich sagen; wer an Christum glaubt, kann und wird nicht verdammt werden, er hat schon genug getan der Gerechtigkeit Gottes und ist freigesprochen. Wie? Warum ließ sich denn jener verschuldete Knecht vernehmen: Ich will dir alles bezahlen? Ja mein, gut bezahlen aus fremdem Beutel. Auf Jesum weise ich Gott, und spreche:

 

 

Gedenk an deines Sohnes bittern Tod,

Sieh an sein heilge Wunden rot,

Die sind ja für die ganze Welt

Die Zahlung und das Lösegeld.

Deß tröst ich mich zu aller Zeit,

Und hoff auf dein’ Barmherzigkeit.

 

176. 

VON DER BEICHTE.

Wer bist du?

 

Ein Sünder. So beichtet der Mund. Was denkt das Herz? Oft ist Herz und Mund weiter von einander als Himmel und Erde. Willst du Gott affen? Wo Herz und Mund in der Beichte nicht eins sind, ist alles Beichten ein Gespött Gottes. Gedenke, was Petrus sagt zum Ananias: Anania, warum hat der Satan dein Herz erfüllt, dass du dem Heiligen Geist lügst? Du hast nicht Menschen, sondern Gott gelogen Apostel-Gesch. 5,4. Bist du ein Sünder? Wie, fühlst du auch Sünde in deinem Gewissen; liegt dir auch die Sünde als eine Last auf deinem Herzen, drückt und kränkt dich? Ich sehe nicht, dass du leidlich tust mit Worten und Gebärden, wie David in seinen Bußpsalmen; dass du girrst und winselst mit Hiskias, dass du dich ängstigst und schämst mit Manasse und dem Zöllner; dass du bitterlich weinst mit Petrus und Maria. Ich fürcht, ich fürcht, es werde eine Heuchelei sein. So ist‘s. Mancher Mensch beschuldigt und verdammt sich selbst mit dem Munde, ich bin ein Sünder, spricht er, und des Todes würdig; fällt aber Gott das Urteil im Gewissen, so will er sich durchaus nicht schuldig geben, noch unter Gottes Hand demütigen. Ach, das allerbeste ist, wenn Gott im Gewissen eine scharfe Bußpredigt hält aus dem Gesetz, dass wir mit einem demütigen Ja antworten und um Gnade flehen. Spricht er: du bist ein Sünder, will ich antworten: Ja Herr, ich bin‘s, lass mir nur widerfahren, was du dem Sünder zugesagt hast, Gnade und Vergebung. Spricht er: Du bist verflucht; ja Herr, und eben darum such ich den Segen in Christo. Deine Sünden sind zu groß; ja Herr, aber deine Barmherzigkeit ist noch größer. Gott sei mir gnädig nach deiner Güte, und tilge meine Missetat nach deiner großen Barmherzigkeit Ps. 51,3. Deiner Sünden sind zu viel; ja Herr, mehr denn Sand am Meer, aber du bist auch reich an Barmherzigkeit über alle, die dich fürchten. Deine Sünden sind zu greulich; ja Herr, meine Wunden stinken und eitern vor meiner Torheit Ps. 38,6. Aber dein Wort sagt: Wenn eure Sünde gleich blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden, und wenn sie gleich ist wie Rosinfarbe, soll sie doch wie Wolle werden Jes. 1,18. Du hast dein gottlos Wesen zu lang getrieben; ja Herr, aber deine Barmherzigkeit währet für und für Ps. 103,17., und Christus hat eine ewige Erlösung erfunden Hebr. 9,12. Du hast eine Sünde gar zu oft begangen; ja Herr, der Gerechte fällt des Tages siebenmal; aber wie du willst, dass ich meinem Bruder siebenzigmal siebenmal, das ist, so oft er sich an mir versündigt und Buße tut, im Tag vergeben soll, so wirst du mich auch tun, du bist ja nicht unbarmherziger als ein Mensch. Ich will mich in Demut dem Urteil Gottes gern unterwerfen und mir gefallen lassen, was er aus mir machen will, einen Türhüter, einen Tagelöhner, ein Hündlein. Verstoßen kann er mich nicht, wenn ich Jesum in die Arme fasse, sein Kind muss er annehmen.

 

177. 

VON EIGENSÜCHTIGEN PRIESTERN.

Nicht euch, sondern das Eure.

 

Nicht das Schaf, sondern die Milch und Wolle. Wie dürre hat‘s Paulus den Pharisäern vor die Nase geschrieben. Sie suchen alle das Ihrige, nicht das Christi Jesu ist Phil. 2,21. Wo sind, die auftreten und mit Paulo sagen können: Ich hab euer keines, Silber noch Gold, noch Kleid begehrt, denn ihr wisst selber, dass mir diese Hände zu meiner Notdurft und derer, die mit mir gewesen sind, gedient haben? Apost.-Gesch. 20,33.34.; und abermal: Ich habe gelernt, bei welchem ich bin, mir genügen lassen. Ich kann niedrig sein und kann hoch sein, ich bin in allen Dingen und bei allen geschickt, beides, satt sein und hungern, beides, übrig haben und Mangel leiden. Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus Phil. 4,11-13. Hat man nicht hin und wieder unter denen, die sich Geistliche nennen lassen, starke Hunde vom Leibe, die nimmer satt werden können, Jes. 56,11.; die da geizen, Jer. 6,13.; der Leute Gut und Geld zu sich reißen, Ezech. 22,25.; die sich selbst weiden, das Fette fressen, sich mit der Wolle kleiden und schlachten das Gemästete, die Schafe des Herrn aber nicht weiden wollen, Kap. 34, V. 2.3.; die die Sündopfer des Volks fressen und begierig sind nach ihren Sünden, Hos. 4,8.; die um den Lohn lehren, Mich. 3,11., und um Geld wahrsagen; die keine Tür im Gotteshaus umsonst zuschließen, Mal. 1,10.; die irdisch gesinnt sind und den Bauch zum Gott haben; Phil. 3. Ja leider! mehr denn zu viel. Fordert man sie zu Diensten, ist die erste Frage, wie viel vermögen die Eingepfarrten, wie reich das Gehalt, wie viel der Beichtpfennige, wie hoch die Accidentien? Nach der Ehre Gottes und der Menschen Seligkeit ist gar keine Frage. An solche hängst du dich; o du Verräter deiner eigenen Seele! Wenn Christus Petrum zum Dienst fordern will, macht er’s auch so? Nein; Petrus, sagt er, liebst du mich? Nicht dich, nicht deinen Bauch und Beutel, sondern mich, meine Ehre, meine Schäflein, die Schäflein, die ich so teuer erkauft habe mit meinem Blut; und wenn Petrus Ja sagt, spricht er: So weide meine Schafe, so weide meine Lämmer, so sollst du mein Hirte sein. Christus will keine Mietlinge zu Dienern haben, die den Mammon zum Herrn haben. Niemand kann zweien widerwärtigen Herren treulich dienen. Wenn er getreue Arbeiter in seinen Weinberg mieten will, bedingt er sie nicht um Geld, sondern spricht: Ich will euch geben, was recht ist. Die Apostel dienten vergebens, und lebten bloß seiner Gnade, denn sie hatten solche Instruktion: Umsonst habt ihr‘s empfangen, umsonst gebet‘s auch Matth. 10,8. Paulus hat mit eigenen Händen ihm seine Notdurft geschafft; was ist denn mein Lohn? spricht er. Nämlich, dass ich predige das Evangelium Christi, und tue dasselbe frei umsonst, auf dass ich nicht meiner Freiheit missbrauche am Evangelio 1 Kor. 9,18. Wie denn? Soll ein Prediger beim Dienst verhungern? Mit nichten. Was recht ist, soll euch werden, hat Christus gesagt. Recht ist es, im Ansehen der Zuhörer, dass sie ihren Lehrer unterhalten. Ich frage, ist‘s recht, dass ein Prediger seine Berufspflicht fleißig und treulich verrichte? Ja, sagst du. So ist‘s auch recht, dass du ihm seine Arbeit belohnst. Ein Arbeiter ist seines Lohnes wert Luk. 10,7. Was Gott sagt, das muss ja recht sein; nun will Gott, dass, wer unterrichtet wird, allerlei Gutes mitteile dem, der ihn unterrichtet Gal. 6,6. Recht war‘s im alten Testament, dass die da opferten, vom Opfer aßen, und die des Altars pflegten, des Altars genossen 1 Kor. 9,13. Prediger sind geistliche Opfermänner, die dich bereiten zum Opfer, das da lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei. Mit Recht fordert ein Kriegsknecht seinen Sold; Prediger müssen mit dem Teufel kämpfen um deine Seele; recht ist es, dass wer den Weinberg pflanzt, von seiner Frucht esse; und der die Herde weidet, der Milch genieße; Prediger sind Weingärtner, die dich zubereiten, dass du deinem Heiland liebliche Früchte tragest; Hirten, die dich mit göttlichem Trost versorgen. Was dünkt dich? Ist das recht, dass man dankbar sei, oder nicht? Je größer Nutz, je größer Dank. Den Himmel geb ich dir, ein Stücklein Brots gibst du mir wieder, und mehr begehr ich nicht. Ist‘s unrecht? Fürwahr, treuer Prediger Müh und Arbeit kann mit keinem Gold bezahlt werden. Die Erde ist nicht wert, dass sie dieselbe bezahlen soll. Im Himmel wird der Lohn groß sein. Also ist es ja recht, dass Prediger beim Dienst ihren Unterhalt haben, und sind die ärger, denn Heiden und Türken, die ihre Prediger nicht versorgen, wie Dr. Luther schreibt. Aber ein Diener Christi muss Sold und Lohn nicht zum Zweck seines Predigtamts setzen, dass er darum wollte zur Kappe eilen, damit er zu Brot komme; oder das Lehramt nicht recht rein und treulich führen, um Gelde und Genießes willen; oder diese Pfarre jener vorziehen, weil sie fettere Präbenden hat, wie die tun, die von einer Stadt zur andern laufen, um Verbesserung ihrer Einkünfte, damit dem Bauch ein fettes Opfer bereitet werde. Nein, das heißt nicht Christo, sondern dem Bauch und Teufel gedient. Man muss vor allen Dingen auf Gottes Ehr und der Leute Seligkeit sehen, denn um dieser zweien Ursachen willen hat Gott das Predigtamt vornehmlich eingesetzt; tut man das, so lässt‘s Gott nicht fehlen an Nahrung und Kleidung. Es finden sich noch allemal fromme Herzen, die die Arbeit im Herrn, an ihnen getan, erkennen, und dankbar sind. Darum muss man sich genügen lassen. Ja, spricht der geizige Pfaff, wenn‘s so kärglich soll zugehn, werden wir nicht viel tausend auf Wucher tun und den Unsrigen nachlassen. Vom Dienst muss es ja kommen, davon wir täglich wohl leben und prassen, das unsere Söhne auf Universitäten verstutzen, verschwelgen, verhuren, verspielen, darin unsere Töchter alamodieren und sich schauen lassen; es gehört mehr dazu, denn täglich Brot. O, schäme dich ins Herz, du verfluchter Geizwanst; ist das heil. Amt dazu eingesetzt, dass du mit deinen Kindern in Gräueln leben und dem Teufel dienen könntest? Was machst du aus Gott? Einen Sündenknecht, dass du verflucht seist mit deinem Geiz! Du scheust dich nicht, öffentlich aufzutreten und vor dem Angesicht des Herrn zu sagen: Wir sind Botschafter an Christi Statt 2 Kor. 5,20. Mit was Gewissen kannst du sagen, dass du von Christo gesandt seist, wenn du es in allen Stücken suchst besser zu haben, als er’s hatte, der dich gesandt hat? Er war so arm, dass er auch kein eigen Hüttlein hatte, darinnen er ruhen möchte. Die Füchse haben Gruben, spricht er, die Vögel unter dem Himmel haben Nester, aber des Menschen Sohn hat nicht, da er sein Haupt hinlege Luk. 9,58. Und du bringst ein Haus nach dem andern an dich. Er nahm vorlieb mit der Handreichung, die ihm fromme Herzen taten von ihrer Habe Luk. 8,3. Und du hast nimmer genug, wenn dich gleich alle Welt mit Geld und Gut beschüttet. Er ermahnt: Ihr sollt nicht Gold, noch Silber, noch Erz in euren Gürteln haben. Denn ein Arbeiter ist seiner Speise wert Matth. 10,9.10. Hältst du dich treulich in deinem Amt, will er dich versorgen ohne deine Sorgen. Traust du den Worten? Warum ist dir denn Gold und Silber so lieb? Warum ist deines Geizens und Wucherns kein Ende? Warum pochst und stürmst du auf der Kanzel wider die, so dir nicht nach deinem Willen genug zutragen? Wenn der König von Sodom dem Abraham für seine Kriegshilfe die Beute schenken will, weigert sich Abraham und spricht: Ich hebe meine Hände auf zum Herrn, dem höchsten Gott, der Himmel und Erde besitzt, dass ich von allem, was dein ist, nicht einen Faden noch Schuhriemen nehmen will, dass du nicht sagst, du habest Abraham reich gemacht, ausgenommen, was die Jünglinge verzehrt haben 1 Mos. 14,23. Ich stelle mich ja täglich unter Michaels Heer, und streite wider den Teufel für der Menschen Seligkeit. Was ist denn mein Lohn? Die Ehre will ich der Welt nimmer gönnen, dass sie rühmen soll, sie habe mich reich gemacht; was sie gibt, ist eine Hand voll Sand. Was frag ich nach den Schätzen, die nimmer recht ergötzen. Mein Lohn und Schatz ist im Himmel, deß wart ich mit Freuden; was ich hie verzehr, wird Gott schon bescheren, und das soll mir auf Erden genug sein. Von der Leviten Unterhalt hat Gott eine solche Verordnung gemacht im alten Testament, da er zu Aaron gesagt: Du sollst in ihrem Lande nichts besitzen, auch keinen Teil unter ihnen haben, denn ich bin dein Teil und dein Erbgut unter den Kindern Israel. Den Kindern Levi habe ich alle Zehenden gegeben in Israel zum Erbteil für ihr Amt, das sie mir tun an der Hütte des Stifts 4 Mos. 18,20.21. Wenn Hieronymus diese Ordnung erwägt, spricht er gar beherzt im zweiten Brief: Weil Gott mein Teil ist, frag ich nach dem übrigen nichts; dem Altar dien ich, vom Altar leb ich, Nahrung und Kleidung ist mir genug. Es ist eine Schande, wenn ein Priester nach Reichtum strebt. Arm werde ich dem armen Kreuze folgen. Ach ja! habe ich einen gnädigen Gott, so bin ich wohl versorgt, und lass ich meinen Kindern einen gnädigen Gott zum Erbe, so hab ich sie wohl versorgt. Gott ist mir und ihnen genug, am täglichen Brot wird‘s nicht mangeln; der mir sich selbst gibt, wird ja auch ein Stücklein Brots geben und mehr begehr ich nicht. Wie es die Lehrer erster Kirche gehalten, ist aus ihren Schriften sattsam zu sehen. Reichlich trugen die Gemeinden zu, kärglich aber nährten sie sich davon, und verwandten, was über Nahrung und Kleidung war, an die Armen, hielten‘s für eine Schande, wenn ein Priester reich ward. Origenes vergleicht die reichen Priester den ägyptischen Priestern, die ihr eigen Feld hatten, das sie bauten, 1 Mos. 47,22., und spricht: Lasst uns doch aus Priestern Pharaos des Herrn Priester werden, die kein Teil auf Erden haben, sondern Gott zu ihrem Teil erwählen. Ein solcher war Paulus: Als die Armen und die doch viel reich machen. Als die nichts haben, und doch alles haben. Ein solcher war auch Petrus, wie er selber sagt: Gold und Silber hab ich nicht Ap. Gesch. 3,6. Da siehst du den Reichtum der Diener Christi, dass sie mehr haben als die Erde gibt, und doch nichts begehren von dem, was der Erde zugehört. Mit diesem stimmt der Bischof Hilarius überein, wenn er schreibt in dem 116. Psalm: Sind wir Leviten, so lasst uns der Welt und ihren Lüsten absagen, dass Gott unser Teil bleibe. So uns Ehr- und Geldsucht eingenommen, so wir den Wollüsten nachgehen, und mit Nahrungssorgen das Herz beschweren, kann Gott nicht unser Teil sein, wir können auch nicht Gottes Priester sein. Wollen wir das eine zum Erbe haben, das alles ist, so müssen wir um des einen willen alles andere verlassen. Hieronymus schreibt gar nachdenklich in seiner Epistel an Titus: Der Herr spricht: Wer dem Altar dient, soll vom Altar leben; leben heißt nicht reich werden. Mehr soll ein Prediger nicht begehren von seinem Dienst, als was an Nahrung und Kleidung zur Erhaltung des Lebens vonnöten ist. Güldene Worte schreibt Chrysostomus: Ich darf keck und kühnlich sagen, dass die Priester nicht mehr als Nahrung und Kleidung haben müssen. Sollte der teure Mann noch leben, und es der geizigen Kappe so keck und kühnlich sagen, er würde ja von ihr verbrannt und verketzert werden. Spricht man nicht, er ist ein Ketzer? Warum denn? Er nimmt kein Beichtgeld! Ist‘s denn nicht genug, dass du verfluchter Baalspfaff selber geizest, wo nicht alle Welt auch mit dir geizet? Behalt du dein Teil auf Erden. Mein Teil ist im Himmel, und will doch nicht Hungers sterben. 

 

178. 

VON DER TREUE.

Trew tewr.

 

So lautet’s, wenn man die Buchstaben versetzt. Trew wert, wenn man‘s von rückzu liest. Ein treues Herz, ein teures Herz. Rare Bisslein sind teuer, Charität, Rarität. Wie rar ist die edle Treu? Von den Dienern Christi spricht Paulus: Man sucht nicht mehr an ihnen, als dass sie treu erfunden werden 1 Kor. 4,2. Bei vielen gesucht, bei wenigen gefunden. Jener suchte einen Menschen beim Licht am hellen Tage. Ob du gleich die Treu also suchen möchtest, würdest du sie doch kaum finden. Es scheint, als wäre sie gar zur Welt hinaus. Was ist Wahrheit, was ist Treu? spricht der Weltmann mit Pilato. Wer nicht einen Politikus agieren, simulieren, dissimulieren, Wahrheit für Lügen, und Lügen für Wahrheit verkaufen, den Mantel nach dem Winde drehen, bei den Heiden heidnisch, bei den Juden jüdisch sein kann, kommt nirgends fort. Ein treues Herz, ein wertes Herz. Du hältst deinen Schatz wert, ich einen treuen Freund. Wenn zu mir kämen ein Reicher und Armer, böte mir an jener einen Kasten voll Goldes, dieser ein treues Herz, wollt ich zu jenem sagen: Dass du verflucht seist mit deinem Golde! Zu diesem aber: Dass du gesegnet seist im Herrn, du auserwähltes treues Herz! Was kann mir Gold und Silber helfen, wenn ich schweren Mutes bin? In eine treue Seele schütt ich all mein Elend hinein, das bringt ein leichtes Herz; ein Seufzerlein aus treuem Herzen gegeben, ist werter als viel Stücke Goldes, dabei ein falsches Herz ist. Nun, was ich nicht find auf Erden, das find ich gewiss im Himmel. Jesus ist ein treuer Freund, er hält Fuß in Not und Tod. Vom treuen Freund spricht Salomon: Ein treuer Freund liebt allezeit, und ein Bruder wird in der Not erfunden Sprüchw. 17,17. Wo findest du in der Not einen solchen? Weltfreunde lieben nicht dich, sondern das Deine. Nicht allzeit, sondern wenn‘s wohl geht; sind gleich den Sommervögeln, die mit dem Frühling kommen, mit dem Winter davon fliegen; der Lustsommer lockt sie an, und erwärmt sie ein wenig in der Liebe: Kommt der Trauerwinter, so erkältet die Liebe und sie ergreifen die Flucht. Sie finden sich als Brüder ein beim Bier und Wein; wenn‘s Gläslein aus ist, gehen sie bald davon. Gläserne Brüderschaft bricht so leicht als das Glas selbst. Das erfährst du in der Not; so treten sie ab, und lassen dich allein. Aber von Jesu kann ich Recht sagen: Mein Freund Jesus liebt mich allzeit, und lässt sich wie ein Bruder in der Not finden. Er ist mein Freund und Bruder, mein Fleisch und Blut; wenn sich die Welt mein schämt, schämt er sich doch nicht, mich seinen Bruder zu nennen. Er liebt mich, nicht das Meine; er liebt mich allzeit, in Weh und Wohl, in Leid und Freud; verändert sich mein Zustand, bleibt doch sein Herz unverändert. In der Not wird er erfunden; wenn die Not am größten, ist seine Hilfe am nächsten. 

Nirgend sonst Treu zu finden ist. 

Denn nur bei dir, Herr Jesu Christ.

 

179. 

VON DER MENSCHEN FREUNDSCHAFT.

Feinde, Freunde.

 

Wen hältst du für deinen besten Freund? Zweifelsohne dich selbst, und bist doch dein ärgster Feind. Ist nicht dein Feind, der dir den größten Schaden tut? Du selbst bringst dich um deine Seligkeit, ein Schaden über alle Schaden. Ist‘s wahr, was die Weisen sagen, dass niemand beleidigt werde, denn nur von seinem eigenen Herzen, so ist auch gewiss wahr, dass niemand dein Feind sei, als nur dein eigen Herz. Wie magst du den für deinen Feind halten, der dich nicht beleidigt? Wenn der Verräter Judas Jesum umfasst, und aus vollem Herzen küsst, spricht Jesus zu ihm: Mein Freund. Hörst du da? Feind, Freund; den du für deinen ärgsten Feind hältst, ist dein bester Freund; der dich straft, wenn du es verstehst, ist ja dein Freund, er sucht dein Bestes; das tut der, den du deinen Feind nennst, er breitet deine Fehler aus, jagt dir eine Röte ab, macht, dass du vorsichtiger wandelst, und dich vor Sünden hütest. Wer dein Bestes befördert, ist ja dein Freund. Ach, wie oft muss der Feind dann eben dir am besten helfen, wenn du meinst, er schade dir am meisten! Auch der Tod, der allergrößte Feind, muss dir eben dann, wenn er dich würgt, zum Leben helfen. Geschieht‘s nicht zu vielen Malen, dass der Feind dich eben dadurch muss erhöhen, wodurch er dich gedacht zu erniedrigen? Haman ward der Juden Stütze, indem er wollte ihr Stürzer sein. Saul brachte David zu Ehren, indem er seine Schande suchte. Gott kann aus Finsternis Licht, aus Wasser Wein, aus dem Fall die Ehre, aus dem Mangel Fülle, aus nichts alles machen, und dazu muss ihm der Feind dienen. Viel Feinde, viel Vater Unser; viel Vater Unser, viel Segen; also muss dir des Feindes Fluch in einen Segen verwandelt werden. Feinde, Freunde. Wenn jemands Wege dem Herrn wohlgefallen, so macht er auch seine Feinde mit ihm zufrieden Sprüchw. 16,7. Aller Menschen Herzen sind in Gottes Hand, der kann sie lenken wie er will. Esau muss dir keinen sauren Blick geben, Laban kein unfreundlich Wort zusprechen, wenn‘s Gott nicht haben will; ich hab‘s erfahren, und danke Gott! Wiederum Freunde, Feinde, Menschengnade währt nicht lange. Ein bloßer Argwohn, ein bloß Gewäsch kann des Menschen Herz verändern. Ich will trachten, dass ich Gott zum Freund behalte, so wird sich unter Menschen auch noch allezeit ein guter Freund finden. In Gott verbunden, fest verbunden. Der Knopf bricht nicht. Hab ich dann einen Freund unter Menschen, will ich mich nicht ganz entdecken, sondern lieber mein eigen, als eines andern sein. Wie kann ich wissen, ob der, der mich heute liebt, morgen mich hassen werde? Findet sich ein Feind, will ich ihn durch Wohltaten zum Freund machen. Ein wildes Tier mag man, durch Wohltun zähmen, wie vielmehr ein feindselig Herz gewinnen. Feuerkohlen zünden an. Erlang ich nicht mehr, so wird doch durch Gottes Gnade seine Feindschaft nicht schädlich sein, wenn ich ihm nützlich bin. Doch will ich an ihm nicht verzagen. Es sind zwölf Stunden im Tage. Wer nicht zur ersten, kommt vielleicht zur letzten. 

 

180. 

VON DER GEGENWART GOTTES IM KREUZ.

Dem Schwächsten am nächsten.

 

Die Welt spricht: Der Stärkere gewinnt. Drum verbinden sich die Gewaltigen mit einander, dass sie durch vereinigte Stärke den Sieg erhalten. Aber was ist Menschenstärke, wenn Gott nicht hilft? Gott ist dem schwächsten am nächsten. Welch eine genaue Aufsicht hat eine Mutter auf ihr krankes Kind, ein Hirte auf sein zartes Lämmlein? Gott ist mütterlich gegen uns gesinnt und kann unser so wenig vergessen als eine Mutter ihres Kindes; er ist unser Hirte, wir liegen ihm auf seinen Schultern, ja in seinem Herzen. Er sorgt für uns, sonderlich wenn wir schwach und verlassen sind. Anfechtungen haben den Nutzen, dass sie Gott die Tür zum Herzen öffnen, den Trost hinein zu bringen, von welchem andere nichts wissen. Adam und Eva hatten beide gesündigt, doch ward Eva getröstet, nicht Adam. Ihr Leid war größer, als die den Mann mit in die Übertretung gezogen; so war auch ihr, als eines Weibes Vermögen, den höllischen Versuchungen zu widerstehen, schwächer als des Mannes. Weil der Satan dem Schwächsten am härtesten zusetzt, so steht ihm Gott am meisten bei. Meine Kraft, spricht er zum Paulus, ist in den Schwachen mächtig. Sollte sich Gottes Stärke mit des Menschen Stärke vereinigen, so müsste er auch den Ruhm mit dem Menschen teilen; er will aber die Ehre allein haben. Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib die Ehre! Wo noch eigene Stärke ist, da ist auch gemeiniglich eine heimliche Abgötterei. Da verlässt sich der Mensch mehr auf sich und seine Stärke, als auf Gott. Wie kann Gott dessen Gott sein, der sein eigener Gott ist, und dem mit seiner Hilfe beitreten, der mit seinem Herzen von ihm weicht? Gott will sich nur mit einem solchen Herzen verbinden, das an ihm selbst und an allem seinen Vermögen gänzlich verzagt, sich blößlich mit seinem Vertrauen an ihn hängt und mit Josaphat spricht: Ach Herr, in mir ist kein Vermögen, ich weiß nicht, was ich tun soll; sondern meine Augen sehen nach dir, in deiner Macht ist Kraft und Macht, und ist niemand, der wider dich stehen möge. Wie sich ein krankes Kind nach der Mutter umsieht und spricht: Ach, Herzensmutter, könnt ihr mir nicht helfen? so muss sich die Seele nach Gott sehnen und seufzen: Ach, mein Gott, mein Jesu, mein treuer Gott, du kannst und wirst ja helfen; dann gibt Gott Kraft und Mut zu siegen. Drum, liebstes Herz, verzage nicht, wenn du dich schwach befindest. Ob du gleich meinst, Gott sei dann am fernsten, wenn du am schwächsten, so ist er dir doch dann am nächsten. Wenn Gott unter dem Druck seine Kinder lässt kraftlos werden, dass jedermann meint, es habe ein Ende; so ist er doch eben in demselben am stärksten da, so gar verschieden und heimlich, dass sie es selbst nicht fühlen, sondern glauben‘s nur. Denn wo Menschenkraft ausgeht, da geht Gottes Kraft ein, doch leuchtet‘s nicht eher hervor, ehe das Leiden aus ist; dann erkennt man erstlich, was für eine Stärke gewesen unter der Schwachheit. Wie kraftlos war Christus am Kreuz, und bewies doch da seine größte Kraft, indem er überwand Sünde, Tod, Teufel, Hölle und alles Übel! Hingegen lässt Gott die Feinde seiner Kinder groß und mächtig werden, zieht aber seine Kraft heraus, wenn sie sich von eigener Kraft aufblasen. Und wenn dann die Blase voll ist, dass jedermann meint, sie haben gewonnen, so sticht Gott ein Loch darein, da ist‘s aus. Die Narren wissen nicht, spricht Dr. Luther, dass eben, indem sie aufgehen und stark werden, sie von Gott geäußert sind und Gottes Arm nicht mehr bei ihnen ist. Darum währt ihr Ding seine Zeit, darnach verschwindet es wie eine Wasserblase, wird als wäre es nie gewesen. Ich will gutes Mutes sein in meinem Leiden. Denn je schwächer in mir, je stärker in Gott. Begegnet mir ein Teufel und will mir etwas anmachen, ich wag‘s. Komm an, Teufel, hast du das Herz, ich geh einher in der Kraft des Herrn Zebaoth. Mit Gott kann ich Taten tun. Soll‘s heißen: Der Stärkere siegt, so hab ich schon gewonnen; Gottes Stärke ist meine Stärke, und Gottes Stärke geht über alle Stärke. Soll‘s auch heißen: Der Schwächere siegt; mir gilt‘s gleich, Gott hilft so bald den Füßen, als den Händen. Durch Weichen und Nachgeben habe ich manchen Sieg erhalten. Gott sei gelobt!

 

181. 

VON DER FREUDIGKEIT DES GEWISSENS. 

Trutz! Ich werde nimmer eingenommen.

 

Der Feind läuft Sturm. Lass ihn laufen. Er hat des Teufels Panzer angezogen. Was denn mehr? Er lügt, schilt und lästert. Immerhin. Lügen beißen mich nicht tot. Pfui des armen Teufels, der sich mit Lügen waffnen muss! Ich weiß, dass er ein böses Gewissen hat und sich untersteht, seine Untugend mir aufzudringen, durch seine Unehre, die er mir zumisst, seine Unart und Teufelstücke zu beschönen. Aber fürwahr, seine Mühe ist umsonst. Der einige Trost und Fels meiner Freudigkeit steht fest, dass ich ein unschuldig und friedsam Gewissen habe. Dies sei die eherne Mauer: nichts Böses sich bewusst zu sein, über keine Schuld erblassen. Ein gut Gewissen geht über tausend Zeugen. Du willst mir meinen Ruhm vor der Welt nehmen? Liegt nichts dran. Menschenruhm kommt von Menschen, fährt auch mit Menschen hin. Vor Gott soll mein Ruhm doch bleiben. Deß versichert mich mein gut Gewissen. Und vor Menschen darf ich auftreten mit Paulus und sagen: Mein Ruhm ist der, nämlich das Zeugnis meines Gewissens, dass ich in Einfältigkeit und göttlicher Lauterkeit, nicht in fleischlicher Weisheit, sondern in der Gnade Gottes auf der Welt gewandelt habe 2 Kor. 1,12. Was fragt Jesus darnach, dass ihn der Pharisäer einen Samariter und Ketzer schilt, wenn er das Herz hat, dass er ihn fragen darf: Wer unter euch kann mich einer Sünde zeihen? Joh. 8,46. Nicht genug ist‘s, dass du, Verleumder, sagst: Er ist ein solcher, oder ein solcher. Tritt auf, hast du das Herz, und beweis es. Mein Gewissen beißt mich nicht. Was frag ich nach der Lüge? Muss nicht Elias ein Verwirrer, Jeremias eine Haderkatze, Paulus ein Verführer heißen? Was achteten sie der Lügen? Wenn’s so weit mit dem Teufel kommen ist, dass er an der Sache verzweifelt und nichts als Lügen aufbringen kann wider die Frommen, so hat man ihn nicht groß zu fürchten; er muss sich seiner Lügen endlich selbst schämen. Lüge ist kein guter Advokat; wer ihr die Sache vertraut, verliert gewiss. Du willst mich verzagt machen mit deiner Lüge? Torheit. Mein Schild ist ein gut Gewissen, davon prallen alle Lügenpfeile zurück und schaden nicht. Ein gut Gewissen ist ein stetes Wohlleben. Wenn du meinst, ich traure, bin ich am allerfröhlichsten und mache aus deinen Lügen ein Gelächter. Lach, und du hast gesiegt, sagt mein Herzensfreund, das tue ich auch. Warum sollt ich trauern? Lüge geht auf schwachen Beinen. Wie lange besteht sie? Wahrheit liebt das Licht und bleibt nicht ewig verborgen. Solches werden die Frommen sehen und sich freuen und aller Bosheit wird das Maul gestopft werden Ps. 107,42. Sollte ich trauern? Nein. Davids Helm ist mein Schirm, darunter verberge ich mich, und sage: Was kann mir die falsche Zunge tun und was kann sie ausrichten? Ps. 120,3. Ich schreie zum Herrn, der mein Ruhm und meine Stärke ist: Herr, errette meine Seele von den Lügenmäulern und von den falschen Zungen V. 2. Und er antwortet mir von seinem Heiligtum: Sei still, mein Kind, die Feinde sollen dich nicht überwältigen und die Ungerechten sollen dich nicht dämpfen Ps. 89,23. Nun, so sei zufrieden, meine Seele; was betrübst du dich und bist so unruhig in mir? Hoffe auf Gott, er wird‘s wohl machen und wird deine Gerechtigkeit hervorbringen wie das Licht Ps. 37,5.6.

 

182. 

VOM MANGEL DER CHRISTLICHEN LIEBE.

Wer reit, der reit.

 

Wer liegt, der liegt. Ein jeder für sich selbst, Gott für uns alle. Das beste ist, dass man in die Kirche geht, Sakrament empfängt, ehrbar lebt, für sich selbst ist, mit andern sich nicht beladet, niemand leiht, niemand borgt, kärglich gibt. Das ist unser heutig Christentum. Gott sei‘s geklagt! Ich diene Gott, sprichst du; ist gut, beweis es. Ein Diener liebt seinen Herrn; ich liebe Gott, sprichst du. Ist gut, beweis es. Wer Gott liebt, hält sein Wort. Wie lautet Gottes Wort? Du sollst den Nächsten lieben als dich selbst. Dein Nächster ist hungrig, du speist ihn nicht; er ist dürftig, du leihst noch gibst ihm nichts. Heißt das Gottes Wort halten? Wie bleibt die Liebe Gottes bei dir? So jemand dieser Welt Güter hat, und sieht seinen Bruder darben und schließt sein Herz vor ihm zu, wie bleibt die Liebe Gottes bei ihm? 1 Joh. 3,17. Wer Gott liebt, liebt auch sein Kind. Ist nicht dein Nächster Gottes Kind? Hat er nicht Jesum in der Taufe angezogen? Sind nicht deine Güter seines Vaters? Hat er nicht eben so viel Recht daran als du? Was dünket dich? Wenn zwei Brüder ihres Vaters Erben würden; der eine wollte vom Erbgut sich niedlich traktieren, köstlich kleiden, großen Handel treiben; der andere sollte verschmachten, nackt gehen, Not leiden; wärs recht oder unrecht? Wer liebt, der gibt. Liebst du Gott, wo bleiben deine Gaben? Du sprichst, Gott darf mein nicht, er ist reich genug. Es sei so. Gott darf dein nicht für seine Person, so darf er doch dein in seinen armen Kindern, die er dir täglich vor Augen stellt. Was du ihnen gibst, das gibst du ihm; was du ihnen versagst, das versagst du ihm. Deine Tür schlägst du ihm vor der Nase zu, wenn er kommt, deine Brocken zu sammeln, und du willst doch zu ihm durch die Himmelstür eingehen? Ach nein! Der arme Lazarus wird dir im Wege liegen, dass du nicht hineinkommen kannst. Ei, sprichst du, warum versorgt Gott seine Armen selbst nicht? Er will‘s freilich tun, aber durch dich. Der Herr versorgt ja das Haus, aber durch den Haushalter. Er gönnt dir Gutes. Die Ehre soll sein, der Nutzen dein sein. Weißt du nicht, dass die Reichen im Volk sind, wie der Magen im Leibe, der zwar alle Speise empfängt, aber ihm nicht behält, sondern einem jeden Glied das Seine davon zuteilt? Du bist Haushalter und nicht Herr; gute Haushalter teilen mit allen, die im Hause sind. Summa: Kirchengehen, Abendmahlnehmen, Weltehrbarleben macht dich nicht selig. Viele tausend brennen schon in der Hölle, die sich deß auch gerühmt. Gehe hin und lerne, was das sei: Ich habe Gefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer Matth. 9,13. Lerne, was Paulus schreibt: In Christo gilt allein der Glaube, der durch die Liebe tätig ist Gal. 5,6. Wo man sich nicht des Nächsten annimmt, da ist weder Liebe, noch Glaube, noch Christentum. Gott für uns alle; ist wahr, aber in der Liebe sollst du deines Nächsten Gott und Guttäter sein. Mein Nächster ist mein Fleisch und Blut, und mein Mitglied am Leibe Christi, darum soll sein Weh mein Weh, mein Wohl sein Wohl, seine Not meine Not, mein Vermögen sein Vermögen sein. Sind wir doch Brüder, ein Herz und eine Seele.

 

183. 

VON DER GROSSMÜTIGKEIT DER CHRISTEN.

Welt, wie du willst.

 

Gott ist mein Schild. Darfst du es wagen? Ich wag es mit. Gott ist auf meiner Seite. Drohst du? Ich erschrecke nicht. Vom Drohen stirbt man nicht. Ein kecker Mut ist besser als ein kecker Mund. Willst du mich verzagt machen? Gott macht mich beherzt und spricht mir einen Mut ein: Fürchte dich nicht, du Würmlein Jakob, ich bin bei dir. Nimmst du? Ich verliere nichts. Nichts ist mein, von allem was ich habe. Drum alles verloren, nichts verloren. Je mehr du nimmst, je mehr gibt Gott. Verachtest du? Ich danke dir. Niemand kann mich so tief vernichten, als ich mich selbst vernichte. War doch mein Jesus auch eine Verachtung des Volkes Ps. 22,7. Das muss so sein. Der Gerechte muss ein verachtetes Lichtlein sein vor den Augen der Stolzen. Je schnöder auf Erden, je werter im Himmel. Spottest du mein? Spott immerhin. War nicht mein Jesus auch ein Spott der Leute? Der Knecht ist nicht besser als der Herr. Je näher hier dem verspotteten, je näher dort dem verherrlichten Jesu. Hat auch Hiob nicht klagen müssen: Meine Brüder sind meine Spötter, aber mein Auge tränt zu Gott. Wie kannst du anders als der Frommen spotten, da du den höllischen Spottvogel im Herzen hast? Aber harr! Der im Himmel sitzt, wird einmal dein wieder spotten. Jagst du mich? Ich bleibe doch, wo mein Gott bleibt; bei ihm bin ich unverloren. Die Erde ist des Herrn; Gott wird schon ein Örtlein finden, da er mich, sein Würmlein hinstecke. Ist kein Raum auf Erden, so ist noch Raum im Himmel. Da höre ich zu Haus, hier bin ich nur ein Pilger. Willst du mich töten? Ach! Mich tötest du nicht, sondern nur mein Elend? Wer im Herrn stirbt, hört nicht auf, sondern fängt erst an zu leben. Wie köstlich ist der Tod seiner Heiligen vor ihm! Haben die Märtyrer ihr Leben nicht geliebt bis in den Tod, warum sollte ich denn nach meinem Leben etwas fragen? Ich weiß ein besser Leben, da meine Seele fährt hin; deß freu ich mich ja eben, Sterben ist mein Gewinn. Ein treuer Diener setzt (opfert) sein Leben auf bei seinem Herrn. Und wenn ich tausend Hälse hätte, will‘s Jesus haben, Tod brich sie alle. Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben mich scheiden soll von der Liebe Gottes, die da ist in Christo Jesu, meinem Herrn Röm. 3,38.39. Drum, Welt, wie du willst. Mich beißt du nicht. Gott ist mein Schild. Nach dir frag ich nicht ein Härlein. Fällst du mich an, so fällst du Gott an. Wehe deines Jammers! Drum nur nicht so trotzig. 

 

184. 

VOM MAMMONSDIENST UND SEINEM LOHN.

Halb Maus, halb Vogel.

 

Halb Heide, halb Christ. Rate, wer ist der? Den Mammonsknecht mein ich, der mit Recht Gott, mit Unrecht dem Teufel dient. Was er verdient, ist halb mit Recht, halb mit Unrecht verdient; mit Recht nimmt er einen billigen Gewinn, denn ein Arbeiter ist seines Lohnes wert; mit Unrecht nimmt er einen Vorteil oder Übergewinn, denn Gottes Wort ist da klar wider ihn: niemand greife zu weit, noch übervorteile seinen Bruder im Handel 1 Thess. 4,6. Was er den Armen gibt, ist halb mit Recht, halb mit Unrecht gegeben; halb gewonnen, halb gestohlen; halb verdient, halb geraubt; da er doch weiß, dass Gott kein Geraubtes will zum Opfer haben. Wie würde dir gefallen, der dir dein Kind vor deinen Augen würgte, und dir hernach das Blut zur Gabe brächte? Du Narr, kann man auch zwei Herren dienen? Gott und Teufel treu sein? Was hat die Gerechtigkeit für Genieß bei der Ungerechtigkeit? Sage mir, wer soll dir lohnen für deinen Dienst? Gott oder der Teufel? Billig ist, dass der lohne, dem du den besten Dienst getan. Gott hat nur den Leib gehabt, der Teufel die Seele. Wenn die Seele deinen Leib zur Kirche geführt, hat sie ihn als einen toten Klotz sitzen lassen, sich wiederum nach Hause gefügt und bei ihrem Mammon erlustigt. Das Geringere ist ein Anhang des Größern und das Unedlere folgt dem Edlern, der Leib der Seele. Hat der Teufel deine Seele, mag er auch den Leib dazu haben. Es ist Gott um deine Knochen nicht zu tun, wenn der Teufel das Fleisch auffrisst. Die Maulchristen will Gott in den Himmel nicht haben. Was folgt denn daraus? Du bist des Teufels mit Leib und Seele, dem dienst du, der lohnt dir. Solche Arbeit verdient solchen Lohn. Ach, dass dich Gott erleuchten möchte!

 

185. 

VON DER LIEBE GOTTES IM KREUZ.

Je liebers Kind, je schärfer Rut.

 

Welchen Gott lieb hat, den züchtigt er, er stäupt einen jeglichen Sohn, den er aufnimmt. Denn wo ist ein Sohn, den der Vater nicht gezüchtigt? Ist jemand ohne Züchtigung, so ist er ein Bastard und nicht ein Kind, Hebr. 12,6-8. Wenn Jesus sein schmerzliches Leiden im Ölgarten antreten will, lässt er acht Jünger vorn bleiben, drei aber, nämlich Petrum, Jakobum und Johannem, nimmt er mit sich hinein. Fragst du, warum? Sie hatten seine Herrlichkeit gesehen auf dem Berg Tabor, so sollten sie auch seine Niedrigkeit sehen am Ölberg. Auf den Himmelschmack folgt der Höllenschmack; heute erfreut, morgen geängstet; heute erquickt, morgen gedrückt: Sie waren ihm die Liebsten, drum müssen sie auch im Leiden die Nächsten sein. Ich höre sie nicht fragen: Herr, warum lässt du die andern draußen und nimmst uns allein zu dir? Und du, mein Herz fragst so kümmerlich: Ach, wie trifft mich solch groß Leiden, da mein Nächster so gnädig übersehen wird? Warum muss ich vor andern des Tages Last und Hitze ertragen? Lieber, klage nicht. Große Kraft, großes Kreuz. Deine Schultern sind vielleicht stärker denn anderer, kannst mehr tragen. Du bist Gott der Liebste. Wenn der Vater Gaben austeilt, gibt er dem liebsten Kind das größte Stück; seinen liebsten Kindern misst Gott das Leiden zu mit der längsten Elle. Wer hat je größere Leiden ausgestanden als Jesus? Gab ihn Gott nicht dahin dem Teufel, Tod und allerhöllischen Macht in die Rappuse? Verließ er ihn nicht mit Schutz und Trost, dass er jämmerlich klagen musste: Mein Gott! mein Gott! warum hast du mich verlassen? Ps. 22,2. Und war doch mitten im Leiden Gottes allerliebstes Kind. Kreuz ist nicht ein Zorn-, sondern ein Liebeszeichen. Gott züchtigt die Seinigen nicht im Grimm, sondern in Gnaden. Paulus hatte seinen Satansengel, der ihn mit Fäusten schlug; war er aber darum verhasst? Nein; lass dir, spricht Gott, an meiner Gnade begnügen. Denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig 2 Kor. 12,9. Wo viel und groß Kreuz ist, da ist auch hohe und reiche Gnade Gottes. Je tiefere Wunden uns Gott mit der Linken schlägt, je herzlicher umfängt uns seine Rechte. Gottes Gnade nimmt im Kreuz nicht ab, sondern zu; dem kranken Kind stellt die Mutter die höchste Liebe zu. An der Gnade Gottes lässt sich ein Kreuzträger genügen. Eine ganze Welt voll Goldes, ein ganzer Tisch voll Wollust trösten mich nicht, wenn meine Seele betrübt ist; gibt mir aber Gott ein Tröpflein seiner Gnade zu schmecken, so ist alles Leid verzuckert und das Herz zur Ruhe gebracht. Wo Gottes Gnade ist, da ist auch Gottes Kraft; da kann man das Kreuz tragen und überwinden. Ich will nicht sauer sehen, wenn mich groß Leiden überfällt. Denn wenn mich dünkt, Gott zürne am meisten, so lacht er mir am freundlichsten zu. Seine nächsten Freunde drückt er am härtesten. Ein Freund verträgt noch wohl, was ein Fremder nicht verträgt. Schickt mir Gott kein Kreuz zu, so hat er mich nicht lieb. Je liebers Kind, je schärfere Rute. 

 

186.

VON DER UNGEORDNETEN LIEBE.

Personenfreund, Sachenfeind.

 

So sollt‘s sein. Aber wo geschieht‘s? In der Welt verändern sich die Sachen mit den Personen. Wie rau fuhr Eli die Hanna an aus einem bloßen Argwohn, aber wie lind war er über die offenbaren Greuel seiner Söhne! Warum tut ihr solches? sprach er; das ist nicht ein gut Geschrei, das ich höre. Nicht, meine Kinder. Du hörst deinen Knecht schwören, wirst entrüstet; dein Kind flucht und geht dir nicht ans Herz; entweder bist du deines Kindes Freund nicht, oder kein Feind seines Fluchens. Sünde ist Sünde, es begehe sie Freund oder Feind, Kind oder Knecht. Dein Freund sündigt und hältst es heimlich und deckst es zu; ein anderer tut eben dieselbe Sünde, du breitest es aus und bringst ihn in böses Gerüchte. Warum? Du bist nicht so sehr der Sache als der Person feind. Die Liebe deckt zu der Sünden Menge. Liebtest du den Sünder, würdest du die Sünde zudecken, ob er gleich dein Freund nicht wäre. Die Liebe stückt und teilt sich nicht auf Freund oder Feind, sondern umfängt alle, weil in Adam alle Menschen nach dem Fleisch und in Christo nach dem Geist uns gleich nah sind. Du freust dich über die Strafe, die deinen Beleidiger trifft, gibst an den Tag, dass du nicht allein der Sache, sondern auch der Person feind seist. Christliche Seelen empfinden Pein über die Sünde, nicht aber über den Schmerz ihres Beleidigers; Gott selbst hat keinen Gefallen am Tod des Sünders, ob er gleich die Sünde hasst und straft. Ein guter Vater züchtigt sein Kind wohl, und weint doch im Herzen mehr selbst darüber als das Kind. Der Arzt ist nicht dem Kranken feind, sondern der Krankheit; den Kranken sucht er zu erhalten, die Krankheit zu vertreiben. Der Sünde will ich feind sein, denn sie ist vom Teufel. Ich finde sie, wo ich sie finde, bei Freund oder Feind, will ich sie hassen, denn die Person macht die Sünde nicht gut, sondern die Sünde macht die Person böse. Des Sünders Freund will ich sein, denn er ist von Gott. Sollte ich den hassen, den Jesus so hoch geliebt, dass er auch sein Leben für ihn gelassen? Nein, aus Liebe will ich mit ihm umgehen und seine Besserung suchen. Gott wird sie geben.

 

187. 

VON DER GÖTTLICHEN ERQUICKUNG.

Aus Wasser Wein.

 

Aus Zorn Gnade, aus der Neige die Fülle, aus Schande Ehre, aus saurem Schweiß ein Stücklein Brots, aus Licht Finsternis, aus nichts alles. Die Kunst kann Gott, und sonst niemand. Erstlich Wasser, darnach Wein; erstlich Regen, darnach Sonnenschein; erstlich die hässliche Leah, darnach die schöne Rahel. Dein Vorrat ist gering; traure nur nicht; Gott kann aus dem Kleinen etwas Großes, aus Wenigem viel machen. Hat nicht Gott aus dem einen Adam die ganze Welt voll Menschen, ans dem einen Jakob das ganze israelitische Volk gemacht? Lies er nicht die Welt samt Menschen und Tieren durch die Sündflut verderben, und machte sie wieder aus acht Menschen und wenig Tieren, welche gleichsam der Same waren? Spricht er nicht beim Propheten, dass er ganz Israel aus einem Weinkern machen wollte? Jes. 65. Aus einem Bissen kann er ein ganz Brot, aus einem Tropfen eine ganze Kanne voll machen. Dein Glaub ist auf der Neige? Verzage nicht, aus einem Fünklein kann ein Feuer, aus einem Senfkörnlein ein großer Baum werden, wenn Gott sein Trostöl zuschüttet. Dein Leid ist groß? Sei gutes Muts, aus großem Leid macht Gott große Freude. Aus der Marrah wird endlich eine Naemi wieder. Die mit Tränen säen, müssen mit Freuden ernten; so manch Tränenkörnlein, so manche Freudengarbe. Wie oft kommst du zum Beichtstuhl in bitterer Herzensangst, schüttest dein Tränenwasser vor dem Herrn aus; wenn‘s möglich wär, möchtest du in Tränen zerrinnen! Die Augen gehen mir über, wenn ich‘s sehe und wünsche: Ach, möcht dir Jesus nur ein Trosttüchlein zur Hand geben, damit du diesem geängsteten Herzen die Tränen abwischen könntest! Was geschieht? Jesus tröstet dich durch mich und wandelt dein Wasser in Wein. Schwer und traurig war das Herz, da du in den Beichtstuhl tratst, leicht und fröhlich ist‘s, wenn du hinausgehst. Ach, wenn das herzerquickende Trostwort Christi: „Sei getrost, mein Kind, deine Sünden sind dir vergeben“ in ein gläubiges Herz (und wär auch nur ein Fünklein Glaubens da) hineinfällt, so muss bald alle Angst verschwinden; Jesus muss ja höher erfreuen können, als die Sünde betrüben kann. Drum unverzagt, mein Herz, dein Wasser muss zu Wein, dein Kreuz in Trost verwandelt werden, dass du rühmen kannst mit Paulo: Gleich wie wir des Leidens Christi viel haben, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christum, 2 Kor. 1,5. Reicht dir Christus Wasser zu trinken, weigere dich nicht, den Kelch anzunehmen; indem du ihn an den Mund setzest und trinkst, wird das Wasser zu Wein werden. Dein Freudentrünklein musst du haben; schenkt es dir Jesus nicht eher ein, so bekommst du es gewiss im ewigen Leben. Ich will in Nöten nicht verzagen. Der alte Wundermann lebt ja noch, sein Herz ist unverändert, seine Hand unverkürzt. Der zu Kana aus Wasser Wein gemacht, wird auch, wenn‘s ihm gefällt, aus meiner Trübsal Labsal, aus meinem Leide Freude machen. Mein Elend kann er wenden, steht alles in seinen Händen.

 

188. 

VON DER EINFALT IM PREDIGEN.

Mit den Kindern muss man stammeln.

 

Nimm‘s zu Herzen, der du durch heilsame Lehre deine Zuhörer selig machen willst. Die Welt will nicht was Schlechtes haben, das wissen die, so ihr zu Gefallen sein wollen in allen Dingen. Daher kommt es, dass die Feld- und Weltprediger einen Haufen prächtiger Worte aus den Poeten und Rednern hervorsuchen, schmücken damit ihre Predigten auf‘s Herrlichste aus. Solche Reden nennt dann die Welt zierliche Predigten. O Torheit! Willst du der Sonne mit einem Kerzlein Licht zutragen? Gottes Wort darf deines Bettelschmucks nicht, wird nur durch solchen närrischen Zierrat verdunkelt. Du magst mit deinen zierlichen Predigten ein lieblich Getön für die Ohren machen, im Herzen wirst du fürwahr wenig Andacht erwecken, und schlechte Erbauung schaffen. Nicht aus zierlichen, sondern geistreichen Predigten kommt die Erbauung, und liegt nicht an der Kunst, sondern an der Brunst. Das Wort Gottes besteht nicht in Worten menschlicher Wohlredenheit und Weisheit, sondern in der Kraft und Beweisung des Geistes. Poeten und Redner richten nichts aus. Menschenworte haben Menschenkraft. Christus und die Apostel haben auf‘s einfältigste gepredigt, und was schwer ist durch bekannte Exempel und Gleichnisse erklärt. Ein Prediger, sagt Dr. Luther, soll also geschickt sein, dass er fein einfältig und richtig lehren könne die Albernen und Ungelehrten. Wir sollen Säugammen sein, gleichwie eine Mutter ihr Kindlein säugt, die pappelt und spielt mit ihrem Kindlein, und schenkt ihm aus dem Busen; da darf sie denn keines Weins noch Malvasiers zu, denn wir nicht Schenken oder Kretzschmer sein. Ich bin denen sehr feind, die sich in ihren Predigten richten nach den hohen gelehrten Zuhörern, nicht nach dem gemeinen Volk. Denn mit hohen prächtigen Worten einherfahren, ärgert und zerbricht mehr denn es baut; viel mit wenig Worten fein kurz anzeigen können, das ist Kunst und große Tugend. Torheit aber ist‘s, mit vielen Reden nichts reden. Prediger sollen sich einer leichten Art im Reden befleißigen, dass die Einfältigen sie verstehen mögen. Welch eine Torheit ist‘s, einen güldnen Schlüssel zu haben, welcher die Tür nicht aufschließen kann, und den eisernen hinwegzuwerfen, der die Tür wohl kann öffnen! Der Zweck aller Predigten ist, dass wir unsere Meinung den Zuhörern zu erkennen geben. Eben so lächerlich ist‘s, das gemeine Volk mit hochtrabenden und verblümten Worten zu lehren, als es ist Französisch mit einem zu reden, der nichts als seine deutsche Sprache gelernt hat. Reden die Lehrer schlecht und einfältig, so befreien sie ihr Gewissen, und mögen mit gutem Fug das Volk des Unglaubens beschuldigen, wenn sie ihnen nicht gehorchen wollen; sonst liegt die Schuld sowohl auf des Lehrers Zunge, als in der Zuhörer Ohren. Ich will in meinen Predigten nicht meine, sondern Gottes Ehre suchen, und nicht darauf sehen, dass des Zuhörers Ohr gekitzelt, sondern sein Herz gerührt werde. Milch darf keines Zuckers, sie ist doch süß genug, und schmeckt am allerbesten, wie sie aus den Brüsten kommt. Gottes Wort darf keines Versüßens von menschlicher Wohlredenheit und Weisheit. Es ist doch an ihm selber süßer, als Honig und Honigseim Psalm 119,103. Was erbaulich ist, will ich predigen, nicht was prächtig.

 

189. 

VON BÖSER GESELLSCHAFT.

Einer verführt den andern.

 

Sieh dich vor! der Fuß das Aug, das Aug das Herz, das Herz die Hand. Wenn Achan seine Sünde beichtet, spricht er: Ich sah, und gelüstete mich, und nahm es. Den Fuß lässt er aus, der doch den ersten Tritt in diesen Irrgarten getan hat. Hätte Eva beichten sollen, würde diese ohne Zweifel ihre Beichte gewesen sein: Ich ging zum Baum, beschaute die Frucht, empfand Lust, und nahm sie. Diese ist gemeiniglich die Ordnung in allen unsern Sünden: der Fuß führt hin zum verbotenen Baum, das Aug ärgert, das Herz gelüstet, die Hand vollbringt. Drum, nachdem der Heiland das ehebrecherische Herz gestraft, ermahnt er, dass wir gute Acht haben auf Fuß, Aug und Hand, damit sie uns nicht ärgern Matth. 5. Cap. 18. Mark. 9. Der Fuß führt zu böser Gesellschaft, da sieht das Aug, was das Herz ärgert, das Herz wird entzündet, und rüstet unsere eigene Hand wider uns zur Sünde. Der beste Rat ist, dass wir meiden böse Gesellschaft. Wäre Petrus aus Kaiphas Palast geblieben, hätte er seinen Herrn nicht verleugnet; sein vermessener Fuß ward sein Verführer. Petrus Fuß haben alle dieselben, welche sich durch böse Gesellschaft verleiten lassen, hineinzuschlüpfen in allerhand Hurenwinkel, Spielcompagnien, Saufhäuser, und sitzen da heiß in brennenden Lüsten, in tausendmal größerer Gefahr als sie glauben können. Wer sich bei der Gottlosen Feuer wärmt, muss mit ihnen Christum verleugnen. Wie übel bekam‘s dem König Josaphat, dass er sich gesellte zum gottlosen Achas, und mit ihm in den Streit zog? Wäre bald darüber um Leib und Leben kommen. Gott lässt ihn strafen durch den Propheten: Sollst du dem Gottlosen helfen und lieben, die den Herrn hassen? 2 Chron. 19,2. Wer unter den Mohren allein will weiß sein, wird aus ihrer Gesellschaft verstoßen, und wer unter den Nattern allein will ohne Gift sein, wird von ihnen getötet und verzehrt. Leidet dich der Gottlose, so ist zu befürchten, du habest einen Sinn mit ihm. Der Arzt geht mit dem Kranken um, so lang noch Hoffnung da ist, dass er genesen werde; verschwindet die Hoffnung, so gibt er ihn auf und verlässt ihn. So lang du nach der Liebe noch hoffen kannst, der Gottlose werde sich bekehren, sollst du Müh anwenden ihn zu gewinnen; wenn aber die Furcht und Gefahr deiner Bekehrung größer ist als die Hoffnung seiner Bekehrung, ist Zeit, dass du dich seiner enthaltest, damit du dich nicht mutwillig in Gefahr setzest, ihn in seiner Bosheit stärkest, und den Schwachen ärgerst. Ich will meinen Fuß wahren, dass er nicht gerate an böse Gesellschaft. Muss ich denn mit dem Gottlosen umgehen, will ich mich hüten, dass er mich nicht ärgere, und bemühen, dass ich ihn bessere.

 

190. 

VON DER FRUCHT GÖTTLICHEN WORTS.

Große Ausgabe, kleine Einnahme.

 

Wie klagt der Ackersmann, wenn er viel Korn ins Land wirft, und bekommt hernach eine schlechte Ernte! Ach, spricht er, die Ausgabe war größer, als die Einnahme ist, dass Gott erbarm! Wenn bei kümmerlicher Nahrung und schlechtem Gewinn viel Ausgebens ist, wie kläglich tust du! Was dünkt dich? Sollte denn wohl dein Gott nicht sattsame Ursach haben, über dich zu klagen, der du jährlich so viel hundert Predigten hörst, und dich so wenig daraus im Leben besserst? Bei so hellem Licht in ägyptischer Finsternis wandeln, ach! wie kann‘s Gott gefallen! Vergeblich empfängt das Land den Samen, welchen es nicht wieder hervorbringt mit Früchten; vergeblich hörst du das Wort Gottes, wenn‘s dich lässt, wie du warst, und nichts Heilsames in dir wirkt, wenn du es nicht annimmst im Glauben zum Trost, und im Leben zur Besserung. Fürwahr, es ist keine geringe Langmut Gottes, dass er sein Wort so reichlich unter uns wohnen lässt, da wir‘s doch so schändlich verachten, und weniger davon halten als nichts. Wo ist ein Landmann so geduldig, der, wenn er zwei oder drei Jahr seinen Acker besäete, und brächte ihm keine Frucht, dennoch weiter ihm seinen Samen vertrauen sollte? Und Gott hört nicht auf, dir, so lange du lebst, sein Wort nachzutragen, ob du gleich nie ein Früchtlein trägst, ja, im Leben immer ärger wirst, als du vorhin warst. Ohne Zweifel bewegt ihn zu solcher Langmut die Fürbitte Jesu Christi. Was dieselbe vermöge, wird uns beim Lucas in einem Bilde des Feigenbaums gezeigt: Denn da der Hausvater auf demselben keine Frucht fand, sprach er zum Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahr lang alle Jahr kommen, und habe Früchte gesucht auf diesem Feigenbaum, und finde sie nicht; hau ihn ab, was hindert er dies Land? Der Weingärtner aber antwortete und sprach: Herr, lass ihn doch dies Jahr, bis dass ich um ihn grabe, und bedünge ihn, ob er wollte Frucht bringen; wo nicht, so hau ihn darnach ab Luk. 13,7.8. Da siehst du, wie Gott von eigner Güte getrieben, Geduld übe, und auf der Christen Belehrung warte; wenn aber die Not zu strafen zwingen will, so siehst du auch hier, was die Fürbitte Jesu Christi tue. Glaub auch mir, dass noch hin und wieder treue Seelsorger sind, die Nacht und Tag auf ihren Knien liegen, vor Gott ängstiglich tun und seufzen: Ach Herr, lass doch diesen Menschen nur ein Jahr ungestraft, ich will mir‘s sauer werden lassen, und nicht aufhören, ihn mit Tränen zu vermahnen, vielleicht lässt er sich gewinnen, und trägt Frucht. Solch Gebet seines Dieners sieht der fromme Gott in Gnaden an, und steckt das Schwert in die Scheide, das schon gezückt war, ob sich der Sünder noch bekehren wollte. Er will doch lieber schonen, als strafen, weil er die Güte selbst ist. Selige Städte, selige Länder, die solche Hirten haben; aber hüte dich, mein Christ, dass du die göttliche Langmut nicht auf Mutwillen ziehst. Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte und Langmut zur Buße leitet? Röm. 2,4. Wir ermahnen dich als Mithelfer, dass du die Gnade Gottes nicht vergeblich empfängst 2 Kor. 6,1. Jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils. Gott haut doch zuletzt den Baum ab, der nicht fruchten will: er wird des Erbarmens endlich müde. Drum fruchte bei Zeiten. Gott gebe, dass wir erfüllt werden mit Früchten der Gerechtigkeit, die durch Jesum Christum geschehen in uns zur Ehre und Lobe Gottes Phil. 1,11.

 

191. 

VOM MÜSSIGGANG.

Stehend Wasser, stinkend Wasser.

