Gottes Name, Gottes Wesen

Gottes Name, Gottes Wesen

Haben sie ein gutes Namensgedächtnis? Fällt Ihnen zu einem Gesicht auch immer der richtige Name ein, so dass sie den Betreffenden anreden können? Ich habe da oft Schwierigkeiten, und oft genug ist es dann peinlich, wenn man jemandem gegenübersteht, von dem man weiß, dass man ihn kennen sollte – und doch fällt einem der Name nicht ein. Nun könnte man denken, das sei nicht so schlimm. Namen sind ja angeblich „Schall und Rauch“! Aber so ganz stimmt das nicht. Denn wenn mir der Name fehlt, wie soll ich dann mit jemand in Beziehung treten? Wie soll ich mit ihm sprechen, ihn anreden, ihn kennen und nennen? Selbst hinterher macht es ratlos, wenn man von einer Begegnung erzählen will und dann sagen muss: Ich habe jenen Herrn getroffen, na du weißt schon, den Grauhaarigen, diesen mittelgroßen, den mit dem Garten… Umständlich sind solche Beschreibungen und trotzdem noch missverständlich, denn sie könnten auf viele zutreffen! Will ich aber jemand eindeutig identifizieren und dauerhaft zu ihm in Kontakt treten, brauche ich seinen Namen. Und das ist bei Gott genauso. Denn wenn wir die Hände falten und beten, brauchen wir dazu eine passende Anrede und müssen wissen, mit wem wir es zu tun haben. Zu einem Namenlosen kann man nicht wirklich in Beziehung treten! Bei Gott ist aber das Problem, dass er nicht zu wenige, sondern eher zu viele Namen hat, die alle richtig sind und alle zutreffen. Denn die Bibel nennt ihn an manchen Stellen „den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs“, nennt ihn dann aber auch „Elohim“ und „Jahwe“, „El Schaddai“ und „Herr Zebaoth“. Zahllos sind Gottes Namen gerade im Buch der Psalmen! Denn er ist der Erbarmer und der König, der Heilige und der Beschützer, er ist die Wahrheit, der Weg und das Leben, der Erhabene und der Allmächtige, der Schöpfer, der Erlöser und der Vollender. Gott ist der Geber aller Gaben, der Herr aller Herren und der Grund allen Seins. Er ist der Allwissende und der Richter, der Ewige und Höchste, der Verborgene und der Offenbare. Ich kann ihn den Gerechten nennen, und ebenso den Allgegenwärtigen oder Vollkommenen. Bezeichne ich ihn als den Strengen, ist es nicht falsch, und sage ich, er sei der Mildeste und Gütigste, so stimmt auch das. Er ist gewiss der Größte, aber das heißt nicht, dass er nicht klein sein könnte. Er ist die Liebe, ist aber zugleich ein verzehrendes Feuer, ist der Herr des Lebens und auch des Todes. Gott ist der Weiseste und der Treueste, der Wahrhaftigste und der Beständigste. Er ist Helfer der Guten und Feind der Bösen, ist ein Fels und eine Burg, ist uns Vater und Mutter zugleich und doch auch wie ein guter Hirte. Er ist der Urheber alles Geschaffenen und der Schutzherr der Bedürftigen, ist Gesetzgeber und Lebensspender, ist der Inbegriff der Ehre und der Verlässlichkeit. Gott ist der Weltregent, der Einzige, der aus sich selbst existiert, der einzig Autonome und einzig Souveräne, der Erste und der Letzte, der Reinste und Beste, ein Rächer und Erbarmer, ein Vergelter und Vergeber, der erhöht und vernichtet, der geduldig ist und dennoch auch eifernd und zornig. Nenne ich ihn den Dreifaltigen, so ist es richtig, und sage ich, dass er unteilbar Einer ist, so stimmt auch das. Er ist Licht und ist Dunkel, ist Höhe und Tiefe, ist Grund und Abgrund, Binder und Befreier, ist Schrecken und Zuflucht, ist Lamm und ist Löwe, Stille und Sturm…

