Theologische Impulse G
1.
Gott hat jedem Menschen eine Lebensaufgabe zugedacht, die er erfüllen soll. Wer aber noch nicht weiß, welche seine ist, kann sich an vier Punkten orientieren: (1.) An seiner Verortung in der Welt, d.h. an der Stellung, die ihm durch seine Geburt zugewiesen wurde. (2.) An seiner Ausstattung mit Begabungen und „Pfunden“, mit denen sich „wuchern“ lässt. (3.) Daran, dass sich ein Beruf als konkrete Form der Nächstenliebe verstehen lassen muss. Und (4.) an dem Bedarf und der Not, mit der Gott ihn konfrontiert. Dass ein Mensch aber zu gar nichts Gutem berufen wäre und zu gar nichts taugte, kommt in Gottes Ordnung nicht vor.
2.
Gott hat uns in seiner Schöpfung keine passive Rolle zugewiesen, sondern will, dass wir bei der Erhaltung des Lebens mitwirken. Er stattet uns mit Gesundheit, Verstand, Kraft und Zeit aus und möchte, dass unsere Talente in nützlichem Tun für andere Menschen fruchtbar werden. Je mehr Gott dem Einzelnen anvertraut hat, umso mehr kann er auch von ihm erwarten. Darum liegt in jeder Begabung eine Verpflichtung: Wir dürfen gottgegebene Stärken nicht zu eigensüchtigen Zwecken missbrauchen oder sie brachliegen lassen, sondern sollen mit den anvertrauten Pfunden „wuchern“ (Mt 25,14-30).
* – * – * – * – * – * – * – * – *
„Alle deine Gaben empfängst du von Gott; alle gib also Gott auch wieder. Alle Bächlein der Güter fließen aus dieser Quelle der göttlichen Güte; darum sind auch alle Güter wieder in dieses Meer zu versenken. Die Pflanzen, welche Sonnenwende heißen, richten sich immer nach dem Laufe der Sonne, von der sie Leben und Saft empfangen: so wende dich mit allen deinen Gaben und mit aller deiner Ehre zu Gott, und gib dir nichts. Hast du etwas von dir, so magst du deine Ehre suchen und dir selbst deine Gaben geben: aber weil du nichts von dir, alles vielmehr von Gott hast, darum musst du auch nicht deine, sondern Gottes Ehre suchen.“ (Johann Gerhard)
„Alle eigene Liebe, eigener Ruhm, Ehre und Nutz ist aus dem Teufel, und ist des Teufels Fall, dadurch er vom Himmel verstoßen ist. Denn, nachdem Gott den Luzifer zum schönen Engel geschaffen, ihn mit besondern hohen Gaben, Schönheit, Weisheit, Licht und Herrlichkeit begabt, hat er sich in seinen eigenen Gaben gespiegelt, als ein Pfau in seinen Federn, und angefangen sich selbst zu lieben, zu ehren und zu rühmen; das ist der Anfang seines Falls, dass er die Ehre nicht Gott, sondern sich selbst gegeben, seine Liebe von Gott abgewandt zu sich selbsten, da hat ihn Gott verstoßen mit seinen Engeln, die er verführt hatte mit seiner Hoffart.“ (Johann Arndt)
„So sind alle Gaben nicht dein, sondern Gottes, und ohne Gottes Erleuchtung bleibst du ein toter, stinkender Erdklumpen. Und wenn Gott seine Gaben nicht in dich legt, so bleibst du ein leeres Gefäß. Gleichwie die Kleinodien, die man in ein Kästlein legt, nicht des elenden bloßen Kästleins sein, sondern dessen, der sie hinein gelegt hat; also sind die Gaben nicht dein, du bist nur ein bloßes Gefäß dazu. Sollte das elende Gefäß stolzieren wegen des fremden Gutes?“ (Johann Arndt)
Keiner alles, keiner nichts. So hat‘s Gott temperieren wollen, dass beiden dem Hoch- und Kleinmut gewehrt würde. Keiner hat alles. Was dies Leben gibt, ist nur Stück- und Brockwerk. Bist du weise? Vielleicht mangelt‘s dir an Tapferkeit, das ins Werk zu setzen, was dein weiser Sinn ersonnen. Bist du schön? Vielleicht fehlt‘s an Gesundheit und Stärke; was hilft dem Apfel seine Röte, wenn ein Wurm drin steckt? Hast du Gold und Silber? Vielleicht ist kein fröhlich Herz dabei, Reichtum ist ein schlechter Tröster, wenn man betrübt ist. Warum brüstest du dich denn? Gefällst du dir so wohl, wenn du dich in deinen Pfauenfedern bespiegelst? Lieber, wie stehen dir deine kranken Füße an? Du hast doch nicht alles. Was verachtest du den, der geringere Gaben hat, als du? Hat er doch auch etwas, vielleicht was Besseres und Nützlicheres als du. Scheint‘s gering vor deinen Augen, ist‘s doch groß, weil‘s Gottes Gabe ist. Großer Geber. Und wer weiß, ob er mit seiner geringen Gabe nicht größeren Nutzen schafft als du mit deiner großen? Durch geringe Mittel große Dinge tun, bringt Gott die größte Ehre. Keiner hat nichts. Leib und Seele hast du ja, und ein jedes Stück ist von Gott begabt. Was neidest du denn den, der größere Gaben hat, als du? Die Gaben sind nur eine Zumaße des Glaubens. Hast du Gaben und keinen Glauben, findest du mehr Ursach dich zu beweinen als zu erheben. Ist Glaube da, und fehlt an Gaben, hast du nicht Ursach jemand zu neiden. Der Glaube ist das Hauptgut, durch den Glauben kannst und sollst du dich für den allergrößten und vornehmsten Menschen halten. Denn es ist ein Heil, ein Reichtum, eine Hoheit in Christo allen Gläubigen gemein; du hast eben so viel in Christo, als der Allerheiligste. Denke, dass es Gott sei, der einem jeden das Seine zuteilt, nachdem er will; mit Gottes Mäßlein sei zufrieden, Gott weiß am besten, wie viel dir dient. Hast du doch mehr als du wert bist und nützlich anlegen kannst. Je weniger dir gegeben ist, je weniger wird von dir gefordert werden. Mit vielen Pfunden muss man viel wuchern; hüte dich, dass du nicht mit der undankbaren Welt sagst: Kleine Gaben keine Gaben; das gereicht zur Verachtung des Gebers, der in die kleinsten Dinge seine größte Ehre gelegt hat. Danke Gott für die kleinen Gaben, und bitte, dass er dadurch großen Nutzen schaffe; nicht allein die Gaben, sondern auch die Wirkung kommt vom Himmel, und Gott hat bisweilen große Ursach, geringere Gaben mit mehrerem Nutzen zu segnen, als die größeren, weil er größere Aufrichtigkeit bei den Geringern sieht, welche die Schärflein der Witwen schwerer macht als die großen Goldstücke der Pharisäer. Ich will vorlieb nehmen mit dem, was Gott gibt. Alles zu begehren wäre nur Torheit, weil mir alles nicht werden kann. Etwas hat mir ja Gott gegeben. Er gebe nun auch, dass ich‘s so anlege, damit ich dermaleinst die erwünschte Freudenstimme hören möge: Wohlan, du getreuer und frommer Knecht, du bist über wenig getreu gewesen, ich will dich über viel setzen, gehe ein zu deines Herrn Freude.
(Heinrich Müller)
1.
Eigentlich sollte das Beten einem Christen so natürlich sein wie das Atmen. Doch als „Anrede des Menschen an den Willen, den er über sich weiß“ wirkt das Gebet oft naiv oder anmaßend. Allerdings liegt seine Berechtigung gar nicht darin, dass es uns vernünftig und möglich erscheinen könnte, sondern allein darin, dass Gott es fordert. Er selbst beginnt das Gespräch durch sein biblisches Wort. Er redet uns an. Und nicht zu reagieren, wäre sehr unhöflich – zumal Gott selbst für gelingende Kommunikation sorgt: Es ist Gottes eigener Geist, der durch uns betet, wenn wir zu Gott beten.
2.
Beten ist keine menschliche Möglichkeit, denn als Sünder sind wir „unreiner Lippen“ und haben Grund, den offenen Austausch mit Gott zu scheuen. Keine „Gebetstechnik“ vermag diese Distanz zu überwinden, solange wir im eigenen Namen beten. Das Gebet im Namen Christi dagegen findet Gehör, weil Christi Brüder und Schwestern seinen Vater mit Fug und Recht „Vater unser“ nennen dürfen. „Gebetstechnik“ spielt dabei keine Rolle. Denn der Heilige Geist vertritt uns vor Gott, wie es ihm gefällt.
3.
Jesus hat seine Jünger gelehrt, dass sie nicht nur beten dürfen, sondern dass sie beten sollen. Der Sinn des Gebets liegt aber nicht darin, dass ich Gott über etwas informiere, was er sonst nicht wüsste, oder bei ihm etwas erreiche, was er mir sonst nicht gegeben hätte, sondern darin, dass ich mit Gott im Gespräch bin. Der Betende sucht Gottes Nähe um dieser Nähe willen. Das Ziel des Gebets liegt darum nicht irgendwo „jenseits“ des Gebets, so dass es nur Mittel zum Zweck wäre, sondern das Ziel liegt im Gebet selbst – in dem ich mich für Gott, und Gott sich für mich öffnet.
4.
Ein Gebet versucht Gott nichts „abzuschwatzen“, was er nicht geben will, sondern bittet nur um das, was Gott aus Gnade zu geben versprochen hat – und fordert ihn auf, sich auch im Leben des Beters als der zu erweisen, der er nach biblischem Zeugnis ist und sein möchte. Gott wird zu nichts „überredet“, wird aber an seine Verheißungen erinnert. Bei deren Erfüllung möchte der Beter nicht übersehen werden, sondern macht betend auf sich aufmerksam, damit Gottes Güte auch auf ihn, seine Situation und seinen Umkreis Anwendung finde.
