DAS FÜNFUNDDREISSIGSTE KAPITEL. (4.B./2.T./35.K.)

 

DASS EIN JEGLICHER

AUS SEINER EIGENEN LIEBE ERKENNEN KANN,

WAS ER GOTT ZU TUN SCHULDIG SEI.

 

Inhalt.

1) Den Menschen lehret sein Gewissen, was er Gott zu tun schuldig ist. Siehe, du willst doch geliebt sein; eben das bist du Gott am ersten schuldig. 2) Du liebst deinen Willen, Ehre, Lob etc., das bist du Gott vor allen schuldig.

 

Die Hauptsumme des Gebots ist: Liebe von reinem Herzen, von gutem Ge-wissen und von ungefärbtem Glauben. 1 Tim. 1,5.

 

Ein jeder Mensch kann nicht besser überzeugt werden, denn durch sich selbst, und ist der allergewisseste Beweis, was aus des Menschen eigenem Gewissen kommt; und wenn er in ihm selbst siehet, als in einem Spiegel, was er tun soll, so bedarf er nichts mehr zum Beweis, denn sich selbst, und keine andere Zeugen. Nun ist oben erwiesen, dass aus natürlichem Rechte Gott vor allen andern Din-gen soll geliebt werden, und wer sich selbst vor allen Dingen liebt, der macht sich selbst zum Abgott. Wenn einer nun wissen will, was er Gott geben soll, so sehe er an, was er sich selbst wollte geben. Weil du dich aber vor allen Dingen willst geliebt haben, so lerne hier, dass du dasselbe Gott zu tun schuldig bist. So setze nun Gott an deine Statt, und nicht dich selbst an Gottes Statt, und gib ihm die erste Liebe vor allen, die du dir gibst.

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2. Denn erstlich liebst du deinen eigenen Willen, und folgest ihm; das kehre um, weil du Gott vor allen Dingen lieben sollst, so liebe auch seinen Willen, und folge ihm, und keinem andern. 2) So liebst du deine eigene Ehre, und wolltest, dass jedermann dieselbe erhalten und befördern hülfe; siehe, das tue Gott dem Herrn, und bitte, dass alle Menschen seine Ehre befördern und groß machen. 3) Hin-wieder, wie du denen feind bist, und mit ihnen zürnest, die deine Ehre ver-kleinern; so sollst du billig allen denen feind sein, die Gottes Ehre verhindern. 4) Weil du dich selbst liebst, so liebst du dein eigenes Lob, willst auch von jeder-mann gerne gelobt sein, dass jedermann von dir Gutes rede; dasselbige bist du Gott auch schuldig, und sollst wünschen, dass er von jedermann gelobt und gepriesen werde, und dass kein Mensch auf Erden seinen Namen verunehre. Denn dieweil ich mir solches gönne, tausendmal mehr soll ichs Gott gönnen. 5) Du willst, dass dir jedermann glaube, und dich kein Mensch für einen Lügner halte; das sollst du auch wünschen, dass es deinem lieben Gott geschehe, und alle Menschen auf ihn trauen. Also ist offenbar, dass ein jeglicher Mensch in ihm selbst trägt einen klaren unbetrüglichen Spiegel, darinnen er sehen kann, was er Gott zu tun schuldig ist; wenn er nämlich sich von der Statt und Stuhl Gottes herabsetzet, und Gott daselbst sitzen läßt. Und dies ist so ein gewisses Zeugnis, dass es alle Menschen ohne Schrift und Bücher überzeuget.

 

Gebet um Erkenntnis seiner Schuldigkeit gegen Gott.

 

Gütiger Gott! führe mich durch deinen Geist und Wort recht in mich selbst, damit ich durch mich zu dir geführet, als eine neue Kreatur in Christo, dir alles wieder gebe, was ich in Adam dir geraubet hatte, Amen.

 

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