Investiere dich in Bleibendes

Investiere dich in Bleibendes

Wenn man ein Bild oder eine Metapher für das menschliche Leben sucht, so ist ein großer Wochenmarkt nicht der schlechteste Vergleich. Denn unser Leben ist ja wirklich ein großes Geben und Nehmen, Handeln und Wandeln, bei dem jeder hofft gut wegzukommen und seine Haut zu Markte trägt, so gut er kann. Von Geburt an bringen wir gewisse Potentiale, Gaben und Talente mit. Und heranwachsend versuchen wir, das Beste daraus zu machen und unsere Karten geschickt auszuspielen. Denn einer kann rechnen, ein anderer ist sportlich, der dritte kann gut reden und der vierte immerhin tanzen! Was wir mitbekamen, wollen wir vorteilhaft einsetzen und bieten es an, um etwas anderes dafür zu bekommen – gerade so wie Händler auf dem Markt Waren tauschen und Währungen in einander konvertieren. Haben wir Zeit und Kraft zur Verfügung, können wir sie in Arbeit umsetzen und für die Arbeit einen Lohn verlangen. Den Lohn setzen wir in Lebensmittel um, die unsere Kraft erneuern. Oder vielleicht investieren wir auch Geld und Zeit in die eigene Fortbildung. Denn mit Bildung kann man Ansehen erlangen, durch das Ansehen Ämter und Posten gewinnen, und durch die wiederum mächtig werden. Wer das nicht reizvoll findet, kann auch Charme und Hilfsbereitschaft aufwenden, um einen Freundeskreis aufzubauen. Von seinen Freunden erhält er vielleicht wertvolle Informationen oder die guten Beziehungen verschaffen ihm andere Vorteile! So wuchert denn jeder mit den Pfunden, die er mitbekam: ob es nun Intelligenz ist, Fleiß, Geduld, Anmut, Mutterwitz oder ein gewinnendes Lächeln. Stets tauscht man eine Währung in die andere, gibt dies und bekommt jenes. Man spielt das Blatt aus, das man in die Hand bekam! Doch ob man letztlich einen guten Schnitt macht, ist schwer vorauszusagen. Denn es hat sich schon mancher in der Jugend mit übermäßiger Arbeit die Gesundheit ruinierte, um ein Vermögen anzuhäufen, der dann im Alter das ganze Vermögen für Ärzte ausgeben musste, um wenigstens einen Teil seine Gesundheit wiederzuerlangen! Leben ist ein Spiel, bei dem man sich wie ein schlechter Kaufmann verspekuliert kann – und dann minderwertige Ware zu teuer bezahlt! Manche studieren lange und hart, um eine brotlose Kunst zu erlernen, die hinterher keiner braucht. Und andere investieren viel Zeit und Geduld in anspruchsvolle Freunde, die ihnen dafür niemals danken. Einige verschieben allen Genuss auf einen Ruhestand, den sie dann gar nicht mehr erleben. Und andere tauschen ein kurzes Glück gegen eine lange Reue, gegen Vorstrafen oder hohe Schulden. Mancher merkt zu spät, dass er seine Ressourcen verschwendet! Mancher tauscht wirklich Diamanten gegen Glasperlen! Doch auch, wenn einer im Spiel des Lebens als erfolgreich gilt, so dass die anderen sagen, er habe „etwas aus sich gemacht“, bleibt immernoch die Frage, worauf er damit hinaus will. Denn mit den Jahren verausgabt und verbraucht sich jeder. Und die Frage muss erlaubt sein, welchen Preis man mit all der Anstrengung erringt. Denn der Gewinn des Lebens kann doch nicht nur darin bestehen, das Leben noch etwas fortsetzen zu dürfen! Es muss doch mehr dabei herauskommen, als dass man seinen Umsatz steigert und für immer mehr von diesem immer mehr von jenem bekommt! Das allein führt zu nichts. Denn es ist ja keines der erworbenen Mittel „Selbstzweck“. Es sind alles tauschbare Güter, die man für den weiteren Handel braucht. Und natürlich soll das, was man gewinnt, wertvoller sein als das, was man um seinetwillen verliert! Man investiert Arbeit für angemessenen Lohn, weil die Arbeit zwar müde, der Lohn