* – * – * – * – * – * – * – * – *
„Welches Gebet meint wohl St. Peter? Meint er das Gebet des Mundes, das manche Menschen Gebet nennen, nämlich oft den Psalter zu lesen? Nein, das meint er nicht, sondern er meinte das Gebet, von dem unser Herr Jesus Christus sprach als dem wahren Gebet und den wahren Anbetern: sie beten im Geist und in der Wahrheit (Joh. 4,24). Die Heiligen und die Meister sagen: Das Gebet ist ein Aufgang des Gemütes in Gott. Lesen und Beten mit dem Munde dient manchmal dazu, und insofern kann es löblich sein. So ist es auch mit meiner Kappe und meinen Kleidern: Das bin ich nicht selbst, aber sie dienen mir. Ebenso dient alles Gebet des Mundes etwas zu dem wahren Gebet, ist es aber nicht, sondern da muss der Geist und das Gemüt unmittelbar in Gott gehen. Das allein ist das Wesen des wahren Gebetes und nichts anderes. Dass das Gemüt mit Liebe in Gott eingehe, in innigem Begehren, in demütiger Unterwerfung unter Gott, das ist allein das wahre Gebet.“
(Johannes Tauler)
„Fromm sein und beten, das ist eigentlich eins und dasselbige. Alle Gedanken von einiger Wichtigkeit, die in uns entstehen, mit dem Gedanken an Gott in Verbindung bringen, bei allen Betrachtungen über die Welt sie immer als das Werk seiner Weisheit ansehen, alle unsere Entschlüsse vor Gott überlegen, damit wir sie in seinem Namen ausführen können, und selbst im fröhlichen Genuss des Lebens seines allsehenden Auges eingedenk sein, das ist das Beten ohne Unterlass, wozu wir aufgefordert werden, und eben das macht das Wesen der wahren Frömmigkeit aus.“
(Schleiermacher)
„Wer nicht betet noch Gott anruft in seiner Not, der hält ihn gewisslich nicht für einen Gott, gibt ihm auch nicht seine göttliche Ehre.“
(Martin Luther)
„Ohne Gebet findet man Gott nicht; das Gebet ist ein solches Mittel, dadurch man Gott sucht und findet.“
(Johann Arndt)
„Fromm sein und Beten, das ist eigentlich ein und dasselbe.“
(Schleiermacher)
„Beten ist in der Religion, was Denken in der Philosophie ist. Beten ist Religion-machen. Der religiöse Sinn betet, wie das Denkorgan denkt.“
(Novalis)
„Es ist ... gerade das Beten, worauf wesentlich der religiöse Lebensprozess des Individuums beruht, der Prozess der sich allmählich vollziehenden reellen Einwohnung Gottes in dem menschlichen Individuum und das religiöse Leben des letzteren. Deshalb wird mit Recht der Nichtbetende als religiös tot betrachtet.“
(Richard Rothe)
„Religion ist überall da, wo sie im Menschen lebendig ist, Gebet.“
(Adolf Deißmann)
„Nimm das Gebet aus der Welt, und es ist, als hättest du das Band der Menschheit mit Gott zerrissen, die Zunge des Kindes gegenüber dem Vater stumm gemacht.“
(Gustav Th. Fechner)
„Religion und Gebet fallen nicht zusammen, aber sind miteinander verbunden wie Leben und Atmen, wie Geist und Sprache. So wenig es eine echte Religion gibt ohne die Gottesidee und ohne den Ewigkeitsgedanken, so wenig gibt es ein echtes religiöses Leben ohne Gebetsleben. Das Gebet ist das Offenbarwerden des Gottesbesitzes, der im Jenseits sich vollendet, im Diesseits aber sich anbahnt in Glauben, Hoffen, Lieben. Gottesglauben, Gottvertrauen, Gottesliebe, in heiliger Gemeinsamkeit verbunden und lebendig geworden in Geist und Gemüt, ausgesprochen laut vor der Gemeinde oder still vor Gott allein, mit oder ohne Wortsprache – das ist das Gebet, wie es als heilige Übung in ununterbrochener Kette von den Gottesfreunden aller Zeitenfolge ist gepflegt worden. Und wenn es gilt, den Weg anzugeben, auf welchem die Religion ihren Segen an die Menschheit vermittelt, so kann auch die höchste theologische Spekulation und die glänzendste Form der religiösen Beredsamkeit sich nicht vergleichen mit dem echten, schlichten, herzenswarmen Gebete. Im Gebete kommt die Erkenntnis der religiösen Wahrheit zu unmittelbarer Fruchtbarkeit, fließt der Strom der Tröstung über die Erde, quillt die sittliche Kraft, die dem religiösen Gedanken innewohnt, in die Seelen, besiegelt sich das Band, welches die Menschen mit ihrem Gott vereint, aber zugleich auch miteinander zu einer großen Familie zusammenschließt. Wer darum in keiner Weise betet, von dem ist zu sagen, dass er aus dem Vaterlande der Menschheit, aus dem Quellenbereiche der religiösen und sittlichen Hoheit fortgegangen ist in die Fremde.“
(Joseph Zahn)
„Da das Gebet derjenige Akt ist, durch den wir unser Wollen zu Gott wenden, besteht die Religion vor allem im Gebet. Religiös sein heißt beten können; irreligiös sein heißt unfähig zum Gebet sein. Der Kampf um die Religion ist der Kampf um das Gebet; die Theorie der Religion ist die Philosophie des Gebets. Normales Gebet ist normale Religion, verdorbenes Gebet verfälschte Religion.“
(A. Schlatter)
„Das Gebet ist ein völlig zutreffender Gradmesser für das religiöse Leben der Seele. Wenn man wüsste, was und wie ein Mensch betet, so würde man seinen ganzen Besitz an Religion klar überschauen können. Wenn der Mensch ohne Zeugen mit seinem Gott redet, dann steht die Seele unverhüllt vor ihrem Schöpfer. Was sie dann zu sagen hat, zeigt ganz deutlich, wie arm oder reich sie ist.“
(Karl Girgensohn)
„Ich kann mir keine schönere Aufgabe denken als die Geschichte des Gebets, d.h. die Geschichte dessen, was die Kreatur zu ihrem Schöpfer gesprochen hat, eine Geschichte, die uns lehren würde, wann und warum und wie der Mensch dazu gekommen ist, Gott all sein Elend und sein Glück, all sein Bangen und Sehnen zu enthüllen.“
(Montalembert)
„Was meint der schlichte, von keiner Reflexion angekränkelte Fromme, wenn er betet? Er glaubt mit dem unmittelbar gegenwärtigen, persönlichen Gott zu reden, mit ihm zu verkehren, mit ihm in lebendigem, innerem Austausch zu stehen. Es sind näherhin drei Momente, welche die innere Struktur des Gebetserlebnisses bilden: der Glaube an den lebendigen, persönlichen Gott, der Glaube an seine reale, unmittelbare Präsenz und der dramatische Verkehr, in den der Mensch mit dem als gegenwärtig erlebten Gott tritt. Jedes Gebet ist eine Hinwendung des Menschen an ein anderes Wesen, dem er sich innerlich aufschließt und mitteilt, Rede des Ich zu einem Du. Dieses Du, dieser andere, mit dem der Fromme in Beziehung tritt, dem er im Gebet gegenübersteht, ist kein Mensch, sondern ein übersinnliches, übermenschliches Wesen, von dem er sich abhängig fühlt, aber ein Wesen, das deutlich die Züge der menschlichen Persönlichkeit trägt: Denken, Wollen, Fühlen, Selbstbewusstsein. „Das Gebet ist das Sichwenden des persönlichen Geistes an einen persönlichen Geist“ (Tylor).“
(Friedrich Heiler)
„Der Glaube an die Persönlichkeit Gottes und die Gewissheit seiner Gegenwart sind die beiden Voraussetzungen des Gebets. Das Gebet selbst ist aber kein bloßer Glaube an die Realität eines persönlichen Gottes – ein solcher Glaube liegt auch einer theistischen Metaphysik zugrunde – und keine bloße Erfahrung seiner Präsenz – diese begleitet das ganze Denken und Leben der großen Frommen. Das Gebet ist vielmehr eine lebendige Beziehung des Menschen zu Gott, ein Fühlungnehmen, eine Zuflucht, eine unmittelbare Berührung, ein innerer Kontakt, ein persönliches Verhältnis, ein wechselseitiger Austausch, eine Zwiesprache, ein Umgang, ein Verkehr, eine Gemeinschaft, eine Vereinigung zwischen einem Ich und Du.“
(Friedrich Heiler)
„Die phänomenologische Untersuchung der Anbetung und Andacht lässt das Wesen des Gebets im schärfsten Lichte hervortreten. Das Gebet ist kein bloßes Erhabenheitsgefühl, keine bloße weihevolle Stimmung, kein bloßes Niedersinken vor einem höchsten Wert; das Gebet ist vielmehr ein wirklicher Umgang des Menschen mit Gott, ein lebendiger Verkehr des endlichen Geistes mit dem unendlichen. Eben deshalb, weil der moderne Mensch keine rechte Vorstellung hat von der Unmittelbarkeit und Innigkeit des Gebetsverhältnisses, in dem der naive Fromme zu Gott steht, verwechselt er die Anbetung und Andacht, diese allgemeineren religiösen Phänomene, die ihre Analogien auch außerhalb der religiösen Erlebnissphäre haben, mit dem echten Gebet. Weil der in den Vorurteilen einer rationalistischen Philosophie befangene neuzeitliche Mensch sich sträubt gegen den urwüchsigen Realismus des naiven Betens, ist er geneigt, in vager Andachtsstimmung und in ästhetischer Kontemplation das Wesen und Ideal alles Betens zu erblicken. Aber einem in die Tiefe dringenden psychologischen Studium enthüllt sich das Wesen des Gebets mit unzweideutiger Klarheit: Beten heißt mit Gott reden und verkehren, wie der Schutzflehende mit dem Richter, wie der Diener mit dem Herrn, wie das Kind mit dem Vater, wie die Braut mit dem Bräutigam.“
(Friedrich Heiler)
„Das Gebet ist ein lebendiger Verkehr des Menschen mit Gott. Das Gebet bringt den Menschen in unmittelbare Berührung mit Gott, in ein persönliches Verhältnis zu ihm. Durch das Gebet wird die Religion ein Leben in Gott, eine Gemeinschaft mit dem Ewigen. Ohne das Gebet bleibt der Glaube eine theoretische Überzeugung; ohne das Gebet ist der Kultus nur äußeres Formwerk; ohne das Gebet entbehrt das sittliche Tun der religiösen Tiefe; ohne das Gebet bleibt die Gottesliebe stumm; ohne das Gebet bleibt der Mensch Gott ferne, gähnt ein Abgrund zwischen dem Endlichen und Unendlichen.“
(Friedrich Heiler)
„Müde bin ich, geh zur Ruh. Schließe meine Augen zu. Vater, lass die Augen dein über meinem Bette sein. Hab ich Unrecht heut getan, sieh es, lieber Gott, nicht an. Deine Gnad’ und Christi Blut machen allen Schaden gut! Alle, die mir sind verwandt, Gott, lass ruhn in deiner Hand. Alle Menschen, groß und klein, sollen dir befohlen sein! Kranken Herzen sende Ruh, nasse Augen schließe zu. Lass in deiner Engel Wacht sanft uns ruhn in dieser Nacht!“
(Luise Hensel)
„Bleibe bei uns, Herr, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. Bleibe bei uns und bei allen Menschen. Bleibe bei uns am Abend des Tages, am Abend des Lebens, am Abend der Welt. Bleibe bei uns mit deiner Gnade und Güte, mit deinem Wort und Sakrament, mit deinem Trost und Segen. Bleibe bei uns, wenn über uns kommt die Nacht der Trübsal und Angst, die Nacht des Zweifels und der Anfechtung, die Nacht des bitteren Todes. Bleibe bei uns und bei allen deinen Kindern in Zeit und Ewigkeit.“
