Gottes Allwissenheit
"Du bist ein Gott, der mich sieht." (1. Mose 16,13; 21,8ff.)

Gottes Allwissenheit

Wussten sie schon, dass Gott alles weiß? Auch das Verborgene, auch das noch Künftige und das Unausgesprochene, das man nur denkt? „Ja, klar“ werden sie sagen – Gott weiß alles, er hat den großen Überblick. Und das scheint uns nicht nur selbstverständlich, weil es zum Wesen Gottes gehört, sondern auch, weil es in unzähligen biblischen Geschichten vorausgesetzt wird. Als Kain den Abel erschlug, meinte er, es habe keiner gesehen, aber Gott ist es eben doch nicht entgangen (1. Mose 4,8-10). Die Verheißungen an Abraham, Isaak und Jakob setzen alle voraus, dass Gott die Zukunft nicht nur kennt, sondern auch kontrolliert (1. Mose 12,1-3). Und selbstverständlich weiß Gott Bescheid über die Zukunft noch ungeborener Kinder (1. Mose 25,23). Während Josephs Brüder ihn in die Sklaverei verkaufen, hat Gott schon den Plan gefasst, durch die Folgen dieser Tat Ägypten vor einer Hungersnot zu retten (1. Mose 50,20). Und natürlich kann Gott dem Pharao im Traum offenbaren, ob sein Land in den nächsten Jahren gute oder schlechte Ernten haben wird (1. Mose 41,17-24). Als Gott Mose beruft, um Israel aus Ägypten zu führen, weiß er schon im Voraus, dass der Pharao sein Volk nicht wird ziehen lassen (2. Mose 3,19; 4,21; 7,2-4). Und auch sonst ist Gott nichts verborgen. Er hört jedes Gebet – selbst wenn es hinter verschlossenen Türen gesprochen wird oder wie bei Jona im Bauch eines Fisches (Jona 2). Und wenn Achans Diebstahl von keinem Menschen bemerkt wird, dann doch allemal von Gott (Jos 7). König David gibt sich viel Mühe, seinen Ehebruch mit Bathseba zu verheimlichen – und wird doch durch Gottes Prophet mit den Fakten konfrontiert (2. Sam 12,7-12). In der Bibel werden manchen Menschen die Umstände ihres Todes vorausgesagt (1. Kön 21,19.38; Jer 28,15-17; 1. Sam 28,19). Und noch öfter wird die Geburt von Kindern angekündigt, mit denen keiner mehr gerechnet hat (1. Mose 18,10; 1. Sam 1,17; Lk 1,13). Die Bücher der Propheten beweisen dann aber vollends, dass Gott allwissend ist. Denn was Gottes Boten mitteilen, ist fast immer mit der Weissagung politischer Ereignisse verknüpft. Unzähligen Völkern wird vorausgesagt, dass Gott ihre Zukunft in Gericht und Gnade genau so und so gestalten wird, weil sie dies und das getan haben. Die Schicksale der Völker sind Gott kein Geheimnis, weil er ja selbst beschließt, wie es ihnen ergehen soll. Und was seine Propheten dann voraussagen, erfüllt sich auch. Denn dass die Weltgeschichte für Gott überraschende Wendungen nehmen könnte, ist ausgeschlossen. Kein Ereignis kann ihn „auf dem falschen Fuß erwischen“, weil jedes Ereignis seiner Planung entspringt. Und wie Gottes Vorsehung die Völker umfasst, so auch den Lebensweg jedes einzelnen Menschen. Denn der Allmächtige schaut in die Herzen. Und bevor wir den Mund aufmachen, weiß er schon, was wir sagen wollen (Ps 139,1-4). Wir sind noch gar nicht geboren, da kennt er schon all unsere Tage, die erst noch werden sollen (Ps 139,15-16). Des Menschen Weg liegt offen vor ihm (Spr 5,21). Und natürlich weiß er auch, was im Finstern passiert (Dan 2,22). Gott ist ein Zeuge aller noch so heimlichen Gedanken. Und weil sein Geist den ganzen Erdkreis erfüllt, hat er Kenntnis von jedem Wort, das gesprochen wird (Weish 1,6-7; Mt 12,36). Keine Tat bleibt vor dem verborgen, der einst über alle Taten richten wird (Sirach 17,12-20). Und Gott kennt auch unsres Herzens Grund und die Gedanken aller Menschen (Ps 44,22; Ps 94,11; Ps 7,10; 1. Sam 16,7). Denn: „Der das Ohr gepflanzt hat, sollte der nicht hören? Der das Auge gemacht hat, sollte der nicht sehen?“ (Ps 94,3-11). Der Geist Gottes erforscht alle Dinge (1. Kor 2,10). Es ist alles bloß und aufgedeckt vor seinen Augen (Hebr 4,13). Nicht mal ein Sperling fällt zu Boden, ohne dass Gott es weiß und will. Und selbst die Haare auf unserem Haupt sind gezählt (Mt 10,29-30). Wenn wir aber ins Neue Testament schauen, erweist sich die Allwissenheit dort nicht nur als Merkmal des himmlischen Vaters, sondern wir finden sie zugleich beim menschgewordenen Sohn – als ein deutliches Kennzeichen seiner Einheit mit dem Vater (vgl. Kol 2,3; Joh 2,25; 21,17; Jes 11,2). Denn wie könnte Jesus den Sanftmütigen, Barmherzigen und Friedfertigen so konkrete Zusagen machen, wenn er vom kommenden Reich Gottes nicht genaue Kenntnis hätte? (Mt 5,1-12). Jesus weiß offenbar, welche Verfolgungen seinen Jüngern bevorstehen (Mt 10,16-22). Und auch der herrliche Lohn ist ihm bekannt, der sie im Himmel erwartet (Mt 19,27-29). Jesu Weherufe über bestimmte