DAS ACHTUNDVIERZIGSTE KAPITEL. (2.B./48.K.)

 

ES IST KEINE TRÜBSAL SO GROSS,

GOTT HAT TROST DAGEGEN VERORDNET.

DENN GOTTES TROST IST ALLEZEIT GRÖSSER, ALS UNSER ELEND;

DAS SOLL DIE GEDULD ERHALTEN UND STÄRKEN.

 

Inhalt.

1) Gottes Trost ist größer als aller Menschen Elend. Das ist offenbar aus sieben Gründen. 2) 1. Gott ist ein Vater der Barmherzigkeit. 3) Das beweiset er in der Tat und ist ein großer Trost. 4) 2. Er ist ein Gott alles Trostes. 5) 3. Paulus und alle Heiligen stehen uns zum Beispiel. 6) 4. Das heilige Wort Gottes und dessen teure Verheißungen trösten überschwenglich. 7) 5. Der Gläubigen Kreuz ist Christi Leiden. 8) 6. Der Grund alles Trostes ist Christus. 9) 7. Christi Herrlichkeit ist aller Gläubigen Herrlichkeit. 10) Damit wir nun des Trostes teilhaftig werden, dazu gehöret: 11) 1. Wahre Buße und Erkenntnis der Sünden. 12) 2. Der Glaube, der an Christo hanget. 13) 3. Das Gebet, Gespräch mit Gott. 14) 4. Das heilige Lob Gottes. 15) 5. Fleißige Betrachtung des Worts Gottes, 16) aus welchem alle vorbenannte Stücke zu schöpfen sind.

 

Der heilige Apostel Paulus, da er betrachtet die große Freundlichkeit und Leut-seligkeit unsers lieben Vaters im Himmel, wie er sein Vaterherz gegen alle elende und trübselige Leute eröffnet habe, preiset er den lieben Gott hoch und spricht: 2 Kor. 1,3. seq. Gelobet sei Gott und der Vater unsers Herrn Jesu Christi, der Vater der Barmherzigkeit, und Gott alles Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, dass wir auch trösten können, die da sind in allerlei Trübsal, mit dem Trost, damit wir getröstet werden von Gott. Denn gleichwie wir des Leidens Christi viel haben, also werden wir auch reichlich getröstet durch Christum. Wir wissen, dass, wie ihr des Leidens teilhaftig seid, so werdet ihr auch des Trostes teilhaftig sein.

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2. Mit welchen holdseligen Worten der liebe werte Apostel Gott dem Herrn dan-ket für seinen göttlichen himmlischen Trost. Denn derselbige allein ist die höchste Arznei wider so vielfältigen Jammer und Elend dieser Welt. Und lehret uns zu-gleich dass kein Kreuz und Trübsal so groß sei, dagegen uns Gott nicht hätte himmlischen Trost verordnet; ja dass Gottes Trost größer sei, als aller Menschen Elend. Und das beweiset er mit sieben gewaltigen Gründen, die er nach einander setzet.

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3. 1) Der erste Grund ist, dass Gott ein Vater der Barmherzigkeit ist. Diese Worte sind so trostreich, dass sie nicht genugsam können ergründet werden. Denn es stellet sich Gott allen betrübten Herzen vor, wie ein Vater, der nicht den bloßen Namen allein hat, sondern in der Tat und Wahrheit unser Vater ist. Denn wo-rinnen bestehet die Eigenschaft eines Vaters? Darinnen, dass ein Vater seine Kinder 1) liebe, 2) für sie sorge, 3) sie ernähre, 4) sie schütze, 5) sie züchtige und unterweise, 6) Mitleiden habe mit ihrer Schwachheit, 7) sich über sie erbarme, 8) ihnen das Erbe bescheide. Wenn einer das recht bedenket, so wird er bekennen müssen, dass in dem einigen Wort Vater, ein vollkommener Trost sei, so allein genug wider allerlei Trübsal, und dass dieser Trost größer sei, als alles Elend. Und damit wir ihn recht kennen lernen, was er für ein Vater sei, so nennet ihn St. Paulus einen Vater der Barmherzigkeit, von welchem alle väterliche Barmherzig-keit ihren Ursprung hat, und zwar einen ewigen Ursprung. Denn aller derer Barmherzigkeit, die in so viel tausendmal tausend väterlichen Herzen gepflanzet ist, derer ist Gott ein Ursprung und Vater. Daraus folget, dass keinem Kinde Gottes auf Erden so viel Leiden widerfahren kann, dagegen bei dem Vater der Barmherzigkeit nicht viel mehr Trostes zu finden sei.