(Altes Kirchengebet)
„Es gibt keine denkbare Entschuldigung für die Gebetslosen. Ein Mann, der Hungers stirbt, wenn Brot vor ihm liegt, und an einer Krankheit dahinscheidet, wenn das Heilmittel in seiner Hand ist, verdient kein Mitleid; und wer unter der Last seiner Sünden zur Hölle sinkt, weil er nicht beten will: «Gott sei mir Sünder gnädig», verdient alles, was in dem Worte Verdammnis liegt. Vergebung, Leben, Seligkeit, alles ist zu haben, wenn man nur darum bittet; und wenn der, welcher nicht bittet, nicht empfängt, wer will die Gerechtigkeit oder die Barmherzigkeit Gottes tadeln?“
(Spurgeon)
„Dies Gebet hat große Kraft, das ein Mensch leistet mit aller seiner Macht. Es macht ein saures Herz süß, ein trauriges Herz froh, ein armes Herz reich, ein dummes Herz weise, ein blödes Herz kühn, ein krankes Herz stark, ein blindes Herz sehend, eine kalte Seele brennend. Es zieht hernieder den großen Gott in ein kleines Herz; es treibt die hungrige Seele hinauf zu dem vollen Gott.“
(Mechthild von Magdeburg)
Ein tägliches Gebet:
„Lieber himmlischer Vater,
ich bekenne – und du siehst es ja auch –, dass ich überall, wo ich gehe oder stehe, inwendig und auswendig mit Haut und Haar, mit Leib und Seele ins höllische Feuer gehöre. Und du siehst auch, Vater, dass nichts Gutes in mir ist, das ich vorweisen könnte. Da ist nicht ein einziges Haar auf meinem Kopf, das nicht der Verdammung wert wäre. Was soll ich darüber viele Worte machen? Aber, lieber Vater, – ich sei nun, was ich wolle – ich bitte dich alle Tage, dass du deine Aufmerksamkeit nicht auf mich richtest und deine Augen nicht zu mir wendest als auf den elenden Sünder, der ich bin (da wäre es aus mit mir), sondern ich bitte dich, dass du meiner immer als eines Menschen gedenkst, der zu deinem lieben Sohn Jesus Christus gehört. Betrachte mich keine Sekunde und schau mich nicht an, ohne immer zugleich seiner zu gedenken, ja, sieh mich überhaupt nur mit ihm zusammen, so als wenn Christi Gesicht das meine wäre. Denn so will er das haben – er will mein Fürsprecher, Verteidiger und Erlöser sein – und um seinetwillen vergiss bitte, was ich für mich allein genommen bin. Denke mich jederzeit in Christus inbegriffen – und sei mir dann um seinetwillen gnädig. Denn dein Sohn zahlte am Kreuz den denkbar höchsten Preis. Er brach den Fluch, der auf mir lag. Darum, himmlischer Vater, lass seinen Einsatz für mich nicht vergeblich gewesen sein, sondern halte mir zugute, was Christus für mich tat. Lass seinen Gehorsam für meinen gelten und rechne mir seine Gerechtigkeit an, weil ich doch selbst keine habe. Anders kann ich nicht vor dir bestehen. Und einen anderen Grund, warum du mir vergeben solltest, weiß ich nicht zu nennen. Umso entschiedener berufe ich mich aber auf das, was Christus mir freundlich zugesagt hat – dass er für mich gerade stehen und mich nicht hinausstoßen will – damit du, wenn du einmal meine Seele von mir forderst, sie nicht verdammen musst, sondern Christus in mir und mich in Christus findest. In deine treuen Hände befehle ich meinen Geist. Amen.“
(frei nach einem Gebet Luthers)
Dies ist das gerechte Strafurteil Gottes, dass der Mensch, der einst Macht und Herrschaft über alle anderen Geschöpfe hatte, sich aber stattdessen freiwillig und in Missachtung des göttlichen Gebots dem Willen seiner Untergebenen unterwarf, nun, da er Gottes Gebot erfüllen will, erkennen und erfahren muss, wie alle Geschöpfe, die ihm eigentlich untertan sein sollten, sich hochmütig über ihn erheben und sich zwischen ihn und seinen Gott stellen. Die Wolke des Nichtwissens (Anonym, 14. Jh.)
Ein für alle Mal schreibt dir darum ein kurzes Gebot Folgendes vor: Liebe und tu, was du willst! Wenn du schweigst, schweige aus Liebe; sprichst du, so sprich aus Liebe; wenn du tadelst, tadle aus Liebe; wenn du verzeihst, verzeih aus Liebe. Die Wurzel der Liebe soll das Innerste deines Herzens sein: Aus dieser Wurzel kann nichts als Gutes hervorkommen. Augustin
Martin Luther ist in seinem Leben durch manche Anfechtungen und Prüfungen gegangen. Sein letzter Halt war das erste Gebot: „Wenn mir alles unbegreiflich vorkommt, ja, wenn sogar das Bild des Heilandes mir zeitweilig verdunkelt wird, dann ist mein letzter Halt das, was Gott im ersten Gebot gesagt hat: Ich bin der Herr, dein Gott! Also die Wahrheit: Ich habe mich nicht selbst erschaffen, ich bin nicht allein mit mir selber und mit meinem Schicksal. Ich stehe in der Hand dessen, ohne den ich keinen Atemzug tun könnte. Gott hätte mich nicht erschaffen, wenn er kein Ziel mit mir hätte. Er fängt kein Werk an, um es dann unvollendet wegzuwerfen und liegen zu lassen!”
Sehnsucht zum Licht ist des Lebens Gebot. Henrik Ibsen
1.
Gottes Gesetz ist die „Hausordnung“, die der Schöpfer seiner Schöpfung gegeben hat. Ihre Notwendigkeit und Güte müsste eigentlich jeder einsehen. Für uns Sünder allerdings, die wir das geforderte Gute nicht vorbehaltlos bejahen, wird das Gesetz zur Bedrohung, weil es unser Versagen schonungslos aufdeckt. Die Einsicht in das eigene Versagen ist aber in Wahrheit ein Gewinn: Das Gesetz zwingt uns dadurch, nicht auf die eigene Moralität, sondern auf die Gnade Gottes zu vertrauen.
2.
Unser Scheitern an Gottes Geboten verdirbt uns die Lust daran. Denn Gottes Gesetz scheint für nichts anderes zu taugen, als dass es unser Versagen aufdeckt. Es ist der Eisberg, an dem die „Titanic“ menschlicher Selbstsicherheit zerschellt. Doch ist das in Wahrheit gut so! Denn was da zerbricht, war eine Illusion. Erreicht der Schiffbrüchige aber das Rettungsboot, das man Kirche nennt, und schlüpft bei Christus unter, so kommt er unter Jesu Führung an das Ziel, zu dem ihn seine „Titanic“ (sein stolzes Bemühen um Vervollkommnung) niemals hätte bringen können.
„Das Pferd macht den Mist im Stall, und obgleich der Mist einen Unflat und Stank an sich hat, so zieht dasselbe Pferd doch den Mist mit großer Mühe auf das Feld, und daraus wächst schöner Weizen und der edle, süße Wein, der niemals wüchse, wäre der Mist nicht da. Also trage deinen Mist - das sind die Gebrechen, die du nicht abtun, ablegen noch überwinden kannst - mit Mühe und mit Fleiß auf den Acker des liebreichen Willens Gottes in rechter Gelassenheit deiner selbst. Es wächst ohne Zweifel in einer demütigen Gelassenheit köstliche, wohlschmeckende Frucht daraus.“
(Johannes Tauler)
Aus sich nichts machen und andere gern für besser und höher achten, als man selber sein mag – das ist große Weisheit und Vollkommenheit. Und sähst du einen andern öffentlich sündigen oder einen schweren Fall tun: So halte dich deshalb nicht für besser als ihn. Denn sieh: Du weißt ja nicht, wie lange du selbst noch im Guten feststehen wirst. Gebrechlich sind wir alle, aber gebrechlicher als du sei in deinen Augen keiner. Thomas von Kempen
Manchem erscheint seine Religion „zufällig“, weil er – anderswo geboren – etwas anderes glauben würde. Doch unterlaufen dabei mehrere Denkfehler. Der Betreffende wäre „woanders geboren“ gar nicht er selbst, sondern „ein anderer“. Und wenn dieser „andere“ etwas anderes glaubte – was besagt das schon? Im Übrigen handelt es sich um einen zirkulären Schluss: man hält die Religion für zufällig, weil man voraussetzt, die Geburt sei zufällig. Das ist aber eine ganz willkürliche, mit dem christlichen Schöpferglauben nicht vereinbare Unterstellung.
* – * – * – * – * – * – * – * – *
„Die Kinder Gottes haben dreierlei Geburtstage. Durch den ersten kommen sie zu dem Licht dieser unteren Welt. Da weint das Kind aus gutem Grund; aber die Eltern freuen sich. Durch den zweiten, den Gnadengeburtstag, nämlich die Wiedergeburt, werden sie stufenweise aus dem engen finstern Naturzustand ins Licht der Gnade versetzt. Da weint der Mensch auch meistens; aber es freuen sich die Engel im Himmel, sobald ein Sünder Buße tut. Das, was wir Tod nennen, das nannten und feierten die ersten Christen als einen Geburtstag der Märtyrer und Heiligen. Dieser dritte Geburtstag, der leibliche Tod, erlöst Gottes Kinder aus dieser bangen Welt, aus dem Gefängnis des Leibes und aus aller Seelengefahr, da sie versetzt werden in die Weite der lieben Ewigkeit. Zwar geht es auch bei dieser letzten Geburt oft sehr unansehnlich und bedrängt her, dass das Gnadenkind stöhnen und weinen muss, bis es durchkommt. Aber alles zu seinem Besten. Bald ist’s getan, da es mit Jesus wird heißen: „Es ist vollbracht.“ Die Engel stehn bei dieser Geburt schon bereit, das zur seligen Ewigkeit geborene Kind auf ihre Arme zu nehmen und in Gottes Schoß zu tragen. Da freuen sie sich, dass ein Mensch zur Licht- und Freudenwelt geboren ist.“ (Gerhard Tersteegen)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Als du auf die Welt kamst, weintest du, und um dich herum freuten sich alle. Lebe so, dass, wenn du die Welt verlässt, alle weinen und du allein lächelst! Aus China
Geboren werden heißt, zu sterben anfangen. Laotse
Wer das Licht der Welt erblickt, wird das Dunkel schon noch kennenlernen. Joachim Ringelnatz
Was ist das, ein Mensch? Macht ihn seine Geburt dazu? Nein, nennt ihn wie ihr wollt, sie macht ihn nur zum Sohn seines Vaters. Pierre Carlet de Marivaux
1.
Selten wird der Maler zum Bild und der Töpfer zum Topf. Doch Gott wird Mensch. Der Schöpfer wird das, was er gemacht hat, damit, was er gemacht hat, nicht zugrunde geht. Er gibt der Menschheit nicht, was sie verdient, sondern gibt ihr – sich selbst. Er teilt sich der Menschheit mit, indem er ihr Leben mit ihr teilt. Er eignet sich ihr Elend an, um es zu überwinden. Er stellt sich zu den Verlorenen – und macht sie damit zu Gefundenen. Das Gewicht seiner Liebe zog Gott auf die Erde hinab! Er schlüpfte in unser Leben und durchlief all seine Stationen, um wieder herzustellen, was kaputt war und wiederzufinden, was verloren war.
2.
