DAS FÜNFZIGSTE KAPITEL. (2.B./50.K.)

 

VON DER HOFFNUNG,

WIE UND WARUM DIESELBE NICHT LÄSSET ZU SCHANDEN WERDEN,

WIE SIE PROBIERT WIRD

IN LEIBLICHEN UND GEISTLICHEN ANFECHTUNGEN.

 

Inhalt.

1) Hoffnung ist der geduldige, wartende Glaube bis ans Ende. 2) Die lässet nicht zu Schanden werden, denn sie hat einen ewigen Grund; 3) Gott selbst ist ihr Grund und Ruhe. 4) Wer aber auf zeitliche Dinge hofft, muß in steter Angst leben. 5) Die Hoffnung wird im Kreuz probieret 6) Da zerbricht Gott die Stützen unserer falschen Hoffnung. 7) Die Hoffnung ist eine kämpfende Tugend, 8) und hat wie Glaube und Liebe allein Gott zum Gegenstand. 9) Sie wird erwecket durch Vergleichung der Zeit und Ewigkeit, 10) und durch Entziehung der Gnade in hohen Anfechtungen probieret, 11) da sie durch ein kleines Seufzerlein der Verzweiflung widerspricht. 12) Solche Seelen sind die liebsten Kinder Gottes, 13) und lernen auf nichts, denn allein auf Gott hoffen.

 

Du sollst erfahren, dass ich der Herr bin, an welchem nicht zu Schanden werden alle, die auf mich harren. Jes. 49,23.

 

Gleichwie der Glaube nichts anders ist, als eine gewisse ungezweifelte Zuver-sicht (Hebr. 11,1.) auf Gottes Gnade in Christo verheißen, dadurch das ganze Herz und Gemüte Gott anhanget, also ist die Hoffnung eine geduldige beharr-liche Auswartung und beständige Zuverläßigkeit dessen, was man glaubet, oder dass man mit Geduld erwartet, was man glaubet; und ist nichts anders, als der geduldige, beständige, wartende Glaube bis ans Ende.

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2. Von dieser Hoffnung sagt St. Paulus Röm. 5,5. dass sie nicht läßt zu Schan-den werden; Ursache: Sie hat einen unbeweglichen Grund, wie auch der Glaube, das ist Gott selbst, darum kann sie nicht zu Schanden werden, denn ihr Grund und Fundament ist fest, ewig und unbeweglich. Darum ist auch ihr Friede, Freu-de, Ruhe, Ruhm, Trost ewig, und kann sich niemand so hoch betrüben, sie ergreift dagegen genugsamen Trost und Frieden aus ihrem unbeweglichen Felsen. Wenn gleich Ungewitter und Sturmwinde kommen, fürchtet sie sich nicht, denn ihr Haus ist auf einen Felsen gebauet, Matth. 7,25.

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3. Und weil die Hoffnung einen gewissen unbeweglichen Grund haben muß, der nicht wanket, und aber alles Zeitliche unbeständig ist, so suchet die Hoffnung nicht zeitliches Glück, Freude, Ehre, Ruhm, sondern sie ruhet allein in Gott, und rühmet sich des Herrn. Da findet sie beständige Ruhe und Frieden, wie Ps. 125,1.2. spricht: Die auf den Herrn hoffen, die werden nicht fallen, sondern ewig-lich bleiben, wie der Berg Zion. Um Jerusalem her sind Berge, aber der Herr ist um sein Volk her.

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4. Die aber zeitliche Dinge zum Grunde ihrer Hoffnung legen, Ehre, Reichtum, Glück, Freude, die müssen in steter Furcht, Sorge und Angst leben, müssen der Welt unter den Füßen liegen, und mit dem unbeständigen Glück, wie auf dem Meer, auf- und abfahren, und können nicht länger Ruhe und Frieden haben, als die Welt und ihre Nachbarn wollen.