 

Müßig Leben, schändlich Leben. Die unvernünftige Kreatur finden wir in steter Arbeit. Der Himmel ist in steter Wirkung. Sonne, Mond und Sterne halten ihren Lauf. Wie ein kleines Vöglein ist die Biene, und gibt doch die allersüßeste Frucht! Wie arbeitsam ist sie, wenn sie ihren Honig mit großer Mühe hin und wieder aus den Blumen sammelt! Die Ameise bereitet Brot im Sommer, und sammelt ihre Speise in der Ernte. Ist‘s denn nicht eine Schande, dass der Mensch, die edelste Kreatur Gottes, sich auf die faule Seite legt? Müßig Leben, krankes Leben. Man sieht, wie die, so ihr Leben mit stetem Stillsitzen zubringen, vielen Schwachheiten unterworfen sind; durch Arbeit wird die Natur gestärkt, durch Müßiggang geschwächt; Nachsinnen schärft den Verstand, Nichtsinnen macht ihn stumpf. Das Feuer verzehrt sich selbst, wenn‘s kein Stroh oder Holz oder Kohlen zu verzehren hat; gibt man einem Lichtlein nicht Öl, dass es länger brennen kann, so geht‘s aus. Müßig Leben, sündig Leben. Wenn Israel Ruhe hatte, versündigte es sich am Herrn. Müßiggang lehrt viel Böses, sagt Sirach Kap. 33. Wird die Erde nicht gebaut, so trägt sie Dornen und Disteln. Vergeblich ist es, dass man spricht: Besser nichts, als Böses tun. Wer nichts tut, lernt Böses tun. Ja, indem wir nichts tun, tun wir Böses. Denn des Guten Unterlassung ist des Bösen Vollbringung; Gott will aus seinem Garten ausgerottet haben nicht die Bäume, so arge, sondern auch, so keine Früchte tragen. In stehenden Pfuhlen findet man viel vergifteter Würmer. Müßiggang begräbt den Menschen lebendig. Er ist des Teufels Schlafbank, im Schoß des Müßigen hat er die allersanfteste Ruhe. Ein Müßiggänger, wie er untüchtig ist zum Guten, so ist er zu allem Bösen gar wohl geschickt. Die Natur will doch immer was zu tun haben. Ist das Werk nicht Gottes, was ich treibe, so ist es mein eigen, ist‘s mein, so wird der Lohn schlecht sein. Das Fleisch lohnt mit dem Tode. So ihr nach dem Fleisch lebt, werdet ihr sterben Röm. 8,13. Ein Müßiggänger ist nie geschickt zur Verrichtung des Gottesdienstes, zum Kirchengehen, Beten, Beichten etc., denn er hat seine Gedanken nimmer zusammen. Bindet man die nicht an gewisse Arbeit, so zerstreuen sie sich ins Ungewisse, und laufen bald dieser, bald jener Eitelkeit nach, verstecken sich, der eine hie, der andere dort; wie schwer hält‘s, ehe man sich wieder zusammenbringt, das zerstückte Herz ergänzt und ganz vor Gott ausschüttet! Müßig Leben, diebisch Leben. Wer selbst nicht arbeiten will, muss sich von anderer Leute Schweiß und Blut ernähren. Oft stiehlt er seinen Kindern das Brot und bringt sie an den Bettelstab; entzieht auch den Armen die Gabe, die er ihnen nach der Liebe mitzuteilen schuldig war. Drum Paulus den Müßiggang zum Diebstahl zählt, wenn er ermahnt: Wer gestohlen hat der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit den Händen etwas Gutes, auf dass er zu geben habe den Dürftigen Eph. 4,28. Du sprichst: Ich darf nicht arbeiten, kann meiner Renten leben. Ach mein, wenn du beim Tisch sitzest, isst und trinkst, was findest du in deinen Schüsseln und Kannen? Fürwahr nichts anders als der Armen Schweiß und Tränen. Wie kann dir solche Mahlzeit wohl bekommen? Wirst du nicht einmal mit Angst deines Herzens wieder ausspeien müssen, was du also eingefressen und eingesoffen hast? Du wirst es erfahren. Kein Bissen schmeckt besser, als den eigene Arbeit erworben hat. Drum arbeite. Ach, die Heiden sind dem Müßiggang feind gewesen. Draco, der ägyptische Gesetzgeber, hat den Müßiggängern den Tod zuerkannt. Was verdient der Besseres, der lebendig tot ist? Ein Müßiggänger nützt so wenig als ein Toter. Solon, der Athenienser Sittenmeister, hat verordnet, dass ein Sohn nicht schuldig sein sollte, den Vater im Alter zu ernähren, wo ihn nicht der Vater in der Jugend zur Arbeit gehalten, und was Redliches erlernen lassen. Ist nicht unrecht gesprochen; denn vergeblich fordert man Früchte vom Garten, den man nicht mit fruchtbringenden Bäumen bepflanzt hat. Cato, der vortreffliche Römer, hat keinen das römische Bürgerrecht gegönnt, die weiche und zarte Hände hatten, weil er sie für untüchtig zur Arbeit gehalten. Das menschliche Leben ist gleich dem Eisen braucht man‘s, so glänzt‘s, lässt man‘s still liegen, so frisst‘s der Rost. Liebst du den Glanz und willst geehrt sein, so liebe auch die Arbeit. Sechs Tage hat Gott gearbeitet am Bau der Welt 1 Mos. 2,3. Von denen liest man nicht, dass er sie gesegnet habe; der siebente Tag war der Ruhetag, den segnete und heiligte er. Die Arbeit führt ihre Heiligung und Segen mit sich, wenn sie im Herrn geschieht; aber ruhen und still sein ist der Gefahr der Sünde und des Fluchs nicht unterworfen, wo Gott nicht sonderlich heiligt und segnet. Ich will allezeit auf etwas beflissen sein, dass mich weder Gott, wenn er kommt zu lohnen, noch der Satan, wenn er kommt zu versuchen, müßig finde.

 

192. 

VON DER REINEN LIEBE GOTTES.

Liebe ist kein Nießling.

 

Liebst du Gott, so wirst du nicht das Deine bei ihm suchen. Der liebt Gott recht, der ihn gleichsam nackt ansieht in seiner bloßen Güte. Die Welt sucht das Ihre bei Gott, sieht nicht auf ihn, sondern auf sich; nicht auf seine bloße, sondern empfindliche Güte, achtet nicht, dass Gott in seinem Wesen gut, sondern nur, dass er über sie gut ist und ihr wohl tut; je mehr Wohltaten sie von ihm empfängt, je lieber hat sie ihn; verbirgt er sich aber und zieht den Glanz seiner Güte ein, dass sie bloß und elend wird, so geht alle Liebe auf einmal aus. Damit beweist sie, dass sie nicht den Geber, sondern die Gabe, nicht Gott, sondern die Kreatur liebe; denn sie kann nicht gleich bleiben im Haben und Darben, im Reichtum und Armut. Solche trifft, was Christus sagt zu denen, die ihn suchten: Fürwahr, sag ich euch, ihr sucht mich nicht darum, dass ihr Zeichen seht, sondern, dass ihr gegessen habt, und seid satt geworden Joh. 6,26. Dr. Luther führt hievon ein anmutiges Exempel an: Es hat einmal, spricht er, ein fromm Weib ein Gesicht gesehen, wie drei Jungfrauen bei einem Altar saßen; unter der Messe lief ein hübsch Knäblein von dem Altar und ging zu der ersten Jungfrau, tat sich freundlich zu ihr, herzt sie und lacht sie lieblich an. Darnach ging er zu der andern, tat nicht so freundlich gegen die, herzt sie auch nicht doch hub er ihren Schleier auf und lächelte sie freundlich an. Der dritten aber gab er kein freundlich Zeichen, schlug sie ins Angesicht, rauft und stieß sie, ging ganz unfreundlich mit ihr um, lief darnach schnell wieder auf den Altar und verschwand. Das ward demselben Weibe also ausgelegt, dass die erste Jungfrau bedeute die unreinen genießsüchtigen Geister, welchen Gott muss viel Gutes und mehr ihren Willen, denn sie seinen, tun, wollen nichts mangeln, allzeit Trost und Lust an Gott haben. Die andere bedeute die Geister, die angefangen Gott zu dienen und wohl etwas Mangel leiden, doch nicht ganz, noch ohn eigen Genieß sind: er muss ihnen zuweilen einen lieblichen Blick geben und sie empfinden lassen seine Güte. Aber die dritte, das arme Aschbrödlein, hat nichts denn eitel Mangel und Ungemach, sucht kein Genieß, lässt ihr begnügen, dass Gott gut ist, sollte sie es auch nimmermehr empfinden (welches doch unmöglich ist), bleibt gleich auf beiden Seiten, liebt und lobt eben so wohl Gottes Gütigkeit, wenn sie nicht empfunden, als wenn sie empfunden wird, fällt nicht auf die Güter, wenn sie da sind, fällt auch nicht ab, wenn sie hin sind. Das ist die rechte Braut, die zu Christo spricht: Ich will nicht das Deine, ich will dich selber haben, bist mir nicht lieber, wenn mir wohl ist, auch nicht unlieber, wenn mir übel ist. Was soll man vom Nießling sagen? Er macht sich selbst zum Abgott und will von Gott geliebt sein, da er sollte Gott lieben. Gott ist nicht sein Gott, sondern die Güter sind sein Gott, in welchem ihm Gott als ein Knecht dienen muss. Mein Christ, glaubst du auch, dass das Kind den Vater liebe als einen Vater, das ihn nur liebt, wenn er im Vollauf sitzt und satt machen kann? Ach nein, es liebt nicht den Vater, sondern den vollen Tisch und Beutel. Wer Gott von Herzen liebt als einen Vater, sieht nicht auf seine Hände, sondern auf sein Herz, ist wohl zufrieden, er gebe „ichts“ oder „nichts“, bei Löffeln oder Scheffeln: das vergnügt ihn, dass er an Gott einen treuen Gott und frommen Vater hat. Tritt dann der Weltmann auf und spricht: Ich bin reich und habe die Fülle; antwortet ein solcher: Ich habe einen frommen Gott im Himmel, der ist mir Schatzes genug; was frag ich nach Himmel und Erde, wenn ich nur Gott habe? Die Seele ist Gott die allernächste, nicht die in seinem Schoß sitzt und aus seinen Brüsten trinkt, sondern die sich dünken lässt, sie sei von Gott verworfen und sich nicht wert hält des geringsten Tröpfleins seines Trostes. Wie, sprichst du, wozu hat denn Gott in seinem Wort so viel Gutes den Frommen verheißen, wenn sie kein Absehen auf seine Güter haben sollen? Er tut‘s, mein Herz, den jungen anfangenden Christen zu gut, die man als junge Kindlein mit solchem Zucker anlocken und halten muss, dass ihnen nicht die süße Weltliebe und das Kreuzleben Jesu alsbald leid werde; das göttliche Manna muss ihnen die ägyptischen Fleischtöpfe verleiden; das göttliche Süßholz muss ihnen ihr Marah und Kreuzwasser versüßen. Den Demütigen verspricht Gott die Erhöhung durch Petrum: So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, dass er euch erhöhe zu seiner Zeit 1 Petr. 5,6. Obgleich Gott aber die Demut zu erhöhen aus Gnaden verheißt, muss doch ein Liebhaber Gottes nicht darum die Demut üben. Denn wer in der Demut die Erhöhung sucht, achtet nicht die Tugend selbst, sondern nur den Nutzen der Tugend. Gott erhöht zwar die Demütigen, aber nur die, so in Einfalt ihres Herzens wandeln, und auf kein Ding weniger denn auf große Ehre sehen. Die Demut ist nicht eine Ursache der Erhöhung, sondern nur ein Weg dazu: ich will Gott lieben um sein selbst willen. Genug hab ich, wenn ich Gott nur habe. So ist doch alles mein.

 

193. 

VOM STREIT DES GEISTES WIDER DAS FLEISCH.

Immer zu Felde.

 

Rüste dich. Die Spieße blinken. Der Feind ist da. Wo denn? In dir ficht er wider dich. Gar nachdenklich redet Cyprianus in einer Predigt von der Pestilenz: Wir haben keine Feier. Müssen wir doch ohne Unterlass fechten mit dem Geiz, mit der Unkeuschheit, mit dem Zorn, mit der Ehrsucht. Müssen wir doch stets in Müh und Unlust streiten mit fleischlichen Begierden, mit den Reizungen der Welt. Des Menschen Geist ist umlagert und mit sündlichen Anfechtungen umgeben, mag schwerlich allen widerstehen. Ist der Geiz niedergedrückt, steht die Unkeuschheit auf; ist die niedergeschlagen, folgt die eitle Ehre; wird die verachtet, erbittert sich der Zorn; ist der gestillt, bläst sich die Hoffart auf; da ficht uns an die Trunkenheit, der Hass zerreißt die Einigkeit, das Eifern zerteilt die Freundschaft; hier musst du fluchen, das Gott verboten hat, da musst du schwören, das doch nicht ziemt. So manche Verfolgung muss der Geist des Menschen leiden, so viel Gefahr hat das Herz zu gewarten, und uns sollte noch gelüsten, hier unter solchen Schwertern des Teufels lange zu stehen? Vielmehr haben wir zu wünschen, dass wir durch eilende Hilfe des Todes zu Christo bald kommen mögen. Es muss gestritten sein. Hier ist kein Friede. Wer keinen Streit in seinen Begierden und Gedanken empfindet, ist schon übermannt. Wo man angefangen hat fromm zu sein und den Geist Christi hat, da arbeitet er wider die übrige Sünde und wollte gern durch und durch fromm sein, ob er gleich nicht vermag vor dem Widerwillen des Fleisches. Wo man aber nicht streitet, klagt, betet wider Fleisch und Sünde, sondern folgt den Lüsten, die man fühlt, da hat man noch nicht angefangen, fromm zu sein, und ist Christi Geist vom Fleisch schon vertrieben. Denn dies Leben ist nicht eine Frömmigkeit, sondern ein Frommwerden; nicht ein Wesen; sondern ein Werden; nicht eine Ruhe, sondern eine Übung. Wir sind‘s noch nicht, wir werden‘s aber; es ist noch nicht getan, es ist aber im Gang und Schwang. Es ist nicht das Ende, ist aber doch der Weg; es glüht noch nicht alles, glimmt doch nachgerade immer besser an. Darum muss gestritten sein. Immer zu Felde! Mein Christ, dein Fleisch ruht nicht, dich zu versuchen, so ruhe du auch nicht, ihm zu widerstreben. Sobald du seine Lust fühlst, dämpfe sie, dass sie nicht je länger je lieber und mächtiger werde. Tue deine sündlichen Gewohnheiten immer mehr und mehr ab, darin hat das Fleisch seinen größten Vorteil. Fällt dir‘s schwer, streite desto männlicher; böse Gewohnheiten kann man durch gute Übungen wohl überwinden. Prüfe dich täglich und lern dich gründlich kennen, das dient zu deiner Besserung; bewahre deine Augen und Ohren, dass nicht durch dieselben eindringe, was das Herz ärgern kann. Meide die Gesellschaft der Bösen, sie ist verführerisch; betäube deinen Leib, dass er nicht geil und lüstern werde; halte Maß in Speis und Trank, an dürren Orten findet der Satan keine Ruhe, bei nassen Brüdern nistet er gemeiniglich ein. Arbeite, denn beim nichts tun lernt man Böses tun, hasse niemand mehr als dich selbst, um deiner Unart willen, und fürchte dich vor keinem mehr, als vor deinem eignen Herzen: denn es ist dein Verräter, traust du ihm, so wirst du betrogen. Folge dem Geist, er ist der rechte Führer, sein Fuß geht Himmel an. Gott helfe streiten.

 

194. 

VON VIER SÜSSEN DINGEN.

Je länger, je lieber.

 

Vier Dinge meine ich. Erstlich das Wort Gottes. Je länger man eine süße Speise kaut, je süßer schmeckt sie. Gottes Wort soll der Seele Speise sein. Ach, wie vielen ist es fremd und unbekannt, dass es ihnen mehr eine Arznei, als Speise zu sein scheint; der leiblichen Speise will niemand entbehren, aber die geringste Ursache macht oft, dass wir die Seelenspeise versäumen. Wie? Ist sie denn so sauer, dass man ein Ekel davor haben möchte? Ach nein, süßer denn Honig und Honigseim. Milch und Honig ist unter Jesu Kehle, und Rosenzucker trägt er auf seinen Lippen, wie das Lied Salomos zeugt. Die natürliche Speise erquickt, weil sie dem hungrigen Magen eine Zufriedenheit bringt; drum sagt die Schrift, dass Gott erfülle unsere Herzen mit Speis und Freuden, Ap.-Gesch. 14,17. Wäre ein geistlicher Hunger bei uns, ach, wie würden wir uns an dem Wort Gottes erquicken, mehr denn ein Kindlein an den Milchbrüsten! Wenn wir der irdischen Speise genießen, finden wir eine solche Lieblichkeit drin, dass der Appetit zur Speise immer zunimmt, da zieht ein süßer Bissen den andern nach sich; wenn die Kraft und Süßigkeit göttlichen Worts gekostet wird, wächst in der Fülle der Hunger und können wir sein nicht satt werden, denn der Glaube ergreift die tröstlichen Verheißungen nicht nur als wahrhaft zur Bestimmung, sondern auch als gut und lieblich zu festem Anhang, weil die Brüste nicht lassen, weil die Milch so süß ist. Je mehr man von leiblicher Speise zu sich nimmt, je satter wird man, aber je mehr man sich an Gottes Wort erlustigt, je begieriger und hungriger wird die Seele. Drum, mein Herz, wenn dich dünkt, Gottes Wort sei dir leid geworden, so hör und lies es desto fleißiger, denn im Lesen und Hören fällt dir ein süß Tröpflein nach dem andern ins Herz, da gewinnst du wieder lieb, was dir vor leid war. Fürs andere das Kreuz. Je länger ich‘s trage, je leichter wird‘s (die Gewohnheit macht alles leicht), und je leichter, je lieber. Indem es bei mir wohnt, werde ich bekannt mit ihm und verliebe mich immer mehr und mehr darin; je länger zwei gute Freunde mit einander umgeben, je lieber haben sie einander und je schmerzlicher ist das Scheiden. Das Kreuz hat mich so lieb, es lässt mich nicht und lief ich zum Tor hinaus; so hab ich‘s auch wiederum so lieb, dass ich‘s um Welt, Gold und Silber nicht geben wollte, niemand als der Tod soll uns trennen. Was Gott zusammen fügt, muss kein Mensch scheiden. Fürs dritte den Tod. Je länger ich an ihn gedenke, je lieber wird er mir. Andern ist der Tod ein solch Schreckbild, dass ihnen auch vor dem Anblick graut; mir ist dies Bild so lieblich, dass ich mich nicht satt dran sehen kann. In Christo ist der Tod kein Tod, sondern eine Tür zum Leben, nicht schrecklich, sondern lieblich, nicht hässlich, sondern herrlich, nicht bitter, sondern süß. Durch tägliche Sterbensgedanken befreunde ich mich mit dem Tod, gute Freunde reisen gern mit einander; spannt der Tod an, ich fahre mit und spreche mit Simeon: Herr, nun, ach nun, in diesem nun lass deinen Diener in Frieden fahren, gönne mir doch Feierabend, dass ich meinem guten Freunde das Geleit gebe; der Tod will fort, ich muss mit, ach Herr, halt mich nicht auf! Viertens den Himmel. Je länger hinauf, je lieber hinein. Himmlische Gedanken haben eine magnetische Kraft, entzücken das Herz im Geist, in solcher Entzückung wird‘s mit himmlischer Wollust gelabt, der Schmack zündet die Himmelslust an und treibt ein Seufzerlein nach dem andern hinauf. Eia, wären wir da! Je kräftiger wir die Süßigkeit des Himmels schmecken, je brünstiger ist das Verlangen in uns nach der Offenbarung der Kindschaft Gottes. Wie ein Kind, wenn‘s ein Bisslein Zuckers gekostet hat, immer nach Zucker schreit und weint, so sehnen wir uns nach der völligen Ernte, wenn wir die Erstlinge haben bekommen. Ach, nimm mich in den Himmel, Herr Jesu balde!

 

195. 

VON DEN WEGEN GOTTES UND DER MENSCHEN.

Gerade zu.

 

Ist der kürzeste Weg. Eine gerade Linie hält man für die kürzeste. Mein Herz, fehlt was? Drückt was? Gerade zu Gott, das trügt nicht. Du erdenkst einen Umweg nach dem andern, sprichst bald diesen, bald jenen um Rat und Hilfe an, ach! das trügt oft. Menschen sind nichts, ihre Hilfe ist nichtig, die Hilfe kann nicht besser sein, als der Helfer, Menschen sind Lügner, wasserlose Brunnen, wer bei ihnen Rat und Trost sucht, dem geht‘s als einem Wandersmann, der in brennender Sommerhitze von ferne einen Bach erblickt, gedenkt sein mattes Herz mit einem Tröpflein kühlen Wassers zu laben, nimmt einen weiten Umweg, und wenn er hinzu kommt, ist kein Tropfen darin. Menschen sind böse und ist oft das beste an ihrem Rat, dass er böse ist. Lass Menschen fahren und eile gerade zu Gott, der trügt dich nicht. Ich habe noch nie eine Seele gesehen, die in ihrem Vertrauen zu Gott wäre zu Schanden worden. Uns mag‘s zuweilen wohl am Vertrauen mangeln, aber dem Vertrauen mangelts nimmermehr am glücklichen Succeß. Ja, sprichst du, wie hält denn Gott ein gläubiges Herz zuweilen so lange auf? Ich will dir‘s sagen. Grader Weg, kurzer Weg. Gott aber geht selten den graden Weg, er nimmt gemeiniglich einen Umweg und kommt doch zu seiner Zeit noch heim. Wenn wir zu Ehren kommen wollen, sprechen wir, gerade zu ist der beste Weg. Aber wie oft werden wir betrogen, suchen Ehre und finden Schande! Wenn Gott zu Ehren bringen will, gedenkt er, wer spät kommt, kommt auch; ein gut Ding will Weile haben, und geht krumm um, schenkt erstlich Wasser, darnach Wein, erstlich was Bitteres, darnach was Süßes; führt durch Schande in Ehre, durch Armut in Reichtum, durch den Tod ins Leben, durch die Hölle in den Himmel. Er geht oft so seltsame Gänge mit uns, dass wir kaum absehen können, was er im Sinn habe. Niemand kann das Ende aus dem Anfang ermessen. Wie er aus Finsternis Licht hervorgebracht, so bringt er noch zuweilen des Menschen Ehre aus seinem Fall; der Löwe muss Honig geben, Gott weiß unser Schrecken in Wollust zu wandeln, und kann auch das Ärgste zum Besten kehren. Der Teufel muss unser Glück befördern, indem er uns durch seine Anläufe in steter Übung hält. Gottes Gedanken sind sehr tief; wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt? Röm. 11,33. Er hängt seinen Kindern oft Schmach an und kränkt sie bitterlich, sucht doch damit ihre Ehre. Wer von Gottes Werken urteilen will, wie gut und herrlich sie seien, muss nicht allein den Anfang sehen, sondern seine Augen auf das Ende richten. Wenn Gott seinen Sohn ans Kreuz heftet, das ist der Anfang, das Ende aber war Herrlichkeit über alle Herrlichkeit, auch für die sonst verlornen Sünder. Ich will meinem Gott nicht vorschreiben, welchen Weg er mit mir gehen soll. Er wird wohl wissen, wer der beste sei; fängt er’s seltsam mit mir an, führt er’s doch herrlich hinaus. Wie trübe sich‘s ansehen lässt im Anfang, nimmt‘s doch endlich ein gutes Ende. Ich habe es erfahren und danke ihm. 

 

196. 

VON DEN FARBEN CHRISTI UND SEINER GLIEDER.

Weiß und rot. 

 

So find ich meinen Jesum. In weiß kleidet ihn Herodes, als einen königlichen Kandidaten, oder Ehrenwerber, Pilatus in rot, als über welchen ein bluttriefendes Urteil ergehen sollte. Seine Farbe meine Farbe. Bräutigam und Braut kleiden sich in ein Stück. Weiß im Leben. Schwarz komm ich von der Mutter; wie ein hässlicher Fleck ist die Erbsünde, wie verschwärzt und verstellt sie mich vor meinem Gott! Die Taufe macht mich schneeweiß, da wasch ich meine Kleider hell im Blute des Lammes, doch bleibt noch in mir übrig was mich verschwärzen kann. Täglich befleck ich mich in Gedanken, Worten, Werken, das Böse tue, das Gute unterlass ich. Der Flecken werde ich gewahr am Abend, wenn ich mich bei meiner Prüfung selbst stelle vor den Spiegel des Gesetzes. Dann nehm ich zur Hand den Waschtopf meiner Bußtränen, färbe dieselben mit dem Blute Jesu, bespreng mich damit im Glauben, so werd ich wiederum rein und weiß. Ach, wie muss ich meinem Jesu gefallen, weil ich seiner Farbe bin! Rot im Lieben. Ich habe gegen meinen Nächsten nicht eine bleiche, kalte, tote, sondern herzliche und brünstige Liebe, wie Petrus ermahnt: Habt unter einander eine brünstige Liebe 1 Petr. 4,8. Rot im Zürnen. Wenn mich‘s verdrießt über den Gottlosen, dass er das Gesetz des Herrn verwirft, nimmt die Eiferröte mein Gesicht ein, und mag ich mit Paulus wohl sagen: Wer wird geärgert und ich brenne nicht? Sonderlich wenn ich sehe, dass die den Weinberg des Herrn selbst veröden, die ihn mit Lehre und Leben bauen sollten. Wie eiferte Moses, da er das goldene Kalb und die zwei steinernen Tafeln zerbrach! Wie feurig war Elias, da er sich den Baalspfaffen widersetzte! Ich muss seufzen mit Nehemia: Gedenke an sie, mein Gott, die dein Priestertum entheiligt haben!, Neh. 13,29., und mit Paulus wünschen: Wollte Gott, dass sie auch ausgerottet würden, die euch verstören! Rot im Büßen. Die Sünde, wenn ich sie erkenne und fühle in meinem Gewissen, jagt mir eine Schamröte ab, dass ich mit dem Zöllner meine Augen niederschlage zur Erde, und mit dem bußfertigen Daniel spreche: Herr, du bleibst gerecht, ich muss mich schämen. Ist es nicht Schande, dass ich, der ich in der Taufe Gottes Kind worden bin, meinem frommen himmlischen Vater, der mich mit Wohltaten nicht betröpfelt, sondern beschüttet, so oft und gröblich beleidigt habe? Ist es nicht Schande, dass ich, der ich ein nichtiger Staub und Wurm bin, mit meinen Sünden zum Zorn habe wider mich reizen dürfen die Majestät, die im Himmel wohnt und mich mit Blitz und Donner könnte zur Hölle Abgrund werfen? Schande ist es ja, dass ich elender Mensch, der ich keinen Augenblick ohne die Gnade Gottes leben kann, dennoch alle Augenblicke Gott erzürne und seine Gnade verscherze. Im Leiden befällt mich die Liebesröte. Ich weiß, dass wo mein Jesus züchtigt, da ist er in Liebe. Er streicht nicht, wo er nicht lieb hat, Kreuzstreiche, Liebesstreiche. Zündet nun ein Lichtlein das andere an, so muss ja seine Liebe eine Gegenliebe bei mir erwecken. Ich empfinde, wie mächtig er mich stärkt in meiner Schwachheit, wie herzlich er mich tröstet in meiner Traurigkeit. Das zündet die Liebe an. Kommt dann die Blutröte dazu, ei, das ist mir eine Ehre, dass ich mein Blut für Jesu Ehre lasse, der sein Blut in so heißer Angst für mich vergossen hat. Haben doch die heiligen Märtyrer all ihr Blut bei Christo ausgeschwitzt! Ich halte mein Leben nicht selber teuer, auf dass ich vollende meinen Lauf mit Freuden, und das Amt, das ich empfangen habe von dem Herrn Jesu, zu bezeugen das Evangelium von der Gnade Gottes Ap. Gesch. 20,25. Willst du noch eins wissen? Der Pharisäer ist weiß und schwarz, weiß an der Haut, schwarz am Herzen; weiß als ein Engel, schwarz als der Teufel. Sieh dich vor!

 

197. 

VON DEN ERWÄHLUNGEN DER PRIESTER.

Stimme, Stumme.

 

Stimme und weiter nichts. Die Welt soll Hirten wählen, Hirten, die ihre Seele weiden. Was tut sie, wonach fragt sie am meisten? Hat er auch eine gute Stimme, kann er auch die Kirche füllen? Nein, was darf‘s solcher peinlichen Nachfrage? Nimm einen Ochsen und stell ihn auf den Predigtstuhl, er wird dir ja die Kirche wohl vollschreien; oder gefällt dir ein Esel besser, so erwähle den. Nun, wie du willst, so geschieht dir. Stimmen suchst du, Stimmen findest du, und weiter nichts. Du nennst die Stimmen, die wohl schreien können; Stummen sind sie, nicht Stimmen, stumme Hunde, die mit ihrem Stillschweigen dich und deine Seele verraten; der Wolf kommt, sie bläffen nicht; der Teufel will deine Seele erhaschen und mit zur Hölle führen, sie warnen dich nicht; sie jagen zur Stadt hinaus, die dich christbrüderlich erinnern und zurecht helfen, wenn du von einem Fehl überreilt bist. Denke nur, wie wohl hast du für deine Seele gesorgt! Du fragst nach Stimmen. Warum so kümmerlich? Ich sollt‘s schier erraten. Eine Stimme lässt sich anstimmen und klingt wie man‘s haben will. Solchen musst du haben, der dir nach dem Maul predige und nicht rede, was du nicht gern hörst. Nimm ja bei Leibe den nicht, der sich von Gottes Geist anstimmen lässt, er möchte deine Pharisäer in ihrem Geizen, Wuchern, Prassen, Prachten antasten und ihnen den Schafpelz abdecken, dass jedermann ihr Wolfsherz erblickt. Nach lieblichen Stimmen fragst du. Warum denn eben lieblich? Hat Moses auch lieblich gepredigt, wenn er mit seinem Fluch gedonnert und geblitzt? Wie lieblich mag denn Christus wohl gewesen sein, wenn er das Wehe über die geistlose Geistlichkeit zu Jerusalem ausgerufen! Ich bilde mir ein, die lieblichen Predigten haben Jesaias zerschnitten, Jeremias in den Schlamm gesteckt, Johannes den Kopf abgetanzt, Stephanus gesteinigt, Ezechiel zum Zechliedlein und die Apostel zum Schauspiel gemacht. Aber dir gefällt‘s so, du sprichst mit den Juden: Predige uns sanft Jes. 30,10. Sage mir, wen betrügst du mehr als dich? Wie manches Ungewitter haben solche liebliche Sirenenstimmen über Länder und Städte gezogen, wie manche Seele haben sie zur Hölle gepredigt! Es müssen Stimmen sein, sprichst du; ist wahr, Johannes sagt auch: Ich bin eine Stimme des Rufers. Aber weißt du, was für Stimmen? Nicht bloße Vokal-, sondern Real-Stimmen. Vokal-Stimmen sind sie, die dir Worte und Wind predigen. Ein Meer von Worten, sagt jener, aber kaum ein Tröpflein Wahrheit. Das nennt die Welt oratorisch. O Torheit! Windpredigten sind sie und wirken weniger denn nichts, es ist weder Geist noch Kraft darin, das Ohr mögen sie kitzeln, das Herz rühren sie nicht. Wenn du hungrig wärst und jemand wollte dich mit Wind abspeisen, wie würde dir‘s gefallen? Du bringst oft eine geisthungrige Seele zur Kirche, der Priester speist sie ab mit Wind und Worten, hungrig kommst du hinein, hungrig gehst du wieder hinaus. Was folgt darauf? Die Verschmachtung. Paulus will, dass sich ein Diener Gottes beweisen soll in dem Heiligen Geist 2 Kor. 6,4. Geistreich soll er sein und die Herzen mit seiner feurigen Zunge rühren; was nicht Geist ist und aus dem Geist geht, wird auch den Geist des Menschen schwerlich bewegen. Vokalstimmen sind sie, die selbst nicht tun, was sie dir versagen, Pharisäer, auf welche sich‘s wohl schickt, was der Herr spricht: Sie sagen’s und tun‘s nicht Matth. 23,3. Sie vermessen sich zu sein Leiter der Blinden, Lichter derer, die in Finsternis sind. Züchtiger der Törichten, Lehrer der Einfältigen. Sie lehren andere und lehren sich selbst nicht. Sie predigen, man soll nicht stehlen (geizen, wuchern), und stehlen selbst. Sie predigen, man soll nicht ehebrechen und sind selbst Ehebrecher. Ihnen greuelt vor den Götzen und rauben Gott was sein ist. Sie rühmen sich des Gesetzes und schänden Gott durch Übertretung des Gesetzes. Ihrethalben wird der Name Gottes gelästert unter den Heiden, Röm. 2,19.ff., unter fremden Nationen und Religionen. Sie sind Feinde des Kreuzes Christi, Phil. 3,18., und reißen mit ihrem schamlosen Leben nieder, was er mit seinem Kreuz hat aufgebaut. Sie machen mit dem Leben die Lehre kraftlos, dass sie bei dem Zuhörer nicht ins Werk und Leben geht, sondern eine bloße Stimme bleibt, ja sie schänden die Lehre mit dem Leben und machen, dass dem Worte Gottes nicht mehr geglaubt werde, als einer bloßen Stimme. Vergeblich strafen sie die Sünden an andern, weil sie dieselben an ihnen selbst vertragen können. Sie machen sich mit ihren Strafpredigten zum Gelächter, indem sie eilen, ihrer Zuhörer Haus zu löschen und lassen ihr eigenes im Feuer stehen, indem sie ihnen den Splitter aus den Augen ziehen wollen und werden nicht gewahr des Balkens, den sie selbst drin tragen; mit ihren Zungen weisen sie den Weg zum Himmel, mit ihren Füßen den Weg zur Hölle. Ach, so die Leviten eitel werden, wer will endlich mehr christlich sein? Fürwahr, ein gottloser Priester ist die ärgste Kreatur auf Erden, ich dürfte ihn wohl nah beim Teufel sehen, denn derselbe ist ja auch vormals ein Engel des Lichts gewesen. Rechtschaffene Lehrer sind Realstimmen, streuen den Samen göttlichen Worts aus, nicht nur mit dem Munde, sondern auch mit der Hand, tun was sie sagen und schmücken die heilsame Lehre mit heiligem Wandel, füllen den Zuhörern Augen und Ohren, dass sie mit Christo sagen können: Geht hin und sagt, was ihr hört und seht. Aber solcher achtet die Welt nicht, sie will betrogen sein, wer sie um ihre Seligkeit bringt, hat den größten Dank, Ruhm und Lohn. Drum mag‘s so sein. Wer es will, dem geschieht nicht Unrecht.

 

198. 

VON GOTTES TREUEM SINN.

Es ist wohlgemeint.

 

Fürchte dich nur nicht. Ein Wölklein ist‘s nur, darunter sich die Sonne verbirgt, wird bald vorüber gehen. Schaust du nicht den Honig in der bittern Heideblume, das Freudenherz unter der Feindeslarve, das Ja im Nein? Ich wundre mich über alle Maßen, wenn ich bedenke, wie der Herr mit dem kananäischen Weiblein spielt. Sie ruft: Herr, du Sohn Davids, erbarme dich mein! Matth. 15,22. Er schweigt still. Der das Wort des Vaters ist, redet nicht; der die Weisheit Gottes ist, antwortet nicht; der Arzt heilt nicht, die Gnadenquelle lässt kein Strömlein fließen; der sonst erhört, ehe wir rufen, will hier nicht hören, da er kläglich angeschrien wird. Die Jünger jammert‘s, sie werden ihre Fürbitter und sprechen: Lass sie doch von dir, denn sie schreit uns nach. Er lässt sie ablaufen und gibt zur Antwort: Ich bin nicht gesandt, denn nur zu den verlornen Schafen vom Hause Israel. Sie selbst tritt vor ihn, tut sehr leidlich, stimmt ihr Jammerleiden wieder an: Herr, erbarme dich mein! Er begegnet ihr ganz unsanft und spricht: Es ist nicht fein, dass man den Kindern ihr Brot nehme und werfe es vor die Hunde. Da merkt sie erst, wie er gesinnt war, nimmt ihm das Schwert aus der Hand, schlägt ihn damit und spricht: Ja, Herr, ich will gerne eine arme Heid- und Hündin heißen, lass mir nur das Hunderecht widerfahren und wirf mir die Brocken zu, welche die Kinder des Reichs, die im Vollen sitzen, verschütten; ein Tröpflein deiner Gnade soll mir genug sein. Mein Herz, wenn sich Gott mit seiner Gnade verbirgt, musst du von ihm urteilen nicht nach deinem Fühlen, sondern nach seinem Verheißen. Du siehst hier, ob sich Christus gleich hart stellt, dass er doch nicht nein sage. Seine Worte lauten zwar als Nein; sind aber kein Nein, sondern hängen und schweben. Er spricht nicht, ich will dich nicht hören, sondern schweigt stille, sagt weder Ja noch Nein; auch sagt er nicht, ich gehe dich nicht an, sondern ich gehe nur an die verlornen Schäflein vom Hause Israel, zu sehen, wie sie selbst die Zueignung machen wolle. Er spricht nicht, du bist ein Hund und des Brotes nicht wert; sondern nur, es ist nicht fein, dass man der Kinder Brot den Hunden vorwerfe; lässt allemal die Worte zwischen Ja und Nein schweben. Dich dünkt zwar, dass es stärker auf Nein laute, als auf Ja, und ist doch eitel Ja drin, aber gar tief verborgen; indem er schweigt, sagt er ja zu ihrer Bitte: Denn wer schweigt, scheint einzustimmen. Indem er der verlornen Schafe vom Hause Israel gedenkt, will er, dass sie die Zueignung auf sich machen soll und sagen: Nun Herr, so ist mir schon geholfen, ich bin auch ein verlornes Schäflein, du wirst mich suchen ich bin auch vom Israel Gottes, eine Gotteskämpferin, die ich mit dir streite, ich habe dich schon gefasst und lass dich nicht, du segnest mich denn; wenn er von Hunden sagt, will er, dass sie von Brocken sagen soll: denn Hündlein gebühren ja die Brocken. Ich muss ja einmal meinen Jesum kennen lernen und mich in seine Weise schicken. Er zeigt sich oftmals gegen die Seinigen wie ein Feind, wenn er im Sinn hat, freundlich mit ihnen zu verfahren. Er runzelt seine Stirn, stellt sich zornig, redet ihnen scharf zu, wenn er sie ihrer Bitte gewähren will. Wenn er den Jüngern ein stilles Meer machen will, stößt er sie zuvor ein mit den Worten: Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam? Matth. 8,26. Er versteckt sich selbst, wenn er will gefunden sein, und schlägt nieder, wenn er denkt aufzurichten; will er uns in Trübsal Leichterung geben, so scheint er uns schwerer aufzuladen; die er begnaden will, die greift er also an, dass er allen Jammer über sie führt, inwendig und auswendig, so dass sie meinen, sie sollen untergehen vor großem Sturm und Anfechtung. Ich will ihm vertrauen, wenn er tötet, und lieben, wenn er züchtigt. Er meint‘s nicht böse. Sein Zorn nimmt allezeit ein Ende in Liebe. 

 

199. 

VOM LOHN DER FALSCHHEIT. 

Judas Tück, Judas Strick.

 

Solcher Dienst, solcher Lohn. Wer dem Teufel in Sünden dient, hat viel Plagen im Gewissen und endlich den ewigen Tod zum Sold. Ach, wie manchen Judas gibt‘s in der Welt, der freundlich grüßt, lieblich küsst, und hat doch den Verräter im Herzen! Sein Mund ist glatter denn Butter und hat den Krieg im Sinn, seine Worte sind gelinder denn Öl und sind doch bloß Schwerter Ps. 55,22. Der öffentlichen Hasser gibt‘s viel, noch mehr der falschen Brüder, die unter dem Zucker freundlicher Worte ein Herzensgift verbergen und mit dem Schein gleißender Gebärden die Einfalt betrügen. Wenn eins sein sollte, wär öffentlicher Hass besser denn falsche Liebe. Wenn sie uns anlächelt, dräut sie den Tod. Das kränkt oft eine aufrichtige Seele, die klagen muss mit David: Sie kommen, dass sie schauen, und meinen‘s doch nicht von Herzen, sondern suchen etwas, das sie lästern mögen, gehen hin und tragen‘s aus. Auch mein Freund, dem ich mich vertraut, der mein Brot isst, tritt mich unter die Füße Ps. 41,7.10. Wenn mich noch mein Freund schändete, wollte ich‘s leiden, und wenn mich mein Hasser pochte, wollte ich mich vor ihm verbergen. Du aber bist mein Geselle, mein Pfleger und mein Verwandter, die wir freundlich waren unter uns, wir wandelten im Hause Gottes zu Haufen Ps. 55,13-15. Nun, Geduld ist hier not. Wolltest du dir wohl, mein Christ, ein besseres Glück wünschen als dein Jesus gehabt? Er hatte seinen Judas, habe du deinen auch. Aber höre, du Judasherz: du stellst mir Netze und willst mich fangen; gelingt‘s dir? Freu dich nicht zu sehr. Auf Judas Tück folgt Judas Strick. Ach! Ich fürchte, dein Gewissen werde dich einmal mit solcher Angst bestricken, dass du nicht wissen werdest, wo aus noch ein. Du denkst, wenn der Tück bewiesen ist, es werde kein Hahn darnach krähen; womit willst du aber den Gewissenshahn beschweigen, der in dir kräht? Wie klagt David? Meine Sünde ist immer vor mir Ps. 51,5. Wie dir der Spiegel dein Angesicht, so hält dir dein Gewissen die Sünde vor, wo du gehst und stehst. Schläft das Gewissen eine Zeit lang, endlich wacht‘s doch auf, das Kreuz ist sein Wecker. Es borgt wohl eine Schuld, aber schenkt sie nicht. Ich kenne, die das Gewissen in der letzten Todesnot mit solcher Angst bestrickt hat, dass sie nicht eher ihren Geist aufgeben können, ehe sie die Bosheit und Falschheit an ihrem Nächsten erwiesen bekannt haben. Drum sei nicht tückisch, ich rate dir‘s. Indem du fromme Herzen suchst zu berücken, wirst du dich selbst bestricken. Der Fromme seufzt, die Seufzer fallen dir auf dein Herz, das Herz muss unter der Last zerspringen, schafft Gott nicht Luft in deiner Buße. Ich will keinem einen Tück beweisen, dass ich mein Gewissen nicht verwunde. So mir aber vom falschen Freund ein Tück bewiesen wird, will ich geduldig sein und zu meinem Gott schreien: 

 

Mir hat die Welt trüglich gericht 

Mit Lügen und mit falschem Gedicht, 

Viel Netz und heimlich Stricke; 

Herr, nimm mein wahr

In dieser Gefahr,

Schütz mich vor falscher Tücke!

 

200. 

VON DER MILDGEBIGKEIT.

Je minder, je mehr.

 

Zapfst du das unreine Geblüt aus den Adern, so nimmt das gesunde von Tag zu Tag zu. Je mehr des unreinen weggeht, je mehr bekommst du des gesunden wieder. Gibst du viel, so hast du viel. Indem Christus das Brot brach und austeilte unter seinen Gästen, vermehrte es sich in seiner Hand. Hanna gab ihren einzigen Sohn Gott zum Dienst, Gott gab ihr fünf für den einen, der doch auch ihr war, weil er Gottes war. Jene Witwe gab dem Propheten einen Kuchen, ihr Mehltrog musste immer voll sein. Gott das Seine geben, ist der nächste Weg zum Wachstum. Denn gibst du Gott, so gibt Gott. Dein und mein folgen im Vater Unser auf einander, dein Name, Reich, Wille geht hervor, mein täglich Brot folgt nach. Wo „gebet“ reich ist, da ist „es wird gegeben“ noch viel reicher. Almosen geben armet nicht. Wenn du die Seele des Armen auch nur mit einem Bissen trocknen Brots, oder einem Trunk kalten Wassers erquickst, lässt‘s Gott nicht unbelohnt. Der Arme, wo er christlich ist, bezahlt dir’s mit einem Seufzer; der Seufzer, wo er gläubig ist, bleibt nicht unerhört; so mancher Seufzer, so mancher Segen. Boas beschenkte Ruth mit einem Epha Körner, Naemi zahlte seine Wohltätigkeit mit ihrem Segen. Gesegnet sprach sie, sei er dem Herrn! Kann der Reiche seine Almosen mit dem Segen des Armen verstechen, hat er nicht Ursach einen Reutausch zu begehren, denn seine Gaben können nimmer so groß sein, dass sie ihres gläubigen Gebets wert wären. Deswegen es auch besser ist zu geben als zu nehmen; denn wer nimmt, hat ein geringschätziges Almosen; wer gibt, bekommt davon einen unschätzbaren Segen. Welt, du glaubst es nicht, so erfährst du es nicht. Als du glaubst, so geschieht dir. Ich hab‘s erfahren, da ich aus gutem Herzen an einem Tage einem armen Mitchristen einen Dukaten geschenkt, ohne Absehung auf einige Vergeltung, dass mir am selben Tage mehr denn fünf Dukaten unverhofft von guten Leuten wieder geschickt sind. Wie dein Same, so deine Ernte; den Barmherzigen lässt Gott Barmherzigkeit finden. Ich will gern meinen Vorrat mit Gott teilen. Für ein Halbes gibt er mir ein Ganzes. Er kann‘s tun, ist er doch reicher als ich. Die Erde ist sein mit allem was drinnen ist. Er will‘s tun, denn er ist die Güte selbst. Sein Wort ist da: Wer reichlich säet, wird reichlich ernten.

 

201. 

VOM KENNZEICHEN DER UNSCHULD.

Unschuld, Geduld.

 

Wohnen unter einem Dach; je unschuldiger, je geduldiger. Es ist allen Menschen angeboren, dass sie üble Nachrede von ihrem Namen gern abwischen (nur die nehm ich aus, die ein Brandmal im Gewissen und eine schamlose Hurenstirn haben); aber keine tun‘s mit größerer Gewalt, als die, welche sich schuldig wissen. Ein bös Gewissen ist gemeiniglich ungestüm, tobt und wütet, da Unschuld im Gegenteil still und sanftmütig ist. Was Wunder? Kranke Menschen sind empfindlicher als gesunde, und tut ihnen oft das bloße Anrühren wehe; ein gekränktes Gewissen empfindet vom bloßen Anrühren Schmerzen. Ein Kind lacht, wenn‘s vom Vater gestäupt wird, und weiß sich unschuldig, denn es nimmt die Rute nicht für Zorn, sondern Scherz an; so es aber Schuld hat, weint‘s. Unschuld lacht ihrem Beleidiger zu, da das böse Gewissen vor Zorn und Grimm weint. Ist rein Wasser im Gefäß, es bleibt rein, ob man‘s gleich rüttelt und schüttelt; sitzen aber die Hefen am Grunde, so wird‘s trübe, wenn man‘s nur ein wenig anrührt. Bist du reines Herzens, keine Beleidigung wird dich betrüben, und wär sie noch so groß. Ungeduld ist ein Zeichen der Kleinmütigkeit. Unschuld macht großmütig. Ein Unschuldiger spricht beherzt mit Christo: Wer unter euch kann mich einer Sünde zeihen? Joh. 8,46. Mein Gewissen spricht mich los, lass mich alle Welt verdammen, was frag ich darnach? Ja, sprichst du, mein Name läuft unterdeß durch manch bös Maul. Was denn mehr? Alle Welt beschuldigt, dein Gewissen entschuldigt dich. Ei, verhärte deine Stirn wider alle Verschmähung der Boshaftigen. Beißt dich dein Gewissen nicht, fürwahr, Lügenmäuler werden dich nicht töten. Lügenzahn, stumpfer Zahn, endlich fällt er von sich selbst aus. Wirst du auch davon ärger, dass die Welt Arges von dir redet? Bist du denn der Erste, dem die Welt übels nachgeredet hat? Hat dein Jesus nicht eben das Glück von dir gehabt? Oder bist du besser als er? Kann die Welt an dir loben was gut, da sie selbst böse ist? Kannst du wohl etwas ersinnen, dadurch dein Verleumder mehr könnte geplagt werden, als Verachtung? Zwingst du ihn nicht damit, dass er den größten Teil seines Giftes selbst in sich saufen muss? Gedenke an die tröstlichen Worte deines Heilandes: Selig seid ihr wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und reden allerlei Übels wider euch, so sie dran lügen. Seid fröhlich und getrost, es wird euch im Himmel wohl belohnt werden. Denn also haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind Matth. 5,11.12. Ungeduld ist nur dein Verräter und beweist, dass du Schuld habest. Ich weiß, dass niemand beleidigt werde, denn nur von seinem eignen Herzen. Drum soll mich nicht anfechten, was mir ein anderer Leides antut, und das so viel mehr, weil ich weiß, dass Ungeduld mein Leid nicht mindert, sondern mehrt. 

 

202.

VON DER KRAFT DES GÖTTLICHEN WORTES.

Wort, Werk.

 

Geredt, geschehen. Wirf ein Fünklein auf‘s Pulver, es geht alsbald auf. Um ein Wörtlein ist‘s Gott zu tun, so ist das Herz voll Trostes, dein Herz voll Segens. Der mit einem Wort Himmel und Erde und was drinnen ist, erschaffen, kann noch mit einem Wort heranschaffen, was er will; ist doch seine Hand noch nicht verkürzt. In einem Wort liegt die heranschaffende, erhaltende, segnende und vermehrende Kraft aller Dinge. Du sprichst, wenn‘s fehlt, wo wollen die Mittel herkommen, dadurch mir geholfen werde? Was Mittel? Ein Wörtlein Gottes ist mehr als tausend Mittel und kann mehr als tausend Mittel in einer Stunde zuwege bringen. Er sprach: Es werde Licht! da ward‘s Licht; spricht er: Es werde Brot! so muss Brot da sein, sollt‘s auch vom Himmel regnen. O leidiger Unglaube, wie stockhart, wie steindürre bist du, dass du solch groß Ding nicht fühlst! Folgt nicht auf die Empfängnis die Geburt? Empfängst du den Samen göttlicher Verheißung in ein gläubig Herz, so muss daraus wachsen und geboren werden, was du bittest und glaubst. Trau Gott nur. Wort und Glaube müssen miteinander vermählt sein als Mann und Weib. Wort, Werk. Die Mutter Gottes spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut Joh. 2,5. Was machst du viel Disputierens und Nachgrübelns? Christus hat geboten, das soll dir genug sein; die Jesuiten erweisen ihren Prälaten den blinden Gehorsam, keinem gebührt er, als Christo allein. Gottes Sagen muss unser Tun werden, so bald geredt, so bald getan. Gott will nicht, dass sein Wort kraftlos bleibe, sondern zu Kräften komme und wirke, was es lautet. Empfängnis und Geburt müssen auf einander folgen, jene geschieht im Glauben, diese im Leben; der Glaube nimmt das Wort an in tröstlicher Empfindung; das Leben gibt es aus in tätiger Erweisung; der Glaube ist Hörer, das Leben Täter. Gott will beide haben, Ohr und Hand: Seid Täter des Worts, und nicht Hörer allein Jak. 1,22. Wohl steht‘s, wenn du mit Samuel sprichst: Rede, Herr, dein Knecht hört. Noch besser, wenn du sagst: Rede, Herr, dein Knecht tut. Ich will tun was Gott will, so tut Gott was ich will. 

 

203. 

VON DEM NEID.

Schatten ohne Leib.

 

Die Tugend hat zwei Schatten: zur Rechten folgt ihr die Ehre, zur Linken der Neid auf dem Fuße nach. Die beiden Schatten lassen sich nicht trennen. Wäre Tugend ohne Ehre, so wäre sie auch ohne Neid. Moses war sanftmütig, Aaron freundlich. Wer liebt nicht einen sanftmütigen, freundlichen Menschen? Doch wurden sie beide von ihren Brüdern mehr gehasst und beneidet, als geliebt. Was macht‘s? Ihre Gottesfurcht und Tugend hatten sie über andere erhoben. So groß nun ihre Ehre, so groß war ihrer Brüder Neid und Bosheit. Hohe Türme müssen sich vor dem Wetter fürchten, man sucht gemeiniglich die Mauern zu untergraben, die man nicht ersteigen kann. Die Natur ist gegen einen jeden missgünstig und ekel, ehrt nicht gern einen andern, es sei denn, dass sie sich selbst zugleich dadurch ehren möge. Wie aber die beiden Schatten nicht von einander zu trennen sind, so findet man doch, dass sie oft beide gesondert werden von ihrem Leibe. Bei manchem ist die Tugend und wird nicht geehrt. Es geht zum öftern wie Salomo spricht: Der Narr zu Pferde, der Fürst zu Fuß. Der Narr steigt empor und kommt zu Ehren, ein Weiser wird nicht erkannt und bleibt im Staube liegen. Tugend ist nicht mehr die Ehrwerberin in der Welt, sondern Geld, Geschlecht, Gewalt und Gunst der Menschen. Mancher bildet ihm ein, er sei mit Neidern beladen und hat sich doch mit der Tugend niemals befreundet. Fürwahr, wer sich einbildet, er habe viel Neider, ist der Hoffärtigste unter allen; denn er bildet sich ein, er habe viel Tugend und Gaben, und eben die Einbildung macht‘s, dass er von allen Tugenden verlassen wird. Demut ist das Kästlein, darin der Tugendschatz verwahrt wird. Ohne Demut, ohne Tugend. Demut aber will von keinen Neidern wissen, sie glaubt nicht, dass bei ihr etwas Neidwürdiges sei. Ich will‘s dir kürzlich sagen, mein Freund: Der Neid verfolgt nicht so sehr die Tugend als die Ehre, ein Schatten den andern. Nimmt er die Ehre, die Tugend muss er dir doch lassen, halte du es mit der bloßen Tugend, so wirst du über keinen Neider klagen. Tugend, ist ihr selbst Ruhmes und Lohnes genug. 

 

204. 

VON GOTTLOSEN PRIESTERN UND ZUHÖRERN.

Solche Schüssel, solche Decke.

 

Ich habe mich oft gewundert, wie es doch komme, dass so viel alte, gelahrte, gottselige Studiosen hin und wieder gleich als in der Zerstreuung leben und nicht befördert werden, da so mancher arger Schalk in die Kappe gekrochen, über dessen Bosheit die Konsistorien nicht genug klagen können. Aber was soll ich sagen? Solche Schüssel, solche Decke, wie die Schafe sind, so muss auch der Hirte sein. Dass geizige stolze Zuhörer einen geizigen stolzen Pfarrer wählen, ist kein Wunder. Solche Schüsseln, solche Decken. Wer lässt zu kupfernen Schüsseln eine güldene Decke machen? Wie schickt sich ein demütiger Priester bei hochmütigen, ein frommer bei gottlosen, ein vergnüglicher bei geizigen Zuhörern? Er ist Gold, sie sind Kupfer; lehrt er, sie gehorchen nicht; führt er, sie folgen nicht; straft er, sie zürnen; zeigt er den Weg zum Himmel, sie gehen den Weg zur Hölle. Gleich liebt sich. Was kann für Erbauung sein, wo keine Liebe ist unter Hirten und Schafen? Was kann für Liebe sein, wo keine Gleichheit ist, weder im Sinn noch Sitten? Wie wohl tust du, Weltkind, wenn du liebst, was dich lieben kann und dich gesellst zu deines Gleichen! Ist der Priester deiner Art, so macht er’s mit, wie du es machst. Du wucherst, raubst, stiehlst, geizest, schindest, schabest, er auch und noch viel besser als du; du hilfst dem Armen aus dem Sattel, er schlägt ihn gar zu Boden; du scherst das Schaf, er schindet‘s; du nimmst Milch und Wolle, er Fleisch und Fell; du dienst dem Bauch, er gar dem Baal; du kannst wohl fressen und saufen, er kann dir‘s meisterlich zuvor tun; du kränkst die Unschuldigen mit deiner Zunge, er tötet sie gar; weil er’s denn macht wie du, bleibst du in deinen Sünden von ihm ungestraft. Frisst doch ein Rabe dem andern kein Auge. Wie kann er dich beschuldigen, deß er selbst schuldig ist? Sein eigen Gewissen würde wider ihn zeugen, und sein eigen Maul ihn verdammen. Ist das nicht ein herrlich Leben? Tun was gelüstet und keine Einrede haben? Ja, freilich ja. Aber was folgt darauf? Dein Hirte stirbt in Sünden, du auch; dein Hirte fährt zum Teufel, du mit. Gleiches Leben, gleicher Lohn, gleiche Brüder gleiche Kappen. Gott täte ja unrecht, wenn er in der Ewigkeit trennen sollte, die sich in der Zeit mit einander verbunden haben. Wie wohl hast du gesorgt für deine Seele! Das ist Gottes Gerechtigkeit, die muss man preisen. Denn wie du willst, so geschieht dir. 

 

205. 

VOM STRAFAMT DER OBRIGKEIT.

Schwert heraus.

 

Regent, das geht dich an! Du trägst das Schwert nicht umsonst an der Seite. Wozu ist das Brot? Dass es nähre. Wozu die Sonne? Dass sie leuchte. Wozu das Schwert? Dass es schneide. Ach! Es ängstigt sich in der Scheiden und seufzt über dich, wenn du es nicht schneiden lässt, da es schneiden sollte, Sünde und Strafe folgen einander als Leib und Schatten, diese kannst du nicht trennen, so wollen auch jene ungetrennt sein. Es ist nicht genug, dass du klagst über die Bosheit der Welt. Hilf ihr ab, das ist dein Amt. Durch Abstrafung wird sie gemindert, durch Übersehung gemehrt. Du machst dich teilhaftig der Sünde, die du nicht strafst, und ladest Gottes Strafe auf dich und dein Volk. Die Rache Gottes folgt allezeit der Sünde auf dem Fuße nach, so aber die Rache der Menschen ihr zuvorkommt, übergibt Gott sein Recht. Wie oft hat eine kleine Strafe der Obrigkeit eine große Strafe Gottes zurückgezogen! Da Pineas anfing zu eifern, hörte die Plage des Herrn auf unter dem Volk. Gott gibt nicht zwei Schläge auf eine Stelle. Die Obrigkeit ist seine Statthalterin, was sie tut, das tut er, ihre Strafe, seine Strafe. Ist sie der Ungerechtigkeit zugetan und straft das Böse nicht, so muss er dessen Schuld tragen und den Namen eines Ungerechten haben. Das Amt ist Gottes, was man aufs Amt schüttet, schüttet man auf Gott. Das leidet denn Gott nicht, sondern tritt zu, straft beides, Regenten und Untertanen. Weil Eli über seine Söhne Rache zu üben verschonte und ihre Liebe der Ehre Gottes vorzog, so rächte Gott sich selbst und tötete beide, Vater und Söhne auf einen Tag. Regenten dürfen kein ander Mittel suchen elend zu werden und ihre Untertanen ins Elend zu setzen, als dass sie die Strafe an den Missetäter sparen. Was die Sonne am Himmel und der Vater im Hause, das ist ein Regent im Lande. Die Sonne wärmt nicht allein, sondern sticht und brennt auch; der Vater küsst nicht allein, sondern stäupt auch. Was ein Regent hier nicht straft an seinen Untertanen, dafür wird er ewig Strafe leiden müssen in der Hölle. Eine ungestrafte Sünde frisst um sich wie Krebs und steckt zuweilen eine ganze Gemeinde an. Die Schuld muss der Regent tragen, der sie nicht gestraft hat und so manche Klafter tiefer in die Hölle sinken, als manche Seele an dieser giftigen Seuche des ewigen Todes ist gestorben. Was Menschen nicht strafen, das straft Gott. Drum lass dein Schwert schneiden, der du ein Regent heißt, und glaub mir, dass kein besser Schaubild in einer Stadt mag gefunden werden, als die Gerechtigkeit im Rathause und der Dieb am Galgen.

 

206. 

VON CHRISTLICHER KINDERZUCHT.

Aufwärts, nicht abwärts.

 

Treibt der Stamm seine Zweige. Ihr Eltern seid der Stamm, eure Kindlein sind die Zweige, Ach! Treibt sie nicht höllenab, sondern himmelan, zu Gott und nicht zur Welt. Es ist die Hölle nicht leichter verdient, denn an seinen eignen Kindern, spricht Dr. Luther; auch mögen die Eltern kein schädlicher Werk tun, denn dass sie die Kinder versäumen, lassen sie fluchen, schwören, schandbare Worte und Liedlein lehren und nach ihrem Willen leben. Dazu etliche sie selbst reizen mit übrigem Schmuck und Forderung zur Welt, dass sie nur der Welt wohlgefallen, hoch steigen und reich werden. Es ist auch kein größerer Schade der Christenheit, denn die Versäumnis der Kinder; soll man der Christenheit wieder helfen, so muss man fürwahr an den Kindern anheben. Ach! Wie verblendet falsche Liebe der Eltern Sinn, dass sie das Fleisch ihrer Kinder mehr achten als die Seele, ohne Zweifel, weil sie das Fleisch von ihnen, die Seele von Gott haben. Jedermann liebt doch mehr das Seine, als ein Fremdes, obgleich dieses edler als jenes. Den Leib speisen sie, die Seele muss verhungern; den Leib kleiden sie, wer denkt an den Seelenschmuck Jesum? Den Leib halten sie rein, wie die Seele mit Sünden befleckt, liegt nichts dran; des kranken Leibes warten sie, die arme Seele wird versäumt; stirbt das Kind des zeitlichen Todes, da vergießt man tausend Tränen, stirbt‘s in Sünden des ewigen Todes, wird nicht einmal darüber geseufzt. Ihr Eltern, das heißt nicht für sein Kind gesorgt, wenn man nur des Leibes wartet und der Seele vergisst. Ihr habt euer Kind als einen köstlichen Schatz angesehen, den euch Gott befohlen hat zu bewahren, dass ihn der Teufel, die Welt und das Fleisch nicht stehle noch umbringe. Er wird mit gar scharfer Rechnung in der letzten Stunde und am jüngsten Gericht von euch gefordert werden. Wo, meint ihr, dass sonst herkommen werde das schreckliche Heulen derer, die rufen werden: O selig sind die Leiber, die nicht Kinder geboren, und die Brüste, die nicht gesäugt haben! Ohne Zweifel daher, dass sie ihre Kinder nicht wieder zu Gott gebracht haben, von dem sie dieselben zu bewahren empfangen hatten. Ehestand, Wehestand, so man die Kinder nicht recht wahrnimmt. Wisst ihr nicht, was der weise Salomo sagt? Wer seiner Rute schont, der hasst seinen Sohn; wer ihn aber lieb hat, der züchtigt ihn bald. Sprüchw. 13,24. Wie man einen Knaben gewöhnt, so lässt er nicht davon, wenn er alt wird. Torheit steckt dem Knaben im Herzen, aber die Rute der Zucht wird sie fern von ihm treiben Kap. 22,6.15. Lass nicht ab, den Knaben zu züchtigen, denn wo du ihn haust, so darf man ihn nicht töten. Du haust ihn mit der Rute, aber du errettest seine Seele von der Hölle Kap. 23,13.14. Strafe an deinem Kinde das Böse und halt‘s zu allem Guten. Des Kindes Herz ist wie ein weiches Wachs, du kannst hinein bilden, was du willst. Ach! Siehe zu, dass du nicht die Welt, sondern Jesum hinein bildest. Es ist wie ein wohlbereiteter Acker, kannst hinein säen, was du willst. Guter Same bringt gute Früchte, wer Unkraut aussäet, wie kann er gutes Korn einernten? Vor allen Dingen vergiss der Rute nicht, sie treibt manchen Teufel aus des Kindes Herzen. Gib Gott wieder, was dir Gott gibt; so tut Hanna, so tue du auch. 

 

207. 

VON DER RECHTEN ART SICH CHRISTLICH ZU ERNÄHREN.

