DAS SECHSTE KAPITEL. (4.B./1.T./6.K.)
VON DEM SECHSTEN TAGWERK GOTTES,
VON DEN TIEREN UND DEM MENSCHEN.
Inhalt.
1) I. Von den Tieren. Deren gründliche Erkenntnis ist ein besonders Stück der natürlichen Weisheit. 2) Die Adam in Benennung derselben bewiesen. 3) Aus ihren Eigenschaften erkenne 1. die Allmacht und Weisheit Gottes. Darauf führet uns das alte Testament. 4) Und das neue Testament. 5) Da lerne bedenken verschiedener Tiere geistliche Deutung. 6) Betrachte auch 2. die wunderbare Vorsehung Gottes, 7) da er alles Fleisch mit Speise und Freuden erfüllet. 8) Es zeuget davon auch der Psalm, wie 1. Gott alle Tiere speiset, sollte er denn eines Menschen vergessen? 9) 2. Wie Gott allen Tieren eingepflanzet, Speise zu suchen, die er ihnen auch mildiglich gibt. 10) 3. Wie Gottes Odem und Kraft aller Kreaturen Leben ist. 11) Zieht Gott dies Segenswort zurücke, so vergehen sie. 12) Diese allgemeine Vorsehung Gottes bestehet 1. in der Allwissenheit und Wissenschaft aller Dinge; 13) 2. in der väterlichen gütigen Fürsorge für alle Dinge; 14) 3. in der allmächtigen Erhaltung und Regierung aller Dinge. 15) Dies gibt den Trost, 1. dass Gott auf die Seinen ein sonderliches Auge habe; 16) 2. dass Gott allezeit Rat und Hilfe schaffen kann. 17) Und erwecke 3. in unsern Herzen Glauben, Hoffnung und Geduld. 18) II. Vom Menschen, dem letzten und herrlichsten Geschöpf, dessen Schönheit weitläufig bewiesen wird. 19) Sonder-lich die Schönheit der menschlichen Seele.
Die Erde bringet hervor lebendige Tiere, Vieh und Gewürm, ein jegliches nach seiner Art, 1 Mos. 1,24. Die jungen Löwen brüllen nach dem Raub und suchen ihre Speise von Gott, Ps. 104,21.
Es rühmet sich Salomo, Weish. 7,20. dass er wisse die Art der zahmen und wilden Tiere, und saget, dass der Geist der Weisheit ihn solches gelehret habe. I. Daraus ist abzunehmen, dass solche gründliche Erkenntnis aller Tiere ein besonderes Stück der natürlichen Weisheit sei. Derohalben, da Gott der All-mächtige gemacht hatte von der Erde allerlei Tiere auf dem Felde, und allerlei Vögel unter dem Himmel, brachte er sie zu dem Menschen, dass er sehe, wie er sie nennete. Denn wie der Mensch allerlei lebendige Tiere nennen würde, so sollten sie heißen. Und der Mensch gab einem jeglichen Vieh und Vogel unter dem Himmel, und Tiere auf dem Felde seinen Namen, 1 Mos. 2,19. seq.
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2. Hie hat nun der Mensch müssen seine angeschaffene Weisheit hervor ans Licht bringen, zu Ehren seines Schöpfers, und erstlich in den mancherlei leben-digen Tieren anschauen die Weisheit und Allmacht Gottes, wie Gott der Herr ein jedes Tier und Vogel unter dem Himmel mit besonders unterschiedlicher Gestalt, Form, Figur, Proportion, Bildnissen, Farben und dergleichen geschaffen. Welche Merkzeichen und Signatur Adam aus eingeschaffener Weisheit alle wohlverstan-den, nämlich die natürliche Zeichnung aller lebendigen Tiere, daraus er ihre eingepflanzte Art, Natur und Eigenschaft erkannt, und dieselbe ihrer unterschied-lichen Art nach mit ihrem eigentlichen natürlichen Namen genennet, welcher Name eines jeden Tieres Art, Natur und Eigenschaft in sich begriffen hat, darum er auch seine Evam nennet Männin, darum, dass sie vom Manne genommen ist, 1 Mos. 2,19.23. Solches erkannte und wußte Adam, obgleich Gott, der Allmäch-tige hatte lassen einen tiefen Schlaf auf ihn fallen, da er die Evam aus seiner Rippe erbauete, hernach nennet er sie Evam darum, dass sie eine Mutter sollte sein aller Lebendigen, 1 Mos. 3,20.
