DAS SIEBENTE KAPITEL. (3.B./7.K.)
VON DER SEELE WÜRDIGKEIT, VON WAHRER REUE
UND VOM GNÄDIGEN WILLEN UND ERBARMUNG GOTTES.
Inhalt.
1) Der Seele Würdigkeit ist, dass sie eine Wohnung Gottes ist. 2) Darum soll es uns am meisten leid sein, dass wir außer Gott an einer Kreatur gehangen haben.
Mein Haus ist ein Bethaus. Jes. 56,7. Matth. 21,13. Luk. 19,46.
Der Seele Würdigkeit ist, dass sie ein Haus und Wohnung Gottes ist, darinnen Gott lieber wohnet, denn im Himmel und auf Erden; und die gläubige Seele hat mehr Gottes in ihr, als alle Himmel und alle leiblichen Tempel, und alles, was Gott je erschaffen hat. Denn das Herz und Wohlgefallen Gottes ist in der Seele mit aller seiner Gnade und Liebe, mit aller seiner Lust und Wohlgefallen. Denn durch alle Kreaturen suchet Gott nichts anders, denn wie er die Seele des Men-schen ehre, würdige und selig mache. Und weil Gott mit aller seiner Liebe und Meinung auf die Seele gekehret ist, so ist Gott eigentlicher in der Seele, als in dem Himmel, oder in allen leiblichen Tempeln. Denn Gott wirkt alle seine Werke in der Seele, und gibt sie der Seele. Die Seele ist edler, als alle Kreaturen. Gott hat sie aber darum so edel gemacht, auf dass er sich der Seele geben möchte. Denn so er ihr etwas anders gäbe, denn sich selbst, so achtete sie es nicht, und wäre ihr viel zu gering. Es spricht St. Paulus Eph. 1,4. Wir sind von Ewigkeit her erwählet in dem Sohn Gottes; und darum sollen wir nimmer ruhen, bis wir dazu kommen, bis wir das werden, was wir ewiglich in ihm gewesen sind. Und weil die Seele soll eine Braut sein des Sohnes Gottes, so ist nichts unter allen Kreaturen, das Gott so lieb hat, als die Seele, und darum ist Gottes Sohn ausgegangen von dem Allerhöchsten, auf dass er hole seine Freundin, die ihm der Vater ewiglich vermählet hatte, dass er sie wiederbrächte in das Allerhöchste, daraus sie ge-kommen ist.
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2. Darum sollte nun der Mensch hinwieder alle seine Lust und Genüge an Gott haben und suchen, weil Gott so eine überaus große Liebe hat zu des Menschen Seele. Sollte demnach dem Menschen leid sein, dass er an irgend einer Kreatur mit seiner Lust und Freude hangen wollte, als allein an Gott, denn das ist Gott zuwider. Es ist solch eine Lieblichkeit und Schönheit in Gott, möchte ihn unsere Seele nur einen Augenblick sehen von ferne, wie in einer Wolke, sie kehrete sich nicht von Gott, um alle diese Welt. Darum sollte es nun dem Menschen leid sein, dass er seine Seele, die Gott so lieb hat, an eine Kreatur hängen sollte, denn hiemit handelt er Gott zuwider. Darüber sollte man trauern, und das ist die rechte wahre Reue, Leid darüber haben, so man getan, was Gott zuwider ist, so man Gott nicht allen Kreaturen vorgezogen, so man Gottes Ehre nicht in allen Dingen gesucht, ihn über alles geliebt, sondern die Kreaturen und sich selbst. Eine jede Kreatur liebt Gott von Natur mehr, denn sich selbst, indem sie Gottes Gebot ausrichtet, und sich selbst darüber verzehrt; allein der elende Sünder liebt sich mehr, denn Gott. Darum, wenn du Reue und Leid hast um deinen eigenen Scha-den, und nicht vielmehr, dass du wider Gott getan, und ihn erzürnt und ihn ent-ehret hast, so hast du noch keine wahre Reue. Und wenn gleich weder Hölle noch Himmel wäre, soll dir nichts desto minder leid sein, dass du wider Gott gehandelt und ihn erzürnt hast. Denn Gott ist dir Himmel genug, so ist dir auch sein Zorn Hölle genug. Hast du aber solche Reue, die jetzt beschrieben, und wahren Glauben an Christum, so vergibt dir Gott von Herzen alles, was du wider ihn getan hast. Denn es ist Gott eine größere Ehre, dass er die Sünden vergebe, denn dass er sie strafe. Denn die Gerechtigkeit zwingt auch Gott dazu, dass er barmherzig sein muß, denn er ist unser Vater, und wir seine Kinder. So er denn unser Vater ist, so vollbringt er seinen väterlichen Willen an uns, beides nach seiner Gerechtigkeit und nach seiner Barmherzigkeit. Und so sollen wir uns auch in den Willen unsers Vaters ergeben; denn wem der Wille Gottes freundlich schmecket, dem gefällt alles wohl, was Gott tut, beides nach seiner Gerechtigkeit und nach seiner Barmherzigkeit. Einem recht liebhabenden Menschen gefällt alles das wohl, was Gott tut und will, es sei Liebe oder Leid, an ihm selber und an allen Kreaturen. Ist es Gottes Wille, so laß es auch deinen Willen sein. Ich will lieber in der Hölle sein und Gott haben, denn im Himmel und Gott nicht haben.
Gebet um gnädige Einwohnung Gottes.
Schaffe in mir, mein Gott! ein reines Herz, und heilige dasselbe dir zu einem Tempel und Wohnung, und gib, dass ich darinnen dir diene im heiligen Schmuck, ja mich selbsten ganz und gar dir aufopfere und übergebe, in lauterer und be-ständiger Liebe und Gehorsam, hie zeitlich und dort ewiglich, Amen.