Mund auf! Hand auf!

 

Bete und arbeite. Durch Wind und Ruder. So nährt man sich mit Gott und Ehren. Mund auf und bete. Das Gebet ist die Röhre, dadurch Gott allen seinen Segen von oben herab zu uns leitet; die Leiter Jakobs, da die Engel auf- und absteigen. Seufzer hinauf, Segen herab. Wie der Mensch durch den Atem die Luft, und der Baum durch die Wurzel den Saft, so ziehst du durchs Gebet Gottes Segen an dich. Die eifrigsten Beter sind die gesegnetsten Eheleute. Wollt ihr Segen haben in der Nahrung, ihr christlichen Eheherzen? Folgt meinem Rat: Täglich tretet im Geist zusammen, faltet eure Hände; beugt eure Knie und ruft Gott aus einem Mut und Mund um Segen an; was gilt‘s, ob nicht der Segen so schnell wird herabkommen, als euer Gebet mag hinaufkommen vor den Herrn. Hand an und arbeite. Ohne Arbeit gibt der Himmel nichts. Die Natur hat die Rose umflochten mit Dornen, und den Kern mit Schalen umgeben; wer die Rose haben will; muss die Dornen nicht scheuen, und wer den Kern schmecken will, muss die Schalen ablösen. Gott hat seinen Nahrungssegen in die Arbeit unserer Hände gelegt und gesprochen: Du sollst dich nähren deiner Hände Arbeit Ps. 128,2. Drum wo Nahrung sein soll, da muss Arbeit vorhergehen. Wie wohl muss dem sein, der die Arbeit seiner Hände isst und sagen kann: Die Speise, die ich esse, ist mein und keines andern, keines Armen Schweiß und Blut, sondern meine eigene Arbeit. So soll ein Christ sagen können. Darum ermahnt Paulus: Lieben Brüder, ringt darnach, dass ihr stille seid und das Eure schafft, und arbeitet mit euren eigenen Händen, wie wir euch geboten, auf dass ihr ehrbarlich wandelt. Wir hören, dass etliche unordentlich wandeln und arbeiten nicht, sondern treiben Vorwitz. Solchen gebieten wir durch unsern Herrn Jesum Christum, dass sie mit stillem Wesen arbeiten und ihr eigen Brot essen 1 Thess. 4,11. Will man nicht, so hat er schon das Urteil dabei gesprochen: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen 2 Thess. 3,10. Müßiggang ist der Armut Vater. Die Armut folgt ihm nach, wie ein gewappneter Mann, Sprüchw. 6,11., deß man sich nicht wehren kann. Gott gibt‘s den Seinen zwar im Schlaf, aber nicht durch den Schlaf. Jener Vater wusste es wohl, da er vor seinem Ende seine Söhne vertröstete eines reichen Schatzes, der in seinem Weinberg verborgen läge und befahl, dass sie den suchen sollten. Nach seinem Tode durchgruben und durchwühlten sie den Weinberg, gewannen zwar keinen Goldschatz, doch im Herbst einen köstlichen Weinschatz, ersonnen also allererst im Nachsinnen des Vaters gute Absicht. Du klagst, ich habe keine Nahrung. Mein, woran fehlt‘s? Bloß an dir selber. Du fluchst mehr in deinem Hause als du betest, drum frisst der Fluch all dein Vermögen auf; du gehst müßig, drum musst du darben. Müßige Hand, darbende Hand. Ich will arbeiten und Gott bitten, dass er meine Arbeit segne. Der aus Steinen, kann vielmehr aus saurer Mühe ein Stücklein Brotes machen.

 

208. 

VOM NAHRUNGSSEGEN.

An Gottes Segen ist alles gelegen.

 

Arbeit tut‘s nicht, sondern Gottes Segen. Dass du arbeitest, ist gut. Gott hat‘s geboten, und du musst gehorchen. Dass du aber Nahrung und Fülle hast, ist nicht der Arbeit, sondern der Güte Gottes zuzuschreiben. Mancher arbeitet ungeheuer und hat doch kein Brot zu essen; ein anderer tut gemach mit Arbeiten, dem fließt‘s zu. Gott will die Ehre allein haben, als der allein gibt alles Gedeihen. Pflüge hundert Jahr und tue aller Welt Arbeit, was gilt‘s, ob du einen Halm aus der Erde bringen werdest? Gott ohn all dein Zutun macht, weil du schläfst, aus dem Körnlein einen Halm und so viel Körnlein drauf, wie er will. Umsonst arbeitest du, wenn du dich auf deine Arbeit verlässt, dass sie dich nähre. Arbeiten gebührt dir, aber nähren gehört Gott zu. Die beiden sind so weit von einander als Himmel und Erde, Gott und Mensch. Gott gebot Adam, sein Brot zu essen im Schweiß seines Angesichts, ohne Arbeit wollte er ihm nichts geben; so will er ihm auch nichts durch seine Arbeit geben, sondern allein durch seine Güte und Segen. Die Arbeit soll seine Übung sein in diesem Leben, das Fleisch zu zwingen, wo er drin gehorsam ist, will er ihn nähren. Gott nährt dich auf keine andere Weise, als alle anderen Tiere. Er tut seine milde Hand auf und sättigt alles, was da lebt, mit Wohlgefallen. Nun arbeitet kein Tier um seine Nahrung, sondern ein jegliches hat sein Werk, das tuts mit Fleiß, darnach suchts und findet seine Speise. Das Vöglein fliegt, singt, macht Nester, zeugt Junge, das ist seine Arbeit, aber davon nährt sich‘s nicht. Der Ochs pflügt, das Pferd trägt und streitet, das Schaf gibt Milch und Wolle, das ist seine Arbeit. Aber davon nährt sich‘s nicht, sondern die Erde trägt Gras und nährt sie durch Gottes Segen. Seht an die Vögel unter dem Himmel, sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheuren; und euer himmlischen Vater nährt sie doch, spricht Christus Matth. 6,26. Lässt sich auch ein Vöglein graue Federn wachsen aus unnützer Sorge? Sollte man‘s fragen und sprechen: Liebes Vöglein, wie so lustig, wie singst du so lieblich und springst von einem Zweig auf den andern? Wo hast du zu essen? Wo zu trinken? Würde es antworten: Auf meinen lieben Gott trau ich in Angst und Not; er ist mein Schöpfer, so bin ich sein Geschöpf; er hat mir Vorrat genug beigelegt in den Elementen, mehr als ich essen kann; dem dien ich, dem sing ich, der nie kein Vöglein hungern lässt. Hier fliegen die Vöglein vor unsern Augen über, spricht Dr. Luther, uns zu kleinen Ehren, dass wir wohl unser Hütlein gegen sie abtun möchten und sagen: Mein lieber Herr Doktor, ich muss bekennen, dass ich die Kunst nicht kann, die du kannst; du schläfst die Nacht in deinem Nestlein ohne alle Sorge, des Morgens stehst du wieder auf, bist fröhlich und guter Dinge, setzt dich auf ein Bäumlein und singst, lobst Gott, darnach suchst du deine Nahrung und findest sie. Pfui, was hab ich alter Narr gelernt, dass ich es nicht auch tue, da ich doch so viel Ursache dazu habe? Kann das Vöglein sein Sorgen lassen und hält sich in solchem Fall als ein lebendiger Heiliger, hat dennoch weder Acker noch Scheuren, weder Kasten noch Keller, es singt, lobt Gott, ist fröhlich und guter Dinge, denn es weiß, dass es einen hat, der für es sorgt, der heißt unser Vater im Himmel; warum tun wir‘s denn auch nicht, die wir können arbeiten und Feld bauen, die Früchte einsammeln, ausschütten und auf die Not behalten? Dennoch können wir das schändliche Sorgen nicht lassen. Wer hat dem Vogel das Gräslein, Körnlein, Steinlein hingelegt, das es findet? Gott allein. Arbeiten musst du und etwas tun, aber nicht deine Arbeit nährt dich, sondern göttlicher Segen; wo Gott nichts hinlegt, da wirst du nichts finden, und arbeitetest oder suchtest du dich zu Tode. Wo er nicht zu Rat hält und bewahrt, da bleibt nichts, und legtest du hunderttausend Schlösser davor, es zerstäubt und zerfliegt, dass man nicht weiß, wo es bleibt. Wer legt das Silber und das Gold in die Berge, dass man‘s finde? Wer legt in die Äcker solch groß Gut als herauswächst an Korn, Wein und allerlei Früchten, da die Tiere von leben? Tut es Menschenarbeit? Ach nein! Arbeit findet es wohl, aber Gott muss es dahin legen und geben, soll es die Arbeit finden. Wer legt die Kraft ins Fleisch, dass es junget, und die Welt voll Tiere, Fische etc., ein jedes nach seiner Art, geboren wird? Tut das unsre Arbeit und Sorge? Nein, Gott ist zuvor daselbst, und gibt seinen Segen heimlich drein, so geht‘s mit aller Fülle heraus. Ich will tun mit Fleiß, was mir in meinem Beruf obliegt, und nicht sorgen, wie ich mich davon nähre, sondern das alles Gott heimgeben und den sorgen lassen. Der die Vögel nährt und die Lilien kleidet, wird auch für sein Kind sorgen, das er in seiner Liebe, als in seinem Herzen trägt. Wer die Seinen nicht versorgt, ist ärger denn ein Heide, spricht Paulus. Ich bin Gottes, Gott ist mein; sollt er mich nicht versorgen, müsst er ein Heidenherz haben. Aber nein. Er hat ein Vaterherz, und lässt mich nicht.

 

209. 

VON DER ERHÖRUNG DES GEBETS.

Dein Herz, dein Prophet.

 

Sowohl das Gute als das Böse nimmt gemeiniglich seinen Anfang im Herzen. Die innerliche Beschaffenheit des Herzens pflegt öfters mehr denn zuviel den Ausgang der Sachen vorherzusagen. Gleich wie ein Mensch sein eigen Herz pflegt zu erheben vor dem Fall, und zu erniedrigen, ehe er zu Ehren kommt; so richtet‘s Gott im Gegenteil auf vor seiner Erhöhung und schlägt‘s nieder vor seinem Fall. Im Gebet findet sich das auch, da heißt‘s: Amen, gebeten, erbeten. Ich bin‘s gewiss, mein Herz sagt mir‘s. Ein gewisses Zeichen göttlicher Erhörung ist‘s, wenn der Geist Gottes im Herzen ein festes Vertrauen wirkt, dass du nicht zweifelst, Gott werde tun, was du begehrst. Wie kläglich betet David im sechsten Psalm! Aber mitten im Gebet ruft er gar freudig: der Herr hört mein Flehen, mein Gebet nimmt der Herr an V. 10. Der Geist Gottes gab ihm die Versicherung im Herzen, dass erbeten, was gebeten. Da Luther sehr eifrig betete in seinem Losament, als der Kaiser und die Stände zu Rat saßen über die Protestanten, kam er gleich zu der Stunde, da der Schluss gemacht ward, dass niemand in Religionssachen sollte gezwungen werden, herausgelaufen und rief überlaut: Wir haben den Sieg erhalten. Gleich wie Gott kennt den Sinn des Geistes, so kennt auch der Geist, der in uns betet, den Sinn Gottes. Wie kann‘s anders sein, Gott lässt‘s dem Glauben nimmer fehlen. Wird der Glaube zum Lügner, so wird Gott zum Lügner; das Wort ist da: Rufe mich an, so will ich dich erhören. Der Grund wankt nicht, ich wag‘s drauf und stimm frisch an: Mein Glaube sagt: Gott hat erhört, der Glaube lügt nicht, denn das Wort steht da: Ich will dich erhören. Trügt der Glaube mich, so trügt Gott den Glauben. Mein Herz, glaube, so geschieht‘s. Wer also betet, dass er zweifelt an der Erhörung Gottes, setzt sein Gebet auf Abenteuer hin, es geschehe oder nicht, der begeht eine zweifache Sünde. Erstlich macht er sein eigen Gebet zunicht und arbeitet umsonst. Denn wer sein Gefäß nicht still hält, wie kann man dem was hinein legen? Es fällt beizu und kommt um. Wer zweifelt, der ist gleich wie die Meereswoge, die vom Winde getrieben und geweht wird. Solcher Mensch denke nicht, dass er etwas von dem Herrn empfangen werde, spricht S. Jakobus Kap. 1,6.7. Darnach macht er seinen allergetreuesten Gott zum Lügner, losen, ungewissen Mann, nimmt ihm durch seinen Zweifel die Ehre und den Namen der Treue und Wahrheit, das heißt ja Gott verleugnen und aus einem Christen ein Heide werden. Der Glaube versichert mich, dass schon geschehen, was ich begehre; dass erbeten, was gebeten. Wenn mein Herz in mir, so spricht auch Gott im Himmel Ja und Amen. Das trügt mich nicht, ich erfahr‘s täglich.

 

210. 

VON DER BESTÄNDIGKEIT.

Das Letzte, das Beste.

 

Das Ende eines Dinges ist besser als sein Anfang, spricht Salomon Pred. 7,9. Des Lebens Ende ist schon besser als der Anfang; dieser führt ins Elend hinein, jener führt aus dem Elend heraus. Im Guten ist allezeit der Anfang leicht, das Ende schwer. Das Schwerste das Beste. Zum Bösen sind wir von Natur geneigt. Die Welt schenkt zuerst den süßen Wein der Wollüste, aber der bittere Fluch Gottes folgt ihm auf dem Fuße nach. Wer am Morgen lacht, muss am Abend weinen. Die Freude des Gottlosen währt einen Augenblick. Der Zeitling fängt wohl an; endigt übel. Mancher ist in der Jugend ein eifriger Bekenner der Wahrheit, im Alter wird er eiskalt. Saul und Judas sind deß klare Zeugen. Diese sind gleich dem Bilde Nebukadnezars, das zwar einen goldenen Kopf hatte, aber eiserne und aus Lehm gebildete Füße. Gott kehrt‘s um, lässt erstlich die Krüge mit Wasser füllen, bis oben an, darnach macht er aus dem Wasser Wein; legt erst bei die hässliche Leah, darnach die schöne Rahel; betrübt zuvor, die er erfreuen will und lässt mit Tränen säen, die mit Freuden ernten sollen, macht zu Narren, die er weise, und zu Sündern, die er gerecht machen will. Die wahren Gläubigen haben Gottes Art, gering im Anfang, besser im Fortgang, am Ende die beste. Ihr Glaube, so im Anfang klein ist wie ein Senfkorn, erwächst endlich zum hohen Baum. Von den Früchten ihres Glaubens kann man rühmen, was der Geist rühmt von dem Bischof zu Thyatira: Ich weiß deine Werke, und deine Liebe, und deinen Dienst, und deinen Glauben, und deine Geduld, dass du je länger je mehr tust Offenb. 2,16. Wie der Wein werden sie gut und edel durch ihr Alter. Da heißt‘s: Das Letzte, das Beste. Ist bei mir der Anfang schlecht gewesen, will ich zusehen, dass der Fortgang desto besser sei, und das Ende alles vergüte. Ende gut, alles gut; das Ende bringt die Krone.

 

211. 

VOM GEBET.

Bloß und gebückt.

 

Gott leidet keinen Trotzer. Du bäumst dich auf im Gebet mit jenem Pharisäer, steifst und deckst das Haupt, als wolltest du damit an den Himmel stoßen. Ich finde nicht, dass die alten Kernchristen so getan haben. Gewiss ist‘s, dass sie mit bloßem Haupt ihr Gebet getan. Paulus will, dass die Männer, wenn sie in öffentlicher Kirchenversammlung beten, ihr Haupt blößen sollen 1 Kor. 11,4. Die Hauptblöße zeigt von der Ehrerbietigkeit des Herzens. Denn zu jeder Zeit ist der Brauch gewesen, dass die Geringen mit Abdeckung des Hauptes den Höhern Ehre erwiesen haben. Wenn du betest, stehst du vor dem Angesicht des großen Gottes, den alle Welt ehrt; wer kann ihm so hohe Ehre geben, als er würdig ist von seinem Geschöpf zu nehmen? Du ziehst den Hut vor jedermann auf der Gasse ab, und lässt in der Kirche, auch wenn du betest, das Haupt bedeckt, oder tust du ja den Hut weg, muss doch ein anderer Schirm ohne Not an den Scheitel geheftet sein. Heißt das nicht die Asche ehren und den Herrn aller Herren schänden? Wenn die himmlischen Geisterlein ihr Heilig, Heilig, Heilig anstimmen, werfen sie ihre Krone vor den Stuhl des Lammes nieder und sprechen: Herr, du bist würdig zu nehmen Preis und Ehre und Kraft; denn du hast alle Dinge geschaffen und durch deinen Willen haben sie das Wesen. Bist du denn, o Mensch, du armer Wurm, stolzer oder besser, als die heiligen Engel? Die äußerliche Hauptblöße gibt Anleitung zur inneren Herzensblöße. Wie das Haupt, so muss auch das Gebet ohne Decke sein, entblößt von allem nichtigen falschen Vertrauen, eiteln Einbildungen, unnützen und unreinen Gedanken. Denn dieselben halten das Herz hienieden auf, dass es sich nicht mag zu Gott erheben und vor ihm ausschütten. Wolltest du Gott den Kot deiner törichten Einbildungen und sündlichen Gedanken vorschütten? Dieselben hindern auch, dass nichts Göttliches kann in die Seele hineingebracht werden. Wenn das Herz durch kreatürliche Bildnisse schon eingenommen ist, mag sich nichts Göttliches hineinbilden, eine Form fasst nur ein Bild. Ich finde auch, dass die Christen mit gebeugtem Haupt gebetet haben. Wenn Elias auf der Spitze des Berges Karmel recht eifrig beten will, bückt er sich zur Erde und tut sein Haupt zwischen seine Knie 1 Kön. 18,42. Wer so betet, gibt zu erkennen das tiefe Elend, darin er steckt und sich als ein Würmlein krümmen und winden muss. Was ist elenderes, als eine Frucht, so noch im Mutterleib verborgen liegt? Die liegt eben so gekrümmt und hat ihre Nase zwischen den Knien. Wer so betet, offenbart die tiefe Demut seines Herzens, da er sich vor Gott gleichsam in den Staub drückt und vor seiner Majestät, als blöd und schüchtern, verbergen will. Dadurch wird Gott am ersten bewegt, dass er gedenke, was soll ich mit dem Staube zürnen und mich wider das rauschende Blättlein rüsten? Ich will des armen Würmleins schonen. Wer so betet, bezeugt, dass er bereit sei, Gottes Zuchtrütlein zu küssen und des Herrn Zorn zu tragen, dieweil er wider ihn gesündigt hat. Er beut seinen Rücken dar, als wollte er sagen: Schmeiß nur zu, lieber Gott, ich hab‘s wohl verdient. Er verbirgt aber das Haupt, als wollte er sagen: Mach‘s doch nicht gar aus mit mir, sondern sei mitten im Zorn eingedenk deiner Barmherzigkeit. Ich will mich vor Gott blößen, vor ihm ist doch alles bloß. Ich will mich vor ihm bücken. Den Demütigen gibt er Gnade.

 

212. 

VON DER BEICHTE.

Nur heraus damit.

 

Rund gebeichtet, bringt einen gnädigen Gott, und ein reines Herz. Leider! Die ganze Welt ist voll Greuel in allen Ständen. Doch hör ich selten im Beichtstuhl, dass jemand Gott zu ehren und sein Gewissen zu befriedigen, sich einer Sünde schuldig geben sollte. Ich bin ein Sünder, das ist mir leid, spricht jedermann. Was nennst du Sünde, und was ist‘s, das dein Gewissen drückt? Klag‘s Gott und seinem Diener, so wird dir geraten. Behüte Gott! wird geantwortet, ich hab nichts Böses getan, ich bin so ein Sünder, wie der Herr Beichtvater selber ist. Nicht anders, als wenn ein Kranker zum Arzt spräche: Ich bin krank, und tut mir wehe; der Arzt wollte Nachfrage halten, was tut dir wehe? das Herz oder Haupt? und bekäm zur Antwort: Behüte Gott, ich bin nicht anders krank, als der Herr Doktor ist. Schande ist ja die Frucht der Sünde, wie Paulus sagt: Was hattet ihr dazumal für Frucht? Welcher ihr euch jetzt schämen müsst Röm. 6,21. Und doch will keiner von der Sünde Schande haben. Ein anders säet man, ein anders will man ernten, Ehre von der Sünde. Sie zu vollbringen schämt man sich nicht, die vollbrachte zu bekennen schämt man sich. Wir wollen das Kreuz tragen, dazu sind wir berufen; nun ist das ein köstlich Stück vom Kreuz, dass der Mensch sich willig entblößt vor einem andern Menschen, sich selbst anklagt und schamrot macht. O, wenn wir wüssten, was für Strafen solche willige Schamröte abwendet, und wie einen gnädigen Gott sie macht, dass der Mensch ihm zu Ehren sich selbst so vernichtet und demütigt, wir würden die Beichte aus der Erde graben und über tausend Meilen holen. Die ganze Schrift bezeugt, wie Gott den Demütigen hold sei. Nun ist Demut nichts anders, denn zunicht und zu Schanden werden. Es kann niemand baß zu Schanden werden, denn mit Offenbarung seiner Sünden; dagegen ist Demut in Kleidern und Gebärden für nichts zu rechnen. Und was ist‘s, dass wir uns vor einem Menschen hierin schämen, so wir doch in der letzten Stunde viel größere Scham ausstehen müssen vor Gott, allen Engeln und Teufeln, welcher wir mit dieser geringen Scham vor einem Menschen leichtlich könnten zuvorkommen? Ich halte den nicht für einen wahren Christen, der so ein kleines Leiden nicht will über sich ergehen lassen, dass er vor einem Menschen zu Schanden werde. Ach! Wie fröhlich würde das Herz sein, wenn man fein die Sünde abgebeichtet, und darauf die tröstliche Absolution empfangen hätte. Denn obwohl ein jeglicher, spricht Dr. Luther, bei sich selbst Gott beichten mag, und sich mit Gott heimlich versöhnen, so hat er doch niemand, der ihm ein Urteil spreche, darauf er sich zufrieden stelle, und sein Gewissen stille, muss sagen, er hab ihm nicht genug getan. Aber gar fein und schön ist‘s, dass er Gott ergreife bei seinen eignen Worten, dass er einen starken Rückhalt und Trotz auf göttliche Wahrheit überkomme, damit er möge frei und kecklich in Gott selbst dringen mit seiner eignen Wahrheit auf die Weise sprechend: Nun, lieber Gott, ich habe meinen Nächsten vor dir meine Sünde geklagt und offenbart, und in deinem Namen mit ihm vereinigt und Gnade begehrt; so hast du aus großer Gnade zugesagt: Was gebunden wird, soll gebunden sein, was gelöst wird, soll los sein; so halt ich mich an deine Zusagung, zweifle an deiner Wahrheit nicht, wie mich mein Nächster in deinem Namen entbunden hat, so sei ich entbunden, und mir geschehe, wie wir begehrt haben. Ach! mein Herz, verleugnen, schweigen, dient nicht Gnade zu erwerben! Rund gebeichtet, rund absolviert; was soll das Gift beim Herzen tun? Es bringt dir den gewissen Tod, schüttest du es nicht heraus. Was willst du unter der Last sinken, die du dir selbst abrücken kannst? Soll Trost hinein, muss Sünd heraus. Ehe wird die Wunde nicht geheilt, ehe sie von Blut und Eiter gesäubert ist. Da ich‘s wollte verschweigen, spricht David, verschmachteten mir meine Gebeine, durch mein täglich Heulen Ps. 32,3. Eine verhehlte Sünde ist im Gewissen wie ein Wurm im Apfel, nagt immer und lässt keinen Frieden; klagt und bittet man sie ab, wird schon der Schmerz gelindert und das Gewissen ruhig. Fürchte dich nicht, dein Herz im Beichtstuhl auszuschütten. Dein Beichtvater kann ja nicht dein Verräter sein. Was du ihm beichtest, das beichtest du Christo, und was du ihm ans Herz legst, das legst du Gott ans Herz. Gott und Christus werden‘s nicht verraten. Drum nur heraus damit.

 

213. 

VON DEN TRÄNEN DER BETRÜBTEN.

O seliges Weinen! O süßer Wein!

 

O seliges Tränenwasser, wie köstlich bist du! Tränen beten am kräftigsten. Sie fließen zwar die Wangen herab, aber schreien zu Gott im Himmel wider den, der sie herausdringt. Das betrübte Herz quillt die Tränen wie ein Brunn, sein Wasser, und was von Herzen geht, das kommt zu Gott, denn Gott sieht das Herz an. Es ist fürwahr ein großer Trost, wenn du noch in Anfechtungen und Nöten weinen kannst. Denn wie der Leib seine Erquickung hat von Speis und Trank, so labt sich das traurige Herz an seinen Tränen. Sprich mit David: Du speisest sie mit Tränenbrot, und tränkst sie mit großem Maß voll Tränen Ps. 80,6. Wenn man recht von Herzen geweint, und mit den Tränen die Not in Gottes Schoß geschüttet hat, gibt sich das Herz zufrieden, gleich als wenn‘s in Hunger und Durst gesättigt und getränkt ist. Die Tränen versichern dich, dass du mit gehörst zur Gemeinschaft Christi und seiner Heiligen. Ach, wie oft haben die ihre Zeit mit Weinen zubringen müssen! Von deinem liebsten Jesu liest du nicht, dass er gelacht, aber wohl, dass er geweint habe. Er weinte Lock- und Leidtränen über die Stadt Jerusalem, da er im Licht seiner Allwissenheit sah die Sünden, darin sie beharrlich lebten, und die Strafen, so darauf folgen würden. Er weinte vor Liebe beim Grabe Lazari. Er hat sich in seinem Leiden mit starkem Geschrei und Tränen Gott aufgeopfert. Die Heiligen sind in seine Fußstapfen getreten. Wie klagt Hiob: Mein Antlitz ist geschwollen vom Weinen und meine Augenlieder sind verdunkelt Hiob 16,16. David: Die Tränen sind meine Speise Tag und Nacht Ps. 42,4. Ich esse Asche wie Brot und mische meinen Trank mit Weinen Ps. 102,10. Jesajas: Lasst mich bitterlich weinen Jes. 22,4. Die Engel des Friedens weinen bitterlich Jes. 33,7. Jeremias: Ich muss auf den Bergen weinen und heulen, meine Seele muss heimlich weinen und meine Augen müssen mit Tränen fließen Jer. 9,10. Die Tränen bringen Trost zum Herzen: Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen Matth. 5,8. Gott siehst du, wenn du seinen Trost empfindest: Schmeckt und seht, wie freundlich der Herr ist. Im trüben Wasser kann man das Bild der Sonne nicht sehen; soll dir Gott sein tröstlich Gnadenantlitz leuchten lassen, muss dein Herz zuvor durch die Tränen von Welt und Sündenkot gereinigt sein. Da Agar in die Wüste kam und sah, dass ihr Kind vor Durst verschmachten wollte, weil sie kein Wasser mehr hatte, legte sie das Kind auf die Erde, setzte sich gegenüber und weinte laut; da zeigte ihr Gott einen Brunnen, aus welchem sie ihr Kind tränkte. Gerätst du nicht oft, mein Christ, in eine solche Kreuzwüste, darin du kein Tröpflein Trostes für deine matte Seele findest? Das arme Seelchen will vor Angst verdorren. Was tust du? Du fängst an kläglich zu weinen, Gott öffnet dir den Trostbrunnen in deinem eignen Herzen durch liebliche Trostsprüchlein aus seinem Wort, durch tröstliche Gedanken, so er dir eingibt. Er kann sich zwar zuweilen mit seinem Trost verbergen, aber von den Tränen lässt er sich doch bald finden. David weiß es, drum seufzt er: Herr, schweige nicht über meinen Tränen Ps. 39,13. Wenn du einen Menschen erbärmlich weinen hörst, kannst du ja nicht still dazu schweigen, sondern läufst hin, fragst nach, was ihm schade und tröstest ihn; oft gehen dir seine Tränen so tief zu Herzen, dass du mit den Weinenden weinst. Ach! Dein Gott hat ein zartes freundliches Herz, er kann nicht schweigen, wenn du weinst. Hört eine Mutter ihr krankes Kind jämmerlich winseln und weinen, mag sie es über ihr Herz nicht bringen, dass sie still dazu schweige, kann sie nicht mehr tun, gibt sie doch dem Kinde ein freundlich Wort und sprichts zufrieden. Gott hat einen rechten Muttersinn und tröstet uns wie eine Mutter. Wie freundlich redet dein Jesus die weinende Witwe von Nain an: Weine nicht! Er kann‘s nicht ansehen, dass wir vor Betrübnis weinen, oder er muss mitweinen, wie er mit der Martha weinte am Grabe Lazari, und wie Joseph weinte mit seinen Brüdern. Die Tränen versichern dich im Kreuz der Gegenwart und der Liebe Gottes. In solchem Vertrauen seufzt David: Fasse meine Tränen in deinen Sack, ohne Zweifel, du zählst sie Ps. 56,9. Soll Gott die Tränen der Betrübten zählen und sammeln, so muss er ja den Weinenden nahe sein. Der Geizige zählt seine Heller oft, denn er hat sie lieb. Gott liebt meine Tränen, drum zählt er sie, er will nicht, dass eine umkomme. Er fasst sie in seinen Schlauch, wie einen edlen Wein, denn er hat größere Erquickung an meinen Tränen, als ich haben mag am besten Wein. Vom Hiskias sagt die Schrift, dass Gott seine Tränen habe angesehen Jes. 38,5. So lieb hat Gott meine Tränen, dass er sie nimmer aus seinen Augen lässt. Menschen wenden ihre Augen von mir, wenn ich weine, aber Gott sieht mich desto freundlicher an. Die Tränen bringen mit sich eine gewisse Hoffnung der künftigen himmlischen Erquickung, denn es muss erfüllt werden, was David rühmt: Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten, sie gehen hin und weinen, und tragen edlen Samen, sie kommen mit Freuden und bringen ihre Garben Ps. 126,5.6. Sonst heißt‘s: Was der Mensch säet, das wird er ernten Gal. 6,7. Aber hier lautet‘s anders: Das Leid muss Freude, das Weinen Wein bringen. Same und Frucht sind gar nicht einer Art. Wie, sprichst du, soll ich denn immer weinen? Nein, liebe Seele, Gott hat dir dein Stücklein Tränenbrots zugeschnitten, wenn das auf ist, hast du Ruhe; er hat dir dein Tränenmaß zugewogen, wenn das voll ist, wird aus dem Wasser Wein. Den Abend lang währt das Weinen und des Morgens kommt die Freude. Dem Weltkind bringt zuweilen ein fröhlicher Morgen einen traurigen Abend; ich aber gehe oft traurig zu Bett und stehe fröhlich wieder auf, denn mein Gott tröstet mich auch im Schlaf. Ich muss nicht immer trauern und klagen, sondern auch einmal jauchzen und fröhlich sein. Gott nimmt entweder weg, was mich betrübt, oder er gibt auch mitten in der Trübsal einen freudigen Mut, dass ich meine Seele kann zufrieden sprechen und sagen: Sei nun wieder zufrieden, meine Seele, denn der Herr tut dir Gutes. Denn du hast mein Auge von den Tränen gerissen Ps. 116,7.8. Kommt das Erquickungsstündlein nicht eher, so wird‘s gewiss der Tod mitbringen. Da wird mein Jesus zu mir treten und sprechen: Nun, liebste Seele, du hast nun lange genug geweint, ich will alle Tränen abwischen von deinen Augen. Sei nun fröhlich und getrost, deine Tränen sollen dir im Himmel wohl belohnt werden. O selige Tränen! O süßer Freudenwein, wie wirst du mich dort erquicken! Mein Jesu, komm doch bald!

 

214. 

VON DER HEUCHELBEICHTE.

Viel Beichtens, wenig Besserung.

 

Wie tut ihm der Haufe? Wenn ein Vierteljahr hin ist, da spricht man: Der Kerbstock ist voll, der Sündensack muss ausgeschüttet werden. Brich ein Stündlein ab, eile zum Beichtstuhl; stammle und stücke deine Beichte her, ein Brustschlag sühnt alles aus. Durch das „Erbarm dich mein“ wird Gottes Zorn gehoben. Sieht der Priester sauer? Ein schwerer Beichtpfennig kanns gut machen. Die Hand nur auf den Kopf und losgesprochen, los zum wilden wüsten Leben. Darnach bleibt man unverändert in seinem Wesen nach wie vor, ja, ärger heut als gestern. Heißt das nicht Gottes spotten, was dünkt dich? Ach, du betrügst nicht Menschen, sondern Gott. Der sieht das Herz an und weiß, was du im Schilde führst. Beichte und Besserung müssen zusammen sein; bleibt diese aus, so ist jene nur Heuchelei. In der Buße wirst du gleichsam neu geboren. Keine Geburt ist ohne Veränderung. Denn darin wird ein Ding, welches nichts war, gleich zu einem Wesen. Eine wunderbare Veränderung war in der Erschaffung, da aus dem unförmlichen Klumpen die herrlich schönen Kreaturen der Welt hervorkamen; eine wunderbare Veränderung ist auch die der natürlichen Geburt, da aus dem Samen eine so wohlgestaltete Kreatur, wie der Mensch ist, gezeugt wird. So ist‘s auch in der neuen Geburt, da geht eine wunderliche Veränderung vor, drum auch Paulus Erneuerung und Veränderung zusammen setzt Röm. 12,2. Da wird aus Fleisch Geist, aus einem Saulus ein Paulus, aus einem Teufel ein Engel. Diese Veränderung ist groß, als von der Finsternis zum Licht, wie am andern Ort der Apostel sagt: Ihr wart weiland Finsternis, nun aber seid ihr ein Licht in dem Herrn Eph. 5,8. Wo dergleichen Veränderung nicht da ist, da ist keine Wiedergeburt, keine Buße. Wie kannst du mit Wahrheit in der Beichte sagen, dass dir deine Sünden leid sein, wenn die Lust zu sündigen nicht ab-, sondern zunimmt? Was erlustigt, ist nicht leid, sondern lieb. Und wie kannst du glauben, dass dir Gott deine Sünden erlassen habe, wenn du selbst die Sünde nicht erlassen, sondern behalten willst? Durch den Glauben werden unsere Herzen gereinigt Ap.-Gesch. 15,9. Glaube hegt nicht, sondern hebt die Sünde. Wo weder Reu noch Glaube, da ist keine Buße, da ist das Beichten nur Heuchelei. Ich will dir sagen, woher es kommt, dass bei so vielem Beichten so wenig Besserung sei. Im Beichtstuhl wird nichts gebunden, alles gelöst. Weil nichts gebunden wird, findet man wenig, die sich in die Schranken der Lehre und des Lebens Jesu Christi einbinden wollen; weil alles gelöst wird, ist überall ein loses wildes Leben; das viele Lösen macht viel loser Leute, einer steckt den andern an, weil man die Herde nicht fleißig untersucht und das Räudige vom Gesunden scheidet. Über das ist aus dem Beichtgehen nunmehr eine Gewohnheit geworden, Gewohnheit macht leicht, was schwer, und zur Lust, was Leid bringen sollte. Weil man aus Gewohnheit zum Beichtstuhl kommt, geschieht‘s, dass man den Greuel der Sünde nicht recht erkennt und also Gottes Schrecknis im Gewissen nicht fühlt; wie kann da Besserung sein, wo keine wahre Reue ist, und wie kann da Reue sein, wo man nicht erschrocken ist? Ein neues Leben hebt gemeiniglich mit großer Anfechtung und Schrecken des Gewissens an, oder sonst mit großem Leid und Unfall. Wenn ein Kind die Rute geschmeckt, wird‘s fromm. Wenn Hiskias Gottes Löwenklauen empfunden, weiß er zu sagen: Ich werde mich scheuen all mein Lebtag vor solcher Betrübnis meiner Seele Jes. 38,15. Wenn Paulus mit einem Blitz vom Himmel erschreckt wird, spricht er mit Zittern und Zagen: Herr, was willst du, dass ich tun soll? Ap.-Gesch. 9,6. Wenn man im Schrecken Gottes Gnade schmeckt und erkennt, was Vergebung der Sünden für ein teurer Schatz ist, so wird das Herz gleichsam umgeschmolzen, da denkt man: Ach, was hast du für einen frommen Gott! Wie gern verzeiht er Sünde! Wie herzlich tröstet er die Betrübten! Du sollst dich hüten, dass du dies fromme Herz nicht mit mehreren Sünden erzürnst. Solche Gedanken bringen einen andern Sinn und ein neues Leben. Hilf doch Gott, dass wir‘s empfinden! 

 

215.

VON DER HÖCHSTEN SORGE EINES CHRISTEN.

Ist‘s auch Recht?

 

So hör ich niemand fragen. Der Haufe fragt nur, ist‘s auch nützlich? Bringt‘s auch was in Küche und Keller? Ist‘s auch rühmlich? Hat man auch Ehre davon? Ist‘s auch üblich? Macht‘s der und der auch so? Nein, frage nicht nach Nutzen; oft ist was dem Leibe nützlich, der Seele schädlich. Was hilft‘s dir, wenn du die ganze Welt gewönnest und nähmest doch Schaden an deiner Seele? Matth. 16,26. Was göttlich, ist auch nützlich. Die Gottseligkeit ist zu allen Dingen nütz und hat die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens. Es ist ein großer Gewinn, so einer gottselig ist und sich genügen lässt 1 Tim. 6,6. Frage nicht nach Ruhm und Ehre. Wind ist Wind, und was vor der Welt hoch ist, das ist vor Gott ein Greuel. Willst du Ehre erjagen, so diene Gott, alsdann wird‘s wahr, was Christus verheißt: Wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren Joh. 12,26. Siehe nicht auf Manier und Weise; wie kann die Welt Gutes tun, die ganz im Argen liegt? Machst du dich teilhaftig ihrer Sünde, musst du auch Teil haben an ihren Plagen. Dein Nächster läuft ins Feuer? In all deinem Vorhaben halt Nachfrage bei dir selbst, ob‘s auch recht sei. Menschen halten oft für recht, was doch unrecht ist. Sagen wir nicht recht, sprechen die Juden zu Christo, dass du ein Samariter bist und hast den Teufel? Joh. 8,48. Unrecht muss ihnen Recht heißen. Eigenliebe blendet. Frag du darnach, ob‘s auch recht sei vor deinem Gewissen. Was sich vor deinem Gewissen nicht verantworten lässt, kann vor Gott nicht bestehen. Gottes Wort, und dein durch Gottes Wort unterrichtetes Gewissen muss die Richtschnur alles deines Tuns und Lassens sein, was darnach gerichtet, ist recht. In diesem Spiegel musst du alles beschauen, an diesem Stein alles prüfen. Paulus will, dass du prüfen sollst, welcher sei der gute, der angenehme und der vollkommene Gottes Wille Röm. 12,2. Mancher ist leichtgläubig, nimmt für Gottes Willen an, was ihm sein Fleisch oder die verführerische Welt als Gottes Willen vorstellt. Du nicht also, mein Christ, sondern prüfe. Ein vorsichtiger Goldschmied hält nicht alles für Gold, was den Schein des Goldes hat, sondern wiegt‘s und prüft‘s am Stein; dein Probierstein ist Gottes Wort, was demselben gemäß ist, das will Gott haben, und das ist recht. Ist‘s denn recht, so tue es im Namen Gottes, lass die Welt davon urteilen, was sie will. Recht muss doch Recht bleiben. Ich will mich bemühen so zu leben, als Gottes Wort lehrt. Dann treff ich‘s recht. 

 

216.

VON DEN POSTILLANTEN.

Reiter zu Fuß.

 

Ach, ihr lieben Postillen, wie manchen Dienst müsst ihr tun! Ich beklage nur eure Reiter. Warum? Sie gehen zu Fuß. Recht gelohnt für solche Arbeit. Ich entfärbe mich oft, wenn man so grob und ohne Scham einherreitet und rips raps aus den Postillen alles zusammenrafft, es sei gut oder bös, Gift oder Arznei, es diene zum Bau der Seele oder nicht. Fehlt einer, so fehlen sie alle. Dass ich nur ein und ander Exempel anführe: Wenn vom Beruf der Arbeiter in dem Weingarten des Herrn gepredigt wird, hört man, die durch die Arbeiter alle Christen, durch die Stunden die Welt oder Lebenszeiten, durch den Groschen das ewige Leben verstehen; aber wie erschrecklich irren sie! So alle Christen Arbeiter sind, folgt, dass kein Unterschied sei zwischen dem Weingärtner, der da arbeite und zwischen den Reben, daran die Arbeit geschieht. Christus vergleicht die Apostel den Weingärtnern, Matth. 21,41., die Christen den Reben Joh. 15,1.ff. So die Berufstunden vom Alter der Welt oder des Lebens zu verstehen, müsste folgen, dass alle, die in der Jugend, oder im Anfang der Welt berufen worden, in Gottes Reich die Letzten, das ist, verdammt, und alle, so im Alter der letzten Zeit der Welt berufen, die Ersten, das ist, die Auserwählten gewesen sind, da doch die Erfahrung das Widerspiel bezeugt. So der Groschen das ewige Leben bedeutet, folgt, dass auch die mit Todsünden behafteten Neider des Himmelreichs, und zwar verdienstlich, fähig sind; dass Gott ungerecht, als der bloß nach der Schnur der Gerechtigkeit handeln wollen, und doch ungleicher Arbeit gleichen Lohn zumisst. Wenn von dem vielerlei Acker gepredigt wird, hört man, die ohne Scheu dahin sprechen, es werde allein der vierte Teil von den Zuhörern selig. Ist eine gefährliche Rede, nicht gegründet im Text, bringt keinen Mut und kann von einer jeden einzelnen Gemeine nicht wahr gemacht werden. Die Zahl derer, so das Wort fruchtbarlich hören, ist ungleich. Es kann geschehen, dass unter einem großen Haufen kaum der siebente, achte Teil Frucht bringe. Paulus predigte zu Athen in Gegenwart eines großen Volkes, aber die ihm anhingen und gläubig wurden, sind bald gezählt, Dionysius, einer von den Gerichtsherren aus dem Areopag (Rathaus), und ein Weib mit Namen Damaris, und andere mit ihnen Ap.-Gesch. 17,34. Wiederum kann wohl geschehen, dass, wo nicht alle, doch die meisten aus der Gemeine, das Wort annehmen und Frucht bringen, wie zu Ninive geschehen, da sich die ganze Stadt auf Jonas Bußpredigt bekehrt. Nach der Liebe soll man immer das Beste hoffen. Wenn vom Samariter und Leviten gepredigt wird, sind, die aus der wahrhaften Historia lauter allegorisch Bildwerk machen, durch den Halbtoten, den gefallenen Adam und seine Nachkommen, durch den Priester und Leviten, Moses und sein Gesetz, durch den Samariter aber Christum wider den klaren Buchstaben und Hauptzweck des Textes verstehen. Was folgen aber daraus für Ungereimtheiten? Dass Adam und seine Nachkommen durch den Sündenfall nicht getötet, sondern nur geschwächt und in geistlichen übernatürlichen Sachen einige Kräfte des freien Willens behalten haben, da doch Paulus ausdrücklich zeugt, dass wir weiland ganz tot gewesen in Sünden, Eph. 2,5. Röm. 7,13., dass das Gesetz Mosis zu schelten sei, da es doch heilig ist und gerne helfen wollte, wenn es nur könnte; dass Christus mit Recht von den Juden ein Samariter genannt sei, Joh. 8,48., ein Judenfeind, da er doch ihr Blutfreund war; dass der Schriftgelehrte ein Weltheiland und Erlöser sein können, weil Christus zu ihm sagt: Gehe hin und tue desgleichen Luk. 10,37., Aus diesem siehst du, was die Postillanten für groß Unheil anrichten können, drum hüte dich vor der Farbe; Kupfer ist kein Gold. Glaube nicht einem jeglichen Geiste, sondern prüfe die Geister, ob sie aus Gott sind.

 

217. 

VOM WAHREN GÖTTLICHEN EIFER.

Licht und Wärme.

 

Muss im Feuer zusammen sein. Eifer ist ein Feuer. In ihm müssen Weisheit und Liebe verbunden sein. Wie ein gefährlich Ding ist das Feuer in der Hand des Narren und wie großen Schaden kann es tun! Gefährlicher Eifer, wo nicht Weisheit dabei ist! Wie oft bringt der Eifer die Wahrheit, so er schützen soll, in Schaden, durch einen allzu hitzigen Zorn! Paulus ist ohne Zweifel sehr eifrig gewesen wider die Diana der Epheser, also, dass er nichts Sonderliches wider dieselbe redet, sondern nur die Hauptlehre gibt, dass die, so von Menschenhänden gemacht sind, keine Götter seien. Hätte er schärfer und wider sie insonderheit geredet, wäre vielleicht Feuer aufs Pulver geschüttet und die ganze Kirche Christi in Brand gesteckt. Eifer ist eine ernste Begierde zu erlangen, was man begehrt. Ist keine Weisheit dabei, wie will man die Mittel, so zur Erlangung dienen, an die Hand bringen? Ein Weiser nimmt in Acht, nicht allein was ihm zu tun gebührt, sondern auch was mit Fug kann getan werden. Hierbei prüfte Paulus der Juden Eifer und fand ihn ohne Verstand Röm. 10,2. Sie eiferten um Gott auch so, dass sie seinen eigenen Sohn würgten und seine Diener plagten, bis auf den Tod; wie denn Christus seinen Jüngern selbst verkündigt: Sie werden euch in den Bann tun; es kommt die Zeit, dass wer euch tötet, wird meinen, er tue Gott einen Dienst daran. Man hat noch, die um Christum wider Christum eifern, Christus ist ihnen ein Antichristus, Licht Finsternis, Wahrheit Lüge und Ketzerei; der reine Eifer um Christum schlägt Christum und seine Diener nicht zu Tode, wie sie tun mit ihrer Mordzunge. Christus muss Christi Feind sein, Christus muss Christum töten, ist das nicht schrecklich? Der elende Teufel will ja auch eifern, eifert aber nicht aus dem Geist Christi, bekümmert sich mehr um das Äußere, denn um das Innere, mehr um den Schatten, denn um die Wahrheit. Da er anfahen sollte, Christum von innen zu ins Herz zu pflanzen, tut er’s von außen, und wer sich daran mit ihm nicht will genügen lassen, muss vor aller Welt ein Ketzer sein. O du armer Teufel, hast du deine Theologie nicht besser studiert? So schäme dich nur ins Herz hinein. Weisheit muss beim Eifer sein, und wenn die da ist, muss sie begleitet werden von der Liebe. Eifer ohne Liebe ist kein wärmendes, nützliches, sondern verzehrendes, schädliches Feuer, wie jene Jünger waren, die aus Eifersucht um Feuer riefen wider die Samariter, Luk. 9,54. Das Feuer nimmt den Schaum weg, lässt aber das Gold unverderbt; unser Eiferfeuer muss sich allein erstrecken wider die Sünden, nicht wider die Person. Ich will also eifern um Gott, dass ich nicht Gott zum Eifer reize wider mich.

 

218. 

VOM ARGWOHN.

Gift aus der Rose.

 

Aus einer Blume nimmt die Biene Honig, die Spinne Gift; die Biene ist ein süß Tierlein, was sie ergreift, versüßt; die Spinne ist giftig, was sie nur berührt, vergiftet sie. Viel schöner Trostblumen hat die heilige Schrift, daran sich ein geängstetes Herz lieblich erquickt, ein sicheres aber nimmt lauter Gift und Tod daraus. Tröstlich ist den betrübten Sündern das Exempel des bekehrten Zöllners, denn es versichert sie, dass sie Gott in Christo zu Gnaden annehmen will. Aber wie viel schädlichen Gifts saugt der rohe Welthaufe heraus? Ei, spricht er, es ist gut den Zöllner agieren, eine Zeitlang mitmachen, wuchern, schinden, schaben, geizen, wenig verzehnten, einen oder zwei Tage in der Woche sich vollsaufen, endlich wenn‘s an den Todeskampf geht, an die Brust schlagen und sagen: Gott sei mir Sünder gnädig! Was darf‘s des strengen Lebens? Es ist um einen Brustschlag und fünf Wörtlein zu tun, so fährt die Seele fein warm hinaus gen Himmel. O Kröte! Gift aus der Rose! Christus lobt am Zöllner nicht die schändlichen Greuel, sondern die christliche Buße; ist diese rechter Art, so wirkt sie nicht Sicherheit, sondern festen Vorsatz, das Leben zu bessern. Die Lieb ist ein Bienlein, nimmt oft aus bittern Haidblumen süßen Honig, denkt nichts Arges, deutet alles zum Besten; Argwohn ist eine Spinne, legt auch das, was weder bös ist, noch einen bösen Schein hat, bös aus. Kein Wunder; verkehrtes Herz, verkehrtes Maul; giftig Herz, giftig Urteil. Wer selbst arg ist, verärgert alles. Hat‘s wohl jemand besser gemacht als Jesus, von dem das Völklein rühmt: Er hat alles wohl gemacht? Doch war er ein Stein des Anstoßes, und ein Fels des Ärgernisses. Heilt er am Sabbat, so ärgert sich der Pharisäer, da doch Gott selbst nicht aufhört am Sabbat zu wirken, indem er die Welt erhält und regiert. Wen der Pharisäer am Sabbat den Ochsen aus dem Brunnen zieht, wird es gelobt; wenn Jesus eine Seele aus dem Schlund der Hölle reißt, wird es gelästert. Ist denn der Mensch nicht so teuer als ein Ochs, oder ist die Hölle nicht so tief als ein Wasserbrunnen? Tut er Wunder, muss es heißen, er habe den Teufel, da doch aus seinen Wundern Gottes höchste Kraft hervorleuchtet; wenn er als ein Fluch am Holz stirbt, wird er verspottet, da doch aus seinem Fluch unser Segen, und aus seinem Tod unser Leben kommen ist. Aber so ist‘s. Argwohn ist ein falscher Zeuge, bildet sich den Nächsten so ein, als er selber ist. Willst du dich selbst kennen lernen, beschaue dich in deinem Argwohn; wie du deinen Nächsten darin findest, so bist du; dich dünkt, er sei stolz, bist selber stolz. Argwohn ist wie ein Spiegelglas, präsentiert dir auch in einem andern dein eigen Angesicht. Das Gift ist nicht in den Blumen, das die Kröte heraus nimmt, sondern sie wandelt den Blumensaft in Gift, weil sie selbst durch und durch giftig ist; das Arge ist nicht im Nächsten, das du ihm beimessest, sondern in dir, der du selber arg bist. Ich will vom Nächsten in der Liebe das Beste denken. Argwohn lügt und trügt. Kommt mir aber Böses von ihm in den Sinn, soll dasselbe mein sein, weil es aus mir ersonnen ist.

 

219.

VON DEN GABEN GOTTES.

Keiner alles, keiner nichts.

 

So hat‘s Gott temperieren wollen, dass beiden dem Hoch- und Kleinmut gewehrt würde. Keiner hat alles. Was dies Leben gibt, ist nur Stück- und Brockwerk. Bist du weise? Vielleicht mangelt‘s dir an Tapferkeit, das ins Werk zu setzen, was dein weiser Sinn ersonnen. Bist du schön? Vielleicht fehlt‘s an Gesundheit und Stärke; was hilft dem Apfel seine Röte, wenn ein Wurm drin steckt? Hast du Gold und Silber? Vielleicht ist kein fröhlich Herz dabei, Reichtum ist ein schlechter Tröster, wenn man betrübt ist. Warum brüstest du dich denn? Gefällst du dir so wohl, wenn du dich in deinen Pfauenfedern bespiegelst? Lieber, wie stehen dir deine kranken Füße an? Du hast doch nicht alles. Was verachtest du den, der geringere Gaben hat, als du? Hat er doch auch etwas, vielleicht was Besseres und Nützlicheres als du. Scheint‘s gering vor deinen Augen, ist‘s doch groß, weil‘s Gottes Gabe ist. Großer Geber. Und wer weiß, ob er mit seiner geringen Gabe nicht größeren Nutzen schafft als du mit deiner großen? Durch geringe Mittel große Dinge tun, bringt Gott die größte Ehre. Keiner hat nichts. Leib und Seele hast du ja, und ein jedes Stück ist von Gott begabt. Was neidest du denn den, der größere Gaben hat, als du? Die Gaben sind nur eine Zumaße des Glaubens. Hast du Gaben und keinen Glauben, findest du mehr Ursach dich zu beweinen als zu erheben. Ist Glaube da, und fehlt an Gaben, hast du nicht Ursach jemand zu neiden. Der Glaube ist das Hauptgut, durch den Glauben kannst und sollst du dich für den allergrößten und vornehmsten Menschen halten. Denn es ist ein Heil, ein Reichtum, eine Hoheit in Christo allen Gläubigen gemein; du hast eben so viel in Christo, als der Allerheiligste. Denke, dass es Gott sei, der einem jeden das Seine zuteilt, nachdem er will; mit Gottes Mäßlein sei zufrieden, Gott weiß am besten, wie viel dir dient. Hast du doch mehr als du wert bist und nützlich anlegen kannst. Je weniger dir gegeben ist, je weniger wird von dir gefordert werden. Mit vielen Pfunden muss man viel wuchern; hüte dich, dass du nicht mit der undankbaren Welt sagst: Kleine Gaben keine Gaben; das gereicht zur Verachtung des Gebers, der in die kleinsten Dinge seine größte Ehre gelegt hat. Danke Gott für die kleinen Gaben, und bitte, dass er dadurch großen Nutzen schaffe; nicht allein die Gaben, sondern auch die Wirkung kommt vom Himmel, und Gott hat bisweilen große Ursach, geringere Gaben mit mehrerem Nutzen zu segnen, als die größeren, weil er größere Aufrichtigkeit bei den Geringern sieht, welche die Schärflein der Witwen schwerer macht als die großen Goldstücke der Pharisäer. Ich will vorlieb nehmen mit dem, was Gott gibt. Alles zu begehren wäre nur Torheit, weil mir alles nicht werden kann. Etwas hat mir ja Gott gegeben. Er gebe nun auch, dass ich‘s so anlege, damit ich dermaleinst die erwünschte Freudenstimme hören möge: Wohlan, du getreuer und frommer Knecht, du bist über wenig getreu gewesen, ich will dich über viel setzen, gehe ein zu deines Herrn Freude. 

 

220. 

VON DER VERSTOCKUNG.

Hart gegen hart.

 

So spricht die Welt, gelingt ihr aber selten. Zween harte Steine malen selten klein. Zwei Streitböcke rennen einander die Hörner ab. Wenn zwei Trotzköpfe zusammenstoßen, gewinnt von beiden keiner. Gott ist hart in seinen Geboten, willst du nicht? Du sollst, es muss schlechterdings gehorcht sein. Der Herr ist‘s, der da redet, dessen Mund alle Kreaturen gehorsam sein. Der Gottlose denkt: Hart gegen hart; er setzt sich wider Gottes Befehl, wie Gott von den verstockten Juden klagt, Sach. 7, er kehrt ihm den Rücken zu, je mehr man‘s ihm vorhält, je mehr er davon weicht und einen andern Weg geht; er verstopft seine Ohren, will nicht allein darnach tun, sondern mag‘s auch nicht hören; er setzt sein Herz dawider wie einen Demant, widerstrebt mit Macht, und verfolgt‘s auf‘s allergreulichste. Wie klar und gewaltig hat die Welt Gottes Wort wider sich, und achtet‘s doch nicht mehr als pfiffe sie eine Gans an, lebt sicher dahin in allen Greueln, tut dem Worte Gottes zuwider, was sie nur kann. Wie, meinst du, wird‘s gelingen? Hart gegen hart gilt hie nicht, wer nicht will weichen und gehorchen, muss im Staub zermalmt werden. Entweder du erfüllst Gottes Wort, und lebst wie es lehrt, oder es erfüllt an dir allen seinen Grimm und Mord, den es den Widerspenstigen dräuet. Gott weicht nicht, wo du nicht weichst, der Stärkste muss gewinnen. Setzest du dich wider sein Gesetz, so setzt er sich wider deine Seele; verfolgst du ihn, er verfolgt dich; hörst du sein Gebot nicht, er hört dein Gebet nicht. Er darf dein nicht, du aber kannst sein nicht auf einen Blick entbehren, denn in ihm lebst, webst und bist du, wie der Vogel in der Luft, wie der Fisch im Wasser. Mit Gott ist kein gut streiten, wer nicht biegen will, muss brechen. Er bleibt der Obermann, gib dich nur gewonnen. Ich will mein Herz gegen Gott nicht verhärten. Denn halt ich seinen Befehl nicht, so hält er seine Dräuung. Nicht im Widerstehen, sondern im Weichen und Gehorchen steht mein Sieg.

 

221.

VON DER BLÖDIGKEIT IM KREUZ.

Zartes Herz, tiefer Schmerz.

 

Man hat einige Naturen, die als unempfindlich alles, was ihnen angetan wird, verschmerzen, und tun, als ging‘s sie nicht an. Solche waren vor Zeiten die Stoiker, die Fleisch zum Stein, und den Menschen zum Klotz machen wollten. Solche sind auch, die sich in ihrer Bosheit durch Gottes Gerichte verhärten, und ob sie gleich Gottes gewaltige Strafen greifen und fühlen, dennoch verstockt bleiben wie Pharao, von welchen der Prophet spricht: Du schlägst sie, aber sie fühlen‘s nicht, sie haben ein Herz, härter wie ein Demant, und wollen sich nicht bekehren. Wiederum hat man, die allzu empfindlich sind, und auch durch die allergeringste Beleidigung gar tief verwundet werden, gleichwie das Wachs das Bild leichter annimmt und hält, das ihm eingedrückt wird, als die harte Erde; oder wie das zarte Auge selbst den Splitter fühlt, davon doch die harte Haut im Augenlid nicht weiß. Beide sind nicht zu loben, jene wollen den Menschen, diese den Christen ausziehen. Der Mensch hat Christi Geist, darum muss er wider alles Fühlen sich verhärten, dass es ihm nicht allzu weh tue. Das Christentum erfordert Männer und keine Kinder, Härtlinge und keine Zärtlinge; denn so unsre geistlichen Kämpfe nicht mit hohem Geist angetreten werden, geschieht‘s leicht, dass anstatt, da unsere Stärke soll geübt werden, sie feig gemacht werde. Davids Helden waren ein Vorbild der christlichen Streiter, die alle tapfere Männer waren, und geschickt mit Tausenden es zu wagen. Ein Christ soll sich nicht fürchten, auch vor tausend Teufeln nicht; was wollen sie ihm tun, wenn Gott mit ihm ist? Mit einer Herzhaftigkeit muss ein Christ geharnischt sein aus einem gläubigen Vertrauen auf die Stärke Gottes, in welchem wir dann am stärksten, wenn wir in uns am schwächsten sind. O blöder Zärtling, ein hartes Wort schreckt, der Verlust eines wenigen Goldes verunruhigt dich, wie wolltest du Mut nehmen, Christo zu folgen durch Schmach und Gefängnis, durch Schläge und Foltern, durch Feuer und Schwert? O furchtsamer Mensch, rühme dich nicht, dass du mit gehörst zum siegreichen Haufen der Kämpfer Christi! Nun, Gott, von dir kommt aller Mut und Freudigkeit. Sprich du mir ein Herz ein, wenn ich beginn zu zagen. Mit dir, mein Gott, will ich Taten tun. Trotz allen Teufeln!

 

222. 

VON DER HERZHAFTIGKEIT IM KREUZ.

Nur frisch hindurch.

 

Es ist noch Grund da. Der Prophet Ezechiel wird durch ein Wasser geführt, welches ihm anfänglich bis an den Knöchel gegangen, darnach bis an die Knie, bald bis an die Lenden, endlich wird‘s so tief, dass er’s nicht mehr gründen konnte. So sieht mancher sein Kreuz an. Bis an die Knöchel, bis an die Knie, bis an die Lenden wollt er sich nicht noch wohl hinein wagen; aber zu tief ist zu tief, er fürchtet sich, endlich möcht er’s nicht ergründen können. Drum, wenn ihn Gott ans rote Meer führt, steht er und ängstigt sich bis auf den Tod; ach! spricht er, ich werde versinken; ach! ich werde das Kreuz nimmer auswarten. Das steht nicht wohl mein Christ, nur frisch hinein. Der dich hineinführt, führt dich auch hindurch; fand er nicht einen Durchgang durchs rote Meer? Er weiß Wege zu machen, wo keine sind. Christliche Tapferkeit watet durch alles Unglück hindurch, und wenn wir auch mitten unter den Wellen sitzen, so befestigt sie unsere Füße, dass wir wider den Strom gehen können. Wie übel lässt‘s, wenn einem Christen das Herz entfällt über einen trüben Zustand, oder wenn einiger widriger Zufall ihn darum verzagt macht, weil er das Ende nicht absehen kann. Was seinen Anfang hat, muss ja auch sein Ende haben. Christus nennt sein Kreuz einen Kelch; hat nicht der Kelch seinen Boden? Endlich kommt man zu Grunde. Führt das Leben hinein, so führt der Tod heraus. Watet Jesus vor, so wate ich nach; wo er Grund findet, muss ich auch Grund finden. Hindurch muss ich, und sollte er mich auf seine Achseln nehmen und so hindurch tragen. Lass es so tief sein, wie es will, hab ich doch die Engel Gottes bei mir, die mich auf den Händen tragen. Sinken sie, so sink ich mit; wo sie bleiben, da bleib ich auch. In der Tiefe ist so gut sein, als in der Höhe, wenn nur Gott und seine Engel bei ihm sind. Folgt denn ein Kreuz dem andern, das muss so sein. Auf der Reise bin ich. Wenn sich der Wandersmann aus einem Loch hat herausgearbeitet, fällt er in das andere wieder hinein. Wie manchen harten Kreuztritt hat mein Jesus getan! Ging er nicht aus Jerusalem in den Ölgarten, aus dem Ölgarten zu Hannas, von Hannas zu Kaiphas, von Kaiphas zum Pilatus, von Pilatus zum Herodes, von diesem wieder zu jenem, und endlich wieder zum Galgenberg hinaus? Er war der Ball, damit sie spielten, den einer dem andern zuwarf. Hiedurch hat er meine Kreuzgänge mir geheiligt. Was soll ich mich scheuen? Nur frisch hinein, ist doch Gott noch bei mir. Der den Kindern Israel die Wüste tröstlich gemacht hatte, machte ihnen auch den Jordan trocken. Ich will alle meine Schwierigkeiten übermeistern, und die Dinge, die ich am meisten fürchte, mir am nützlichsten und beförderlichsten machen. Wie ich ihm vertraut hab, im Anfang, so will ich auch mit ihm enden zur Herrlichkeit. Nur gewagt, liebe Seele, Gott hilft gewinnen. 

 

223. 

VOM BESTEN SCHATZ DER GLÄUBIGEN.

Das Beste, das Liebste.