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3. Solche Eigenschaften der Tiere hält uns Gottes Wort vor, 1) die Allmacht und Weisheit Gottes daraus zu erkennen, und stellet sie uns auch vor unsere Augen, wie dem Adam. Denn so stehet geschrieben Hiob 12,7. Frage das Vieh, das wird dichs lehren, und die Vögel unter dem Himmel werden dirs sagen; oder rede mit der Erde, die wird dichs lehren, und die Fische im Meer werden dirs erzählen. Der heilige Hiob führet uns auch in den großen Tiergarten, und stellet uns an den Tieren solche Werke Gottes vor Augen, darob wir uns alle verwundern müssen, Kap. 39,1. seq. Der heilige Prophet Jeremias weiset uns auf die Turteltaube, Storch und Schwalbe, die ihre Zeit wissen, wieder zu kommen, Jer. 8,7. Jesaja weiset uns auf die Ochsen und Esel, die ihren Herrn kennen, Jes. 1,3. David und Hiob auf die jungen Raben, die den Herrn anrufen, Ps. 147,9. Hiob 38,41. Item: David zeiget uns die Ottern und Schlangen, die ihre Ohren verstopfen, Ps. 58,5. Jesaja sagt von den Basilisken- und Schlangeneiern, Jes. 59,5. und Jeremias von den Drachen, die ihren Jungen ihre Brüste reichen, Klagl. 4,3. Der Strauß wohnet in der Wildnis, und ist unbarmherzig gegen seine Jungen, Jes. 43,20. Jer. 50,39. Das Hohelied Salomonis singet von einem jungen Rehe, Taube und Turteltaube; item: von den Füchsen, Kap. 2,9.14.15. David von dem Hirsch, der nach frischem Wasser dürstet, Ps. 42,3. und von der Hündin, die früh gejaget wird, Ps.22,1. Salomo weiset uns auf die Ameise, Sprüch. 6,6. David zeiget uns die Erneuerung oder Verjüngerung des Adlers, Ps. 103,5. wie auch Jes. 40,31. Also die auf den Herrn hoffen. Habakuk und Jeremias zeugen von den Wölfen, Pardeln und Löwen zur Strafe, Habak. 1,8. Jer. 5,6.
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4. Im neuen Testament zeiget uns der Herr die Sperlinge, deren keiner auf die Erde fällt ohne Gottes Willen, Matth. 10,29. Er sagt auch von der Klugheit der Schlangen, und Einfalt der Tauben, v. 16. It. von der Gluckhenne, die ihre Küchlein versammelt unter ihre Flügel, Kap. 23,37. It. vom Adler, der nach dem Aas fliegt, Kap. 24,28. It. vom Hündlein, welches die Brosamen auflieset, so von seines Herrn Tisch fallen, Kap. 15,27. It. die Schäflein Christi werden mit ihren Eigenschaften beschrieben, Joh. 10,27.28. Es gedenket auch der Herr einer Schlange und eines Scorpions, die kein Vater seinem Kinde gibt für einen Fisch, oder für ein Ei, Luk. 11,11.12.
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5. Allhie lerne bedenken, warum dein Herr und Erlöser einem Lämmlein vergli-chen wird, Jes. 55,7. nämlich von wegen seiner Geduld und Sanftmut. Warum der heilige Geist in Taubengestalt über Christum erschienen, Matth. 3,16. Gleich-wie Hiskias sagt: Ich girrete wie eine Taube, Jes. 38,14. also seufzet der heilige Geist in den Gläubigen. Warum die vier Tiere Ezech. 1,10. und Offenb. Joh. 4,7. die Gestalt haben eines Menschen, eines Ochsen, eines Löwen, eines Adlers. Denn dadurch sind die vier hohen Amtswerke Christi bedeutet, seine Mensch-werdung, sein Opfer, seine Auferstehung und seine Himmelfahrt. Von der Löwin sagt man, dass sie ihre Jungen tot gebäre, und mit einem starken Geschrei erwecke und lebendig mache; also werden wir alle geistlich tot geboren, nämlich tot in Sünden, aber der Löwe vom Stamm Juda, der überwunden hat, Offenb. 5,5. machet uns durch ein starkes Geschrei seines heiligen Wortes geistlich le-bendig. Und am jüngsten Tage wird seine Stimme erschallen, dadurch alle Toten werden lebendig werden, und aus den Gräbern hervorgehen.