Städte setzen voraus, dass er jetzt schon sieht, wie es ihnen am Tage des Gerichts ergehen wird (Mt 11,20-24). Und in seinem eigenen Lebensweg erfüllen sich so viele Weissagungen des Alten Testaments, dass auch da nichts nach „Zufall“ aussieht, sondern alles von planvoller Führung zeugt (Mt 1,22; 2,15.17.23; 4,14; 8,17; 12,17; 13,14.35; 21,4; 26,54.56; 27,9). Natürlich ist Jesus auf dem Weg nach Jerusalem längst klar, was und wozu er dort leiden wird (Mt 16,21-23; 17,22-23; 20,17-19; 26,1-2). Er weiß im Voraus, dass Petrus im Maul eines erst noch zu fangenden Fisches ein Geldstück finden wird (Mt 17,27). Er hat den Nathanael schon vor ihrem ersten Treffen an einem ganz anderen Ort unter einem Feigenbaum sitzen sehen (Joh 1,48). Und jener Samariterin, der er am Brunnen erstmals begegnet, kann er auf den Kopf zusagen, dass sie schon fünf Männer hatte (Joh 4,16-18). Jesus weiß, dass die Söhne des Zebedäus – gleich ihm – den bitteren Kelch des Martyriums trinken werden (Mt 20,22-23). Und bevor er nach Jerusalem einzieht, kann er seinen Jüngern genau sagen, in welchem Dorf sie eine Eselin angebunden finden, die man ihnen bereitwillig überlassen wird (Mt 21,1-7). Jesus sagt die Zerstörung des Tempels voraus, von der sonst niemand etwas ahnt (Mt 24,1-2). Und er belehrt seine Jünger ausführlich über die Geschehnisse der Endzeit (Mt 24,3-31; 25,31-46). Er weiß, dass Judas ihn verraten und Petrus ihn verleugnen wird (Mt 26,25; 26,34). Und wenn wir ans Ende des Neuen Testaments springen, zeugt die Offenbarung des Johannes fast in jeder Zeile von Gottes Allwissenheit. Denn sie behandelt künftige Dinge, von denen in dieser Art nur wissen kann, wer alles weiß. Und spätestens da spüren wir den grundlegenden Unterschied. Denn ein Mensch kann kaum voraussagen, was er übermorgen tun oder wo er in drei Wochen sein wird. Oft kommt es anders als man denkt! Gott dagegen kann nichts überraschen – und infolgedessen muss er auch nie improvisieren. Wenn man aber fragt, wie das kommt, und die Antwort lautet nur „Gott weiß halt mehr als wir“, dann ist der Unterschied noch nicht erfasst. Denn Gott weiß nicht bloß quantitativ „mehr“, sondern das, was er weiß, ist ihm auch ganz anders zur Kenntnis gelangt – weil Gott nie nur „draufschaut“ wie unsereiner, sondern immer „vorausschaut“. Als Mensch sieht man mit Staunen, was passiert, und erst hinterher weiß man davon. Doch für den Schöpfer gibt es keine „Gegebenheiten“, die er nicht selbst „gegeben“ hätte. Er hat ja vorausgedacht, was er schaffen wollte, noch bevor er mit der Umsetzung begann! Und so geschieht rein gar nichts, ohne dass Gott im Voraus dazu genickt und den Prozess in Gang gesetzt hätte. Dem Menschen ist eine zuverlässige Kenntnis der Dinge erst möglich, wenn sie geschehen sind. Oft stehen wir dann dumm davor und sind verblüfft, weil wir mit unseren Prognosen daneben lagen. Bei Gott hingegen geht die Kenntnis der Dinge ihrer Wirklichkeit voraus. Denn nichts kann real sein, dem er nicht Realität verleiht. Für Menschen ist ein Ereignis zuerst in der Welt – und dann im Bewusstsein. Unser Verstehen klappert den Fakten fast immer hinterher. Doch für Gott ist ein Ereignis zunächst in seinem Bewusstsein und erst später in der Welt, weil sein Verstehen allen Fakten vorausgeht. Menschlicher Geist bildet die Wirklichkeit in der Regel nur ab, Gottes Geist formt sie. Denn direkt oder indirekt ist alles seine Tat. Und wie bei einem Handwerksmeister stehen ihm seine Werke längst innerlich vor Augen, bevor sie in der Werkstatt Form annehmen. Was der Meister selbst gebaut hat, muss er nicht erst beschauen und studieren, um es durch und durch zu kennen. Denn es war früher in seinem Kopf als in der Welt. Und so weiß Gott nicht bloß „quantitativ mehr“ als wir, sondern weiß und erkennt auf ganz andere Weise. Menschliches Wissen beruht auf nachträglicher Analyse – göttliches Wissen auf vorgreifender Planung. Das rezeptive Wissen des Menschen erkennt im Nachhinein die wirkenden Faktoren. Doch das produktive Wissen Gottes ist selbst der entscheidende Faktor, ohne den nichts wirklich würde. Und anders als bei uns ist Gottes Wissen auch nie ein untätiges „Zuschauen“, sondern Wissen und Wirken fallen bei ihm praktisch zusammen. Ja, weil ohne seinen Willen nichts Mögliches wirklich wird, kann er nirgends „unbeteiligt“ sein, sondern sein (Voraus-)Wissen ist immer zugleich Setzung und Tat. Warum ist es aber wichtig, sich das bewusst zu machen? Hat Gottes lückenloses Erkennen auch Bedeutung für uns, die wir sein Gegenstand sind? Ja, ich meine, dass es uns mindestens in viererlei Hinsicht persönlich angeht: 