 

Maria hat das beste Teil erwählt. Die Menschen wählen dies und das. Dem einen geliebt Reichtum, der andre strebt nach Ehre, dem dritten gefallen gute, bequeme Tage. Selten trifft man‘s, wie man gern wollte, noch seltener, wie man billig sollte. Ich will folgen der Ermahnung Pauli: Strebt nach den besten Gaben 1 Kor. 12,31. Unter allen Schätzen Gottes ist Christus der köstlichste. Er ist gleichsam das Mittelpünktlein, und in ihm ist die Versammlung alles Segens. Wie Gott seine Liebe im Geben, so kann auch der Mensch seine Begierde im Nehmen nicht weiter ausspannen als zu Christo. Drum er sich auch selbst ohne Zusatz nennt die Gabe Gottes, Joh. 4,10., weil er die Gabe aller andern Gaben, eine unschätzbare und unvergleichliche Gabe ist. Du erwählst Reichtum; ist dir Jesus nicht Schatzes genug? Wer ist reicher als der alles hat? Er hat alles, und in ihm hast du alles, was willst du mehr? Es soll ein Pülverlein in der Welt sein, das man nennt den Stein der Weisen, und soll die Kraft haben, andere Metalle in Gold zu wandeln. Wenn du das Pülverlein hättest, was würdest du nach Gold fragen? Könntest dir ja alle Stunden Gold schaffen. Lieber, was frägst du dann nach Reichtum, wenn du in deinem Jesu alles hast? Klag doch nicht über Armut, so lang du Jesum hast; wär deiner Seele mit Gold und Silber gedient, er könnte dir eine ganze Welt voll schaffen, aber er ist dir mehr als hunderttausend Welten mit allen Schätzen. Du suchst Ehre; sag mir, hast du nicht viel mehr Herrlichkeit in Christo, als dir die Welt kann geben? Größere Ehre kannst du ja in der Welt nicht erlangen, als dass dir die kaiserliche Krone werd aufgesetzt. Nun rechne du selber, ob die Hoheit größer sei, dass du ein Kaiser, oder ein Kind Gottes seist, dass du eine vergängliche Krone von Gold, oder eine unvergängliche Himmelskrone tragest? Ich halt‘s mit dem letzten. Dass ich ein Kind Gottes, ein Glied am Leibe Christi, und ein Himmelserbe bin, schätz ich weit höher, als wenn ich der größte Potentat auf Erden wäre. Durch Christum Jesum bin ich zum Erbteil kommen, auf dass ich etwas sei zum Lobe seiner Herrlichkeit Eph. 1,11.12. Ich bin ein Herr über Teufel, Höll und Welt; deß wird sich kein Kaiser rühmen können, er sei denn ein guter Christ. Dir gefällt die Wollust dieses Lebens. O Narr! die höchste Lust findest du in Jesu. Blindheit ist‘s, dass du den Welttrost lässt deine Freude sein. Ein Tröpflein göttlichen Trosts kann mehr erfreuen als die ganze Welt. Wenn er mit seinem Gnadenschein ins Herz dringt, so freut sich Leib und Seel in dem lebendigen Gott. Du glaubst es nicht; denn du hast es nie erfahren. Ach, mein Jesu, wie süß bist du dem, der in heißer Seelenangst dich von Herzen sucht! Der muss ja jauchzen und sagen: Freude, Freude, über Freude, Jesus ist die Seelenweide! Wonne, Wonne über Wonne, Jesus ist die Gnadensonne! Mein Herz geht in vollen Sprüngen, wenn ich deine Süßigkeit schmecke, und ein jeder Sprung geht in den Himmel hinein; drum, mein Christ, lass dir das Beste das Liebste sein. Torheit wäre es ja, wenn ein Mensch alles in einem beieinander finden könnte, dass er die Hand nach einem einzelnen ausstrecken wollte. Noch törichter handelte der, wenn ihm Gott in seiner rechten Hand ein köstlich Kleinod, Christum, und in der Linken einen Apfel, den Bauchsegen dieses Lebens, zuhielte, den Apfel ergriffen, und das Kleinod fahren ließe, wie die Gadarener ihre Schweine für Christum erwählten. Mir soll Jesus das Liebste sein, weil er das Beste ist. Ich will mit Paulo alle Dinge für Schaden rechnen, auf dass ich Christum gewinnen möge Phil. 3,8. Christum gewonnen, alles gewonnen! Ich bin vergnügt.

 

224. 

VON DER CHRISTLICHEN ZUFRIEDENHEIT. 

Eins so lieb als das andere.

 

Gott muss abwechseln. Keine Freud ohne Leid. Luther redet gar herrlich hievon: wie Gott seinen Heiligen und Auserwählten hie auf Erden einen Vorschmack gibt des Himmels und der ewigen Herrlichkeit, und schenkt ihnen ein Trünklein der himmlischen Freud und Seligkeit, also gibt er ihnen auch einen Vorschmack der höllischen Angst und Verdammnis. So ging‘s den Eltern Christi; sie hatten freilich in der Geburt eine recht himmlische Freude, da die Hirten vom Felde kamen, und verkündeten ihnen des Engels Botschaft; da die Weisen aus dem Morgenlande kamen, und schenkten Christo Gold, Weihrauch und Myrrhen. Die Freud ward ihnen wohl gesalzen, da sie Christum drei Tage verloren hatten; Also ging es den lieben Jüngern auch; sie hatten an Christo, dieweil er bei ihnen war, eitel Freud, er gab ihnen einen Vorschmack seiner Herrlichkeit auf dem heiligen Berge; aber da er von ihnen genommen, war eitel Angst und Trübsal, und so geht‘s noch der christlichen Kirche; vielen steht‘s wohl an, auf die Beine zu kommen, zu blühen, aus Gottes Trostbecher zu trinken; aber abzunehmen und von Gottes Trostbrüsten entwöhnt zu werden, fällt ihnen hart und sauer. Nicht so, mein Herz. Ist dir der Berg Tabor lieb gewesen, so muss dir auch vor dem Ölberg nicht grauen. Leid ist dir so gut als Freud, es kommt beides aus einem Herzen, und ist gleich gut gemeint; im Wehstand wird Gott so wohl gepriesen als im Wohlstand. Haben wir Gutes empfangen von Gott, und sollten das Böse auch nicht annehmen? Hiob 2,10. Du fragst: wie kommt‘s, da mich Gott bisher mit Trostbrot gespeist, dass nun das Tränenbrot folgt? Da ich bisher süße Andacht und empfindliche Freude im Gebet gehabt, dass jetzt weder Andacht noch Trost dabei ist? Liebste Seele, nicht immer ein Kindlein! Mit den jungen Christen papelt und spielt Gott, mit den Erwachsenen nicht; jene küsst, diese stäupt er. Trägt dich Gott gleich auf den Armen, weil du ein Kind bist, so will er doch, dass, nachdem du erwachsen, du auf deinen eigenen Füßen gehen sollst; genug ist es, dass er dich hält, ob er gleich dich nicht gar gängelt. So lang du flehentlich um Trost tust, bist du noch ein Milchkindlein im Christentum, erwachsene Christen nehmen vorlieb mit dem, was Gott gibt, er sehe sauer oder süß; sie behalten gleichen Mut in allem Zustande, sind beim Reichtum nicht fröhlicher als in der Armut, und in der Schande nicht trauriger als in der Ehre, weil Gott bleibt, der ist in allem Zustande, so nah in Nöten als in Freuden. Ich will mit dem zufrieden sein, was mir Gott gibt. Ist mir der Geber lieb, wird mir auch die Gabe nicht unlieb sein. 

 

225. 

VOM FREIEN.

Beraten, verraten.

 

Drum siehe zu, wie du freist. Du rühmst und sprichst: Ich habe mein Kind beraten. Ach! mein, setz statt „B“ ein „V“, sonst lügst du nur. Indem du berätst, verrätst du dein Kind. Wie oft geschieht‘s? Mein Rat soll dieser sein. Befreunde dich mit Christo, so bist du unbetrogen. Du siehst auf Stamm und Adel; die Tugend adelt, nicht der Stamm. Trägt nicht ein Stock Dornen und Rosen? Trug nicht ein Leib Jakob und Esau? Läg‘s an der Mutter, sie würde dem einen Kinde sowohl den Adel mitteilen als dem andern. Aus Gott geboren sein ist der höchste Adel. Kommst du in Jesu Freundschaft, bekommst du gewiss eine Edele, wo nicht am Geschlecht, doch an Tugenden. Du beliebst die Schönheit und erfreut dich, wenn die Wangen mit Milch und Blut begossen. Ach! was ist die Schönheit? Eine Blume, die bald verwelkt. Und was deckst du mit deiner schönen Haut? Ein stinkendes Aas. Wie lange währt die Schönheit? Eine geringe Krankheit verzehrt sie. Wenn du einen züchtigst um der Sünde willen, so wird seine Schöne verzehrt wie von Motten Ps. 39,12. Bei großer Schönheit ist große Gefahr, ein reiner Spiegel wird leicht befleckt, ein schönes Weib gar leicht bekleckt. Dina kann‘s beweisen. Schönheit ohne Zucht und Tugend, ist wie eine Sau mit einem güldenen Haarband Sprüchw. 11,22. Lieblich und schön sein ist nichts; ein Weib, das den Herrn fürchtet, soll man loben Kap. 31,30. Jesus ist der allerschönste unter den Menschenkindern Ps. 45,3. Je näher der Quelle, je klarer Wasser; je näher Jesu, je schöner; schön an Gemüt, schön an Tugenden, dagegen des Leibes Schönheit für nichts zu halten. Was ist denn aller Schmuck? Ist doch auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht bekleidet gewesen als der Blumen eine, so auf dem Felde wachsen Matth. 6,29. Auf den Seelenschmuck richte dein Auge. Ihr Schmuck ist, spricht Salomo, dass sie reinlich und fleißig ist. Und Petrus: Ihr Schmuck soll nicht auswendig sein mit Haarflechten und Goldumhangen oder Kleideranlegen, sondern der verborgene Mensch des Herzens, unverrückt mit sanftem und stillem Geist, das ist köstlich vor Gott, 1 Petrus 3,3.4. Dich verlangt nach Schätzen und fragst nach einem reichen Brautschatz. Ach, hüte dich! Leicht gewonnen, leicht zerronnen; die reich an Gütern, ist gemeiniglich arm an Tugenden. Jesus ist der beste Schatz. Jesus im Herzen; Segen im Hause. Ich rate dir, freie eine Schwester Jesu, eine Seele, die mit ihm ein Geist und Herz; ist die dein, so ist Christus auch dein und mit ihm aller Segen. Zu Kana in Galiläa findest du sie. Galiläa heißt eine Grenze; bewirb dich um die, die aus den heidnischen Weltgrenzen ausgegangen, sich mit ihrem Glauben und Wandel in die Grenzen der Lehre und des Lebens Jesu einbindet; ach, nimm kein Weltkind, sie bringt dir wahrhaftig den Fluch ins Haus. Kana heißt ein Eifer; nach einer solchen sieh dich um, die eifrig ist zu guten Werken und mit einem göttlichen Eifer ihr Gesind und Kinder in der Zucht und Ermahnung zum Herrn erziehen kann, so wohnt Jesus bei dir und macht aus allem deinem Wasser Wein. Du wirst‘s erfahren, traue nur. 

 

226. 

VON DER ERTRÄGLICHKEIT GEGEN DIE SCHWACHEN.

Ein zartes Fünklein, lass es nicht verlöschen.

 

Was ist gemeineres, als dass der Starkgläubige den Schwachen verachtet? Ei, spricht mancher, ich hab‘s gleichwohl so und so weit gebracht, mein Nächster tut‘s mir bei weitem nicht nach! Es kann wohl sein, vielleicht ist dein Nächster nur ein junger, und du bist schon ein alter Christ. Es wäre ungereimt, von kleinen Kindern zu fordern, was nur von Erwachsenen zu gewarten ist; kleine Kindlein hebt und trägt man, bis sie von sich selbst gehen können. Wie sanft und säuberlich geht ein Hirte mit dem zarten Lämmlein um! Kann dein Nächster nicht so weite Tritte tun als du, denke, wie es vor mit dir auch gestanden und habe Geduld mit ihm, bis er an Kräften zunimmt. Gott will den glimmenden Docht nicht auslöschen; wolltest du es denn tun? Ein Herzhafter kann blöde und ein Blöder herzhaft werden. Judas predigte, da Nikodemus als ein A-B-C-Knabe und Katechismusschüler zu Christo kam; er folgte Christo ungescheut bei hellem Sonnenschein, da Nikodemus ein Nächtling war und sich heimlich zu Christo stahl. Aber wie ging‘s zuletzt? Judas glänzender Scheinglaube verwandelte sich in höllische Verzweiflung; da hingegen Nikodemus schwacher Glaube tief einwurzelte und ein starker Baum ward. Nikodemus glaubte an Christum, da er tot war, da ihn Judas bei Lebzeiten verlassen und schändlich verraten hatte. Das heißt, wie Christus sagt: Der Erste der Letzte, der Letzte der Erste. Ach! verachte nicht. Gott macht aus geringen Anfängen oft große Gnade. Wie du tust, wenn du ein kleines Lichtlein, in den Wind trägst, dass du es mit deiner Hand oder Schoß bedeckst, damit es nicht ausgehe: so geh auch mit den schwachen Gaben deines Nächsten um, sie nicht zu verlöschen. Die Starken sollen die Schwachen tragen, wie ein Grundstein die kleinen Steinlein trägt. Wer den Schwachen nicht aufnimmt, hat Christi Herz nicht, denn Christi Herz fühlt der Schwachen Jammer, und erbarmt sich; wer den Schwachen nicht dulden mag, kennt sich selbst nicht und vergöttert sich selbst. Ist mein Nächster schwächer als ich, will ich meine Stärke darin beweisen, dass ich mit ihm Geduld habe und ihn durch mich stärke. Fehlt er, will ich ein Mitleiden mit ihm haben, weil er ein Mitglied ist am Leibe Christi und ihm zurecht helfen mit sanftmütigem Geist. Ich will ihn nicht liederlich richten, sonderlich in Dingen, die das Gewissen nicht binden; vielleicht hat er eine gute Meinung, vielleicht gibt ihm Gott einen andern Sinn; ich will mich nicht über ihn erheben, noch frommer und besser halten als ihn; wer weiß, wie hoch er’s durch Gottes Gnade bringen werde, und was mir für ein tiefer Fall vorfällt? Ich will mit ihm in seiner Schwachheit umgehen, wie ich mir wünsche, dass Jesus in meiner Schwachheit mit mir umgehen möge. Ich will‘s tun. Gott helfe mir. 

 

227. 

VON EINEM HIMMLISCHEN HERZEN.

Herz aufwärts!

 

Herz aufwärts! Auf Erden ist keine Ruhe. Mag auch ein Schifflein ruhen auf dem ungestümen Meer? Wie die Erde in steter Bewegung, so ist das Irdische all beweglich; ein irdisch Herz ist unruhig, es fällt mit seiner Liebe und Begierde bald auf diese, bald auf jene Eitelkeit. Auf Erden ist keine Sicherheit. Wehe denen, die auf Erden wohnen, denn der Teufel kommt zu euch hinab, und hat einen großen Zorn, und weiß, dass er wenig Zeit hat Offenb. 12,12. Wohnst du mit deinem Herzen auf Erden, ist das Irdische ein Sitz deiner Liebe, o wie unsicher bist du! Ein Vöglein ist nirgends sicher als in freier Luft; lässt sich‘s zur Erde, wird‘s leicht gefangen. Wie manche Seele hat der Teufel durch die Liebe des Irdischen bestrickt und ins Sündennetz gezogen! Auf Erden ist keine Vergnügung; das Herz ist dreieckig, die Erde rund; kann auch eine runde Kugel einen dreieckigen Zirkel füllen? Was die Erde gibt, ist kein Bollwerk, sondern nur Stückwerk; sie gibt nur bei Tropfen, dem einen dies, dem andern das. Drum aufwärts! liebes Herz; trachte nach dem, das droben ist. Im Himmel findest du Ruh, da wohnt, der dir sein Herz zum Ruhkämmerlein anbietet und ruft: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid! In mir sollt ihr Ruhe finden für eure Seelen Matth. 11,28. Da findest du Sicherheit. Denn es ist ausgeworfen der Teufel und wird seine Stätte nicht mehr funden im Himmel, Offenb. 12,8. In himmlischen Seelen hat der Teufel keinen Sitz und kann ihnen keines anmachen. Da findest du deine Vergnügung und kannst mit Assaph sprechen: Herr, wenn ich nur dich habe, so frag ich nichts nach Himmel und Erde Ps. 73,25. Drum aufwärts! liebes Herz, hinauf nach deinem Schatz! Was die Erde hat, soll dir zu gering sein; so wenig das Erdenpünktlein den Himmel füllt, so wenig soll das Irdische deine Seele sättigen; wenn das Vollkommene kommt, hört das Stückwerk auf; wer ein Stück Goldes findet, verliert gern einen Heller; wer ein Königreich erbt, vergisst bald seines Strohhüttlein. Hinauf mit deinen Gedanken! Wie sich ein Bienlein unter den Blumen, so halte dich auf im Himmel. Himmelsgedanken, süße Gedanken; himmlischer Trost, süßer als Honig. Hinauf mit deiner Begierde! Lege dich als ein hungriges Hündlein unter Gottes Tafel nieder; wer weiß, ob er dich nicht mit einem süßen Bröcklein laben wird? Hinauf und seufze: Jesu, mein Trost, hör mein Begier; ach mein Jesu, wär ich bei dir! Was aufwärts soll, muss leicht sein. Das Schwere sucht den Grund. Drum hüte dich, dass dein Herz nicht beschwert werde mit Fressen, Saufen, Sorgen der Nahrung Luk. 21,34. Was aufwärts soll, muss leer sein, ein volles Fass sinkt. Entledige dich alles Irdischen, willst du des Himmlischen genießen. Je bittre Welt, je süßer Himmel. Was aufwärts soll, muss feurig sein. Das Feuer sucht die Höhe. Durch heilige Betrachtung und Andacht, durch Gebet, Gesang und allerlei geistliche Gedanken, wirst du im Geist angefeuert, den Himmel zu suchen. Ein geistlich Gespräch hilft auch dazu. Es bringt der Seele schnelle Flügel, damit sie sich gen Himmel schwingen kann. Wie oft wirst du im Gebet dermaßen entzückt, dass dir nicht anders zu Mute ist, als wärst du schon im Himmel, als hättest du Jesum schon in die Liebesarme gefasst, herztest und küsstest dich mit ihm, wie eine Braut mit ihrem Bräutigam! Ich weiß, dass ich von mir selbst mein Herz so wenig gen Himmel bringen kann, als sich ein Stück Eisen von sich selbst aufheben mag. Die Liebe Christi ist der Magnet, der das Herz himmelan zieht. Drum will ich mit der Braut immer seufzen: Zieh mich dir nach, so laufen wir. Amen. 

 

228. 

VON DEN KENNZEICHEN DES GEISTLICHEN LEBENS. 

Lebendig tot.

 

So nenn ich den falschen Christen. Den trifft‘s, was der Geist dem Bischof zu Sardes schreiben lässt: Du hast den Namen, dass du lebst, und bist doch tot Offenb. 3,1. Soll ich‘s beweisen? Höre. Was lebt, sucht seine Erhaltung. Die Pflanze saugt ihren Saft aus der Erde; der Mensch, sobald er geboren, eilt zu den Mütterbrüsten. Durch den Glauben lebst du geistlich. Des Glaubens Nahrung ist das Wort Gottes. Lebst du im Geist, so wirst du begierig sein nach der vernünftigen lautern Milch, als die jetzt gebornen Kindlein, 1 Petri 2,2., auf dass du durch selbige zunehmest; die Sorge, Mühe und Angst, mit welcher du der Eitelkeit also nachhängst, dass dir das Wort Gottes darüber leid wird, weist sattsam, dass du mit Christo zum neuen Leben noch nicht auferstanden bist. Was lebt, empfindet das, was ihm zuwider ist. Je lebhafter ein Mensch ist, je schmerzlicher empfindet er die Krankheit. Ein totes Aas wird‘s nicht fühlen, ob du ihm gleich viel Zentner auf seinen Rücken ladest. Lebst du geistlich, so wirst du deine Sünde fühlen, du wirst unter der Last mit David seufzen: Meine Sünden gehn über mein Haupt, wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer worden. Ich höre dich nie über Sünde klagen, als wenn du in der Heuchelbeichte sprichst: Ich bin ein armer Sünder. Wie kann ich denn glauben, dass du geistlich lebst? Was lebt, widersteht seinem Feind. Ein Wurm windet sich, wenn man ihn zertreten will. Welch ein Kampf erhebt sich in uns zwischen den natürlichen Kräften und der Krankheit, wenn‘s zum Tod geht! Lebst du geistlich, so wirst du empfinden, dass in dir der Geist wider das Fleisch streitet, als auch Paulus sagt: Den Geist gelüstet wider das Fleisch, und das Fleisch wider den Geist Gal. 5,17. Geschieht‘s, dass sich in dir Versuchungen zur Sünde aufwerfen und du stellst dich nicht zur Gegenwehr, sondern übergibst dem Fleisch die Herrschaft, so ist kein geistlich Leben in dir. Was lebt, siegt wider den Feind, wenn es ihm an Stärke überlegen. Der Geist muss ja stärker bei dir sein als das Fleisch. Denn das Fleisch wird genannt ein alter, der Geist ein neuer Mensch; junge lebhafte Leute, können alte abgelebte überwältigen. Nicht genug ist es, dass du streitest wider dein Fleisch, du musst auch siegen und durch den Geist des Fleisches Geschäfte töten. Was von Gott geboren ist, überwindet die Welt 1 Joh. 5,4. Du siegst nicht, sondern lässt dein Fleisch siegen, und tust, was dir gelüstet, bist schon übermannt und hast das Leben des Geistes nicht bei dir. Was lebt, das regt und bewegt sich. Ein totes Bild steht ohne Bewegung da. Aus dem Grund ermahnt Petrus: Macht keusch eure Seelen im Gehorsam der Wahrheit durch den Geist, zu ungefärbter Bruderliebe, und habt euch unter einander brünstig lieb aus reinem Herzen, als die da wiederum geboren sind, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort Gottes, das da ewiglich bleibt 1 Petr. 1,22.23. Ich seh dich ohne Übung rechtschaffener Gottseligkeit, drum glaub ich nicht, dass das Leben Gottes in dir sei, sondern halte dich für einen Bildchristen und toten Götzen. Was lebt, ist, wenn‘s zum Wachstum kommt, frucht- und zeugbar. Wie eine Flamme die andere, so erweckt ein Leben das andere. David verspricht im 51. Ps. V. 15: Ich will die Übertreter deine Wege lehren, dass sich die Sünder zu dir bekehren. Ich sehe nicht, dass du ein Licht im andern anzündest, so kann ich auch nicht glauben, dass in dir selbst ein Licht sei. Wer keinen Christen macht, ist nicht wert, dass er selbst ein Christ heißen soll. Was lebt, das ist warm. Tote Dinge sind an sich selbst kalt. Du brennst nicht, wenn dein Bruder wird geärgert, bist nicht brünstig im Geist, wenn du deinen Gottesdienst verrichtest, empfindest keinen Eifer, Gottes Ehre in allen Dingen zu befördern. Wie kann ich dich denn lebendig nennen, da ich dich tot finde? Was lebt, das wächst und nimmt zu. Tritt nicht der Mensch aus dem einen Alter ins andere? Wachsen nicht die Bäumlein immer fort, bis sie ihr Ziel im Wachstum erreichen? Du bleibst, wie du bist, nimmst mehr ab, als zu; ach, betrüge dich nicht mit dem Dünkel und Namen des Lebens; fürwahr, du bist lebendig tot! Gott mache dich durch Jesum lebendig! Amen.

 

229. 

VON DER GROSSMÜTIGKEIT DES REICHEN.

Gut hin, Mut hin.

 

Sprichst du. Nicht so, mein Christ, es muss anders lauten: Gut hin, Mut her. Beim Reichtum kann kein Mut sein. Furcht nimmt den Mut. Fürchtest du dich nicht, wenn du hörst die Worte deines Heilandes: Wie schwerlich werden die Reichen in das Reich Gottes kommen? Matth. 19,23. Schlägt nicht das Donnerwort deinen Mut nieder? Denkst du nicht, wie schwerlich du mit deinem Geldkasten werdest himmelan steigen und durch das enge Himmelstürlein eingehen können? Dornen sind die Güter dieser Welt, wer nicht vorsichtig damit umgeht, wird leicht verwundet. Gut hin, Furcht hin, Mut her, leichte Last, schneller Fuß, da eilt man zum Himmel. Sorge nimmt den Mut; wo ist mehr Sorge als beim Reichtum? Christus selber verknüpft mit einander die Sorge dieser Welt und den betrüglichen Reichtum Mark. 4,19. Wer Schätze sammelt, sammelt ihm Sorgen, sagt der vortreffliche jüdische Rabbi Gamaliel. Und der weise Seneca spricht im 80. Brief: Der Arme lacht öfter und herzlicher als der Reiche. Reichtum ist ein unruhig Ding, hört niemals auf sich selbst zu klagen. Große Sorge hat der Geizige im Gewinnen, größere im Vermehren und Bewahren, die größte im Verlieren. Gut hin, Sorg hin, Mut her. Fremde Beherrschung nimmt den Mut. Wo Reichtum ist, da bringt er die Herrschaft an sich und besitzt seinen Besitzer; er ist Herr, du bist sein Knecht, er hält dich so scharf und peinlich, dass er dich auch nicht satt essen und ruhig schlafen lässt und dir gar keine Ergötzlichkeit gönnt; ein Armer ist sein eigner Herr, kann essen, schlafen, wann er will und recht mutig sein; drum sprich nicht: Gut hin, Mut hin, sondern vielmehr, wenn du dich in Armut kleinmütig findest, Reichtum, sage, was suchst du? Mich verzagt zu machen? Durchaus nicht. Du gibst mir keinen Mut. sollst mir auch keinen nehmen, je kleiner Gut, je größer Mut. Hab ich nicht Gut, so hab ich Gott, an dem hängt mein Mut, nicht am Gut. In Gott musst du, mein Christ, allezeit gleichen Mut behalten, du seist arm oder reich; als die Armen, und die doch viel reich machen, als die nichts und die doch alles haben 2 Kor. 6,10. Ich will mein Herz auf Gott setzen und zusehen, dass ich den nicht verliere durch meine Sünde; fällt der hin, so wird mir gewiss das Herz auch entfallen. Bleibt mir der, soll mir der Mut auch bleiben, und hätt ich keinen Heller. Er ist mir mehr als alles Gut, an ihm lass ich mir genügen.

 

230. 

VON DER ARMUT.

Armut weh tut.

 

Hunger ist ein böser Rat. So höre ich dich oft klagen, mein Freund. Aber sag mir, wer hat dich arm gemacht? Du selbst oder dein Gott? Oder dein Nächster? Du warst faul und liebtest den Müßiggang; weißt du nicht, dass Müßiggang und Armut Mutter und Tochter sei? Du fuhrst unvorsichtig und verwegen im Handel. Vorwitz ist der nächste Weg zum Verderben; du lebtest üppig, es musste nach der Welt Manier gefressen, gesoffen, geprangt sein. Weißt du nicht, dass die Gaben Gottes verschwinden, wenn man sie verschwendet? Lieber, zürne nicht mit der Armut, sondern mit dir selber; klage nicht über die Bürde, die dich drückt, sondern über die Hand, so dieselbe ausgelegt, sie ist dein eigen, du hast dir eine Grube selbst gegraben; drum willst du murren, so murre wider deine Sünde. Hat dich aber Gott durch verhängte Land- und Stadtschaden, durch Krieg und Brand aus deinen Gütern gesetzt, so sei zufrieden, er hat ja Macht mit dem Seinigen zu tun, was er will; es war nicht dein, sondern dir nur geliehen. Sprich mit Hiob: Der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen, der Name des Herrn sei gelobt! Hiob 1,21. Vielleicht hat Gott gesehen, dass dir dein groß Gut mehr schädlich als förderlich zur Seligkeit. Ein kluger Hausvater schneidet den Hühnern die Flügel ab, damit sie nicht wegfliegen; Gott will dich gern selig haben, Reichtum verleitet dich von Gott. Nimmt Gott mit der einen, so gibt er mit der andern Hand wieder; Krieg und Brand segnet er mit milder Hand. Hat dich aber dein Nächster durch Unterdrückung oder Vervorteilung um das Deine gebracht, so beklagst du billig nicht deinen, sondern seinen Schaden. Unrecht leiden schadet nichts, sondern Unrecht tun. Ein schlechter Schade, Gut verloren. Ist‘s doch nur Staub, kannst du doch wieder was gewinnen, bleibt‘s doch in der Welt, hast du doch noch dein täglich Brot; aber ein Schade über allen Schaden, die Seligkeit verloren. Das beklage, dass unter den Christen so mancher stachlichter Dornenstrauch ist, der dem Nächsten allen Nahrungssaft entzieht und keinem etwas gönnt als ihm selbst. Die Juden litten keine Bettler, die Christen machen täglich Bettler. Gott sei‘s geklagt! Ich will über Armut nicht klagen. An der Gnade Gottes und meiner eigenen Vergnüglichkeit habe ich Reichtums genug. Nimmt mir Gott mein Gut? Wer kann wider Gott? Es ist sein und nicht mein, er mag damit schalten, wie er will. Bringt mich der Nächste um das Meine, ich will nicht zürnen, sondern vielmehr ein Mitleiden mit ihm haben. Denn er beleidigt sich mehr als mich; mich bringt er nur um mein Brot, sich selbst aber um seine Seligkeit. Gott, der mich will nähren, woll ihn bekehren! Amen.

 

231. 

VON DER KRAFT DES BLUTES CHRISTI.

Blut gegen Blut.

 

Die Bluthuld hebt die Blutschuld. Blutrot ist meine Sünde und macht mich vor Gott zum Greuel; blutrot ist auch mein Jesus. Blutrot in seiner Geburt, da er wie ein jetzt gebornes Kindlein im Blut seiner Mutter gelegen, blutrot in seiner Beschneidung, da er seine heiligen Blutströpflein als ein Angeld meiner Erlösung ausgezahlt; blutrot im Ölgarten, da er, wie ein Träublein unter Gottes Zornkelter gedrückt, Blut geschwitzt, ja, in Blut, Schweiß und Tränen geschwommen; blutrot in seiner Geißelung, da er an der Stäupsäule so viel blutgebender Geißelstreiche an seinem allerzartesten Leib aufgenommen; blutrot in der Krönung, da sein allerheiligstes Haupt vom stachligen Dorn durchstochen zum Blutbrunn geworden; blutrot am Kreuz, da ein großer Blutstrom aus seiner Seite entsprungen und seine Hände und Füße zu Blutröhren worden. Der blutrote Keltertreter, der mit rötlichem Kleide von Bazra kommen, Jes. 63,1.; das blutrote Purpurwürmlein, Ps. 22,7., das so jämmerlich gequetscht ist. Kränkt die Blutschuld, so tröstet die Bluthuld. Glaub ich an Jesum, so hab ich Gottes gnädigen Richterspruch schon vor mir: Wenn eure Sünde gleich blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden, und wenn sie gleich ist wie Rosinfarbe, soll sie doch wie Wolle werden Jes. 1,18. Was hätte teurer sein können, mich von Sünden zu erlösen, als das Blut des großen Gottes? In diesem Blut finde ich die Reinigung von allen Sünden; denn das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von allen Sünden 1 Joh. 1,7. Alle Ägypter ertranken im roten Meer; alle meine Sünde sühnt das Blut Jesu aus; ein Tröpflein dieses Blutes hätte an sich kräftig genug sein können, aller Welt Sünde zu tilgen, doch dass er der Gerechtigkeit genug täte und den Tod erlitte, hat er all sein Blut vergießen wollen. Wie reichen Trost hat hier der arme Sünder! Die Sünde ängstigt mich, das Blut Jesu kühlt die heiße Angst vom Herzen ab. Ich trete zu meinem Jesu und sage getrost: Ach Jesu, du Lämmlein Gottes, der du aller Welt Sünde trägst, nimm doch auch meine Sünde auf deinen Rücken; der du für alle Sünder dein Blut vergossen, lass es doch an mir armen Sünder nicht kraftlos noch verloren sein! Kommt der Teufel, will mich schrecken? Ich überwinde ihn durch des Lammes Blut Offenb. 12,11. Ist‘s nicht viel? Der Löwe muss vorm Lamm erschrecken; ein Tröpflein Bluts, im Glauben vorgezeigt, macht ihn flüchtig. Legt er mir vor mein schwarzes Sündenregister? Satan, ich leugne die Schuld nicht, aber tue einen roten Strich hindurch mit dem Blut Jesu, bezahlt ist alle Schuld; das Lösegeld, das Gott einmal hat angenommen, kann er nun nicht verwerfen; ein Mann ein Mann. Will mir der Tod eins anmachen? Dies Blut zeichnet meine Tür, das hält der Glaub dem Tode für, der Würger muss mir nicht schaden. Im Blute Jesu wasch ich mein Herz, wenn‘s besudelt ist, so wird‘s rein. Mit dem Blute Jesu färb ich meine Bußtränen, so sind sie vor Gott köstlich und kräftig; auf dies Blut verlasse ich mich, wenn Gott zürnen will. Die Juden riefen: sein Blut sei über uns! zur Schuld; ich rufe: sein Blut sei über mich! zur Huld. Bist du durstig nach dem Blut der Menschen, so bin ich durstig nach dem Blut Jesu. Täglich knie ich vor seinen Wunden nieder und seufze: 

 

O Jesu, voller Gnad, 

Auf dein Gebot und Rat 

Kommt mein betrübt Gemüte 

Zu deiner großen Güte; 

Lass du auf mein Gewissen

Ein Bluteströpflein fließen!

 

232. 

VOM STRAF- UND TROSTAMT DER PREDIGER.

Erst sauer, darnach süß.

 

Schrecklich, lieblich, so muss ein Diener Christi sein. Erstlich den Stachel, darnach Honig; zuvor die Rute, darnach Manna; erstlich Wein, darnach Öl; erstlich niedergeschlagen, verwundet, getötet, darnach aufgerichtet, geheilt, lebendig gemacht; erstlich die Hölle, darnach den Himmel gepredigt. Hirten nennt sie Christus, Joh. 10,12.; drum müssen sie beides, den Stab „Weh“ und Stab „Sanft“ zur Hand haben. Ruderknechte nennt sie Paulus, 1 Kor. 4,1., und will, dass sie vorsichtig fahren sollen, damit das Schifflein Christi durch die gefährlichen Klippen der Sicherheit und der Verzweiflung unverletzt hindurch gebracht werde; auf jener Seite müssen sie rudern mit der gewaltigen Hand Mosis, auf dieser mit der linden und sanften Hand Christi. Du tröstest immer; ruderst nicht recht; wie viel werden bei deinem Trost sicher und ruchlos! Der alte Mensch muss gestöckt und geblöckt werden, sonst wird er mutwillig und dient dem Teufel. Du schiltst immer; ruderst auch nicht recht; wie viel geraten dadurch in Verzweiflung! Der neue Mensch will Trost und Labsal haben, sonst wird er träg zum Guten. Erstlich gescholten, darnach getröstet, so geht‘s recht. Der Trost kommt dem Herzen zur Unzeit, das seinen eigenen Schmerz nicht empfindet. Vergeblich heilt der Arzt, wenn man von keiner Krankheit wissen will. Das ist die rechte Weise eines jeden treuen Gottesdieners, dass er dir erst zu erkennen gebe, worüber du entweder klagst oder klagen solltest, und dann hernach den Trost zueigne. Gleichwie ein guter Arzt erstlich die Patienten schwach macht mit Arzneien, und dann denselben auch wieder durch Herzstärkung aushilft. Moses muss vorhergehen und Christo den Weg bereiten. Denn Christus kann nicht zudecken, wo Moses nicht zuvor aufgedeckt hat. Was das Gesetz nicht beschuldigt und verdammt, das kann das Evangelium nicht entschuldigen und selig machen. Das Gesetz gehört in steinerne Tafeln. Ist das Herz verstockt, steinhart und ruchlos, muss Moses blitzen und donnern, vom Tod und Teufel predigen, bis es zermalmt, vor Angst nicht zu bleiben weiß. Gleichwie keine Geburt ohne Schmerzen abgeht; so auch keine rechtschaffene Buße ohne Schrecken des Geistes und Ängstigung des Gewissens. Wenn Angst da ist, so sucht man Jesum, und eilt wie ein lechzender Hirsch nach dem Trostbrunnen Israels. Christus ist mit seiner Gnade keinem angenehmer, als den das Gesetz zerbrochen hat. Ein pharisäischer voller Magen, der mit eingebildeter eigner Gerechtigkeit schwanger geht, zertritt den Honigseim der tröstlichen Gerechtigkeit Christi. Durch das Schrecken des Gesetzes muss die Sündenlust in dem Herzen gedämpft werden. Wer einmal geschmeckt hat, was Höllenangst im Gewissen sei, wird nicht leichtlich in eine Sünde willigen. Wenn dann Moses das Seine getan, so muss Jesus zutreten und heilen, was Moses hat verwundet; hat Moses in die Hölle geführt, muss Jesus wieder herausführen. Wer ein trauriges Herz verzagen lässt, der lässt es im Tode stecken, und ist sein Seelenmörder. Darnach prüfe deine Lehrer. Wer nicht Gesetz und Evangelium also zusammen treibt, dass er durch den Buchstaben tötet, darnach durch den Geist wieder lebendig macht, der dient seinem Herrn Jesu nicht treu, und bringt dich um deine Seligkeit. Pharisäer sind sie, und tünchen mit losem Kalk, die dir das Gesetz nicht schärfen, sondern dich bei allen deinen Sündengreueln mit evangelischem Trost fein warm zudecken, dass du an deiner Seligkeit nicht zweifelst, ob du gleich in tausend Sünden lebst; Pharisäer sind sie, die dich eher lösen, ehe sie dich gebunden, und eher trösten, ehe sie dich betrübt haben. Sie verdammen sich und dich. Gott erbarm sich‘s. 

 

233. 

VON DER MACHT DES TODES.

Also muss man des Todes Bitterkeit vertreiben.

1 Sam. 15,32. 

 

Sprach Agag, der Amalekiter König, da ihn Samuel wollte in Stücken zerhauen lassen. Wie manch Weltkind springt dem Tod mit keckem Mut unter die Augen und spricht auch wie Agag: Ich fürchte mich im Geringsten vorm Tod nicht; aber weit gefehlt. Auf solche Weise lässt sich des Todes Bitterkeit nicht vertreiben. Der Tod ist so ein Gast nicht. Du kennst ihn noch nicht. Du bist wie ein Blinder, der auf eine grausame Grube zuläuft, die er nicht sieht. Ist nicht die Sünde des Todes Stachel? Dienst du nicht der Sünde? O, sei nicht so verwegen, der Stachel ist noch da. Ich setze, du liegst in Todesnöten, dir kommt vor die Menge deiner Sünden, siehst auch vor Augen, was die Sünde mit sich bringe, nämlich ewigen Fluch, ewiges Verderben. Die Hölle sperrt ihren Schlund auf, der Tod will dich hinein stürzen, kannst keinen Trost finden wider deine Sünde. Sag mir, wie würde dir wohl zu Mut sein? Würdest du nicht die Bitterkeit des Todes schmecken? Würdest du nicht seinen Stachel empfinden? Das Beißen und Ängstigen im Gewissen ist des Todes Bitterkeit. O weh dem, der sie schmecken soll! Wie selig ist, der ins Reich Christi versetzt ist, aus dem Tod ins Leben! An dem findet der Tod kein Recht noch Macht; wer an mich glaubt, spricht der Herr, der wird leben, ob, er gleich stürbe; und wer da lebt, und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben Joh. 11,25.26. Wenn Sünde, Tod und Teufel beieinander stehen, das gibt eine erschreckliche Gestalt. Der Tod nimmt seine Macht vom Teufel, der Teufel von der Sünde. Wenn aber die Sünde abgetreten ist, und Tod und Teufel allein bleiben, stehen sie wie ein großer Riese, dem sein Spieß genommen, und die Arme gelähmt sind. Wer wollte sich davor fürchten, da Christus hat die Sünde weggenommen, und also durch seinen Tod zunicht gemacht den, der des Todes Gewalt hatte? Ebr. 2,14. Dadurch ist auch dem Tod sein Stachel genommen, und ist er nur ein toter Tod. Nun geht‘s mit Tod und Teufel, wie mit einem gräulichen Wurm, dem der Kopf zertreten ist. Wenn ich dessen zuerst ansichtig werde, erschrecke ich; merk ich aber, dass er tot da liegt, fürcht ich mich nicht mehr. Es fürchte sich immerhin, der den Tod samt seinem Stachel sieht; ich seh ihn ohne Stachel und darf mich nicht fürchten. Des Todes Stachel sticht mich nicht. Den Stachel hat er verloren. Alleluja! Alleluja! 

 

234.

VOM WAHREN GLAUBEN.

Sicherheit ist kein Glaube.

 

Du sprichst: Ich bin ein Christ, ich bin getauft, ich hab mich nicht zu fürchten. Mein, denke nicht, dass das ein wahrer Glaube sei. Die Schrift ruft: Dient dem Herrn mit Furcht, und freuet euch mit Zittern Ps. 2,11. Und abermal: Schaffet, dass ihr selig werdet mit Furcht und Zittern Phil. 2,12. Ach, du stehst auf schwachen Füßen, wie leicht kannst du fallen; wenn‘s dann dahin kommt, dass du wider das Gewissen sündigst, was hast du zu gewarten? Das Urteil ist schon gesprochen beim Ezechiel am 18. Kap. V. 24.28. Wo sich der Gerechte kehrt von seiner Gerechtigkeit, und tut Böses, sollte er leben? Ja, aller seiner Gerechtigkeit, die er getan hat, soll nicht gedacht werden, sondern in seiner Übertretung und Sünde, die er getan hat, soll er sterben. Wenn der Gerechte sich kehrt von seiner Gerechtigkeit, und tut Böses, so muss er sterben. Wahr ist es, wenn‘s ein Christ versieht, und sein Gewissen verletzt, und alsofort aufsteht, mit Petro seinen Fall bitterlich beweint, dass damit der Glaube alsbald zu seiner vorigen Kraft wieder komme; aber wahr ist es auch, dass eben in dem Augenblick, darin er sein Gewissen verletzt, und in eine Sünde willigt, der Glaube verlösche; und sollte er in einem solchen Augenblick sterben, kann ihm niemand für seine Seligkeit gut sagen. Wer fällt, der ist gefallen, und sieht nicht, ob er sich schon alsofort wieder aufrichten kann. Mein Christ, fürchtest du dich noch nicht? Erkenne deine Schwachheit; wie leicht ist‘s mit dir geschehen! Wer sich lässt dünken er stehe, mag wohl zusehen, dass er nicht falle 1 Kor. 10,12. Siehst du einen andern fallen, gedenke, dass du ebenmäßig fallen könntest. Fürchte Gott, und wandle behutsam, dass du nicht etwas wider sein Wort tust. Prüfe dich oft, ob es dein Herz recht meine, und du auf gutem Wege seist. Geschieht‘s, dass du von einem Fehl übereilt wirst, so trag doch kein Belieben zur Sünde, verharre nicht drinnen, sondern eile mit Petro hinaus und weine bitterlich, richte dich wieder auf durch die Versöhnung im Blut Jesu Christi; neben diesem vergiss nicht im steten Gebet anzuhalten, dass Gott deinen Glauben bewahre, damit er nicht aufhöre, dass er dich ja nicht verwerfe, wenn du fällst und dich in deinen Sünden nicht wegnehme, sondern nach seiner großen Barmherzigkeit allezeit wiederum aufrichte, und Zeit zur Buße gönne. Folgst du diesem, so kannst du in gutem Vertrauen mit Paulo sagen: Ich bin gewiss, dass mich nichts scheiden kann von der Liebe Gottes, die da ist in Christo Jesu. Ich will nicht mutwillig wider das Gewissen in Sünden verharren, sonst verdamm ich mich selbst, und bezeuge, dass ich billig umkomme. Falle ich aber aus Schwachheit, sollt‘s auch ein schwerer Fall sein, hab ich doch die Zuversicht zu meinem Gott; er werde mich wieder aufrichten. Ich will mit zerknirschtem Herzen und zerschlagenem Geist vor sein Angesicht treten, Jesum in die Glaubensarme fassen und seufzen: Ach, Vater, um dieses deines Kindes willen sei mir gnädig! dabei aber nicht eher sicher sein, als wenn ich in meiner letzten Stunde abdrücke, und mit Paulo sage: Gott Lob! Ich habe meinen Lauf vollendet 2 Tim. 4,7.

 

235. 

VOM ADEL DES LÜGNERS.

Die Frucht artet nach dem Stamm.

 

Wie der Vater ist, so ist auch das Kind. Ein böser Vogel legt ein böses Ei. Frömmigkeit kann kein Vater seinem Kinde geben, denn die lässt sich nicht fort-, sondern einpflanzen; was die verderbte Natur nicht hat, kann sie auch nicht geben. Bosheit erben wir unsern Kindern an, die unser eigen ist von Adam her. Die Kinder, gleichwie sie in der Empfängnis die Gebrechen, also nehmen sie auch die Laster ihrer Eltern an. Du verwunderst dich, wenn ein frommer Vater böse Kinder hat. Was Wunder? Frömmigkeit ist kein Erbgut. Das Körnlein wird rein gesäet, aber es wächst hervor mit Spreu und Strohhalmen. Hast du ein gut Kind, spricht ein tiefsinniger Mann, das ist Gottes und nicht dein; hilf durch deine Sorge, Fleiß und Gebet dämpfen, das du ihm gegeben hast, und von Gott erlangen, das du hast und nicht geben kannst. Wiederum wär‘s groß Wunder, wenn von Mann und Weib ein Kind geboren würde, das nicht böse wär. Ein Bild gebärt das andere, spricht man, und der Spiegel bekräftigt‘s; wer zeugt, der zeugt ein Bild, das ihm ähnlich ist. Adam zeugte einen Sohn nach seinem Bild und Gleichnis, so verderbt, bös und unartig, als er selbst war. Hingegen was vom Geist geboren ist, das ist Geist Joh. 3,6. Die von Gott geboren sind, sind göttlicher Natur teilhaftig, 2 Pet. 1,4.; sind heilig, wie er auch heilig ist, sind barmherzig, wie ihr Vater barmherzig ist, Luk. 6,36.; sind vollkommen, wie ihr Vater im Himmel vollkommen ist, Matth. 5,48.; sind Gottes Nachfolger, als die lieben Kinder, Eph. 5,1. Weißt du, wo ich hinaus will, mein Christ? Ich will dir zeigen, wie der Lügner geartet sei. Der Teufel ist ein Lügner, sagt Christus, und ein Vater der Lügen Joh. 8,44. Wie der Vater, so ist auch das Kind; der Lügner ist ein Teufel, nicht besser als sein Vater. Der Lügner in der Kappe ist der Teufel, verstellt in einen Engel des Lichts. Der Teufel ist Gottes Feind, der Lügner auch. Lügenpfeile, Mordpfeile. So nennt sie David hin und wieder in seinen Psalmen. Der Teufel ist die ärgste Kreatur unter allen; der Lügner auch. Fragst du, warum? Weil er, selbst arg, alles verärgert, gleich den tollen Hunden, die alles, was sie angreifen, vergiften. Dem Teufel ist die Hölle gebaut; dem Lügner auch, denn Lügen gehört zu dem alten Menschen und der alte Mensch zur Hölle. Lügt nicht unter einander, spricht Petrus, zieht den alten Menschen mit seinen Werken aus. Der Teufel trägt seine Hölle allenthalben mit sich herum, darum er auch von S. Jakob die Hölle selbst genannt wird. Was ist dem Lügner das böse Gewissen anders, als eine Hölle? Seine Verdammnis ist um und bei ihm. Der Teufel ist Gott und Menschen feind, der Lügner auch. Gott bekehre ihn!

 

236. 

VOM GEDEIHEN GUTER UND BÖSER RATSCHLÄGE.

Böse Ratschläge gehen selten zurück.

 

Und gute Ratschläge gehen selten fort. Der gute Same fällt öfters auf den Weg und wurzelt nicht, aber das Unkraut missrät selten. Weißt du, warum? Die Natur ist zum Bösen geneigt, dem Guten feind. Leicht ist‘s mit, schwer wider den Strom zu schwimmen. Zum Bösen haben wir viel Hilfsmittel, am Guten viel Hindernisse. Mein Christ, du wirst‘s erfahren. Ist‘s Werk vom Teufel, es wird guten Fortgang haben. In deinem eignen Fleisch hat der Teufel die größte Stärke wider dich. Auch kommt ihm die Welt zu Hilfe, die Braut dem Bräutigam. Ist‘s Werk von Gott, es wird viel Hindernis haben, und wohl gar stecken bleiben. Denn Gott braucht keiner Gewalt, sein Werk fortzusetzen, sondern will, dass das Gute mit freiem Willen getan werde. Wo sind aber die neune? Du verwunderst dich oft, dass dein Vorhaben zurückgeht, und war doch zur Ehre Gottes angesehen. Ja eben darum, weil‘s Gottes Ehre traf, musst es zurückgehen. Teufel, Welt und Fleisch suchen Gottes Ehre nicht zu fördern, sondern zu hindern. Wie? Ist denn der Teufel mächtiger als Gott? Nein. Eine zugelassene Macht ist nicht dessen, der sie braucht, sondern der sie gibt und zulässt. Gott wird nicht vom Teufel übermächtigt, sondern hält willig und aus gerechtem Gericht seine Macht ein, dass die, so sein Werk zu hindern gedenken, durch ihr eigen Werk sich selbst ins Verderben setzen, gleich denen, die mit eigenen Händen ihnen selbst eine Grube graben zum Fall. Du hast dein Verderben nicht Gott zugemessen, sondern dir. Er hat dein Bestes gesucht, du hast‘s gehindert. Nimm deß ein Exempel. Gott hat oft im Sinn, einer Stadt einen guten Regenten zu geben, erweckt fromme Herzen, die nach ihm seufzen und seine Beförderung mit Ernst suchen. Was tut der Teufel? Er merkt, dass sein Reich wird verstört werden; drum ergrimmt er in seinen Schuppen, und tobt heftig dawider. Was denkt Gott? Es mag so sein, wer kann der Welt helfen ohne ihren Dank? Israel, dein Verderben ist aus dir selbst. Ärgere dich nicht, mein Herz, wenn du siehst, dass des Teufels Bubenstücke ihren Fortgang haben, das muss so sein. Dem Teufel dient alle Welt um die Hölle. Doch wisse gleichwohl, dass, was Gott haben will, kein Teufel hindern könne. Lässt Gott zu, dass sein Werk gehindert werde, so geschieht‘s gewiss der Welt zur Strafe und dir zum Besten. Drum lass Gott walten.

 

237. 

VON DER EHRE GOTTES.

Das Werk lobt den Meister.

 

Weß ist das gute Werk, das du tust, dein oder Gottes? Weß ist das schöne Haus, das da gebaut steht, der Axt oder des Zimmermanns? Du bist nur die Werkstatt, das Werkzeug; Gott ist der Meister, der in dir zum Guten schafft beides, das Wollen und das Vollbringen. Die Ehre gebührt dem, dem das Werk zugehört. Drum soll man dich nicht loben, sondern Gott und sein Werk soll man in dir loben. Genug ist‘s, dass man dich preist als ein Werkzeug, dadurch Gott große Dinge getan hat. Du betest täglich aus des Herrn Munde: Dein Name werde geheiligt! Sage mir, verstehst du auch, was du betest? Heilig heißt, das abgesondert, Gott zugeeignet ist, das niemand angreifen und beflecken, sondern jedermann in Ehren halten soll. Name heißt Ruhm, Lob, Ehre. Von dem Namen Gottes sollst du dich enthalten, dass du ihn nicht antastest und dir zueignest. Lässt du dich rühmen oder ehren, so verunheiligst du den Namen Gottes. Wie gern hast du es, dass man dich um deiner guten Werke willen lobt! Ein andrer tut das Werk, ein andrer will den Namen davon haben; ist das recht? Die Biene macht den Honig, die Hummel frisst ihn auf, ist‘s recht? Du nennst einen Diebstahl, wenn man dir nimmt, was du durch deine Arbeit erworben, da doch nicht deine Arbeit, sondern Gottes Segen dir alles gibt. Sollt‘s nicht ein viel schändlicher Diebstahl sein, wenn du Gott die Ehre raubst, die er sich zuweg gebracht hat durch seine Werke? Ei, sprichst du, soll ich Gutes tun, und weder Lob noch Lohn davon haben? Mein Christ, fürcht dich nur nicht, deine Arbeit im Herrn wird nicht vergeblich sein, den Lohn lässt Gott dir, das Lob sollst du ihm lassen. Tut Gott nicht alles allein in deinen Werken? In ihm lebst, webst und bist du; ohne ihn könntest du keine Hand regen, keinen guten Gedanken haben; dennoch lässt er dich zu gleichem Teil gehen, er nimmt das Lob, lässt dir den Lohn. Ja, wenn ich recht bedenke, lässt‘s dir Gott ganz. Du wirst ja dermaleinst ein Lob bei Gott haben 1 Kor. 4,5. Wie hoch wird der Richter Jesus die Werke deiner Barmherzigkeit rühmen am jüngsten Tage! Matth. 25. Auch hat er’s gern, dass Menschen die Gnade, so er in dich gelegt und durch dich beweist, erkennen, und dich als sein Werkzeug loben, wenn ihm nur der Meisterruhm allein gelassen wird; sonst bleibt er nicht Gott, sondern du trittst in seine Stelle. Das allerbeste ist, dass wir uns und all das Unsrige gering, zunicht machen; halten wir von uns selbst viel und suchen Ruhm bei Menschen, so kann Gott bei uns nicht groß sein; je mehr wir an uns selbst abnehmen, je mehr nimmt Gott zu. Drum, mein Herz, erniedrige dich selbst, damit Gott groß werde, und sprich mit dem Täufer Johannes: Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen Joh. 3,30. Hast du was, so hast du es nicht von dir selbst, sondern von Gott; kannst und tust du was, so ist das Vermögen und Werk nicht dein, sondern Gottes, dem gönne die Ehre und sprich: Wer bin ich? Von der lautern Gnade Gottes bin ich, was ich bin; es genügt mir, dass Gott mich armes Würmlein zu seinem Werkzeug gebraucht, und noch etwas Gutes durch mich ausrichtet, ich achte mich da zu unwürdig. Ich will Gott die Ehre geben, die ihm gebührt. Das Werk ist sein, der Ruhm soll auch sein sein. Nicht mir, Herr, nicht mir, sondern deinem Namen gib die Ehre!

 

238. 

VON DER VERACHTUNG GÖTTLICHEN WORTES.

Ach! Halt, wer halten kann!

 

Verachtet man, so ist‘s verloren. Das liebe Wort Gottes mein ich, und die Gnade, so uns darin angetragen wird. Lieben Christen, kauft, weil der Markt vor der Tür ist; sammelt ein, weil die Sonne scheint und gut Wetter ist; braucht der Gnade Gottes und seines Wortes, weil‘s da ist. Gottes Wort und Gnade ist wie ein fahrender Platzregen, der nicht wieder kommt, wo er einmal gewesen ist. Er ist bei den Juden gewesen; aber hin ist hin, sie haben nun nichts. Paulus bracht ihn in Griechenland; hin ist hin, nun haben sie die Türken. Rom hat ihn auch gehabt; hin ist hin, sie haben nun den Papst. Und ihr dürft nicht denken, dass ihr ihn ewig haben werdet. Der Undank und die Verachtung wird ihn nicht lassen bleiben. Drum greif zu und halt, wer halten kann, faule Hände müssen ein bös Jahr haben. Ach! Mir tränt das Herz im Leib, wenn ich bedenke, wie schändlich das Wort Gottes verachtet wird. Mich dünkt, ich sehe von ferne, was Gott im Sinne habe. Weil du im Licht nicht wandeln willst, wird er das Licht wegnehmen und dich mit Blindheit schlagen. Oder ist Deutschland besser als andere Länder? Gott tut dir kein Unrecht, weil du das Wort so schnöd verachtest, und mit deinem heidnischen Wandel vor aller Welt zu Schanden machst. Wie dankst du, wenn dir jemand einen Taler zuwirft? Wenn Gott sein Wort predigen lässt, und sein ganzes Himmelreich anbeut, finden sich so wenig, die sich dessen freuen und hineinbegehren. Sollte Gott nicht endlich müde werden, dir seinen Schatz länger nachzutragen? Wie bald ermüdest du, wenn dir kein Dank wird für deine Wohltaten? Gott hat nicht allein keinen Dank, sondern noch dazu großen Undank zum Lohn, und sollte nicht müde werden, dir seine Gnade nachzutragen? Ich verwundre mich über Gottes Langmut. Ach, greife zu, weil Gott noch die Gnadenhand ausstreckt, wer weiß, wie lange? Halte doch, wer halten kann. Haltet, liebe Christen, mit dem Munde, und hört nicht auf zu seufzen: Erhalte uns, Herr, bei deinem Wort! Haltet mit den Händen und tut die Werke, die Gott in seinem Wort erfordert. Wozu nützt ein Wegzeiger, wenn man nicht folgen will? Wozu ein Licht, wenn man Lust hat, in der Finsternis zu bleiben? Ach, Herr, was sind wir arme Würmlein, wenn wir dein Wort nicht haben? Besser nie geboren, als dein Wort verloren. Was will uns dann trösten, stärken, erleuchten, selig machen, wenn‘s dein Wort nicht tut? Ach, Herr, nimm ja nicht im Zorn von uns den Schatz deiner Gnade. Gib ein sehendes Auge und ein hörendes Ohr, um Jesu willen! Amen. 

 

239. 

VOM REICHEN KINDERSEGEN.

Viel Kinder, viel Rinder.

 

Du sprichst: Ach, dass mir Gott so viel Kinder gibt. Ich unglückseliger Mensch, wie will ich sie nähren? Viel Zähne, wenig zu beißen; viel um den Tisch, wenig auf dem Tisch. Pfui, schäme dich ins Herz, du schnöder Unglaube! Hältst du das für ein Unglück, was Gottes Wort einen Segen nennt? Kinder sind eine Gabe Gottes; gibt Gott dir Unglück? Wenn David spricht im 128. Ps. V. 3.4.: Dein Weib wird sein wie ein fruchtbarer Weinstock um dein Haus herum, deine Kinder wie Ölzweige um deinen Tisch her; tut er fort hinzu: Siehe, also wird gesegnet der Mann, der den Herrn fürchtet. Was machst du aus Gottes Segen? Wie man in dem Lande, da die Ölbäume wachsen, junge Ölbäumlein um den Tisch herum zu pflanzen pflegt, und daselbst unter ihrem Schatten im Grünen zu essen, weil junge Oliven sonderlich eine gesunde Frucht sind, so steht‘s fein, wenn fromme Kinder, aus unbeflecktem Ehebette gezeugt, um den Tisch her sitzen, oder vor dem Tisch in der Reihe stehen und beten. Und wie ein Ölbaum, weil er feist ist, nicht leicht veraltet, sondern etliche hundert Jahre immer grünt, und daher ein Zeichen der Unsterblichkeit ist; also sehen die Alten an ihren Kindern, wenn Gott das Geschlecht erhält, lebendige Bildnisse ihrer Unsterblichkeit. Ist es nicht zu bedauern, dass dir deine Kinder so unlieb sind? Es soll dir kein Ding lieber sein, als dass du nur könntest eine Seele Gott zuführen. Was ist es aber, wenn dir Gott die Seelen in den Schoß setzt, die von deinem Leib ehrlicherweis gezeugt sind, dass du dieselben verachtest? Luther schilt‘s für Unglauben, wenn die Leute sagen, wie kann ich mich mit Weib und Kind ernähren? Es ist Unglaube, spricht er, und Zweifel an Gottes Güte und Wahrheit. Sie trauen, so lang sie wissen, dass sie Gottes nicht bedürfen, und Vorrat haben. Sie wollen des Gutes sicher sein, wo sie essen, trinken und Kleider nehmen. Ja, sie wollen den Kopf aus der Schlinge ziehen 1 Moses 3,19. Im Schweiß deines Angesichts etc. Christliche Eheleute sollen Gott sorgen lassen, wie sie mit ihren Kindern ernährt werden. Gott macht Kinder, der wird sie auch wohl ernähren. Das ist es, was ich sag: Gibt Gott Kinder, so gibt er auch Rinder. Deine Kinder essen mit dir nicht, sondern du isst mit deinen Kindern. Wie oft legt dir Gott heimlich einen Segen in Küch und Keller um des Säuglings willen, aus dessen Mund er sich eine Macht hat zugerichtet! Lass dein Sorgen, bist du klug, und gewöhn dein Kind zur Gottesfurcht. Kann‘s beten, es wird dir fürwahr manchen Segen vom Himmel herab beten. Glaube mir, dass viele Eltern verderben, weil sie keine Kinder haben, die für sie beten können; und dass viel erhalten werden, weil sie Kinder haben, die wohl beten können. Bei vielen Kindern ist oft viel Fluchs. Willst du bei deinen vielen Kindern viel Segens haben, so hilf dazu, dass sie fromm und selig werden. Gott helf dir!

 

240. 

VON DEN ÜBLEN BEZAHLERN.

Trotz Kaiser.

 

Wo nichts ist, da hat der Kaiser sein Recht verloren, spricht mancher, wenn er zahlen soll, was er geliehen. Der Gottlose borgt und bezahlt nicht Ps. 37,21. Man hat, die aus Not leihen, bezahlten wohl, wenn sie der Tod nicht übereilte, oder durch Gottes Verhängnis um das Ihre kämen. Ein Gottseliger gerät oft in Schuld ohne seine Schuld, und ist ihm ein groß Kreuz, dass er nicht wiedergeben kann, was er geborgt; er seufzt darüber zu Gott, der zahlt seinen Schuldherrn anderweit mit reichem Segen. Andere borgen mutwillig, haben nie die Meinung zu zahlen, gedenken dadurch eine glückliche Nahrung zu finden. O des schnöden Betrugs! Ungerechtigkeit baut dir keine Häuser, sondern verwüstet sie. Gott will durchaus gezahlt haben, was man schuldig ist. Drum versah er durch Elisäus jene Witwe mit Öl, dass sie ihre Schuld zahlen sollte. Aus christlicher Liebe ist man schuldig zu leihen, das ist Barmherzigkeit. Man ist aber auch schuldig zu bezahlen, das ist Gerechtigkeit. Wer borgt, und nicht zu zahlen gedenkt, begeht eine dreifache Sünde. Er versündigt sich an Gottes Gesetz: Du sollst nicht stehlen; borgen und nicht zahlen wollen ist ein schändlicher Betrug und Diebstahl. Er versündigt sich an sich selbst, indem er seinen Glauben, Ehr und Redlichkeit so liederlich verscherzt, die doch teurer ist, denn alles Geld. Er versündigt sich an seinem Nächsten, den er um sein Gut, auch, so Verzweiflung dazu stößt, um seine Seligkeit bringt. Sirach gibt sowohl dem Leiher als Borger gar christliche Erinnerungen, wenn er spricht: Wer seinem Nächsten leiht, der tut ein Werk der Barmherzigkeit, und wer Güter hat, der soll solches tun. Leihe deinem Nächsten, wenn er’s bedarf, und du anderer gibs auch wieder zu bestimmter Zeit; halt, was du geredet hast und handele nicht betrüglich mit ihm, so findest du allezeit deine Notdurft. Mancher meint, es sei gefunden, was er borgt und macht den unwillig, der ihm geholfen hat. Er küsst ihm die Hand, dieweil man ihm leiht und redet so demütiglich um des Nächsten Geld; aber wenn er’s soll wiedergeben, so verzieht er und klagt sehr, es sei schwere Zeit etc. Sirach 29,1 –7. Noch eins. Ihr Reichen seid Gottes Schuldner. Gott hat euch seine Güter nicht gegeben, sondern nur geborgt, und will bezahlt sein in seinen dürftigen Kindern. Wer viel borgt und nicht bezahlt, gedenkt nicht lang im Gute zu sitzen. Zahlt ihr Gott nicht, was ihr ihm schuldig seid, euer Gut wird ein böses Ende nehmen und wie der Rauch vergehen. Wer gibt, der hat. Wo borgen und nicht bezahlen einzieht, da zieht Kredit aus.