Man könnte das fortsetzen – aber irgendwie bleibt es unbefriedigend. Denn Gott hat scheinbar allzu viele Namen, und wird doch von keinem ganz eingefangen und beschrieben. Wenn die Theologen aber versuchen die Fülle zu reduzieren, und von Gott sozusagen eine „Definition“ zu geben, dann fügen sie zu seinen Titeln immer nur weitere hinzu. Ein Gelehrter nennt ihn „das Sein selbst“ oder „den unbewegten Beweger“. Aber für den anderen ist er wieder „unendlicher Geist“ und „reine Wirklichkeit“. Jener meint, Gott sei das, „worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann“. Und dieser beschrieb ihn als das „höchste Gut“. Der Dritte spricht von Gott als dem „begreiflich Unergreifbaren“. Und der Vierte meint, Gott sei das, „was den Menschen unbedingt angeht“. Er ist „die alles bestimmende Wirklichkeit“ und zugleich „das ursprungslose Woher unseres Daseins“. Ja, kluge Menschen erdenken sich für Gott Namen, Eigenschaften und Titel ohne Ende. Und obwohl keiner von ihnen ganz falsch ist, nähren sie doch den Zweifel, ob Menschen überhaupt angemessen von Gott reden können! Einige Theologen vertreten die Ansicht, man käme der Wahrheit am nächsten, wenn man nur sagte, was Gott alles nicht ist, und all die irdischen Begriffe verneint, die ihn ja doch nicht angemessen beschreiben. Und andere halten dagegen, man müsse das Gute, das Große und Schöne, das der Mensch kennt, nur ins Unendliche steigern, um einen Begriff von Gott zu bekommen. Doch auch die müssen zugeben, dass Gott „immer größer“ ist als all unsere Gedanken und Worte. Denn alle Versuche, ihn auf den Begriff zu bringen und seinen Namen zu erraten, scheitern zuletzt am Bilderverbot des Alten Testaments. Der ganze menschliche Scharfsinn reicht nicht aus, um Gott einen Namen zu geben, wenn er selbst sich keinen gibt. Nur das können wir von Gott wissen, was er uns wissen lässt. Und von seinen tausend Namen, von denen keiner ganz falsch ist, finge ihn doch keiner ein, wenn nicht Gott selbst sich uns mitgeteilt hätte und uns den einen Namen gegeben hätte, in dem das Heil ist, in dem die Fülle der Gottheit wohnt und in dem wir zu Gott in Beziehung treten dürfen. Muss ich noch sagen, wie er lautet?

