DAS ZEHNTE KAPITEL. (5.B./1.T./10.K.)
VOM GEBET.
Inhalt.
1) Das Gebet ist ein Gespräch mit Gott, ein Stück des geistlichen Lebens, eine stete Bewegung des heiligen Geistes etc. 2) Es muß im Geist und in der Wahr-heit geschehen. 3) Ist ein Kennzeichen der wahren Kinder Gottes. 4) Ist ein köstliches Werk und die höchste Ehre, die Gott allein gebühret. 5) Muß in der Liebe Gottes geschehen, da wird es kräftig und feurig. 6) Muß in Freudigkeit des Glaubens geschehen; 7) mit gänzlicher Ergebung in Gottes Willen, und unzweif-licher Erwartung göttlicher Hilfe. 8) Das Gebet stärket mächtig, weil es den Herrn anrühret in seinen Verheißungen. 9) Es vereiniget mit Gott, und bringt in der Engel Gemeinschaft. 10) Überdies haben wir drei mächtige Gehilfen im Gebet; 11) obgleich sich auch viele Hindernisse finden, denen wir mit sieben Waffen begegnen können. 12) Verzieht endlich Gott mit Hilfe und Trost, so harre des Herrn.
Das Gebet ist ein Gespräch mit Gott, ein Stück des innerlichen, geistlichen, himmlischen Lebens, eines christgläubigen Herzens Eigenschaft und Kenn-zeichen, eine stetige Bewegung des heiligen Geistes, denn er ist ein Geist der Gnaden und des Gebets, Sach. 12,10. eine Wirkung der göttlichen Salbung. Denn gleichwie das natürliche Leben den Leib beweget; also der heilige Geist die Seele durch das Gebet, durch Seufzen, durch heilige Andacht, durch herzliche Klage über des Menschen Elend, durch Abbitte der Sünden, oder der Strafe der Sünden, durch Fürbitte für alle Menschen, für die Obrigkeit, durch Bitte um den heiligen Geist, um Erkenntnis und Erleuchtung, um Trost, um Linderung des Kreuzes, um Erhaltung, um Stärkung des Glaubens, um Geduld, um allerlei Notdurft, durch Gebet und Danksagung für alle Wohltaten Gottes, dadurch Gott geehret, gelobt und gepriesen wird, in allen seinen Werken und Wohltaten, es geschehe heimlich in seinem Kämmerlein, in seinem Herzen, an allen Orten, in aller Arbeit, oder geschehe öffentlich in der Gemeine, zum Bekenntnis des Glau-bens, zur Ehre des heiligen Namens Gottes, und Danksagung für alle Wohltaten.
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2. Das alles muß im Geist und in der Wahrheit geschehen, von Herzensgrund, ohne Heuchelei, vor Gott, nicht vor den Menschen, ohne, wo es das öffentliche Lob Gottes und Danksagung in der Gemeine erfordert, wie Ps. 22,26. sagt: Ich will dich preisen in der großen Gemeine. Und wenn dies Gebet im Geist ge-schieht, so kann es ohne Unterlaß geschehen, auch an allen Orten, und ist das tägliche Opfer, davon der Prophet Mal. 3,4. weissaget, und der 141. Ps. v. 2.
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3. Ist demnach das Gebet ein Kennzeichen eines wahren gläubigen Christen, ein kräftiges lebendiges Zeugnis des heiligen Geistes, ein Kennzeichen der wahren Kinder Gottes, und des kindlichen Geistes Christi. Denn weil wir Gottes Kinder sind, so hat Gott gesandt den Geist seines Sohnes in unser Herz, durch welchen wir rufen, Abba, lieber Vater! Gal. 4,6. Mit diesem Spruch hat St. Paulus Gott unsern lieben Vater, Gott den Sohn und heiligen Geist zusammengesetzt, und ins Gebet eingeschlossen. Wo nun das Gebet nicht da ist, ist keine Gottes-Erkenntnis, kein Glaube, kein heiliger Geist.
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4. Daraus ist abzunehmen, welch ein köstliches Werk das Gebet sei; das ist ein köstliches Ding, dem Herrn danken, und deinen Namen loben, du Allerhöchster, Ps. 92,2. Denn es ist die höchste Ehre Gottes, die er keinem andern geben will, noch seinen Ruhm den Götzen, Jes. 42,8. Darum die wahren Anbeter den Vater durch den Sohn und heiligen Geist anbeten, und diese göttliche Ehre keinem andern geben. Denn das ist wider den ganzen heiligen christlichen Glauben, welcher allein Gott anhanget, und keiner Kreatur, allein Gott vertrauet, und sich auf keine Kreatur verlässet. Denn da höret der rechte Glaube alsobald auf, und wird ein Aberglaube. Zu dem Ende ist der Mensch von Gott erschaffen, erlöset, und geheiliget, dass er Gott erkennen, anrufen, ehren, loben und preisen soll.