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6. Laßt uns auch allhie betrachten 2) die wunderbare Vorsehung Gottes, dadurch er alle Kreaturen erhält, ernähret, und für sie sorget. Es spricht der heilige David: Du erhörest Gebet, darum kommt alles Fleisch zu dir. Erhöre uns nach deiner wunderbaren Gerechtigkeit, Gott unser Heil, der du bist die Zuversicht aller auf Erden, und ferne am Meer. Du machest fröhlich, was da lebet, beide des Mor-gens und des Abends. Gottes Brünnlein hat Wassers die Fülle, Ps. 65,3.6.10.
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7. Mit diesen tröstlichen Sprüchlein preiset der heilige Prophet die väterliche Barmherzigkeit Gottes, dass er sich über alles Fleisch erbarme, und wie er am andern Orte sagt: Herr, du hilfest beiden Menschen und Vieh, Ps. 36,7. Darum wir ihn auch getrost anrufen sollen, und durch unser Gebet zu ihm kommen. Und erinnert der Prophet durch das Wort Fleisch Gott den Herrn unserer Dürftigkeit, unsers Hungers und Dursts, und aller menschlichen Blödigkeit, über welche sich Gott wolle erbarmen; uns aber unserer Nichtigkeit: Alles Fleisch ist wie Heu, Jes. 40,6. Darnach so tröstet uns der Prophet, dass kein Mensch bei Gott so ver-achtet und verlassen sei, auf welchen Gott nicht ein gnädiges Auge hätte. Denn er spricht: Gott sei eine Zuversicht aller, die auf Erden sind, und ferne am Meer. Gott hat alle Menschen in seine väterliche Vorsorge eingeschlossen, sie seien, wo sie wollen, auf Erden oder auf dem Meer. So spricht er auch: Gott macht fröhlich alles, was da lebet, beide des Morgens und des Abends. Das ist, Gott speiset und sättiget alles, was lebet, und dadurch machet er es fröhlich. Wie auch St. Paulus sagt, Ap. Gesch. 14,17. Gott erfüllet mit Speise und Freude unser Herz. Ach wie ist das eine große Gabe, wenn Gott gibt seine Speise mit Freuden zu genießen, dass man des Morgens mit Freuden und Gottes Lob den Tag und seine Arbeit anfähet, und des Abends seine Ruhe mit Danksagung. Letztlich setzet er die Ursache hinan, und spricht: Gottes Brünnlein hat Wasser die Fülle; der Brunn der Gütigkeit, Liebe, Mildigkeit Gottes ergießet sich in allen Kreaturen, dass jedermann, ja alle Kreaturen ihr Lebens- und Freudentröpflein daraus schöpfen.
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8. Es zeuget auch hievon Ps. 104,27. da er also spricht: Es wartet alles auf dich, dass du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit. Wie so denn, lieber David? Ver-stehen denn die unvernünftigen Tiere, dass sie Gott speiset und ernähret? Wenn die jungen Löwen nach dem Raub brüllen, so suchen sie ihre Speise von Gott, d. i. Gott siehet auch an die Angst der Natur, Röm. 8,19. dadurch auch Gott, als ein Erhalter der Natur, bewogen wird. Denn wenn die Natur Not leidet, so beweget es den Erhalter der Natur. Und das ist ihr Warten, wie hie stehet. Nun gedenke man, wie unzählig viele und mancherlei Kreaturen auf der Erde und im Meer sind. Denen allen hat Gott nicht allein Speise zur Notdurft und zur Freude und Wohlgefallen geschaffen, sondern auch einem jeden sonderliche Speise nach seiner Art und Eigenschaft, und das alles durch seine väterliche Vorsorge. Und hat also keines einzigen Tieres vergessen, wie sollte er doch des Menschen, seines Bildes, vergessen haben, und vergessen können? Es sind ja der Tiere auf Erden, in der Luft, im Meer, im Walde, viel mehr, denn Menschen auf Erden sind, noch hat er auch des geringsten Tieres nicht vergessen; wie sollte er doch können eines Menschen vergessen? Wie sollte doch Gott dessen vergessen können, der in ihm lebet, webet und ist, der von Gottes Kraft und Odem lebet? In Gott aber leben, weben und sind alle Menschen, Ap. Gesch. 17,28. darum ist es nicht möglich, dass Gott eines Menschen sollte vergessen. Wie sollte doch Gott dessen vergessen können, das durch seine Kraft erhalten wird? Er hält und trägt alles durch sein kräftiges Wort, Hebr. 1,3. Wie sollte er dessen vergessen können, das seine Hand gemacht hat? Wir sind Ton, du unser Töpfer, und wir alle sind deiner Hände Werk, Jes. 64,8. Wie sollte Gott dessen vergessen, den er durch den Tod seines Sohnes hat erlösen lassen? Wie sollte er deren vergessen, die er mit seinem heiligen Geist versiegelt hat? Gott müßte seiner selbst ver-gessen, wenn er sollte unser vergessen. Darum warten wir, Herr, auf dich, dass du uns Speise gebest.