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4. 2) Der zweite Grund ist, dass Gott ein Gott alles Trostes sei. In diesen Worten ist abermal ein ewiger unendlicher Trost begriffen. Gott ist das ewige, unendliche höchste Gut; was kann nun anders aus dem ewigen Gut kommen und entsprin-gen, als aller Trost wider das Elend, und zwar ein größerer Trost, als das Kreuz ist? Aus Ursache: Das Kreuz ist zeitlich und endlich; aber Gottes Trost ist ewig und unendlich. Daraus sehen wir abermal, dass Gottes Trost größer sei, als unser Kreuz.

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5. 3) Der dritte Grund ist, dass sich St. Paulus neben allen Heiligen uns zum Exempel vorstellet, wenn er spricht: Gott tröstet uns in aller unserer Trübsal. Wenn wir nun die vielfältigen Exempel der Heiligen bedenken, was sie gelitten, wie sie Gott getröstet, und mitten im Kreuz erhalten, so ist unser Leiden dagegen nichts, und übertreffen die Exempel der heiligen Märtyrer mit ihrem Trost all unser Kreuz. Wer hat so viel erlitten als Hiob? Hiob 1. und 2. Wer ist so hoch betrübt gewesen, als Jeremias? Kap. 20,7. seq. Wer ist in so hohen Anfechtun-gen je gesteckt, als David? Ps. 88,2. seq. Ja, was ist unser Leiden gegen des Herrn Christi Leiden? Sind nicht alle heiligen Märtyrer heilige Kinder Gottes gewesen? Warum stellet sie uns Gott vor die Augen? Auf dass wir lernen sollen, dass das heilige Kreuz sei 1) der wahren Christen Heiligtum, 2) geistliche, himmlische Ehre, 3) Sieg über Teufel und Welt, 4) eine Vorbereitung zum Himmelreich, 5) denn ohne Kreuz kann kein Christ ins Reich Gottes eingehen. 6) Es ist das heilige Ebenbild Christi. Summa. Das liebe Kreuz ist ein sehr großes Geheimnis, darinnen die höchste Weisheit und Rat Gottes verborgen liegt, welches Fleisch und Blut nicht verstehen, auch nicht schmecken kann das himmlische verborgene Manna, in Gottes Wort, ohne Kreuz. Darum ist Gottes Trost allemal größer, denn aller Menschen Trübsal.

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6. 4) Den vierten Grund setzet St. Paulus in diesen Worten: Dass wir auch trösten können, die da sind in allerlei Trübsal, mit dem Troste, damit wir getröstet werden, von Gott. Womit tröstet aber Gott die heiligen Apostel? Und womit trösten die lieben Apostel uns wieder? Mit dem heiligen Wort Gottes, mit den teuren Verheißungen Gottes, wie Röm. 15,4. stehet: Was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben, auf dass wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung haben. Wenn wir nun Gottes Wort recht ansehen, wie freundlich uns Gott zuspricht, wie große Gnade, große, himmlische und ewige Güter er uns darinnen verheißet, so müssen wir ja freilich bekennen und sagen, dass derselbe Trost weit übertrifft aller Menschen Elend. Es hat ja wohl der liebe Sirach, Kap. 40,1. ein rechtes Conterfait und Bild des menschlichen Lebens beschrieben, da er spricht: Dass es sei ein elend jämmerlich Ding um aller Menschen Leben, von Mutterleibe an, bis sie in die Erde begraben werden, die aller Menschen Mutter ist. Da ist immer Sorge, Furcht, Hoffnung und zuletzt der Tod. Aber dagegen muß man halten das himmlische ewige Leben mit seiner Herrlichkeit und Klarheit, 2 Kor. 4,17. So werden wir sehen, dass der Jammer dieses Lebens weit über-troffen wird durch die Herrlichkeit des ewigen Lebens, die uns in Gottes Wort verheißen wird. Es ist wohl die Sünde ein greuliches und erschreckliches Übel, die wir täglich am Halse tragen, um welcher willen wir so viel Jammer und Elend unterworfen sind; aber wenn wir dagegen bedenken, dass Christus unsere Gerechtigkeit sei, so ist der Trost größer, als die Last der Sünde; denn in Christo ist mehr Gerechtigkeit zu finden, als in uns Sünde. Summa, Gottes Wort ist so reich an Trost, dass unsere Herzen nicht genug sein, denselben alle zu fassen: Wie das Ölkrüglein der armen Witwe von Gott so reichlich gesegnet ward durch den Propheten Elisäum, dass es mehr Öls gab, denn Gefäße vorhanden waren, 2 Kön. 4,6. Ja, es ist oft ein Wort in der Schrift, das mehr trösten kann, als der Teufel und die ganze Welt betrüben können, Ps. 65,10. Gottes Brünnlein hat Wasser die Fülle, das wirst du nicht ausschöpfen können. Darum sich Gott nennet Jer. 2,13. die lebendige Quelle. Und Ps. 36,10. Herr! bei dir ist die leben-dige Quelle und in deinem Licht sehen wir das Licht. Sollte nun die sündliche Todesquelle mehr Trübsal geben, als die lebendige Quelle Trostes.