Die Geburt Christi
Das Gedächtnis ist die Sparbüchse des Geistes. Aus den „Fliegenden Blättern“
Jeder klagt über sein Gedächtnis, niemand über seinen Verstand. Rochefoucauld
Wenn du dich zur Versöhnlichkeit geneigt fühlst, so frage dich vor allem, was dich eigentlich so milde stimmte: schlechtes Gedächtnis, Bequemlichkeit oder Feigheit. Arthur Schnitzler
„Es gibt einen Mühlstein, der immerdar umläuft. Der Herr hat ihn seinem Knecht mit dem Befehl übergeben, dass er nur gutes Getreide, Weizen, Gerste oder Hafer darauf mahlen möge. Diesem Knecht nun stellt ein Feind nach, der, so oft er den Stein leer findet, entweder Sand darauf wirft, der ihn zerfrisst, oder Pech, das ihn verklebt, oder Spreu, die ihn umsonst beschäftigt. Höre nun, was das Gleichnis sagen will. Der Mühlstein ist das menschliche Herz, welches beständig von Gedanken getrieben wird. Nur Gutes zu denken, hat Gott einem jeden geboten. Die tiefen und ruhigen Gedanken über Gott gleichen dem Weizen, die Erhebungen der Seele zur Andacht der Gerste, die Entschlüsse zur Tugend dem Hafer. Solches alles soll der Mensch denken, um sich ewige Speise zu bereiten. Aber der Teufel stellt ihm immerdar nach, und findet er das Herz leer von guten Gedanken, so erfüllt er es sogleich mit bösen. Einige davon verzehren es, wie Zorn und Neid, andere verschließen es, wie Wollust und Üppigkeit, andere beschäftigen es umsonst, wie eitle Ruhmbegier.“
Anselm (+1109)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Taten. Achte auf deine Taten, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter. Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal! Aus dem babylonischen Talmud
Auf böse und traurige Gedanken gehören ein gutes und fröhliches Lied und ein freundliches Gespräch. Martin Luther
Der Mensch ist sichtlich geschaffen, um zu denken. Dies ist seine ganze Würde und sein ganzes Verdienst; und seine ganze Pflicht ist es, richtig zu denken. Nun verlangt aber die Ordnung der Gedanken, dass man mit sich selbst, seinem Schöpfer und seinem Endzweck beginnt. Woran aber denkt die Welt? Daran niemals, sondern an Tanz, Lautenspiel, Gesang, Verseschmieden, Ringelstechen usw. und daran, sich zu schlagen, sich zum König zu machen, ohne darüber nachzudenken, was es bedeutet, König zu sein, und was, Mensch zu sein. Blaise Pascal
Die Menschen schämen sich nicht, etwas Schmutziges zu denken, aber wohl, wenn sie sich vorstellen, dass man ihnen diese schmutzigen Gedanken zutraue. Friedrich Nietzsche
Die Sprache ist uns nicht gegeben, damit wir uns gegenseitig täuschen, sondern damit wir unsere Gedanken anderen mitteilen können. Augustin
Dumme Gedanken hat jeder, aber der Weise verschweigt sie. Wilhelm Busch
Ein Gedanke, der richtig ist, kann auf die Dauer nicht niedergelogen werden. Otto von Bismarck
Ein gewöhnlicher Verstand ist wie ein schlechter Jagdhund, der die Fährte eines Gedankens schnell annimmt und schnell wieder verliert; ein außerordentlicher Verstand ist wie ein Leithund, der unbeirrbar fest auf der Fährte bleibt, bis er das Lebendige ereilt hat. Hugo von Hofmannsthal
Mein Gebet ist voll Zerstreuung. Ich bin sehr oft nicht da, wo der Leib sitzt oder steht; ich bin da oder dort, wohin meine Gedanken mich mit sich fortreißen. Ich bin da, wo mein Gedanke ist, und mein Gedanke ist da, wo meine Liebe ist, und meine Liebe ist da, wo das ist, was ich liebe. Da fühle ich recht die Wahrheit des Wortes: Wo dein Schatz ist, da ist dein Herz (Matthäus 6,21). Thomas von Kempen
Steril ist der, dem nichts einfällt; langweilig ist, wer ein paar alte Gedanken hat, die ihm alle Tage neu einfallen. Marie von Ebner-Eschenbach
Um einen falschen Gedanken mit Erfolg zu widerlegen, muss man bekanntlich ein ganzes Buch schreiben und den, der den Ausspruch getan hat, überzeugt man doch nicht. Otto von Bismarck
Vom Künstler und dem Gedanken gelte das Nestroysche Wort: Ich hab’ einen Gefangenen gemacht, und er lässt mich nicht mehr los. Karl Kraus
Wer nicht die Heilige Schrift hat, muss sich mit seinen Gedanken begnügen. Wer keinen Kalk hat, mauert mit Dreck. Martin Luther
Wie selbst der kräftigste Arm, wenn er einen leichten Körper fortschleudert, ihm doch keine Bewegung erteilen kann, mit der er weit flöge und heftig träfe, sondern derselbe schon in der Nähe matt niederfällt, weil es ihm an eignem materiellen Gehalte gefehlt hat, die fremde Kraft aufzunehmen; ebenso ergeht es schönen und großen Gedanken, ja, den Meisterwerken des Genies, wenn, sie aufzunehmen, keine andere, als kleine, schwache oder schiefe Köpfe da sind. Dies zu bejammern haben die Stimmen der Weisen aller Zeiten sich zum Chorus vereint. Arthur Schopenhauer
Es ist nicht so, dass der geduldige Mensch nichts wollte, oder es ihm weniger wichtig wäre als dem Ungeduldigen. Nein! Auch der Geduldige verfolgt ein Ziel. Aber sein entschlossener Wille verbindet sich mit langem Atem, Beharrlichkeit und Ausdauer, weil er von seinem Ziel auch dann nicht ablässt, wenn andere Ziele leichter zu erreichen wären. Das Leiden am Unverfügbaren auszuhalten, ist das Wesentliche an der Geduld. Ein Christ braucht besonders viel Geduld, hat aber auch besonders guten Grund dazu, weil Gott selbst verbürgt, dass seine Geduld sich lohnt.
* – * – * – * – * – * – * – * – *
„Was ist die Geduld? Wo man um seines Gottes willen alles Leiden, welches sonsten Fleisch und Blut zuwider ist, willig annimmt, siehet es an, wie es von seiner Hand herkommt, und sich seiner Gnade darinnen getröstet, mit dem Entschluss, so lang es Ihm gefällig ist, solches ohne Murren zu tragen, in dem Leiden selbst Ihn zu preisen, und zu seiner Zeit die Hilfe von seiner weisen und gütigen Hand zu erwarten.“ (Philipp J. Spener)
„Geduld ist eine solche Tugend, die mit sanftmütigem, stillem, demütigem, gehorsamem Herzen sich dem lieben Kreuz unterwirft, und allerlei Widerwärtigkeit, Trübsal und Verfolgung, sie sei geistlich oder leiblich, als Christi Kreuz und Joch auf sich nimmt, und Christo nachfolget, wider Gott nicht murret, sondern im Glauben erkennet, dass wir einen gnädigen Gott in Christo haben; welche auch durch Hoffnung der Erlösung das Kreuz lindert und ist eine Sanftmut gegen die, so uns beleidigen und verfolgen, befiehlt Gott die Rache, und kommt nicht her aus der Vernunft, oder Fleisch und Blut, sondern ist eine besondere Gabe des heiligen Geistes, und eine Frucht des wahren Glaubens.“ (Johann Arndt)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Alle wollen Frieden haben, aber das, was allein wahren Frieden schaffen kann, das wollen nicht alle. Gottes Friede kehrt bei denen ein, die demütig und sanftmütig und es von ganzem Herzen sind. Gottes Friede wohnt da, wo viel Geduld wohnt. Gottes Friede bleibt da, wo man sein Wort gern hört und treu befolgt. Thomas von Kempen
Ein wahrer Menschenfreund; ... er legt mit unerschöpflicher Geduld und tiefem Glauben die in die Menschen eingemeißelte Inschrift Gottes frei, dessen ungestalte, schiefe Denkmäler sie sind. Henry David Thoreau
Geduld, ihr Forscher! Die Aufklärung des Geheimnisses wird durch dieses selbst erfolgen. Karl Kraus
Lerne Geduld haben mit fremden Fehlern; denn siehe, du hast auch viel an dir, was andere tragen müssen. Thomas von Kempen
Mit Geduld Unrecht zu ertragen, das einem anderen zugefügt wird, ist ein Zeichen der Unvollkommenheit und sogar von wirklicher Sünde. Thomas von Aquin
Nichts soll dich ängstigen, nichts dich erschrecken, alles vergeht, Gott bleibt derselbe. Geduld erreicht alles. Wer Gott besitzt, dem kann nichts fehlen. Gott nur genügt. Teresa von Avila
Ungeduld ist Warten in Eile. Unbekannt
Was der Mensch an sich und an andern nicht bessern kann, das muss er mit Geduld tragen, bis es Gott anders macht. Thomas von Kempen
Ein Irrtum ist umso gefährlicher, je mehr Wahrheit er enthält. Henri Frédéric Amiel
Es ist ebenso gefährlich für den Menschen, Gott zu kennen ohne seine eigene Erbärmlichkeit, wie seine eigene Erbärmlichkeit zu kennen ohne Gott zu kennen. Blaise Pascal
Es ist gefährlich, anderen etwas vorzumachen; denn es endet damit, dass man sich selbst etwas vormacht. Eleonora Duse
Feigling: jemand, der in gefährlichen Situationen mit den Beinen denkt. Bierce
In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der ihn verursacht. Kurt Tucholsky
Mutige Leute überredet man dadurch zu einer Handlung, dass man dieselbe gefährlicher darstellt als sie ist. Friedrich Nietzsche
Toren und gescheite Leute sind gleich unschädlich. Nur die Halbnarren und Halbweisen, das sind die Gefährlichsten. Goethe
Was nützt es dir, lange zu leben, wenn dein Eifer, besser zu werden, von so kurzer Dauer und so geringer Wirkung ist? Ach, ein langes Leben macht den Menschen nicht immer besser, macht seine Schuld oft nur größer. Hätten wir doch hier auf Erden auch nur einen Tag recht gut gelebt! ... Wenn es für dich so schrecklich ist, jetzt zu sterben, so ist es vielleicht noch gefährlicher, länger zu leben. Thomas von Kempen
Ich hasse von Herzen die großen Sorgen, von denen Du, wie Du schreibst, verzehrt wirst. Dass sie Dein Herz so beherrschen, daran ist nicht die Größe der Gefahr, sondern die Größe unseres Unglaubens schuld. Martin Luther in einem Brief an Melanchthon
In Gefahr und großer Not bringt der Mittelweg den Tod. Friedrich Logau
Der gefällt nicht, der fürchtet, nicht zu gefallen; denn die Ungezwungenheit, die alle übrigen Schönheiten des Umgangs erst ihren Wert und oft ihr Dasein gibt, verschwindet mit der Furcht. Jean Paul
Der Vortrag von Dingen, von denen wir vorhersehen, sie werden nicht gefallen, kann nur durch den größten Anschein von Aufrichtigkeit gemildert werden. Kardinal von Retz
Du musst klein sein, willst Du kleinen Menschen gefallen. Ludwig Börne
Was tut die Blume wohl mit Gott? Sie lässt sich Gott gefallen. In der Blume, als Blume träumt er seinen schönsten Traum, da widerstrebt ihm nichts. Christian Morgenstern
Wer nicht Gott, sondern den Menschen gefallen will, dessen Tugend leidet an Knochenfraß und geht unter. Johann Geiler von Kaysersberg
Wir gefallen mehr durch unsere Fehler als durch unsere Vorzüge. Rochefoucauld
Wollte ich mich einem Menschen beliebt machen und wollte ich dem allein gefallen, so wollte ich alles, was dem Menschen gefällig wäre und wodurch ich ihm wohlgefiele, lieber als irgend etwas anderes. Und wäre es so, dass ich ihm besser gefiele in einem schlichten Kleide als in Samt, so besteht kein Zweifel darüber: ich trüge das schlichte Kleid lieber als irgendein anderes Kleid. So auch steht es mit einem, dem Gottes Wille gefällt: alles, was ihm Gott zuteilt, sei's Krankheit oder Armut oder was es auch sei, das hat er lieber als irgend etwas anderes. Eben weil Gott es will, darum schmeckt es ihm besser als irgend etwas anderes. Meister Eckhart
Im Allgemeinen erscheint es „vernünftig“, wenn der Mensch sein Verhalten den Gegebenheiten der Welt anpasst. Doch wenn die Welt durch den Einbruch des Bösen eine „verkehrte“ und „verdrehte“ Welt geworden ist, kann man sich ihr nicht anpassen, ohne dabei selbst „verkehrt“ und „verdreht“ zu werden. Der Glaube fordert darum, diese Anpassung zu verweigern, die „Normalität“ des Schlechten niemals „normal“ zu finden und ein widerständiges Leben zu führen nach den Regeln (nicht der gegebenen, sondern) der kommenden Welt.
