DAS FÜNFTE KAPITEL. (1.B./5.K.)

 

WAS DER WAHRE GLAUBE SEI?

 

Inhalt.

1) Beschreibung des wahren Glaubens. 2) Art und Eigenschaft desselben. 3) Gewißheit des Glaubens. 4) Der Glaube ist eine lebendige, göttliche Kraft. 5) Der Glaube macht uns erstlich in Christo gerecht und selig. 6) Nicht aus den Werken, sondern aus Christo kommt die wahre Gerechtigkeit durch den Glauben. 7) Der als ein nackendes Kind alles von Gott umsonst empfängt. 8) Da muß ihm Sünde, Tod, Teufel und Hölle weichen. 9) Der Glaube erneuert uns auch in Christo zum Bilde Gottes. Auch der schwache Glaube hat Teil an Christo.

 

Wer da glaubet, dass Jesus sei der Christ, der ist aus Gott geboren.

1 Joh. 5,1.

 

Der Glaube ist eine herzliche Zuversicht und ungezweifeltes Vertrauen auf Gottes Gnade in Christo verheißen, von Vergebung der Sünden und ewigem Leben, durch das Wort Gottes und den heil. Geist angezündet. Durch diesen Glauben erlangen wir Vergebung der Sünden ganz umsonst, ohne alles unsere Verdienst, aus lauter Gnade, Eph. 2,8. um des Verdienstes Christi willen, auf dass unser Glaube einen gewissen Grund habe und nicht wanke. Und diese Vergebung der Sünden ist unsere Gerechtigkeit, die wahrhaftig, beständig und ewig ist vor Gott. Denn es ist nicht eines Engels Gerechtigkeit, sondern des Gehorsams, Verdienstes und Blutes Christi, und wird unser eigen durch den Glauben. Ob nun dies wohl in großer Schwachheit zugehet, und wir noch mit vielen übrigen Sünden behaftet sind, dennoch werden dieselben zugedecket,

aus Gnaden, um Christi willen, Ps. 32,2.

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2. Durch diese herzliche Zuversicht und herzliches Vertrauen gibt der Mensch Gott sein Herz ganz und gar, ruhet allein in Gott, läßt sich ihm, hanget ihm allein an, vereiniget sich mit Gott, wird teilhaftig alles deß, was Gottes und Christi ist, wird ein Geist mit Gott, empfängt aus ihm neue Kräfte, neues Leben, neuen Trost, Friede und Freude, Ruhe der Seele, Gerechtigkeit und Heiligkeit, und also wird der Mensch aus Gott durch den Glauben neu geboren. Denn wo der wahre Glaube ist, da ist Christus mit aller seiner Gerechtigkeit, Heiligkeit, Erlösung, Verdienst, Gnade, Vergebung der Sünden, Kindschaft Gottes, Erbschaft des ewigen Lebens. Das ist die neue Geburt, die da kommt aus dem Glauben an Christum. Daher die Epistel an die Hebr. am 11,1. den Glauben eine Substanz nennet, oder eine ungezweifelte, wahrhaftige Zuversicht der Dinge, die man hoffet, und eine Überzeugung deß, so man nicht siehet. Denn der Trost des lebendigen Glaubens wird dermaßen im Herzen kräftig, dass er das Herz überzeuget, indem man das himmlische Gut empfindet in der Seele, nämlich Ruhe und Frieden in Gott, so gewiß und wahrhaftig, dass man auch darauf sterben kann mit freudigem Herzen. Das ist die Stärke im Geist an dem inwendi-gen Menschen, und die Freudigkeit des Glaubens, das ist die Freudigkeit in Gott, und die ganz ungezweifelte Gewißheit.

