Trinitätslehre - biblisch begründet

Trinitätslehre - biblisch begründet

Mit größter Selbstverständlichkeit bekennen sich Christen zum dreieinigen Gott, zum Vater, zum Sohn und zum Heiligen Geist. Und doch melden sich immer wieder Stimmen, die behaupten, von Dreieinigkeit und Trinität stünde gar nichts in der Bibel, sondern es handle sich um dogmatische Lehrsätze einer viel späteren Zeit. Das stimmt nun zwar in dem vordergründigen Sinne, dass im Neuen Testament die theologischen Fachbegriffe nicht auftauchen, die später üblich wurden. Aber wenn die Fachbegriffe fehlen, heißt das noch lange nicht, dass auch die Sache fehlt. Denn schließlich enthält das Neue Testament eben so wenig wie eine schulmäßige „Trinitätslehre“, eine „Rechtfertigungs-“ oder „Schöpfungslehre“ – und enthält doch alles, woraus sich diese „Lehren“ notwendig ergeben. Natürlich reden Petrus und Paulus nicht wie Professoren! Und doch kann’s ja sein, das späteren Lehrer der Kirche in anderen Begriffen treffend ausgedrückt haben, was Petrus und Paulus meinten. Das kirchliche Bekenntnis zum dreieinigen Gott würde dann nur zu Ende denken, was im Neuen Testament schon unausgesprochen enthalten ist. Und meines Erachtens tut es das wirklich. Weil’s aber immer wieder bezweifelt wird, will ich den Nachweis nicht schuldig bleiben und bitte sie darum, mit mir die Nase ins Neue Testament zu stecken und die Sache zu prüfen. Was genau prüfen wir? Was ist der Kernbestand der Trinitätslehre? Sie besagt, dass Vater, Sohn und Hl. Geist in ihren Erscheinungen ganz eigenständig und in ihrem Wesen doch eins sind, dass die drei als Seinsweisen Gottes wohl unterscheidbar und doch nie zu trennen sind, und dass sie – obwohl sie je eigene Werke wirken – im Grunde doch immer gemeinsam handeln. Das ist eigentlich schon alles, was wir sagen, wenn wir vom dreieinigen Gott reden. Und ich meine, dass wir gar nicht anders von ihm reden könnten oder dürften, weil’s genau das ist, was wir im Neuen Testament sehen: Das ist die dreifach-einfache Weise, wie Gott selbst sich darstellt. Und wenn wir ihn nicht für einen Heuchler halten, müssen wir annehmen, dass er so, wie er sich in seiner Offenbarung zeigt, auch wirklich ist. Oder bezweifelt jemand, dass uns das Evangelium Jesus Christus als wahren Gott vor Augen stellt? Natürlich kennt die Bibel auch Propheten, die bloß Menschen sind, und folglich von niemandem verehrt werden. Jesus aber spielt von Anfang an in einer anderen Liga. Denn das Neue Testament legt ihm Eigenschaften bei, die nur Gott zukommen. Es berichtet von ihm viele Taten, die nur Gott selbst tun kann. Und es fordert dazu auf, an ihn zu glauben. Nach Johannes 1 z.B. ist Jesus Christus „Gottes Wort“, das nicht bloß von Ewigkeit her „bei Gott“ war, sondern es heißt im Evangelium ausdrücklich: „Gott war das Wort“. Christus als das Wort Gottes wurde nicht geschaffen, sagt Johannes, sondern durch ihn wurde alles geschaffen (Joh 1,1-3 und 1,10). Und der, der als Schöpfer aller Schöpfung vorausgeht und sie ins Werk setzt, ist natürlich kein anderer als Gott. Johannes nennt Jesus ganz direkt den „Eingeborenen, der Gott ist“ (Joh 1,18). Und das übrige Evangelium wiederholt in hundert Variationen, dass Jesus mit dem Vater „eins“ ist. Er betont selbst: „Wer mich sieht, der sieht den Vater!