1.
Obwohl die verschiedensten Anteile unserer Person am Glauben beteiligt sind (Wille, Gefühl, Erfahrung, Vernunft, etc.), lässt sich der Glaube weder auf eine noch auf die Gesamtheit dieser Funktionen zurückführen. Glaube ist vielmehr eine facettenreiche Reflektion göttlichen Lichtes: Wie ein Spiegel Licht nicht erzeugen, sondern nur reflektieren kann, so kann unsere Seele das Licht des Evangeliums nicht erzeugen, sondern nur reflektieren – und eben diese Reflektion nennen wir „Glaube“.
2.
Beim Christ-Sein geht es nicht darum, dass einer seinen religiösen Gefühlen, sondern dass er dem Evangelium glaubt. Darum dürfen fromme Stimmungen und innere Erlebnisse nicht zur Zugangsbedingung erhoben werden. Christus hat nicht die zu sich gerufen, die etwas Tolles fühlen, sondern die Mühseligen und Beladenen – und die müssen weder „gute Werke“ noch „religiöse Gefühle“ mitbringen. Wenn Christus will, kann er beides schenken. Es geht aber auch ohne. Denn Christus ist verlässlich, und unsere religiösen Gefühle sind es nicht.
* – * – * – * – * – * – * – * – *
„Nun aber wollen wir doch zu dem übergehen, … dass diejenigen Gesetz und Evangelium greulich vermischen, welche sagen: „Willst du der Vergebung deiner Sünden gewiss werden, dann musst du so lange beten, kämpfen und ringen, bis du endlich ein freudiges Gefühl bekommst, welches dir heimlich sagt: „Sei getrost, du hast Vergebung deiner Sünden.“ „Dann“, sprechen sie, „ist die Gnade in deinem Herzen“, während, eigentlich zu reden, die Gnade gar nicht in meinem Herzen sein kann, die ist in Gottes Herzen. Nein, erst musst du glauben und dann fühlen. Das Gefühl kommt aus dem Glauben, und nicht der Glaube aus dem Gefühl. Und wessen Glaube aus dem Gefühl kommt, der hat keinen wahren Glauben; denn der Glaube braucht eine göttliche Verheißung. Also kannst du gewiss sein, mit deren Glauben steht es recht, die sagen können: „Nichts in der ganzen Welt sehe ich an, als das liebe Evangelium. Darauf baue ich.“ Dann mag der Teufel kommen und sie schrecken und quälen. Wenn sie dann vielleicht nicht gleich süße Gefühle haben, so werden sie sagen: „Und ob mein Herz sprach lauter Nein; Dein Wort soll mir gewisser sein“; oder: „Ohn Fühlen will ich trauen, Bis ich komme, dich zu schauen.“ (…..) Ach, wehe dem Menschen, welcher sich immer daran gewöhnt hat, sich nur dann für begnadigt anzusehen, wenn er süße Gefühle hat! In der Todesstunde ist es in der Regel mit solchen süßen Gefühlen zu Ende. Die Todesnot vertreibt das Gefühl. Wohl dem Menschen, der dann spricht: „Ich glaub, was Jesu Wort verspricht, Ich fühl es, oder fühl es nicht.“ Wohl dem, der kann dann im Frieden dahinfahren! Aber wehe dem, der dann denkt: „Ich fühle jetzt gar nichts. Jetzt soll ich sterben! Jesus ist nicht mehr in meinem Herzen. O, ich elender, unglücklicher Mensch!“ Wie viele mögen in den schwärmerischen Sekten deswegen verloren gegangen sein, weil sie noch zuletzt den Herrn Jesum haben fahren lassen, weil sie meinten, sie dürften ihn nicht ergreifen, es fehlte ihnen die Erlaubnis dazu! Denn alle Schwärmer meinen, durch das Fühlen bekommen sie erst die Erlaubnis zu Jesu zu kommen und seiner sich zu trösten. Darum sprechen sie oft zu einem Bruder: „How do you feel?“ Wenn der sagt: „Ich fühle gar nichts!“ da heißt es: „Ach, du armer Mensch! Komm, wir wollen beten, kämpfen und ringen, bis du Gefühl bekommst.“ Da kriegt er denn so ein Gefühl, aber es ist oft nur ein sinnliches Gefühl und nicht das Gefühl des Heiligen Geistes.“ (C. F. W. Walther)
„Ich habe es auch oft gesagt, und ich wiederhole es noch einmal, dass ich nicht mit der Bitte zu Christus komme, mein Bedürfnis für ihn zu fühlen; ich glaube nicht an Christus, weil ich fühle, dass ich ihn brauche, sondern weil ich ihn tatsächlich brauche. Kein Mensch kommt als empfindsamer Sünder zu Jesus, sondern als Sünder, und nur als Sünder. Er wird nicht kommen, wenn er nicht erweckt ist; aber wenn er kommt, dann sagt er nicht: „Herr ich komme zu dir, weil ich ein erweckter Sünder bin, rette mich.“ Nein, er sagt: „Herr, ich bin ein Sünder, rette mich.“ (...) Ich stehe nicht am Fuß seines Kreuzes und werde gereinigt, weil ich Buße getan habe; wenn ich komme, dann bringe ich nichts als Sünde. Die Erkenntnis der eigenen Not ist ein wertvolles Gefühl, aber wenn ich am Fuß des Kreuzes stehe, glaube ich nicht an Christus, weil ich so ein wertvolles Gefühl habe, sondern ich glaube an ihn, ob ich wertvolle Gefühle habe oder nicht.“ (Ch. H. Spurgeon)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Verlass dich nicht auf deine Gefühle, dann werden sie dich auch nicht zu Boden drücken. Halte dich glaubend an den Herrn! C. H. Spurgeon
Zur Übung unseres Glaubens sind Wolken und Dunkelheit notwendig, um uns zu veranlassen, dass wir unser Vertrauen mehr auf Christus setzen als auf unsere Erfahrungen, Beweisgründe, Gemütsstimmungen und Gefühle. C. H. Spurgeon
Das schönste Gefühl auf dieser Erde: nicht mehr nötig zu sein. Nicht mehr gebraucht zu werden. Macht damit, was ihr wollt. Wilhelm Raabe
Es ist ebenso unnütz und ebenso lächerlich, dass die Vernunft vom Herzen Beweise für seine ersten Prinzipien verlangt, wenn sie ihnen zustimmen will, wie es lächerlich wäre, dass das Herz von der Vernunft ein Gefühl für alle Lehrsätze verlangte, die diese beweist, wenn es sie annehmen will. Blaise Pascal
Es ist ein glückliches Gefühl, für einen Hass, den wir bis dahin nur instinktmäßig nährten, plötzlich einen triftigen Grund zu erhalten. Karl Gutzkow
Jeder, der durch oder in etwas sein Glücksgefühl sucht, liebt nicht dieses andere, sondern sich selbst. Diese Liebe bewirkt kein Außer-sich-Sein und ist keine Liebe. Meister Eckhart
Vertrauen ist das Gefühl, einem Menschen sogar dann glauben zu können, wenn man genau weiß, dass man an seiner Stelle lügen würde! Anonym
Folgende Gegensätze sollte man vereinen können: Tugend mit Gleichgültigkeit gegen die öffentliche Meinung, Arbeitsfreude mit Gleichgültigkeit gegen den Ruhm und die Sorge um die Gesundheit mit Gleichgültigkeit gegen das Leben. Chamfort
Genau genommen, leben sehr wenige Menschen in der Gegenwart. Die meisten bereiten sich vor, demnächst zu leben. Jonathan Swift
Jeder prüfe seine Gedanken. Er wird finden, dass sie ganz mit der Vergangenheit oder der Zukunft beschäftigt sind. Wir denken fast überhaupt nicht an die Gegenwart, und wenn wir an sie denken, so nur, um aus ihr die Einsicht zu gewinnen, mit der wir über die Zukunft verfügen wollen. Die Gegenwart ist niemals unser Ziel. Die Vergangenheit und die Gegenwart sind unsere Mittel; allein die Zukunft ist unser Ziel. Deshalb leben wir nie, sondern hoffen auf das Leben, und da wir uns ständig bereit halten, glücklich zu werden, ist es unausbleiblich, dass wir es niemals sind. Blaise Pascal
Nur der Christ kann ganz in der Gegenwart leben. Denn die Vergangenheit ist ihm durchgestrichen, und die Zukunft ist ihm gewiss. Jochen Klepper
Sinn und Nutzen eines Gottesdienstes liegen nicht darin, dass er die Gemeinschaft, die Kunst oder das Brauchtum pflegt, dass er bildet, unterhält oder therapiert. Vielmehr steht im Mittelpunkt die durch Wort und Sakrament vermittelte heilvolle Gegenwart Gottes. Die gottesdienstliche Erfahrung dieser Gegenwart, das Stehen vor Gottes Angesicht, ist zu nichts „nütze“ und muss es auch nicht sein: Die Gemeinschaft mit dem Herrn, dieser Vorgeschmack auf Gottes Reich, hat seinen Wert in sich selbst.
1.