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3. Worauf ich nun sterben soll, das muß mich in meiner Seele stärken, und muß mich von innen durch den heiligen Geist versichern, das muß ein innerer, le-bendiger, ewiger Trost sein, das muß mich auch als eine übernatürliche, gött-liche, himmlische Kraft stärken und erhalten, in mir den Tod und die Welt über-winden; und muß eine solche Versicherung und Vereinigung mit Christo sein, die weder Tod noch Leben scheiden kann, 2 Tim. 1,12. Röm. 8,38. Darum St. Johannes 1 Joh. 5,4. spricht: Alles, was aus Gott geboren ist, überwindet die Welt.

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4. Aus Gott geboren sein, ist wahrlich kein Schattenwerk, sondern ein rechtes Lebenswerk. Gott wird nicht eine tote Frucht, ein lebloses und kraftloses Werk gebären, sondern aus dem lebendigen Gott muß ja ein lebendiger neuer Mensch geboren werden. Und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwindet. Was man überwinden soll, dass muß eine mächtige Kraft sein, soll der Glaube der Sieg sein über die Welt, so muß er eine lebende, obsiegende, tätige, wirkliche, göttliche Kraft sein; ja Christus muß alles tun durch den Glauben. Durch diese Kraft Gottes werden wir wieder in Gott gezogen, zu Gott geneigt, in Gott versetzt und eingepflanzet, aus Adam, als aus einem verfluchten Weinstock, in Christum den gesegneten und lebendigen Weinstock, Joh. 15,4. also, dass wir in Christo besitzen alle seine Güter, und in ihm gerecht werden.

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5. Gleichwie ein Pfropfreisig in einem guten Stamm eingepfropfet, in demselben grünet, blühet und Früchte bringet, außer demselben aber verdorret; also ein Mensch außer Christo ist nichts, als ein verfluchter Weinstock, und alle seine Werke sind Sünde, 5 M. 32,32.33. Ihre Trauben sind Galle, sie haben bittere Beeren, ihr Wein ist Drachengift. In Christo aber ist er gerecht und selig. Darum St. Paulus 2 Kor. 5,21. spricht: Gott hat den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht, auf das wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt.

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6. Daraus siehest du nun, dass dich die Werke nicht können gerecht machen. Denn du mußt zuvor in Christum versetzet sein durch den Glauben, und in ihm gerecht sein, ehe du ein einziges gutes Werk tun kannst, und siehest ja, dass deine Gerechtigkeit Gottes Gnade und Gabe ist, die allem deinem Verdienst zuvorkommt. Wie kann ein toter Mensch gehen, stehen, und etwas Gutes tun, wenn man ihn nicht zuvor lebendig macht? Also weil du in Sünden tot, und Gott abgestorben bist, kann ja kein Gott wohlgefälliges Werk von dir geschehen, wenn du zuvor in Christo nicht lebendig gemacht wirst. Also kommt die Gerechtigkeit allein aus Christo durch den Glauben; denn der Glaube ist im Menschen ein neugeborenes, kleines, nackendes und bloßes Kind, das stehet da bloß vor seinem Erlöser und Seligmacher, unbekleidet und empfängt alles von dem, der es geboren hat, nämlich die Gerechtigkeit, die Frömmigkeit, die Heiligung, die Gnade und den heil. Geist.

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7. Also wird dies nackende Kind mit Gottes Barmherzigkeit bekleidet, hebet die Hände auf, und empfängt alles von Gott; die Gnade samt aller Seligkeit und Frömmigkeit. Dies Empfangen macht fromm, heilig und selig.

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8. Darum kommt die Gerechtigkeit allein aus dem Glauben, und nicht aus den Werken; ja der Glaube empfängt Christum gar, und macht denselben sich gar zu eigen, mit alle dem, was er ist und hat; da muß weichen Sünde, Tod, Teufel und Hölle. Und wenn du auch gleich aller Welt Sünde allein auf dir hättest, kann sie dir nicht schaden; so stark, mächtig und lebendig ist Christus in dir mit seinem Verdienst durch den Glauben.