“ (Joh. 14,9). Und er versichert: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh. 10,30). Der ungläubige Thomas redet Jesus ohne Umschweife an mit „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh. 20,28). Und als Stephanus gesteinigt wird, betet auch er zu Jesus, wie man nur zu Gott beten kann (Apg 7,59). Paulus sagt im Römerbrief, dass Christus „ist Gott über alles“ (Röm. 9,5). Gott hat also nicht bloß einen weiteren Menschen als „Boten“ geschickt, sondern Jesus Christus ist kein anderer als Gott selbst „offenbart im Fleisch“ (1. Tim. 3,15-16). Und wie die Apostelgeschichte sagt, war es denn auch Gott selbst, der „durch sein eigenes Blut“ die Gemeinde erworben hat (Apg 20,28). Christus „hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein“, sagt der Philipperbrief. Er bekundet damit, dass Christus tatsächlich „Gott gleich“ ist (Phil 2,6). Und der Kolosserbrief bestätigt das, wenn wir dort lesen, dass Christus „vor allem“ ist, und dass alles „in ihm“ besteht (Kol 1,15-17). Solche Wendungen und zahllose Ehrentitel belegen, dass der Sohn mit Gott dem Vater auf eine Stufe steht. Denn sonst könnte ihn das Neue Testament ja schwerlich den „Herrn der Herrlichkeit“ nennen (1. Kor. 2,8), den „Fürsten des Lebens“ (Apg. 3,15), das „Licht der Welt“ (Joh 8,12), den „Weg“ und die „Wahrheit“ (Joh 14,6). Jesus selbst beansprucht, „nicht von dieser Welt“, sondern „von oben her zu sein“ (Joh 8,23). Er bekundet seinen staunenden Zuhörern, dass er schon vor Abraham war (Joh 8,58) und schon vor der Schöpfung beim Vater (Joh. 17,5), was dem Gottesprädikat der Ewigkeit entspricht. Christus „trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort“, sagt der Hebräerbrief, und ist weit höher als jeder Engel (Hebr. 1,1ff.), ja alle Engel Gottes sollen Christus anbeten (Hebr 1,6), und in seinem Namen sollen sich beugen „aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind“ (Phil 2,10). Jesus beansprucht für sich dieselbe Allmacht, die der Vater hat, weil seine Macht mit der des Vaters im Grunde identisch ist (Joh 10,28-29). Ihm „ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden“ (Matth. 28,18; vgl. auch Joh. 3,35). Und er beansprucht zugleich die göttliche Eigenschaft der Allgegenwart, denn er sagt, „wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20 und 28,20). Er verspricht seinen Jüngern, ihre Gebete zu erhören (Joh 14,13-14), was natürlich nur Gott kann. Und er nimmt für sich in Anspruch, die Welt überwunden zu haben (Joh 16,33). Das Neue Testament sagt eindeutig, dass Christus allwissend ist (Joh 21,17; Joh. 2,25), dass er die Zukunft kennt (Matth. 10,17-18; Joh. 16.2; Mt 24,1-2) und „für immer“ lebt, was ja Ewigkeit meint (Hebr. 7,25). Außerdem macht er Tote lebendig, wie nur Gott selbst das kann (Joh 5,21; Lk 7,14; Mk 5,41; Joh 11,43), und vergibt Sünden, wie nur Gott selbst das darf (Mt. 9,6). In voller Freiheit gebietet Jesus über die Natur (Mt 8,26), bannt Dämonen (Mt 8,28-34), heilt Krankheiten (Mt 8,3) und teilt diese Macht auch seinen Jüngern mit (Lk 9,1). Er rettet (Joh. 3,17; 12,47) und richtet die Welt (Joh. 5,22; 2. Kor. 5,10). Er verfügt über alles, was der himmlische Vater hat (Joh 16,15), und nimmt die gleiche Ehre in Anspruch, die dem Vater gebührt (Joh. 5,23). Er setzt sich souverän über Sabbatgebote hinweg (Mt 12,8). Er stellt sein eigenes Wort über das mosaische Gesetz (Mt 5,21.27.31.33.38.43). Und das Neue Testament fordert, dass man