(1.) Zum Ersten ist Gott unser Richter, gegen dessen Urteil am Jüngsten Tag niemand Revision einlegen kann. Und es wäre schlimm, wenn diesem Richter nicht alle Fakten vorlägen. Denn eben das ist ja das Beunruhigende an der irdischen Justiz, dass sie weder alle Täter noch alle Opfer, Beweise, Motive oder Umstände kennt. Sie kann nicht immer gewährleisten, dass, wer Recht hat, auch Recht bekommt. Doch die himmlische Justiz fällt Urteile von ewiger Tragweite. Und sie muss daher vollständig „im Bilde“ sein. Wir wissen, wie leicht man menschliche Richter täuschen, bestechen oder irreführen kann. Und so haben wir großes Interesse daran, dass es bei Gott anders ist. Denn den blendet und überlistet niemand. Vor ihm ist nichts Gutes oder Böses verborgen. Und zu jeder Tat kennt er alle Umstände, ohne dass er Zeugen befragen müsste. Denn Gott ist ja selbst ein Zeuge jeder Tat. Und wenn uns das einerseits erschreckt, ist es doch andererseits auch beruhigend. Denn wem könnte man das Weltgericht eher anvertrauen als dem, der alles weiß? In seinen Händen ist es gut aufgehoben!