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5. Dieses muß im Kreuz probieret werden. Denn die Anfechtung machet alles offenbar, was eines jeden Hoffnung und Zuversicht sei. Da befindet sich es oft, dass wir nicht auf Gott selbst, sondern allein auf seine Gaben und Glück gehoffet haben, und auf den Sand gebauet, ja die Kreaturen zu unserm Gott gemacht haben. Denn so verkehret ist die blinde Natur, dass sie an den Kreaturen hangen bleibet, durch welche sie doch zum Schöpfer sollte geführet werden. Denn Gott gibt darum dem Menschen Glück und Heil, dass er dadurch über sich gezogen werde, durch die Gaben zum Geber, ja, dass wir lernen Gott kennen, lieben, fürchten, ehren und auf ihn allein hoffen. Aber die Natur ist also verkehret, dass sie auf die Gaben fällt, wie ein Schwein auf den Kot, und des Gebers gar nicht achtet.

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6. Darum muß uns Gott Kreuz und Trübsal zuschicken, und uns die Kreaturen wieder nehmen, dass wir auf ihn hoffen lernen, ihn erkennen, loben und preisen. Ja dieweil wir unsere Hoffnung setzen auf uns selbst, auf unser Vermögen, Kräfte und Gaben, so muß uns Gott oft zerbrechen und zunichte machen, de-mütigen, gar ausleeren, und uns gar selbst nehmen, auf dass er sich selbst uns möchte zu eigen geben. Das kann nun nicht geschehen, bis dass er das Ver-trauen auf uns selbst, welches seiner Gnade am meisten entgegen ist, gar hin-weg nimmt und zu nichte machet.

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7. Darum ist die Hoffnung eine kämpfende Tugend, die da streitet mit dem Ver-trauen auf sich selbst, auf eigene Gaben, Verdienst, Frömmigkeit, Herrlichkeit, Glück, Ehre und Reichtum; mit diesen Teufelslarven muß sie kämpfen, und sich davon losreißen, sich allein in Gott verbergen, und auf ihm ruhen.

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8. Darum hat die Hoffnung sowohl, als der Glaube und Liebe, allein Gott zum Gegenstand. Denn, wenn jemand auf etwas anders hoffet, oder auf etwas neben Gott hoffet, als auf den bloßen Gott, der hoffet nichts. Denn alle Dinge sind außer Gott nichts, und also ist die Hoffnung verloren. Darum sind diese drei Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung ganz geistlich, und ist nichts Irdisches in ihnen, und sind aufs Unsichtbare gerichtet. Sie sind alle geistlich, und haben Gott allein zum Grund, und sind allein auf den bloßen Gott gerichtet. Darum spricht St. Paulus: Röm. 8,24. Die Hoffnung, die man siehet, ist nicht Hoffnung. Denn wie kann man das hoffen, das man siehet? Wer nun auf sichtbare Dinge seine Hoffnung setzet, hat nicht den unsichtbaren Gott zum Grunde, sondern nur einen Schatten. Darum muß seine Hoffnung mit der Welt vergehen und zu Schanden werden.

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9. Darum muß der Mensch durch Vergleichung der Zeit und Ewigkeit geführet werden, zu der rechten seligen Hoffnung, und zur beständigen Ruhe. Die Ewig-keit ist unwandelbar, denn in ihr ist keine Verwandlung von einem in das andere. Aber in der Zeit ist Wandlung, als vom Tage in die Nacht, von Wochen in Monat, vom Monat in Jahr, vom Winter in den Sommer. Und wie sich die Zeit verwandelt, so verwandelt sich auch die Eigenschaft aller Elemente und Geschöpfe. Ich ge-schweige, dass der Himmel keinen Augenblick stille stehet und alle unteren Dinge beweget. Daraus folget, dass keine bleibende Ruhe sein kann in zeitlichen Dingen, sondern mit der Zeit gehen alle Dinge hin, und muß alles, so unter der Zeit ist, vergehen, darum ist alles eitel, Pred. Sal. 1,2. In der Ewigkeit aber ist Ruhe, und nicht in der Zeit. Böse und Gute jammern und laufen nach der ewigen Ruhe, aber niemand erlangt sie, als die in Christo sich wissen zu lassen und zu verlieren, der die ewige Ruhe ist. Dasselbe erlanget man nicht mit Werken und vieler Arbeit, sondern mit einer geduldigen Hoffnung durch Stillesein und Hoffen, Jes. 30,15. und in einem stillen Sabbat.