aber auch satt macht. Brächte der Tausch mehr Nachteile als Vorteile, ließe man sich ja nicht darauf ein! Aber soll das schon der ganze Mehrwert und das Ziel des Lebens sein, dass man weiter am Leben teilnimmt und im Marktgeschehen immer mehr persönliches „Kapital“ umsetzt? Der Umstand, dass am Ende alle Mitspieler gleich tot und gleich arm auf dem Friedhof liegen, lässt das fraglich erscheinen. Denn was nützt es, heftiger zu leben und später zu sterben, wenn die Bilanz am Ende doch bei allen die gleiche ist? Ein jeder verlässt das Leben so nackt, wie er hineingekommen ist. Und welchen Gewinn hat er dann von all der Mühe dazwischen? Scheinbar hat er die Höhe des Erfolgs nur erklommen, um hinterher umso tiefer zu fallen. Wenn aber weiter kein Ertrag bleibt, hat man dann nur immerzu eine Währung in die andere konvertiert, um mit all den Mitteln am Ende keinen Zweck zu erreichen? Das wäre absurd! Und darum wird gerade ein Mensch, der kaufmännisch denkt, nicht umhin können, das Angebot dieser Welt nach einem Gewinn zu durchforschen, der ihm nach dem Tod erhalten bleibt. Er wird die Skala der minderen, höheren und hohen Güter gedanklich nach oben verlängern, um nach einem unvergänglichen und unverlierbaren Gut zu suchen, dessen Erwerb den Aufwand seines Lebens rechtfertigt. Denn wer will schon in den Wind arbeiten? Wer nachdenkt, sucht ein Gut, das nicht nur von relativer, sondern von absoluter Bedeutung ist. Wer nicht über den Tisch gezogen werden will, forscht nach einem Schatz, der nicht bloß „für etwas“ gut ist, sondern „an sich“ gut ist. Damit sich der Aufwand des Daseins lohne, und das Geschäft seine Kosten decke, verlangt er nach etwas, das nicht wiederum als Mittel zum Leben, sondern als Ziel des Lebens gelten kann! Und entschuldigen Sie, wenn ich mit der Tür ins Haus falle: dies höhere Ziel, dieser eigentliche Gewinn des Lebens, kann nur in der Übereinstimmung der Person mit dem Richtigen, dem Wahren und Guten bestehen. Denn worauf ein Mensch aus ist, das prägt ihn durch und durch. Und was ihn heute prägt, entscheidet darüber, wer er in alle Zukunft gewesen sein wird. Mag einer früher sterben oder später – er wird in Ewigkeit der gewesen sein, der er zu Lebzeiten war. Und wenn er seine ganze Lebenszeit etwas Dummem hingegeben hat, dann wird’s bei dieser Signatur auch ewig bleiben, da er sich ja selbst diesen unverlierbaren Stempel aufgeprägt und sich genau so ins Gedächtnis der Welt eingeschrieben hat! Gelebtes Leben ist nachträglich nicht mehr zu korrigieren. Und hat‘s einer der Gewalt gewidmet, dem Machterwerb, dem Sinnenrausch oder der feigen Anpassung, wird er in Ewigkeit an dem teilhaben, in das er sein Leben investierte. Der Böse bleibt Teil der bösen, und der Gute bleibt Teil der guten Kräfte. Denn das ist die Last unserer Freiheit, dass wir Tag für Tag durch Gedanken, Worte und Werke zu Protokoll geben, wer wir sein wollen, mit jeder Entscheidung Farbe bekennen und dadurch unfreiwillig „outen“, welches unsere Prioritäten sind. Was wir wählen, um es mit Hingabe zu lieben, das bestimmt dauerhaft unser Wesen und unser Schicksal. Denn die Mittel, die wir nutzen, sind bloß Mittel, und die Wege sind bloß Wege. Jenes Ziel aber, um dessentwillen wir die Mittel nutzen und die Wege gehen, dieses Ziel bestimmt, wer wir zuinnerst sind. Und weil’s auf dieses innere „sein“ viel mehr ankommt als auf alles, was wir bloß äußerlich „haben“, besteht der Sinn des Lebens nicht darin, das Leben zu verlängern, es möglichst schmerzfrei hinter sich zu bringen oder auf dem Weg zum Grab ein paar ergötzliche Umwege zu machen. Sondern darin besteht sein