 

241. 

VON DER KINDERZUCHT. 

Ein junges Bäumlein lässt sich ziehen.

 

Nicht so ein alter Stamm. Wie kommt‘s, dass jetzt der jungen ungezogenen Leute in allen Ständen so ein großer Haufe ist, dass geschickte Leute so dünn gesäet, und allenthalben die Klage, es fehle an Leuten? Ich will dir‘s sagen. Wie du die Deinen ziehst in der Jugend, so hast du sie im Alter. Geschickte, wackere Leute wachsen nicht auf den Bäumen, man haut sie nicht aus Steinen, man schnitzt sie nicht aus Holz, auch wird Gott keine Wunder tun und sie von neuem schaffen, weil man der Sachen durch andere gute Mittel raten kann. Du musst selbst dazu tun und Mühe anwenden, sie durch eine gute Zucht geschickt zu machen. Ach, wie große Schuld hat am Mangel geschickter Leute die Obrigkeit, wenn sie das junge Volk lässt aufwachsen, wie das Holz im Walde, und nicht Acht hat, wie man‘s lehrt oder zieht! Drum wächst es so unordentlich, dass es zu keinem Bau, sondern nur, als ein unnütz Geheck, zum Feuerwerk tüchtig ist. Es muss doch weltlich Regiment bleiben, schreibt Dr. Luther. Soll man denn zulassen, dass eitel Rülze und Knebel regieren, da man‘s wohl bessern kann? Ist ja ein wild unvernünftiges Vornehmen. So lass man eben so mehr Säu und Wölfe zu Herren machen und setzen über die, so nicht denken wollen, wie sie von Menschen regiert werden. So ist‘s auch eine unmenschliche Bosheit, so man nicht weiter denkt, denn also: wir wollen jetzt regieren; was geht‘s uns an, wie es denen gehen werde, die nach uns kommen? Nicht über Menschen, sondern über Säu und Hunde sollten solche Leute regieren, die nicht mehr denn ihren Nutzen oder Ehre im Regiment suchen. Wenn man gleich den höchsten Fleiß anwendet, dass man viel feine, gelehrte, geschickte Leute erzöge zu regieren, es würde dennoch Müh und Sorge genug haben, dass es wohl zuginge. Wie soll es denn zugehen, wenn man da gar nichts zu tut? Eltern haben auch nicht wenig Schuld an der üblen Auferziehung ihrer Kinder; sie bauen selbst nicht dran durch heilsamen Unterricht, bestellen auch keine anderen zum Bau, ja reißen oft durch ärgerlichen Vortritt an ihnen nieder, was andere durch heilsamen Unterricht aufgebaut. Mancher will seinem Kinde keinen Präceptor geben, spart die lieben Heller, hat das Rind lieber als das Kind, denkt ein Gold und Silberschatz sei besser als ein Tugendschatz. Aber weit gefehlt; Tugend geht über Gold, mit keinem Gold kann man Tugend kaufen, Tugend aber kann wohl Gold erwerben. Was ist‘s? Gold gegeben, Gott genommen; du nimmst deinem Kinde mehr als du ihm gibst. Andre halten ihren Kindern zwar Präceptoren, haben aber keine Aufsicht weder selber noch durch andere darauf, was sie ihnen eintröpfeln, und ob sie nicht mit Exempeln an ihnen mehr niederreißen, als sie mit Worten bauen. Solche Eltern sind der Kinder Mörder und nicht wert, dass sie Eltern heißen sollen. Mein Christ, schneide, binde, biege, pfropfe, weil das Bäumlein noch jung ist. Er wird dir hernach schöne Früchte tragen, du wirst‘s erfahren.

 

242. 

VON HOHEN EHRENSTÄNDEN.

Ein Zwerg ist ein Zwerg.

 

Und stünd er auf der Spitze des höchsten Berges. Ein Riese ist ein Riese und stünd er in der tiefsten Grube. Die Welt urteilt von der Person nach dem Stande. Ei, spricht man, es muss ja ein gelehrter, kluger, geschickter Mann sein, weil er einen so hohen Ehrenstand bekleidet, tritt herein unter seinen Kardinälen und Kreaturen, wie der Papst unter seinen Purpuraten. Mein, so sollt‘s billig sein, Tugend und Ehre sollen sich nicht trennen lassen. Es ist fürwahr keine geringe Glückseligkeit eines Landes, wenn die Würdigkeit Mosen und Aaron über andere setzt, und solche Wahlen geschehen allezeit von Gott, dahingegen die Erniedrigungen, die durch Geschenke, Gunst oder Gewalt vorgenommen werden, wie sie öfters einen gemeinen Nutzen elend machen, also auch von dem herkommen, der ein Stifter aller Verwirrung ist. Wehe dem Lande, das solche leiden muss! Wehe der Person, die solche zuwege bringt! Beide haben sie sich verkauft, jener zur Knechtschaft, dieser zur Sünde. Gottseligkeit und Tugend sollte den Menschen groß machen und erhöhen, aber da kehrt sich‘s um. Die Welt krönt auch wohl einen Esel und muss oft der größte Esel die größte Krone tragen. Wenn Simon kommt mit der goldenen Hand, stehen alle Ehrenpforten offen. Da Christus aufwärts fährt und spricht: niemand gibt ihm selbst die Ehre, sie werde ihm denn gegeben vom Himmel, Joh. 3,27.; da fährt die Welt abwärts und will die Ehre aus den Gold- und Silberbergen holen; was ist‘s denn mehr? Eine Sau ist eine Sau, auch im goldenen Haarband. Der Stand ehrt die Person nicht, sondern die Person den Stand. Ich habe nicht nötig, einen ehrwürdig zu nennen, darum dass er im Predigtamt sitzt, wenn er nicht das Amt mit solcher Treue verwaltet, dass er billig Ehren wert ist. Die Person kann das Amt schänden und lästerlich machen, wie Paulus sagt: Lasst uns niemand Ärgernis geben, auf dass unser Amt nicht gelästert werde. So kann sie auch dasselbe ehren und rühmlich machen. Ehre kommt aus der Gottseligkeit und Tugend, Tugend aber ist nicht ein Anhang des Amtes, sondern der Person. Wie vom Himmel kommt, was er bringt, so muss auch die Ehre selbst daher kommen. Wer sie anders woher nimmt, ist und bleibt ein Zwerg und stünd er auf der Spitze des höchsten Berges. Dring, bettle, laufe, kaufe wie du willst, einen Stand bringst du dir leicht zuwege, aber keine Ehre. Ich weiß wohl, dass, wie ich zu meiner Leibesgröße keine Elle zusetzen kann, so kann ich mir auch selbst meine Tugend und Ehre nicht vergrößern; hat‘s Gott in seinem Rat beschlossen, dass sie größer werden soll, wird sich‘s zu seiner Zeit wohl finden, ich habe schon mehr, als ich verdient, und ist mir Ehre genug, dass ich Gottes Kind und Erbe bin.

 

243. 

VON DER MACHT DES GLAUBENS. 

Gottförmig, Gottmächtig.

 

Tue ich, was Gott will, so tut er, was ich will. Er ist Mann, ich bin Weib; lass ich ihm Macht über meinen, so lässt er mir Macht über seinen Willen. Im Glauben besteht alles, wie Christus sagt zum kananäischen Weiblein: O Weib, dein Glaube ist groß, dir geschehe, wie du willst. Durch den Glauben ist Gott ein Herr über mich und ich bin ein Herr über Gott. Der Herr gebietet, der Knecht gehorcht. Mein Bitten ist ein Gebieten. Der Glaube ist so sicher seiner Bitte, als ein Herr sein kann dessen, was er seinem Diener befohlen. Wenn Josua betet, muss ihm Gott die beiden Himmelsfackeln halten, den Streit mit seinen Feinden glücklich zu vollenden. Wenn Jakob in seinem Kampfe weint und fleht, muss Gott bitten: Ach, lass mich los; er aber spricht: Nein; ich lass dich nicht, du segnest mich denn. Der Glaube ist Gottes zu allen Dingen mächtig (ich schäme mich‘s zu sagen), wie ein Herr seines Knechts. Wie? Ist‘s nicht Ketzerei, Gott einen Knecht der Menschen zu nennen? So denkt ohne Zweifel der Papst, weil‘s der Erzketzer, Dr. Luther, gesagt hat. Höre seine eigenen Worte: „Israel heißt ein Herr Gottes; das ist gar ein hoher heiliger Name und begreift in sich das große Wunder, dass ein Mensch durch göttliche Gnade gleich Gottes mächtig würde, also, dass Gott tut, was der Mensch will; wie wir sehen, dass durch Christum die Christenheit mit Gott also vereinigt ist, wie eine Braut mit ihrem Bräutigam, dass die Braut Recht und Macht hat zu des Bräutigams Leib und allem, was er hat, welches alles durch den Glauben; da ist der Mensch ein Israel, der in Gott, mit Gott und durch Gott ein Herr ist, alle Dinge zu tun und zu vermögen.“ Was dünkt dich, Lieber, der du wider mich streitest, willst du mein mächtig werden? O weit gefehlt, ich bin dir in Gott wohl gewachsen. Seine Macht, meine Macht, Gottes Macht Allmacht. Du armes Strohhälmlein, willst du dich wider den auflehnen, der dich mit seinem Blitz und Donner kann in Stücken reißen? Ich fürchte mich nicht vor viel Hunderttausend, Gott kann und muss sie mir alle vom Leibe abhalten. Ich will mich ihm ganz ergeben und sagen: Herr, ich bin dein, mach‘s mit mir, wie dir‘s gefällt; so wird er sich mir zu eigen schenken und sprechen: Herz, ich bin dein, brauch mich, wie du willst, zu deinem Besten. Hand in Hand, der Bund hält fest.

 

Ich bin dein; 

Du bist mein, 

Ewig soll die Liebe sein.

 

244. 

VON DER MATERIE DES GEBETS.

Nicht das Liebste, sondern das Beste.

 

Bedenk das, was du beten willst. Wir wissen nicht, was wir beten sollen, spricht Paulus Röm. 8,26. Oft halten wir für gut, was schädlich, oft für schädlich, was gut ist. Oft haben wir nicht die Macht, recht zu bedenken, wie hochschädlich die Dinge seien, die wir begehren, weil die Lust den Verstand blendet und die Zuneigung das Urteil verhindert; wenn aber die Hitze der Begierden etwas nachgelassen, gereut uns, dass wir solch Ding gebeten und fangen an, dasselbe zu verfluchen, wie der Kranke das kalte Wasser, so er in der Hitze getrunken, und der Ergrimmte den Degen, mit welchem er im Eifer sich oder andere beschädigt. Denn Gott muss uns oft im Zorn geben, was schädlich ist, weil wir auch wider des Geistes Einraten nicht ablassen, ihn darum anzuflehen. Das Volk Israel wollte mit aller Gewalt Fleisch essen, Gott erfüllte ihre Begierde im Zorn und ließ sie den Tod dran fressen. Dasselbe Volk begehrte zur Zeit der Richter einen König, und wollte sich durchaus nicht abweisen lassen. Gott gab ihnen einen König, aber zur Strafe. Mancher begehrt groß Gut und erlangt‘s, aber zu seinem Verderben; er sucht und findet eine hohe Stelle, aber zum tiefen Fall, er begehrt und überkommt die Gesundheit, aber krank sein wäre ihm besser. Viel Dings gibt uns Gott als ein zorniger Richter, das er als ein gnädiger Vater würde abschlagen. Darum mein Christ, bitte nicht um das, was dir lieb, sondern was dir heilsam ist. Wenn du in einen Tuchladen gehst, dich zu kleiden, legt dir zwar der Krämer allerlei vor, blau, gelb, grün, rot, gemengt, damit du die Wahl habest; du aber achtest der Farben nicht, sondern erwählst ein dauerhaftes Tuch, das langsam verschleißt. Wenn du betest, kommt dir allerlei vor, dein Fleisch will bald dies, bald jenes haben, du aber lässt dem Geist die Wahl des Guten; denn das bleibt, wenn alles andere Farbenwerk vergeht. Geld und Gut hat zwar eine schöne Farbe, aber wie viel tausende hat‘s in den Abgrund der Hölle gestürzt? Die Ehre hat zwar einen herrlichen Glanz, aber wie viele hat Gott steigen lassen, nur dass sie desto tiefer fielen! Gesundheit hat einen guten Schein; aber meinst du nicht, dass aus dem verlorenen Haufen viel wären gen Himmel kommen, wenn sie die Gnade gehabt, dass sie etliche Jahre des Siechbettes gewartet hätten? Drum geh ab von deinem Willen, und sieh auf dein Heil. Wie kannst du im Namen deines Heilandes begehren, was dir nicht heilsam, sondern schädlich ist? Lass dich, wenn du um etwas Zeitliches bittest, gänzlich in Gottes Willen und stell‘s dem heim, ob er dir‘s geben will oder nicht, weil er am besten weiß, ob dir‘s diene oder nicht. So betet jener Aussätzige: Herr, so du willst, kannst du mich wohl reinigen Matth. 8,2. Und so lehrt uns Christus ums tägliche Brot bitten, dass wir vorher bitten um ein gelassenes Herz; dein Wille geschehe Matth. 6,10. Ein solch Herz will Gott haben, das ihm seinen Willen lässt wohlgefallen und einem solchen Herzen tut er wiederum zu Gefallen, was es nur begehrt. Denn Gott richtet sich allemal nach unserem Herzen, wie er uns findet gegen sich, so schickt er sich gegen uns. Ich will meinem Gott im Gebet ein gelassenes Herz zum Opfer bringen, so wird er mir geben, was mein Herz wünscht. Kann ich von Herzen sagen: Mein Gott, ich begehre nichts, als was du mir geben willst, so wird er mir gar tröstlich antworten: Mein Kind, ich will dir alles geben, was du begehrst. Ich will selbst dein Schild und dein sehr großer Lohn sein, an mir sollst du alles haben. Ja, mein Gott, du bist mir genug. 

 

245. 

VON DEM ALLGEMEINEN GEBET.

Ein Mut, ein Mund.

 

Das dringt durch die Wolken. Wenn vieler Christen Herzen durch die Liebe sind mit einander verbunden, so, dass ihrer aller ein Geist und eine Seele ist, dann beten sie alle aus einem Mut und Munde und solch Gebet hat große Kraft bei Gott. Ich sage euch, spricht Christus, wo zwei unter euch eins werden auf Erden, warum es ist, das sie bitten wollen, das soll ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel. Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen Matth. 18,19.20. Ist‘s dem frommen Gott lieb, dass sich in Christi Namen nur zwei vereinigen etwas zu bitten, wie viel angenehmer wird‘s ihm sein, wenn zwei oder drei tausend, mehr oder weniger, sich im Geist zusammen tun? Fürwahr, solch Gebet muss den Himmel stürmen und Gottes Herz in Stücken brechen. Viele Pfeile dringen tiefer und rühren schärfer denn einer. Einem Vater geht‘s näher ans Herz, wenn auf einmal alle seine Kinder mit ihrem Geschrei auf ihn zudringen, als wenn eins nach dem andern seine Bitte vorbringt. Da Jakob den Regenten in Ägypten bewegen wollte, dass er ihm Getreide verkaufte in der teuren Zeit, sandte er ihm alle seine Söhne auf einmal zu, die sprachen: Wir sind alle eines Mannes Söhne. Ach! Es ist ein bewegliches Gebet und muss Gott zu Herzen gehen, wenn viele Christen in einem Geist vor ihn treten und sagen: Heiliger Vater, erhöre uns, wir sind alle miteinander deine Kinder. Es ist auch mehr Eifer im Gebet, wenn viele, als wenn einer betet. Denn der eine zündet den andern an. Gleich als wenn viele mit einander in die Wette laufen; dann ist gleichsam ein Streit unter ihnen, wer das Ziel am ersten einholen werde, einer will‘s dem andern zuvor tun, einer treibt den andern mit fort. Im Gebet streiten wir mit dem Teufel. Je mehr Seufzer, je größere Macht. Auch streitet der Teufel mit uns und bemüht sich, unsere Andacht zu verstören. Das geht ihn aber nicht an, wenn viele beten. Eine zerstreute Macht ist keine Macht. Wer mit vielen zu tun hat, fehlt aller; schläft einer, wacht doch der andere. Wenn viele zugleich beten, ersetzt der eine, was dem andern mangelt. Denn wir können nicht alle gleich mutig sein zum Gebet, bei einem ist der Glaube schwach, beim andern die Andacht kalt; doch kommt der eine des andern Schwachheit zur Hilfe, und erhört Gott oft um zweier oder dreier willen vieler hundert Seufzer. Ist gleich, als wenn man einen Taler hat, der sein Gesicht nicht hält; ist er allein, wird er verworfen, gibt man ihn samt andern vielen aus, wird er angenommen. Was das gemeine Gebet für Kraft habe, ist nicht auszusprechen. Es ist unmöglich, spricht Chrysostomus, dass Gott einer ganzen Gemeinde etwas abschlagen könne. Denn er wird gleichsam durch die Scham überwunden. Drum lass dir‘s lieb sein, wenn du mit dem Haufen beten kannst; ist Glaube im Gebet, es wird wahrhaftig erhört.

 

246. 

VON DER BESTÄNDIGKEIT IM GEBET.

Halt an!

 

Endlich muss der Segen kommen. Haltet an am Gebet, ermahnt Paulus. Fleisch und Blut wird alsbald weich, wenn sich Gott nicht will erweichen lassen, und lässt ab vom Gebet, wenn Gott nicht zur Stunde in die Bitte willigt. Nicht so, mein Herz. Wie der Baum nicht fällt vom ersten Schlag und der Stein vom ersten Tropfen nicht mürbe wird, so lässt auch sich Gott nicht allezeit durch ein Seufzerlein erbitten. Da Moses Wasser klopfen wollte aus dem Felsen, schlug er mit seinem Stabe nicht ein-, sondern zweimal drauf. Gott ist der Fels des Heils, aus ihm quillt das Wasser des Lebens. Er will aber nicht ein-, sondern oftmals darum angefleht sein; das Gebet ist der Stab, mit welchem wir sein Herz in Stücken schlagen, dass er selbst die Wunde fühlt und sagen muss: Mein Herz bricht mir, ich muss mich dein erbarmen. Will man eine Stadt einnehmen, muss man nicht allein davor rücken und sie ein- und andermal beschießen, sondern mit Schießen anhalten und sie mit Feuerballen so lange ängstigen, bis sie sich ergibt. Nicht genug ist‘s, dass du ein oder ander Seufzerlein gen Himmel schickst, sondern du musst dich anfeuern im Geist, die Seufzer häufen, einen Pfeil mit dem andern schärfen und nicht ablassen, bis die Hilfe komme. Gott hält mit der Gabe zurück, dass du desto inbrünstiger betest; er verbirgt sich, dass du desto fleißiger suchst; er verschließt die Himmelstür, dass du desto heftiger anklopfen sollst. Bittet, suchet, klopfet an Luk. 11,9. Endlich nimmst du, was du bittest, findest, was du suchst, und wirst eingelassen, wenn du lange genug gepocht hast. Ein unablässiges Gebet ist mit einer gewissen Hilfe verknüpft. Die Beständigkeit im Gebet dient dazu, dass der Mut und Eifer wachse; je tiefer man den Brunnen gräbt, je mehr Wassers findet sich; je länger du betest, je lieber betest du. Das Gebet ist gleich der Speise, die immer süßer wird, wenn man sie lang im Munde hält. Aus einer langen Übung wird endlich eine Lust, und die Gewohnheit wird endlich zur andern Natur. Im Anhalten beweist auch der Glaube seine Kraft, derselbe muss sich auf Gottes Verheißung gründen und an der Erhörung nicht zweifeln; die Vollkommenheit aber des Glaubens besteht darin, dass wir bitten und nicht bekommen, ja wohl das Widerspiel bekommen. Wenn dann die Seele wider alles Empfinden auf Gottes Güte traut und von ihm gewisse Errettung hofft, das heißt Glaube und gibt dem Gebet den besten Schmuck; lässt man nach zu beten, so ist gewiss der Glaube verloschen. Gott verzieht zu geben, nicht dass du an seiner Erhörung zweifeln, sondern um schnelle Erhörung desto eifriger anhalten sollst. Bedenk‘s, mein Herz, und ermüde nicht im Beten; du siehst, wie mancher Bettler so unverschämt ist, dass er sich nicht will abweisen lassen. Zwar Menschen ist solch unverschämtes Geilen verdrießlich, aber Gott angenehm. Er hat‘s gern, dass du ihn überläufst und will nicht gern deinen Willen tun, ehe du ihn gleichsam dazu zwingst. Ach! Wüsstest du, wie lieb dem Höchsten dein Gebet ist, du würdest Tag und Nacht auf den Knien liegen und des Betens kein Ende machen. Wenn’s möglich wäre, dass Gott den Himmel lassen könnte und an einem gewissen Ort wohnen, er würde die Seele zu seinem Haus erwählen, die allezeit betet und nicht lass wird. Warum nennt die Schrift sein Haus ein Bethaus? Weil er nirgends Lust hat zu wohnen, als wo man immer Lust hat zu beten. Du betest und wirst müde? Deine Arbeit ist verloren, dein Feind geht mit der Krone davon. Wie kannst du siegen, wenn du die Waffen niederlegst und vom Plane trittst? Halte an, so bleibt der Sieg auf deiner Seite; ob du gleich die Kraft des Gebetes nicht sobald empfindest, noch mit den Augen siehst, was es Gutes schafft, werden doch die Feinde dadurch in vielen Anschlägen verhindert und geschehen oft viel verborgene Gerichte Gottes an ihnen, bis endlich alle Welt vor Augen sieht, dass du gewonnen hast. Anhalten schafft das Aushalten. Woher kommt‘s, dass du armes Würmlein nicht zertreten wirst, wenn sich viel mächtige Feinde wider dich verbunden? Woher kommt‘s, dass du nicht zu Grunde gehst, wenn‘s das Ansehen hat, als hätte sich alles Unglück wider dich verschworen? Woher kommt der freudige Mut, wenn‘s scheint, dass alle Hoffnung verloren sei? Aus dem unablässigen Gebet. Lässt Moses die Hand sinken, muss Israel unterliegen. Das beständige Gebet versichert dich auch, dass deine Hoffnung nicht werde vergeblich sein. Ist doch kein Mensch so unbarmherzig, dass er den sollte hilf- und trostlos von sich lassen, der ihm lange Zeit verdrießlich nachgeeilt; viel weniger wird‘s Gott tun, der die Barmherzigkeit selbst, und ohne dein Begehren dir beizutreten geneigt ist. Der sich erbeut zu hören, ehe du rufst, wird ja vielmehr hören und helfen, wenn du nicht allein rufst, sondern auch mit Flehen im Geist Tag und Nacht anhältst. Er wird‘s tun, werde nur nicht müde; halt an, so kommt die Hilfe bald.

 

247. 

VON DER FRUCHT DER WAHRHEIT.

Wahrheit bringt Hass.

 

Warum denn? weil sie die Menschen aufrührerisch und unruhig macht in ihren Sünden. Wer schlafen will, zieht die Decke vor, damit ihm der Tag nicht in die Augen scheine, und will, dass man kein Gepolter mache; wer in Sünden fort schlafen will, begehrt den Schall der Wahrheit nicht zu hören, noch ihren Schein zu sehen, dass er nicht dadurch möge aufgeweckt werden, und wenn er schon aufgeweckt wird, ist er doch bös und mürrisch, wie der, wenn er wider seinen Willen geschüttelt wird, aus einem tiefen Schlaf erwacht. Wahrheit und Friede sollen Mutter und Tochter sein. Gott hat sie zusammengefügt beim Propheten: Liebt die Wahrheit und den Frieden. Was Gott zusammenfügt, soll kein Mensch trennen. Ohne Wahrheit kann kein Friede sein. Wie mögen zwei mit einander in Christo eins werden, so sie nicht beide zuvor mit Christo eins sind? Kann auch die Linie ihre Nebenlinie im Mittelpünktlein berühren, die das Mittelpünktlein selbst nicht erreicht? Wo keine Wahrheit, da ist kein Glaube; denn Wahrheit ist des Glaubens Grund. Wo kein Glaube, da ist keine Liebe; denn der Glaube ist durch die Liebe tätig. Wo keine Liebe, da ist kein Friede, Liebe und Friede sind Früchte eines Baumes, ja auch eine Frucht, wie Paulus spricht: Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede. Und doch verfolgt der Friede die Wahrheit, die Tochter wird oft zur Mörderin an der Mutter. Dass Herodes nur Frieden behielte, muss Johannes, der Prediger der Wahrheit, den Kopf lassen. Wie spricht die Welt? Der Prediger lässt einen nicht zufrieden. Warum denn? Denn er sagt die Wahrheit allzu dürr heraus. Gerade, als wenn die Wahrheit eine Störerin des Friedens wäre, da doch kein rechtschaffener, Gott gefälliger Friede sein kann, er habe denn die Wahrheit zum Grunde. Mein Herz, Lügen bringt dir keinen wahrhaften, beständigen Gewissensfrieden, sondern nur eine fleischliche Sicherheit. Sicherheit aber ist der geradeste Weg zur Hölle, davor hüte dich! Wünsche keinen Frieden mit dir selbst zu haben, sonst hast du gewiss keinen Frieden mit Gott. Nimmer gefällst du Gott besser, als wenn du dir selber missfällst; bist du mit dir selbst nicht zufrieden, so ist Gott gar wohl mit dir zufrieden; hasst du die Wahrheit, so bist du ein Verräter deiner eigenen Bosheit. Die Wahrheit setzt ans Licht, was im Verborgenen ist, wer aber Böses tut, hasst das Licht, die Wahrheit ist eine Stifterin des Friedens, hasst du sie, so hasst du deinen eigenen Frieden; eine Zeit lang magst du sicher dahin gehen, endlich wacht das Gewissen auf und macht dich ruhig. Ich will die Wahrheit nicht hassen, weil sie mich liebt, und wider sie nicht streiten, weil sie mir den Frieden bringt. Mein Freund, folge!

 

248. 

VON DER SEELEN- UND LEIBESSORGE.

Die Magd über die Frau.

 

Ist das nicht verkehrt Ding? So macht‘s, der mehr sorgt für seinen Leib als für seine Seele. Den Leib speist und tränkt er, der Seele gönnt er kein Bißlein Trostes aus Gottes Wort, lässt sie verschmachten; den Leib kleidet und schmückt er, die Seele, lässt er nackt und bloß, ja, unrein und im Blute liegen; befällt den Leib nur ein geringer Schmerz, beratfragt er sich alsbald beim Arzt, zum Prediger kommt man nicht als gar auf‘s letzte, da dem Kranken der bleiche Tod schon auf der Lippe sitzt; ist ein kleiner Geldgewinn auf dem Markt zu erjagen, fastet mancher und versäumt seine Mahlzeit; soll sich aber die Seele vor Gott demütigen, nur seine Gnade zu gewinnen, ist keines Fastens gedacht, da muss dem Bauch von seinem Opfer nichts abgehen. Ist das recht? Ist die Seele nicht mehr als der Leib? Matth. 6,25. Der edle himmlische Geist nicht besser als ein fauler, stinkender Madensack? Hast du nicht von der Seele, was du hast, und bist ihr doch so gram? Sie gibt dir das Leben, du tötest sie; so manche Sünde, so mancher Mordstich; sie erhält dich, du verderbst sie; sie stärkt dich, du schwächst sie; sie ehrt dich, du schmähst sie; ist das wohlgetan? Was hülf‘s dir, ob du die ganze Welt gewännest und nähmest Schaden an deiner Seele? Trachte am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird dir alles das andere zufallen. Sorgst du für deine Seele, so sorgt Gott für deinen Leib. Lehren und nähren folgen auf einander; lässt du Jesum deine Seele lehren, so wird er auch wohl deinen Leib ernähren. Es findet sich leicht ein Bißlein Brots, das den Leib sättigt, wenn die Seele zuvor mit Gottes Wort gespeist ist. Ohne deine Sorgen versorgt Gott den Leib, wenn du für deine Seele sorgst. Ich will die Frau lassen Frau, und die Magd Magd sein. Der Seele gebührt der Vortritt. Maria hat das beste Teil erwählt. Der Leib wird auch seine Martha und Pflegerin wohl finden.

 

249. 

VON DER SELIGEN TODESRUHE. 

Endlich zur Ruhe.

 

Darnach sehnen sich alle Kreaturen. Ein jedes Ding sucht seinen Ursprung, da ruhet‘s. Der Leib die Erde, die Seele den Himmel. Aus der Erde ist der Leib, die Erde sucht er zum Grab. Vom Himmel ist die Seele, darnach eilt sie mit großer Begierde und will zur Ruhe sein. Ruhe muss einmal die Mühe ablösen. Wenn wir das getan haben, wozu wir in die Welt gekommen sind, so ist es dann Zeit, dass wir unsern Weg wiederum hinnehmen, woher wir kommen sind. Die Erde ist zur Arbeit, nicht zur Besitzung eingegeben. Die Dienste der Kinder Gottes würden übel belohnt werden, so sie ewig hier bleiben sollten. Was trauerst du, dass, der hier treu gewesen, abgefordert wird? Er würde keine Veränderung leiden dürfen, wenn‘s nicht zu seiner Verbesserung gereichte. Torheit ist‘s, dass du es eine Unglückseligkeit nennst, wenn fromme Leute ihren Abschied in Frieden nehmen. Der sie der Welt geliehen, ist ihnen ein größeres schuldig, als ihnen die Welt bezahlen kann. Es wäre ja unbillig zu begehren, dass die Frömmigkeit eine Verhinderung an der Herrlichkeit werden sollte. Wie herzlich sehnt sich ein Arbeiter nach der süßen Abendruhe! Wolltest du nicht die Ruhe gönnen dem, der des Tages Hitze und Last getragen, sich in deinem Dienst müde und matt gearbeitet hat? Bist du denn unbarmherziger über ihn, als über dein Vieh, das du nach verrichteter Arbeit ruhen lässt? Nicht so, mein Christ; lass ihn doch in seinem Grabe ausruhen, der so lange Zeit im Schweiß seines Angesichts und Angst seines Herzens Gott und dir gedient hat. Ach, süßes Ruhstündlein, wie so lang? Wann tu ich doch die Augen zu? Wann schlaf ich einmal selig ein? Ich höre, lieber Jesu, dass du von Lazaro sprichst: Lazarus, unser Freund, schläft Joh. 11,11. Die Tragödie, die man mit ihm in diesem Sodom und Babel gespielt, hat ein Ende. Er schläft, mein Freund. In deiner Freundschaft und Gnade, mein Jesu lass mich sterben! Du bist ja mein Jesus. Nun, mein Herz, mein Prophet; es wird ja nicht ewig währen. Ein Baum, der früh anfängt, hört auch früh auf Frucht zu tragen. Endlich kommt man doch zur Ruhe. Hilf du, mein Gott, dass ich immer bereit sei, und allenthalben, wo ich gehe, mit dem einen Fuß im Grabe, mit dem andern im Himmel gehe. 

 

250. 

VON DEM VERLANGEN NACH DEM HIMMEL.

Vaterland, süßes Land.

 

Sag mir, wo gehörst du zu Hause? Auf Erden oder im Himmel? Jener Heide sagt: Eines weisen Mannes Vaterland ist allenthalben. Ein anderer sprach: Wo mir wohl ist, da ist mein Vaterland. Ein Christ spricht mit Paulo: Mein Bürgerrecht ist im Himmel Phil. 3,20. Was ist denn die Erde? Meine Herberge. Dieweil wir im Leibe wohnen, so wallen wir dem Herrn 2 Kor. 5,6. Die heiligen Väter haben alle bekannt, dass sie Gäste und Fremdlinge auf Erden sind. Die solches sagen, die geben zu verstehen, dass sie ein Vaterland suchen Hebr. 11,13.14. Was dann? Was folgt daraus? Die Erde bitter, der Himmel süße; Vaterland, süßes Land. Es ist doch in der Erde unsers Vaterlandes eine sonderbare Eigenschaft, welche unsere Liebe zu sich zieht, und unsere Herzen dran bindet, nicht ohne eine sonderbare Erlustigung. Du stellst dich der Welt gleich; ist denn die Welt dein Vaterland? Nimmt auch ein Fremdling die Kleiderart an sich, so er in fremden Landen findet? Nein. Er wird lieber in seinem Landeshabit ein Narr und Kinderspiel, leidet‘s gern, dass man mit Fingern auf ihn weist und ein Gelächter aus ihm macht. Du verliebst dich in die Welt, hast doch nichts eignes drin, alles ist ein fremdes Gut. Dein Leben ist nur ein Durchgang. Ein Pilger lässt sich begnügen an Nahrung und Kleidung, er weiß doch, dass er alles andre lassen muss. Du wünschst in deiner Pilgerschaft lange zu leben. Was macht‘s? Es fehlt am Kreuz, das dir die Erde leid und den Himmel lieb mache. Weil Naemi ihren Ehemann und Söhne hatte, gedachte sie an kein Vaterland; da aber diese, ihre irdischen Stützen, hin waren, versäumte sie nicht lang, ließ Moab und suchte Juda. Niemals können wir so herzlich an unser Vaterland, das droben ist, gedenken, weil wir noch mit diesen irdischen Vergnüglichkeiten versehen sind; schält uns aber Gott dieselben ab, so wendet sich unser Herz geraden Weges heimwärts. Da heißt‘s: Vaterland, süßes Land. Wie denkt ein Fremdling? Zum Tor hinaus. So denk ich auch; zur Welt hinaus, wir wollen ausfliegen! Ach, wer Flügel hätte! Die Welt ist mein Kerker; wer will lange gefangen sein? Der Tod ist mein Erlöser; ach süßer Tod, wie lange? Die Welt ist mein Babel, da gibt‘s Tränengüsse; wer kann die Greuel ansehen, die täglich vor Augen sind, dass nicht das Herz im Leibe weinen sollte? Der Tod führt mich ins himmlische Jerusalem, und wischt alle Tränen ab von meinen Augen; ach, lieber Fuhrmann, wann spannst du an? Die Welt ist mein Ägypten, heißt mich Ziegel brennen, und gibt kein Stroh dazu, ängstet mich, und ist kein Trost dabei; der Tod bringt mich ins geliebte und gelobte Kanaan, das mit Milch und Honig fließt. Hui, Zion, die du wohnst bei der Tochter Babel, entrinne! Zach. 2,7. Ach ja, wer nur entrinnen könnte; wir wollen auffliegen! Herr, spann mich aus dem Joch, Herr, zieh mich aus dem Loch. Hinauf, hinauf! Ich habe Lust abzuscheiden, und bei meinem Herrn Jesu zu sein. Was hält mich hier auf? Ist das Leben lieb? Mir nicht, ach mir nicht; ich weiß ein besser Leben, da meine Seel fährt hin, deß freu ich mich ja eben, Sterben ist mein Gewinn. Hat die Welt was süßes? Der Himmel hat noch was süßeres; im Himmel werden wir haben, o Gott, die großen Gaben! Ist der Tod bitter? Ach nein. Mein Jesus hat ihn mir versüßt. Er ist mein Freund, ich kenne ihn wohl. Er beißt mich nicht. Seufzt mein Schäflein, mein Weib, mein Kind, mein Freund mir nach? Ich lass ihnen einen gnädigen Gott, und werde sie einmal wieder sehen in ewiger Wonne. Nichts hält mich auf. Was soll ich hie länger im Elend wallen? Vaterland, süßes Land. Ist es besser in der Heimat als in der Fremde zu sein, so ist es mir besser zu sterben als zu leben.

 

Ich hab hie wenig guter Tag,

Mein täglich Brot ist Müh und Klag.

Wenn mein Gott will, so will ich mit hinfahren in Fried,

Sterben ist mein Gewinn und schadet mir nicht.

 

251. 

VOM UNTERSCHIED DIESES UND JENES LEBENS.

Weh! Wohl!

 

So weit sind Erde und Himmel von einander. Hier Weh, dort Wohl. Du wünschst, dass dir hier möge wohl sein. Vergeblicher Wunsch. Wehe denen, die auf Erden wohnen! sagt Johannes, Offenbar. 12,12. Wer bist du? Ein Mensch. Wohnt nicht im Menschen die Sünde? Ist nicht die Sünde eine Quelle alles Elends? Hat ihr Gott nicht das Weh gedräuet? Willst du ohne Weh, musst du ohne Sünde sein. Was machst du aus dir selbst? Wer bist du? Ein Christ. Denn Christus hast du in der Taufe angezogen. Was hatte Christus auf Erden, Weh oder Wohl? Trifft dich kein Weh, bist du entweder kein Christ, oder besser als Christus. Das letzte kannst du nicht wählen. Denn der Knecht ist nicht über seinen Herrn; So bleibt‘s: Ohne Weh, ohne Christum. Ach, weh dir! Mit Christo bist du verehlicht durch den Glauben; höre seine Worte beim Propheten: Ich will mich mit dir vertrauen in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit. Ja, im Glauben will ich mich mit dir verloben Hos. 2,19.20. Nun heißt‘s ja: Ehstand, Wehstand; in dieser Ehe ist Ach und Weh. Das Weib nimmt mit den Mann vorlieb, was Gott beschert. Bei den Juden mussten Braut und Bräutigam am Tage der Hochzeit aus einem Kelch trinken. Nur getrost den Kreuzkelch angefasst, und mit Freuden ins Tränenbrot gebissen, oder du bist Jesu Braut nicht. Wo wohnst du? Unter Mesech, dem verhassten, bösen Volk, unter den Hütten Kedar; bei Menschen, nicht als Menschen, sondern grimmigen, wilden Tieren; bei Christen, nicht als Christen, sondern Heiden, Türken und Tartaren; sie sollten Engel sein, so sind sie Teufel. Was siehst du? Greuel. Was hörst du? Klagen. Was schmeckst du? Wermut und Bitterkeit. Was riechst du? Den Stank der Sünden. Was fühlst du? Pein und Verfolgung. Sag mir, hast du nicht Ursach mit David zu seufzen: Wehe mir, dass ich ein Fremdling bin unter Mesech, ich muss wohnen unter den Hütten Kedar Ps. 120,5. Aber still, liebe Seele, es wird bald besser werden. Um die siebente Stunde ward‘s besser mit dem Sohn des Königlichen zu Kapernaum Joh. 4,52. Wenn die sechs großen Lebensstunden, darin die köstlichste Müh und Arbeit ist, Ps. 90,10., ihr Ende nehmen, wird die siebente, die erwünschte Ruh- und Todesstunde, alles gut machen, und dein Weh in Wohl, dein Wasser in Wein verwandeln. Der Himmel tut sich schon auf. Ach, was erblick ich? Das Tüchlein, mit welchem mir Jesus alle Tränen abwischen wird von meinen Augen Offenb. 7,17. O selige Wangen, die Jesu Hand abtrocknet! Rinnet, meine Augen, rinnet, Jesu Tüchlein will wohl genetzt sein. Was hör ich? Die Freudenstimme: Nun wird Lazarus getröstet Luk. 16,25. Gott Lob! So wird doch endlich der Trost noch kommen, und das dürre Erbe des Herrn mit einem gnädigen Trostregen einmal erquickt werden. Was schmeck ich? Des Himmels Kraft und Süße. Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth? Ps. 84,2. Ach, schmecket und sehet, wie freundlich der Herr ist; wohl denen, die auf ihn trauen! Was riech ich? Den Geruch des Lebens, den die Paradiesröslein von sich geben. Was fühl ich? Freud und Wonne. Was betrübst du dich denn, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott, denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist Ps. 42,12. Aus deinem Wehe wird bald ein Wohl werden. Das helfe Jesus! Amen.

 

252. 

VOM GEIZ DER PREDIGER.

Die Kappe ist geizig.

 

Sprichst du. Ich sprech nein. Wolf und Schafpelz, Wurm und Apfel sind ja nicht einerlei, so auch nicht Kapp und Pfaffe. Was kann der Schafpelz dazu, dass der Wolf sich unter ihm verbirgt, und was kann die Kappe dawider, dass der Pfaff geizig ist? Es steckt fürwahr noch mancher drin, der dem Geiz so feind ist, als dem Teufel selbst. Ich geb dir‘s zu, dass mancher Kappenträger geizig sei. Nichts umsonst, ist sein Symbol, auch keine Tür zugeschlossen am Haus des Herrn. Soll er Beicht hören? Geld her. Soll er taufen oder trauen? Geld her. Soll er Kranke trösten oder Tote zum Grabe geleiten? Geld her. Rom baut man allenthalben, da um Geld alles feil ist, auch Gott selbst und sein Himmelreich. Wie sieht und hört man‘s überall? Die Armen gibt man zusammen mit ein paar Worten, da weder Kraft noch Saft drin ist; den Reichen wird ein langer, prächtiger Sermon hergekünstelt; der Arme liegt in Todesnot, kein Prediger erquickt ihn mit einem tröstlichen Wort; dem Reichen tut kaum ein Finger wehe, wird täglich besucht und mit Trost beschüttet; der Arme wird begraben, kein Prediger würdigt ihn des Geleits, keiner rühmt sein Christentum, auch nicht mit einem Worte; den Reichen trägt man hin mit großem Gepränge; die ganze Klerisei folgt und tut leidlich, der Beichtvater erhebt seine Taten bis in den Himmel, da er vielleicht schon in der Hölle brennt. O, Greuel vor den allerheiligsten Augen Gottes? Was sagt Jakobus? Lieben Brüder, haltet es nicht dafür, dass der Glaube an Jesum Christ, unsern Herrn der Herrlichkeit, Ansehung der Person leide. Denn so in eure Versammlung käme ein Mann mit einem goldnen Ringe und mit einem herrlichen Kleide, es käme auch ein Armer mit einem unsaubern Kleide; und ihr sähet auf den, der das herrliche Kleid trägt und sprächet zu ihm: Setze du dich hier auf‘s beste; und sprächet zu dem Armen: Stehe du dort, oder setze dich her zu meinen Füßen; und bedenkt es nicht recht, sondern ihr werdet Richter und macht bösen Unterschied. Hört zu, meine lieben Brüder, hat nicht Gott erwählt die Armen aus dieser Welt, die am Glauben reich sind und Erben des Reichs, welches er verheißen hat denen, die ihn lieb haben? Ihr aber habt den Armen Unrecht getan Jakob. 2,1-6. Merkt‘s, ihr Mietlinge, die ihr den Reichtum sucht und nicht die Seelen, die Wolle und nicht das Schaf. Wenn ihr dem Reichen in euren Amtsdiensten einen Vorzug vor dem Armen gönnt, was tut ihr? Ihr schändet den Herrn der Herrlichkeit, indem ihr rühmt, dass ihr seine Diener seid und tut doch nicht seinen Willen. Man sagt: wie der Herr, so ist der Knecht. Ist denn Jesus auch ein Anseher der Person, wie ihr seid? Was macht ihr aus dem Herrn der Herrlichkeit? Ihr verleugnet den selig machenden Glauben, denn derselbe ist durch die Liebe tätig, und die Liebe, wo sie rechter Art ist, wie sie niemand wegen seines Reichtums erhebt, so verachtet sie niemand wegen seiner Armut halber, sondern hält ohne Unterschied der Person einen so wert als den andern. Was Liebe? Ihr liebt nicht die Seelen, die doch Jesus so teuer erkauft und euch auf eure Seligkeit so hoch anvertraut hat, sondern das Ihrige, den Staub, der keiner Liebe wert ist, ja ihr hasst die Seelen, versäumt und vernichtet sie, um des verfluchten Mammons willen. Ihr wollt Richter sein, und versteht die Sache nicht; ihr wollt Unterschied machen, und macht bösen Unterschied. Lass sein, der Reiche sitzt oben im Weltreich, soll er darum auch oben sitzen im Reich Christi? Ach nein. Christi Reich ist nicht von dieser Welt. In Christo sind wir alle einer, haben einen Herrn, eine Taufe, einen Himmel, und ist der eine kein haarbreit besser, als der andere. Wie wir in Adam als Menschen alle gleich vernichtet, so sind wir in Christo als Christen alle gleich verherrlicht. In Adam ist kein Unterschied, wir sind alle Sünder, und mangeln des Ruhms, den wir vor Gott haben sollen; in Christo ist kein Unterschied, wir sind alle in ihm gerecht, und haben alle den Ruhm vor Gott, nicht aus uns, sondern an ihm durch den Glauben. In ihm ist der Arme Gott so angenehm als der Reiche, und heißt, wie Salomon sagt: Reiche und Arme müssen untereinander sein, der Herr hat sie beide gemacht Sprüchw. 22,2. Und soll ja der Reiche oben an sitzen, mag‘s sein. Auf Erden sitzt der oben an, der reich ist an irdischen Gütern, in Gottes Kirchenhimmel muss der den Vorzug haben, der sich Schätze gesammelt hat im Himmel; hie, der reich an Gut, dort, der Reich in Gott ist. Sag mir, wer ist der Reichste unter ihnen? Jener hat etwas, und das etwas ist doch nichts, dieser hat alles, im Glauben Gott, in Gott alles; jener ist ein Erbe eines Hauses, einer Stadt, eines Landes, dieser ein Erbe des Reichs, des ewigen Reichs, das dem König aller Könige zusteht. Denke, wie hoch ihn Gott geehrt, indem er ihn als ein Vater sein Kind erwählt hat zu seinem Erben; den beschämst du öffentlich, wenn du dem Reichen in deinem Amt freund-, tröst- und dienstlicher bist als ihm. Was machts? Die Kappe ist geizig, sprichst du. Nein, der Pfaffe ist geizig, das macht‘s allein. Aber höre, du darfst so groß über der Pfaffen Geiz nicht klagen. Nimm dich selbst bei der Nase. Die Welt ist nunmehr, soll ich sagen, so hoch oder demütig worden in allen Ständen, dass sie den Priestern nichts vorausgibt. Gut priesterlich und levitisch wird man in diesem Stück überall, dass man vor dem armen, verwundeten, halbtoten Menschen vorbei geht, und lässt ihn liegen. Nichts umsonst, für etwas gehört was, ist schier aller Menschen Symbol. Gott erbarm sich‘s!

 

253. 

VOM NUTZEN DES KREUZES.

Furcht macht Füße.

 

Das erfährst du im Kreuz. Wohnte nicht Jesus zu Kapernaum? Da hatte er sein Haus, da tat er Wunder. War nicht der Königische, dessen Sohn am giftigen Fieber krank und fast tot darnieder lag, ein Kapernait? Ja. Aber da es ihm wohl ging, hat er Jesu zu Ehren wohl keinen Tritt aus seiner Haustür getan. Nur da Not und Tod kommt, eilt er ihm auf fünf Meilen gen Kana entgegen. Furcht macht Füße. Dir geht‘s wohl, du denkst an Jesum nicht. Was fragt der Starke nach dem Arzt? Das Blatt wendet sich, aus dem Wohl wird ein Weh, dir wird angst und bange, du fragst wo Rat, wo Trost, wo Hilfe? Eile, mein Herz, eile! Wohin? sprichst du. Ach, nicht zur Welt. Du kommst zu einem Brunnen, der kein Wassers, zu einem Baum, der keine Frucht hat, du wirst sie fürwahr verfluchen. Sie ist eine leidige Trösterin. Sprichst du mit Judas: Ach, mich Armen! ich hab übel getan; sie antwortet: was geht das uns an, da siehe du zu. Heulst und weinst du über dein Leiden, sie tröstet dich, wie Absalom seine Schwester Tamar: Nimm die Sache nicht so zu Herzen 2 Sam. 13,20. Ach, was will sie trösten, die selbst nie getröstet ist? Hin, mein Herz, hinauf zu den Bergen, von welchen die Hilfe kommt, deine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Hin zu deinem Jesu. In den allein hat Gott für betrübte Herzen einen gewissen Trost gelegt. Wie freundlich lockt er dich, freundlicher als ein Hirte sein Schäflein: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken Matth. 11,28. Ach ja, du kannst es am besten tun, mein Jesus, du kennst meinen Schaden, du fühlst ihn, und er kränkt dich an deinem zarten Herzen mehr, als mich selbst. Zeuch mich dir nach, so laufen wir Hohel. 1,4. Ja, spricht Jesus, ich will es tun, am Kreuzseil will ich dich zu mir ziehen. Ach, lass dir, meine Seele das Kreuz lieb sein, es jagt dich zu Jesu; je näher Jesu, je näher die Seligkeit. Dein Jesus hat dich lieb. Die Liebe sucht vereinigt zu sein mit dem Geliebten. Dich mit sich zu vereinigen, hat Jesus sich mit dir in deinem Fleisch vereinigt. Dich mit sich zu verbinden, beschüttet er dich mit Wohltaten an Leib und Seele. Zu wem hält man sich lieber, als zu seinem Wohltäter, und wer tut dir mehr Gutes, als dein Jesus? Er steht da vor den Augen, wie er am Kreuze hängt; den Mund hält er dir zu, dich zu küssen, die Arme streckt er aus, dich zu empfangen, die Hände lässt er sich durchbohren, dich hineinzuzeichnen, das Herz mit einem Speer öffnen, dir ein Ruhestättlein zu bereiten, die Füße ans Holz nageln, dich seiner Treu zu versichern, dass er bei dir Fuß halten wolle. Solltest du nicht zu deinem Jesu eilen, die Braut zum Bräutigam? Sein Trostmund wartet auf dich, du solltest ihm deinen Glaubensmund zuhalten und wünschen: Ach, küsse mich mein Jesu, mit dem Kusse deines Mundes! Seine Arme sind ausgespannt, da hinein solltest du dich getrost geben, und mit Augustinus sprechen: In den Armen meines Heilandes wünsche ich zu leben und zu sterben. Nirgends sanfter, als in den Armen Jesu. Seine Hände sind durchbohrt! O Trost! Dein Herz will dich verzagt machen, und spricht: Der Herr hat dich verlassen, der Herr hat dein vergessen. Was sagt dein Jesus dazu? Er macht dich mutig, und spricht: Ach nein, wie sollt ich dein vergessen? Siehe, in meine Hände habe ich dich gezeichnet. Sein Herz steht offen! Hinein Vöglein in dein Nest, hinein Taube in dein Felsloch. Wo süße Ruhe für das Kind? Unter dem Herzen seiner Mutter. Wo süße Ruhe, wo Fried und Freude für eine traurige Seele? In dem Herzen Jesu. Seine Füße sind ans Holz geheftet. Fuß bei Fuß, wo Jesus bleibt, da bleib du auch, und wär‘s am härtsten Holz. Was sollt mich scheiden von der Liebe Gottes? Trübsal, oder Angst, oder Verfolgung, oder Hunger, oder Blöße, oder Fährlichkeit, oder Schwert? In dem allen überwind ich weit um deß willen, der mich geliebt hat. Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben mich mag scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, meinem Herrn. Ja, sprichst du, in der Welt ist auch noch was Liebes. Ach Herz, du trügst dich. Sie tröstet nicht, wenn sie trösten soll. Anstatt der Rosen ergreifst du Dornen. Ich rate dir, hin zu deinem Jesu. Was jagst du mich? sprichst du. Schau vor dich. Siehe, da steht dein Jesus, der lockt dich. Ist‘s nicht genug? Schau hinter dich. Was siehst du, was folgt dir auf dem Fuße nach? Kreuz, Kreuz; das schreckt dich. Macht dir die Liebe keine Füße, so muss sie dir die Furcht machen. Das eine, das du willst, das andere, das du sollst. Jesus will und muss dich haben. Ach ja, wer weiß, wie bald Not und Tod zu meiner Türe kommt? Das Angstbecherlein steht schon da, ich will‘s getrost auffassen, zu meinem Jesu tragen und sagen: Herr, tu den ersten Trunk daraus, so wird‘s mir süße. Ein Tröpflein deines Trostes kann ein ganz Meer meiner Trübsale versüßen. Bringt denn das Kreuz Furcht, so bringt Jesus Mut. Kommt, liebe Kreuzträger, kommt, wir wollen zum Herrn gehen, denn er hat uns zerrissen, er wird uns auch heilen, er hat uns geschlagen, er wird uns auch verbinden Hos. 6,1. 

 

254. 

VON DER LUST ZU STERBEN.

Welt, gute Nacht.

 

Es ist vollbracht. Gott Lob! es ist aus. Es ist aus mit meinem Leben. Kein Körnlein ist mehr im Glas, kein Tröpflein im Fass, kein Fünklein unter den Ammern. Das Lichtlein ist aus und verloschen. Ein und aus, das ist unser Leben. Heute ein, morgen aus, ja, so mancher Augenblick, so mancher Ein-, so mancher Ausgang. Durch die Geburt treten wir hinein ins Leben, ins Leiden; durch den Tod heraus, aus dem Leben, aus dem Leiden. Drum wohl Salomon recht gesagt: Der Tag des Todes ist besser, weder der Tag der Geburt Pred. Sal. 7,2. Jener setzt in die Mühe, dieser heraus in die Ruhe. Jener fängt das Leiden an, dieser macht deß ein Ende. Leben aus, Leiden aus. Es ist vollbracht. Gott Lob! Mein Angstbecherlein ist aus, der Grund ist da, wie froh bin ich! Das Stündlein ist da, da man mir mit Freuden nachsingen wird: 

 

Sein Jammer, Trübsal und Elend 

Ist kommen zum seligen End. 

 

Welt, gute Nacht! Mein Sodom bist du gewesen, und hast mit deinen ungerechten Werken meine Seele oft bis auf den Tod geängstet. Nun kommt der Tod, des Herrn Engel, und führt mich heraus. Ich folge mit Freuden aus dem Leben, aus dem Leiden. Mein Ägypten bist du gewesen, hast mit deinen Drangsalen mir manch Seufzerlein aus dem Herzen, manch Tränlein aus den Augen gedrungen; der Tod, mein Erlöser, ist da, und fordert mich heraus. Ach ja, du kommst zu rechter Zeit, ich bin bereit; wie oft habe ich dich mit Tränen gesucht, mit Tränen gesungen: 

 

Herzlich tut mich verlangen 

Nach einem sel’gen End. 

Weil ich hie bin umfangen 

Mit Trübsal und Elend; 

Ich hab Lust abzuscheiden 

Von dieser bösen Welt, 

Sehn mich nach ew‘gen Freuden, 

O Jesu, komm doch bald! 

 

Mein Seufzen ist erhört, gestillt sind meine Tränen! Ägypten, gute Nacht! Wir müssen uns scheiden, ein End hat mein Leiden. Mein Babel bist du, Welt, gewesen; wie manchen verworrenen Handel hast du wider mich ausgesponnen, wie manchen Tränenfluss mir zugerichtet! Du, Herr der du ins Verborgene siehst, vor dir war alle meine Begierde, und mein Seufzen war dir nicht verborgen. Du weißt, wie oft ich im Verborgenen zu dir gefleht: 

 

Mein Seel hat Not und leidet Qual, 

Dass ich so lang muss harren, 

Gespannet auf dem Jammertal, 

Als zög ich schwere Karren

Da treibt ihr’n Spott 

Die falsche Rott 

Mit mir in meinen Nöten; 

Sie fragen, wo bleibt nun dein Gott, 

Auf dass er dir erscheine? 

Der Hohn kränkt mir mein Herz und Mut, 

Dass ich vor Trübsal weine.

Ach komm doch bald, 

Mein Aufenthalt, 

Und reiß mich von der Erden!

 

Nun ist er da, der mir die Tür zum seligen Aus- und Eingang öffnen will. Welt, gute Nacht! wir scheiden mit Freuden. Nimm das deine. Lass mir das meine. Meinen Jesum lass ich nicht. Jesum gewonnen, den Himmel gewonnen. Gute Nacht, ihr meine Lieben! Warum weint ihr? Dass mein Leiden ein Ende nimmt? Ach, darüber freut euch mit mir, wehret‘s doch meinem Jesum nicht, dass er mir die Tränen abwische von meinen Augen. Liebt ihr mich, so werdet ihr nicht meine Qual lieben, und mir missgönnen, was mir der Himmel gönnt. Stillt eure Tränen, weil meine Tränen sind gestillt. Mäßigt euer Leid, weil mich kein Leid mehr trifft. Lasst doch sein in Frieden geschieden, bis wir nach kurzer Zeit einander wieder schauen, dort in der Ewigkeit. Das helfe Jesus! Amen!

 

255. 

VON DEN DREI HAUPTTUGENDEN.

Die Liebsten, die Nächsten.

 

Zum Leiden. Zur Freuden. Wenn Jesus sein bitterstes Seelenleiden im Ölgarten antreten will, lässt er allein zu sich Petrus, Jakobus und Johannes Matth. 26,37. Wiederum, wenn er sich in seiner göttlichen Herrlichkeit auf dem Berge Tabor präsentieren will, nimmt er diese drei auch allein mit sich. Warum denn diese drei allein? Weil sie unter allen ihm die liebsten waren; Petrus als der Erstgeborne unter den Aposteln, so beständig bei ihm verharret; Johannes als der Schoßjünger, der wider die Ketzer, Ebion und Cerinthus, seine Gottheit aufs kräftigste behaupten sollte, und sagen: Wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater Joh. 1,14. Jakobus, als dem unter allen Aposteln die erste Marterkrone vom Herodes sollte aufgesetzt werden Ap.-Gesch. 12,2. Die liebsten die nächsten zum Leiden, denn ein Herz ein Schmerz; zur Freude, denn die des Leides Christi viel haben, werden auch reichlich durch ihn getröstet 2 Kor. 1,5. Ohne Leiden, ohne Freuden; ohne Kreuz; ohne Christum. Mach dir nur keine andere Rechnung. Fragst du noch eins, warum eben Petrus, Jakobus und Johannes? Lass dir Paulus antworten: Nun aber, spricht er, bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei 1 Kor. 13,13. Unter den drei Namen der Apostel verbergen sich diese drei Haupttugenden. Petrus heißt ein Felsener, und billig, weil er sich mit seinem Glauben und Bekenntnis auf dem Felsen des Heils, Jesum, gründete; Jakobus heißt ein Untertreter, und recht, weil er den Teufel selbst hat getreten unter seine Füße, indem er sein Leben nicht geliebt bis in den Tod. Johannes heißt Lieb- oder Huldreich, als der ein Liebesprediger gewesen ist bis ans Grab. Petrus deutet den Glauben, der sich auf Jesum baut, den Felsen, der nicht wankt, und spricht getrost: Hie steh ich, wer rührt mich! Trotz allen Höllenpforten! Läufst du mich an, so läufst du den Felsen an und brichst dir den Kopf. Jakobus zeichnet die Hoffnung, die zertritt das Irdische, und spricht mit Paulo: Ich halt‘s für Dreck, dass ich nur Jesum gewinn Phil. 3,8. Fröhlich in Hoffnung. Der Himmel wird was Bessres geben. Johannes bildet die Liebe, die umfängt Jesum, und spricht: Ich bin dein, und du bist mein Hohel. 2,16. Nichts soll uns scheiden. Glaube, Liebe, Hoffnung müssen mit Jesu hinein in den Ölgarten zum Blutschweiß. Der Glaube spricht: Im Blut ist mein Gedeihen. Die Hoffnung: Nach dem Kampf die Kron. Die Liebe: Bin ich doch nicht besser, als mein Jesus; roter Bräutigam, rote Braut, eine Farbe muss uns beide kleiden. Der Glaube spricht: Jesus wohnt bei mir; das Haus muss gestürmt sein, aber der Herr wird‘s wohl schützen. Die Hoffnung spricht: Jesus gründet mich; der Glaube wankt nicht, wer will mich umstoßen. Die Liebe spricht: An Jesu hang ich, wie ein Klett am Kleid. Meinen Jesum lass ich nicht, uns soll nicht scheiden auch das bittre Leiden. Glaube, Hoffnung, Liebe müssen hinauf auf den Berg Tabor, zum Anschauen seiner Herrlichkeit. Nicht immer in Tränen. Das Blatt muss sich wenden. Nach der Last Lust, nach dem Leid Freude, nach Trübsal Labsal. Glaube, zage nicht, du hast Jesum bei dir, und bei Jesu ist gut sein; er tränkt dich mit Wollust, als mit einem Strom. O Jesu, wie süß bist du! Ich bin vor Freude trunken. Hier nur geblieben. In Jesu Schoß ist gut ruhen. Hoffnung, wanke nicht. Du wartest vom Himmel des Heilandes Jesu Christi, des Herrn, welcher diesen nichtigen Leib verklären wird, dass er ähnlich werde seinem verklärten Leibe, nach der Wirkung, damit er kann auch alle Dinge ihm untertänig machen Phil. 3,20.21. Wie siehst du auf dem Berge Tabor deinen Jesum in seiner Herrlichkeit? Sein Angesicht leuchtete wie die Sonne, der die Sonne der Gerechtigkeit war; seine Kleider strahlten wie ein Blitz, dessen gnädige Gegenwart wie der Blitz fährt vom Anfang bis zum Niedergang; sie waren weiß wie der Schnee, dass sie kein Färber weißer machen könnte, dessen Kleider, der weiß ist in seiner Unschuld, und uns wäscht, dass wir schneeweiß werden. Habe guten Mut, die Zeit wird kommen, dass du auch, der du hier ein verachtetes Lichtlein bist vor den Augen der Stolzen, leuchten wirst im Reich Gottes, als die Sonne am Firmament; dass du in deinem verklärten Leibe behender, dringender und schneller sein wirst als ein Blitz, und einhertreten angetan mit weißen Kleidern. Darum fröhlich in der Hoffnung. Hie dunkel, dort hell; hie schwarz, dort weiß, hie in der Finsternis, dort im Licht. Liebe verlöscht nicht. Nur zum Berg Tabor, Jesus will dir sein Herz offenbaren. Ach, wie wohl meint er’s mit dir, auch im Kreuz! Er liebt dich mit einer ewigen Liebe, die stärker ist, als Not und Tod. Er ist dein Heil, dein Himmel und alles. Wenn du ihn hast, so hast du wohl, was dich ewig vergnügen soll. Ja, mein Jesu, bleib du nur mein süßer Jesus, so frag ich nichts nach Himmel und Erde. 

 

256. 

VOM RECHTEN WOHLSTAND DER CHRISTEN.

Hier ist gut sein.