an ihn glauben müsse (Joh. 3,16; 6,40), was ja skandalös erschiene, wenn Christus nicht Gott wäre. Zuletzt werden in der Taufformel (Mt 28,19) und in vielen feierlichen Anrufungen (Röm 1,1-3) die Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes gleichrangig zusammengestellt, so dass offenkundig allen dreien gleiche Verehrung und gleiche Autorität zugebilligt wird ohne jeden Unterschied. Eine typische Grußformel des Neuen Testamentes lautet: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2. Kor 13,13). In einem Atemzug wird da allen dreien gehuldigt, weil Lobpreis und Ehre unter allen drei Namen doch immer an denselben dreieinigen Gott adressiert sind. Und wenn Paulus betont, dass Christen nur einen Gott haben und nur einen Herrn, der Jesus Christus heißt (1. Kor 8,4-5), so stehen für ihn dieser „Gott“ und jener „Herr“ gerade nicht in Spannung zueinander, sondern bilden eine Einheit. So wie Paulus sagt, dass durch den Vater „alle Dinge sind und wir zu ihm“, sagt er noch im selben Vers dasselbe von Christus (1. Kor 8,6). Wäre das aber einem geborenen Juden möglich, wenn er meinte, dabei den Schöpfer und eines seiner Geschöpfe frevelhaft auf dieselbe Stufe zu stellen? Undenkbar wär’s, dass Paulus den Monotheismus vergäße, den er zwei Verse zuvor noch unterstrichen und bekräftigt hat (1. Kor 8,4)! Und so gilt für ihn (wie für das ganze Neue Testament), dass die Verehrung Jesu und des Hl. Geistes nur deshalb nicht in Konkurrenz zur Gottesverehrung tritt, weil Jesus und der Geist Gott sind. Der Geist also auch? Ja, auch an seiner Gottheit kann kein Zweifel sein. Denn aus der Apostelgeschichte geht hervor, dass Hananias, als er den Heiligen Geist belog, Gott selbst belogen hat (Apg 5,3-4). Und im 1. Johannesbrief wird das Zeugnis des Hl. Geistes mit dem Zeugnis Gottes gleichgesetzt (1. Joh 5,6-9). Wenn es heißt, der Hl. Geist habe durch Jesaja geredet, meint das Neue Testament dasselbe, wie wenn es sagt, Gott habe durch Jesaja geredet (Apg. 28,25, vgl. auch Apg. 1,16). Und überhaupt wird das, was Gott sagt, und was der Hl. Geist sagt, nicht unterschieden (vgl. 1. Tim. 4,1; Hebr. 3,7; Hebr. 10,15). Wird dem Simeon ein Wort zu Teil „vom Hl. Geist“, so versteht darunter niemand etwas anderes als ein Wort Gottes (Luk. 2,26). Und für Paulus macht es nicht den geringsten Unterschied, ob er die Christen als „Tempel Gottes“ oder als „Tempel des Hl. Geistes“ bezeichnet (1. Kor. 3,16). Wie dem Sohn wird auch dem Hl. Geist Ewigkeit zugesprochen (Hebr. 9,14). Und schon in Alten Testament wird seine Allgegenwart behauptet (Ps. 139,7). Der Hl. Geist „erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit“ (1. Kor. 2,10). Er ist demnach so allwissend, wie man es nur von Gott sagen kann. Und generell wird der Hl. Geist von Gott so wenig unterschieden, wie der Geist eines Menschen von diesem Menschen. Denn der Geist einer Person ist schließlich nichts, was nachträglich hinzukäme oder eventuell fehlen könnte, sondern die Person selbst „ist“ ihr Geist, und im selben Sinne „ist“ Gottes Geist auch Gott (1. Kor 2,9-12). Schon der Schöpfungsbericht macht es unmöglich, den Hl. Geist zu den Geschöpfen zu rechnen, denn bevor es mit der Schöpfung losgeht „schwebt“ schon der Geist Gottes „auf dem Wasser“ (1. Mose 1,2). Dieser Geist handelt in göttlicher Freiheit, denn er teilt einem jeden Geistesgaben zu, wie er will (1. Kor. 12,11). Wer zum Glauben kommt, wird wiedergeboren „aus Wasser und Geist“ (Joh 3,5). Und trotzdem ist, was der Hl. Geist da schenkt, unzweifelhaft ein Geschenk Gottes. Der Hl. Geist lenkt die Wege und die Entscheidungen der Apostel, die dabei gar keine Zweifel haben, der Führung Gottes zu folgen (Apg. 13,2; Apg. 15,28; Apg. 16,6-7). Und die Lästerung des Hl. Geistes wird von Jesus als schlimmer erachtet als jede andere Sünde (Mt. 12,31-32; Mk. 3,29), woraus man entnehmen kann, dass dem Hl. Geist Ehrerbietung gebührt, wie sie nur Gott gebührt. Nach Pfingsten ist die Führung der Kirche dem Hl. Geist übertragen (vgl. Apg. 20,28; Lk 12,12; 2. Petr 1,21). Und natürlich meint das Neue Testament nicht, Gott habe damit die Leitung seines Volkes aus der Hand gegeben, sondern selbstverständlich ist des Geistes Wirken Gottes Wirken, und des Geistes Gegenwart Gottes Gegenwart. Nach Pfingsten wird das Geschick der Christenheit keinem Geschöpf überlassen, und es kommt auch kein „anderer Gott“ ins Spiel, sondern nur derselbe Gott in anderer Form. Und folgerichtig bekennt die Kirche den dreifaltigen und doch ganz einigen Gott als den „Dreieinigen“. Sie tut in der Trinitätslehre aber nichts anderes, als nur zu Ende zu denken, was Gott selbst von sich gezeigt hat. Natürlich haben die Theologen dafür viel Zeit gebraucht und haben auch um Worte gestritten: Gott war im Offenbaren schneller als wir im Verstehen. Aber ist das so verwunderlich?

Zuletzt erwies sich die Trinitätslehre als die einzige Deutung, die dem neutestamentlichen Befund gerecht wird. Denn man bedenke nur, wie es einen Christen innerlich zerreißen müsste, wenn er Christus und den Hl. Geist nicht für Seinsweisen Gottes, sondern bloß für Geschöpfe hielte! Das Neue Testament bezeugt dem Christen auf jeder Seite, dass er seine Erlösung Jesus Christus verdankt, mit dem er nicht anders als durch den Hl. Geist in Verbindung steht. Christus selbst fordert von ihm Nachfolge, Glauben und Gehorsam. Aber wenn Christus nicht Gott wäre, dürfte kein Mensch dieser Forderung nachkommen, weil Glaube und Gehorsam nur Gott gebühren! Der Hl. Geist fordert vom Christen, dass er ihm in Liebe und Hingabe sein Herz öffnet. Aber wenn der Hl. Geist nicht Gott wäre, dürfte dem keiner entsprechen, weil Menschen ihre Liebe und Hingabe Gott schulden! Und aus diesem Dilemma führte kein Weg hinaus. Denn der Allmächtige ist bekanntlich ein eifernder Gott. Er duldet nicht, dass man neben ihm noch anderen huldigt. Wie dürfte man also wagen, einem Geschöpf zu geben, was nur Gott zusteht? Der arme Christ, der Vater, Sohn und Hl. Geist nicht als Einheit begreifen könnte, müsste innerlich zerrissen sein. Denn natürlich gilt sein ganzer Dank dem Heiland, der am Kreuz für ihn starb. Und doch wäre alle Ehre, die er Christus zukommen lässt, im selben Moment Gott dem Vater entzogen. Und wenn der Hl. Geist auf beseligende Weise sein Herz erfüllt, müsste er annehmen, sein Herz sei deswegen von Gott entleert. So ein verwirrter Christ müsste denken, seine Hingabe gälte dem Hl. Geist, statt Gott zu gelten, und sein Gebet zum erhöhten Christus sei Anbetung einer Kreatur! Weil so eine absurde Vermengung irdischer und himmlischer Instanzen aber schnell an inneren Widersprüchen zugrunde ginge – eben darum ist christlicher Glaube nur unter trinitarischen Voraussetzungen lebbar und vertretbar. Denn