Und das gilt dann (2.) auch für unsere Erlösung. Denn nur der Allwissende bietet Gewähr, dass er die Erlösung, die er verspricht, auch herbeiführen kann. Unsereiner darf immer nur unter Vorbehalt Versprechen geben. Denn selbst wenn wir die besten Absichten haben, fehlen uns oft die Mittel, sie in Taten umzusetzen. Unvorhergesehene Umstände können uns dazwischenkommen – oder eine Krankheit sorgt dafür, dass wir nicht da sind, wenn man uns braucht. Zum Wesen Gottes gehört aber, dass er keine Überraschungen erlebt und sein gegebenes Wort darum immer halten kann. Gott muss seine Pläne nicht korrigieren. Denn sie waren schon fertig, bevor die Welt begann, und niemand kann ihren Ablauf hindern. Auch das Verblüffende, das auf uns wie eine Störung wirkt, war dem Allwissenden längst bekannt – und es vereitelt nicht das Gute, das er an uns tun will. Denn schließlich hat Gott die Menschen, die er retten will, schon vor aller Zeit dazu erwählt. Er kannte uns längst bevor wir da waren. Und er wusste auch damals schon, aufgrund welcher Sünden wir seiner Zuwendung bedürftig sein würden. Für Gott kam nie etwas anders als gedacht. Es kommt auch künftig nicht anders! Und das hat für uns, die wir verwirrt und halb blind durchs Leben stolpern, etwas tief Beruhigendes. (3.) Einen dritten Grund zur Freude bietet uns Gottes Allwissenheit dadurch, dass sie tief in unsere Seele herabreicht und dort auch Regungen versteht, die wir selbst nicht verstehen. Denn das macht es uns leichter, wenn wir im Gebet stottern und stammeln und keine rechten Worte finden, um uns auszudrücken. Manchmal versagen wir selbst in der Mitteilung unseres Versagens – und wie bei Hiob klingt dann mancher Hilferuf wie eine Lästerung! Aber bei dem allwissenden Gott gibt es trotzdem kein Missverstehen. Denn er versteht auch unsre wirrsten Gedanken. Und er hat unser Anliegen schon gehört, bevor wir den Mund aufmachen (Mt 6,8; Jes 65,24). Bei Menschen ist das wahrlich anders – und der Erfolg aller Mitteilung bleibt ungewiss. Denn oft hört einer, was der andere gar nicht sagen wollte. Menschen reden stundenlang aufeinander ein und versteht sich dabei immer weniger. Sie finden oft keine gemeinsame Sprache, so dass alles Gerede falsch ankommt – oder auch gar nicht! Aber wie könnte Kommunikation misslingen, wenn der Gesprächspartner schon über alles „im Bilde“ ist? Und wenn Gott alles weiß, wie sollte er da nicht wissen, was wir ihm sagen möchten? Gott versteht uns jederzeit besser als wir uns selbst verstehen. Er kennt unsere Gedanken, auch wenn wir uns unbeholfen ausdrücken. Im Zweifel verrät ihm ein Seufzer mehr, als tausend geschliffene Worte sagen könnten. Und so ist es gar nicht möglich, dass wir an Gott vorbeireden. Wir müssen ihm nicht erst erzählen, wie es uns geht – er weiß es längst. Und selbst das, was wir vor uns selbst verbergen, hat er längst gesehen. Gott liest in uns wie in einem offenen Buch. Nichts, was er sieht, ist ihm fremd. Und dass wir ihm unsre oft so banalen Nöte nicht erst erklären müssen, das ist gut so. (4.) Zum Vierten können wir uns aber der Allwissenheit Gottes freuen, weil Gott uns in angemessener Weise daran teilhaben lässt und sein Wissen nicht vor uns verschließt. Denn unser Glaubenswissen (sowohl über uns selbst als auch über Gott) ist nichts anderes als von Gott gewährte Teilhabe an seinem eigenen Wissen. Natürlich sind Gottes Gedanken weit höher als unsere. Und doch eröffnet uns sein Wort Einsichten, die weit über das hinausgehen, was wir den Quellen der natürlichen Vernunft entnehmen könnten. Gott will tatsächlich von uns verstanden werden und offenbart darum viel von dem, was er über sich selbst weiß. Gottes Geist gewährt uns Einblick in Gottes Wesen. Und wenn‘s auch Wissen „aus zweiter Hand“ ist, mindert das doch nicht seinen Wert. Denn wie blind stünden wir in der Welt, wenn Gott nicht von sich wissen ließe und uns damit für den Sinn unseres Daseins die Augen öffnete? Gott behält sein Wissen nicht für sich, sondern redet. Er lässt uns schon heute so daran teilhaben, wie es uns nötig und zuträglich ist. Und er verspricht, uns in Gottes Reich noch viel mehr zu zeigen. Wir werden einst mit derselben Klarheit erkennen, mit der wir heute schon erkannt sind (1. Kor 13,12). Und – zusammengenommen – sind das wahrhaft gute Nachrichten:

Weil Gott allwissend ist, muss keiner von uns fürchten, er könnte je bei Gott vergessen sein, oder er würde vielleicht Gottes Aufmerksamkeit entgehen, weil er so unbedeutend ist. Niemand muss fürchten, dass der Richter am Jüngsten Tag über die Details seines Lebens etwa nicht im Bilde wäre. Niemand muss fürchten, dass Gottes gute Pläne durch unvorhergesehene Wendungen vereitelt werden könnten. Und niemand muss fürchten, er habe sich im Gebet zu missverständlich ausgedrückt, so dass seine Botschaft im Himmel nicht ankäme. Nein, unser Gott ist stets im Bilde. Er muss nie mit Situationen umgehen, die er nicht kommen sah. Und wir dürfen froh sein, dass bezüglich des Wissens nicht nur ein quantitativer, sondern ein qualitativer Unterschied besteht: Gottes Wissen ist keine mühsam erworbene Kenntnis, die ihm erst nach und nach durch Beobachten, Nachdenken und Schlussfolgern zuwächst. Und es ist auch nicht lückenhaft oder unklar, sondern umfasste schon vor aller Zeit alles, was Gott in der Zeit zu verwirklichen beschlossen – und zugleich, was er von der Verwirklichung ausgeschlossen hat. Darin enthalten ist das Wissen um die Erwählten und die Verworfenen, das Wissen Gottes über Gott und über die gesamte Kreatur. Enthalten ist das Wissen über das Vergangene und das Künftige, das Mögliche und das Unmögliche, über die sichtbare und die unsichtbare Welt. Und enthalten ist auch jegliches Wissen über psychische und physische Vorgänge, über den Wert und Unwert jeder Entscheidung – und den kausalen Zusammenhang aller Ereignisse untereinander. Es gibt daher für Gott keine „offenen Fragen“. Die gibt es nur für uns. Und da Gott sein Wissen im Reich Gottes mit uns teilen will, ist kein quälendes Rätsel denkbar, dass sich dort nicht lösen wird. Wir werden einst schauen, was wir auf Erden nur glauben konnten. Und wir werden erfahren, dass alles, was uns an Gottes Vorsehung widersprüchlich schien, in Wahrheit nie ein Widerspruch war. Da wird sich jeder Knoten lösen, und wir blicken endlich durch. Wir werden rufen: „Ach so, na klar!“ Und das sollten wir nicht für eine geringe Verheißungen halten. Denn der, der heute schon alle Antworten kennt, wird sie uns eines Tages auch geben. Da gehen uns dann endlich die Lichter auf. Und für dieses große „Aha-Erlebnis“ sei dem Allwissenden schon im Voraus gedankt. 

 

 

 

Bild am Seitenanfang: Hagar and Ishmael in the desert

Emanuel Krescenc Liška, Public domain, via Wikimedia Commons