 

Wo denn? Wo Jesus, Moses und Elias ihre Hütten haben. Jesus hat sein Hüttlein im Glauben. Denn durch den Glauben wohnt er im Herzen Eph. 3,17. Das Herz, darin Jesus wohnen soll, muss rein sein. Reiner Herr, reines Haus. Selig sind, die reines Herzens sind, die werden Gott sehen Matth. 5,8. Durch den Glauben aber werden unsere Herzen gereinigt Ap. Gesch. 15,9. Der Glaube besprengt das Herz mit Tränenwasser. Wenn er das liebreiche Vaterherz Gottes, das durch die Sünde beleidigt ist, der Seele zu erkennen gibt, will sie, wie Wachs am Feuer, vor Tränen zerfließen. Das Wasser spült den Unflat der Sünden weg. Er besprengt das Herz mit dem Blute des Sohnes Gottes, Jesu Christi, das reinigt uns von allen Sünden 1 Joh. 1,7. Er leert die Seele aus von der Welt und allen weltlichen Lüsten und macht, indem er Jesum versüßt, die Welt bitter. Welt aus, Jesus ein. Das Herz, das Jesus bewohnen soll, muss ausgeschmückt sein mit Liebe, Sanftmut, Demut und allen Tugenden. Schöner Herr, schönes Haus. Wer ist schöner als der, der die selbst-selbste Schönheit ist und der Schönste unter allen Menschenkindern? Gleich sucht, gleich liebt sich. Wo Jesus sein Bild findet, da macht er seine Wohnung. Sein Bild findet er nirgends als im Glauben, durch denselben wirst du verklärt in das Bild des Herrn, von einer Klarheit zur andern, 2 Korinth. 3,18; drum, wo der Glaube ist, da ist Jesus. Was Gott zusammenfügt, muss kein Mensch scheiden. Wo Jesus ist, da ist gut sein. Gläubiges Herz, seliges Herz, es hat Jesum nach allem seinen Willen. Glaub ich von Herzen, so muss mir wohl sein, wären gleich tausend Plagen da. Denn was Jesus ist, das ist er mir, und was er hat, ist alles mein. Bei Jesu ist lauter Glück; ich weiß, Gott Lob! von keinem Unglück. Geht‘s mir nicht allezeit, wie es soll, so geht‘s mir doch allezeit wohl, wenn‘s geht, als Jesus will, sein Wille ist ein guter Wille. Der Glaube vereinigt mich mit Jesu. Wo er bleibt, da bleib ich auch. Bei ihm ist gut sein, nicht nur im Himmel, sondern auch in der Hölle. Moses will sein Hüttlein haben in der Buße. Wo er Sünde findet, da flucht, wo aber Buße, da segnet er. Dass dir‘s nicht wohl geht, woher kommt‘s? Du lebst in Sünden wider dein Gewissen. Die Sünde scheidet dich von Gott; ohne Gott, ohne Segen. Sünde und Fluch sind so nah verwandt, als Mutter und Tochter, als Sonne und Strahl, als Leib und Schatten. Willst du dich des Fluchs entschütten, so entscheide dich der Sünde. Ohne Schuld ohne Schaden. Lass dir Moses täglich den Spiegel der heiligen zehn Gebote vorhalten und beschaue dich drin, so wirst du tausend Flecken finden; lass dir Moses mit seinem Fluchstab das Herz rühren, damit es zur Tränenquelle werde; Moses und Elias führen Jesum in der Mitte und reden mit ihm von seinem Ausgang. Frage Moses, wo Heil? Er wird antworten; nicht bei mir, sondern bei Jesu. Denn die Schrift hat alles beschlossen unter die Sünde, auf dass die Verheißung käme durch den Glauben an Jesum Christum, gegeben denen, die da glauben Gal. 3,22. Er ist der Ausgänger, gebildet im Ausgang Isaaks zum Berg Moriah, dass er sich schlachten ließe; im Ausgang des Sündenbocks zur Wüste, dass er wegtrüge die Sünde des Volks: Gott hat ihn zur Sünde gemacht, auf dass wir in ihm würden die Gerechtigkeit 2 Kor. 5,21. Sein Ausgang aus Jerusalem ins Leiden ist unser Eingang in das neue Jerusalem zur Freude. Frage Elias, wo Heil? Auf Jesum wird er weisen und antworten: Von diesem Jesu zeugen alle Propheten, dass in seinem Namen Vergebung der Sünden haben alle, die an ihn glauben. Ap.-Gesch. 10,43. Siehe, liebes Herz, Moses führt dich zu Jesu und bei Jesu ist gut sein. Was Moses niedergeschlagen, will er wiederum aufrichten, was Moses getötet, will er wiederum lebendig machen; was Moses in die Hölle gestoßen, will er wiederum heraus und in den Himmel führen. Tue Buße, so hast du Leben und Segen. Wohl dem, der den Herrn fürchtet! Elias hat sein Hüttlein im Gebet. Elias war ein Mensch gleich wie wir, sagt Jakobus, und er betete ein Gebet, dass es nicht regnen sollte, und es regnete nicht auf Erden drei Jahr und sechs Monden. Und er betete abermal, und der Himmel gab den Regen und die Erde brachte ihre Frucht Jak. 5,17.18. Hörst du da? Wer eifrig beten kann, dem muss wohl sein; denn das Gebet ist der Schlüssel zum Himmel, ja, zu Gottes Herzen; so oft ich im Geiste bete, brech ich Gott den Himmel, ja, das Herz auf und nehme heraus so viel Vorrats und Segens, als ich begehre. Du sprichst: mir fehlt dies und das. Lieber, kannst du nicht beten? Einem eifrigen Beter muss nichts fehlen; so manches Seufzerlein, so mancher Segen. Was kann dem fehlen, dem Gottes Schatzkammer immer offen steht? Was kannst du suchen, das du bei Gott nicht finden solltest? Fehlt‘s an Segen, so fehlt‘s auch wahrhaftig am Gebet. Gott lässt‘s an sich nicht ermangeln, ist gieriger zu geben, als wir zu nehmen, drum muss der Mangel an deiner Seite sein. Du sprichst: mich drückt dies und das. Lieber, kannst du nicht beten? Alles Kreuz kommt vom Himmel. Betest du im Kreuz, so schließest du entweder der Himmel auf oder zu. Geht er zu, so bleibt dein Kreuz zurück; geht er auf, so kommt mit dem Kreuzregen der Trostregen, dass du rühmen kannst: Ach, Herr, nun gibst du einen gnädigen Regen, und dein Erbe, das dürr ist, erquickst du. Elias war zwar ein großer Prophet und Wundermann, doch kein heiliger Engel, sondern nur ein Mensch, hatte eben sowohl seine sündlichen Schwachheiten und Gebrechen an sich als du. Die Gnade, die er gehabt, wirst du auch haben. Bete, so geschieht; was denn? Was du begehrst. Mit einem Wort: Glaube, büße, bete, so muss dir immer wohl sein. Trau nur, du wirst‘s erfahren und Gott preisen.

 

257. 

VOM AMT DER PREDIGER.

Ab und zu.

 

Das ist dein Amt, der du ein Bote Christi bist. Löset sie ab und führet sie zu mir, spricht Christus zu seinen Jüngern, da sie ihm die Eselin samt dem Füllen holen müssen. Die Seelen müssen mit Christo vereinigt werden in der Zeit, sollen sie mit ihm vereinigt sein in der Ewigkeit. Soll das Band mit Christo geknüpft, muss zuvor das Band mit der Welt gelöst werden. Erst ab, darnach zu, von der Welt getrennt, mit Christo verbunden. Was ist denn dein Amt, du Diener Gottes? Du hast vor dir die Herzen der Menschen als ein weiches Wachs; kannst ein- und ausbilden, was du willst. Siehe zu, dass du die Welt aus-, Jesum einpredigst, die Welt leid, Jesum lieb, jene bitter, diesen süß machst. Beschaue deine Zuhörer; wie manchen Esel findest du darunter! Ein Esel ist der Sündenknecht, der aus den Wegen Gottes einen Austritt nach dem andern tut und zum Guten träg ist. Was tut der? Er eilt zur Sündenkrippe, sucht in der Sünde seine Lust und Vergnügung, bindet sich fest an mit den falschen Hoffnungsstricken, hat Lust zu sündigen, weil er aus der Sünde Nutzen, Ruhm und Ergötzung hofft; mit den langen Lebensstricken, hält sich auf im Sündendienst, weil er sich ein langes Leben einbildet, und die Buße bis ins Alter verschiebt; mit den göttlichen Gnadenstricken, meint, es habe keine Not, Gott sei barmherzig. Das siehst du und lässt ihn stehen. Solltest du ihm nicht durch scharfe Gesetzpredigten die Sündenkrippe leid machen und die losen Stricke, die ihm endlich zu Höllenstricken werden, zerreißen? Ach ja, dein Jesus sagt, löse ihn ab. Solltest du ihn nicht, wenn sein Herz vor Leid zerrissen, durch süße evangelische Trostpredigten zu Christo führen? Ach ja, dein Jesus sagt, führ ihn zu mir. Ein Esel ist das Weltkind, geht einher unter der Last vieler weltlichen Lüste und Sorgen, sucht seine Ersättigung in der Weltkrippe, angebunden mit den Stricken der Augenlust, Fleischeslust, und des hoffärtigen Lebens. Löse ihn ab durch Vorstellung der Eitelkeit und Mühe, des Jammers und Betruges, so im Irdischen ist; führe ihn zu Jesu und gib ihm zu erkennen, wie freundlich der Herr ist. Ein Tröpflein der Süße Jesu wird ihm die Welt bald bitter machen. Führe ihn hinzu durch heilsamen Unterricht, die Lehre baut viel; durch heiligen Vortritt, das Leben baut noch mehr; durch brünstige Fürbitte, das Gebet baut am allermeisten. Das heißt dann aus der Hölle in den Himmel. Hirt und Schäflein beide selig. Gott helfe doch!

 

258.

VON DER BEICHTE UND BUSSE.

Wie gebeichtet, so absolviert.

 

Beim Matth. am 5,4. fasst unser Heiland die Beichte und Absolution in ein Sprüchlein, wenn er sagt: Selig sind die Leidtragenden, denn sie sollen getröstet werden. Leid heißt die Beichte, Trost die Absolution. Denn wer nicht Leid trägt wird nicht getröstet, und einem leidtragenden Sünder muss es an Trost nicht fehlen. Was Leid in uns erwecken kann, ist unsere Sünde. In der Erbsünde sind wir gezeugt und dadurch so tief verderbt, dass nichts Gutes in uns wohnt Röm. 7,18. Auch haben wir durch viel wirkliche Sünde in Gedanken, Worten, Werken, im Tun und Lassen, wissent- und unwissentlich die heiligen Gebote Gottes vielfältig übertreten. Hierüber müssen wir Leid tragen und muss uns kränken, dass wir mit unsern Sünden Gott im Himmel erzürnt, den frommen Gott, der unser Vater ist und uns so viel Gutes tut an Leib und Seele; den heiligen Gott, der der Sünde feind ist und ein Greuel hat am gottlosen Wesen; den mächtigen und schrecklichen Gott, der Leib und Seele kann in die Hölle verderben. Wenn dann Leid in uns, so ist Trost bei Gott, denn die Leidtragenden sollen getröstet werden. Tröstlich ist einem betrübten Sünder Gottes grundlose Barmherzigkeit. Denn wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, so ihn fürchten Psalm 103,13. Welcher Vater könnte es über sein Herz bringen, dass er sein traurig Kind verstoßen sollte? Unser Gott ist mehr denn väterlich gegen uns gesinnt, mit Freuden nimmt er uns an, wenn wir mit Tränen Buße tun. Kaum mögen wir geseufzt haben mit dem verlorenen Sohn: Vater, ich habe gesündigt im Himmel und vor dir, und bin nicht wert, dass ich dein Kind heiße; alsbald gibt er uns tröstliche Antwort: Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben. Tröstlich ist einem leidtragenden Sünder das teure Verdienst Jesu Christi, denn das ist ja gewisslich wahr und ein teures wertes Wort, dass Jesus Christus in die Welt kommen ist, die Sünder selig zu machen. Unter diese seligen Sünder bin ich mit gerechnet, wenn ich mich im Glauben an Jesum halte und spreche mit Paulo: Er hat auch mich geliebt und hat sich auch für mich in den Tod gegeben. Er ist auch mir gemacht von Gott zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung. Tröstlich ist einem traurigen Sünder das kräftige Vorsprechen des heiligen Geistes, denn der seufzt immer im Herzen: Abba, lieber Vater, ach Gott, sei gnädig! Ach Gott, erbarme dich! Und wenn das Herz vor Angst nicht seufzen kann, vertritt er uns doch mit unaussprechlichem Seufzen vor Gott. Solch Seufzen seines Geistes erhört Gott und vergibt die Sünde. Dann ist erfüllt, was Christus verheißt: Die Leidtragenden sollen getröstet werden. Wenn aber das Herz mit diesem Trost ist aufgerichtet, so bleibt nicht aus ein neues und bessres Leben. Denn ein Herz von Gott getröstet, denkt also: Siehe, dein Gott hat dir jetzt aus Gnade deine Sünden vergeben, du armes Würmlein hast‘s ja nicht verdient. Nun sollst du dich all dein Lebtag hüten, dass du diesen frommen Gott nicht mit neuen Sünden erzürnst. Gott ist ja dein Vater, drum sollst du vor ihm wandeln in kindlicher Furcht, in kindlicher Liebe, in kindlichem Gehorsam. Ein solch Herz gib mir, Jesu! Amen. 

 

259. 

VON DER HERRLICHKEIT DES PREDIGTAMTS.

Richtig auf Erden, herrlich im Himmel.

 

Die Welt hält nichts von einem Diener Gottes und gilt bei ihr ein Sauhirt oft mehr als ein Seelenhirt. Wer wollte sein Kind zum Predigtamt widmen? Sollte mein Sohn ein armer nackter Pfaff werden? spricht der Haufe und ist kein Wunder. Die Welt verachtet Gottes Gnade und begehrt ihrer nicht; was Wunder dann, dass sie verachtet die Gefäße, darin ihr Gott seine Gnade anträgt? Das Kästlein kann ja keiner größern Ehre wert sein, als der Schatz selbst. Sie fragt nach ihrer eigenen Seligkeit nicht, viel weniger nach denen, die sich bemühen, sie selig zu machen. Wie kann sie hoch achten den, der sie liebt, da sie sich selbst nicht liebt? Sie ehrt Jesum nicht, wie mag sie denn seine Diener ehren? Der Knecht ist ja nicht über seinen Herrn. So macht sich auch mancher Prediger selbst verächtlich durch seinen sträflichen Wandel. Denn wie es in allen Ständen, so gibt‘s auch leider im geistlichen Krebsgeschwüre und Schandflecken. Die Welt weiß nicht zu scheiden unter Person und Amt, wirft auf‘s Amt, was die Person verbricht, und muss die Kappe tragen, weß der Pfaff schuldig ist. Da heißt‘s nicht: Der Mensch, der Mann, sondern der Pfaff lebt so und so. Paulus hat‘s wohl gewusst, drum ermahnt er die Diener Gottes: Lasst uns niemand ein Ärgernis geben, damit unser Amt nicht verlästert werde 2 Kor. 6,3. Engel sind wir ja nicht, sondern Menschen, tragen, wie andere Adamskinder, Fleisch und Blut mit uns herum, werden zuweilen übereilt, und fallen, indem uns dünkt, wir stehen gar feste. Dennoch sollen wir behutsam wandeln und meiden nicht nur das Böse, damit wir niemand ein Ärgernis geben, sondern auch den Schein des Bösen, auf dass niemand an uns ein Ärgernis zu nehmen Anlass finde. Denn das Amt ist zart und ekel, leidet den geringsten Flecken nicht. Was man dem Amt, das bürdet man Gott auf. Das Amt ist nicht unser, sondern Gottes. Lass dann die Welt uns so verächtlich halten, als sie immer will, der Stand, darin wir leben, ist doch vor Gott hoch und herrlich. Sind nicht die Engel unter allen Kreaturen die herrlichsten? Werden nicht Gottes Diener Gottes Engel genannt? Mal 3,1. Sind sie nicht wie die Engel Friedensboten und verkündigen den Frieden mit Gott durch Jesum? Die Engel sind Gott die Nächsten. Du auch, der du ein treuer Hirte bist. Deß freue dich von Herzen. Sind nicht Könige unter den Menschen die herrlichsten? Hat nicht Gott in den Erstgebornen Alten Testaments und in seinem lieben Sohn Christo das Reich und Priestertum vereinigt? Sind wir nicht in Christo beides, Könige und Priester? Warum eins? Gleichheit ist eine Mutter der Einigkeit. Beide Stände sind gleich herrlich. Ja, ich darf wohl sagen, dass der geistliche in gewissem Maße herrlicher sei, als der weltliche. Denn dieser sorgt nur für den Leib und was dazu gehört, jener aber für die Seele und ihre Seligkeit. Ist nicht die Seele edler als der Leib? Der König gibt dir irdische, ich gebe dir himmlische Schätze, jener macht dich reich an Gut, ich mache dich reich in Gott; sage mir, welches ist das Herrlichste? Der König schließt sein Land vor dir zu, oder nimmt dir dein zeitlich Leben, wenn du es hoch verbrichst. Ich kann dir auf Gottes Befehl, wenn du unbußfertig bist, den Himmel zuschließen und dich in den ewigen Tod hinein setzen. Welches ist herrlicher, dies oder jenes Leben? Wenn Paulus seinen Korinthern die Herrlichkeit des Priesterstandes vorstellen will, spricht er: Dafür halte uns jedermann (auch der König selbst, in Christi Reich ist kein Ansehen der Person), nämlich für Christi Diener und Haushalter über Gottes Geheimnisse 1 Kor. 4,1. Großer Herren Dienern sind in großem Ansehen; man ehrt in dem Diener die Person des Herrn. Je größer Herr, je größer Diener. Nun sag mir, welches ist der größte, ein Fürst der Erde, oder der König des Himmels? Ist nicht der Himmel über die Erde? Der Herr vieler Knechte und König vieler Untertanen, oder der Herr aller Herren und König aller Könige? Gott muss ja herrlicher sein als Menschen, so müssen auch Gottes Diener herrlicher sein als Menschen Diener. Wie hoch hältst du den Minister, dem der König alle seine Schätze unter Händen gegeben? Und ist doch nur ein irdischer Schatz. Seinen Dienern hat Gott anvertraut alle seine himmlischen Schätze, sie sind Haushalter über Gottes Geheimnisse. Sind nicht himmlische Schätze vortrefflicher als irdische? Ist nicht Gottes Gnade, Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit besser als die ganze Welt mit ihrem Gold und Silber? Je göttlicher, je herrlicher; Gott ist der Allerherrlichste, ein Herr der Herrlichkeit. Je heiliger, je göttlicher; Gott ist der Allerheiligste und die Heiligkeit selbst. Ist nicht das Predigtamt das allerheiligste Amt auf Erden? Hat‘s nicht Jesus selbst geführt, da er nicht in königlicher, sondern Knechtsgestalt einher ging? Je teurer, je werter. Hat nicht Jesus das Predigtamt mit seinem Blut gestiftet? Geht‘s nicht die Seelen an, die er so teuer erkauft hat? Ich will mich in meinem Stande hoch und herrlich halten, ob mich alle Welt verachtet, und dabei Fleiß anwenden, dass mich mein Leben nicht verächtlich mache. Gib du, Herr Jesu, deine Gnade dazu! Amen.

 

260. 

VOM JÜNGSTEN GERICHT.

Hinauf.

 

Der Richter ist schon vor der Tür. Petrus hat schon zu seiner Zeit gepredigt: Das Ende aller Dinge ist nahe herbeigekommen. Paulus bekräftigt‘s und spricht: Der Herr ist nahe. Johannes stimmt auch mit überein: Meine Kindlein, sagt er, es ist die letzte Stunde. Und ist ja freilich wahr. Ward nicht die erste Welt mit Wasser überschwemmt, da alles Fleisch seinen Weg verderbt hatte? Ach, wie voll Frevels ist die Erde! Gott predigt und lässt predigen, bald süß, bald sauer, bald durch Liebe, bald durch Zornzeichen. Der Mensch verachtet alles, tut Gott und seinem Wort zuwider, was er nur immer kann. Die Kreatur ängstet sich über solche Bosheit und will den Fluch, der sie im Dienst der Eitelkeit drückt, nicht länger tragen. Wie lange, meinst du, wird Gott dazu still sitzen? Er muss ja endlich das ängstige Sehnen der Kreatur erhören und ihr Feierabend geben. Er muss ja endlich des Erbarmens müde werden, mit dem jüngsten Tag drein schlagen und der Welt mit dem höllischen Feuer predigen. Musste nicht Sodom, da Lot hinaus war, im Feuer untergehen? Ach, wie dünne sind die Frommen gesäet! Was noch übrig ist von ihnen, ist wie ein Nachthüttlein im Kürbisgarten. Gott rafft eine Garbe nach der andern auf und eilt mit ihr nach seiner Himmelsscheuer. Der Gerechte stirbt und niemand nimmt‘s zu Herzen. Fürwahr, das letzte und schrecklichste Zorngewitter Gottes ist obhanden. Niemand ist mehr da, der wider den Riss stehe. Da die ägyptischen Drangsale zunahmen und Israel unter der Last seufzte, war nicht der Erlöser nahe? Ach, wie drückt und drängt die Welt Gottes Kinder, wie manche fromme Seele muss in diesem Sodom, Babel und Ägypten über Unrecht seufzen! Gott kann‘s nicht über sein Herz bringen, dass er dem Jammer seiner Kinder länger zusehen sollte. Weil die Armen seufzen, muss er sich aufmachen und Hilfe schaffen. Die Pein ist groß, Gott muss die Tage verkürzen. Drum, liebstes Herz, hinauf, der Richter ist schon da. Wie spricht dein Jesus? Wenn ihr dies alles geschehen seht, so seht hinauf und hebt eure Häupter auf Luk. 21,28. Hinauf in der Liebe des Himmlischen? Die Augen sind Führer zur Liebe. Schaust du herab, so liebst du, was hienieden ist; schaust du hinauf, so liebst du, was droben ist. Da ist dein Schatz, da lass dein Herz sein. 

 

Das, was wir hienieden sehen, 

Ist nur Erd und muss vergehen, 

Nur der Himmel kann bestehen. 

 

Hinauf im vorsichtigen Wandel! Wie vorsichtig ist ein Täublein! So oft es ein Körnlein einliest, sieht‘s hinauf und merkt, ob‘s auch gesichert sei vorm Raubvogel. Mein Herz, sie herrschen in der Luft und umgeben dich allenthalben, die dir gedenken zu rauben nicht dein Gut noch Blut, sondern deiner Seelen Seligkeit. Ach siehe zu, wie du weislich wandelst und schaffest deine Seligkeit mit Furcht und Zittern. Hinauf im andächtigen Gebet! Hienieden ist kein Schutz noch Trost, kein Rat noch Hilfe für dich; was siehst du dich nach Menschen um, die heute Freund, morgen Feind sind; heute stehen, morgen fallen; heute leben, morgen tot sind. Im Himmel wohnt, der dich treulich meint und dann beitritt, wenn Menschen abtreten, der ewige Vater, der sein Herz nicht verändert und dir nicht abstirbt; zu dem hinauf und seufze: Mein Vater, der du bist im Himmel, führ mich nicht in Versuchung, sondern erlöse mich vom Bösen! Hinauf im freudigen Sinn! Was hängst du den Kopf und trauerst? Der dich zu richten kommt, ist eines Menschen Sohn, dein Fleisch und Blut, dein Freund und Bruder; mag auch ein Bruder den andern, mag auch ein Bräutigam seine Braut verdammen? Hat er nicht selbst genug getan für deine Sünde? Ehe müsste er sich selbst, ehe er dich verdammen könnte. Was bringt er dir mit? Das Reich Gottes, ein ewiges Reich, ein Reich, darin Freude die Fülle ist, und lieblich Wesen zur Rechten Gottes, Freude, die kein Auge gesehen, Freude, die kein Ohr gehört, Freude, die in keines Menschen Herz kommen ist. Er bringt die völlige Erlösung von allem Übel. Der Winter hat ein Ende, der Sommer geht an, die Trauernächte sind aus, die Freudentage brechen ein. Mit Tränen hast du gesäet, mit Freuden sollst du ernten. Freu dich von Herzen! Gekrönt sollst du werden nach dem Kampf. Braut, freue dich! Der Bräutigam kommt, die Hochzeit soll angehn.

 

Zion hört die Wächter singen, 

Das Herz tut ihr vor Freuden springen, 

Sie wachet und steht eilend auf. 

Ihr Freund kommt vom Himmel prächtig,

Von Wahrheit stark und Gnaden mächtig, 

Ihr Licht wird hell, ihr Stern geht auf. 

Nun komm, du werte Kron, 

Herr Jesu, Gottes Sohn! 

Hosianna! 

Wir gehen All zum Freudensaal, 

Und halten mit das Abendmahl. 

 

Amen, Herr Jesu, komm doch bald! Ja, komm Herr Jesu! Amen.

 

261. 

VON DER DEMUT.

Hinab!

 

Geht der Weg Christi. Er ging mit ihnen hinab, spricht Lukas, Luk. 2,51.; und Jairus bittet: Herr komm hinab Luk. 8,41. Dein Sinn und Herz geht nur hinauf und trachtest immer nach hohen Dingen. Aufwärts wird dir Jesus mit seinem Segen nicht nachfolgen; Was höher ist als er, darf seiner Gnade nicht. Er sieht nur aufs Niedrige. Vom Himmel kam er herab auf Erden und erniedrigte sich selbst; willst du nun himmelan und dich selbst erhöhen, so entläufst du ihm, dass dich sein Segen nicht finden kann. Den Hoffärtigen ist er feind, denn sie treten ihn mit Füßen; den Demütigen aber beweist er Gnade, denn sie werfen sich zu seinen Füßen hin, wollen nichts sein und sich gern von ihm als Würmlein zertreten lassen. Er ist das Lilium, Hohelied 2, das nirgends Lust zu wachsen hat, als im Tal des Tiefmuts; die Gnadenquelle, die ihre Strömlein nicht bergan leitet, sondern bergab, nicht auf die Hoffärtigen, sondern Demütigen. Demut ist das Gefäß, in welchem er alle seine Güter verwahrt. Demut ist das Häuslein, darin er wohnt. Bei Jesaias am 57,15. lässt sich Gott der Hohe und Erhabene vernehmen, dass er zwar in der Höhe und im Heiligtum wohne, aber doch nirgends lieber als bei denen, so zerschlagenen und demütigen Geistes sind, auf dass er erquicke den Geist der Gedemütigten und den Geist der Zerschlagenen. Hörst du da? Ein demütiges Herz ist das Häuslein, darin Gott wohnt, denn das ergibt sich ihm in tiefster Gelassenheit, dass er mit machen, schalten, walten möge nach allem seinen Wohlgefallen, es tut, lässt und leidet, was er will getan, gelassen und gelitten haben, und widerstrebt ihm in keinen Dingen. Er wohnt drin als ein Tröster, gibt Labsal in Trübsal, Erquickung in Müh und Angst. Er wohnt drin als ein Helfer, der alsdann wunderbare Hilfe schafft, wenn Menschenhilfe aus ist. Er wohnt drin als ein Segen an Leib und Seele, im Ein- und Ausgang. O wie selig seid ihr, die ihr demütig seid von Herzen! Der Herr ist euch nahe, er kann‘s nicht lassen, wo er ein demütig Herz sieht, dahin macht er sich, dass er’s mit seiner Gnade erquicke. Wär‘s möglich, dass er den Himmel lassen und seine Wohnung an einem gewissen Ort aufschlagen könnte, er würde kein ander Herz dazu erwählen, als das sich selbst verleugnet und ihm gänzlich in Lieb und Leid ergibt nach allem seinen Willen. Seh ich ein solch demütig Herz, so sprech ich frei: Da wohnt Jesus. Drum will ich gern mit den Demütigen umgehen, denn ich finde Jesum bei ihnen und bei Jesu allen Segen. Segnet mich ein Demütiger, so segnet mich Jesus, weint ein Demütiger mit mir in meinem Leid, so weint Jesus selbst mit mir; erquicke ich dann eine demütige Seele, so erquicke ich Jesum selbst und wische ihm, wenn er weint, die Tränen ab von seinen Augen. Ja, selbst will ich durch Gottes Gnade so gesinnt sein als Jesus war, und von Herzen demütig werden, auf dass er auch bei mir wohne. Er wohnt doch nirgends lieber, als wo er sich selbst, wie ein Bild im Spiegel findet. Ach, nimm mich mir, mein Jesu, und gib mich dir! 

 

262. 

VOM GLAUBEN UND DER LIEBE.

Auf und ab.

 

Stiegen die Engel auf der Himmelsleiter, die Jakob sah im Traum. Ist ein schönes Christusbild. Er, als wahrer Gott und Mensch, ward ein Mittler zwischen Gott und Menschen, vereinigte in ihm selbst Gott und Menschen, Himmel und Erde, fuhr ab und auf in seiner Menschwerdung und Himmelfahrt. Ist auch ein herrliches Christenbild. Denn was ist unser Christentum anders, als eine stete Auf- und Abfahrt? Auf zu Gott, ab zum Nächsten; zu Gott durch den Glauben, zum Nächsten durch die Liebe. Aufwärts Herz, fasse den reichen Jesum in die Glaubensarme und sprich: Du bist mein, und das, was dein, ist alles mein. O wie reich bist du in deinem Jesu; kannst sagen: Jesus mein, alles mein. Lass die Welt auftreten und ihren Reichtum zeigen; was ist all’ ihr Schatz? Ein Stücklein armer Erde. Was du dagegen aufweisen kannst, ist köstlicher, denn Himmel und Erde. Bleibt der Zentner dein Gewinn, fahr der Heller immer hin! Alles unter Jesu, Jesus über alles, und in allem alles. Was die Welt gibt, ist Stückwerk, was Jesus gibt, ist Vollwerk. Jenes bringt, dieses stillt den Durst; jenes verunreinigt, dieses befriedigt. Jesus ist mein und in Jesu alles mein. Er ist mein Licht in der Finsternis, dass ich nicht irre, meine Gerechtigkeit wider die Sünde, mein Segen wider den Fluch, mein Leben wider den Tod, meine Seligkeit wider die Verdammnis, mein Schutz im Druck, meine Freude im Leid, meine Fülle im Mangel, mein Einiges, denn außer ihm begehr ich nichts; mein Alles, denn in ihm find ich alles. Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

 

An ihm allein ich mich ergötz,

Weit über alle güldne Schätz.

Wenn ich ihn hab, so hab ich wohl, 

Was mich ewig erfreuen soll.

 

Abwärts, Herz, und fasse den armen Jesum in die Liebesarme. Ach, wie geht er da hungrig, durstig, traurig, nackt und elend vor deinen Augen. Lässt du den verhungern, der dir täglich Brot gibt und deine Seele speist mit dem verborgenen Manna? Verdursten, der dich tränkt mit Wollust als mit einem Strom? Traurig gehen und weinen, der dich so reichlich tröstet in deiner Not und alle Tränen abwischt von deinen Augen? Nackt gehen, der dich kleidet mit dem Rock der Gerechtigkeit und mit Kleidern des Heils schmückt? Im Elend herumwallen, der in dein Elend getreten ist, auf dass du in seine Freude eingehen möchtest? Nicht, mein Herz. Ergreif ihn und sprich: Ich bin dein, und das, was mein, ist alles dein. Bist du hungrig, mein Jesus? Ich will dich speisen. Bist du durstig? Ich will dich tränken. Bist du nackt? Ich will dich kleiden. Weinst du, hier ist ein Trosttüchlein, damit will ich dir deine Tränen abwischen. Er nimmt ja gern vorlieb mit Wenigem und Geringem. Ein Stücklein Brots ist ihm genug zu seiner Abspeisung; ein Trünklein kalten Wassers zu seiner Erquickung; ein altes Läpplein zur Decke; hast du nichts anders, gib ihm ein tröstlich Wort. Du bist ihm ja alles schuldig, von dem du alles hast und der dir alles aus Gnaden will belohnen, was du der Geringsten seiner Gläubigen einem tust. Mit wenigem will ich dir sagen, was ich meine: In Christo gilt nur der Glaube, der durch die Liebe tätig ist Gal. 5,6. Der Glaube macht, die Liebe beweist den Christen. Jener führt zu Gott, diese zum Nächsten; jener nimmt, diese gibt; was jener empfindet, das ihm Gott tut, das lässt diese den Nächsten wiederum empfinden. Je reicher Ein-, je reicher Ausfluss. Willst du ein Christ sein, so übe nach dem auswendigen, was du empfindest nach dem inwendigen Menschen. Ich will sein wie ein Baum, der im Himmel wurzelt, auf Erden fruchtet; Gott wird Früchte und Wachstum geben, so soll mein Nächster abbrechen und essen.

 

263. 

VON DER KINDHEIT IM CHRISTENTUM.

Nicht immer ein Kind.

 

Ist, was Paulus an seine Korinther schreibt: Lieben Brüder, werdet nicht Kinder an dem Verständnis 1 Kor 14,20. Kindisch will niemand heißen. Kindisch närrisch. Wer wollt ein Narr sein? Und doch überall ist‘s lauter Kinderspiel mit allem, was wir vorhaben, auch im Christentum. Wie ist ein Kind in seiner Größe? Niedrig. Trachten wir nicht alle nach dem, was hienieden ist? Sind nicht die meisten irdisch gesinnt? Sind wir nicht darin gleich den Kindern, die auf der Erde im Staub sitzen, mit Nüssen, Karten und anderm Puppenwerk spielen? Wie ist ein Kind an seinem Verstand? Albern; auch das, was allen andern Licht, ist ihm Finsternis, und kann‘s nicht begreifen. Ach! Schau den heutigen Christenhaufen an. Von ihm magst du sagen, was dort der Prophet von den Heiden sagt: Finsternis bedeckt das Land, und Dunkel die Völker Jes 60,2. Wie reichlich wohnt das Wort des Herrn unter uns, und wandelt doch mancher bei so hellem Licht in stockdicker Finsternis, weiß nicht einmal, wer sein Erlöser ist, will‘s auch nicht begreifen, als gäbe man‘s ihm einzutrinken. Heißt das nicht kindisch sein am Verstande? Wie ist ein Kind am Verstande? Närrisch. Reich ihm dar in einer Hand ein Goldstück, in der andern ein Bißlein Zuckers, lass eins erwählen; was gilt‘s, ob‘s nicht eher wird nach dem Zucker greifen als nach dem Golde? Ja, solltest du in einer Hand Zucker darhalten, in der andern Gift, es sollte sobald nach dem Gift langen, als nach dem Zucker. Aber, Lieber, machst du es wohl besser? Du bist gestellt gerade zwischen Himmel und Erde; jener beut dir an was besteht, diese was vergeht; jener was wenig, diese was eitel ist; dieses wählst, jenes verschmähst du. Bist du nicht ein Kind? Ja freilich: Evas Kind, Evas Sinn, die nahm den Apfel und verlor den Garten. War nicht der Garten besser als der Apfel? Du wirst gestellt zwischen Fluch und Segen, Tod und Leben, Höll und Himmel. Jene dräuet man deinem Ungehorsam, du willst nicht gehorchen, erwählst die Hölle; heißt das nicht kindisch? Gift für Zucker. Wie ist ein Kind am Gemüt? Weich und veränderlich. Du lobst es, es ist gutes Muts und brüstet sich; du lästerst es, es wird entrüstet und lässt den Mut sinken; du gibst ihm, es lacht; du nimmst ihm, es weint. Nun beschaue dich selbst, wie findest du dich? Gott gibt, du bist mutig; Gott nimmt, du bist verzagt; Gott küsst, du lachst; Gott stäupt, du weinst; man lobt dich, du wirst hoch-, man lästert dich, du wirst kleinmütig; kommt Gewinn, du dankst; kommt Verlust, du zürnst; veränderlich auf einen jeden Blick als ein Kind. Wie ist ein Kind im Gehorsam? Ein Nieß- und Süßling. Mit Semmel, Zucker und andern Gaben muss der Vater anlocken, sollt‘s seinen Willen tun, und ihm den Gehorsam gleichsam abkaufen. Prüfe dich, ob du nicht auch hierin dem Kinde gleich seist? Wie viel Gutes hat dir Gott in seinem Wort verheißen! Wie viel Gutes tut er dir täglich an Leib und Seele, und kann dir doch kaum deine Liebe und Gehorsam abgewinnen! Tust du dann, was dein Gott will getan haben, so siehst du darin nicht bloß auf seine Ehre, sondern beiher auf deinen Vorteil, deine Wollust, und was sonst mehr. Ist ja kindisch. Wie ist ein Kind in seiner Armut? Schwach. Wenn gleich das Stücklein noch so leicht zu tragen, hebt‘s doch schwer dran, tut, als wenn kein Vermögen zu tragen bei ihm wäre, fasst‘s bald an, bald legt‘s wieder nieder, ruht sich dann und wann aus, klagt, es sei zu schwer oder zu viel. Spiegle dich, mein Christ, dein Ebenbild findest du hier. Ermahnt man dich, dass du dich selbst verleugnen, die Welt verschmähen, und Christo sein Kreuz nachtragen sollst, so beschwerst du dich über dein Unvermögen, und sprichst: Wie wär’s möglich, dass man so leben könnte? Ich bin nur ein Mensch und kein Engel. Ist eben als sprächst du: Ich bin nur ein Kind und kein starker Mann. Wie wahr redest du! Ein Kind im Christentum. Oft machst du einen guten Anfang, ermüdest aber bald, und ziehst die Hand vom Pflug wieder ab. Wie ist ein Kind in seinem Leiden? Ein Zärtling. Tut ihm nur ein Finger weh, wie stöhnt‘s, weint‘s, klagt‘s, will immer mit freundlichen Worten gestillt sein, immer im Schoß und an der Mutter Brüsten liegen. Gleich so bist du gesinnt. Wie leidlich tust du, wenn dich ein Kreuzchen trifft! Wie läufst du herum, kirrst und klagst, als läge dir Himmel und Erde auf dem Rücken; willst immer getröstet sein, und wo dir Gott nur einen Augenblick seine Trostbrüste entzieht, gar verschmachten. Solch Kinderwerk treibt man im Christentum; aber, mein Herz, nicht immer ein Kind. Endlich muss man ja die Kinderschuhe ausziehen. Du warst niedrig; wachse auf, komme dem Himmel immer näher und trachte nach dem, was droben ist. Du warst albern; werde verständig, sei wie ein Lichtlein, das je länger, je heller brennt. Bitte Gott, dass er dir gebe den Geist der Weisheit und Offenbarung zu seiner selbst Erkenntnis, und erleuchtete Augen deines Verständnisses, dass du erkennen mögest, welches da sei die Hoffnung deines Berufs, und welcher sei der Reichtum seines herrlichen Erbes an seinen Heiligen Eph. 1,17.18. Du warst närrisch, nimm zu an Weisheit und wähl das beste Teil. Der Himmel hoch, die Erde niedrig: das Höchste des Beste; der Himmel groß, die Erde klein: je größer, je besser. Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde; der Himmel vorn, die Erde hinten. Der Himmel Freude, die Hölle Pein; Freud über Leid. Die Hölle Finsternis, der Himmel Licht; erwähl das Beste. Du warst veränderlich; werde gleichmütig in allem Zustande. Ob sich dein Zustand verändert, so verändert sich doch Gottes Herz nicht. Gibt er, sein Name sei gelobt! Nimmt er, sein Name sei gelobt! Er ist und bleibt Vater, sowohl wenn er stäupt, als wenn er küsst. Du warst ein Nießling, suchtest in deinem Gottesdienst nicht das, was Gottes, sondern was dein ist. Liebe ist kein Nießling. Liebst du Gott von Herzen, so gehorche ihm, nicht weil er gibt, und Gutes tut, sondern weil er Vater ist, und du ihm allen kindlichen Gehorsam schuldig bist. Du warst schwach und konntest kein Splitterlein heben im Christentum; werde stark im Herrn, und lass deinen Christen tragen, was der Mensch nicht tragen kann. Sprich mit Paulo: Ich vermag alles in dem, der mich mächtig macht, Christus Phil. 4,13. Du warst ein Zärtling im Leiden, werd ein Härtling. Hart gegen hart. Setzt das Kreuz hart auf dich zu, erhärte dich im Tragen, Gott hilft überwinden. Aus dem Kindlein wird ein Jüngling, und aus dem Jüngling ein alter Mann; aus dem anwachsenden ein aufwachsender, und aus dem aufwachsenden ein erwachsener Christ. Das helf dir Gott!

 

264. 

VON DEM NAMEN JESU.

Gewagt! In Jesu Namen! Amen.

 

Die Welt wagt viel, teils in eigenem, teils in fremdem, teils gar in des Teufels Namen. Ich wag‘s nicht mit. Was man anfängt in eigenem Namen, das muss man endigen in eigenem Jammer. Ohne Gott bestrickt eigner Witz, und zerschlägt eigene Macht. Viel weniger gelingt‘s, wenn man in eines anderen Namen wagt. Heißt er mächtig? Er ist doch nur Fleisch und zerfällt wie Staub. Wie mächtig war Sanherib? Was half‘s ihm? Verlasset euch nicht auf Fürsten, sie sind nur Menschen. Heute rot, morgen tot. Heißt er klug? Vielleicht zu seinem und meinem Verderben. Ahitophel hat‘s wahr gemacht. Und wer weiß, wie lange? Nebukadnezar hieß auch so, aber nicht ewig. Am wenigsten gelingt‘s, was man ins Teufels Namen beginnt. Teufel mit uns. Gott wider uns. Ohne Gott, ohne Glück. Ich wag‘s nicht. Muss es denn gewagt sein? Ei, so sei‘s gewagt, nicht in meinem, nicht in deinem, nicht in des Teufels, sondern in Jesu Namen. Amen! Der Name Jesus ist mein Trost. Wie das Lindöl die Wunden, und der Balsam den leiblichen, so stillt der Name Jesus all meinen Seelenschmerz. Dein Name, mein Jesu, ist eine ausgeschüttete Salbe Hohelied 1,3.

 

Kein Elend kann so bitter sein,

Dein süßer Name lindert‘s fein.

 

Was mich betrüben kann, heißt Unheil; was mich erfreuen kann, heißt Jesus. Denn es ist in keinem andern Heil, ist auch kein andrer Name den Menschen gegeben, darin sie könnten selig werden, als der Name Jesu. Der Name Jesus ist mein Schutz in allen Nöten. Der Name des Herrn ist ein festes Schloß, der Gerechte flieht dahin, und wird errette. Sprüchw. 18,10. Stürmt die Hölle mit allem Unglück auf mich zu? Lass sie stürmen, ich lauf zum Namen Jesu, faß denselben in ein gläubiges Gebet, und sprech: Ach Herr, du hast verheißen, was ich in deinem Namen bitten werde, das werde mir dein Vater geben. So bitte ich dich, heiliger Vater, um deines Kindes und seines Namens, um der Geburt, um des Leidens, um der Wunden Jesu willen, errette mich von meinen Feinden, schütze dein bedrängtes Kind, das sonst nirgends Hilfe find’t. Kein Vöglein ist so sicher in seinem Nest, als ich bin in der Burg des Namens Jesu, wenn Not, Tod und aller Jammer auf mich zudringt. Der Name Jesus ist mein Trutz. Weißt du wider wen? Ich will dir‘s sagen: Wider die Sünde. Denn von diesem Jesu zeugen alle Propheten, dass in seinem Namen Vergebung der Sünden haben alle, die an ihn glauben Ap.-Gesch. 10,43. Mein Name heißt Sünder, Jesu Name heißt Sündentilger! Sünde, trotzest du auf meinen, so trotze ich auf seinen Namen! Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht mich rein von allen meinen Sünden 1 Joh. 1,7. Wider den Teufel. Der kommt wider mich aufgezogen als ein großer Goliath; ich fürchte mich nicht ein Härlein, sondern geh ihm getrost unter Augen, und spreche mit David: Teufel, du kommst angetreten wie ein Gewappneter mit Spieß und Stangen, aber denke nur nicht, dass du mich damit erschrecken sollst; ich trete dir entgegen im Namen Jesu des Herrn Zebaoth, er hat dir schon den Kopf zertreten, was willst du ausrichten? Nenn ich nur den Namen Jesus im Glauben, mit Furcht und Schanden muss der Teufel abziehen. Er ist mein Trutz wider alle Feinde. Wie schnaubte Saulus mit Dräuen und Morden wider die Jünger des Herrn! Aber da ihm der Herr auf dem Wege gen Damaskus vom Himmel zurief: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Ich bin Jesus, den du verfolgst; es wird dir schwer werden, wider den Stachel zu löcken, Ap.-Gesch. 9,5., entfiel ihm das Herz, dass er anfing zu zittern und zu zagen. O Welt, wag‘s nicht, im Namen Jesu will ich dich zertreten. Du verfolgst nicht mich, sondern Jesum in mir. Was willst du ausrichten, du ohnmächtiger Mensch, gegen den allmächtigen Gott! Du Strohhälmlein, wider den Donner! Ihn wirst du wohl müssen sein lassen, der er ist, dich aber selbst nur stürzen. Jesus in mir, hunderttausend Teufel wider mich; was frag ich darnach! Wie steh ich denn, Tod, mit dir? Soll‘s zum Kampf gehen? Nur gewagt in Jesu Namen. Steinige, brenne, säufe mich, mach‘s wie du willst, ich seufze mit Stephanus: Herr Jesu, nimm meinen Geist auf! Siehst du nicht Jesum in den Wolken stehen und auf meine Seele warten? Jage du sie aus dem Körper, er nimmt sie in den Himmel. Kannst du sie auch Jesu aus seinen Händen reißen? Tod, Jesus ist mein Leben, und du bist mein Gewinn. Liebster Christ, wagst du es im Namen Jesu, wirst gewinnen. Amen. 

 

265. 

VON SCHRIFTREICHEN PREDIGTEN.

Schrift, Schrift.

 

Soll aller Predigten Mark, Saft und Kraftkern sein. Du schwatzest viel dahin, und spickst deine Predigten aus mit Kunstblumen heidnischer Sprüche und Exempel; wäre gut, wenn du ein Heide den Heiden predigtest, den Heiden heidnisch; nun du aber vor Christen auftrittst, was soll solch heidnisch Wesen in solchem Überfluss? Soll die Finsternis erleuchten, oder der Teufel Christo sein Reich aufbauen? Sollen Kunstworte brünstig machen, oder Menschenworte göttlich? Was nützt solch Gemenge? Wozu dient solch Gepränge? Ist Gott nun so kraftlos geworden, dass ihm Aristoteles, oder Cicero, oder Demosthenes zu Hilfe kommen muss, in Bekehrung der Menschen? Nicht, mein; Schrift, Schrift, aus Gottes Herz in der Menschen Herzen. Gottes Wort, Gottes Kraft. Durch die Schrift redet der Geist Gottes, nicht durch Cicero oder Demosthenes. Wie kann das in den Geist dringen, was nicht Geist und aus dem Geist ist? Du predigst ja, dass du das Volk willst selig machen. Nicht Aristoteles Schrift, sondern Gottes Wort ist eine Kraft selig zu machen. Oft brichst du mit dem Cicero, indem du zu bauen suchst, und tröpfelst Gift ein, anstatt der Arznei. Schrift, Schrift, da ist Gottes Geist und Finger bei. Nicht will ich, dass du im Predigen die Zeit mit lauterm Schriftzitieren zubringen, einen ganzen Sack voll biblischer Sprüche und Exempel ausschütten, und dabei allemal das Kapitel, den Vers anziehen sollst, wo es geschrieben steht; nein, solche Fülle verursacht nur ein Ekel, lässt die Zuhörer in der Finsternis und zerstört bei vielen die Andacht. Ist es nicht erbaulicher, wenn du wenige Schrift zitierst, und derselben durch andere Schrift ein Licht gibst? Mit der Schrift sollst du immer reden, schriftmäßig und schriftreich sein in deinen Predigten. Nimm zum Exempel Paulum 1 Kor. 15. Er lehrt die Heiden, doch nicht durch heidnische, sondern göttliche Schrift. Er zieht die Schrift an, nicht nach dem Buchstaben, sondern nach der Kraft; den Kern nimmt, die Schalen lässt er. Willst du mit Engelzungen predigen, nimm den engelischen Weihnachtsprediger zum Vorbild; viel Blümlein findest du in seiner Predigt, alle zusammengelesen aus dem Paradies der prophetischen Schrift und wird dir doch kein Prophet genannt. Siehe, spricht er aus dem Propheten Jesaias am 7., ich verkündige euch große Freude, Kap. 9 und 51., die allem Volk widerfahren wird. Kap. 60. Denn euch ist heut der Heiland geboren, Jes. 9,6., welcher ist Christus, Ps. 2, der Herr, Jer. 23, in der Stadt Davids, Jes. 9 und Micha 5; lauter Schrift geredet, und doch keine Schrift genannt. Eben ein solch Kränzlein flechtet Christus selbst, wenn er die Jünger Johannis abfertigt mit dieser Antwort: Die Blinden sehen, die Lahmen gehen etc. Suche nur auf folgende prophetische Sprüchlein: Jes. 35,5.; Kap. 29,18.; Hos. 13,14; Jes. 61,1.; Ps. 118,22.; Zach. 13,1.; da wirst du alle diese Schrift finden. Lass die Schrift reden, so redet Gott, und das bewegt. 

 

266. 

VON DEM WOHLSTAND DER CHRISTEN. 

Weh im Wohl und Wohl im Weh.

 

So trifft man‘s recht. Wohl mir! sprichst du. Warum? Lieber, denn ich hab Reichtum und die Fülle, viel Vorrats im Hause, viel Goldes und Silbers im Kasten. Ach, weh dir! Wie schwerlich wird ein Reicher ins Himmelreich gehen! Reich an Gut, arm in Gott. Deine Schätze sind Netze, sie ziehen zur Hölle. Gut, Sorge, Unruh, da hast du schon die Hölle. Wohl mir! sprichst du. Warum? Denn ich leb und schweb in großen Ehren, mir dient, mich betet jedermann an, mein ist das Gebieten, andere müssen gehorchen. Ach, weh dir! Vor der Welt hoch, vor Gott ein Greuel. Groß auf Erden, klein im Himmel. Hoch gestiegen, tief gefallen! Würden, Bürden, du sinkst drunter zur Höllen. Wohl mir! sprichst du; mir kommt ein Wohlleben nach dem andern, ich bankettiere, junkeriere, lebe alle Tage herrlich und in Freuden. Ach, weh dir! Die hier lachen, werden dort heulen. Wehe denen, die des Morgens früh auf sind, des Saufens sich zu befleißigen und sitzen bis in die Nacht, dass sie der Wein erhitzt; und haben Harfen, Psalter, Pauken, Pfeifen und Wein in ihrem Wohlleben. Die Hölle hat die Seele weit aufgesperrt und den Rachen aufgetan ohn alle Maß, dass hinunterfahren beide ihre Herrlichen und Pöbel, beide ihre Reichen und Fröhlichen Jes. 5,11.12.14. Nicht verdamm ich den Reichtum, er ist ein Segen Gottes, wo man zuvörderst Schätze sammelt im Himmel und dann sein Recht braucht. Nicht verdamm ich hohen Stand und Amt; ist doch Gott der Allerhöchste und hat verheißen zu erhöhen, die sich selbst erniedrigen, wenn man nur seine höchste Herrlichkeit in Christo sucht und in hohem Stand niedrig gesinnt ist. Nicht verdamm ich das Wohlleben der Christen; wie sollte Gott auch nicht seinen Kindern ein fröhlich Stündlein gönnen, wenn sie nur dabei seiner und seiner Werke nicht vergessen? Mit einem Worte: Dahin trachte du, dass du einen gnädigen Gott haben mögest. Wo Gottes Gnade, da ist Ruhe, und im Stillsein Wohlsein. Weh mir! sprichst du. Ach warum, mein Herz? Ich bin umgeben mit Kreuz und Jammer, wie eine belagerte Stadt mit Feinden, ein Schiff mit Wellen, die Rose mit Dornen. Gott Lob! liebe Seele. Wohl dir! Selig sind die Leidtragenden, selig sind die Verfolgten. Wohl dir! Gott hat dich lieb; je liebers Kind, je schärfer Rute. Wohl dir! Gott ist dir nah; dem Schwächsten am nächsten. Wohl dir! du schmeckst wie freundlich der Herr ist. In der Wüste gibt‘s Manna, Honig im Löwen, Süßigkeit im Schrecklichen. Wohl dir! der Himmel ist dein; gekämpft auf Erden, gekrönt im Himmel: Durch Kreuz zum Licht, so geht es zu den Sternen durch steile Pfade. Im Kreuz ist der rechte Wohlstand, denn es versichert mich, dass ich einen gnädigen Gott habe. Gott züchtigt niemand, als dem er gnädig ist. Lass dir an meiner Gnade genügen, sagt der Herr zu Paulo, da ihn des Satans Engel mit Fäusten schlug 2 Kor. 12,9. Wie kann dir aber übel sein, wenn du einen gnädigen Gott hast? Menschengnade erfreue dich und ist doch nur Menschengnade: wie vielmehr soll dich befriedigen Gottes Gnade, die besser ist, als das Leben. Ja, sprichst du, dennoch ist mir im Kreuz so weh und bange, dass ich oft vor Angst vergehe. Das macht deine Ungeduld, mein Herz, die macht schwer, was leicht, und zur Last, was eine Lust ist. Wirf Süßholz ins bittere Wasser, und verzuckre dir dein Leben mit Trostsprüchen und Exempeln göttlichen Wortes, so wird sich dein Weh in Wohl, Wasser in Wein verwandeln, und du wirst mit Paulo rühmen: Gelobt sei Gott, und der Vater unseres Herrn Jesu Christi! Denn so wir des Leidens Christi viel haben, so werden wir auch reichlich durch Christum getröstet 2 Kor. 1,3-5. So muss man die Bitterkeit des Kreuzes vertreiben. Ich will nimmer von Wohl rühmen, als wenn ich Weh fühle. Denn aus dem Weh muss mein Wohl kommen, aus Wasser Wein, aus der Tränensaat die Freudenernte. Wehe mir im Wohl! Wohl im Wehe! Dein Wohlsein, Weltherz, mein Wehsein. Dein Wehsein, mein Wohlsein. Wohl im Kreuz! Wohl im Himmel! Wohl bei meinem Jesu!

 

267. 

VOM REICHTUM DER BARMHERZIGEN.

Arm und doch reich.

 

Wer ist der? fragst du. Ich will dir‘s sagen. Es ist der fleißige und milde Almosengeber. Arm ist er, weil er nichts eignes hat. Gemein ist all das Sein. Sein Brot, Fleisch und Fisch speist den Hungrigen; sein Wasser, Bier und Wein tränkt den Durstigen; sein Kleid deckt den Nackten; sein Haus nimmt auf den Elenden; sein Geld und Gut dient dem Dürftigen. Sein Wahlspruch ist: ich verzehre mich im Dienst anderer; ist wie ein Lichtlein, das sich selbst verzehrt, indem es andern leuchtet. So arm ist er, dass er nichts hat noch begehrt zu haben, und doch in seiner Armut reich, reich an Himmelsschätzen, als der durch Gutes tun, gerne geben und behilflich sein Schätze gesammelt hat, ihm selbst einen guten Grund auf‘s Zukünftige, dass er ergreife das ewige Leben 1 Tim. 6,18.19. Reich an irdischen Gütern; denn je mehr er gibt, je mehr er hat; je reichlicher gesäet, je reichlicher geerntet. Reich in Gott, an dem er alles hat und außer dem er nichts begehrt. Arm im Leben, denn er gibt alles Seinige hin und sucht nichts zu behalten, als Notdurft an Nahrung und Kleidung, woran es auch dem ärmsten Bettler nicht fehlt. Reich im Tod, denn er nimmt alles Seinige mit sich und lässt nichts dahinten, weil er nichts hat. Was er an die Armen verwandt, ist ihm beigelegt von dem, der keinen Trunk kalten Wassers will unbelohnt lassen. Reich und doch arm. Wer ist denn der? Der karge Geizhals. Er hat viel und hat doch nichts, weil er sich selbst nicht hat, weder ihm selbst noch dem Nächsten nützt. Er ist reich an Gold, arm in Gott; reich an guten Hellern, arm an guten Werken; reich im Begehren, arm im Haben, weil er immer mehr begehrt und nimmer genug hat; reich im Leben, denn er gewinnt viel; arm im Tod, denn er verliert alles. Was man ihm selbst behält, das ist verloren, was man den Armen gibt, das ist behalten. So arm, dass er auch nichts hat. Hier gefunden, hier gelassen. Ist er doch im Grabe keines Hellers reich. Willst du von diesen beiden eines wählen, so wähle das Beste. Das Erste das Liebste.

 

268. 

VON DER CHRISTEN ZUSTAND IM KREUZ.

Ein Lamm und ein Löwe.

 

Ein Lamm ist Christus, ein Löwe der Teufel; doch war auch Christus beides, ein Lamm und ein Löwe; ein Lamm im Leiden, ein Löwe in der Auferstehung. Beides wünsch ich mir, dass ich möge sein ein Lamm im Leben, ein Löwe im Leiden; ja beides im Kreuz, ein Lamm im Streiten, ein Löwe im Siegen. Wie streitet ein Lämmlein? Nicht durch Rache, sondern durch Geduld, lässt sich rauben, scheren, würgen; tut kaum den Mund auf. So stritt mein Jesus auch: Da er gestraft und gemartert ward, tat er seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, und seinen Mund nicht auftut Jes. 53,7. Er schalt nicht wieder, da er gescholten ward, drohte nicht, da er litt: sondern stellte es dem heim, der recht richtet 1 Petr. 2,23. So will ich auch streiten, nicht widerstreben, sondern weichen; nicht Böses mit Bösem vergelten, sondern dagegen segnen, von allen alles leiden und dafür Liebes tun. Setz ich mich wider mein Kreuz, so setz ich mich wider Gott; denn seine Hand ist‘s, die mich drückt, je heftiger ich widerstrebe, je härter sie drückt. Mein Becherlein hat mir Gott eingeschenkt als ein Arzt; trink ich‘s aus, werd ich gesund an meiner Seele; stoß ich‘s um, verschütt ich mein Heil und muss doch leiden, was Gott will gelitten haben. So will ich ja lieber den Becher anfassen, Jesum bitten, dass er’s süß mache, darnach fröhlich austrinken und mit David sprechen: Ich will den heilsamen Kelch des Herrn trinken und seinen Namen verkündigen Ps; 116,13. Je lieber ich die Bürd aufnehm, je leichter wird sie mir zu tragen sein. Gern daran, bald davon. Das Kreuz spielt nur mit uns und ist ihm kein rechter Ernst. Wie siegt denn der Löwe? Nicht durch Zagen, sondern durch Wagen; sein freudiger Mut hilft alles überwinden. Geduld streitet, Freudigkeit überwindet. Warum nicht mutig? Es sind des Herrn Kriege. Welt und Teufel wider uns, Gott mit uns, der Herr Zebaoth, der schrecklich ist in aller Welt. Menschen trotzen; worauf? Auf ihre Macht; lass sie trotzen, ich trotze auf meinen Gott, der ist doch mächtiger, als alle Menschen. Der Herr ist mit mir, was will mir Fleisch tun, Fleisch, das wie Heu verdorrt, und wie Gras verwelkt? Bin ich krank, doch guten Mutes, die Krankheit ist zur Ehre Gottes, der ist mein Arzt und Pfleger. Bin ich arm und elend, darum nicht tot, der Herr sorgt für mich. Mein Vater, Mutter und alle Welt verlassen mich, doch nicht verzagt, der Herr nimmt mich auf. Wandle ich im finstern Tal und Todesschatten, ich fürchte mich doch nicht, denn der Herr ist bei mir Ps. 23,4. Sucht der Feind meine Schande, dennoch freudig. Mein Gott, ich hoffe auf dich; lass mich nicht zu Schanden werden, dass sich meine Feinde nicht freuen über mich. Denn keiner wird zu Schanden, der dein harrt; aber zu Schanden müssen sie werden, die losen Verächter Ps. 25,2.3. Wollen mich Menschen stürzen, sie müssen‘s wohl bleiben lassen. Ich hoffe auf den Herrn, darum werde ich nicht fallen Ps. 26,1. Tritt der Tod mich an, unerschrocken; er nimmt mir nichts als Mühe und Elend und gibt mir den Himmel. Immer gutes Muts. Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen? Darum, so die Bösen meine Widersacher und Feinde an mich wollen, mein Fleisch zu fressen, müssen sie anlaufen und fallen. Wenn sich schon ein Heer wider mich legt, so fürchtet sich dennoch mein Herz nicht, wenn sich Krieg wider mich erhebt, so verlass ich mich auf ihn. Mein Herz, so streite, dass du siegst. Geduldig sei und herzhaft. Gelitten, gestritten; gerungen, gelungen. Das gebe Gott!

 

269. 

VON DEN DREI HAUPTSTÄNDEN. 

Aller guten Dinge sind drei.

 

Drei über dir, drei in dir, drei neben dir. Über dir Gott Vater, Sohn und heiliger Geist. In dir das Ober-, Mittel- und Unterteil, Haupt, Herz und Füße; neben dir der Wehr-, Lehr- und Nährstand. Diese drei Stände sind gebildet in den drei Personen der Gottheit, da der Vater als Schöpfer nährt, der Sohn als König und Erlöser wehrt, der Geist als Gottes Finger lehrt. Dasselbe Bild findest du im Spiegel deines Körpers, im Herzen das Predigtamt, im Haupt das Regiment, in den Füßen das Hauswesen. Nur ein Herz und Haupt, weil nur ein Geschlecht lehren und herrschen soll; aber zwei Füße, weil Mann und Weib das Hauswesen als Gehilfen beide führen. Das Herz sitzt in der Mitte, verbindet also das Ober- mit dem Unterteil. Das Predigtamt verknüpft die Regenten mit den Untertanen, indem es beiden ihre Pflicht vorhält. Gerät Moses mit Israel in einen Streit, tritt Aaron ins Mittel und versöhnt sie, Das Herz ist die Lebensquelle. Das Predigtamt verbindet Obere und Untere mit Christo, in welchem das rechte Leben und ein Vorschmack des ewigen Lebens ist. Dies zeitliche Leben ist mehr ein Tod, als ein Leben, weil es alle Augenblicke mit dem Tode abwechselt und dazu voller Mühe und Arbeit ist. Das Herz erbildet sich in allen Gliedern: so das Predigtamt in aller Menschen Leben; fromme Lehrer, fromme Hörer; gottlose Führer, gottlose Folger. Das Herz hat drei Spitzlein, zwei gehen auf-, das dritte niederwärts; zum Predigtamt gehören vornehmlich drei Stücke: Gebet, Betrachtung, Anfechtung; Gebet und Betrachtung steigen hinauf gen Himmel und holen da Süßigkeit; die Anfechtung führt hinab zur Hölle und schmeckt da Bitterkeit. Das Herz ist oben aufgetan, unten geschlossen; Prediger müssen nur trachten nach dem was droben, und nicht nach dem, was hienieden ist, damit von ihnen nicht möge gesagt werden, was Paulus von den eigensüchtigen Bauchdienern sagt: Sie suchen all das Ihre und nicht was Christi ist Phil. 2,21. Vom Herzen kommen wir zum Haupt, als zum Regentenbilde. Im Haupt sitzt die Vernunft als Regentin und beherrscht gleichsam von ihrem Thron alle Gedanken, Worte und Werke des Menschen. Vernünftiglich muss eine Obrigkeit regieren, auf dass gemeine Wohlfahrt nicht zerstört, sondern befördert werde. Im Haupt laufen die Gedanken und Sorgen durch einander: Regiert jemand, so sei er sorgfältig Röm. 12,8. Wollte ein Fuhrmann ohne Sorge fahren, würde er bald Wagen und alles über einen Haufen werfen. Regenten sind Götter und Väter; Gott sorgt ja für uns Menschen, ein Vater für sein Kind. Das Haupt ist der anderen Glieder Schutz; Regenten müssen Bäume sein, unter welchen ein jeder Schirm und Schatten findet; ihr Himmel muss der Untertanen Decke sein. Am Haupt sitzen zwei Augen, zwei Ohren und nur ein Mund; Regenten müssen sehende Augen haben, mit dem einen sich und ihre Untertanen, mit dem andern ihre Feinde bewachen; jene zu erhalten, diese in ihren Anschlägen zu hintertreiben; sie müssen hörende Ohren haben, eines Gott, das andre den Untertanen zuhalten; dem Kläger dies, dem Beklagten jenes; sie müssen haben nur einen Mund, daraus sie jedermann ein Recht sprechen, dem Armen kein anders als dem Reichen, noch dem Hohen kein bessers als dem Niedrigen. Vom Haupte gehen auch ab beide Arme und Hände; Regenten müssen nach ihren Untertanen beide Arme ausstrecken, den, der Druck antut, niederzuschlagen, und den, der Druck leidet, aufzurichten; Hirten sind sie, drum müssen sie führen in der einen Hand den Stab Wehe, in der andern den Stab Sanft; mit der Rechten das Gute belohnen, mit der Linken das Böse abstrafen. Endlich komm ich zu den Füßen, dem Spiegel des Ehestandes; diese tragen den Leib: so hebt, trägt und hält der Hausstand mit seinem Segen alle andern Stände; aus ihm kommen auch hervor, welche der Welt Säulen und Träger sind in allen Ständen. Soll dem Leibe wohl sein, müssen die Füße fest stehen; alsdann findest du alle Stände in einem Wohlstand, wenn der Ehestand im Segen Gottes wohl gefußt und befestigt ist. Mit den Füßen betritt man die Erde; wollt ihr gesegnet sein, ihr christlichen Eheherzen, so zertretet das Irdische und sucht das Himmlische. Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das andere alles zufallen Matth. 6,33. In diesem Spiegel beschaue dich täglich, der du ein Lehrer, Regent und Hauswirt bist, so wird‘s an Trost und Besserung nicht fehlen.