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9. Ferner 3) spricht angezogener Psalm: Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie. Wenn du deine Hand auftust, so werden sie mit Güte gesättiget, Psalm 104,28. Hie ist beschrieben, erstlich die erhaltende Kraft der Kreaturen, dass Gott einer jeden Kreatur eingenaturet und eingepflanzet hat die Erhaltung und die Art, Speise zu suchen. Das hat Gott darum getan, auf dass er erquicke und erfreue mit Speise alles, was da lebet, dass Gottes Gütigkeit offenbar werde, wie er ein erfreuender Gott sei, ein Liebhaber des Lebens, der seine Kreaturen nicht allein schaffe, sondern auch erfreue. Erfreuet nun Gott alles, was lebet und webet, ach so wird er uns ja nicht zu immerwährender Traurigkeit geschaffen haben, son-dern auch bisweilen eine Tischfreude in der Furcht des Herrn vergönnen. Er wird ja nicht immer mit uns zürnen, sondern wie David spricht: Ps. 90,15. Erfreue uns nun wieder, nachdem wir so lange Unglück leiden; und der Herr unser Gott sei uns freundlich, der freundliche und leutselige Gott. Ja er hat uns doch zugesagt, dass seine Knechte essen, und vor Freuden jauchzen werden, Jes. 65,13. So wird uns auch hie zu betrachten gegeben die reiche Mildigkeit Gottes, dass er seine Kreaturen nicht kärglich gespeiset, sondern mildiglich und überflüssig, ja also, dass seine Fußstapfen vom Fett triefen, Ps. 65,12. Welches wir augen-scheinlich sehen, dass alle Kreaturen ihre Zeit haben, wenn sie Gott mildiglich gespeiset und gemästet hat; wenn die Vögel in der Luft feist sein, die Tiere im Walde gemästet sein, das Vieh auf dem Felde, die Schafe auf den Auen, die Fische im Meer in ihrer Feistigkeit gehen, da triefen Gottes Fußstapfen von Fett. Das ist alles ihre Zeit, wenn sie Gott in unsere Hände gibt. Sehet, das ist die Vorsichtigkeit des weisen Hausvaters; das ist ein kluger Schaffner! So sorget Gott für seine hungerigen Kinder.
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10. Endlich 4) spricht auch derselbe Psalm 104,29. Verbirgest du dein Antlitz, so erschrecken sie. Du nimmst weg ihren Odem, so vergehen sie, und werden wieder zu Staub. Du lässest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen, und erneuerst die Gestalt der Erden. Hie hören wir, was unser und aller Kreaturen Leben ist, nämlich, Gottes Odem, dass ist, Gottes Geist und lebendigmachende und erhaltende Kraft, die in allen Dingen ist. Wie das B. Weish. 11,27. spricht: Du Liebhaber des Lebens, und dein unvergänglicher Geist ist in allen, das ist, deine erhaltende, lebendigmachende Kraft, dadurch in der ersten Schöpfung nicht allein alles geschaffen, sondern auf den heutigen Tag erhalten wird. Der Himmel ist durchs Wort des Herrn gemacht, und alle sein Heer durch den Geist seines Mundes, Ps. 33,6. Und eben die lebendigmachende Kraft Gottes ist das Wort, dadurch Gott alle geschaffen hat. Dies Wort, so Gott geredet hat, ist nicht ver-schwunden, oder ein bloßer Schall gewesen, sondern ist das Leben worden aller Kreaturen, also, dass es von den Geschöpfen Gottes nicht gewichen, sondern dabei geblieben. Und ist eben die erhaltende Kraft aller Dinge, davon St. Paulus spricht, Hebr. 1,3. Der Herr hält und trägt alles durch sein kräftiges Wort. Wie ein Schatten am Baum hanget, also hanget unser Leben an Gott. Wenn nun Gott von den Kreaturen dies sein Lebenswort wieder hinweg nimmt, so vergehen sie, und werden wieder zu Staub, fallen wieder in ihr eigen Nichts. Ist gleich, als wenn einer den Kern wegnehme, und ließ einem die Hülse; wie ein Faß zerfällt, wenn die Reifen abgehauen, also das Gefäß aller Kreaturen zerfällt ohne Gottes Wort. Gottes Wort ist die ganze Welt voll, Röm. 11,36. Gott, der da ist über euch alle, durch euch alle und in euch allen, Eph. 4,6. der ist unser Leben, Ps. 42,9. und unsers Lebens Kraft, Ps. 27,1. Ich bin dein Leben und deiner Tage Länge, 5 Mos. 30,20. Gleich als wenn einer eine wahrhaftige Lebenskraft empfindet aus Gottes Wort, wenn man traurig ist, (wie solches in meiner Auslegung über den Psalter an vielen Orten erkläret ist,) also ist eine solche Lebenskraft in allen Kreaturen, und das ist das Wort der Schöpfung; wird dasselbe weggenommen, das ist aller Kreaturen Tod. Dies Wort ist der Segen und Vermehrung aller Kreaturen, da-durch Gott die Gestalt der Erde jährlich erneuert, in Wiederbringung jährlicher Früchte und Tiere, dass Gott durch die Erneuerung aller Dinge gleichsam jährlich eine neue Welt schaffet. So lange die Welt stehet, soll nicht aufhören Samen und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht, 1 Mos. 8,22. Und von dem Segen Noä essen wir noch alle heut zu Tage.
