DAS VIERTE KAPITEL. (4.B./2.T./4.K.)

 

DASS GOTT DEN MENSCHEN DARUM ZU SEINEM BILDE ERSCHAFFEN, DASS ER SEINE LUST UND WOHLGEFALLEN AN IHM HABE.

 

Inhalt.

1) Gott liebt wie ein Werkmeister, alle seine Werke. 2) Je gleicher aber einem etwas ist, je größern Gefallen hat man daran. 3) Darum schuf Gott den Men-schen zu seinem Bilde, 1. auf dass er sein höchstes Wohlgefallen an ihm haben möchte. 4) 2. Dass der Mensch sich zu Gott halten, und mit ihm Gemeinschaft haben sollte. 5) 3. Damit sich Gott mit allen seinen Gütern ihm mitteilen könnte. 6) 4. Damit der Mensch in großer Liebe Gott und dessen Güter annehmen könnte.

 

Meine Lust ist an den Menschenkindern, Spr. Sal. 8,31.

Der Herr hat Wohlgefallen an seinen Werken. Ps. 104,31.

 

Ein jeglicher Werkmeister liebet sein Werk, und hat an demselben ein Wohlge-fallen. Denn hätte er an demselben sein Wohlgefallen nicht, sondern hassete es, so würde ers nicht machen. Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe da, es war alles sehr gut, 1 Mos. 1,31. Weil aber Gott sein Wohlgefallen hatte an seinen Werken, die er doch nicht nach seinem Bilde geschaffen, so hat er viel-mehr am Menschen sein Wohlgefallen, welchen er nach seinem Bilde ge-schaffen.

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2. Denn je gleicher einem etwas ist, je größeres Wohlgefallen er daran hat. Ein Vater erfreuet sich mehr über seinem Kinde, das seines Wesens ist, denn über seinem Werk, als ob er etwa ein Haus bauet.

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3. Dieweil nun das höchste Wohlgefallen Gottes ist an dem Werk und Bilde, das ihm gleich ist; und aber unter allen seinen Kreaturen keine sein Bild war, darum schuf er den Menschen zu seinem Bilde, auf dass er erstlich sein höchstes Wohl-gefallen am Menschen haben möchte.

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4. Fürs andere, weil unter Gleichen eine Societät und Gesellschaft entstehet, denn natürlich Gleiches zu Gleichem sich gesellet, und aber Gott den Menschen zu seinem Gleichnis geschaffen, so ist vernünftig daraus abzunehmen, dass Gott an der Gesellschaft des Menschen habe ein Wohlgefallen gehabt, also, dass der Mensch sich zu Gott halten, sich zu ihm gesellen, mit Gott Gemeinschaft, und seine Lust am Herrn haben sollte, gleichwie Gott sein Wohlgefallen am Men-schen, als an seinem Bilde, hat.

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5. Fürs dritte, weil Gott die höchste Liebe ist, so hat er sich gerne mitteilen wollen mit allen seinen Gütern. Sollte er sich aber mitteilen, so mußte er seines Glei-chen haben, der ihn aufnehme. Denn ein Gleiches nimmt seines Gleichen an, und nicht ein Ungleiches. So konnte er auch mit keiner Kreatur Gemeinschaft haben, ohne mit der, so ihm am nächsten verwandt, und derselben, und keiner andern, konnte er auch sich selbst und seine Liebe mitteilen. So wollte er sich auch einer solchen Kreatur mitteilen, die ihn dafür mit reiner herzlicher Gegen-liebe aufnehmen, und wieder lieben könnte. Darum hat er den Menschen nach seinem Bilde erschaffen, welches vornehmlich bestehet in der vollkommenen Liebe.

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6. Zum vierten, es ist natürlich, dass zwischen einem Geber und Nehmer eine Liebe entstehe, die da entspringt aus dem Geber zu dem Nehmenden, und hin-wiederum aus dem Nehmer zu dem Gebenden, und also ist da ein Ausgang der Liebe von einem zum andern. Darum soll der Mensch in großer Liebe Gottes Güter, ja Gott selbst empfahen, weil sich ihm Gott mit allen seinen Gütern aus großer Liebe gibt.

 

Gebet um Erneuerung des göttlichen Ebenbildes.

 

Mein Gott, du liebster Menschenfreund! der du an dem Menschen, den du nach deinem Bilde erschaffen, dein höchstes Wohlgefallen hast, und in ihm ruhen willst. Ach! laß mich diesen hohen Adel mit Dank erkennen, und stets dahin trachten, wie ich zu diesem deinem Bilde wieder erneuert werde, in deine Ge-meinschaft komme und darin ewiglich bleibe, Amen.

 

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