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5. Es wird aber das Gebet ganz kräftig und feurig, wenn man in der Liebe betet. Denn wenn die Liebesflamme gegen Gott inbrünstig ist, und man Gott mit innig-licher Liebe empfängt, das ist ein recht kindlich Gebet, und erlanget, was er bittet. Wer mich liebet, spricht der Herr, Joh. 14,21. dem will ich mich offenbaren. It. Kap. 16,27. Der Vater hat euch lieb, darum, dass ihr mich liebet. Je brünstiger nun die Liebe, je kräftiger das Gebet. Derohalben, wie wir um Vermehrung des Glaubens bitten müssen, also auch um Vermehrung der Liebe Gottes. Und ist eine besondere tröstliche Verheißung, dass Gott seine Liebe durch den heiligen Geist in unser Herz ausgegossen hat, Röm. 5,5.
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6. So macht auch die Freudigkeit des Herzens und Gewissens das Gebet vor Gott kräftiger. Denn wenn wir nicht mit Verdruß, sondern mit Freuden beten, das ist die lebendige Hoffnung, dass uns nicht wird abgeschlagen, was wir bitten, und ist ein lebendig Zeugnis der Erhörung. Daher sagt die Epistel: Hebr. 4,16. Lasset uns mit aller Freudigkeit hinzutreten zu dem Gnadenstuhl. Und St. Johannes sagt: Das ist die Freudigkeit, die wir haben zu Gott, dass wir von ihm nehmen, was wir bitten. 1 Epist. Joh. 3,21.22. Diese Freudigkeit für alle Wohltaten, die der 100. Ps. solches artig beschreibet: v. 2.4. Kommet vor sein Angesicht mit Froh-locken, dienet dem Herrn mit Freuden, gehet zu seinen Toren ein mit Danken, zu seinen Vorhöfen mit Loben, danket ihm, und lobet seinen Namen, Ps. 54,8. So will ich dir ein Freudenopfer tun, und deinem Namen danken, dass er so tröstlich ist.
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7. Wenn nun das Gebet also geschiehet im Glauben, Liebe, Hoffnung und Freu-digkeit, so ergibt sich das Herz ganz und lauter dem gnädigen Willen Gottes und der göttlichen Liebe, stellet Gott alles heim, opfert sich Gott auf mit allem, was er hat und ist, und läßt ihm Wohlgefallen, was Gott gefällt. Ihm ist daran genug und wohl, dass er Gott zum Vater hat, und Gottes Kind ist, betet auch nicht um seines Nutzens willen, sondern aus Liebe, um dem lieben Vater zu Ehren und Wohlge-fallen. Und weil ein solch Herz Gottes Liebe und Freude im Gebet empfunden und geschmeckt hat, so betet er auch außer allem Zweifel, und wanket nicht, wie St. Jakobus sagt, Kap. 1,6. und der Herr selbst: Wenn ihr betet, so zweifelt nicht, sondern glaubet, so werdet ihr empfahen, Matth. 21,21.22. Denn Gott siehet das Herz an, und erhöret nach dem Herzen, nicht nach dem Mund; siehet den Gla-uben an, und das innerliche herzliche Seufzen und Verlangen.
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8. Es stärket das Gebet mächtig, dieweil der Herr, den wir anrufen, nicht ferne, sondern nahe ist: Ps. 145,18. Der Herr ist nahe denen, die ihn anrufen, allen, die ihn mit Ernst anrufen. Denn gleichwie alle, die den Herrn anrühreten, durch eine Kraft, so von ihm ausging, gesund wurden; der Herr auch den Aussätzigen, der ihn um die Reinigung bat, anrührete; also rühret unser Gebet den Herrn an durch die Verheißung, Ps. 27,8. Mein Herz hält dir vor dein Wort: Ihr sollt mein Antlitz suchen; darum suche ich auch, Herr, dein Antlitz, darum verbirge es nicht vor mir. Herr!, das hast du gesagt und verheißen, auf solch dein Wort bitte ich. Das ist, Gott anrühren. Herr Christe, du hast gesagt: Was ihr den Vater in meinem Namen bitten werdet, das wird er euch geben, Joh. 16,23. Hier steht das kranke Weib, Luk. 8,44. und rühret seines Kleides Saum an, durch Gebet und nach seiner Verheißung.