Christen erwarten das Heil von Gottes kommendem Reich. Doch ist dasselbe Heil auch schon hier und heute gegenwärtig und kann durchaus erfahren werden, weil das, was den kommenden Himmel ausmacht, die innig-versöhnte Übereinstimmung mit Gott ist. Und die beginnt nicht irgendwann „später“, sondern heute: wer im Glauben Christus „hat“, hat in und mit ihm auch schon das Heil, die Seligkeit und das Ewige Leben. Alles Wesentliche ist ihm mit dem Brot des Abendmahls in die Hand gedrückt – und er steht mit einem Bein bereits im Himmel.
2.
Der Glaube ist ganzjährig voller Erwartung, er sitzt sozusagen „auf gepackten Koffern“ und freut sich auf den Tag, da der gottlose Zustand dieser Welt überwunden wird, weil entweder der Herr zu uns kommt – oder wir zu ihm. Auch der Herr will das. Denn der Wartende ist es dem Kommenden wert, dass er kommt. Und der Kommende ist es dem Wartenden wert, dass er wartet. Einer ist des andern Ziel. Und in der gedanklichen Vorwegnahme der noch nicht vollendeten Gemeinschaft bilden sie doch schon eine Gemeinschaft: Der Kommende ist dem Wartenden in seiner Erwartung gegenwärtig, wie auch der Wartende dem Kommenden als Ziel seines Laufes vor Augen steht.
„Siehe, die Glänze der Sonne sind dir so nahe, dass sie dich gleich in die Augen oder auf die Haut stechen, dass du es fühlest, aber doch vermagst du es nicht, dass du sie ergreifest und in ein Kästlein legest, wenn du gleich ewiglich darnach tappest. Hindern kannst du sie wohl, dass sie nicht scheine zum Fenster ein; aber tappen und greifen kannst du sie nicht. Also auch Christus, ob er gleich allenthalben da ist, lässt er sich nicht so greifen und tappen; er kann sich wohl ausschälen, dass du die Schale davon kriegest und den Kern nicht ergreifest. Warum das? Darum, dass ein anderes ist, wenn Gott da ist, und wenn er dir da ist. Dann aber ist er dir da, wenn er sein Wort dazu tut, und bindet sich damit an und spricht: Hie sollst du mich finden. Wenn du nun das Wort hast, so kannst du ihn gewisslich greifen und haben, und sagen: Hie hab ich dich, wie du sagst. Gleich als ich von der Rechten Gottes sage: Wiewohl dieselbige allenthalben ist, wie wir nicht leugnen mögen; noch, weil sie auch nirgend ist, wie gesagt ist, kannst du sie wahrlich nirgend ergreifen, sie binde sich denn dir zu gut, und bescheide dich an einen Ort. Das tut sie aber, da sie sich in die Menschheit Christi begibt und wohnt; da findest du sie gewiss; sonst sollst du wohl alle Kreatur durch und durch laufen, hie tappen und da tappen, und dennoch nimmermehr nicht finden, ob sie gleich da ist wahrhaftig; denn sie ist dir nicht da.“ (Martin Luther)
Gottes Name ist an sich schon heilig. Die erste Bitte des Vaterunsers zielt aber darauf, dass er auch allseits als heilig erkannt, anerkannt und gepriesen werden soll. Das größte Hindernis ist dabei Gottes eigenes Volk, das ihm wenig Ehre macht. Doch Gott selbst wird für die Erfüllung dieser Bitte sorgen, indem er seinen Namen groß und herrlich macht im Erweis seiner Treue vor aller Augen. Gott wird sich als heilig erweisen, um seines Namens willen. Und eben diesen Moment, in dem die Wahrheit endgültig zu Tage tritt, sehnt der Beter des Vaterunsers herbei.
„Wer kann die Größe dieses Geheimnisses fassen? Der höchste Schöpfer war beleidigt, und das Geschöpf machte sich keine Sorge über die Herstellung des Friedens und über die Versöhnung. Derselbe, der beleidiget war, nimmt das Fleisch des Geschöpfes an und wird der Versöhner. Der Mensch hatte Gott verlassen, und zu dem Feinde Gottes, dem Teufel sich gewendet; aber derselbe, der verlassen war, sucht bekümmert den, der ihn verlassen hat, und ladet ihn auf das Freundlichste wieder zu sich ein. Der Mensch war von jenem unendlichen Gute gewichen und hatte sich in das unendliche Übel gestürzt, aber eben jenes unendliche Gut gibt einen unendlichen Erlösungspreis und befreit das Geschöpf von jenem unendlichen Übel. Übersteigt nicht diese unendliche Barmherzigkeit allen endlichen Verstand und Gedanken des Menschen? Unsere Natur ist durch Christum herrlicher gemacht worden, als sie durch Adams Sünde verunstaltet worden war; in Christo haben wir mehr empfangen, als wir in Adam verloren haben; die Sünde hatte überhand genommen, aber der Reichtum der göttlichen Gnade ging noch weit darüber.“ (Johann Gerhard)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Das Geheimnis der Medizin besteht darin, den Patienten abzulenken, während die Natur sich selbst hilft. Voltaire
Der Stolz auf das Vertrauen, das einem geschenkt wurde, ist eines der Hauptmotive dafür, dass man Geheimnisse ausplaudert. Samuel Johnson
Geduld, ihr Forscher! Die Aufklärung des Geheimnisses wird durch dieses selbst erfolgen. Karl Kraus
Gottes Wege sind überall anzubeten, aber nicht überall zu ergründen. Ich bin des Vaters Kind, nicht sein Geheimrat. Gerhard Tersteegen
Wie kann man annehmen, ein anderer würde unser Geheimnis hüten, wenn wir es doch selbst nicht hüten konnten? Rochefoucauld
Das Gehirn ist eine großartige Sache. Es funktioniert vom Augenblick der Geburt bis zu dem Zeitpunkt, wo du aufstehst, um eine Rede zu halten. Mark Twain
1.
Glaubens-Gehorsam kennt keinen Gegensatz von „heteronom“ und „autonom“, sondern ist Selbstbestimmung zur Fremdbestimmung, denn er besteht in dem seltsamen Eigensinn, unbedingt mit dem, an den man glaubt, „eines Sinnes“ sein zu wollen. Der Gehorchende lehnt es ab, durch abweichendes Wollen die ihm so kostbare Gemeinschaft in Frage zu stellen. Vielmehr ist es seine Entscheidung, das Entscheiden dem Herrn zu überlassen. Der Jünger sieht in diesem Gehorsam nichts anderes als die höchste Betätigung seiner Freiheit. Und sich von Christus bestimmen zu lassen, hält er für die ihm gemäße Form der Selbstbestimmung.
2.
Gott ist wie eine verschlossene Burg, die sich nur an einer Stelle für den Menschen öffnet. Durch Taufe, Abendmahl, Bibel, Gebet und Gottesdienst will Gott sich finden lassen. Hier hat er die Zugbrücke heruntergelassen. Macht es da Sinn, über die Mauer zu klettern? Nein. Darum ist der Glaube ein fröhlicher Gehorsam, der von der Bahn, die Gott ihm beschrieben hat, weder links noch rechts abweicht. Er steigt nicht zum Fenster ein, sondern er nimmt die Tür. Denn Glauben heißt, Gott dort zu suchen, wo er gefunden werden will – und nirgends sonst.
3.
Wir können von Pflanzen und Tieren etwas lernen, denn sie leben in einer selbstverständlichen und unangestrengten Übereinstimmung mit dem Willen Gottes, wachsen, wenn sie können, und leiden, wenn sie müssen, hadern aber mit nichts und neiden nichts, sondern sind mit völligem Einverständnis das, wozu Gott sie gemacht hat. Menschen hingegen sind innerlich zerrissen und erlangen den Konsens mit Gott erst wieder durch den Glauben an die barmherzige Vorsehung und Führung des himmlischen Vaters, in die sich der Glaube ergibt.
4.
Staatliche Ordnung ist eine Einrichtung Gottes, der er die Aufgabe zugewiesen hat, durch Recht und Gesetz dem Bösen zu wehren und das Gute zu schützen. Wenn ein Staat diese Aufgabe erfüllt, erwächst ihm daraus die besondere Würde, Gottes Instrument zu sein. Wenn er das Böse aber duldet oder sogar fördert, zerstörte er die Ordnung, die allein ihn legitimieren könnte – und dann wird Widerstand zur Pflicht. Im Zweifelsfall muss man Gott mehr gehorchen als den Menschen. Denn göttliches Recht wiegt in jedem Falle schwerer als menschliches.
