DAS DREIZEHNTE KAPITEL. (3.B./13.K.)

 

WENN DIE LIEBE DER KREATUREN AUSGEHET,

SO GEHET GOTTES LIEBE EIN;

UND VON DEN HERRLICHEN WIRKUNGEN

DER GÖTTLICHEN LIEBE IN UNS.

 

Inhalt.

1) Weltliebe muß ausgehen, soll Gottes Liebe eingehen. 2) Sie findet aber bei den wenigsten Platz, wegen herrschender Weltliebe. Davor bewahre dich! 3) (Nutzen:) Wer Gott liebt, wird von allen Engel und Heiligen sehr geliebt: 4) (Kennzeichen:) und gebraucht die Kreaturen mit Furcht und Demut.

 

So jemand die Welt lieb hat, in dem ist die Liebe des Vaters nicht.

1 Joh. 2,15.

 

So der Mensch Gottes will fähig werden, seine Wohnung und Tempel sein, so muß er die Weltliebe ausziehen, und sich in der göttlichen Liebe üben. Denn er kann zur lautern göttlichen Liebe nicht kommen, er lasse denn die Liebe der Welt fahren, und vereinige sich mit Gottes Liebe. Gott muß uns aber mit seiner gött-lichen Liebe berühren, sollen wir mit ihm recht gründlich vereiniget werden, gleichwie ein Magnetstein das Eisen berühret und nach sich zieht.

----------

2. Nun ist Gottes Liebe gegen die menschliche Seele so groß, dass sie überall leuchtet, und scheint größer als die Sonne am Himmel, ja gegen die Sonne zu rechnen, als wenn der große Himmel überall lauter Sonne wäre. Und hat also der ewige Gott, der die Liebe selber ist, keine Schuld; aber sein Licht und Gaben werden von den Menschen verhindert. Denn, so er kommt mit seiner milden, zarten und edlen Liebe, so findet er der Menschen Herzen voll Weltliebe und voll böser Geister, d. i. voll Hoffart, Geiz und Wollust, Haß und Neid, und voll böser Gedanken, alsdann muß der gütige Gott mit seiner Liebe und Gnade wieder zurückkehren. Denn des Menschen Seele ist allbereits durch den Magnet dieser Welt, ja mit dem höllischen Magnet berühret, welcher ihn nicht zu dem Himmel, sondern zu der Hölle zieht; da doch der liebe Gott bereit ist, wie die Sonne am Himmel, allezeit seinen Gnadenschein zu geben einem jeglichen Menschen, wenn er sein Herz fein lauter und rein behalten könnte von der Kreaturliebe. Da-rum ist die Schuld unser, und nicht Gottes. Dawider dienet nun die Bewahrung von der Weltliebe, die Bekehrung von der Welt zu dem lebendigen Gott, und ein emsiges Gebet, dass wir die göttliche Liebe, die uns mit Gott vereiniget, suchen in Christo, und an die Tür seiner heiligen Wunden klopfen, in ihm unsere Seligkeit suchen, so wird er uns auftun, und eingehen lassen in die Liebe der Vereinigung mit Gott; dadurch nahet der Mensch zu Gott, und verläßt die Welt, so berühret ihn dann Gott mit seiner Liebe, und erfreuet ihn je mehr und mehr. Denn sollte dich der liebe Gott nicht besser ergötzen mögen, denn die elende, notdürftige und verderbte Kreatur?

----------

3. Der Mensch, der nun Gott lieb hat, wird von allen Heiligen und von allen Engeln unermeßlich sehr geliebt, also, dass alle Liebe, die man erdenken kann, dieser Liebe nicht gleich ist. Und wenn ich Gott liebe, so haben mich alle lieb, die im Himmel sind, über alle Maßen und über alle Liebe auf Erden. Denn das ist ein ungleiches Ding, was die wollen, wünschen und lieben, so im Himmel sind, und was die wünschen, so auf Erden sind. Ja alle Heiligen und alle Engel haben an unserer Gottesfurcht und guten Werken eine solche große Freude, die kein Mund aussprechen kann, denn sie haben Gott unaussprechlich lieb, also, dass seine Ehre ihnen lieber ist, denn ihre Seligkeit.

----------

4. Dieser Liebe Gottes Zeichen aber ist, dass sie der Kreaturen mit Furcht und Demut gebraucht. Denn Gott berühret den Menschen also mit Furcht und Demut Tag und Nacht, er esse oder trinke, dass er alles in kindlicher Furcht gebrauchet. Darauf folgt denn ein heimliches Seufzen und Jammern nach Christo und nach der Erlösung von dieser Welt, weil der Mensch in seiner verderbten Natur so viele Sünden und Unflat verborgen findet, die Gottes Licht und Gnade in ihm hindern, darüber seufzet er mit Paulo: Röm. 7,24. Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes! Und eben darum muß man seufzen um Gnade, damit man gestärkt werde, diesen Jammer desto besser zu ertragen, damit man nicht zu krank werde in diesem Elende. Darum haben alle Heiligen gejammert und geseufzet, wegen der angebornen Eitelkeit und fleischlichen Liebe. Denn ohne Zweifel mag kein Mensch der göttlichen Gnade empfindlich sein, dessen Herz mit den Kreaturen besessen ist. Denn wer Gott sucht, und sucht etwas mit ihm, der findet ihn nicht. Wer aber Gott allein sucht in der Wahr-heit, der findet Gott, und alles, was Gottes ist, und was Gott je geben und leisten kann. Denn wer nichts anders sucht und meinet, denn lauter Gott, dem entdeckt sich Gott, und gibt ihm alles, was er verborgen hat in seinem göttlichen Herzen, dass es ihm so eigen ist, als es Gott eigen ist.

 

Gebet um Vermeidung der Weltliebe.

 

Mein lieber Gott! du höchstes Gut, der du aus lauter Liebe dich allen Menschen mitteilen willst, wenn sie sich nur von der Weltliebe abziehen und mit dir vereini-gen lassen. Ach, laß mich auch in deiner Liebe und Erkenntnis zunehmen! Gieß deine Liebe durch den heiligen Geist, um deines Sohnes der Liebe willen, in mein Herz, dass ich dadurch von aller eitlen Liebe der Kreaturen abgerissen, in dich gehen und dir allein anhangen möge, in Zeit und Ewigkeit, Amen.

 

- Zum nächsten Kapitel -