„Jesus Christus“ – das ist der Name, der für Eindeutigkeit sorgt! Und seit wir diesen Namen kennen, reden wir anders von Gott. Denn tausend Namen Gottes würden nichts nützen, wenn wir diesen einen nicht hätten. Tausend richtige Namen sind vieldeutig! Der Name Jesu Christi aber ist eindeutig. Und wann immer wir Gott als den Vater Jesu Christi anreden, weiß er sich gemeint, und die Adresse stimmt. Denn das ist kein Etikett, das wir ihm angehängt hätten, sondern es ist die authentische Beschreibung, die Gott von sich selbst gegeben hat! Gott wusste nur zu gut, dass er vor unseren Augen in tausend Farben schillert. Er wusste, dass unsere Sprache nur von ihm stammeln kann. Er wusste, dass wir nicht zu ihm in Beziehung treten können, wenn er sich uns nicht fasslich macht. Und darum hat er die unendliche Fülle seiner Gottheit hineinverborgen in die Gestalt jenes Mannes aus Nazareth. Gott kam uns auf Armeslänge nah und zeigte dabei ein menschliches Angesicht, so dass wir nun wissen, was sein Herz bewegt. Wir wissen von der Übermacht seiner Liebe, die über seinen Zorn siegt, und wissen, was er mit uns vorhat. Ja, seit Gott uns in Christus nicht irgendwas mitteilte, sondern sich selbst mit uns teilte, seit er nicht irgendwas offenbarte, sondern sich selbst, kennen wir den Weg des Heils, der sicher in den Himmel führt und von jeder armen Seele gegangen werden kann! Was gehen uns also die fremden Religionen an, und ihre tausend Anrufungen Gottes? Es ist „in keinem andern das Heil, auch ist kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden.“ (Apg 4,12) Darum schulden wir einer verwirrten Welt an dieser Stelle Klarheit und müssen ihr bezeugen, dass niemand recht von Gott redet, der dabei nicht den Vater Jesu Christi meint, und dass jeder das Thema „Gott“ verfehlt, wenn er dabei nicht von Jesus spricht. Als Christen können wir nicht so tun, als wäre alles offen und ungewiss! Denn Gott ist für uns kein Phantom, das sich hinter tausend Namen verbirgt. Er hat sich sehen lassen, damit wir ihn finden können! Ist uns das aber bewusst, und fragt uns jemand nach Gott, müssen wir nicht stottern oder stammeln von einem höheren Wesen, das angeblich keiner kennt, sondern können ihn beim Namen nennen: Gott ist der, der in Jesus Christus erschien. Und alles was man über ihn wissen muss, ist in diesem Namen eingeschlossen. Alles Wissenswerte kann daraus entnommen werden, weil es keine Eigenschaft Gottes gibt, die nicht in Jesus Christus offenbar geworden wäre. Er ist das wahre Ebenbild des Vaters, und wer dementsprechend vom Sohn auf den Vater schließt, und vom Vater auf den Sohn, der weiß genug von Gott und weiß von ihm zu reden, weil Gott von sich geredet hat.

Wer ist also Gott? In aller Kürze gesagt:

 

- Gott ist der Eine und Unteilbare, der keine Spaltung oder Zusammensetzung kennt – und der dennoch dreifach mit sich selbst in Beziehung ist als Vater, Sohn und Heiliger Geist.

 

- Gott ist der ganz aus sich selbst seiende Ursprungslose, der von niemandem abhängt und keiner Gesellschaft bedarf – und dennoch die Gemeinschaft mit uns sucht und will.

 

- Gott ist der Liebende, der nicht etwa Liebenswertes liebt, das er vorfindet, sondern der dem Unwerten und Nichtswürdigen, das er vorfindet, durch seine Liebe Wert verleiht.

 

- Gott ist der Allmächtige und Unumschränkte, der alles, was er will, auch kann – und doch völlig außer Stande ist, gegen sein eigenes Wesen, seine Gerechtigkeit und Treue zu verstoßen.

 

- Gott ist der Allgegenwärtige und Ungreifbare, der nirgends nicht ist – und dennoch seine Unendlichkeit in endliche Gestalt einfügt und bindet, um sich von uns antreffen und „packen“ zu lassen.

 

- Gott ist der Gerechte, dessen Gerechtigkeit nicht primär darin besteht, gerecht zuzuteilen und zu vergelten, sondern Ungerechte an der eigenen Gerechtigkeit teilhaben zu lassen.

 

- Gott ist der Ewige und Unveränderliche, der, über aller Zeit stehend, doch in die Zeit eingehen wollte, um mit uns eine Geschichte zu haben, einen Anfang zu nehmen in Bethlehem und ein Ende auf Golgatha.

 

- Gott ist der grundlos Barmherzige, der seinem berechtigten Zorn zum Trotz (nicht ohne Gericht, sondern mitten im Gericht) Gnade übt an seinen Feinden.

 

- Gott ist der absolut Mächtige und Freie, der aus freien Stücken seiner Freiheit Grenzen setzt, indem er sich (uns zu Gute) an sein Wort und Evangelium bindet.

 

- Gott ist der verborgene Gott, dessen Verborgenheit in dieser Welt ganz offen-sichtlich ist, der aber dort, wo er sich offenbart, inmitten seiner Offenbarung verborgen bleibt und sein Geheimnis wahrt.

 

 

 

 

 

Bild am Seitenanfang: Thomas Gerlach (privat)