DAS ZWÖLFTE KAPITEL. (1.B./12.K.)

 

EIN WAHRER CHRIST MUSS SICH SELBST UND DER WELT ABSTERBEN,

UND IN CHRISTO LEBEN.

 

Inhalt.

1) Wer in Christo leben will, muß der Welt absterben. 2) Es sind dreierlei Tode, ein geistlicher, natürlicher und ewiger. 3) Vom natürlichen Tode redet Paulus, Phil, 1,21. 4) Doch kann mans auch vom Absterben der Sünde verstehen. 5) Wie Christus unser Leben und geistlich sterben unser Gewinn sei. 6) Den weltlichen Begierden muß man sterben, ehe man in Christo leben kann. Ein Bild davon ist Sara. 7) Ingleichen Abraham. 8) Wenn Herodes gestorben, kommt Christus ins Herz. 9) Der Ruhm des Glaubens muß sich durch Früchte des Geistes beweisen. 10) Die böse Lust muß man nicht verbergen, sondern töten. 11) Gleichnis von Bäumen im Winter. 12) Viele machens mit der Sünde, wie Achab mit der Syrer König. 13) Ohne Tötung des Fleisches ist nichts Gutes im Menschen. 14) Wer nicht erst Jakob ist, wird kein Israel. 15) Niemand kann Gott gefallen, der nicht sich selber missfällt. 16) Wer wollte der Welt nicht absagen, da Christus so sauer um uns gedienet?

 

Christus ist darum für uns gestorben, einer für alle, auf dass, die da leben, nicht ihnen selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und aufer-standen ist. 2 Kor. 15,2.

 

Neben dem, dass dieses ein ausbündiger Trostspruch ist, weil er deutlich zeiget, dass Christus für Alle gestorben sei, so ists auch ein schöner Lehrspruch vom heiligen Leben, wie wir uns nicht selbst leben sollen, sondern dem, der für uns gestorben ist. Sollen wir nun dem leben, so müssen wir zuvor uns und der Welt absterben. Denn es kann nicht anders sein, wer in Christo leben will, der muß den weltlichen Lüsten absterben; und wer der bösen Welt und sich selber leben will, der muß Christum fahren lassen.

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2. Es sind dreierlei Tode: Erstlich ein geistlicher Tod, wenn der Mensch täglich sich selbst, das ist, seines Fleisches Lüsten abstirbt, dem Geiz, Hoffart, Wollust, dem Zorn etc. Der andere ist der natürliche Tod; und der dritte der ewige Tod.

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3. Vom natürlichen Tode hat St. Paulus geredet, Phil. 1,21. Christus ist mein Leben, und Sterben mein Gewinn. Das ist, wenn ein Christ gleich eines natür-lichen Todes stirbt, so ist Christus sein Leben, und Sterben ist sein Gewinn, das ist, er bekommt ein besseres Leben, Reichtum, das Ewige für das Irdische, und das ist sein Gewinn.

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4. Wer aber diesen Spruch auch vom geistlichen Sündentode verstehet, tut nicht unrecht; denn das ist eine selige Seele, welcher Leben Christus ist, das ist, in welcher Seele Christus lebet, oder wer das Leben Christi an sich nimmt, das ist, seine Demut und Sanftmut. Die meisten Leute haben des Teufels Leben an sich, denen der Teufel ihr Leben ist, Geiz, Hoffart, Wollust, Zorn, Lästerung etc., das ist alles des Teufels Leben.

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5. Darum habe wohl Achtung, wer in dir lebet; selig ist der Mensch, der da von Herzen sagen kann: Christus ist mein Leben, nicht allein nach diesem Leben, sondern auch jetzt. Weil du noch allhier lebest, muß Christus dein Leben sein, das ist, in dir leben, und also muß Sterben dein Gewinn sein, das ist, wenn in dir stirbt die Hoffart, Geiz, Wollust, Zorn und Feindschaft, wenn du dir selbst und der Welt abstirbst. O ein großer Gewinn! denn so lebt Christus in dir. Denn je mehr du der Welt abstirbst, je mehr Christus in dir lebt. Sollte das nicht ein großer Gewinn sein? Lebe nun also, dass Christus in dir lebe in der Zeit, auf dass du mit ihm lebest nach der Zeit.