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9. Gleichwie nun die Kranken die Kraft Christi durch das Gebet an sich gezogen, welche sie heilete; also zieht die Kraft Christi alle, so im Geist und in der Wahr-heit beten, an sich, und vereiniget sich mit ihnen. Denn Glaube, Liebe, Hoffnung und Gebet sind göttliche, geistliche Bande, die uns mit Gott vereinigen. Gott anrufen, ist ihn in sein Herz rufen. Daraus wir sehen die Kraft und Würdigkeit des Gebets, welch ein köstliches Werk es sei. Und weil beten und Gott loben ein eng-lisches Werk und Amt ist, so haben die Betenden Gemeinschaft mit den heiligen Engeln, obwohl dasselbe noch nicht erscheinet und offenbar ist.
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10. Dieweil aber unser Fleisch und Blut schwach ist, so haben wir drei mächtige Gehilfen in unserm Gebet: 1) Die Vorbitte unsers eigenen Mittlers und ewigen Hohenpriesters, welcher ein ewiges Hohespriestertum hat, und bittet für uns, Hebr. 5,7. 2) Den heiligen Geist, der unserer Schwachheit hilft, und vertritt uns bei Gott mit unaussprechlichem Seufzen, Röm. 8,26. 3) Die heilige christliche Kirche, die für alle wahren Glieder Christi bittet, Eph. 6,18.
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11. Der Satan untersteht sich auch, unser Gebet zu verhindern durch mancherlei unvermutete Mittel und Wege, durch Verstörung der Andacht, Verwirrung der Gedanken, Anfechtung der Nichterhörung, der Unmündigkeit, Fürhaltung der Sünden und mancherlei Gebrechen. Da müssen wir ihm lernen begegnen: 1) Mit Gottes Befehl; Gott hat befohlen zu beten: Rufe mich an in der Zeit der Not, Ps. 50,15. 2) Mit der Verheißung der gnädigen Erhörung: Jes. 65,24. Ehe sie rufen, will ich antworten etc. Ps. 145,18. Ps. 34,18. 3) Mit dem Mittler- und Hohen-priesteramt Jesu Christi. 4) Mit dem Gnadenstuhl, welchen uns Gott hat vorge-halten durch den Glauben in seinem Blut, Röm. 3,25. 5) Dass Gott keines armen bußfertigen Sünders Gebet verwirft. Ps. 102,18.19. Gelobt sei der Herr, der mein Gebet nicht verschmähet, noch seine Gnade von mir wendet, das werde ge-schrieben auf die Nachkommen, Ps. 66,20. 6) Dass der Herr befohlen hat, mit dem Gebet anzuhalten, und nicht müde zu werden, Luk. 18,1. Item: Matth. 7,7. Bittet, suchet, klopfet an. 7) Gott hat uns durch seinen Befehl, Verheißung, und durch Christi Verdienst und Vorbitte würdig gemacht zum Gebet, und zu geistli-chen Priestern gemacht, Offenb. 1,6. zu opfern Farren oder Früchte der Lippen, Hebr. 13,15.
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12. Verzieht Gott mit Hilfe und Trost, so harre des Herrn. Sei getrost und unver-zagt, und harre des Herrn, Ps. 27,14. Wie sagt der heilige David? Ps. 40,1. Ich harre des Herrn, und er neiget sich zu mir, und höret mein Schreien, und zog mich aus der grausamen Grube. Gott hat Zeit, Ort, Mittel in seiner Hand. Der allein weise Gott hat viele Mittel, der wahrhaftige Gott weiß die Zeit, der Allmäch-tige hat die Gewalt. Gründe du dich auf seine Allmacht, Barmherzigkeit, Wahrheit und Weisheit. Danke ihm nur dafür, dass er dir die Verheißung der gnädigen Er-hörung gegeben hat, und glaube und traue ihm, er wird seine Zusage halten. Denn was er zusagt, das hält er gewiß; er ist nicht ein Mensch, dass er lüge, noch eines Menschen Kind, dass ihn seine Zusage gereue, 1 Sam. 15,29. 4 Mos. 23,19.
Gebet um Gottes Gnade und Barmherzigkeit, welche ist das Fundament unsers Gebets. (Siehe im Paradiesgärtlein.)