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12. Daraus lernen wir nun die wunderbare allgemeine Vorsehung Gottes über alle Kreaturen. Dieselbe besteht vornehmlich in drei Dingen: Erstlich in der Wissenschaft Gottes. Gott sind alle seine Werke von Ewigkeit her bekannt gewesen, Ap. Gesch. 15,18. Durch diese seine unbegreifliche, unendliche Weis-heit weiß, siehet und höret er alles. Darum er in der Schrift genannt wird der Sehende und Lebendige, 1 Mos. 16,13.14. Also ist keine Kreatur vor ihm ver-borgen, sondern alle Dinge sind bloß, lauter und offenbar vor seinen Augen. So ist er auch der rechte Lebendige, nicht allein, dass er von Ewigkeit zu Ewigkeit von ihm selbst lebet, sondern auch, dass er alle Dinge lebendig macht.
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13. Fürs andere beruhet diese Lehre auf der väterlichen Güte Gottes, dadurch er für alle Dinge sorget, auch für die Vögel unter dem Himmel, Matth. 6,26. Ja, er läßt auch die Sonne aufgehen über Gute und Böse, Kap. 5,45. Welche große Unehre tun wir nun an diesem unserm allergnädigsten Vater, wenn wir an seiner Vorsehung zweifeln, ob er auch für uns sorget, weil er auch für die geringsten Kreaturen sorget, ja auch für die Bösen. Dies ist uns sonderlich ein großer Trost im Kreuz und Trübsal, weil wir wissen, dass nichts in der Welt geschieht ohne Gottes Ordnung und Vorsehung, dass wir lernen geduldig sein, und nicht wider Gott murren, sondern glauben, er sorge für uns, und habe solches alles nach seinem unerforschlichen Rat und Gericht zu unserm Besten, und zu seinen Ehren über uns versehen. In der Schrift wird es genannt des Herrn Zorn etc., Mich. 7,9. Kommt auch Glück, Ehre und Gnade, wohlan, es kommt vom Herrn, dem danke, und sage mit Hiob: Der Herr hats gegeben, der Herr hats ge-nommen, Hiob 1,21. Dieser heilige Mann danket Gott dem Herrn sowohl für sein Kreuz, als für sein Glück, und rechnet sich mit Paulo der Trübsal würdig. Das Glück schadet mehr, denn das Unglück.
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14. Endlich beruhet die Lehre von der allgemeinen Vorsehung Gottes über alle Kreaturen auf Gottes Allmacht, dadurch er allgegenwärtig ist bei allen Kreaturen, dieselben erhält und regieret, aller Menschen Herzen in seiner Hand hat, dass er sie lenken und beugen kann, wie er will, Psalm 33,15. wie wir ein Klümplein Wachs mit unsern Fingern formieren. Derohalben wir uns alle vor seiner gött-lichen Gegenwart, Angesicht, Augen und Gewalt fürchten und scheuen sollen, in Gedanken, Worten und Werken. Denn wir sind in Gottes Hand, wie der Ton in der Hand des Töpfers, Jer. 18,1. seq. Gehe hinab in des Töpfers Haus. Und als ich hinab kam, siehe, da arbeitete er eben auf der Scheibe, und der Topf missriet ihm in seinen Händen. Da zerbrach er ihn, und machte einen andern etc. Also, ob uns Gott gleich zerbricht, er kann uns wieder machen.