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9. Und weil nun Christus durch den Glauben in dir wohnet und lebet, so ist ja seine Einwohnung nicht ein totes Werk, sondern ein lebendiges Werk. Daher kommt die Erneuerung aus Christo durch den Glauben. Denn der Glaube tut in mir zwei Dinge: Erstlich versetzt er dich in Christum und macht dir ihn zu eigen. Zum andern erneuert er dich in Christo, dass du in ihm grünest, blühest und lebest. Denn was soll das Pfropfreisig im Stamm, wenns nicht will grünen und Frucht bringen? Und gleichwie zuvor durch den Fall Adams, durch die Ver-führung und Betrug des Teufels, in den Menschen gesäet ist der Schlangen-same, das ist die böse, satanische Art, daraus so eine böse, giftige Frucht gewachsen; also wird durch Gottes Wort und den heiligen Geist der Glaube im Menschen gesäet, als ein Same Gottes, in welchem alle göttliche Tugenden, Arten und Eigenschaften verborgener Weise begriffen sind, und herauswachsen zu einem, schönen und neuen Bilde Gottes, zu einem schönen neuen Baum, darauf die Früchte sind, Liebe, Geduld, Demut, Sanftmut, Friede, Keuschheit, Gerechtigkeit, der neue Mensch, und das ganze Reich Gottes. Denn der wahre seligmachende Glaube erneuert den ganzen Menschen, reiniget das Herz, vereiniget mit Gott, machet das Herz frei von irdischen Dingen, hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, wirket die Liebe, gibt Friede, Freude, Geduld, Trost in allem Kreuz, überwindet die Welt, macht Gottes Kinder und Erben aller himmlischen ewigen Güter und Miterben Christi. Befindet aber jemand die Freudigkeit des Glaubens nicht, sondern ist schwachgläubig und trostlos, der verzage darum nicht, sondern tröste sich der verheißenen Gnade in Christo, denn dieselbe bleibt allezeit, fest, gewiß und ewig. Und ob wir gleich aus Schwachheit fallen und straucheln, so fällt doch Gottes Gnade nicht hin, wenn wir nur durch wahre Buße wieder aufstehen. Christus bleibt auch immer Christus und ein Seligmacher; er werde mit schwachem oder starkem Glauben ergriffen. Es hat auch der schwache Glaube so viel an Christo, als der starke, denn ein jeder, er sei schwach oder starkgläubig, hat Christum ganz zu eigen. Die verheißene Gnade ist allen Christen gemein, und ist ewig, darauf muß der Glaube ruhen, er sei schwach oder stark. Gott wird dir zu seiner Zeit den erquickenden, freuden-reichen Trost wohl widerfahren lassen, ob ers gleich in deinem Herzen eine Zeit-lang verbirgt, Ps. 37,24. und Ps. 77,8-11. Davon im 2. Buch.

 

Gebet um den wahren Glauben.

 

Mein Herr und mein Gott! Weil deine Augen nach dem Glauben sehen, der Glaube aber nicht jedermanns Ding, oder Menschenwerk, sondern allein dein Geschenk und Gabe ist, so erwecke und entzünde in mir des wahren Glaubens Licht und Kraft, durch dein heiliges Wort, Sakrament und Geist, dass ich meinen Heiland lebendig erkennen, das von ihm geschenkte Heil, Friede, Trost und Seligkeit empfinden und schmecken, freudig in Trübsal hoffen, und nicht zweifeln möge an dem, das ich noch nicht sehe; dass ich die Welt in und außer mir über-winden, und aus den Werken den Glauben stets zeigen möge, damit ich der Seligkeit ganz gewiß sei, und mich nicht durch falsche Einbildung eines Mund- und Heuchelglaubens betrüge und verführe. Laß mich, o Jesu! in deiner Liebe und Erkenntnis zunehmen, dass ich im Glauben bleibe, und beständig seie bis ans Ende, Amen.

 

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