da gibt’s doch kein Vertun: Natürlich vertraut ein Christ seinem Gott nicht obwohl, sondern indem er Christus vertraut, und gehorcht Gott nicht obwohl, sondern indem er dem Hl. Geist gehorcht! Ein Christ ehrt den Vater, indem er den Sohn ehrt, und wird nicht anders als durch die Einwohnung des Hl. Geistes zu einem Tempel Gottes. Des Christen Hingabe kennt nur eine Adresse, und sein Herz ist ungeteilt, weil Gott ungeteilt ist. Ein Christ verehrt gerade nicht „drei“ höchste Instanzen, sondern dreimal dieselbe. Und was er dabei dem Vater gibt, hat er darum weder dem Sohn noch dem Geist genommen. Denn das muss jedem Christen bewusst sein, dass seine Glaubensbeziehung zu Christus und zum Hl. Geist nur dann kein Ärgernis und kein Götzendienst ist, wenn er beide mit Gott identifiziert. Natürlich war es nicht schon Sache der Apostel, das in geschliffene Definitionen zu fassen. Die Ausarbeitung der Trinitätslehre blieb Späteren vorbehalten. Doch sind im Evangelium Fundamente gelegt, auf denen sich gar kein anderes Gebäude errichten lässt als nur ein trinitarisches. Und so mussten die Theologen der späteren Zeit nur die Linien ausziehen, die das Neue Testament ihnen vorgab. Was dort impliziert und vorausgesetzt wird, haben sie zu Ende gedacht und ins Bewusstsein gehoben. Tatsächlich hätten sie aber zu gar keinem anderen Ergebnis kommen können. Denn jede andere Deutung des neutestamentlichen Befundes führt zu absurden Konsequenzen: Wäre Jesus nicht Gott, läge unsere Erlösung in der Hand eines Geschöpfes, und wir verdankten unser Heil nicht der Barmherzigkeit Gottes, sondern einer Kreatur. Und wäre Jesus nicht Gott, fehlte seinen Verheißungen jene Verbindlichkeit und Verlässlichkeit, die sie nur haben können, wenn sie vom Durchsetzungs-vermögen des Allmächtigen getragen sind. Wäre der Heilige Geist nicht Gott, hätten wir in den Stürmen unseres Glaubens nur den Beistand eines fehlbaren Geschöpfes zu erhoffen. Und die Kirche als das angefochtene Gottesvolk würde auch gar nicht von Gott erhalten und geführt, sondern bloß von einer Kreatur. Was aber Geschöpfe sagen und tun – wie könnte das Gott binden? Oder wie ließe es Rückschlüsse zu auf sein Wesen und seinen Willen? Wie könnte uns das Heilswerk Christi das väterliche Herz Gottes offenbaren, wenn Christus gar nicht Gott, sondern „ein anderer“ wäre? Oder wie könnte die Gegenwart des Hl. Geistes ein Unterpfand göttlicher Liebe sein, wenn der Geist von Gott genau so weit geschieden wäre wie wir selbst? Wer sich dennoch an Christus und den Geist binden wollte, müsste in Kauf nehmen, dass er neben Gott auch noch zwei Götzen verehrt! Ja, ohne das trinitarische Bekenntnis liefe Christentum auf den absurden Versuch hinaus, nicht nur zwei, sondern drei Herren zu dienen, von denen nur einer ungeschaffen und ewig wäre. Eine schlimmere Karikatur des christlichen Glaubens ist aber gar nicht denkbar. Denn der kennt keine drei Instanzen, unter denen er seine Loyalität aufteilt, sondern kennt nur einen Gott in dreifacher Gestalt. Und preist er mal den Geist, mal Christus und mal den himmlischen Vater, gilt es doch immer demselben Gott. So wenig wie die Autoren des Neuen Testaments muss ein Christ unterscheiden zwischen der Gnade Jesu Christi und der Gnade Gottes, dem Trost des Hl. Geistes und dem Trost Gottes, dem Frieden Christi und dem Frieden Gottes. Denn so oder so hat