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15. Ferner haben wir hier den Trost, 1) weil Gott gegenwärtig alles erhält und regiert, dass er durch seine besondere Vorsehung ein besonderes Auge habe auf die Seinen, so genau, dass ohne seinen Willen nicht ein Härlein von ihrem Haupt fallen kann, Matth. 10,30. So erhält er uns und behütet uns mitten unter unsern Feinden, wie es David in den Psalmen bezeuget, Ps.23,4. Ps.27,1. Ps. 121,5.
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16. So haben wir auch hier den Trost, 2) dass, wenn wir oft in unserer Trübsal weder Hilfe noch Rat wissen, und keine Mittel der Hilfe sehen, dass wir uns damit trösten, dass der Gott, der das Kreuz versehen und verhängt hat, der wird auch Rat finden, der groß von Rat und mächtig von Tat ist, Jer. 32,19. Befiehl dem Herrn deine Wege etc., Ps. 37,5. Wie Abraham, da er seinen Sohn opfern sollte, ließ er Gott raten, wie er seine Zusage und Verheißung erfüllen wollte, 1 Mos. 22,8. Röm. 4,18. seq. Hebr. 11,19.
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17. Letztlich 3) erwecket die Vorsehung Gottes in unsern Herzen Glauben, Hoff-nung und Geduld. Nehmet ein Exempel an David, an Hiob, an Christo, unserm Herrn selbst; er wußte, dass von Gott versehen war, er sollte sterben, darum war er in seinem ganzen Leiden geduldig bis in den Tod, Phil. 2,8. und bis ihn Gott wieder auferweckte. Also tat David auch, der erlitte zehenjähriges Elend, erdul-dete Hohn und Spott, Armut und Verachtung; denn er wußte, was Gott über ihn versehen hatte, wie er spricht: Du bist der Schild für mich, der mich zu Ehren setzet, und mein Haupt aufrichtet, Ps. 3,4. Wir wollen mit diesem Spruch be-schließen: Der Herr macht arm und reich, er tötet und macht lebendig, er ernie-driget und erhöhet, er führet in die Hölle und wieder heraus, 1 Sam. 2,6.
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18. II. Zum Beschluß müssen wir auch notwendig etwas vom letzten Geschöpf Gottes, nämlich vom Menschen, reden: Von der Vortrefflichkeit der menschlichen Natur, und dass der Mensch die schönste Kreatur sei, an welcher Gott seine größte Lust hat haben wollen, Spr. Sal. 8,31. Weil er alle Dinge um des Men-schen willen geschaffen, ja der Mensch das Ende ist aller geschaffenen Dinge; so ist daraus leicht abzunehmen, dass der Mensch die vortrefflichste und schönste Kreatur sei. Ja weil er ist die kleine Welt, und aller Kreaturen Beschluß, so folget notwendig, dass er aller Dinge Vollkommenheit in sich begreife. Denn die Vernunft gibt es, dass dasjenige vortrefflicher und vollkommener sei, das da ist der andern Dinge Ende, und derselben Vollkommenheit. Schön sind die Brunnen, und die grünen Auen und Wiesen, so mit mancherlei Blumen und Gewächs gezieret sind; lustig sind die Bäume anzusehen in ihrer Blüte und mit ihren Früchten, und die Wälder, die damit geschmückt sind; schön ist der Himmel mit Sonne und Mond, und so unzählig vielen leuchtenden Sternen geziert; aber weil solche Schönheit alle um des Menschen willen geschaffen, so muß freilich der Mensch viel schöner und herrlicher sein, dass auch der Sonne Schönheit mit demselben nicht zu vergleichen ist. Denn gleichwie der geringsten Blume Schönheit übertrifft die Schönheit und Schmuck des Königs Salomonis, auch in seiner großen Herrlichkeit, wie unser lieber Herr spricht, Matth. 