* – * – * – * – * – * – * – * – *
„Verflucht sei aller Gehorsam in den Abgrund der Hölle, so der Oberkeit, Vater, Mutter, ja auch der Kirche gehorsam ist, so dass er Gott ungehorsam ist. Hier kenne ich weder Vater, Mutter, Freundschaft, Oberkeit oder christliche Kirche.“ (Martin Luther)
„Das Gesetz seines Gottes ist in seinem Herzen, seine Tritte sollen nicht gleiten.“ Ps. 37,31. Lege das Gesetz in das Herz, so steht es mit dem ganzen Menschen recht. Das ist der Ort, wo das Gesetz sein sollte, denn dann liegt es, wie die steinernen Tafeln in der Bundeslade, an dem ihm bestimmten Platze. Im Kopfe verwirrt es, auf dem Rücken belastet es, im Herzen hält es aufrecht. Was für ein köstliches Wort ist das hier gebrauchte, „das Gesetz seines Gottes!“ Wenn wir den Herrn als unsren eignen Gott kennen, so wird sein Gesetz zur Freiheit für uns. Gott mit uns im Bunde macht uns eifrig, seinem Willen zu gehorchen und in seinen Geboten zu wandeln. Ist die Vorschrift meines Vaters Vorschrift? Dann habe ich meine Freude daran. Uns wird hier verbürgt, dass der gehorsame Mann aufrecht gehalten werden soll bei jedem Schritte, den er macht. Er will das tun, was recht ist, und soll deshalb das tun, was weise ist. Heiliges Tun ist immer das klügste, obgleich es zuerst nicht so scheinen mag. Wir gehen auf der großen Hochstraße der Vorsehung und Gnade Gottes, wenn wir uns auf dem Wege seines Gesetzes halten.“ (Charles H. Spurgeon)
„Was ist denn die Garantie eines Menschen, der an Christus glaubt? Hier ist sie: Christus befiehlt ihm, es zu tun! Das ist seine Garantie. Christi Wort ist die Garantie für den Sünder, der an Christus glaubt – weder was er fühlt, noch was er ist, sondern dass Christus ihm befohlen hat, es zu tun. Das Evangelium lautet: „Glaube an den Herrn Jesus und du wirst errettet werden“ (Apostelgeschichte 16,31) und: „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet“ (Johannes 3,18). Der Glaube an Christus ist also gleichzeitig Auftrag und Vorrecht. Und es ist wirklich eine Gnade, dass er Pflicht ist, denn so kann die Frage nie aufkommen, ob ein Mensch das Recht hat, seine Pflicht zu tun. Auf dieser Basis, dass Gott mir befiehlt zu glauben, habe ich das Recht zu glauben, egal wer ich bin. Das Evangelium gilt allen, und zu allen gehöre auch ich. Das Evangelium befiehlt mir zu glauben, und das tue ich. Es kann kein Fehler gewesen sein, es zu tun, denn ich habe den Befehl bekommen, so zu handeln. Ich kann nichts falsch machen, wenn ich einem Befehl Gottes gehorche. Es ist also ein Gebot Gottes für alle Menschen, an Jesus Christus zu glauben, den Gott gesandt hat. Dies ist deine Garantie als Sünder und eine gesegnete Garantie dazu, denn die Hölle kann sie nicht anfechten und der Himmel nicht zurücknehmen. Du brauchst nicht in dich hineinzuschauen, auf die vernebelten Garantien deiner Erfahrung, du brauchst nicht auf deine Werke zu schauen oder auf ein Gefühl, um einige trübe und unzulängliche Garantien für dein Vertrauen auf Christus zu bekommen. Du kannst an Christus selbst glauben, weil er es dir sagt. Das ist sicherer Boden, auf dem man stehen kann und gleichzeitig einer, der keinen Zweifel zulässt.“ (Ch. H. Spurgeon)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Niemand kann sich sicher auf dem Markt sehen lassen, der nicht gern ungesehen daheim bleibt. Niemand kann sicher den Mund zum Reden auftun als der, der ihn gern wieder schließt und geschlossen hält. Niemand kann sicher obenan stehen als der, der gern untenan steht. Niemand kann sicher befehlen als der, der gelernt hat – gehorsam zu sein. Thomas von Kempen
Ach, des Geistes wurde ich oft müde, als ich auch das Gesindel geistreich fand! Friedrich Nietzsche
Begeisterung ohne Wissen ist wie Rennen in der Dunkelheit. Aus den USA
Dächte man sich ein Haus, bestehend aus Keller, Erdgeschoß und Obergeschoß, derart bewohnt, derart eingerichtet, dass da zwischen den Bewohnern jedes Stockwerks ein Standesunterschied wäre oder doch auf ihn gerechnet wäre – und vergliche man das ein Mensch Sein mit solch einem Hause: so tritt bei den meisten Menschen leider der traurige und lächerliche Fall ein, dass sie es vorziehen, in ihrem eigenen Hause im Keller zu wohnen. Ein jeder Mensch ist die leibseelische Synthesis, die aufs Geistsein angelegt ist, dies ist das Bauwerk; aber er zieht es vor, im Keller zu wohnen, das heißt, in den Bestimmungen des Sinnlichen. Und er zieht es nicht bloß vor, im Keller zu wohnen, nein, er liebt es dermaßen, dass er erbittert wird, wenn etwa jemand ihm vorschlüge, den ersten Stock zu beziehen, welcher leer steht zu seiner Verfügung – denn er wohnt ja in seinem eigenen Hause. Sören Kierkegaard
Das Gedächtnis ist die Sparbüchse des Geistes. Aus den „Fliegenden Blättern“
Das Ungute an der modernen Vorstellung vom geistigen Fortschritt besteht darin, dass dieser durchweg mit dem Sprengen von Fesseln, dem Beseitigen von Schranken, dem Abschaffen von Dogmen assoziiert wird. Wenn irgend es aber geistige Entwicklung geben soll, dann muss sie Entwicklung zu immer mehr festen Überzeugungen, zu immer mehr Dogmen meinen. Das menschliche Gehirn ist eine Maschine, die den Zweck hat, Schlüsse zu ziehen; kann sie das nicht, ist sie eingerostet. Wenn wir gesagt bekommen, ein Mensch sei zu klug, um glauben zu können, dann ist das fast ein Widerspruch in sich. Genauso gut ließe sich von einem Nagel sagen, er sei zu gut, um den Teppich festzuhalten, oder von einem Riegel, er sei zu stark, um die Tür zu verschließen. G. K. Chesterton
Dein Körper ist so reizend, dein Geist so hässlich! Schade!
Du bist ein schöner Apfel, dein Geist ist seine Made. Ephraim Moses Kuh
Die leibliche Speise, die wir zu uns nehmen, die wird in uns verwandelt; die geistige Speise aber, die wir aufnehmen, die verwandelt uns in sich. Meister Eckhart
Die Richtung unserer Geistes ist wichtiger als sein Fortschritt. Joseph Joubert
Ein Säugling ist der Geist, Natur ist seine Amme. Sie nährt ihn, bis er fühlt, dass er von ihr nicht stamme. Friedrich Rückert
Es ist gleich tödlich für den Geist, ein System zu haben, und keins zu haben. Er wird sich also wohl entschließen müssen, beides zu verbinden. Athenäum-Fragmente
Es ist kein großer Vorteil, einen lebhaften Geist zu haben, wenn er nicht auch richtig ist: Die Vollkommenheit einer Uhr beruht nicht auf ihrem raschen, sondern auf ihrem richtigen Gang. Luc de Clapier Vauvenargues
Geistlose Lustigkeit – Fratze der Heiterkeit. Marie von Ebner-Eschenbach
Gott ist ein stiller Geist, der überall zugegen;
Drum, wer ihm nahen will, darf sich nicht viel bewegen;
Verlier, was bildlich ist, und brauch nicht viel Gewalt,
Kehr sanft in stillem Geist: Ich weiß, du findst ihn bald. Gerhard Tersteegen
Gottes Wort, das geschriebene wie das verkündete, ist mit einem Spiegel zu vergleichen. In geistlicher Hinsicht ist das Auge deiner Seele die Vernunft; das Gewissen ist deine geistige Sehkraft. Und so wie du weißt, dass wenn sich ein Schmutzfleck auf deinem Gesicht befindet, das Auge den Fleck nicht sehen kann und ohne einen Spiegel oder den Hinweis von einer anderen Person nicht weiß, wo er ist, genau so verhält es sich auch in geistiger Hinsicht. Ohne die Lektüre oder die Verkündigung von Gottes Wort ist es nach menschlichem Ermessen unmöglich, dass die durch ihre gewohnheitsmäßige Sünde geblendete Seele den Schmutzfleck in ihrem Gewissen erkennen kann. Und wenn jemand danach in einen wirklichen oder übertragenen Spiegel blickt oder durch den Hinweis von anderen weiß, wo sich der Schmutzfleck an seinem Gesicht befindet (im konkreten wie im übertragenen Sinn), dann erst und nicht früher läuft er zum Brunnen, um sich zu waschen. Die Wolke des Nichtwissens (Anonym, 14. Jh.)
Keiner kann über sich sehen. Hiermit will ich sagen: jeder sieht am andern nur so viel, als er selbst auch ist: denn er kann ihn nur nach Maßgabe seiner eigenen Intelligenz fassen und verstehen. Ist nun diese von der niedrigsten Art, so werden alle Geistesgaben, auch die größten, ihre Wirkung auf ihn verfehlen und er an dem Besitzer derselben nichts wahrnehmen, als bloß das Niedrigste in dessen Individualität, also nur dessen sämtliche Schwächen, Temperaments- und Charakterfehler. Daraus wird er für ihn zusammengesetzt sein. Die höheren geistigen Fähigkeiten desselben sind für ihn so wenig vorhanden, wie die Farbe für den Blinden. Denn alle Geister sind dem unsichtbar, der keinen hat… Arthur Schopenhauer
Lasset die Geister aufeinander prallen, aber die Fäuste haltet still! Martin Luther
Ohne Begeisterung ist noch nie etwas Großes geschaffen worden. Ralph W. Emerson
Unglückliches Geschick der Menschen! Kaum ist der Geist zu seiner Reife gelangt, beginnt der Körper zu welken. Charles Baron de Montesquieu
Unser Geist ist nur alsdann wachend anzusehen, wenn er sich Gottes bewusst, ihn denkt und empfindet, und die Allgegenwart Gottes in und um sich erkennt, wie die Seele eines Wachenden ihre Herrschaft über den Leib und der Leib die Eindrücke eines geistigen Willens ausdrückt. Ein Mensch, der in Gott lebt, wird sich daher zu einem natürlichen Menschen verhalten, wie ein wachender – zu einem schnarchenden im tiefen Schlaf – zu einem Träumenden – zu einem Mondsüchtigen. Johann Georg Hamann
Unser Glaube hängt mehr von unserem Charakter als von unserer Einsicht ab. Nicht alle, die sich über die Auguren lustig machen, haben mehr Geist als die, die an sie glauben. Luc de Clapier Vauvenargues
Vielleicht ist die Kunst, die mit Geistesstärke Wunder tun will, wie sie nur, zu seinem Zwecke, der alte Meister vermag, am Ende die beschämteste unter allen menschlichen Künsten. Vielleicht war solche Überhebung gar nicht Kunst. Karl Kraus
Der Übel größtes ist der Zwang, an die äußern Dinge des Lebens, die der inneren Kraft dienen sollen, eben diese zu verplempern. Karl Kraus
Was für Mühe muss es Gott und seinem Geist geben, um den Schutt bloß aus dem Wege zu räumen, worunter der Satan unsre Seelen vergräbt, wenn wir mit ihm an selbigen zu bauen gedenken. Johann Georg Hamann
Wie sich körperlich viele für krank halten, ohne es zu sein, so halten umgekehrt geistig sich viele für gesund, die es nicht sind. G. Chr. Lichtenberg
Wo der Geist Gottes ist, da ist Freiheit. Und die Wahrheit macht uns frei. Die Gerechtigkeit in Christo ist kein Schnürleib, sondern ein Harnisch. Johann Georg Hamann
Wo der Glaube rechtschaffen ist, da muss er den Leib angreifen und im Zaume halten, dass er nicht tue, was ihn gelüstet (…). Doch darf man auch den Leib nicht schwächen und verderben (…). Gut ists, dass man faste. Das aber heißt recht fasten, dass man dem Leibe nicht mehr Speise gibt als nötig ist, die Gesundheit zu erhalten, und man lasse ihn arbeiten und wachen, dass der alte Esel nicht zu mutwillig werde und aufs Eis tanzen gehe und breche ein Bein, sondern gehe im Zaume und folge dem Geist. Martin Luther
1.
Beton oder Stahl sind „an sich“ weder gut noch schlecht. Es kommt darauf an, was der Geist des Architekten daraus macht. Und dasselbe gilt vom „Rohmaterial“ unseres Lebens, das aus Gesundheit, Intelligenz, Kraft oder Schönheit besteht. Nichts von alledem ist „an sich“ schon gut oder schlecht. Denn erst der Geist gibt den Dingen Form, Sinn und Ziel. Erst der Geist, der uns treibt, lässt unsere Potentiale zum Segen oder zum Fluch ausschlagen. Darum ist die zentrale Frage nicht, über welches „Rohmaterial“ ich verfüge, sondern welchem Geist es dienstbar wird.
2.
Person und Werk des Heiligen Geistes sind in besonderem Maße „unanschaulich“. Doch würde Gott nicht als Heiliger Geist an uns und in uns wirken, könnte niemand erlöst werden: Der Geist sorgt dafür, dass das äußere Wort der Bibel uns innerlich so betrifft, erleuchtet und erneuert, dass wir Gott in Christus erkennen, durch den Glauben das Heil ergreifen und uns dann auf den Weg machen, (unserer Lebensführung nach) so „gerecht“ zu werden, wie wir es (nach Gottes barmherzigem Urteil) schon sind.
3.