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7. 5) Der fünfte Trostgrund ist, dass St. Paulus der gläubigen Christen Kreuz nennet das Leiden Christi. Denn er spricht: Wie wir des Leidens Christi viel haben; darum 1) weil alle Gläubigen des Herrn Christi geistliche Glieder sein. Gleichwie nun das Haupt die Schmerzen empfindet, wegen der Einigkeit des Haupts und Glieder, also empfindet Christus, unser Haupt, das Leiden und Trübsal seiner Glieder. 2) Weil Christus in seinen Gläubigen wohnet und lebet, und sich mit ihnen vereiniget hat, so leidet er an seinen Gliedern, wird in den-selben verjaget und verfolget, wie der Herr vom Himmel ruft: Saul, Saul! warum verfolgest du mich? Ap. Gesch. 9,4. 3) Weil wir aus Christo neu geboren sind, und er unser ewiger Vater ist, Jes. 9,6. Was nun das Kind leidet, das empfindet der Vater in seinem Herzen. Darum ist aller Gläubigen Leiden auch des Herrn Christi Leiden. Wie kann nun dein Leiden und Kreuz so groß sein, als dieser Trost, dass Christus dein Haupt ist, und du sein Glied; dass er mit dir vereiniget ist, in dir wohnet, und in dir leidet, und all dein Kreuz für sein eigen achtet; dass er dein ewiger Vater ist, und an seinem heiligen Herzen dein Leiden empfindet?

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8. 6) Den sechsten Grund nimmt St. Paulus von dem Ursprung und Fundament all unsers Trostes, welcher ist Christus, indem er spricht: So werden wir auch reichlich getröstet durch Christum. Aller unserer Trübsal Ursprung ist die Sünde, dagegen aber ist der Ursprung all unsers Trostes Jesus Christus, Gottes Sohn. Nun aber ist Christus mächtiger als die Sünde. Derohalben so ist auch Christi Trost mächtiger und größer, als alles Elend, so aus der Sünde kommt, wie St. Paulus sagt, Röm. 5,20. Wo die Sünde mächtig ist, da ist die Gnade viel mächti-ger. Denn es hat Gott wohl gefallen, dass in Christo alle Fülle und Reichtum seiner Gnade wohnen, sollte, Kol. 1,19. Darum hat ihn Gott gesandt, alle Trauri-gen zu trösten, Jes. 61,1. Darum ist keine Traurigkeit und Kreuz so groß, in Christo ist größerer Trost dagegen.

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9. 7) Der letzte Grund, so St. Paulus setzet, ist Christi Herrlichkeit: Wir wissen, wie ihr des Leidens teilhaftig seid, so werdet ihr auch des Trostes teilhaftig sein. Nun wissen wir den unaussprechlichen Reichtum seiner Herrlichkeit, dass er nicht allein seiner Person halben herrlich ist, also, dass seine Gemeine an der-selbigen Herrlichkeit kein Teil oder Gemeinschaft haben solle; sondern Christus ist zu seiner Herrlichkeit erhöhet, als das Haupt seiner Gemeine, zu dem Ende, dass alle seine Glieder dieser Herrlichkeit sollten genießen. Darum spricht St. Paulus: Er sei das Haupt der Gemeine, und die Fülle seines geistlichen Leibes, dass er alles in allem erfülle, Eph. 1,22.23. Wie könnte nun ein Kreuz, Trübsal und Leiden dieser Zeit so groß sein, dagegen wir nicht aus der künftigen Herr-lichkeit größern Trost hätten? Darum St. Paulus dieser Zeit Leiden nicht wert achtet der Herrlichkeit, die an uns soll offenbaret werden, Röm. 8,18.

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10. Wie werden wir nun dieses Trostes teilhaftig? Hiezu gehören fünf Stücke.