Sinn, Farbe zu bekennen und Verstand zu zeigen, indem man Erstrebenswertes erstrebt und anderes sein lässt, um sich selbst in Übereinstimmung mit dem Richtigen zu bringen. Denn allein diese „Ware“ ist nicht von der „vergänglichen“ Sorte. Die Übereinstimmung mit dem Richtigen ist keine „Haben“, sondern ein „Sein“. Sie ist kein Tauschmittel, das man hortet, um es wieder für anderes herzugeben, sondern sie ist jener Selbstzweck, für den es lohnt, seine Ressourcen zu opfern. Denn zu was könnte man sie besser einsetzen? Oder gegen was wollte einer die Übereinstimmung mit dem Richtigen tauschen? Etwa gegen viel Geld fürs Falsche? Oder gegen große Macht zur Beförderung des Falschen? Vielleicht für Bildung zur vertieften Erkenntnis des Falschen? Oder für Lebenszeit zum langen Beharren im Falschen? Sollte man etwa die Kunst aufbieten zur Verschönerung des Falschen? Oder sollte man den Ruhm anstreben, unter den Falschen der Falscheste gewesen zu sein? Das alles macht keinen Sinn. Denn was nützen die Nebensachen, wenn man darüber die Hauptsache verliert? Verkauft man denn sein Auto, um von dem Erlös neue Reifen anzuschaffen? Tatsächlich sind jene überschätzen Güter (wie Geld, Macht, Intelligenz, Lebenszeit und Gesundheit) nur Lebensmittel. Sie sind nicht unser Lebenszweck. Sie sind nur gut, wenn sie gut sind für etwas – wenn sie nämlich gut sind fürs Richtige. Und ansonsten sind sie gut – für nichts. Oder sie werden so schlecht, wie die schlechten Zwecke, denen man sie unterwirft. Genau wie mit Sekundärtugenden kann man mit Geld, Macht, Intelligenz, Geschicklichkeit, Fleiß und Lebenszeit auch ein effizientes Folterlager oder ein kriminelle Organisation betreiben! Und weil das so ist, stellen diese Ressourcen an sich noch keinen Wert dar. Sie werden erst wirklich „wertvoll“, wenn man sie für Wertvolles einsetzt! Die Übereinstimmung mit dem Richtigen hingegen entspricht den Primärtugenden, die schon an sich „wertvoll“ sind und verdienen, dass man sie um ihrer selbst willen erstrebt. Damit ist nicht gesagt, dass, wer in dieses Ziel investiert, es deswegen leichter hätte. Aber wenn er leidet, leidet er für das Richtige. Und wenn er dient, dann wenigstens nicht dem Falschen. Was er investiert, hat er in das Richtige investiert. Und wenn er sterbend fällt, fällt er wenigstens auf das Richtige zu, das er vor Augen hat! So ein Mensch wird sich dessen, worauf er aus war, nie schämen müssen. Und ein Mensch, dessen Dasein den Stempel des Richtigen trug, wird er dann auch ewig gewesen sein! Eben darin liegt aber der höchstmögliche Gewinn im Spiel des Lebens. Denn Hingabe an das Höchste ist Teilhabe am Höchsten. Und man müsste ein Narr sein, um diese Teilhabe gegen etwas Geringeres einzutauschen. Oder sollte einer den gewonnenen Konsens mit Gott wieder hergeben, um doch lieber den Erwartungen seiner Familie zu folgen, der herrschenden Ideologie, den Wünschen seines Arbeitgebers oder der aktuellen Mode? Kaufmännisch gesehen würde so einer Diamanten gegen Glasperlen tauschen! Er würde die Option auf Ewiges gegen Ressourcen tauschen, die überhaupt erst wertvoll werden, wenn man sie für Höheres einsetzt! Und am Ende müsste man ihm sagen: „Schade, du hast dein Auto verkauft, um von dem Erlös neue Reifen anzuschaffen. Du hast viele Mittel gehabt und damit keinen Zweck erreicht, hast Zeit gehabt und keine Ewigkeit erlangt. Alles, was du im Laufe des Lebens erworben hast, war minderwertige und verderbliche Ware. Das war nicht schlau. Aber nun schließt der große Markt. Und alles, was du in Zukunft gewesen sein wirst, ist ein glückloser Händler, der über den Tisch gezogen wurde…“ 