6,29. also über-trifft die Schönheit und artige Gestalt des Menschen, nicht allein Salomonis äußerliche Herrlichkeit, sondern auch aller Blumen auf dem Felde, ja auch die Schönheit der Sonne am Himmel, sonderlich wenn man die Seele des Menschen betrachtet. Denn es kann auch der Seele Schönheit aus der schönen Gestalt des menschlichen Leibes erkannt werden, weil der Leib ist ein Haus und Wohnung der Seele. Derowegen, weil das Haus so schön ist, welches wir augenscheinlich sehen, wenn wir einen schönen, wohlgestalteten Menschen anschauen; wie schön wird denn sein die Seele, so in demselben Hause wohnet; denn einem schönen Gast hat auch der Schöpfer ein schönes Haus erbauet. Wir sehen auch, dass die schöne Gestalt eines schönen Menschen aller Augen auf sich wendet, welche Kraft doch der äußerliche Leib von der einwohnenden Seele erlanget. Es kann auch die Schönheit menschlicher Natur bewiesen werden von dem Ort, in welchen der Schöpfer den Menschen gesetzt hat, nämlich von dem Paradies, welches ist ein Garten aller Lust und Freude, dagegen die jetzige Welt mit ihrer Schönheit nichts zu achten ist. Derowegen so der Ort, dahin der Mensch von Gott gesetzt war, schön und lieblich ist; wie viel schöner und lieblicher muß der sein, um deß willen derselbe Ort geschaffen und gepflanzt ist? Man kann auch die Würdigkeit der menschlichen Natur daraus abnehmen, weil die heiligen Engel zum Dienst und Wache der Menschen von Gott geordnet sind, Heb. 1,14. Ja es erscheint solches fürnehmlich aus der Menschen Schöpfung. Denn es ist aus sonderlichem Rat Gottes, der hochgelobten Dreifaltigkeit, geschaffen. Denn Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, 1 Mos. 1,26. Nun ist es zwar ein Großes, aus sonderlichem Rat Gottes geschaffen sein; aber ein viel Größeres ist es, nach dem Bilde des Schöpfers, der heiligen Dreifaltig-keit, gemacht sein. Gott hat geschaffen die Elemente, den Himmel, die Sterne, den Mond, und die ganze große Welt; aber er sprach, und es geschah. Da es aber kam zu des Menschen Schaffung, als zu dem allergrößten herrlichsten Werk Gottes, da ward gesagt: Laßt uns Menschen machen. O ein heiliger Rat-schlag! O wie große Würdigkeit, Vortrefflichkeit und Adel hat die menschliche Natur, darüber man sich billig verwundern muß! Sonne, Mond und Sterne, und die ganze Welt ist ohne Beratschlagung, wiewohl nicht ohne sonderliche Weis-heit und Allmacht, geschaffen; der Mensch aber, beide mit sonderbarem Rat und göttlicher Weisheit. Es war vonnöten einer großen Beratschlagung, da etwas Großes zu machen war, nämlich der Mensch, welcher ein Bild und Gleichnis sein sollte des Schöpfers. Alle Kreaturen sind nur Gottes Spur und Fußstapfen, der Mensch aber ist Gottes Bild, welcher den Schöpfer sollte vor Augen stellen. Die heilige Dreifaltigkeit spricht nicht: Laßt uns Menschen machen, ein Bild, das gleich sei der Sonne oder dem Mond, oder den Engeln; sondern ein Bild, das uns gleich sei, auf dass unser Bild im Menschen ausgedrückt werde.
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19. Darum bedenke nun die Schönheit der menschlichen Seele, die da trägt das Bildnis und Gleichnis Gottes. Bedenke, welch eine Schönheit sei der göttlichen Majestät, so wirst du erkennen die Schönheit und Würdigkeit der menschlichen Seele und Natur. Denn wer wollte dieselbe Kreatur nicht für die schönste halten, welche aus besonderm Ratschluß Gottes gemacht ist? Welche nach dem Bilde des höchsten und allerschönsten Künstlers gebildet ist, und ihrem Schöpfer gleich ist? Daraus genugsam zu erkennen, wie fleißig der Mensch sich hüten soll vor aller Unsauberkeit, dass er das schöne Bild Gottes des Schöpfers nicht beflecke, weil solche Befleckung nicht geschehen kann ohne große Verachtung des Schöpfers, und Beleidigung der hohen Majestät Gottes. Denn weil Gott den Menschen durch sein Bild in die höchste Ehre und Würdigkeit gesetzt, und zum höchsten Adel erhoben, ist es dem Menschen eine große Schande, dass er sich durch fleischliche Unreinigkeit seiner Ehren und Würden entsetzet. Es ist ein großes Lob, wenn ein Bild von dem höchsten und größten Künstler gemacht ist, und wenn ein solches Bild Verstand hätte, es täte seinem Künstler nichts zu-wider, damit es nur seine Schönheit behielte, zum Lob seines Künstlers und Werkmeisters. Gedenkst du denn nicht, o Mensch! wer dich zu einem solchen schönen Bilde Gottes gemacht, warum beraubst du denn deinen Künstler, der dich