DAS FÜNFUNDZWANZIGSTE KAPITEL. (2.B./25.K.)

 

VON ETLICHEN ZEICHEN, DARAN MAN MERKEN KANN,

OB DIE WAHRE LIEBE CHRISTI BEI UNS SEI.

 

Inhalt.

Die Zeichen der wahren Liebe Christi in uns sind: 1) 1. Die Vermeidung der Welt-liebe. 2) 2. Geduldige Unternehmung der Verachtung und Schmach der Welt. 3) 3. Freudige Erduldung aller Marter und Pein bis in den Tod. 4) 4. Gelassenheit, wenn uns der Welt Trost verlässet. 5) 5. Hochschätzung des Kreuzes Christi über alle Schätze der Welt. 6) 6. Stetes Andenken an Jesum und seine Liebeswerke, als: 7) a. Seine Menschwerdung. 8) b. Seine heilige Lehre. 9) c. Das Geheimnis seines Leidens und Todes. 10) d. Seine Auferstehung. 11) e. Seine Himmelfahrt. 12) In diesen Geheimnissen sollen wir täglich studieren.

 

So jemand die Welt lieb hat, in dem ist die Liebe des Vaters nicht.

1 Joh. 2,15.

 

Das erste Zeichen der Liebe Christi in uns ist die Vermeidung der Weltliebe. Denn wenn du Christum ansiehest in seiner heiligen Armut, wie so gar los er gewesen ist von der Liebe des Zeitlichen, so wird dich seine Liebe auch bewe-gen, dass du lernest ausziehen die Weltliebe, und die Welt verschmähen, also, dass du nichts in der Welt begehren wirst zu besitzen, als deinen Herrn Christum, wirst auch deine Hoffnung nicht setzen auf einige Kreatur und irdische Hilfe.

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2. 2) Wirst du gern, um Christi willen, der Welt Schmach und Verachtung tragen, um seiner heiligen Schmach willen, ja, du wirst dieselbe mit St. Paulo für deine Ehre achten, und dich derselben freuen, Eph. 3,13. Wirst auch nicht darum hoch betrübt werden, wenn du in der Welt nicht groß geachtet wirst. Denn solches ist deines Herrn und Erlösers Leben in der Welt gewesen. Dir soll daran wohl genü-gen, dass Christus deine Ehre, Ruhm, Glorie, Herrlichkeit, Licht, Stärke, Sieg und Kraft, Weisheit und Kunst sei. Denn Christo nachfolgen, ist die höchste Weisheit.

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3. 3) Weil Christus an seinem heiligen Leibe und Seele Schmerzen und Traurig-keit erlitten, bis in seinen Tod, so wirst du, um seiner Liebe willen, nicht allein mit Geduld, sondern auch mit Freuden erleiden Betrübnis, Verfolgung, Traurigkeit und Leid, ja Marter und Pein bis in den Tod.

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4. 4) Und wie Christus an keinem Menschen, und an keiner Kreatur Trost und Freude gehabt, sondern allein an Gott, wie der 22. Psalm v. 12 spricht; so wirst du es auch geduldig ertragen, wenn dich der Welt Trost verläßt. Denn du weißt, dass dich Gott endlich mit seinem ewigen Trost erfreuen wird, davon St. Paulus ein herrliches Register beschreibt: 2 Kor. 6,4. seq. Lasset uns beweisen, als die Diener Gottes, in großer Geduld, in Trübsalen, in Nöten, in Ängsten, in Schlägen, in Gefängnissen, in Aufrühren, in Arbeit, in Wachen und Fasten, in Keuschheit, in Erkenntnis, in Langmut und Freundlichkeit, in dem heiligen Geist, in ungefärbter Liebe, in dem Wort der Wahrheit, in Kraft Gottes, durch Waffen der Gerechtigkeit, zur Rechten und zur Linken, durch Ehre und Schande, durch böse Gerüchte und gute Gerüchte, als die Verführer, und doch wahrhaftig; als die Unbekannten, und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten, und doch nicht ertötet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich, als die Armen, aber die doch viel reich machen; als die nichts inne haben, und doch alles haben.

