DAS FÜNFUNDZWANZIGSTE KAPITEL. (4.B./2.T./25.K.)
DIEWEIL ALLE KREATUREN
ALLEN MENSCHEN OHNE UNTERLASS DIENEN,
LEHREN SIE UNS,
DASS ALLE MENSCHEN SICH UNTER EINANDER
FÜR EINEN MENSCHEN HALTEN SOLLEN.
Inhalt.
1) Alle Kreaturen dienen allen Menschen ohne Unterschied, als wären sie ein Mensch. 2) Darum sollen sich auch alle Menschen unter einander für einen Men-schen halten, und einander, als Gottes Bild, ehren und dienen. 3) Denn alles, was sie genießen und leiden, ist ihnen allen allgemein. 4) Daraus entspringt eine zweifache Brüderschaft der Menschen.
Haben wir nicht alle einen Vater, und hat uns nicht alle ein Gott geschaffen? Warum verachtet denn einer den andern? Mal. 2,10.
Gott hat alle Kreaturen also verordnet, dass sie allen Menschen ohne Unter-schied dienen, und so viel an ihnen ist, dienen sie keinem mehr oder minder, als dem andern. Das Feuer brennt dem Armen wie dem Reichen; also alle Krea-turen, sie machen keinen Unterschied, achten keinen höher, als den andern, unterscheiden keinen Bürger oder Bauern. Die Erde dient dem Bauern sowohl als dem Edelmann: also Luft, Wasser, Brunnen und Tiere. Und das siehet man vornehmlich an der Sonne, der schönsten Kreatur, die dienet allen Menschen gleich.
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2. Warum geschieht das nun, dass alle Kreturen dem Menschen ohne Unter-schied dienen, nach Gottes Willen und Ordnung? Darum, weil Gott will, dass alle Menschen sich unter einander halten sollen für einen Menschen. Ja, darum hat Gott allen Kreaturen geboten, den Menschen zu dienen, und den Menschen zu ehren, weil der Mensch nach Gottes Bild geschaffen ist; darum soll auch der Mensch mit Danksagung der Kreaturen Dienst aufnehmen, sonst ist er nicht wert, dass ihm eine einzige Kreatur diene. Denn was meinest du, lieber Mensch, wa-rum Gott verordnet hat, dass dir so viele herrliche Kreaturen dienen, derer die ganze Welt voll ist, warum hat sie Gott geordnet dir zu dienen? Ohne Zweifel darum, dass du erkennen sollst, du seiest Gottes Bild, und sollst leben als Gottes Bild; und wärest du nicht nach Gottes Bild geschaffen, so denke nur nicht, dass dir eine Kreatur dienen würde. Dieweil nun die unvernünftigen Kreaturen dir darum dienen und dich ehren, dass du nach Gottes Bilde geschaffen; vielmehr sollst du deinem Nächsten dienen und ihn ehren, weil er auch nach Gottes Bilde geschaffen. Darum lehren dich die Kreaturen, warum du deinem Nächsten die-nen, und ihn lieben sollst, und wie alle Menschen ihnen ein Mensch sein, also dir auch.
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3. Schließlich weil die Menschen der Gemeinschaft und der Liebe eines einigen Gottes teilhaftig sein, der da ewig lebt und ein jeglicher Mensch nach des einigen Gottes Ebenbilde geschaffen, und ist eine allgemeine Liebe Gottes gegen alle Menschen, weil er ihnen allen sein Bild anfänglich gegeben; so sind auch die Wohltaten Gottes allgemein, ist auch eine allgemeine Notdurft aller Menschen, so alle Gottes bedürfen, sind auch alle gleich verpflichtet, Gott zu lieben, wegen empfangener allgemeiner Wohltaten, auch einem einigen Herrn schuldig, alle zu dienen. Item, eine allgemeine Erhaltung aller Menschen, ja eine allgemeine Natur, ein allgemeiner Name, dass wir Menschen sein und heißen, denen auch alle Kreaturen ohne Ansehen der Personen, und ohne Unterschied dienen, auch alle einem Ende, dem Tode, unterworfen sein, so sollen alle Menschen unter einander sich für einen Menschen achten, und unter einander die größte Einigkeit und Frieden halten.
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4. Und aus diesem allem entspringt die zweifache Brüderschaft der Menschen. Erstlich eine allgemeine Brüderschaft, dieweil wir alle Gottes Kreaturen sind, und das Wesen von Gott haben, wie alle andere Kreaturen. Zum andern eine sonder-bare, nähere Brüderschaft und Verwandtnis, dadurch die Menschen von andern Kreaturen unterschieden werden, denn sie sind alle nach dem Bilde Gottes ge-schaffen. Dies lehrt uns also die Natur aus dem Artikel der Schöpfung; aber das Evangelium lehrt uns eine viel höhere Brüderschaft in Christo Jesu, da wir alle eins sein in Christo Jesu, da wir alle unter einander Glieder sein unter einem Haupt, von welchem der geistliche Leib Christi alle Fülle empfängt.
Gebet um Gnade in der Erneuerung, den Nächsten zu lieben.
Gütiger Gott und Vater! weil alles mir darum dienet, dass du zu deinem Ebenbild mich erschaffen hast, so heilige mir den Dienst der Kreaturen dazu, dass sie mich antreiben, erneuert zu werden nach dem Bilde dessen, der mich erschaffen hat, und in solcher Erneuerung meinem, auch nach deinem Bilde erschaffenen Nächsten zu dienen, und ihn zu lieben, durch Christum Jesum, unsern Herrn, Amen.