Was der Heilige Geist im Menschen bewirkt, ist verwirrend vielfältig – es geht aber alles auf einen großen Perspektivwechsel zurück: Das organisierende Zentrum des normalen Menschen liegt in seinem Bedürfnis, sich wunschgemäß in der Welt einzurichten. Das organisierende Zentrum des Christen liegt hingegen jenseits der eigenen Person in Gott. Unter dem Einfluss des Heiligen Geistes will er Gott-gemäß in der Welt sein. Und das verändert all sein Wahrnehmen, Bewerten und Handeln. Statt „autonom“ von und für sich selbst zu leben, möchte er „theonom“ von Gott und auf Gott hin leben. Durch Gottes Geist findet er seine Mitte – findet sie aber nicht in sich selbst, sondern in Gott.
Lebendig tot. So nenn ich den falschen Christen. Den trifft‘s, was der Geist dem Bischof zu Sardes schreiben lässt: Du hast den Namen, dass du lebst, und bist doch tot Offenb. 3,1. Soll ich‘s beweisen? Höre. Was lebt, sucht seine Erhaltung. Die Pflanze saugt ihren Saft aus der Erde; der Mensch, sobald er geboren, eilt zu den Mütterbrüsten. Durch den Glauben lebst du geistlich. Des Glaubens Nahrung ist das Wort Gottes. Lebst du im Geist, so wirst du begierig sein nach der vernünftigen lautern Milch, als die jetzt gebornen Kindlein, 1 Petri 2,2., auf dass du durch selbige zunehmest; die Sorge, Mühe und Angst, mit welcher du der Eitelkeit also nachhängst, dass dir das Wort Gottes darüber leid wird, weist sattsam, dass du mit Christo zum neuen Leben noch nicht auferstanden bist. Was lebt, empfindet das, was ihm zuwider ist. Je lebhafter ein Mensch ist, je schmerzlicher empfindet er die Krankheit. Ein totes Aas wird‘s nicht fühlen, ob du ihm gleich viel Zentner auf seinen Rücken ladest. Lebst du geistlich, so wirst du deine Sünde fühlen, du wirst unter der Last mit David seufzen: Meine Sünden gehn über mein Haupt, wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer worden. Ich höre dich nie über Sünde klagen, als wenn du in der Heuchelbeichte sprichst: Ich bin ein armer Sünder. Wie kann ich denn glauben, dass du geistlich lebst? Was lebt, widersteht seinem Feind. Ein Wurm windet sich, wenn man ihn zertreten will. Welch ein Kampf erhebt sich in uns zwischen den natürlichen Kräften und der Krankheit, wenn‘s zum Tod geht! Lebst du geistlich, so wirst du empfinden, dass in dir der Geist wider das Fleisch streitet, als auch Paulus sagt: Den Geist gelüstet wider das Fleisch, und das Fleisch wider den Geist Gal. 5,17. Geschieht‘s, dass sich in dir Versuchungen zur Sünde aufwerfen und du stellst dich nicht zur Gegenwehr, sondern übergibst dem Fleisch die Herrschaft, so ist kein geistlich Leben in dir. Was lebt, siegt wider den Feind, wenn es ihm an Stärke überlegen. Der Geist muss ja stärker bei dir sein als das Fleisch. Denn das Fleisch wird genannt ein alter, der Geist ein neuer Mensch; junge lebhafte Leute, können alte abgelebte überwältigen. Nicht genug ist es, dass du streitest wider dein Fleisch, du musst auch siegen und durch den Geist des Fleisches Geschäfte töten. Was von Gott geboren ist, überwindet die Welt 1 Joh. 5,4. Du siegst nicht, sondern lässt dein Fleisch siegen, und tust, was dir gelüstet, bist schon übermannt und hast das Leben des Geistes nicht bei dir. Was lebt, das regt und bewegt sich. Ein totes Bild steht ohne Bewegung da. Aus dem Grund ermahnt Petrus: Macht keusch eure Seelen im Gehorsam der Wahrheit durch den Geist, zu ungefärbter Bruderliebe, und habt euch unter einander brünstig lieb aus reinem Herzen, als die da wiederum geboren sind, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort Gottes, das da ewiglich bleibt 1 Petr. 1,22.23. Ich seh dich ohne Übung rechtschaffener Gottseligkeit, drum glaub ich nicht, dass das Leben Gottes in dir sei, sondern halte dich für einen Bildchristen und toten Götzen. Was lebt, ist, wenn‘s zum Wachstum kommt, frucht- und zeugbar. Wie eine Flamme die andere, so erweckt ein Leben das andere. David verspricht im 51. Ps. V. 15: Ich will die Übertreter deine Wege lehren, dass sich die Sünder zu dir bekehren. Ich sehe nicht, dass du ein Licht im andern anzündest, so kann ich auch nicht glauben, dass in dir selbst ein Licht sei. Wer keinen Christen macht, ist nicht wert, dass er selbst ein Christ heißen soll. Was lebt, das ist warm. Tote Dinge sind an sich selbst kalt. Du brennst nicht, wenn dein Bruder wird geärgert, bist nicht brünstig im Geist, wenn du deinen Gottesdienst verrichtest, empfindest keinen Eifer, Gottes Ehre in allen Dingen zu befördern. Wie kann ich dich denn lebendig nennen, da ich dich tot finde? Was lebt, das wächst und nimmt zu. Tritt nicht der Mensch aus dem einen Alter ins andere? Wachsen nicht die Bäumlein immer fort, bis sie ihr Ziel im Wachstum erreichen? Du bleibst, wie du bist, nimmst mehr ab, als zu; ach, betrüge dich nicht mit dem Dünkel und Namen des Lebens; fürwahr, du bist lebendig tot! Gott mache dich durch Jesum lebendig! Amen.
(Heinrich Müller)
Als Christus sein Leben opferte, machte er allen weiteren Opfer- und Priesterdienst alttestamentlicher Art überflüssig. Indem er aber seine Jünger beauftragte, missionierend, taufend und lehrend sein Werk weiterzuführen, begründete er das kirchliche Amt. Grundsätzlich hat jeder Getaufte Anteil an diesem Amt und Auftrag. Um aber eine möglichst geordnete und qualifizierte Ausübung zu gewährleisten, überträgt die Kirche das geistliche Amt einzelnen, die dazu besonders geeignet und ausgebildet sind.
„Der Geizige ist der Ungerechteste. Warum? Weil er nichts mit in die Welt gebracht, und doch so besorgt um die irdischen Güter ist, als wollte er das Allermeiste mit sich aus der Welt nehmen. Der Geizige ist der Undankbarste. Warum? Weil er vieler Güter Gottes genießt, und niemals mit Vertrauen des Herzens zum Geber der Güter sich erhebt. Der Geizige ist der Törichste. Warum? Weil er das wahre Gut verlässt, ohne das es nichts wahrhaft gutes gibt, und dem anhanget, was ohne Gottes Gnade kein Gut ist. Wer von der Liebe zum Irdischen gefesselt wird, der besitzt nicht, sondern er wird besessen. Der Geiz wird weder durch Fülle, noch durch Mangel getilgt. Durch den Mangel wird er darum nicht gemindert, weil die Habgier wächst, wenn das nicht erlangt werden kann, was lange ersehnt ist. Durch die Fülle wird er darum nicht gemindert, weil der Geizige nur um so mehr sucht, je mehr er an sich bringt. Wenn erlangt wird, was von dem Geize ersehnt ward, so wird zugleich ein neuer Grund des Begehrens geweckt; und so wächst er nach Art des Feuers, wenn es das Holz, das es verzehrt, empfangen hat. Der Geiz ist zuerst ein kleiner Gießbach, hernach aber wächst er ins Unermessliche. Darum setze der Begierde nach Reichtum ein Ziel, damit nicht jene Begierde dich zum ewigen Verderben fortreiße. Viele verschlingen in diesem Leben, was sie nachher in der Hölle zu verdauen haben: viele, indem sie nach Gewinn schmachten, rennen in das augenscheinlichste Verderben. Das erwäge, andächtige Seele, so viel du vermagst, und fliehe den Geiz.“ (Johann Gerhard)
* – * – * – * – * – * – * – * – *
Ein alter, reicher Geizkragen liegt im Sterben. Er diktiert einem Notar sein Testament: „Hunderttausend Gulden fürs Witwenheim, zweihunderttausend Gulden fürs Waisenhaus, fünfzigtausend Gulden fürs Tierheim ...“ Im Hintergrund hören zwei entfernte Verwandte die Verfügung des Sterbenden. Sagt der eine: „Schau, jetzt, das ans Sterben geht, wird der alte Geizkragen plötzlich großzügig.“ „Aber wieso denn? Verschenkt er denn sein Geld? Er verschenkt das seiner Erben!“
Der Gebende fühlt sich stets reich, der Geizige immer arm. Italienisches Sprichwort
Es gibt keinen größeren Verschwender als den Geizhals. Er vergeudet sein Leben auf die Erwerbung dessen, was er weder genießen kann noch will. József Baron von Eötvös
Geizhälse sind unangenehme Zeitgenossen, aber angenehme Vorfahren. Bertha von Suttner
Konfuzius sprach: „Der Edle hütet sich vor dreierlei: In der Jugend, wenn der Körper noch nicht entwickelt ist, hütet er sich vor sinnlichen Vergnügungen. Im Mannesalter, wenn er seine volle Kraft erreicht hat, hütet er sich vor Streitsucht. Im Greisenalter, wenn die Kräfte schwinden, hütet er sich vor Geiz.“ „Gespräche“ des Konfuzius
„Bitte den Herrn nur darum demütig, dass er dich nicht in geistlicher Dürre und Finsternis verderben lasse, und sei sonst nicht bekümmert, was sich dir in der Zukunft ereignen könne. Denn dein Vater wird für dich in allen Stücken sorgen; er wird dir zu seiner Zeit Not und Kämpfe senden, aber wenn es ihm gut dünkt, auch unerwarteten Trost. Er hat uns von Ewigkeit geliebt und bis hierher geholfen, wie sollte er jemals unserer vergessen, oder etwas geschehen lassen können, das nicht zu unserm Heile diente? So wollen wir ihm denn mit guter Zuversicht Glück und Unglück anheimstellen, und nur darum bitten, dass er uns vor Sünden bewahre.“
Johann (+ ca. 1440)
Lass gehen wie es geht. Es geht doch wie Gott will. Soll‘s gehen nach des Teufels und böser Menschen Willen, wer wollte leben? Aber Gott ist noch über Teufel und Menschen. Gewiss ist, dass es nicht so gehen muss, wie der Teufel will, sonst lägen alle Menschen schon im Abgrund der Hölle. Die Welt dräut wohl, es soll dir so und so gehen, aber vom Dräuen sterb ich nicht. Hie steh ich, Welt, vor deinen Augen, tritt zu, krümm mir ein Härlein, hast du das Herz. Der im Himmel wohnt, lacht dein. Es mag über und über gehen, es muss doch gehen wie Gott will. Warum klagst du denn mein Herz, und sprichst: ach es geht mir so übel. Kann‘s wohl übel gehen, wenn‘s geht wie Gott will? Er hat alles wohl gemacht. Sein Will ist ein guter Will Röm. 1