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11. 1) Wahre Buße und Erkenntnis der Sünde. Denn ohne Erkenntnis der Sünde kann das Herz nicht getröstet werden. Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken, Matth. 9,12. In der Erkenntnis der Sünde siehet der Men-sch, dass er sich selbst durch die Sünde in solchen Jammer und Elend gestürzt hat. Darum darf er im Kreuz nicht wider Gott murren, sondern wider seine Sünde, Klagl. 3,39. siehet und erkennet auch, dass ihm Gott nicht unrecht tut. Denn gleichwie die Sünde ein allgemeines Übel ist, dadurch alle Menschen vergiftet sein, also trifft auch der Jammer und Trübsal, so aus der Sünde kommt, alle Menschen. Wer aber das von Herzen bekennet, Dan. 9,7. dem wird auch Gott den Trost vom Himmel senden, als einen Engel, wie dem Propheten Daniel, v. 21.

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12. 2) Der Glaube, der an Christo hanget, wie ein Kind an der Mutter Brüsten. Denn der Glaube ists, der da ergreift und sich hält an das Vaterherz Gottes, an den Trost alles Trostes. Er ergreifet Christum, und hält ihn fest, wie Jakob, 1 Mos. 32,26. Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn. Und in Christo sieget der Glaube über Sünde, Tod, Teufel, die Welt und alles Unglück. Denn alle Dinge sind möglich dem, der da glaubet, Mark. 9,23. Und wer glaubet, der wird die Herrlichkeit Gottes sehen, Joh. 11,40.

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13. 3) Das Gebet, welches ist ein Gespräch mit Gott. Gleichwie wir nun Trost und Erleichterung unsers Herzens empfinden, wenn wir einem treuen Freunde unsere Not und Anliegen klagen; also vielmehr wird unser Herz getröstet in dem Ge-spräch mit Gott, wie der liebe David sagt, Ps. 138,3. Wenn ich rufe, so erhöre mich, und gib meiner Seele große Kraft. Das Gebet im Namen Jesu ist gleich wie die Himmelsleiter, 1 Mos. 28,12. darauf wir zu Gott steigen. Es steiget kein Gebet gen Himmel, es steiget ein Engel mit herab; das ist ein Trost Gottes. Welches uns vorgebildet ist in dem Leiden Christi, da der Herr heftiger betete, und es kam ein Engel, und stärkete ihn, Luk. 22,43. Denn Gottes teure Verheißungen, da-rinnen er uns Erhörung zusaget, können nicht verloren sein.

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14. 4) Dass wir des Trostes fähig werden, gehöret dazu das heilige Lob Gottes. In allem Lob Gottes ist eine geistliche Freude. Wer täglich Gott lobet, der ver-richtet eines Engels Amt. Nun wissen wir, dass die heiligen Engel Gott ohne Unterlaß loben, und das Angesicht des Vaters im Himmel sehen. Matth. 18,10. Das ist ihre höchste Freude, ihr Engelbrot, das sie essen. Kann demnach kein Lob Gottes sein ohne Freude und Trost. Daher David spricht: Ich will den Herrn loben allezeit, sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein. Meine Seele soll sich rühmen des Herrn, dass die Elenden hören und sich freuen, Ps. 34,2.3. Da setzet der liebe David Gottes Lob und Freude zusammen, und lehret uns, dass eines aus dem andern herkomme, und an einander hange.

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15. 5) Endlich ist auch das rechte wahrhaftige Mittel Trost zu erlangen, wenn man fleißig Gottes Wort lieset, höret und betrachtet, und auf den Mund des Herrn Achtung gibt. Denn zu dem Ende ist uns Gottes Wort geoffenbaret, dass wir durch Geduld und Trost der Schrift Hoffnung haben, Röm. 15,4.

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16. Und alle vorbenannte Stücke, nämlich wahren beständigen Trost in allerlei Trübsal, und wie wir denselben durch wahre Buße, rechten Glauben, herzliches Gebet und Lob Gottes suchen und zu uns nehmen, müssen wir allein aus Gottes Wort, als dem rechten Trostbrunnen, schöpfen und nehmen.

 

Gebet um Erkenntnis des wahren Trostes.

 

Du Vater der Barmherzigkeit und Gott alles Trostes, der du alle deine Kinder in allerlei Trübsal reichlich tröstest! sei auch bei mir in der Not, reiß mich heraus, mache mich zu Ehren und laß den rechten Tröster, den heiligen Geist, meiner Schwachheit zu Hilfe kommen, mich vorbereiten, stärken, kräftigen und gründen. Weil du mein Gott und Vater bist, dein Kind wirst du verlassen nicht. Deine Güte sei über mich, wie ich hoffe auf dich, Amen.

 

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