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6. Wo viele Begierden dieser Welt sind, da kann keine Ruhe und Friede sein; denen muß man allen absterben, ehe man Christo leben kann. Dies ist uns vor-gebildet in vielen Geschichten und Exempeln des alten Testaments: als, in der lieben alten Sara, da ihr alter Leib allen weiblichen Begierden erstorben war, da ward sie schwanger und gebar den Isaak, das heißt ein Gelächter. Nach Tötung ihres Leibes gebar sie den Sohn der Freien, 1 B. Mos. 18,12. Kap. 21,6.7. Also wenn nicht die weltlichen Begierden in dir sterben, kannst du nicht die Freude des Geistes empfangen und gebären.

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7. In Abraham ists auch vorgebildet: denn er bekam die Verheißung von Christo und der Beschneidung nicht eher, er war denn aus seinem Vaterlande ausge-gangen, 1 B. Mos 12,1. Kap. 17,10. und hatte sein Erbe verlassen; also, so lange ein Mensch noch fest mit seinem Herzen an der Welt hanget, so lange kann er Christum in seinem Herzen nicht schmecken noch empfinden.

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8. Und sobald Herodes gestorben war, kam Christus in Judäam, Matth. 2,19.20. So lange der Fuchs Herodes in deinem Herzen ist, mit seiner irdischen Weltlist, so lange kommt Christus nicht; wenn er aber in dir gestorben ist, so wird Christus kommen. Weil Adam in dir herrschet, kann Christus in dir nicht leben. Darum spricht St. Paulus Gal. 2,20. Ich lebe zwar, aber nicht ich, sondern Christus in mir. Und Kol. 3,3. Ihr seid gestorben (und redet doch mit den Lebendigen) und euer Leben ist verborgen in Christo.

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9. Alsdann bist du aber recht gestorben, wenn du aufhörest zu sein, was du gewesen bist, das ist, wenn deine Sünde in dir stirbt, Röm. 6,1-18. So wir im Geist leben, so lasset uns auch im Geist wandeln; das ist, so wir uns rühmen des Glaubens und Geistes, so lasset uns auch die Früchte des Geistes beweisen, Gal. 5,25. Und abermal: Wo ihr nach dem Fleisch lebet, so werdet ihr sterben; so ihr aber durch den Geist des Fleisches Geschäfte tötet, so werdet ihr leben, Röm. 8,13.

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10. 1 Sam. 15,8. Saul warf den Agag, der Amalekiter König, ins Gefängnis, da er doch auf Gottes Befehl ihn hätte töten sollen; also verbergen ihrer viele ihre Begierden heimlich, die sie doch töten sollten. Denn es ist nicht genug, dass du deine böse Lust verbirgest, du mußt sie töten, oder du wirst darum vom König-reich verstoßen werden, wie Saul, das ist, aus dem ewigen Leben. Es gehet die ganze heilige Schrift mit allen Historien, Bildern und Figuren auf Christum, dem wir im heiligen Leben folgen sollen; ja das große Weltbuch der Natur zeugt von Gott und seiner Liebe.

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11. Viele Menschen sind wie die Bäume im Winter, welche zu derselben Zeit keine Blätter haben, aber auf den Frühling schlagen sie wieder aus. Also sind ihrer viele, wenn der kalte Winter des Unglücks über sie gehet, dämpfen sie die bösen Lüste; aber sobald die Sonne wieder scheinet, und es ihnen wieder wohl gehet, schlagen die bösen Lüste mit Haufen aus, das sind Heuchler. Ein Christ aber ist fromm, beides in guten und bösen Tagen, und hat Gott gleich lieb, im Glück und Unglück, im Haben und Darben, im Mangel und Überfluß.

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12. 1 Kön. 20,42. lesen wir von Achab, dass ihm Gott den König in Syrien in seine Hände gegeben hatte, dass er ihn sollte gefangen halten, zum Zeugnis, dass Gott stärker sei, denn alle Feinde, und ihn überwunden hätte, darum, dass er den Herrn gelästert. Und da ihn Achab im Streit fing, nennete er ihn seinen Bruder, und ließ ihn ziehen; aber es kam ein Prophet zu ihm, und sprach: Darum, dass du den Mann hast von dir gelassen, der des Todes wert ist, soll deine Seele für seine Seele sein. Also nennen ihrer viele die bösen Lüste ihre Brüder, und lassen sie leben, die sie töten sollten, darum müssen sie ihre Seele dafür geben.