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5. 5) Sollst du das Kreuz Christi für das allerhöchste Gut halten über alle Schätze der Welt. Denn, wenn es nicht also wäre, würde Christus mit seinem Leben und Exempel dich solches nicht gelehrt, und vor deine Augen gestellt haben. Nun kannst du wohl gedenken, dass dich der Sohn Gottes mit seinem Exempel nicht hat verführen wollen, sondern dich zum höchsten Gut, zur höchsten Weisheit, zur höchsten himmlischen Freude führen, obwohl der Weg schmal und enge ist. Du siehest aber, dass er diesen schmalen Weg selbst gegangen ist. Und weil ihrer wenig sein, die ihm folgen, darum spricht er: Ihrer sind wenig, die diesen Weg finden, Matth. 7,14. Denn es kostet viel, sich selbst überwinden, und sich selbst verleugnen, sich selbst sterben, der Welt absagen, und allem dem, was ein Men-sch hat. Dies ist der schmale Weg, und ihrer sind wenig, die ihn finden.

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6. 6) Das sechste Zeichen der Liebe Christi ist, dass man den geliebten Jesum nimmer aus seinem Gedächtnis und Gedanken lässet, und seine Lebenswerke beherziget:

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7. a) Seine Menschwerdung, in welcher wir, als in einem Buch des Lebens, zweierlei Wohltaten fürnehmlich sehen: 1) Dass er uns dadurch mit seiner Liebe erfüllet. 2) Dass er uns gewiß machet unsers ewigen Heils und Seligkeit. Ach! welch eine unaussprechliche Liebe ist es, dass Gott Mensch worden, und dem Menschen gleich, Phil. 2,7. auf dass er die Menschen Gott gleich machete. O große Liebe! Er hat Knechtsgestalt an sich genommen, auf dass er uns zu Königen machte, und uns mit königlichen Kronen schmückte. O große Liebe, dass der unbegreifliche Gott, der unsichtbare Gott, greiflich und sichtbar worden, wer kann den tiefen Abgrund dieser Lehre erforschen? O wie große unaus-sprechliche Weisheit! dass du aus dem großen Übel, nämlich aus der Sünde, so ein großes unendliches Gut hast hervorgebracht, dass du dadurch den tiefen Abgrund deiner Liebe hast aufgedecket. O großer Trost, dass ich weiß, du seiest mir zu gut geboren, deine menschliche Geburt sei meine göttliche Geburt, und wider den Sündenbrunnen ein Heilbrunnen!

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8. b) Seine heilige Lehre, darinnen ewige Weisheit, Wahrheit, Licht, Leben und Seligkeit ist; und sein heiliges Leben, dadurch er uns die Weise und Art, recht christlich und göttlich zu leben, gezeigt hat. Denn das Beispiel seines heiligen Lebens ist das allerschönste Licht, welches uns nicht wird lassen in der Finster-nis wandeln.

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9. c) Das dritte ist das Geheimnis des unschuldigen Todes Christi, in welchem siebenerlei zu betrachten sind: das erste ist die Erfüllung der Gerechtigkeit Gottes und des göttlichen Urteils. 2) Die Bezahlung aller unserer Sünden. 3) Die Versöhnung mit Gott. Denn Gott ist durch den Tod seines Sohnes versöhnet, Röm. 5,10. 4) Die Offenbarung der überschwenglichen Liebe Gottes, durch den Tod unsers Erlösers. 5) Die ewige Wahrheit Gottes, dass er uns seinen Sohn geschenkt, und damit bezeugt, dass er wahrhaftig unser Vater sei. 6) Der Sieg über alle Feinde. 7) Die Erlangung und Erwerbung der ewigen Seligkeit und des ewigen Lebens.

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10. d) Die Auferstehung, die uns die ganz gewisse Hoffnung macht der leiblichen Auferstehung unsers Leibes, und dadurch der geistlichen Auferstehung, dass wir durch Gottes Gnade und Kraft des Lebens Christi aus geistlich Toten geistlich Lebendige werden in Christo, Röm. 6,4.

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11. e) Die Himmelfahrt, welche ist eine Vollendung unsers ewigen Heils, Gerech-tigkeit und Seligkeit.

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12) Diese fünf Gleichnisse und Liebeswerke Christi sind die rechte christliche Schule, darinnen wir studieren, und dieselben nimmermehr aus unsern Gedan-ken sollen kommen lassen.

 

Gebet um rechte wahre Liebe Christi.

 

Liebster Jesu! wie kann ich deine große Liebe genugsam erkennen und preisen, welche du mir in so unzähligen Stücken, insonderheit aber in deiner Mensch-werdung, Lehre und Leben, in deinem Tode, Auferstehung und Himmelfahrt erwiesen. Ach! laß mich diese fünf Geheimnisse und Liebeswerke ansehen, als eine christliche Schule, darinnen ich stets studiere, aus Liebe mich dir ganz er-gebe, und alle Weltliebe verschmähe, damit ich in deiner Liebe bleibe, und mich davon nichts scheiden möge, Amen.

 

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