Das klingt hart, weil‘s hart ist. Aber dieser Mensch verliert nicht, weil er betrogen wurde, sondern weil er dumm gehandelt hat. Und die Lehre, die wir daraus ziehen können lautet einfach: „Mensch, wenn du schon ein Egoist bist, dann sei es doch wenigstens auf kluge Weise! Mach dir klar, dass ein Leben im Falschen etwa so viel wert ist wie gar kein Leben. Und dann vergeude nicht deine Lebenszeit mit der Jagd nach Ruhm und Geld und platter Belustigung, sondern investiere deine Kraft in jene härtere Währung, die auch der Tod nicht entwerten kann. Diese härtere Währung ist das Leben in Übereinstimmung mit dem Richtigen. Und die kannst du erreichen, weil die Tür hinter dir noch nicht ins Schloss gefallen ist. Nutze also dein persönliches Zeitfenster, von dem du nicht weißt, wie groß es noch ist. Denn was du jetzt hast, wirst du nicht behalten, aber was du jetzt bist, das wirst du ewig gewesen sein. Bald stellt man dir den Stuhl vor die Tür, das Spiel des Lebens ist aus, und um die Seite zu wechseln, ist es dann zu spät. Darum wahre deinen Vorteil solange du kannst!“ 

Vielleicht denkt jemand, das sei doch nicht christlich, so offen an den Egoismus des Menschen zu appellieren. Aber kein Geringerer als Gottes Sohn hat genau das getan! Jesus erzählt von einem Menschen, der auf einem fremden Acker einen verborgenen Schatz findet und dann entschlossen alles verkauft, was er hat, um diesen einen Acker zu kaufen und den Schatz an sich zu bringen (Mt 13,44). Im gleichen Atemzug erzählt Jesus auch von einem Kaufmann, der eine besonders kostbare Perle findet und seinen ganzen Besitz investiert, um dieses einzigartige Stück zu erwerben (Mt 13,45). Weil die Gleichnisse Jesu aber vom Himmelreich reden, kann man seinen Appell kaum missverstehen. Wir sollen alles Zeitliche aufs Spiel setzen, um durch diesen Einsatz die Ewigkeit zu gewinnen. Und wir sollen das Irdische drangeben, um für den Himmel tauglich zu werden! Wer aber davor zurückschreckt, sein ganzes Vermögen auf diese eine Karte zu setzen, sollte sich nüchtern vor Augen führen, dass er sein Lebenskapital, wenn er‘s nicht in den Glauben investiert, deswegen nicht etwa behält, sondern es in jedem Fall verliert – und dann ohne Rendite dasteht. Es verhält sich wie bei einer Währungsreform, durch die in absehbarer Zeit alle Geldscheine ihren Wert verlieren! Wer das kommen sieht, wird loslaufen, um für seine Euros schnell noch nützliche Dinge zu kaufen, die ihren Wert behalten! Und gerade so ist es auch mit unserem Lebenskapital, das mit jedem Tag schwindet und irgendwann einfach weg sein wird, wenn wir’s nicht beizeiten in bleibende Werte umgetauscht haben. Es gibt diese Werte! Bei Gott Kredit zu haben, ist die härteste Währung überhaupt! Die Wechselstuben aber schließen mit dem Tag unseres Todes. Hören wir darum auf Gottes Sohn wie auf einen klugen Anlageberater – und investieren wir uns in Bleibendes!

 

 

 

 

Bild am Seitenanfang: 'Triumph des Todes (Die Gerippe spielen zum Tanz)'

Felix Nussbaum, Public domain, via Wikimedia Commons