 

270. 

VON DER SELBSTBESCHWERUNG.

Lust, Last.

 

So findet mancher seine Sünde, sein Amt, Kreuz und Leben. Mit Lust sündigt er, sucht Ergötzung darin, lacht und kurzweilt dabei. Wacht das Gewissen auf, stellt‘s ihm vor die Gerechtigkeit Gottes, so durch die Sünde beleidigt, den schweren Zorn, der mit der Sünde verdient, so wird aus der Lust eine Last, aus dem Lachen ein Heulen; zuvor Zucker, jetzt Wermut, zuvor ein kleines Stäublein, jetzt ein großer Berg, zuvor ein leichtes Pflaumlein, jetzt ein schwerer Zentner. Da ist dem Sünder nicht anders zu Mute, als läge ihm Himmel und Erde auf seiner Seele, das Herz ist in der Klemme dermaßen beängstet, dass es kaum Luft schöpfen kann. Manasse und David haben‘s erfahren. Jener schaut seine Sünde an als einen großen Sandberg und spricht: Meiner Sünden sind mehr, denn des Sandes ist am Meer. Gebet Manasse V. 9. Dieser will schier unter der Last versinken und klagt: Meine Sünden gehen über mein Haupt, und wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer worden Ps. 38,5. Drückt dich die Last auch, mein Herz, und will dich unterdrücken, entledige dich derselben, wirf sie hin auf Jesum, das Lämmlein Gottes, das aller Welt Sünde trägt. Was sind deine Sünden gegen aller Menschen Sünden? Der diese trägt, wird auch jene tragen können. Mit Lust tritt mancher ins Amt, meint, es schneie Gold, und regne lauter Zucker drin, er singt und springt vor Freuden, wenn ihm die Botschaft gebracht wird, dass er zu Diensten kommen sei; wie aber, wenn das Dienen angeht und man empfindet bei sich kein Vermögen noch Tüchtigkeit dazu? Oder die Welt will ihr nicht dienen lassen, gibt Stank für Dank zu Lohn; da wird man ihm selbst zur Last, da ist die Kappe schwer zu tragen, da wollte man lieber Bauer als Bürger, ein Knecht als ein Herr, ein Hörer als ein Lehrer sein, sonderlich wenn dazu stößt das böse Gewissen, dass man nicht versichert ist eines rechtmäßigen Berufs; da denkt man: Ach siehe, hätte dir Gott die Last aufgelegt, würde er sie dir auch tragen helfen, nun du sie aber dir selbst aufgebürdet und keine Kraft bei dir fühlst zu tragen, wirst du wohl darunter sinken müssen. Mein Herz, lade dir selbst keine Mühe und Angst auf, warte, bis Gott aufladet; ladet Gott ein Amt auf, so ladet er auch Kraft auf, und die Kraft hilft das Amt tragen. Will‘s nicht von statten gehen wie es sollte, wirf dich auf Gott mit aller deiner Sorge, er wird‘s wohl machen. Arbeite du aus treuem Herzen, Gott wird Frucht schaffen; bleibt die Frucht aus, wird doch Gott die Treue seines Dieners nicht unbelohnt lassen; was die Erde nicht belohnt, das belohnt der Himmel. Mit Lust nimmt mancher sein Kreuz auf sich, wenn‘s kommt, denkt, es komme von lieber Vatershand und bring ihm einen gnädigen Gott mit. Im Tragen aber wird er ungeduldig, sonderlich, wenn‘s lang währt, und die Ungeduld macht aus der Lust eine Last. Ist die Art der Ungeduld, dass sie schwer macht was leicht, leid was lieb, bitter was süß ist. Kein Mensch würde klagen, dass sein Kreuz unerträglich sei, wenn er geduldig wäre, denn er ist es ja nicht, der trägt, sondern Gott. Sollte der nicht mich und mein Kreuz tragen können, der Himmel, Erde und alle Dinge trägt? Aber Ungeduld will selbst tragen, drum zieht Gott die Schultern zurück, da fällt sie denn mit ihrer Last übern Haufen. In unserer höchsten Schwachheit liegt die höchste Kraft Gottes verborgen, wenn wir nur geduldig sind. Mein Herz, Lust und Liebe zu einem Ding, macht alle Arbeit gering. Was lieb, ist auch leicht. Drum gewinn das Kreuz zuvörderst lieb, weil‘s von lieber Hand kommt. Die Liebe wird dich geduldig machen. Was duldete eine Mutter um ihres Kindes willen nicht, weil sie es lieb hat? Die Geduld wird dir‘s leichter machen und im Leichtsinn immer lieber. Mit Lust lebt mancher, und wollte wohl ewig auf Erden leben, wenn er einen treuen Freund hat, in dessen Schoß er all sein Anliegen vertraulich hineinschütten kann; stirbt der Freund, so wird er ihm selbst zur Last, wünscht auch den Tod. Der Freund war sein Kürbis, gab ihm Schirm und Schatten; verwelkt der Kürbis, so spricht er mit Jonas: Nun ist mir sterben besser als leben. Ein Leben ohne Freude ist doch mehr ein Tod als ein Leben. Mein Herz, wähle Jesum zum Freund, der stirbt dir nicht ab, so bleibt deine Lust immer grün. 

 

Kein treuer Freund auf Erden ist, 

Als nur mein süßer Jesus Christ.

 

271. 

VOM FRIEDEN MIT DEM NÄCHSTEN. 

Wie lang Friede!

 

Als der Nachbar will, sprichst du. Ist wahr geredet und auch nicht wahr. Wahr, so du dein Herz angreifst und den Nachbar in dir suchst; nicht wahr, so du deinen Nachbar nennst, der neben dir wohnt und du nicht selber bist. Mein Nachbar, sprichst du, schilt und verfolgt mich. Warum denn? Um deiner bösen Werke willen? Mein, er schilt und verfolgt nicht dich, sondern deinen Feind, die Bosheit, die dich gedenkt in die Hölle zu stürzen. Er streitet nicht wider dich, sondern deine Sünde. Dafür sollst du ihm danken, dass er dir den Feind zu erlegen sucht, den du selber nicht erlegen kannst. Dass du erbittert und verunruhigt wirst, hast du nicht deinem Freund, sondern deinem Feind beizulegen, der bist du selbst. Jener sucht dein Heil, du dein Verderben. Unfriede ist eine Grundsuppe deines Herzens; der Nächste tut nicht mehr, als dass er dich ein wenig rüttelt, so regt sie sich und steigt empor. Bitterkeit kommt aus einem vergallten Herzen. Wahrheit sucht nicht zu erbittern, sondern zu bessern. Aber ich wandle auf rechtem Wege und mein Nächster, sprichst du, verfolgt mich doch! Nicht dich, mein Freund, sondern Gott in dir, denn deine rechten Wege sind von Gott. Was kümmerst du dich aber um die Dinge, die nicht dich, sondern Gott angehen? Seine Sache, seine Rache. Lass Gott walten und sei du nur ohne Sorgen. Je unschuldiger, je geduldiger; je geduldiger, je ruhiger. Mit einem Worte, der Nachbar, der dich nicht will zufrieden lassen, ist dein eigen Herz, das zürnt und stürmt, wenn dir Leids geschieht, daher kommt Unfriede. Ein Herz, darinnen der Gott des Friedens wohnt, lässt jedermann zufrieden und leidet jedermanns Unfrieden. Zürnt man mit ihm wegen seiner rechten Wege, lässt es sich nicht erbittern, sondern besitzt seine Seele im Frieden; bittet Gott, dass er den Beleidiger erleuchte, begegnet ihm mit Zeichen der Liebe und Freundschaft, damit es ihn gewinne. Ist es aber durch Not und Ehre gezwungen, seine Sache vor Gericht auszuführen, lässt sich‘s doch von keinem Hass, Zorn oder Feindschaft einnehmen, sondern befiehlt Gott und dem Richter die Sache, tut dem Beleidiger Gutes, da es kann, und behält also sein Gemüt im Frieden. Auf diesen Herzensfrieden dringt Paulus, wenn er seine Kolosser ermahnt: Der Friede Gottes regiere in euren Herzen Kol. 3,15. Was ist‘s, dass du viel Rühmens machst bei jedermann, wie friedfertig du seist, und dein Herz kocht doch lauter Gift? Kaum rührt man dich an mit einem krummen Wörtlein, so schäumt das Gift zum Munde heraus; das Herz muss von Liebe durchsüßt sein, so kann keine Bitterkeit herauskommen. Will die Welt keinen Frieden halten äußerlich, wirst du doch, wo kein Unfrieden im Herzen ist, in Gott ihn behalten und durch Gottes Gnadenkraft alle Gedanken deines Herzens zum Frieden richten. Ich weiß wohl, weil beim Geist noch Fleisch in mir ist, dass meine Gedanken mit einander streiten werden, wenn mich jemand beleidigt; etliche werden zur Entrüstung, andere zur Geduld reizen; da soll der Friede den Ausschlag geben, dass ich den Gedanken folge, die zur Erhaltung des Friedens dienen; der Friede soll Richter und Schiedsmann aller meiner Gedanken sein, dass ich derselben keinen zulasse, die mir meine Ruhe zerstören können, so behalte ich Frieden mitten im Unfrieden und biete meinem Nachbar Trotz.

 

272. 

VOM UNMENSCHEN.

Kein Mensch, kein Christ.

 

Wer wollte das leugnen? sprichst du; wie kann ein Christ sein, der kein Mensch ist? Ach! wie mancher gibt sich für einen Christen aus und ist doch kein Mensch, sondern ein stößiger Ochs, ein bissiger Hund, ein listiger Fuchs, ein grimmiger Löw, ein geiles Kalb, eine garstige Sau, eine giftige Schlange, ja in Mord und Lügen ein Teufel. Den Menschen ziehst du aus und willst dich rühmen, du habest Christum angezogen. Ist nicht Christus ein Mensch worden? Kannst du auch Christum anziehen ohne den Menschen? Nichtiger Ruhm. Kein Mensch, kein Christ. Nach Gottes Bild war der Mensch erschaffen und Christus ist das Ebenbild göttlichen Wesens, in Christo wird der Mensch nach Gottes Ebenbild erneuert und dann fängt er erstlich recht an, ein Mensch zu sein. Mein, du musst hier scheiden den Menschen vom Menschen; den Menschen, den Vater und Mutter gibt, von dem Menschen, den Christus macht; den alten vom neuen. Jener ist ein Unmensch, dieser ein wahrer Mensch; jener nach Adam, dieser nach Gott gebildet; jener geerbt, dieser geschenkt; jenen musst du ab-, diesen musst du anlegen. Im neuen Menschen bist du ein wahrer Mensch, ein Übermensch, ein Gottes- und Christenmensch. Noch eins: Kein Mensch, kein Christ. Alle Menschen sind Sünder und mangeln des Ruhms, den sie vor Gott haben sollen. Du willst kein Sünder sein, so bist du auch kein Mensch, sondern Gott oder ein Engel. Bist du kein Mensch, so hast du keinen Teil an Christo, als welcher nicht gekommen ist, die Engel, sondern die Menschen, nicht die Gerechten, sondern die Sünder zur Buße zu rufen. Was darf der fremde Bürgschaft, der aus eigenem Beutel zahlen kann? Was soll Christi Gerechtigkeit dem, der in ihm selbst und seinen eigenen Werken die Gerechtigkeit findet? Der Arzt ist nur für die Kranken, der Tröster nur für die Betrübten. Hast du denn keinen Teil an Christo, wie kannst du ein Christ sein? Kein Mensch, kein Christ. Willst du ein Christ sein, so siehe zu, dass du zuvor ein Mensch werdest; und willst du ein Mensch werden, so werde zuvor ein Christ. Ohne Christum ist kein Mensch ein Mensch, und ohne Menschen ist kein Mensch ein Christ. Ich will mich bemühen ein neuer Mensch in Christo zu werden, so bin ich beides, ein Mensch und ein Christ. Gott helfe mir!

 

273.

VOM MITLEIDEN.

Ein Herz, ein Schmerz.

 

Freue dich. Ist nicht Jesus ein Herz mit dir! Freilich ja; sonst müsste Paulus lügen, wenn er spricht; Die dem Herrn anhangen, sind ein Geist mit ihm 1 Kor. 6,17. Ein Herz, ein Schmerz. Geht dein Leid niemand zu Herzen, so geht‘s doch wahrhaftig Jesu zu Herzen. Du sitzest im Elend, weinst tausend Tränen; jedermann geht vorbei, tut, als ginge es ihn nicht an. Ihr Herz ist wie ein Stein, auch viel Tränentröpflein mögen‘s nicht erweichen. Ja, die dich trösten sollen, freuen sich über deinen Schaden und ist ihnen Leid, dass dir‘s nicht ärger geht. Wie manchem springt das Herz im Leibe, wenn dich ein Unfall trifft! Wie mancher lebt von deinem Schaden, und wird fett davon, wie der Salamander vom Feuer! Die Welt ist doch ein solch Teufelskind, das nie eine größere Freude empfindet, als wenn‘s sieht Christum und seine Glieder untergehen; sie spottet ihrer in ihrem höchsten Elend, sagt ihnen Gott und alles Gute ab, hält sie für die allerschädlichsten, giftigsten Würmer, die alles verderben, dass alle Menschen um Gottes Willen schuldig sind, ihre Ausrottung zu befördern; ja sie gönnt ihnen auch den Himmel nicht, wollte wohl, dass sie im höllischen Feuer ewig brennten. So sind die Menschen geartet, selten findet man bei ihnen Mitleiden und Erbarmung. Aber Jesus fühlt der Betrübten Elend und tut ihm wehe. Das Haupt empfindet ja der Glieder Schmerzen; er wohnt in ihrem Herzen durch den Glauben; drum wenn er unser Herz verwundet, wird sein Herz mit ihm verwundet; wenn wir leiden, leidet er mit und sein Herz will ihm brechen. O Seele, ist der Menschen Herz hart und verschlossen, so steht doch das erbarmende Herz Jesu deinem Jammer offen, da wirf dich hinein mit aller deiner Angst, sie wird verschwinden wie ein Wassertröpflein verschwindet, wenn man‘s ins Meer fallen lässt. Aber höre noch eins: Wie Jesus mit dir, so bist du mit Jesu ein Herz. Es heißt nicht allein, er ist mein, sondern auch, ich bin sein. Ein Herz, ein Schmerz. Ach, wie oft trauert dein Jesus und du trauerst nicht mit ihm; er weint und du wischst ihm seine Tränen nicht ab, er schwitzt Blut und du schläfst! Ist nicht in Christo dein Nächster mit dir verbunden? Ja; denn Paulus sagt: Wir sind allzumal einer in Christo, Gal. 3,28., ein Herz und Seele. Wie kommt‘s denn, dass du deinen Nächsten im Elend siehst und gehst vorbei? Ermahnt nicht Paulus: Macht euch teilhaftig der Heiligen Notdurft Röm. 12,13. Vereinigung bringt Gemeinschaft. Hat nicht Gott selbst gelitten in seiner Menschheit? Sitzt nicht der Mensch Christus zur Rechten Gottes? Was macht‘s? Die persönliche Vereinigung. Ein Herz, ein Leid, eine Freude. Paulus macht ein Kettlein draus: Habt einerlei Sinn unter einander, weint mit den Weinenden, seid fröhlich mit den Fröhlichen. Wo ein Herz und Seele ist, da nimmt sich einer des andern an als sein selbst. Senkt man ein Zweiglein in den Stamm, so wächst es mit ihm dermaßen zusammen, dass es mit ihm zugleich grünt, auch mit ihm zugleich verdorrt. Weil die Glieder im menschlichen Körper mit einander vereinigt sind, so leiden alle Glieder, wenn eins leidet, und freuen sich alle, wenn eins herrlich gehalten wird. Auf das Vorbild weist auch Paulus in dem 1. an die Korinther 12,26.27: So ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und so ein Glied wird herrlich gehalten, so freuen sich alle Glieder mit. Ihr seid aber der Leib Christi, und Glieder, ein jeglicher nach seinem Teil. Ich will meines Nächsten Leiden mein Leiden lassen sein, und soll mir so wehe tun, als litt ich‘s selbst. Hat doch mein Jesus aller Menschen Elend auf sich genommen und ist versucht in allem, auf dass er mit uns Mitleiden haben könnte! Bin ich doch auch noch im Fleisch und weiß nicht was mir begegnen kann, vielleicht wird‘s vor Abend noch anders! Wie ich nun wollte, dass ein andrer mir die Last tragen hülfe, so will ich ihm auch seine Last tragen helfen. Ein Glied, das seines Mitgliedes Schmerzen nicht fühlt, ist erstorben. 

 

274. 

VON DER FÜRSORGE GOTTES. 

Darum nicht tot.

 

Gott lebt noch und ist mein Vater. Für sein Kind muss er sorgen, oder kann nicht Vater sein. Hat er für mich gesorgt, da ich noch sein Feind war; wie vielmehr wird er jetzt sorgen, da ich sein Kind bin! Irdische Väter können böse sein und ihrer Kinder vergessen; das kann mein himmlischer Vater nicht tun, weil er die Güte und Liebe selbst ist; ob mich gleich mein Vater und Mutter verließe, nimmt er mich doch auf. Irdische Väter können sterben und wenn sie tot sind, hört ihr Sorgen auf; mein himmlischer Vater stirbt mir nimmer ab, er lebt ewig; ewiges Leben, ewiges Lieben. Irdische Väter helfen ihrem Kinde gern, haben aber kein Vermögen dazu, müssen oft ihr Kind verderben sehen vor ihren Augen und es geschehen lassen; aber mein Vater ist allmächtig. Der Himmel ist durch sein Wort gemacht und all sein Heer durch den Geist seines Mundes. So er spricht, so geschieht‘s, und so er gebeut, so steht‘s da Ps. 33,6.9. Mein Unglück kann er wenden, steht alles in seinen Händen. Irdische Väter wissen oft gar nichts drum, wenn ihr Kind in höchsten Nöten ist; aber mein himmlischer Vater weiß all mein Anliegen, er zählt meine Flucht und fasst meine Tränen auf; deß versichert mich mein Heiland und spricht: Euer himmlischer Vater weiß, dass ihr deß alles bedürft Matth. 6,8. Haben Teufel und Menschen heimlich etwas wider mich angesponnen, Gott weiß es, dem aller Menschen Herzen bekannt sind, er weiß Rat, Trost und Hilfe herbei zu schaffen, er weiß aus dem Bösen etwas Gutes heraus zu bringen und aus Finsternis Licht zu machen. Gott sorgt für mich. Ich bin sein Kind. Der für die Vögel unter dem Himmel, für die Blumen auf dem Felde, für die jungen Raben sorgt, wird ja vielmehr für sein Kind sorgen, das er liebt wie seine Seele. Ihm ist das Unglück, das mir feindlich nachschleicht, nicht verborgen, denn sein Auge wacht stets über mich. Ob ich gleich für mich nicht wert bin, dass ich sein Kind heiße und seiner Fürsorge genieße, ist es doch mein Herr Jesus wohl wert, in welchem er mich zu seinem Kinde hat angenommen. Isaak segnete Jakob nicht in seiner eigenen Person, sondern da er seines Bruders Kleider an hatte und sich nach dessen Namen nannte. Jesu, mein Bruder, hat mich in der Taufe mit aller seiner Gerechtigkeit bekleidet und mir einen neuen Namen gegeben, dass ich nach Christo ein Christ heiße; in ihm, dem Geliebten, bin ich ein geliebtes Kind Gottes. Versündige ich mich gegen meinen himmlischen Vater, so züchtigt er mich zwar mit der Rute, aber sein Vaterherz legt er nicht hin. Vaterschläge, Liebesschläge, er meint‘s nicht böse. Ihm will ich vertrauen und mich nicht grämen, es komme, was kommen will. Darum nicht tot, Gott lebt noch und ist mein Vater; er tue, was ihm wohlgefällt, er macht‘s nicht böse. Vor wem sollte ich mich fürchten? Meinen himmlischen Vater will ich raten und sorgen lassen, er wird‘s wohl machen. Will mich der Teufel schrecken, darum nicht tot. Nicht über ein Schwein hat er zu gebieten, viel weniger über ein Kind Gottes. Fallen mich Menschen an? Darum nicht tot. Gott lebt noch, der des Königs Herz in seiner Hand hat, wie die Wasserströme, und lenkt es, wohin er will. Ist es, dass er meinen Feinden den Zaum lässt, mich zu züchtigen, so lässt er sie doch nicht Meister werden, sondern verstockt sie, dass sie nicht wissen, was sie tun sollen; haben sie einen klugen Ratschlag vor der Hand, er nimmt ihnen das Herz, dass sie denselben nicht können zu Werk setzen; gibt er ihnen dann Mut und Mittel, so macht er doch endlich ihr Vornehmen zu Schanden und lässt sie einen Fehler gebären. Das weiß ich und hab‘s erfahren, drum kann ich getrost sprechen: Der Herr ist meine Hilfe, was sollte ich mich fürchten, was sollte mir ein Mensch tun? Sehe ich kein Mittel zu meiner Erlösung? Darum nicht tot. Gott hat Mittel genug, kann auch ohne Mittel, ja, durch widerwärtige Mittel handeln. Genug ist‘s, dass ich seine Verheißung habe. Auf dieselbe gründe ich mich fest und erwarte die Hilfe meines Gottes, sie wird nicht ausbleiben. Feind, du wirst sehen, was für ein Heil der Herr tun wird. 

 

Ob sich‘s anließ, als wollt er nicht,

Lass ich mich doch nicht schrecken, 

Denn wo er ist am besten mit, 

Da will er’s nicht entdecken; 

Sein Wort lass dir gewisser sein, 

Und ob dein Herz spräch lauter Nein, 

Will ich mich doch nicht fürchten.

 

275. 

VOM WAHREN CHRISTENTUM.

Triff‘s recht.

 

In vier Dingen, so bist du ein guter Christ. Worin? sprichst du. Im Glauben, Leben, Leiden, Sterben. Der Glaube macht, das Leben beweist, das Leiden bewährt, das Sterben krönt den Christen. Der Glaube legt den Grund, das Leben baut auf den Grund, das Leiden befestigt, das Sterben vollendet das Gebäude. Der Glaube umfasst Jesum und spricht: Du bist mein, was du bist, das bist du mir, was du hast, ist alles mein. Herr, wenn ich nur dich habe, frag ich nichts nach Himmel und Erde; wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, bist du doch allezeit, Gott, meines Herzens Trost und mein Teil Ps. 73,25.26. Im Leben tut sich sonderlich hervor die Liebe, wie Paulus ermahnt: Wandelt in der Liebe Ephes. 5,2. Diese wirft sich in die Arme Jesu, und spricht: Ich bin dein; was ich bin, das bin ich dir, und was ich habe, ist alles dein; dir leb ich, dir sterb ich, dein bin ich tot und lebendig. Im Leiden preist sich die Geduld, nach Pauli Erinnerung: Sei geduldig in Trübsal Röm. 12,12. Diese legt sich vor Jesu Füßen nieder und spricht: Ich will des Herrn Zorn tragen, denn ich habe wider ihn gesündigt. Lege mir auf, mein Jesu, was du willst, wann du willst, wie viel du willst, ich will‘s gern tragen, legst du Kreuz auf, so legst du auch Kraft auf, Kraft zu tragen, Kraft zu überwinden; du bist getreu, und lässt niemand versuchen über sein Vermögen, 1 Kor. 10,13.; wirst auch schaffen, dass meine Versuchung so ein Ende gewinne, dass ich‘s kann ertragen. Im Sterben behält die Freudigkeit den Ruhm, die hängt sich an Christum, und spricht: Wo du bleibst mein Jesu, da bleib ich auch, und bin gewiss, dass weder Tod noch Leben mich scheiden soll von der Liebe Gottes, die da ist in Christo Jesu Röm. 8,38.39. 

 

Ich bin ein Glied an deinem Leid, 

Deß tröst ich mich von Herzen;

Von dir ich ungeschieden bleib

In Todesnot und Schmerzen. 

Wenn ich gleich sterb, so sterb ich dir, 

Ein ewig’s Leben hast du mir 

Mit deinem Tod erworben. 

 

Ich will durch Gottes Gnade allen Fleiß anwenden, dass ich recht glaube, christlich lebe, geduldig leide, freudig sterbe, so treff ich‘s recht in allen Stücken. 

 

276. 

VON DER GELASSENHEIT IM KREUZ.

Im Stillsein Wohlsein.

 

Still sein und harren stärket im Herrn. Wenn Jesus mit seinen Jüngern auf dem galiläischen Meere schifft, erhebt sich plötzlich ein Windwirbel, wirft die Wellen ins Schiff, dass es, mit denselben bedeckt, beginnt zu sinken. Die Jünger werden unruhig, fangen an zu schreien: Herr, wir verderben! Matth. 8,25. Jesus aber liegt still und schläft. Oft fahren zwei in einem Kreuzschifflein, ein Unglück trifft beide, doch haben sie nicht beide einen Mut darin; der eine flucht, der andere betet, der eine weint, der andere lacht, der eine klagt, der andere rühmt, der eine sinkt, der andere steht fest. Was macht’s? Jener ist ungläubig, dieser gläubig; jener hat ein bös, dieser ein gut Gewissen; jener ist wachsam und unruhig, will mit Macht das Kreuzschifflein ans Land haben, oder doch heraus sein; dieser ist ruhig, hat sich auf das Kissen göttlichen Wohlgefallens niedergelegt, schläft und spricht mit David: Ich liege und schlafe im Frieden, denn du, Herr, bist bei mir. Ein Gelassener kann mit Petro sanft schlafen im Kerker, mitten unter den Feinden Ap.-Gesch. 12,6. Ein Ungelassener kann auch nicht schlafen im freien Hause und unter den Freunden. Diesem sind auch die Rosen zu unsanft, da jener auf den Dornen sanft liegt. Ungeduld macht klein, Gelassenheit großmütig; jene traurig, diese lustig; jene furchtsam, diese sicher; jene blöd, diese keck; jene unruhig, diese still. Mein Herz, in der Stille ist die Stärke; willst du auf den Wellen als auf einem Felsen sitzen, und in deinem Leiden stillen Geistes sein, so lass dich in Gottes Willen. Vergeblich ist es, dass du wider diese Mauer Sturm läufst, sie steht fest und lässt sich nicht umstoßen. Was Gott will, muss doch geschehen, du willst, oder willst nicht. Wär der nicht töricht, der sein Schifflein an eine Klippe bände, und gedächte damit die Klippe ans Schiff zu ziehen? Er zieht sich nur selbst mit seinem Schifflein an die Klippe hinan. Gott will sich nicht biegen nach deinem, du musst dich nur biegen nach seinem Willen. Er ist Herr, du bist Knecht, nicht deines, sondern seines Willens. So ist auch ja der Wille Gottes ein guter Wille über dir. Denn Gott will, dass alle Menschen selig werden. Dazu muss auch das Kreuz dienen. Hinderst du Gottes Willen, so hinderst du dein eigen Heil. Macht nicht die Rute fromme Kinder? Wer nicht Lust hat zur Rute, hat auch nicht Lust zur Frömmigkeit. Und was willst du widerstreben? Gott tut dir ja kein Unrecht. Eine Peitsche hast du verdient, ein Rütlein bekommst du. Ist‘s nicht Gnade? Gib dich nur hin zu leiden, was Gott will gelitten haben. Wenn dich Gott hat nach seinem, so hast du ihn wiederum nach deinem Willen. Je lieber dran, je eher davon. Lass die Winde toben, lass die Wellen wüten, sei du still und harre des Herrn, der wird‘s wohl machen. Endlich müssen sich doch legen des Meeres stolze Wellen und auf das Ungewitter der Sonnenschein folgen.

 

277. 

VON DEN LEICHENPREDIGTEN.

Leichpredigten, leichte Predigten.

 

Sagte jener, denn es ist eine Labung dabei. Ich wollte schier umkehren und sprechen: Leichpredigten, schwere Predigten denn sie beschweren Hand und Beutel mit Gold und Silber. O liebliche Beschwerden! sprichst du. So sei‘s denn so: Leichpredigten, leichte Predigten. Gott erbarm sich‘s! Leicht sind sie, weil sie gehen bei vielen aus einem leichten Sinn. Ist es nicht eine Leichtsinnigkeit, dass du an Gottes Statt ein Lügner und falscher Zeuge bist, aus Finsternis Licht, aus Lastern Tugenden machst, lobst was lästerlich ist, und setzest den Teufel auf Gottes Stuhl? Der Tote muss gerühmt sein, wär er gleich ein Auszug aller Laster in seinem Leben gewesen; sein Geiz muss Sparsamkeit sein, fleischlicher Zorn ein göttlicher Eifer, seine Unfläterei Kurzweil heißen. Er hat Unrecht, so sprichst du, er habe Unrecht gelitten; er fluchte, so sprichst du, er habe gebetet. Was richtest du damit an? Deine leichten Predigten machen leichte lose Leute, die hingehen, sich als Säue im Unflat der Sünde herumwälzen, verlassen sich drauf, dass deine Leichpredigt allen Kot abwischen werde. Wer wollte Böses meiden, wenn es in Gutes kann verwandelt werden, und Ruhm bringen auch nach dem Tode? Glaube nur, dass einem treuen Diener Jesu die Leichpredigten die allerbeschwerlichsten Predigten sind. Denn entweder sagt man die Wahrheit, oder nicht; jenes bürdet Feindschaft auf den Rücken, dieses Angst und Unruh aufs Gewissen. Ich meines Orts wollte, dass entweder keinem, oder allen, die es verdient, Leichpredigten gehalten würden. Jakobus will, dass der Arme nicht weniger in der Gemeine gelten soll als der Reiche. Wer rühmt aber den Armen nach seinem Tode? Er begehrt‘s nicht, sprichst du. Warum nicht? Weil deine Begierde mit Geld nicht zu sättigen ist. Dem Geld hältst du Leichpredigten, und nicht den Menschen. Kupfern Geld, kupferne Seelmessen. Mit einem Wort: Wären unter den Geistlichen keine Geizlinge, würde man der Leich- und Lügenpredigten so viel nicht haben. Sie gebühren nur denen, die in der Barmherzigkeit und Geduld ein sonderbares Muster und Vorbild gewesen, dass man auf sie, als Vorgänger, andere weist, und durch ihre Exempel andere aufmuntert, wie vom Hiob St. Jakob spricht: Die Geduld Hiobs habt ihr gehört. Die beste Glocke, so man uns im Tode nachläuten kann, ist diese, dass man von uns rühme, was dort der Hauptmann von Christo rühmt: Fürwahr, dieser war ein frommer Mann und Gottes Sohn. An diesem Nachruhm, mein Christ, lass dir genügen. 

 

278. 

VOM TROST DES CHRISTENTUMS.

Trutz Teufel!

 

Ich bin ein Christ. Christum hab ich in der Taufe angezogen. Er ist mein, ich bin sein. Du hast an mir nichts, kein Tröpflein Bluts, kein Härlein ist dein, ich gehör Jesu an. An einen Christen hast du kein Anrecht, sagt St. Martinus zum Teufel, da er auf ihn in seinem letzten Ende mit seinen feurigen Pfeilen zudrang, an einem Christen hast du keinen Teil. Trutz Welt! Ich bin ein Christ. Was kannst du mir geben, das ich in Christo nicht bereits viel herrlicher hätte? Und was kannst du mir nehmen, das ich an Christo nicht behielte? Mich wirst du aus seiner Hand nicht reißen, und ihn nicht aus meinem Herzen. Trutz Sünde! Ich bin ein Christ. Den Menschen kannst du zwar verdammen, aber den Christen nicht, weil nichts Verdammliches ist an denen, die in Christo Jesu sind. Bist du wider mich? Christus ist für mich, Christus der Sündentilger, der von Gott zur Sünde gemacht ist, auf dass ich in ihm würde die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Trutz Moses. Ich bin ein Christ. Wer will beschuldigen? Gott ist hie, der gerecht macht. Wer will verdammen? Christus ist hie, der gestorben ist, ja, der auch auferstanden ist, und sitzt zur rechten Hand Gottes, und vertritt uns Röm. 8,33.34. Trutz allen Höllenpforten! Mein Fels ist Christus, wer will mich umstoßen? Wer an diesen Felsen läuft, muss anstoßen und fallen. Trutz Kreuz und Leiden! Ich bin eine Christin, rief Blandina, das gottselige zarte Jungfräulein, in ihrer höchsten Marter. Ich bin eine Christin; und bekannte, so oft sie diesen Namen genennet, habe sie neue Lebenskräfte überkommen, und keine Marter gefühlt. Christus, der in mir wohnt, ist meine Stärke, und seine Kraft ist in meiner Schwachheit mächtig. Ich leide als eine Christin, sagte die fromme Märtyrin Felicitas. Selig bin ich, wenn ich in Christo leide um der Gerechtigkeit willen; wer mit ihm leidet, wird mit ihm herrschen. Trutz Armut! Ich bin ein Christ, ein Erb- und Eigentum Christi; sorgt er für die Würmlein, die er erschaffen, wie vielmehr wird er sorgen für die Seelen, die er so teuer erkauft hat mit seinem Blute; ich bin ja mehr als ein Würmlein. Trutz Tod! Ich bin ein Christ; Christus ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn. Gewiss bin ich, dass weder Tod noch Leben mich scheiden mag von der Liebe Gottes, die da ist in Christo Jesu meinem Herrn. Ich bin ein Christ und gefall in Christo meinem himmlischen Vater, ein Geliebter im Geliebten. Welt, gefall ich dir nicht? Daran ist mir wenig gelegen, wenn ich nur Gott gefalle. Du gefällst mir nicht, ich gefalle dir nicht. Wir sind geschieden. Gott gefällt mir über alles, ich gefall ihm über alles, als in Jesu Christo sein teuerster Schatz. Ich bin ein Christ, mit Christo im Glauben verbunden, seine Stärke meine Stärke, meine Schwachheit seine Schwachheit, meine Sünde seine Sünde, seine Gerechtigkeit meine Gerechtigkeit, mein Fluch sein, sein Segen mein, mein Tod sein, sein Leben mein, in Jesu alles mein, was fehlt mir denn? Ich bin ein Christ, drum muss ich leiden, keine Rose ohne Dornen, kein Meer ohne Wellen, kein Himmel ohne Wolken, kein Christ ohne Kreuz; aber, was ich leide, leide ich in ihm und er leidet in mir; mein Elend fühlt er, und tut ihm weher als mir; er wird schon, wenn‘s Zeit ist, zutreten, und aus meinem Leide Freude machen. Ich bin ein Christ. Trutz allen Teufeln!

 

279. 

VON DER LIEBE GOTTES IM KREUZ.

Alles gut was Gott tut.

 

Denn die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses Röm. 13,10. Du klagst in deinem Jammer: Ach, wie macht‘s doch Gott so bös mit mir, keinem könnt‘s ärger gehen! Nicht, mein Herz, versündige dich nicht an Gott. Unrecht tust du dem Feuer, wenn du ihm die Schuld beilegst, dass es dich erkalte; Unrecht dem Wasser, wenn du klagst, dass es dich trockne; Unrecht der Sonne, wenn du sie einiger Verfinsterung beschuldigst; und Unrecht Gott, dem höchsten Gut, wenn du klagst, dass er’s mit dir bös mache im Kreuz. Ist nicht Gott die Liebe selbst? Bist du nicht in Christo sein Nächster, auch so nahe mit ihm verbunden, dass du mit ihm ein Geist bist, ja, so nahe, dass in Christo Gott und Mensch nicht können getrennt werden, so nahe als das Kind mit dem Vater, und das Weib mit dem Mann? Tut auch die Liebe dem Nächsten Böses? So denn du, der du arg bist, kein Arges tun kannst dem Nächsten, den du liebst, wie viel weniger wird Gott, der die Güte selbst ist, dem Menschen Böses tun, den er in Christo so lieb hat, als seine Seele! Dennoch, sprichst du, drückt mich solch Leiden. Ist dir aber das Leiden bös? Ach nein, gut und heilsam an deiner Seele. Nicht alles, was dem Fleisch bitter, ist dem Geist bös und schädlich. Die Liebe zürnt auch, aber nicht aus bösem, sondern gutem Herzen, sie züchtigt, aber verdirbt nicht. Sag mir, macht‘s auch der Vater bös mit seinem Kinde, wenn er’s stäupt? Ach nein, vielmehr gut, denn die Rute macht fromme Kinder. Macht‘s auch ein Arzt böse mit dem Kranken, wenn er ihm ein bittres Tränklein eingibt? Ach nein, vielmehr gut, denn es dient zu seiner Gesundheit. Aber du bist wie ein junges, albernes Kind, weinst unter der Rute; wie ein ekelhafter Patient, ziehst und windest dich, willst das Becherlein nicht ansetzen und austrinken. Was macht‘s? Du verstehst nicht, was für Heil und Gut unter dem Kreuz verborgen, und wie dich Gott nur darum züchtigt, auf dass du nicht mit der Welt verdammt werdest. David verstand die Sache viel besser. Hör, wie er davon redet im 116. Psalm. Erstlich klagt er: Stricke des Todes hatten mich umfangen, und Angst der Hölle hatte mich getroffen, ich kam in Jammer und Not. Wie? Hält denn David das für böse? Nein, denn bald darauf rühmt und spricht er: Wie soll ich dem Herrn vergelten alle seine Wohltat, die er mir tut? Ich will den heilsamen Kelch nehmen, und des Herrn Namen predigen. Du meinst, es sei dir von Gott in den Kreuzkelch lauter Zorn und Gift eingeschenkt, aber nein; David erkennt, dass lauter Leben und Heil hineingegossen sei, darum setzt er ihn frisch an und trinkt ihn fröhlich aus. Herz, Gott macht‘s nicht bös, bild dir‘s nicht ein; denen die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen Röm. 8,28. Haben‘s Menschen gleich bös mit dir im Sinn, Gott richtet‘s doch zum guten Ende, dass seine Ehr und deine Seligkeit dadurch muss befördert werden, und du zu deinen Feinden sagen kannst, was Joseph sagt zu seinen Brüdern: Ihr gedachtet‘s böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen 1 Mos. 50,20. Ja freilich macht er’s gut, besser als wir selbst gedenken und wünschen möchten. Er hat alles wohl gemacht, wird auch an mir und dir den Namen nicht verlieren. Mein Herz, vertrau nur! 

 

280. 

VON GOTTES WUNDERBARER REGIERUNG IM KREUZ.

Wunderlich, weislich.

 

Seltsamer Anfang, herrliches Ende. Du sprichst, es lässt sich wunderlich an, wie will‘s hinaus? Freilich muss sich‘s wunderlich anlassen, soll Gott Wunder tun und sich herrlich beweisen, des Ausgangs halber aber sei du unbekümmert. Der Weg Gottes ist im Meer, und sein Pfad in großen Wassern, und spürt man doch den Fuß Gottes nicht Ps. 77,20. Man sieht und spürt ja oft wohl, wie fromme Christen im Angst-, Kreuz- und Höllenmeer herumschwimmen, und wie sie im tiefen Schlamm, da kein Grund ist, versinken wollen, aber keine Vernunft kann ergründen, wie Gott sie darin erhalten wolle. Das macht, der Herr wohnt im Dunkeln 1 Kön. 8. Luther führt diese Ursach an, und richtet Philipp Melanchthon damit auf, der fast verzweifeln wollte, weil er die wunderliche Regierung Gottes nicht verstehen, noch an seinen Fingern abrechnen konnte, wie Gott seine Kirche erhalten würde. Darum schreibt er an ihn: „Das Ende und Ausgang der Sache quält euch, dass ihr nicht begreifen könnt. Ich aber sage so viel, wenn ihr begreifen könntet, so wollt ich ungern der Sache teilhaftig sein, viel weniger wollt ich ein Haupt oder Anfänger dazu sein. Gott hat sie an einen Ort gesetzt, den ihr in eurer Rhetorik nicht findet; auch nicht in eurer Philosophie, der Ort heißt Glaube, in welchem alle Dinge stehen, die wir weder sehen noch begreifen können. Wer dieselben will sichtbar, scheinlich und begreiflich machen, wie ihr tut, der hat das Herzleid und Heulen zu Lohn, wie ihr auch habt wider unsern Willen. Der Herr hat gesagt, er wolle wohnen in einem Nebel, und hat Finsternis gestellt, darin er verborgen liegt; wer da will, der machts anders. Hätte Moses das Ende wollen begreifen, wie das Volk Israel dem Heer Pharaos entgehen möchte, so wären sie vielleicht noch heut diesen Tag in Ägypten. Der Herr mehre euch und den andern allen den Glauben; wenn ihr den habt, was will euch der Teufel tun und die Welt dazu?“ Hörst du, Seele, Gott muss man den Ausgang aller Sachen, sonderlich die verwirrt sind, heimgeben; er, als der Allweise, wird‘s schon wissen herrlich auszuführen, was er wunderlich angefangen. Anfang und Ende steht beides in seinen Händen. Rollt er mit dir hinüber über Stock und Block, Berg und Tal, hindurch durch Feuer und Wasser, also, dass alle Kreatur schreit, und nicht anders meint, er werde dir noch den Hals entzwei rennen, sei du getrost und guten Muts. Fürwahr, er wird‘s so stattlich hinausbringen, dass du seine unergründliche Weisheit und unbegreifliche Macht gleich als mit Fingern tasten wirst, und sagen: Fürwahr, du bist ein verborgener Gott, du Gott Israel, der Heiland Jes. 45,15. Ja, alle Welt wird‘s erkennen und sprechen: Dies kommt vom Herrn 1 Mos. 24,50. Ich will Gott raten lassen und stillen Geistes sein, er wird‘s wohlmachen, wunderlich, doch weislich.

 

281. 

VON DER HILFE GOTTES IM KREUZ.

Hilflos, hilft Gott.

 

Beides findest du im Namen Lazarus. Wenn die Hilfe von den Bergen ausbleibt, so stellt sich die Hilfe vom Herrn ein, wie David aus eigner Erfahrung rühmt im 121. Psalm: Ich hub meine Augen auf zu den Bergen, ob meine Hilfe von ihnen kommen möchte. Aber nein: Meine Hilfe kommt vom Herrn. Der Hilfe bedürfen wir, dass Seel und Leib erhalten werden. Woher aber soll die Hilfe kommen? Das Aug führt uns zu den Bergen, und heißt unser Herz vertrauen auf das, was groß, stark und bergig ist; auf Geld und Gut, das man aus den Bergen gräbt, auf Könige und Fürsten, welche in der Schrift den Bergen verglichen werden. Aber zerschmelzen müssen alle diese Berge vor dem Zorn des Allmächtigen, wie das Wachs am Feuer. Kein Berg ist, der uns könnte zu Hilfe kommen, wenn Gott wider uns streitet; und so wir Gott auf unserer Seite haben, was dürfen wir der Menschen, die heute Berge sind, morgen Täler; heute reich, morgen arm; heute hoch, morgen niedrig; heute lebendig, morgen tot. Ach! Was wollen uns Menschen helfen, die sich selbst nicht helfen können? Vom Herrn kommt unsere Hilfe dann, wenn Menschenhilfe ein Ende nimmt. Hilflos auf Erden, hilft Gott im Himmel! Mein Vater und Mutter verlassen mich, spricht David; aber der Herr nimmt mich auf Ps. 27,10. Sind schöne Worte. Das Aufnehmen, so er setzt in der Grundsprache, heißt ein Einsammeln in die Scheuern, 2 Mos. 23,16., eine Versammlung des Verfolgten, Verirrten und Armen unter dem Schatten seines Hauses Jer. 22. Von diesem Wort kommt auch her das hebräische Asaphim, welches heißt ein Findelkind. So viel will David sagen: Wenn gleich dicke, finstere Kreuzwolken aufgehen, wenn‘s gleich beginnt zu donnern und zu blitzen, zu schneien und zu regnen von lauter Zorn, Unglück, Elend und Not; jagt mich die gottlose Welt, ist hinter mir der Teufel her mit allen seinen Schuppen, ja werde ich gleich dahin geworfen, dass mich die wilden Tiere zertreten, das Wasser ersäufen, die Wölfe und Bären zerreißen sollen, und ist ganz niemand, der sich meiner, als wär ich ein Findelkind, erbarme: so weiß ich doch, dass mich Gott als seinen edlen Weizen vor dem Sturm der Gottlosen in die ewigen Hütten aufnehmen, und verbergen werde bei sich heimlich vor jedermanns Trotz. Mit einem Wort, lässt mich alle Welt, so lässt mich doch Gott nicht. Tut jedermann, ob ging ich ihn nichts an, so nimmt sich Gott mein an. Ich will bei Menschen keine Hilfe suchen. Hilft mir ein Mensch, so ist er nur Gottes Werkzeug, denn von Gott hat er, womit er mir hilft. Meine Hilfe kommt vom Herrn, und geht dann recht auf, wenn Menschenhilfe untergeht. Erde, hilf du den Deinen, Gott hilft den Seinen, und hilft auch mir, deß dank ich für und für.

 

282. 

VOM SCHWACHEN GEBET.

Ein Seufzerlein kann‘s tun.

 

Verzag nur nicht, du klagst über große Angst; liebe Seele, bete. Wenn mir Angst ist, spricht David, ruf ich den Herrn an. Wie manche Angst hab ich vom Herzen abgebetet! Mit schwerem Herzen gekniet, mit leichtem wieder aufgestanden; versuch‘s nur, du wirst‘s erfahren. Ach, sprichst du, wer nur beten könnte, wie gern wollt ich! Unverzagt, mein Herz, Gott nimmt den Willen für das Werk: Fehlen die Kräfte, so ist doch der Wille zu loben. Der gute Wille ist Gottes Werk; wie kann Gott sein eigen Werk verwerfen? Aber höre, kannst du nicht beten, so seufze: Kein Seufzerlein verschmäht Gott, wenn‘s aus gläubigem Herzen geht. Das Verlangen der Elenden, die erste Begierde, das Ankommen des Herzens, ob‘s gleich noch nicht in den Mund herausgequollen ist (des Herzens Seufzerlein), hörst du, Herr, ihr Herz ist gewiss, dass dein Ohr darauf merke Ps. 10,17. Zum Daniel spricht der Engel: Da du anfingst zu beten, ging der Befehl aus. Ist ja tröstlich Dan. 9,23. Ehe Daniel anfängt zu beten, ist schon das Gebet erhört, da kommt ein Engel vom Himmel und tröstet ihn. Ich halt dafür, sagt der heil. Bernhardus, dass Gott bisweilen im Gebet die Worte nicht erwarte, sondern werde durch die bloßen Gedanken herzugerufen. Damit tröste dich, wenn du vor Ohnmacht nicht reden, und vor Angst keine Worte finden kannst; vor Gott ist alle deine Begierde, auch dein Seufzen ist ihm nicht verborgen. Menschen sehen auf den Mund, er sieht das Herz an, weil er ein Herzenskündiger ist; Menschen antworten auf die Rede, er antwortet auf die Gedanken. Wie demütig trug ihm Maria vor die Not der Brautleute zu Kana: Sie haben keinen Wein Joh. 2,3. Wer hätte nicht vermutet eine freundliche Antwort? Aber wie stumpf weist er sie ab, und spricht: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? Meine Stunde ist noch nicht kommen. Was macht‘s? Er antwortet nicht auf die Rede ihres Mundes, sondern auf die Gedanken ihres Herzens. Die Worte waren gut, das Herz aber stand in diesen Gedanken: Er ist mein Sohn, mir und den Meinigen schuldig vor andern zu dienen, und wollt ich wohl, dass er’s bald täte, ehe der Mangel allen Gästen bekannt, und die Brautleute an ihrem Ehrentage beschämt würden. Nein, sagt Jesus, du hast, nachdem ich mein Amt öffentlich angetreten, kein größer Recht an mir, als ein anderes gemeines Weib; und noch ist meine Stunde nicht, es muss zuvor alles auf und aus sein; dass jedermann verzage, so will ich Wunder tun und Ehr einlegen. Siehe, liebste Seele, so sieht Jesus auf die Gedanken des Beters. Darum, kannst du keine Worte finden, so lass die Gedanken reden, ja, die Angst des Herzens schreien, Gott wird dich hören, glaube nur. Die Ehre musst du ihm geben, dass er dein Herz kenne, und geben könne nicht nur was der Mund bittet, sondern auch was das Herz begehrt. Er kann‘s tun, er wird‘s tun, sei nur unverzagt. 

 

283. 

VOM ZUSTAND DES MENSCHLICHEN LEBENS.

Nasser Anfang, nasses Mittel, nasses Ende.

 

Mit einem Wort: Dies Leben ist ein Tränental. Vom alten Crassus meldet zwar Plinius und Solinus, dass er niemals soll gelacht haben; aber von keinem Menschen, der dies Licht gesehen hat, wird man sagen können, dass er nie sollte geweint haben. Weinend kommen wir ans Licht, und ist weinen aller Menschen erste Stimme, B. der Weisheit 7,3. Wenn ein Kind in der Geburt weint, sagt Augustin, ist‘s ein Prophet seines künftigen Jammers. Ach ja, wie viel Dings fällt zu beweinen vor im Leben! Ich will nicht reden von den Buß-, Gebet-, Lieb- und Leidtränen der Kinder Gottes, deren vielleicht mehr sein mögen, als Tropfen sind im Regen, sondern nur von den Angst- und Kreuztränen, die man bei den Christen häufig fließen sieht. Gerät die Seele in Anfechtung, sieht man der Tränen so viel, dass sie kaum zu zählen sind; da muss man mit David klagen: Ich schwemme mein Bett die ganze Nacht, und netze mit meinen Tränen mein Lager. Ps. 6.7. Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht, weil man täglich zu mir sagt: Wo ist nun dein Gott? Ps. 42,4. Wird der Leib von Krankheit und Schmerzen angegriffen, fängt man bald mit Hiskia an zu weinen und zu winseln Jes. 38. Trifft‘s dann die, so unsers Fleisches sind, Mann, Weib, Kind, Vater, Mutter, Bruder, Schwester, dass sie entweder die Krankheit niederlegt, oder der Tod hinnimmt; hilf Gott, was entsteht da eine Tränensaat! Da betränt mancher Jakob seine Rahel, manche Naemi ihren Abimelech, mancher David seinen Absalom, mancher Joseph seinen Jakob, manche Martha und Maria ihren Lazarus. Leidet man Gewalt an Gut und Ehren, so geht‘s, wie der Prediger klagt: Ich wandte mich und sah alle, die Unrecht litten unter der Sonne, und siehe, da waren Tränen derer, die Unrecht litten, und hatten keinen Tröster; denn die ihnen Unrecht taten, waren zu mächtig, dass sie keinen Tröster haben konnten Pred. 4,1. Das ist des Lebens Mittel, sonderlich bei den wahren Christen; die bringen ihre Jahre mit Seufzen zu Ps. 31,11. Die müssen weinen und heulen, wenn sich die Welt freuet Joh 16,20. Gott speist sie mit Tränenbrot, und tränkt sie mit großem Maß der Tränen Ps. 80,6. Sie sind Seufzende und Jammernde Hes. 9,4. Wie der Anfang und das Mittel, so ist auch das Ende. Wir schließen unser Leben mit Weinen, denn wenn die Augen im Tod brechen, so tränen sie; das sind die letzten Tränen, drauf werden sie zugedrückt, dass nimmermehr kein Tränlein kann herausfallen. Wir leben nicht mehr, so weinen wir auch nicht mehr. Angelebt, angeweint; fortgelebt, fortgeweint; ausgelebt, ausgeweint. Im letzten Stündlein wischt Jesus alle Tränen ab von unsern Augen und legt sie verwahrlich bei. Denke mein Herz, wie viel tausend Tränen lässt du, weil du lebst, in dein Schnupftuch fallen; das Tüchlein wird ausgewaschen, die Tränen sind verloren, aber bei Jesu sind sie alle wohl verwahrt. Er wird abwischen, spricht Johannes, er wird sie mit allem Fleiß abwischen von deinen Augen. O selige Wangen, die Jesu Hand abtrocknet! Selige Tränen, welche die gütige Hand des Schöpfers wird abwischen! Und selige Augen, welche erwählen, in solchen Tränen zu schwimmen! Ich will mir zwar kein Leben wünschen, weil mein Leben ein stetes Weinen ist; doch will ich nach der Tränensaat eine Freudenernte hoffen. Sie wird nicht ausbleiben.

 

284. 

VOM KREUZ DER TREUEN LEHRER.

Lehrstand, Leidensstand.

 

Kaum hatte Paulus bei Christo Dienst angenommen, muss er alsbald der Kreuzfahne schwören. Ich will ihm zeigen, spricht der Herr, wie viel er leiden muss um meines Namens willen Ap.-Gesch. 9,16. Ich will zeigen, ich will‘s ihm gleichsam auf einem Täflein vormalen und aufgezeichnet weisen, wie viel, wie großes Elend er werde ausstehen müssen. Ich meine, er hab‘s erfahren, da er sich als ein Diener Gottes bewiesen in solcher Geduld 2 Kor. 6,4. Denn wo groß Leiden ist, da muss auch große Geduld sein. Und nicht Paulum allein, sondern alle Apostel hat solch Unglück getroffen, wie er darüber klagt an die Korinther 4,9.: Ich halte, Gott habe uns Apostel für die Allergeringsten geachtet, für‘s Äußerste, wo gleich alles, was menschlich ist, aufhört. Da kommt dann erst die Reihe an die Prediger, die müssen sein ein Fluch- und Fegopfer aller Leute, da man Gott zu danken, wenn man solcher Zänker los würde, die alle Welt so dürftiglich strafen, und dadurch gleich Erd und Luft vergiften, auch darum billig als Schuhhader zu halten, daran ein jeder seinen Unflat abzuwischen hat. Dass ich‘s dir kurz sage, mein Freund; eines Lehrers Haus ist dazu gewidmet, dass das liebe Kreuz täglich drin aus- und eingehe. Bei Andern sucht das Kreuz nur zuweilen auf wenig Tage eine Herberge, bei ihnen aber eine bleibende Statt. Das macht, sie sind Christi Diener, drum müssen sie seine Malzeichen an ihrem Leibe tragen Gal. 6,17. Der Sänger ist nicht über seinen Meister, noch der Knecht über seinen Herrn Matth. 10,24. Haben sie den Hausvater Beelzebub geheißen, wie vielmehr werden sie seine Hausgenossen also heißen! V. 25. Sie könnten ihren Zuhörern nicht tröstlich sein, wenn sie nicht in ihren Leiden von Gott getröstet wären. Drum spricht Paulus: Gelobt sei Gott und der Vater unsers Herrn Jesu Christi, der Vater der Barmherzigkeit und Gott alles Trostes, der uns tröstet in aller unsrer Trübsal, dass wir auch trösten können, die da sind in allerlei Trübsal, damit wir getröstet werden von Gott. Denn gleich wie wir des Leidens Christi viel haben, also werden wir auch reichlich getröstet durch Christum. Wir haben aber Trübsal oder Trost, so geschieht‘s euch zu Gute. Ist‘s Trübsal, so geschieht‘s euch zu Trost und Heil, welches Heil beweist sich, so ihr leidet mit Geduld, dermaßen wie wir leiden. Ist‘s Trost, so geschieht‘s euch auch zu Trost und Heil, und steht unsere Hoffnung fest für euch 2 Kor. 1,3-7. Wenn Lehrer selbst mancherlei Unglückspfützen ausgewatet, können sie mit den Kreuzträgern Mitleid tragen, und andere hernach desto kräftiger trösten. Ach, daher trifft sie vor andern so viel und groß Leiden, weil sie den Teufel und sein ganzes Reich anfallen. Sie strafen ja die Welt, und die Welt ist des Teufels Wirtshaus; ihr Malzeichen oder Schild heißt zum Mord und zur Lüge, denn solche Wappen hat ihm Christus selbst über seine Tür gehängt, da er spricht: er sei ein Mörder und Lügner Joh. 8,44. Sonderlich mordet er die am liebsten, die Gottes Wort in seinem Gasthof handeln wollen, weil sie ihm denselben dadurch verdächtig machen. Ach, wie wahr hat Luther gesagt: Es ist ein schwer Amt, ein Prediger zu sein. Denn das Wort Gottes predigen ist nichts anders, als alles Wüten und Toben des Teufels und der Hölle auf sich laden, dass sich alle Macht der Welt, und alle (vermeinte) Heiligen in der Welt wider das Amt erregen. Es ist fürwahr ein gefährlich Ding, sich so vielen grimmigen Zähnen des Satans zu unterwerfen. Bedenk‘s, der du zur Kappe eilst, und dir eitel gute Tage im Predigtamt einbildest. Dein Wahn wird dich trügen! Entweder du wirst Gott nicht treu, oder die Welt wird dir nicht treu sein. Vorhergesehenes Unglück schadet weniger. Schick dich nur zum Kreuz; kommt‘s von Gott, so hilft‘s Gott tragen. Ich hab‘s erfahren, und danke ihm.

 

285. 

VON DER CHRISTEN HERRLICHKEIT. 

Des Herrn und auch Herren.

 

Sagt Dr. Luther zu M. Röhren, als der von Herzen traurig war; ei seid getrost, Herr Magister: Wir sind des Herrn und auch Herren. Des Herrn, weil wir durch sein Blut zu seinem Dienst erkauft, ihm angehören, als Knechte ihrem Herrn. Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn, wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn. Wir sind kein herrenloses Gesindel. Der Herr des Himmels und der Erde ist auch unser Herr. Übel geht‘s zu in einem Lande, das keinen Herrn hat, da tut jedermann, was ihm recht däucht Richt. 17,6. Da spricht man zum Armen und Elenden, bücke dich, dass wir überhin gehen, und lege deinen Rücken zur Erde, und sei wie eine Gasse, dass man überhin laufe Jes. 51,23. Lieber wollt ich tot sein, als eine Viertelstunde ein Christ leben, da Gott mein Herr nicht wär! Wie würden da die Teufel rumoren! Wie würde die Welt toben und mich lebendig verschlingen! Es würde mich Wasser ersäufen und Ströme allzuhoch über meine Seele gehen. Aber Gott Lob! ich habe einen allmächtigen Herrn, der mich schützen kann; einen allgegenwärtigen, der bei mir ist in aller meiner Not, auch wenn ich durch Feuer und Wasser gehe; einen allweisen, der Rat zu finden weiß, wenn alles verworren ist; einen gütigen, dem es eine Lust ist beispringen; einen wahrhaftigen, der seine Zusage hält; einen barmherzigen, dem das Herz brechen will, wenn er mich im Jammer sieht; auf diesen Herrn verlass ich mich, trotz Welt und Teufel. Auch selbst sind wir Herren, die wir Christen sind; wir herrschen durch die Sanftmut über unsern Zorn, durch die Demut über unsere Hoffart, durch Liebe und Wohltat über der Welt Hass und Feindschaft, durch Geduld und Freudigkeit über alle Unglück, durch Vergnüglichkeit über Geld und Gut, durch Verleugnung unser selbst über eigne Ehre, durch Verschmähung über alles Irdische, durch die Freundschaft Jesu über die Feindschaft der Welt, durch das Gebet über den Himmel. Wir herrschen im Tod mit der Unsterblichkeit, nach dem Tode mit dem Leben, über die Hölle mit der Seligkeit, über die Teufel mit der Kraft Gottes. Wer will uns Leid tun? Trotz, trotz, trotz Teufel, trotz allem Unglück! Hier fängt die Herrschaft an in der Schwachheit, dort wird sie ihre Vollkommenheit erreichen in der Herrlichkeit, wenn wir Könige sein werden vor unserm Gott immer und ewiglich. Hier leiden wir mit Christo, dort werden wir mit ihm herrschen. Ich will hier keinen andern Herrn erkennen, als meinen Jesum. Der mich versorgt und schützt, soll mich auch beherrschen. Deß Brot ich esse, deß Diener bin ich. Alles Andere soll mir dienen, nur meinem Jesu will ich dienen mit allem, was ich hab und bin. Dien ich ihm, er dient mir, herrscht er über mich, so herrscht er auch in und durch mich über Sünde, Tod, Teufel und Hölle. Das alles liegt unter meinen Füßen. Wie selig bin ich! 

 

286. 

VOM TODE DER GERECHTEN.

Hin, her.