er‘s immer mit demselben zu tun. Schrecklich wäre die Vorstellung, die Christenheit machte Geschöpfe zum Gegenstand religiöser Hingabe. So bräche sie mit allem, was das Alte Testament lehrt! Wer das aber ausschließen will, darf in Christus und dem Hl. Geist nie „weniger“ oder „etwas anderes“ sehen als Gott selbst. Und das heißt in der Konsequenz, dass man den christlichen Glauben gar nicht anders als trinitarisch verantworten kann. Nicht dann gefährdet man den Monotheismus, wenn man den Sohn und den Hl. Geist mit Gott identifiziert, sondern gerade, wenn man es nicht oder nur halbherzig tut. Und so kann unser Fazit recht einfach sein: Aus dem Alten Testament geht klar hervor, dass Gott nur einer ist und keine Konkurrenz duldet. Er sagt: „Ich will meine Ehre keinem andern geben“ (Jes 42,8; Jes 48,11). Auf den ersten Blick scheint das Neue Testament aber genau das zu tun, indem es Christus und dem Hl. Geist gottgleiche Ehre zuspricht. Das Alte Testament fordert, dass der Gläubige Gott allein lieben soll von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all seiner Kraft (5. Mose 6,4-5). Doch genau dem scheint das Neue Testament zu widerstreben, wenn es die Liebe und Hingabe der Gläubigen auf Christus und den Hl. Geist lenkt. Dieser Widerspruch muss so lange skandalös und anstößig wirken, wie man Christus und den Hl. Geist für Geschöpfe hält. Er löst sich aber sofort auf, wenn man trinitarisch denkt und begreift, dass alle Ehre, die man Christus gibt, Gott gegeben wird, und alle Hingabe an den Hl. Geist, Hingabe an Gott selbst ist. Anders ist christlicher Glaube nicht vollziehbar. Alles andere müsste ihn innerlich zerreißen. Und darum gehört die Trinitätslehre notwendig zum christlichen Glauben dazu. Sie zieht Linien aus, die im Neuen Testament vorgegeben sind, und macht bewusst, was dort vorausgesetzt wird. Denn Gott zeigt sich im Evangelium dreifach – und bleibt doch immer nur einer. Gott selbst gab das der Christenheit zu denken. Und sie hat daraus die Schlüsse gezogen, die man „Trinitätslehre“ nennt, weil auf neutestamentlicher Grundlage gar keine anderen möglich sind. Dass wir‘s aber erst mit zeitlichem Abstand so richtig begriffen haben, besagt wenig. Kann eine Melodie nicht längst gebräuchlich sein, bevor der erste Sänger sie in Notenschrift festhält? Kann ein Naturgesetz nicht schon lange genutzt werden, bevor es ein Physiker in Formeln ausdrückt? Und kann ein Land nicht längst besiedelt sein, bevor der erste Bewohner eine Karte davon zeichnet? Auch hinsichtlich der Trinität ging die Sache ihrer Beschreibung voraus. Doch was dann beschrieben wurde, ist so alt wie die Sache selbst. Und nur auf die korrekte Wiedergabe kommt es an. Wenn man sich also auf Gottes biblische Offenbarung keinen anderen Reim machen kann als einen trinitarischen, darf die Trinitätslehre als „gut biblisch“ gelten – und wir müssen schon deshalb an ihr festhalten, weil sie in einem entscheidenden Punkt Klarheit schafft: Wer gegen das biblische Zeugnis Gottes Dreiheit und Einheit leugnen will, muss zugleich den christlichen Glauben aufgeben. Wer aber Christ bleiben möchte und folglich Gottes Dreiheit und Einheit bekennt, steht vor einer Aufgabe, die nur die Trinitätslehre überzeugend zu lösen vermag. 

 

 

 

 

 

Bild am Seitenanfang: Borromean Rings - Trinity

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