DAS DREISSIGSTE KAPITEL. (4.B./2.T./30.K.)

 

DIE ERSTE LIEBE DES MENSCHEN SOLL BILLIG

VOR ALLEN ANDERN DINGEN

GOTT DEM HERRN, ALS DEM ERSTEN UND LETZTEN,

DEM ANFANG ALLER DINGE, GEGEBEN WERDEN.

 

Inhalt.

1) Natur und Gewissen sagen, dass Gott dem Herrn die erste und höchste Liebe gebühre. 2) Gebe ich mir aber selbst die erste Liebe, so tue ich Gott ein doppelt Unrecht wider die ganze Natur.

 

Treu ist Gott, und kein Böses an ihm; gerecht und fromm ist er. Die ver-kehrte böse Art fället von ihm ab. 5 Mos. 32,4.5.

 

Die ganze Natur bezeuget neben dem Gewissen des Menschen, dass Gott dem Herrn die erste und höchste Liebe gebühre. 1) Weil er das höchste und ewige Gut ist. 2) Weil der Mensch und alle Kreaturen aus Gott ihren Ursprung haben. 3) Weil Gottes Liebe und Güte durch alle Kreaturen zu dem Menschen gelangt und einfließt. Derohalben so hat Gottes Liebe von Rechts und der Natur wegen, auch wegen natürlicher Verbindlichkeit, billig den Vorzug und den ersten Sitz im Men-schen. Denn es ist ja nichts so würdig unserer Liebe, als Gott selbst, und das ist die erste, rechte, wahrhaftigste, billigste, gerechteste, ordentlichste Liebe, und die erste Gerechtigkeit der Billigkeit, Schuld und Dankbarkeit in uns, und die rechte Einrichtung unsers Willens.

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2. Wenn aber die Eigenliebe den Vorzug hat, und der Mensch ist selbst das Ding, das der Mensch erst und am meisten liebet, so ist es, nach Recht der Natur, eine unordentliche, ungerechte, falsche, unrechtmäßige Liebe wider Gott und die Ord-nung der Natur, und ist die erste Ungerechtigkeit im Menschen, die erste Unord-nung, die erste Beleidigung Gottes, das erste Übel und Laster. Derohalben, wenn ich mir die erste Liebe gebe, die nicht mir, sondern Gott gebühret, so tue ich Gott zum höchsten unrecht, und lege ihm die höchste Verachtung an. Und darum, wenn ich mich erst liebe, und nicht Gott, das ist auf zweierlei Weise wider Gott. Erstlich, dass ich Gott nicht so würdig achte, und so lieb und hoch, als mich selbst. Zum andern, so nehme ich Gott dem Herrn das, so ihm gebühret vor allen Kreaturen, und gebe es seinem Geschöpfe; welches das höchste Unrecht ist, und wider die ganze Natur.

 

Gebet um Gnade, Gott über alle Dinge zuerst zu lieben.

 

Weil du, mein Gott! mich zuerst geliebet, und aus Liebe mir alle Kreaturen zu dienen verordnet, so gib auch, dass ich dich am allerersten liebe, und ja nicht durch unordentliche Selbst- und Weltliebe deine heilige Ordnung verrücke, son-dern deine Liebe mir allezeit lasse den Mittelpunkt sein, dahin ich mich mit aller meiner Liebe kehre, Amen.

 

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