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10. Nun muß nicht allein die Hoffnung durch Entziehung zeitlichen Glückes pro-bieret werden, sondern auch durch Entziehung der Gnaden in hohen Anfech-tungen. Denn es müssen uns alle Dinge entzogen werden in der Probe der Hoffnung, also dass uns auch die allerbesten Gaben Gottes entzogen werden, darauf wir fußen möchten, auf dass also unsere Hoffnung ganz rein, lauter und bloß auf Gott stehe. In solcher Probe muß man hoffen, da nichts zu hoffen ist, und muß hoffen wider die Hoffnung, wie von Abraham, Röm. 4,18. stehet. Ja, da muß man mit Christo bloß ausgezogen werden, von jedermann verlassen, auch von Gott. Und das heißt dann recht dem Bilde Christi ähnlich werden, Röm. 8,29. Da wird denn die Hoffnung recht probiert.

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11. In andern Trübsalen wird allein Geduld, Demut, Gebet, Liebe probieret; aber in den Anfechtungen des Gewissens wird die Hoffnung probieret und angefoch-ten. Da wird denn ein Mensch aller seiner Gnade beraubet, aber gleichwohl ge-krönet mit der Hoffnung, die nicht läßt zu Schanden werden. Denn obwohl in solchen hohen Nöten oft mit einfällt Murren, Ungeduld, Lästerung; dennoch erwecket Gott ein kleines Seufzen, das denselben widerspricht. So ist es auch vergeben und zugedeckt, und so ist der Mensch als ein Brand aus dem Feuer errettet, Sach. 3,2. und als ein Ohrläpplein aus des Wolfs Rachen erlöset, Amos 3,12. Denn das heißt keine Verzweiflung, so wider unsern Willen geschieht, und mit einem unaussprechlichen Seufzen widersprochen wird; sondern es ist die allerschwerste Probe und Anfechtung der Hoffnung. Dies sind die unaussprech-lichen Seufzer, davon St. Paulus Röm. 8,26. redet.

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12. Solche Leute sind die größten Heiligen, und sind Gott näher, als die stolzen Geister, die ihre Hoffnung auf sich selbst haben; denn diese sind die größten Gotteslästerer, mit allem ihrem Ruhm und Ehren. Jene sind die liebsten Kinder Gottes, wie an Hiob und David zu sehen. Denn sie werden recht gereiniget und geläutert wie Gold, und von ihren eigenen Gaben und Ruhm entsetzet und in Gott versetzet, als ein glänzender Edelstein in Gold versetzet wird, auf dass nichts überbleibe, womit sich der stolze Mensch rühmen könne.

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13. In dieser Entblößung lernet der Mensch auf kein anderes Ding hoffen, als allein auf Gott. Denn wenn durch Trübsal alles hinweg genommen wird, so kann uns doch Gott nicht genommen werden. Trübsal kann uns Gott nicht nehmen, sondern bringet uns zu Gott, und gibt uns Gott wieder, und Gott uns. Also muß uns die bloße Hoffnung im Kreuz erhalten, und darum lässet sie nicht zu Schan-den werden, Röm. 5,5. Darum, gleichwie die Seele bloß aus Gott gekommen ist, also muß sie wieder bloß in Gott kommen, ohne Kreaturliebe. Denn wer aus ihm selber und aus allen Kreaturen fällt, wo sollte er hinfallen, als in Gottes Hand, die alles umgreifet, und die ganze Welt umspannet? Jes. 40,12. Wer nun durch die Welt fällt, und rein ist von allen Kreaturen und ihrer Liebe, das ist, wer mit dem Herzen an nichts hanget, sondern frei ist und frei bleibet, stehet Gott gelassen, läßt sich geben und nehmen, nach Gottes Wohlgefallen, derselbe fällt in Gott und in seine Hände. Die aber in den Kreaturen bleiben, und in ihnen selbst, das ist, die den freien Willen eigen machen, und nicht mit Gottes Wohlgefallen zufrieden sein, die müssen in ihnen selbst verderben.

 

Gebet um wahre beständige Hoffnung. (Siehe im Paradiesgärtlein.)

 

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