so schön gemacht hat, seines Lobs, und befleckest dich mit Unreinigkeit? Es hat auch Plato recht gesagt: Dass die Tugend und Gottseligkeit sei der Seele Schönheit. Wenn wir aber bedenken die Vereinigung unserer Seele mit Gott und Christo, und die Gerechtigkeit Christi, damit unsere Seele, als mit einem Kleide des Heils, und mit dem Rock der Gerechtigkeit bekleidet ist, Jes. 61,10. so verstehen wir die rechte innerliche Schönheit unserer Seele. Denn unsere Seele hat alle ihre Schönheit von Christo Jesu: und wer wollte denjenigen nicht für schön halten, der seine Schönheit von dem, der die unendliche Schönheit selbst ist, empfängt, welcher mit der unendlichen Schönheit vereinigt, und mit dem-selben ein Geist worden ist? Daher der Prophet Ezechiel spricht: Kap. 16,14. Dein Ruhm erscholl unter den Heiden deiner Schönheit halben, welche ganz vollkommen war durch den Schmuck, den ich an dich gelegt hatte; in meinem Schmuck warest du schön. Und so die Kinder ihrer Eltern Schönheit erlangen durch die natürliche Geburt, wie sollte unsere Seele durch die geistliche Wieder-geburt nicht die geistliche Schönheit durch ihn haben und von ihm erben? Wer wollte auch nicht sagen, dass dieselbe die schönste Kreatur sei, welche ihm der Sohn Gottes zu seiner Braut erwählt hat, und mit seinem göttlichen Licht und Schmuck geziert? Daher auch billig die gläubige Seele eine Königin genannt wird, und des Königs Tochter, inwendig geschmückt mit güldenen Stücken, Ps. 45,14. Und so ein unedles Weib, einem Edlen vermählet, edel wird, und aufs allerschönste geschmückt werden kann; wie sollte unsere Seele nicht schön und edel werden, welche mit dem alleredelsten und schönsten Bräutigam vermählt wird? Derowegen der heilige Irenäus gar weislich gesagt hat: Gott sei des Menschen Herrlichkeit und Schönheit, der Mensch aber sei ein Gefäß und Werkzeug der Werke, Weisheit und Kraft Gottes. Und so Gott der Allerhöchste in des Menschen Seele am allerliebsten wohnet, und dieselbe zu seinem Tempel geheiliget hat, dass sie sein solle eine Wohnung des Vaters, eine Brautkammer des Sohns, des allerhöchsten Bräutigams, und ein Tempel des heiligen Geistes; so folgt unwiderleglich, dass die Seele sehr schön sein muß, und die schönste unter allen Kreaturen. Und so Gott im Ezechiel sagt, dass er unsere Seele schmücke, also, dass sie schön sei in seinem Schmuck, Ezech. 14,16. Hilf Gott, was wird das für ein überaus schöner Schmuck sein? Was werden das für schöne Edelgesteine sein, für Kleinodien, für goldene Kronen, welche so ein gewaltiger, herrlicher, reicher und schöner Bräutigam seiner Braut gibt? O der wunderbaren Gnade und Freundlichkeit Gottes gegen unsere Seele! O der großen Schönheit! Wenn sie mit leiblichen Augen könnte gesehen werden, wie würde sie uns zu sich ziehen! Diese Schönheit wird immer vermehret durchs Gebet und tägliches Gespräch mit Gott, also, dass wir von einer Klarheit in die andere verklärt werden, als vom Geist des Herrn, 2 Kor. 3,18. Denn so Mosis Angesicht glänzete vom Gespräch, so er mit Gott nur wenige Tage hielte, 2 Mos. 34,35. sollte nicht unsere Seele, die ohne Unterlaß mit Gott redet, viel mehr und größere geistliche Klarheit und Schönheit empfangen? Davon weiter im folgen-den und andern Teil dieses vierten Buchs, vom Menschen insonderheit.
Gebet um festes Vertrauen auf Gottes Vorsorge.
Mein Gott und Schöpfer! laß mich deine Allmacht und Weisheit aus denen so mancherlei Tieren auf Erden, und insonderheit deine Vorsorge und Erhaltung derselben, recht erkennen, und da du mir nicht nur einen Verstand vor ihnen verliehen, sondern mich auch nach deinem Bilde erschaffen, so gib, dass ich kein tierisches und unmenschliches, sondern göttliches und heiliges Leben führe, und dahin meine größte Sorge wende, wie ich erneuert werden möge nach deinem Bilde, und dir diene in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit, Amen.