 

Der Gerechte hin, das Unglück her. Es trügt nicht; wenn die Frommen eilends sterben, lässt das Unglück sein Angesicht sehen, dass es nahe sei. Willst du wissen, ob die zukünftigen Zeiten Glück oder Unglück bringen werden, lauf nicht durch die Vorbedeutungen der Kalendermacher und gaffe nicht nach den Sternen, schau nur was auf Erden geschieht, und wenn du siehst, dass eine fromme Seele nach der andern durch den Tod wird hingerissen, so mach dir die gewisse Rechnung, dass ein Unglück vorhanden sei. Wenn Gott dem Ackersmann sein Land gekrönt hat mit Segen und er sieht zur Zeit der Ernte, dass ein Ungewitter aufsteigt, rafft er die besten Garben zusammen und führt sie zur Scheuer. Ist nicht der Tod ein Ackerwerk, da das Verwesliche gesäet wird, dass ein Unverwesliches wieder aufstehe? 1 Kor. 15. Sind nicht die Gerechten ein köstliches Weizenkörnlein, Matth. 13,29.30., und eine liebe Garbe Gottes? Ist nicht das Grab, dein Schlafkämmerlein, eine sichere Scheuer? Dahinein führt Gott die Gerechten auf dem Todeswagen, wenn eine Zornwolke obhanden ist, dass, die kein Teil gehabt an der Sünde, auch kein Teil haben an den Plagen. Eine Mutter, wenn sie entweder auf der Gasse oder auch in ihrem Hause Streit und Wunder vernimmt, erwischt sie ihre Kinder bei der Hand, bringt sie in die Kammer, dass das Unglück sie nicht betrete. Ist nicht Gott gegen die Seinigen, die er trägt in der Mutter, mütterlich gesinnt? Ist nicht die Welt ein rechtes Babel, voll Verwirrung, Streits und Wunder in allen Ständen? Ist nicht das Grab ein sanftes Ruhkämmerlein? Im Tod ergreift Gott seine Kinder bei der Hand, führt sie in dies Kämmerlein, dass sie allem Streit und Wunder aus dem Wege kommen. Wenn der Hirt seine Schafe wartet und sieht den Wolf kommen, bringt er die Schafe aus dem Wege; oder wenn sie der Wolf schon gefasst, reißt er sie ihm wieder aus dem Rachen. Ist nicht Gott der Frommen Hirte, der sie weidet auf grüner Aue und führt zum frischen Wasser? Ist nicht Jesus der gute Hirte, der das Verlorne sucht, das Verirrte wiederbringt, das Verwundete verbindet, des Kranken wartet, und was fett und stark ist, behütet? Ist nicht ein Mensch des andern Wolf und müssen nicht die Gerechten auf Erden leben als die Schafe unter den Wölfen? Meinst du nicht, dass sie seufzen nach ihrer Erlösung? Ja freilich, ja, und Gott erhört sie, bringt sie zur Sicherheit ins Grab. Das ist‘s, was Jesaias sagt: Die Gerechten werden weggerafft vor dem Unglück, und die richtig vor sich gewandelt haben, kommen zum Frieden und ruhen in ihren Kammern Jes. 57,12. Hast du das Deine, das doch nur ein Staub ist, so lieb, dass du es in Feuersbrunst oder Kriegsläuften eilends zusammenraffst, in ein Bündlein bindest und an sicherm Ort verwahrst; wie vielmehr wird Gott das tun an den Seelen, die ihm Jesus Christus so teuer erworben und er in Christo, als seinem höchsten Schatz, über alles liebt? Wenn ein Unglück kommen soll, müssen sie zuvor zur Ruhe gehen in ihre Gräber, dass ihre Augen solch Unglück nicht sehen 2 Kön. 22,20. Ja sie sind‘s allein, die Gott im Wege stehen, dass er die Welt nicht strafen kann, wie sie es verdient mit ihren Sünden. Sie machen sich durch ihren Glauben zur Mauer und stehen in eifrigem Gebet wider den Riss, halten Gott auf, binden ihm gleichsam die Hände, dass er nicht zuschlagen kann, obgleich das Schwert schon ergriffen und geblößt ist. Schlüge Gott zu, bekämen seine Kinder den ersten und schwersten Schlag; Gott kann und will aber seiner Kinder Mörder nicht sein, er kann und will ihnen nichts versagen, was sie im Namen Jesu von ihm bitten; um fünf Gerechter willen erhält er oft viel tausend Seelen; um eines Pauli willen ein ganz Schiff voll Volks. Wenn aber das Sündenmaß voll, und Gott beschlossen hat nicht länger zu schonen, so reißt er die Mauer um, die ihm im Wege stand, und heißt seinen Lot aus Sodom gehen, dass er ungehindert tun kann, was er beschlossen hatte im Grimm zu tun. Ein Gerechter nach dem andern muss hinsterben, und das ist ein gewisses Zeichen des herannahenden Unglücks, sonderlich wenn die Welt so blind ist und achtet‘s nicht. Die Exempel sind klar vor Augen; kaum war Noah in den Kasten gegangen, da kam die Sündflut 1 Mos. 7. Als Joseph tot war, hatte Israel seine Plage in Ägypten 2 Mos. 1. Nach Josuas Absterben fiel das Volk in Abgötterei und folgten schwere Strafen Richt. 2,8.ff. Sobald Josias, der fromme König, mit Frieden in sein Grab versammelt war, ging das babylonische Gefängnis an. Als die Gläubigen aus Jerusalem gen Pella flohen, ward Jerusalem und das ganze jüdische Land umgekehrt von den Römern. Stilico, ein Hauptmann Theodosii, als er hörte, dass Ambrosius gestorben, sagte: Nun hat Italien eine große Veränderung zu besorgen. Wie er sagte, so geschah‘s. Augustinus hielt mit seinem Gebet die Goten und Wenden zurück, welche nach seinem Tode die Stadt Hippon mit gewehrter Hand nicht abhalten konnte. Luther hat, wie er gelebt, viel Unheil verhütet; da er gestorben im Jahr 1546 am Tage Constantiae (Beständigkeit) und Concordiae (Eintracht), ist Beständigkeit und Eintracht mit gestorben, und hat sich des folgenden Jahres der deutsche Krieg angesponnen. Dasselbe deutete auch an beim Sozomen der gottselige Bischof Leontius, welcher sein graues Haupt ergriff und sagte: Wenn dieser Schnee schmelzen wird, so wird‘s kotig werden; vermeinend, wenn seine schneeweißen Haare würden unter der Erde sein, so würde groß Unglück kommen. Erkenne es, Mensch, dass du an den Gottseligen einen Schirm und Segen hast, und halte sie in Ehren. Siehst du, dass Gott einen nach dem andern hinnimmt, so lösche Gottes Zornfeuer mit deinen Bußtränen, dass du nicht im Grimm verzehrt werdest. Traure, wer trauern kann, wenn ein Gerechter stirbt, denn da stirbt fürwahr dem Land, der Stadt ein groß Glück ab. Ach Herr, wie wenig sind der Heiligen dein! Straf uns doch nicht im Zorn und züchtige uns nicht im Grimm! Sei gnädig deinem Volk, das du, Herr, erlöst hast. Sei gnädig um der Wunden Jesu willen! 

 

287. 

VON DER BEFRIEDIGUNG DES HERZENS IM KREUZ. 

Es ist des Herrn Wille.

 

Der hat‘s getan. Was quälst du dich denn? Dich trifft schweres Leiden, du wirst unruhig und sprichst: So rollt mich der Teufel mit seinen Schuppen. Was? Teufel und seine Schuppen? Bist du nicht ein Kind Gottes? Die Macht muss fürwahr der Teufel nicht haben, dass er einem Kinde Gottes ein Härlein krümmen dürfte. Gott hat‘s getan, dem verkaufst du ja täglich deinen Willen im Gebet des Herrn und sprichst: Dein Wille geschehe. Was murrst du denn? Die Geduld Hiobs hast du ja gehört. Da ihm ein böser Bote nach dem andern kommt, stellt er sich nicht ungebärdig, ja, wird sogar nicht ungeduldig, dass er vielmehr aufsteht von seinem königlichen Thron und sagt mit freudigem Mut: Der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen, der Name des Herrn sei gelobt! Hiob 1,21. Und obgleich der Schmerz bei ihm zunahm, murrte er dennoch nicht wider Gott, sondern sprach: Haben wir Gutes empfangen von der Hand des Herrn, warum sollten wir das Böse nicht auch annehmen? Kap. 2,10. Was macht‘s? Er wusste wohl, dass aus deiner Hand beides käme, Gutes und Böses, dass ihm kein böser Aspekt der Sterne, kein Gift, kein Mensch noch Teufel könnte Schaden zufügen, wo es Gott nicht zuließe. Drum schreibt er alles allein Gott zu, wie ihn desfalls gewaltig rühmt der heil. Augustinus, und seinen Zuhörern als ein Exempel vorstellt, da er unter andern von ihm also schreibt: Er sagt nicht, Gott hat‘s gegeben, der Teufel aber hat‘s wieder geholt. Wendet sich darauf zu seinen Zuhörern und ermahnt sie: Eure Liebe hüte sich ja, dass sie nicht sage, der Teufel hat mir dieses oder jenes zugefügt, sondern erkenne vielmehr, dass alle Strafruten von Gott kommen, denn der Teufel kann uns nichts tun, er habe denn Erlaubnis von oben her, entweder zur Strafe den Bösen, oder zur Züchtigung den Frommen. Hiob sagt: Wie es dem Herrn gefallen hat, so ist‘s geschehen. Das ist, schreibt Augustinus: Weil‘s Gott gefällt, so gefällt‘s mir auch. Was dem Herrn gefallen hat, das kann dem Knecht nicht missfallen; was dem Arzt gefällig gewesen, damit nimmt der Patient auch gern vorlieb. Hiob spricht: Der Name des Herrn sei gelobt. Das ist des Glaubens größtes Kunststück, dass er für seinen Schaden ein Loblied singt und seinem Gott für die Zuchtrute dankt. Das heißt recht dem Teufel trotzen und dem Unglück den Kopf bieten, wenn man‘s ansieht als ein Glück und dafür dankt. Mein Herz, tue weder deinem Gott die Schande, noch dem Teufel die Ehre an, dass du dich vor ihm fürchten wolltest, als könnte er dir Leid tun. Er hat keine Macht über eine Mücke, viel weniger eine Seele, die Gottes Eigen ist. Das Wollen hat er, das Vermögen fehlt ihm. Er wollte gern Schaden anrichten, er kann aber nicht ohne Gottes Zulassung. Jener Eremit wusste dies wohl! Drum, da der Teufel einmal heftig auf ihn zudrang, redete er ihn getrost an und sprach: Ist dir‘s von Gott dem Allmächtigen zugelassen, so schlag nur freudig her, ich will die Streiche geduldig ausstehen, denn ich weiß, dass ich nicht von dir, sondern von Gott, der dir‘s geheißen, geschlagen werde. Ihm still zu halten, bin ich so willig, als schuldig, weil denen, die ihn lieben, alles muss zum Besten dienen. Ist dir‘s aber von Gott nicht zugelassen, so wirst du mir nicht ein Härlein krümmen, wenn du dich gleich in tausend Stücke rissest. Nur beherzt, liebe Seele, der Teufel tut‘s nicht, er ist viel zu schwach dazu. Und tut‘s Gott, so ist alles wohl getan. Des Herrn Name sei gelobt!

 

288. 

VON DER HEUCHELEI.

Gift in güldenen Schalen.

 

Der Wurm im roten Apfel, der Wolf im Schafspelz; auswendig weiß, inwendig schwarz; auswendig ein Engel, inwendig ein Teufel; auswendig Gold, inwendig Kupfer. Hüte dich vor dem Heuchler; er stellt sich anders, als er ist; geht einher in pharisäischem Schein der Gottseligkeit, die Kraft aber verleugnet er. Sein Aug sieht himmelwärts auf, wenn er betet, sein Herz aber wühlt und wurzelt unter sich in die Erde; die Hände sind gefaltet, das Herz zerstreut; die Knie gebeugt, der Sinn steif, stolz, und will sich nicht biegen unter Gottes Rute. Ein solcher ist der Unglückseligste auf Erden, weil er verhasst bei Gott und Menschen, bei diesen, weil er ein Christ sein will, und die Welt von Christen nichts oder wenig hält; bei Gott, weil er kein Christ ist und sich doch dafür ausgibt. Es wäre ja besser, dass du öffentlich gottlos wärst, so liebte dich ja noch die Welt, die das Ihre, das vom Argen ist, nicht kann hassen. Hüte dich vor dem Schmeichler. Er spricht anders als er’s meint, unter dem Zucker ist Gift und unter glatten Worten ein falsch Herz verborgen. Ach, wie voller Falschheit ist die Welt! Gut sagt, bös meint; Berge verspricht, Körnlein hält man. In der Lockspeise reicht man den Angel und im Riechbüschlein die Nadel dar. Ehe man‘s meint, ist man berückt, auch von den (vermeinten) allerbesten Freunden. Es muss fürwahr eben ein kluger Mann sein, der die Schalkheit der Welt bei jetzigen Zeiten ergründen soll. Wir leben in der Grundsuppe, da alles so dick und trüb ist, dass man das falsche Herz nicht erblicken kann. Ach! liebe alte deutsche Redlichkeit und Treue, wo bist du geblieben? Weil du verschwunden bist, ist alle Liebe und Freundschaft mit dir verschwunden. Farbe ist keine Liebe, Trug ist keine Treue. Wo keine Treue noch Liebe ist, wie kann da ein fester Grund zur Freundschaft gelegt werden? Ich will einfältig sein wie eine Taube, so sein, wie ich mich stelle gegen Gott und Menschen, so tun und meinen, als ich rede. Dabei will ich klug sein wie eine Schlange, und das Schauen vor dem Trauen hergehen lassen. Wer leichtlich glaubt, wird leicht betrogen. Doch wenn eins von beiden sein soll, besser betrogen werden, als andere betrügen. Gott wird doch meinen Fuß aus dem Netze ziehen, das sie mir stellen; Herodes gedachte die Weisen aus dem Morgenlande zu bestricken und bestrickte sich nur selbst. Gott wird Rat und Weisheit geben, vertrau ihm nur!

 

Wenn sie‘s auf‘s klügste greifen an,

So geht doch Gott ein ander Bahn,

Es steht in seinen Händen.

 

289. 

VON DER EIGENLIEBE.

Eigenliebe, Eigenhass.

 

Und Eigenhass, Eigenliebe. Frage du, was soll ich tun, mich selbst lieben oder hassen? Ich halt‘s mit dem Letzten. Sprichst du, es ist aber natürlich, dass man sich selbst liebt. Und die Schrift verbeut‘s auch nicht, als welche ausdrücklich spricht: Niemand hat jemals sein eigen Fleisch gehasst Eph. 5,29. Ja mein, du musst das Gold scheiden von den Schlacken, den Menschen von seiner Verderbnis. Dass der Mensch sich, als einen Menschen in der Natur liebt, ist natürlich; dass er sich aber liebt als einen fleischlichen Menschen in seiner Unart, ist sündlich. Und da heißt‘s rechte Selbstliebe, Selbsthass; du dein ärgster Feind, indem du willst dein eigner Freund sein. Der ist ja dein Feind, der dir Schaden tut. Die Liebe tut dem Nächsten kein Böses. Bist du nicht selbst dir der Nächste? Tust du nicht selbst dir den größten Schaden? Wer, ist, der euch schaden könnte, so ihr der Gerechtigkeit nachkommt? Der Teufel schadet dir, aber durch deine eigne verderbte Natur. In dir hat er seine Netze, damit er dich bestrickt. Er schlägt Feuer und deine Lust ist der Zunder, der dies Feuer begierig fängt. Schießt er feurige Pfeile auf dich zu, sie schaden nicht, wenn du nur entgegen hältst den Schild des Glaubens; geht er um dich her und sucht dich zu verschlingen, wache, bete und widerstehe ihm fest im Glauben, so kann er dir nichts anhaben; sagt‘s doch Jakobus: Widersteht dem Teufel, so flieht er von euch. Fällt dein Fleisch dich an mit sündlichen Versuchungen, es kann dir nicht schaden ohne deine Einwilligung; dein eigen Herz ist dein Verräter und überliefert dich durch seine Zustimmung in des Feindes Hände. Dass du sündliche Lüste fühlst, wird dich nicht verdammen, wenn du sie fühlst ohne deinen Willen und widerstrebst. Denn nichts Verdammliches ist an denen, die in Christo Jesu sind, die nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist Röm. 8,1. Fleisch trägst du mit dir umher, Fleisch musst du fühlen, aber nicht dem Trieb des Fleisches im Wandel folgen. Verfolgt dich die Welt, stürmt alles Unglück auf dich zu, es muss alles ohne deinen Schaden geschehen, wenn du nur geduldig bist. Ungeduld hält das oft für Schaden, was der beste Gewinn ist. Durch deine Ungeduld versündigst du dich oft und ladest Gottes Strafe auf dich, oft wirst du dein eigener Mörder, den Schaden bringt dir nicht das Kreuz, sondern deine eigene Ungeduld. Fürchtest du den Tod? Er kann dir nicht schaden ohne den Stachel deiner Sünden, du kannst sein spotten und mit Paulo sagen: Tod, wo ist dein Stachel? Ist die Sünde in dir getötet, so ist Christus dein Leben und Sterben dein Gewinn. Ja, die Sünde selbst kann dir nicht schaden, wenn du nicht unbußfertig bist. Tust du Buße, so vergibt sie Gott. Kaum sprichst du mit David: Ich habe gesündigt vor dem Herrn, alsbald antwortet dir Gott: So hat der Herr deine Sünde von dir genommen, du sollst nicht sterben. Weil denn, mein Freund, dir niemand schadet als du selbst, so hast du billig niemand für deinen Feind zu halten, als dich selbst. Bist du aber dein Feind und suchst dein Verderben, wie kannst du rühmen, dass du dich selbst liebst? Ich will mich selbst nicht lieben, so bin ich gewiss mein Feind nicht, ich will aber mich selbst hassen, so bin ich mein bester Freund und befördere meine Wohlfahrt. Mich zu lieben habe ich keine Ursache, weil nichts Gutes an mir ist; mich zu hassen habe ich große Ursache, weil all mein Dichten und Trachten nur bös ist und immerdar zum Bösen geneigt.

 

290. 

VON BESCHAFFENHEIT DES NATÜR- UND CHRISTLICHEN LEBENS.

Nimmer still.

 

Das natürliche Leben ist ein steter Lauf aus dem einen Tod in den andern; so mancher Blick, so mancher Tod. Wie töricht bist du, dass du dir grauen lässt vor dem Tode und stirbst doch augenblicklich; bist so oft gestorben und weißt doch nicht, was sterben ist; hast dem Tod so manches Jahr deines Lebens hingegeben und gönnst ihm den letzten Blick nicht! Du tust bald dies, bald das, eins aber tust du immer, dass du stirbst. Im Schlaf ruhst du von aller deiner Arbeit, aber der Tod lässt dir keine Ruhe; denn auch im Schlaf musst du mit ihm seine Stunde teilen. Du liegst im Schlaf als tot da und stirbst doch. Ist das nicht ein Wunder, dass die Toten sterben? Das christliche Leben ist ein Lauf aus der einen Tugend in die andere. Denn wir müssen verklärt werden in das Bild Jesu von einer Klarheit zu der andern. Ein Hieb legt den Baum nicht nieder, eine Schwalbe macht keinen Frühling. Mit dem Christentum ist‘s ein solch Ding, nimmt man nicht zu, so nimmt man ab. Immer weiter muss unser Symbol sein, immer weiter, je länger, je mehr, je älter, je geiziger. Ist ein gutes Werk verrichtet, alsbald noch eins angefangen und dann wider eins; reich sollen wir werden an guten Werken und uns viele Schätze im Himmel sammeln. Auch ist dass Christenleben ein Lauf aus dem einen Kreuz ins andre. Es steigt nicht ein Ungewitter auf, sondern viele, da rauscht eine Flut nach der andern daher, alle Wellen fallen auf das Kreuzschifflein zu, und wollen‘s in den Grund bringen; kaum hat man sich aus einer Pfütze herausgearbeitet, ist fort eine andere da. So mancher Tag, so manche Plage; eine jede Stunde führt ihr Kreuz im Munde. Dazu schick dich nur mein Christ, zum Immersterben, Immergutstun, Immerleiden. Ich will sterben, weil ich lebe, so werd ich leben, wenn ich sterbe. Worin ich mich täglich übe, wird mir nicht sauer ankommen in der letzten Stunde. Ich will im Gutestun nicht überdrüssig werden; je mehr ich arbeite, je größer wird mein Lohn sein. Aus Gnade wird Gott alles belohnen, was ich aus gutem Herzen tue. Ich will leiden und nicht müde werden; wie viel der Wellen sind, muss mein Schifflein doch nicht sinken, denn Jesus ist mit mir drin. Es komme Tod, Teufel, Welt oder Hölle, so kann ich nicht verderben. Lass hergehen, stoßen, schrecken und stürmen, wer stoßen, schrecken und stürmen kann, und werde so bös als er immer wolle; dennoch will ich davor bleiben, durch den Herrn Jesum, der da lebt, regiert und bleibt in Ewigkeit. Er ist der Herr über Tod und Teufel, drum muss er die Oberhand behalten. Ich fürchte mich nicht.

 

291. 

VON DER EIGENSCHAFT TREUER LEHRER.

Herz, Mund und Hand.

 

Müssen bei den Predigten übereinstimmen. Es ist ein zarter Lehrer, der mit vollem Wanst vom Fasten redet. Ein Räuber kann auch wohl den Geiz schelten. Beim Priester Christi muss Mund, Herz und Hand übereinstimmen, schreibt Hieronymus an den Nepotianus. Der Mund muss verständlich reden, die Geheimnisse Gottes gründlich und in geistreichen Worten vortragen. Ist eine große Gnade, wenn uns Gott seine Geheimnisse lehrt, nicht allein, dass wir sie wissen, sondern auch aussprechen können, dass unsere Worte und Predigt nicht in vernünftigen Reden menschlicher Weisheit, sondern in Beweisung des Geistes und der Kraft seien 1 Kor. 2,4. Er ist, der beides gibt, Mund und Weisheit Luk. 21,15. Wort und Beistand. Das Herz muss empfinden, was der Mund spricht. Es lässt sich übel ins Herz predigen, wenn die Rede nicht von Herzen geht und der Prediger dessen, was er andern vorträgt, nicht selbsteigne Erfahrung hat. Wer in Furcht und Not steckt, redet viel anders vom Unfall, denn der im Frieden schwebt, redet und singt viel anders vom Frieden, denn der in Furcht steckt. Es geht nicht von Herzen, wenn ein Trauriger lachen, oder ein Fröhlicher weinen soll. Was macht‘s, dass man in Davids Psälterlein so viel herzdringender Worte findet? Weil Davids Herzensgrund dir offen steht, und nicht so sehr der Mund, als das Herz redet. In seinen Lob- und Dankpsalmen findet man so herzliche Worte von Freuden, dass kaum auszusprechen. Das macht, du siehst da dem lieben David ins Herz, wie in einen schönen Lustgarten, ja, wie in den Himmel, darin so lustige Blümlein aufgehen von allerlei fröhlichen Gedanken gegen Gott um seine Wohltaten. Hingegen findest du gar jämmerliche Worte von Traurigkeit in seinen Klagpsalmen, denn da siehst du ihm ins Herz, wie in den Tod, ja, wie in die Hölle, da es finster und dunkel ist von allerlei betrübtem Anblick göttlichen Zorns. Also auch wo er von Furcht und Hoffnung redet, braucht er solche Worte, dass dir kein Maler also könnte die Furcht und Hoffnung abmalen, und kein Redner baß vorbilden. Wie das Herz beim David redet, so kommt‘s auch, wie Dr. Luther spricht, dass der Psalter aller Heiligen Büchlein ist und ein jeglicher, in welcherlei Sachen er begriffen, Psalmen und Worte drin findet, die sich auf seine Sachen reimen und ihm so eben sind, als wären sie allein um seinetwillen also gesetzt, dass er sie auch nicht besser finden kann, noch wünschen mag. Vom Herzen ins Herz, so geht‘s recht. Zum Mund und Herzen muss die Hand kommen und die Tat beweisen, was der Mund geredet hat. Die Worte lehren, die Exempel führen bei der Hand; die Lehre ist ein langer, die Tat ein kurzer Weg. Lass deine Werke deine Rede nicht zu Schanden machen, damit nicht, wenn du in der Kirche redest, ein andrer dir stillschweigend antworte in seinem Herzen. Warum tust du das nicht, was du sprichst? schreibt abermals Hieronymus an Nepotianus. Die Zuhörer haben lieber Exempel, als Worte, weil das Reden leicht, das Selbsttun aber schwer ist; jenes können auch die Gottlosen, dieses aber nur die Frommen. Wie viel guter Exempel, da sind viel guter Nachfolger. Die Exempel haben gleichsam eine magnetische Kraft, ziehen nach sich, was sie berühren. Wie redet Jesus? Nicht nur mit Worten, sondern auch in Werken. Er redet in der Erhaltung aller Dinge, denn er trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Worte Heb. 1,3. Er redet in dem Werk der Erlösung; kein Blutströpflein ist an ihm, das nicht redet und unsere böse Sache bei Gott vertritt, besser als Abels Blut Hebr. 12,24. Er redet im Werk der Heiligung, da er seine Worte zum kräftigen Mittel unsrer Seligkeit verordnet. Mit einem Worte: Er ist ganz, was er ist, eitel Rede, wie von ihm redet der Heilige Geist im 109. Psalm. Willst du sein Diener sein, so gehe hin und tue desgleichen. 

 

292. 

VON DER SEELEN REINIGUNG.

Tue Buße.

 

So bist du rein. Im alten Testament hatte Gott die Verordnung gemacht, dass die Kindbetterin nach verflossenen vierzig Tagen zu ihrer Reinigung bringen sollte ein Sünd- und Brandopfer; die Reichen ein Lamm und eine Turtel- oder junge Taube, die Armen zwei junge oder Turteltauben. Hierin ist uns die Buße gar lieblich vorgebildet. Unrein sind wir kommen von der Mutter, aus einem sündlichen Samen eine sündliche Frucht. Die Erbsünde ist in uns als eine unreine Quelle, hat sich oft ergossen und ihr Gift geführt in unsere Gedanken, Worte und Werke. So oft wir sündigen wider das Gewissen, beflecken wir uns und verlieren die Reinigkeit, die wir haben in Christo durch den Glauben. Was Rat für eine solche Seele? Tue Buße. Bring dar das ächzende, girrende Turteltäublein eines geängsteten Herzens. Denn die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist, ein geängstetes und zerschlagenes Herz wird Gott nicht verachten Ps. 51,19. Das Turteltäublein winselt, wenn‘s seinen Gatten verloren und weint auch, wie etliche wollen, rechte Tränen. Jesus ist deiner Seele Bräutigam, hat sich mit dir verlobt im Glauben; sündigst du, so wirst du abtrünnig und verlässt ihn. Wo dann Rat, Schutz, Hilfe, Trost und Segen, wenn Jesus verlassen ist? Verlässt du ihn, er verlässt dich wieder. Ach deines Elendes! Magst wohl weinen. Jesum verloren, alles verloren. Was hast du, das dich erfreuen könnte, wenn du Jesum nicht hast? Ächze, Seele, ächze, dein Seelenschatz ist hin. Ein solch girrendes Turteltäublein war Hiskias; ich winselte, spricht er, wie ein Kranich und Schwalbe und girrte wie eine Taube, meine Augen wollten mir brechen Jes. 38,14., und David im 6. Psalm: Ich bin so müde von Seufzen und schwemme mein Bette die ganze Nacht und netze mit meinen Tränen mein Lager. Meine Gestalt ist verfallen vor Trauern. Bring dar das Lämmlein Gottes, welches aller Welt Sünde trägt. Mein Herz, wirf ihm deine Sünde auch auf seinen Rücken, tritt dann im Glauben mit ihm vor Gott und sprich: Barmherziger Vater! 

 

Siehe an deines Sohnes Kreuz und bitter Leiden,

Der uns erlöset hat mit seinem Blute, 

Und eröffnen lassen sein Herz und Seiten, 

Der Welt zu gute. 

 

Bespreng dein Herz mit dem Blut des Lämmleins, so bist du rein. Denn das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, macht uns rein von allen Sünden 1 Joh. 1,7. Endlich bring auch dar die junge Taube deines neuen Gehorsams und bezeuge, dass dein Glaube an Christum rechter Art gewesen sei. Die Taube ist rein und fruchtbar. Beides gehört zum neuen Leben. Rein vom Bösen, fruchtbar im Guten. Paulus ermahnt: Hasset das Arge, hangt dem Guten an Röm. 12,9. Und Petrus: Lasst ab vom Bösen und tut Gutes 1 Petri 3,11. Jung muss die Taube sein, dass du dir nicht einbildest, du seist schon ein alter Christ und habest es weit genug gebracht; solche Gedanken machen dich nur faul und träge im Christentum. Je älter, je kälter. Denke, du seist noch ein junger Christ, noch weit vom Ziel und mache täglich einen neuen Anfang, so wirst du desto schneller und eifriger sein in deinem Lauf. Das gebe Jesus!

 

293. 

VOM GLAUBEN UND VON DER LIEBE.

Maria und Martha.

 

Menge sie nicht, trenne sie nicht. Maria sitzt und ist stille, Martha geht und ist geschäftig; Maria ohne Sorgen, Martha voll Sorgen; Maria lässt sich speisen und ihr dienen, Martha dient und speist; Maria nimmt, Martha gibt; Maria ist eine Hörerin, Martha eine Täterin. Den Glauben mein ich und die Liebe. Schwestern sind sie, drum trenn sie nicht; doch haben sie nicht einerlei Sinn und tun nicht einerlei Werk, drum meng sie nicht. Der Glaube, ist die Maria, die Erhöhte in der Betrachtung und im Gebet, die Bittere im Selbst-, Welt- und Sündenhass, auch in der Buße; er sitzt in stiller Ruhe und Andacht zu Jesu Füßen, in tiefster Demut, und hört seiner Rede zu, nimmt das Wort an und bewahrt‘s in einem feinen, guten Herzen Luk. 10,39. u.f. Die Liebe ist die Martha, die Hauswirtin, die Jesum mit seinen Jüngern aufnimmt und beherbergt; diese macht sich viel zu schaffen, Jesu zu dienen, ihm in seinen Dienern mit allerlei Not- und Ehrendiensten an die Hand zu gehen, oft ist sie so geschäftig, dass sie dem Glauben, bei Jesu Lust und Ruhe zu suchen, kein Stündlein gönnt. Herr, spricht sie, fragst du nicht darnach, dass mich meine Schwester lässt alleine dienen? Sag ihr doch, dass sie es auch angreife. Jesus ist der Schiedsmann und setzt sie also von einander, dass er sie weder mengt noch trennt, sondern spricht: Martha, Martha, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist Not; Maria hat das gute Teil erwählt, das soll nicht von ihr genommen werden. Beides muss ja bleiben, Glaube und Liebe. Maria muss sich von Jesu speisen lassen. Martha muss ihn wieder speisen, Maria nehmen, Martha geben, Maria hören, Martha tun, aber Maria muss den Vorzug haben. Erstlich für dich selbst gesorgt, darnach für deinen Nächsten, du bist dir selbst der Allernächste. Erstlich empfangen, darnach gegeben. Wie können Früchte da sein, wo kein Baum ist, oder ein Ausfluss wo kein Einfluss? Es heißt, wie Paulus sagt: Wandelt in der Liebe, gleich wie Christus uns hat geliebt Ephes. 5,2. Und Johannes: Lasst uns ihn lieben, denn er hat uns zuvor geliebt. Unsere Liebe ist wie ein Lichtlein, muss beim Feuer göttlicher Liebe angezündet werden. Erstlich muss das Herz mit der Liebe Jesu im Glauben durchgossen sein, darnach gibt man dem Nächsten zu empfinden, was man empfunden hat. Jesus hat uns gespeist, getränkt, gekleidet an unserer Seele; wir speisen, tränken, kleiden ihn wiederum in seinen hungrigen, durstigen, nackten Gliedern. Jesus ist der Magnet, der Maria an sich zieht mit seinen holdseligen Lippen; Martha ist der Magnet, der Jesum an sich zieht mit liebreicher Hand und Herzen. Mit einem Wort: Kein wahrer Glaube kann ohne gute Werke sein, wie kein lebendiger Leib ohne Bewegung, kein Baum ohne Früchte. Wo die Liebe Jesu im Glauben erkannt ist, das dringt sie den Menschen, Jesu zu lieb und Ehren zu tun, was er nur immer kann; wo ein lebendiges Sämlein im Acker ist, da bleibt‘s nicht verborgen, es bricht hervor und zeigt sich in Früchten. So können auch keine guten Werke ohne Glauben sein, denn das Wort Gottes pflanzt den Glauben, aus dem Glauben wachsen hervor die guten Werke, die nichts anders sind, als dasselbe Wort Gottes, das durch den Glauben in uns gepflanzt ist, in seiner Tat und Erfüllung. Die drei Dinge hängen zusammen, wie an einer Kette: Wort, Glaube, Werke. Das Wort ein Same des Glaubens, der Glaube ein Same der Werke. Aber Glaube und Werke sind und tun nicht einerlei, jener macht gerecht, diese folgen auf die Rechtfertigung und beweisen dieselbe. Jener gibt das Leben, diese offenbaren es. Jener handelt mit Gott, diese mit dem Nächsten. Um beide bemühe dich, um den Glauben, dass du selig werdest, und um die Werke, dass du dich selbst und andere deiner Seligkeit versicherst.

 

294. 

VOM GEBET UND ARBEIT DER CHRISTEN.

Wohl geschmiert, wohl geführt.

 

Schmiere wohl, so fährst du wohl. Der Christen Wohlfahren besteht im Beten und Arbeiten. Das Gebet holt den Segen aus dem Himmel, die Arbeit gräbt ihn aus der Erde. Drei Mittel schlägt ihm jener ungerechte Haushalter vor, die zu seiner Erhaltung dienen können: betteln, graben, stehlen; und wählt das letzte, das doch den Fluch bringt. Willst du wählen, so wähle die beiden ersten, die bringen den Segen. Bettle und grabe, bete und arbeite, Mund auf, Hand an. Das Gebet ist dein Himmelswagen, Arbeit dein Erdenwagen, beide bringen so viel Glück ins Haus, wenn sie wohl fahren. Schmiere wohl, so fährst du wohl. Der Name Jesu ist eine ausgeschüttete Salbe, Hohel. 1,3., damit schmierst du den Wagen deines Gebets, wenn du betest im Namen Jesu. Solch Gebet bleibt nicht unerhört, denn die Verheißung dessen, der die Wahrheit ist, steht da, bestärkt mit einem Eid. Wahrlich, wahrlich ich sage euch, was ihr den Vater bitten werdet in meinem Namen, das wird er euch geben. Jesus heißt ein Heiland; wie kannst du in dem Namen deines Heilandes bitten, was wider dein Heil und Seligkeit ist? Bittest du um etwas Irdisches, oder um die Erlösung aus dem Kreuz, so sprich mit jenem Aussätzigen: Herr, so du willst. Ist‘s Gottes Wille nicht, so ist‘s auch dein Heil nicht. Willst du erhörlich beten, mein Herz, so schwängere dein Gebet mit dem Verdienst und der Fürbitte Jesu, sprich: Heiliger Vater, um des Todes, um der Wunden, um des bittern Leidens deines liebsten Kindes, meines teuersten Erlösers Jesu Christi willen erhöre mich! Jakobs Söhne fanden Gnade bei Joseph durch ihren Bruder, Benjamin, du wirst sie bei Gott finden durch deinen Bruder Jesum, den umfasst der Glaube, und dem Glauben kann Gott nichts versagen, wo er nicht will zum Lügner und Unmann werden. Mit der Salbe des Namens Jesu schmierst du den Wagen deiner Arbeit, wenn du nachlebst der Ermahnung Pauli: Alles, was ihr tut mir Worten und mit Werken, das tut alles im Namen Jesu Kol. 3,17. Soll die Arbeit deines Hauptes, deines Herzens, deiner Hände gesegnet sein, so schaffe etwas Gutes, und fange nichts an, als was dir Gott in seinem Wort zu tun entweder geboten oder vergönnt hat. Wie kannst du im Namen Jesu anfangen, was deinem Jesu zuwider ist? Du lebst von unbilligem Wucher; den hat Jesus verboten, drum kann kein Segen dabei sein. Getraue festiglich, Gott werde zu deiner Arbeit sein Gedeihen geben, und tue was du tust aus dem Vermögen, was Gott darreicht. Baust du auf eigene Kraft oder Weisheit, so geht das Werk nicht von statten, denn du hast es angefangen in deinem, nicht in dem Namen Jesu. Richte das ganze Werk nicht zu deinem, sondern zu Gottes Ehren, nicht dir einen Namen zu machen, sondern Gottes Namen zu verherrlichen, dass es am Ende heiße: Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre. Suchst du eigene Ehre, so gerät das Werk nicht, denn Gott will mit dir teilen, der Nutz soll dein, die Ehre sein sein; nimmst du ihm die Ehre, so nimmt er dir den Nutzen und du hast dazu von der Ehre nichts anders, als Schande. Fange nichts an, du hast denn zuvor Gott angerufen, dass er in Jesu nicht nur deine Arbeit gesegnen, sondern auch den Vorsatz in der Arbeit heiligen wolle; auch darum bitte, dass dasselbe, das du in Einfalt und Lauterkeit deines Herzens zur Ehre Gottes angefangen, nicht möge durch einen Missbrauch oder Missverstand anderer Leute bös gedeutet und zum Ärgernis gemacht werden. Das nimm in Acht und schmiere wohl, so fährst du wohl. Gott helfe dir! 

 

295. 

VON DER LIEBE GOTTES IM KREUZ. 

Gottlieb.

 

Ein teurer Name. Teuerster Theophile, schreibt Lukas an seinen Freund, der zugleich ein Freund und Liebhaber Gottes war Ap.-Gesch. 1,1. Luk. 1,3. Liebster Kreuzträger, dir kommt er zu. Du sprichst: hat mich Gott lieb, warum widerfährt mir denn dies und das? Ja, eben darum, weil du Gott lieb bist, muss dir dies und das widerfahren. Dein Jesus sagt‘s dir ja mit dürren Worten in der Offenb. Joh. 3,19.: Welche ich lieb habe, die strafe und züchtige ich. Eben dasselbe hat dir schon gesagt der weise Salomo in seinen Sprüchw. am 3,11.12.: Mein Kind, verwirf die Zucht des Herrn nicht und sei nicht ungeduldig über seine Strafe. Denn welchen der Herr liebt, den straft er und hat Wohlgefallen an ihm, wie ein Vater am Sohn. Freilich ja. Ein Vater, der sein Kind nicht unter der Zucht hält, hat‘s nicht lieb; wo keine Rute, da ist keine Frömmigkeit, wo keine Frömmigkeit, da ist keine Seligkeit. Wie kann mich lieben, der meine Seligkeit nicht liebt? Darum, je lieberes Kind, je schärfere Rute. Seinen liebsten Kindern misst Gott das Kreuz mit der längsten Elle zu. Sag mir, ist nicht Jesus Gott der Allerliebste? Wir sind nur geliebt in dem Geliebten. Er wird ja ein Sohn der Liebe Gottes genannt Kol. 1,13. Hat aber ein Mensch auf Erden wohl größere Leiden gehabt, als eben der liebste Sohn, über welchen Sünde, Hölle, Teufel und Menschen allen ihren Grimm ausschütten müssen, und war dazu von Gott verlassen? Wer hat je Blut geschwitzt wie er? Wer hat solche Höllenangst empfunden, wie er, der das an seiner heil. Seele im höchsten Grade geschmeckt, was alle Verdammten in alle Ewigkeit schmecken werden? Wer ist je von Gott verlassen? Obgleich Zion klagt: Der Herr hat mein vergessen, der Herr hat mich verlassen, wird ihr doch die tröstliche Antwort vom Herrn: Kann auch eine Mutter ihres Kindes vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und wenn sie gleich desselben vergäße, so will ich doch dein nicht vergessen, denn siehe, in meine Hände habe ich dich gezeichnet. Das liebste Kind, die schärfste Rute. Darum mein Christ, vergiss des Trostes nicht, der zu dir geredet als zum Kinde: Mein Sohn, achte nicht gering die Züchtigung des Herrn und verzage nicht, wenn du von ihm gestraft wirst. Denn welchen der Herr lieb hat, den züchtigt er, er stäupt aber einen jeglichen Sohn, den er aufnimmt. So du die Züchtigung erduldest, so erbeut sich dir Gott als einem Kinde. Denn wo ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt? Bist du aber ohne Züchtigung, welcher alle Kinder sind teilhaftig worden, so bist du ein Bastard und nicht ein Kind Hebr. 12,5-8. Wer nicht gezüchtigt wird, ist kein Gottlieb; wer kein Gottlieb, ist kein Kind; wer kein Kind, ist kein Erbe Gottes; keinen Teil am Leiden, keinen Teil an der Freude; keinen Teil an der Richtigkeit, keinen Teil an der Herrlichkeit; keinen Teil an der Hölle, keinen Teil am Himmel. Wir sollen Erben Gottes und Miterben Jesu Christi sein, so wir anders mit leiden, auf dass wir auch mit ihm zur Herrlichkeit erhoben werden Röm. 8,17. Ich will mich in meinem Kreuz freuen, weil ich weiß, dass mich Gott dann am liebsten hat, wenn alle Welt meint, er habe mich verworfen. Gottlieb heiß ich, und im Kreuz der Allerliebste. Mein Kind, Gott hat dich lieb, spricht das Kreuz zu mir. Ach ja, das weiß ich, ob ich gleich die Liebe nicht allezeit empfinde. Seine liebsten Kinder lässt er nicht wissen, dass er sie liebt, damit sie nicht stolz werden. Ob er’s aber gleich vor mir verbirgt, so weiß ich doch, dass er daran gedenkt. Das Kreuz ist seiner Liebe Pfand; Gottes Hand und Pfand muss nicht trügen. Ich bin gewiss, dass mich nichts scheiden kann von der Liebe Gottes, die da ist in Christo Jesu, meinem Herrn. 

 

296. 

VOM BERUF UND AMT DER PREDIGER.

So fische, dass du fängst.

 

Petrus fischte die ganze Nacht und fing nichts. Da Simon auf die Höhe fuhr, kamen beide Netze voll. Petrus fischt, Simon fängt. Wie mancher arme Tropf lässt sich‘s sauer werden, Tag und Nacht, meint hernach eine gute Pfarre zu gewinnen, aber vergebens ist all sein Schweiß und Fleiß, er fischt und fängt nichts. Wenn Simon kommt mit dem goldenen Netze, da laufen der Fische mehr hinein als er begehrt. Der goldene Schlüssel schließt alle Pfarren auf. Aber wie geht‘s denn hernach? Solche Simonsbrüder fischen nicht nach Menschenseelen, sondern nach Gold und Silber. Für was gehört was. Wer viel ausgibt, will viel einnehmen. Seelen fangen sie nicht, denn wie der Beruf, so der Erfolg. Die Gott nicht ruft, die salbt, noch segnet er nicht. Mein, willst du so fischen, dass du fängst, so gib dich nicht für einen Menschenfischer aus, du seiest denn ordentlich dazu berufen, damit es nicht heiße: Ich sandte die Propheten nicht, doch liefen sie Jer. 23,21. Wenn du dann berufen bist, so fische nicht nach Geld und Ehren, sondern nach Menschenseelen; verlasse mit Petrus alles, und sprich mit Paulus: Ich suche nicht das Eure, sondern euch 2 Kor. 12,14. Willst du einen glücklichen Zug tun, so fische nicht ohne Christum. Wer sich verlässt auf eigene Kraft und Weisheit, fängt nichts; in Christo macht uns Gott tüchtig das Amt zu führen, in Christo segnet er auch unsere Arbeit. Es ist doch weder der da pflanzt, noch der da begießt, etwas, sondern Gott, der das Gedeihen gibt 1 Kor. 3,7. Willst du fischen, dass du fängst, so fische nicht bei der Nacht und Finsternis und Unwissenheit. Wie kannst du andere lehren, was du nicht zuvor selbst gelernt hast? Wir reden, was wir wissen, spricht Christus zu Nikodemus Joh. 3,11. Und so muss ein jeder Diener Christi sagen können. Die Prediger werden in der Schrift den Ochsen verglichen, 1 Kor. 9,9., weil ihre Arbeit schwer wie eine Ochsenarbeit ist; nun hat Gott im alten Testament geordnet, dass nicht Ochs und Esel an ein Joch sollen gespannt sein. Für den Weisen genug. Wenn ein Blinder dem andern den Weg will weisen, fallen sie beide in die Grube. Woher Weisheit? sprichst du. Mein Freund, durchs Gebet von Gott, dem Vater des Lichts, von welchem alle guten Gaben von oben herab kommen Jak. 1,17. Wie rühmt Paulus: Gott, der da hieß das Licht aus der Finsternis hervor leuchten, hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, dass durch uns entstünde (bei andern) die Erleuchtung von der Erkenntnis der Klarheit Gottes, in dem Angesicht Jesu Christi 2 Kor. 4,6. Glückt dir dein Zug, dass du in deinem Amt etwas ausrichtest und Zulauf bekommst, werde nicht stolz, sondern in tiefster Demut rühm einzig und allein Gottes Gnade, nach dem Exempel Petri, welcher sich am meisten fürchtete, da er am meisten gefangen hatte und sprach: Herr gehe von mir hinaus, ich bin ein sündiger Mensch. Findest du faule Fische in deinem Netze, sondre sie ab durch den Brauch der Kirchenzucht, und wirf die Perlen nicht vor die Säue; doch wisse, dass, so lange das Netz noch unter dem Wasser ist, du die Fische nicht gänzlich werdest von einander scheiden können; vor dem jüngsten Tage wird man keine ganz reine Kirche haben. Wird dir deine Last zu schwer, winke den Brüdern im andern Schiffe, dass sie dir zu Hilfe kommen. Wohl steht‘s und bringt der Kirche Christi viel Nutzen, wenn, da eine Kirche in Not ist, die Akademien und Ministerien an andern Orten, gleichsam als aus dem andern Schiff, ihr zu Hilfe kommen. Wird das Netz durch die Ketzer zerrissen, so flick und bessere so viel dran, als du kannst, und seufze mit David: Es ist Zeit, dass der Herr dazu tue; sie haben dein Gesetz zerrissen Ps. 119,126. Fischest du so, so wirst du fangen; das gebe Gott!

 

297. 

VON DEN KENNZEICHEN DES WAHREN CHRISTEN.

Ein Tod, ein Leben.

 

Mit Christo gestorben, in Christo gelebt. Daran erkennt man einen wahren Christen. Wir sind mit Christo begraben durch die Taufe in den Tod, auf dass, gleichwie Christus ist auferweckt von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, also sollen auch wir in einem neuen Leben wandeln. So wir aber samt ihm gepflanzt werden, gleich wie er, in seinen Tod, so werden wir auch der Auferstehung gleich sein Röm. 6,3-5. Das Gleichnis ist genommen von einem Pfropfzweiglein, das man senkt in den Stamm. Wächst dasselbe mit dem Stamm zusammen, so entsteht aus solcher Vereinigung die Gemeinschaft im Leben und Sterben; so lang der Stamm grünt und lebt, so lang grünt und lebt auch der Zweig; wenn aber der Stamm verdorrt und erstirbt, so ist auch der Zweig dürr und tot. Mit Christo sind wir in der Taufe vereinigt, und zwar so genau, dass gleichsam eine Person aus ihm und uns worden, und wir mit großer Freudigkeit sagen können: Ich bin Christus, das ist, Christi Gerechtigkeit, Sieg und Leben ist meine Gerechtigkeit, Sieg und Seligkeit; und Christus gleichsam hinwiederum sagt: Ich bin derjenige Sünder, seine Sünde meine Sünde, wie der Herr Lutherus redet. Aus dieser Vereinigung muss entspringen die Gemeinschaft des Lebens und des Todes. Christus ist der Sünde gestorben zu einem Mal, und wir müssen in Christo der Sünde absterben. Die Sünde, die ihn hat getötet am Holz, müssen wir töten durch seinen Geist im Herzen. Ist‘s nicht so? Wer ein Christ sein will, muss Christum lieb haben; wie kann der Christum lieb haben, der‘s mit seinem Feinde hält? Der seine Lust in dem sucht, was Jesu eine Last gewesen, und das in sich lässt, was Jesum getötet hat? Ein solcher hält ja die Marter Christi für einen Spott, und kreuzigt ihn aufs neue. Die Christo angehören, die kreuzigen ihr Fleisch samt den Lüsten und Begierden Gal. 5,24. Sünde, spricht ein wahrer Christ, du musst sterben in mir, denn Jesus hat um deinetwillen am Kreuz sterben müssen; Todesangst hast du ihm gebracht, mit Todesangst will ich dich auch fühlen, und wie ein Toter weder Hand noch Fuß in deinem Dienst regen. Einmal ist Christus der Sünde gestorben; ein falscher Christ stirbt dann einmal und dann wieder einmal; wenn er tausend Dienste der Sünde getan, versagt er ihr dann einmal seinen Dienst, sonderlich da kein Vorteil oder Lust beim Sündigen ist; eines wahren Christen Leben ist ein einmaliges, das ist, ein stetes Sterben. Er ist so karg über seine Zeit, und so missgünstig gegen die Sünde, dass er ihr auch kaum einen einzigen Blick seines Lebens zu ihrem Dienst gönnt. Christus lebt, und was er lebt, das lebt er in Gott. Ein wahrer Christ lebt in Christo der Gerechtigkeit 1 Petri 2,24. Er lebt im Geist, und bezeugt solch Leben durch den Wandel im Geist, Gal. 5,25., indem er dem Trieb des Geistes zu allem Guten folgt; er lebt nicht ihm selbst, sondern Gott; nicht nach seinen Lüsten, sondern nach dem Willen dessen, der ihn hat berufen in Christo zu seiner ewigen Herrlichkeit. Ja, er lebt ganz nicht, sondern Christus lebt in ihm, Adam ist in ihm untergegangen, und Christus auferstanden zum neuen Leben. Darnach prüfe dich, der du dich für einen Christen ausgibst. Lebt Adam in dir, und Christus ist tot, so bist du ein Heide; lebt Christus in dir, und Adam ist tot, so bist du ein Christ. Das Letzte ich wähle und wünsche mit Christo zu sterben, auf dass ich in ihm hie und dort lebe. 

 

298. 

VON DEM ZUSTAND DER STREITENDEN KIRCHE AUF ERDEN.

Lass wachsen.

 

Wer weiß, was noch Gutes draus werden kann? Du siehst, dass in dem Haufen derer, die sich Christen nennen lassen, der Unchristen mehr sind, als der Christen, der Bösen mehr, als der Frommen, entbrennst im Eifer, willst das Unkraut mit Gewalt ausrotten, speist lauter Feuer und Flammen. Nicht mein, nicht so hitzig, lass doch wachsen, vielleicht wird aus dem Unkraut noch ein gutes Körnlein. Hätte der Herr Feuer fallen lassen über Samaria, da es die Jünger begehrten, wie hätte Samaria hernach das Wort Gottes annehmen können? Wäre Ninive nach Jonas Wunsch alsbald verderbt, da sie nicht wollte Buße tun, ach, wie wäre eine so reiche Seelenernte verdorben! Darum lass wachsen, wer weiß, was noch draus werden kann? Durch Schwert und Feuer entrückst du die Seelen dem Worte Gottes, dass sie nicht können gewonnen werden, und wirst also ein doppelter Mörder. Es ist die Kirche in ihrem äußerlichen sichtlichen Zustand vor den Menschen nie ganz rein gewesen, wird auch nie rein werden, bis das Gericht des Herrn einbricht, und die Schafe von den Böcken scheidet. Hier ist sie ein Acker, darauf sowohl der Teufel sein Unkraut, als Christus seinen Weizen hat, ein Baum, daran sowohl dürre, als grüne Zweige sitzen; ein Leib, der sowohl erstorbene, als lebendige Glieder hat; ein Haus, darin man nicht nur silberne und güldene, sondern auch hölzerne und irdene Gefäße findet, etliche zur Ehre, etliche zur Unehre. War nicht in Adams Hauskirchlein der ungläubige Brudermörder Kain? In dem Kasten Noahs der Spötter Ham, in Abrahams Kirche Ismael, in Isaaks Esau, in Jakobs Simon und Levi, die Mörder, samt der Hure Dina? Wie war die Kirche beschaffen unter Moses? Eben zu der Zeit, da er das Gesetz von Gott empfing auf dem Berge, beteten sie das goldene Kalb an. Sie hurten in der Wüste, murrten wider Gott, versuchten Christum, lebten in solchen Greueln, dass Gott keinen Gefallen an ihnen hatte, sondern die meisten niederschlug. War nicht zu Josua Zeiten ein Bann im Volk? Unter den Richtern ging‘s über und über; unter den Königen nicht viel besser, so dass Elias klagen muss, er sei schier allein übrig, der den wahren Gott fürchtet. Wie gewaltig predigten die Propheten wider die falschen Lehrer und Missetat des Volks! Hatte nicht Christus, der Allerheiligste, in dem Kollegio seiner Jünger den Verräter Judas? War nicht unter den sieben Kirchendienern Nikolaus, von welchem die Sekte der Nikolaiten ihren Namen hat? Offenb. 2. Hielt nicht Simon sich zu den Aposteln, der doch voll teuflischen Gifts war? Apost. Gesch. 8. Hat nicht Johannes geschrieben wider Ebion und Cerinthus, welche die Gottheit Christi leugneten? Hat nicht Paulus in seiner Epistel an die Galater widerlegt die Nazarener, die da lehrten, niemand könnte selig werden, er hielte denn das Mosaische Kirchengesetz, und ließe sich beschneiden? Wie hart hat er geschrieben an die Korinther wider den Blutschänder, der unter ihnen war! Wie heftig klagt er, dass mitten in der Kirche sind, die den Schein der Gottseligkeit haben, aber die Kraft derselben verleugnen! Hat‘s mit der Kirche solche Beschaffenheit gehabt, da sie noch eine Jungfrau war, was ist nun besseres zu hoffen, da sie schon Hure worden ist? Mein Freund, siehst du das Unkraut auf dem Kirchenacker, entrüste dich nicht. Trauern magst du, klagen magst du, und dich verwundern über Gottes Langmut, der mit so großer Geduld auf der Menschen Buße wartet. Strafen magst du auch wohl, doch also, dass du durch dein Strafen nicht ausrottest, sondern pflanzest; nicht brechest, sondern bauest. Aber dabei sei geduldig, und missgönne dem Nächsten nicht die Zeit zur Besserung, vielleicht wird aus dem Saulus ein Paulus, aus dem großen Sünder ein großer Heiliger; Gott kann‘s geben; oder bleibt die Bekehrung aus, wird dein Nächster sich schon früh genug selbst verdammen; verdamme du ihn nur nicht, sondern bitte Gott, dass er ihn erleuchte, und dich im wahren Glauben beim christlichen Leben erhalte, so bist du ein gutes Körnlein Gottes, und wirst einmal am Tag der allgemeinen Menschenernte, wenn das Unkraut ins höllische Feuer geworfen wird, in die Himmelsscheuer eingeführt werden. Ich will nicht allein zusehen, dass ich ein guter Same sei, sondern auch, dass ich das Unkraut durch heilsame Lehre und heiliges Leben zum guten Samen mache. Gott wird dazu Gnade geben. Amen.

 

299. 

VON DEN WUNDERWEGEN GOTTES.

O Tiefe! Wer kann dich ergründen? 

Röm. 11,33.

 

Meine Gedanken, spricht Gott beim Jesaias, sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege. Sondern so viel der Himmel höher ist, denn die Erde, so sind auch meine Wege höher, denn eure Wege, und meine Gedanken, denn eure Gedanken. Ist ja freilich so, Gottes Wege und Gedanken sind unendlich, unsere endlich; jene fest und unbeweglich, unsere flüchtig und veränderlich; jene stark und kräftig, unsere schwach und kraftlos; jene himmlisch unsere irdisch; jene unbegreiflich, unsere begreiflich. Hier muss man sagen: O Tiefe! Wer kann dich ergründen? Wenn Menschen zum Ziel wollen, muss ein Weg da sein, zum Ende gelangen sie durch Mittel. Gott hilft ohne Mittel, denn seine Allmacht ist an keine Mittel gebunden; aus nichts alles. Was ist da für ein Mittel? Traure nicht, liebstes Herz, wenn du nichts hast. Wo nichts ist, da schafft Gott alles, und tut die größten Wunder. Menschen können keine Wege finden, wo sie Gott nicht weist; Gott kann Wege machen und Mittel schaffen, wo keine sind. Wer machte den Weg durchs Meer, dass Israel trocken hindurch ging? Tat er’s nicht? Er gab Brot vom Himmel, Fleisch durch die Winde, Wasser aus dem Felsen. Seine Hand ist noch nicht verkürzt, darum verzage nicht; noch lebt ein Gott, der aus Steinen Brot machen kann, und Mittel geben, wo keine sind. Menschen eilen zum Ziel durch bekannte Wege, und wenn sie durch ihre Arbeit etwas schaffen wollen, brauchen sie solche Mittel, die eine Verwandtnis haben mit dem Zweck ihres Absehens; Gott aber geht immer einen angebahnten Weg, und braucht solcher Mittel in seinen Verrichtungen, die mit dem Ziel ganz und gar nicht einstimmen, ja ihm auch zuwider scheinen. Betrachte das Werk der Schöpfung! Hieß er nicht das Licht aus der Finsternis hervorleuchten? Was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis? 2 Kor. 6,14. Machte er nicht Himmel, Erde und alles aus nichts? Beschaue das Werk der Erlösung! Muss nicht der Fluch auf Jesum fallen, dass sein Segen über uns komme? Muss er nicht dem Tod in den Rachen gehen, wenn er uns das Leben wieder bringen soll? Der Segen aus dem Fluch, das Leben aus dem Tod; denke, wie wunderlich! Nicht geringere Wunder erfährst du im Werk der Heiligung und der Regierung seiner Kirche. Soll Paulus erleuchtet, muss er zuvor mit Blindheit geschlagen werden; wer groß sein will, muss klein werden; wer gerecht, ein Sünder; durch Schmach zur Ehre; durch Armut zum Reichtum; durchs Leid zur Freude; durch die Hölle zum Himmel. Heißt das nicht wunderlich? O Tiefe! Wer kann dich ergründen? Schicke dich, liebe Seele, in Gottes Wunderweise. Es bleibt und muss bleiben beim Ausspruch Davids: Der Herr führt seine Heiligen wunderlich. Entweder kein Heiliger Gottes, oder wunderlich geführt. Gott wird dir keinen andern Weg machen, als alle seine Heiligen gehabt haben. Sind sie erhalten, du wirst nicht umkommen. Es ist eine Hand, die alle Heiligen führt. Der Gott, der sie geführt hat, führt dich auch. Lass ihn führen, folge du. Er verführt dich nicht, das trau ihm zu. Er ist dein Gott.

 

300. 

VON DER LIEBE JESU.

Meinen Jesum lass ich nicht.

 

Bittere Welt, du schreckst! Meinen Jesum lass ich nicht. Bist du bitter? Er ist süß. Süße Welt, du lockst! Meinen Jesum lass ich nicht. Bist du süß? Er noch süßer. Ich will lieber in der Gemeine fünf Worte reden mit meinem Sinn, spricht Paulus, denn sonst zehn tausend Worte mit Zungen 1 Kor. 14,9. Fünf Wörtlein liegen mir allzeit im Sinn, kein Teufel soll sie mir vom Herzen abreißen. Weißt du, wie sie heißen? Meinen Jesum lass ich nicht. Er lässt mich nicht, ich lass ihn wieder nicht. Ich sein, er mein; meinen Jesum lass ich nicht. Jesum nicht, lauter nichts. Jesum allein und alles. Alle Seelenspeise ist mir trocken, wenn sie nicht mit dem Öl dieses Namens begossen wird; ungeschmackt, wenn sie nicht mit diesem Salz gewürzt; bitter, wo sie nicht mit diesem Zucker gesüßt wird. Lese ich etwas, höre ich etwas, rede ich etwas, es schmeckt nicht, wo ich nicht Jesum drin lese, höre, rede, schmecke. Alles andere bleibe, wo es wolle, wenn ich nur Jesum behalte. Meinen Jesum lass ich nicht. Jakob kämpfte mit ihm von allen Kräften, dass ihm auch das Gelenk seiner Hüfte über dem Ringen verrenkt ward, und sprach dennoch, ob gleich Leib und Leben zu Trümmern gehen möchte: Herr, ich lasse dich nicht, du segnest mich denn 1 Mos. 32,26. Ob mich der Herr gleich töten würde, ich will doch von ihm nicht absetzen, sondern getrost sagen: Meinen Jesum lass ich nicht, ich muss gesegnet sein. Assaphs, der teure Mann, darf auftreten und sprechen: Herr, wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde; wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten, (wenn gleich die Kohle Leib und Seele verschwärzt, aller Lebenssaft ausgesogen wird, und ich ganz und gar vergehe), so bist du doch, Gott, allzeit meines Herzens Trost und mein Teil. Lieber Assaph, nicht so keck. Wo willst du bleiben, wenn auch der Himmel nicht dein sein soll? Was willst du sein, wenn Leib und Seele verschmachten? Ei, wo Jesus bleibt, da bleib ich auch, der ist mir mehr, denn Leib und Seel. Meinen Jesum lass ich nicht. Wenn ich nur meinen Jesum hab, so hab ich wohl, was mich erfreuen soll. Ohne Jesum ist der Himmel die Hölle, das Leben ein Tod, aber bei Jesu ist schon die Erde der Himmel, die Verachtung Ehre, die Armut Reichtum, der Tod das Leben. Wenn ich nur Jesum habe, in ihm habe ich den Himmel und das Leben. Meinen Jesum lass ich nicht, Jesum, der meine Seele liebt. Kommt dann ein Quintinianus und dräuet mir den Tod, so antworte ich mit der Märtyrin Agatha: Ich begehre außer Christo weder Leben noch Heil, noch etwas anders. Brenne, schneide, zerreiße und peinige auf‘s heftigste, ja töte mich. Je grausamer du mit mir umgehen wirst, je größere Wohltat wirst du mir erzeigen, je süßern Trost wird mir mein Jesus eintröpfeln. Dabei bleibt‘s: Bei Jesu außer Furcht. Meinen Jesum lass ich nicht. Ist er denn verloren? Verbirgt er sich nicht zur Nachtzeit in meinem Kreuz und Elend? Ei ich weiß, er lässt mich nicht, weil ich ihn nicht lasse. Ich will ihn wieder suchen in meinem Bette, Hohel. 3,1., in meinem Herzen, da er sein Bettlein hat; mit Fleiß will ich ihn suchen, mit Seufzen und mit Tränen, er wird sich endlich finden lassen; dann will ich ihn fest halten in den Glaubensarmen und nicht lassen. Er liebt meine Seele, er ist mein Jesus. Meinen Jesum lass ich nicht. An ihn will ich mich hangen, wie eine Klette ans Kleid; er mag dann schütteln mit was für Kreuz er will, er soll mich doch nicht herabschütteln. Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben mich von ihm scheiden soll. Hier ist Jesus; was willst du Tod, Höll und Teufel? Teufel, packe dich, Jesus hat dich überwunden und dir den Kopf zertreten. Sünde, packe dich, Jesus hat dich in die Tiefe des Meeres geworfen. Tod, beiß mich nicht, Jesus hat dich im Sieg verschlungen; und ist mein Leben; Ist‘s dem Teufel nicht genug, dass er durch einen Judas mich verrate, durch einen Herodes mich verjage, durch einen Pilatus mich kreuzige, durch einen Paulus wider mich schnaube mit Dräuen und Morden: ei so mag er gleich tausend Judas, Herodes, Pilatus, Paulus, ja alle Teufel aus der Hölle wider mich erwecken! Ich fürchte mich nicht, ob sich ein Heer wider mich lagert; auf Jesum trau ich, der ist mir Schutzes genug wider alle Teufel. Meinen Jesum lass ich nicht. Es muss doch, endlich heißen: Jesu, du hast gewonnen! Mit Jesu gut leiden, er hilft tragen. Mit Jesu gut streiten, er hilft siegen. Mit Jesu gut sterben, er führt durch den Tod ins Leben. Drum, meinen Jesum lass ich nicht. Ach Jesu, lass mich nimmer nicht, auch nicht am letzten Ende!

 

GOTT ALLEIN DIE EHRE!