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13. Ohne Tötung des Fleisches kann nichts Geistliches im Menschen sein, weder rechtes Gebet noch Andacht. Darum verbot Gott der Herr, 2 Mos. 19,13. dass kein Vieh sollte zu dem heiligen Berg Sinai sich nahen, oder es sollte getötet werden. Also mußt du die viehischen Lüste töten, willst du zum heiligen Berge Gottes nahen, beten und Gottes Wort betrachten, oder du wirst ewig getötet.

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14. 1 Mos. 32,28. lesen wir, dass Jakob einen andern Namen bekam, Israel, das ist, Gottes Kämpfer oder Gottes Fürst, da er in dem Kampfe mit dem Engel Gottes Angesicht sahe; daher er auch die Stätte Pniel nennete, das ist, Gottes Angesicht. Er mußte aber zuvor ein Jakob sein, das ist, ein Übertreter; also, wo du nicht zuvor ein Jakob bist, das ist, ein Übertreter deiner bösen Lüste durch den heiligen Geist, so wirst du nicht Israel werden, das ist, Gottes Fürst, und wirst nicht an die Stätte Pniel kommen, das ist, zu Gottes Angesichte.

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15. 1 Mos. 29,17.25. lesen wir: da Jakob die Rahel, sein schönes Gemahl, haben wollte, da mußte er erst Leam nehmen. Lea aber war blödes Angesichts, Rahel war hübsch und schön. Also, willst du die schöne Rahel haben, das ist, soll deine Seele das liebste Gemahl werden des Jakobs, das ist, Christi, so mußt du erst-lich die Leam nehmen, das ist, du mußt dir selbst missfallen, du mußt dir selber häßlich werden, ungestalt, mußt dich selbst hassen und verleugnen. Ach, wie viele werden betrogen, wie Jakob, von ihrem eigenen Leben, das ist, von ihnen selbst, die da meinen, sie haben die schöne hübsche Rahel, das ist, sie meinen, sie haben ein christliches Leben, das Gott lieb haben soll; und wenn sie zusehen, so ists Lea, so ist ihr Leben häßlich und ungestalt vor Gottes Augen. Sei dir erstlich selbst unwert in deinen Augen, wie die Lea, die die Unwerteste war in ihres Vaters Hause; lerne erst Demut, Sanftmut, Geduld, so wirst du die schöne Rahel werden.

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16. Siehe, wie treulich diente Jakob sieben Jahre um die Rahel, und es deuchte ihm, es waren einzelne Tage gewesen, so lieb hatte er sie. Also hat dein Herr Christus um deine Seele gedienet drei und dreißig Jahre in dieser Welt, und hat zumal einen harten Dienst um deinetwillen ausgestanden, wie Jakob spricht, 1 Mos. 31,38.40. Diese zwanzig Jahre habe ich dir gedienet, des Tages ver-schmachtete ich vor Hitze, und des Nachts vor Frost, und kam kein Schlaf in meine Augen. Siehe, so hat der Herr Christus um dich auch gedienet, da er spricht, Matth. 20,28. Des Menschen Sohn ist nicht kommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene, und gebe sein Leben zur Bezahlung für viele. Warum wolltest du denn nicht Christum lieb haben, und der Welt, seiner Feindin, absagen?

 

Gebet um die Absterbung der Welt.

 

Teuerster Heiland, Jesu Christe! du hast aus Liebe dein Leben für uns alle gegeben, und unsere Sünden selbst geopfert an deinem Leibe, dass wir aus der Hölle erlöset, und vom Tode errettet würden, auch als dein teuer erkauftes Eigentum nicht uns selbst leben, sondern unser Leben lang uns dir aufopfern, dir dienen sollten in Heiligkeit und Gerechtigkeit. Diese schuldige Pflicht laß mich doch allezeit recht erkennen, durch tägliche Reue und Buße mir selbst, der Welt und allen Sünden absterben, im Glauben dir leben und dienen in rechtschaffener Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit; damit ich durch stetige Kreuzigung und Tötung des Fleisches, samt den Lüsten und Begierden, möge versichert sein, ich gehöre dir an, und werde mit dir leben und herrschen in Ewigkeit, Amen.

 

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