Der Heilige Geist

Der Heilige Geist

Der Heilige Geist ist schwer zu fassen

Alle Christen verdanken ihr Christ-Sein dem Wirken des Heiligen Geistes – und doch tun sich die meisten schwer, wenn sie näher beschreiben sollen, wer der Heilige Geist ist und was er tut. Das mag zunächst verwundern. Beim näheren Hinsehen aber wird es verständlich. Denn das Wirken des Heiligen Geistes ist in besonderem Maße „unanschaulich“. Er ist so schwer zu greifen und darzustellen, dass er selbst die christliche Kunst in Verlegenheit bringt: Die Maler müssen auf das Symbol der Taube oder auf Feuerzungen zurückgreifen (vgl. Mt 3,16 und Apg 2,3). Ist der Heilige Geist also etwas ganz nebulöses? Ist er überhaupt „etwas“ (eine Sache)? Oder ist er „jemand“ (eine Person)?

 

Der Heilige Geist ist kein anderer als Gott selbst

Der Heilige Geist ist eine „Person“ innerhalb der Dreieinigkeit Gottes. Er steht darum keineswegs unter Gott dem Vater oder unter Gott dem Sohn, sondern steht ihnen gleich. Er ist „eines Wesens“ mit dem Vater und dem Sohn, d.h. der Geist ist nicht etwas „neben“ Gott, auch kein bloßer Bote Gottes – der Geist ist Gott selbst. Man muss ihn darum deutlich unterscheiden von menschlichen Geisteszuständen und Gefühlsregungen. Der Heilige Geist ist kein psychischer Zustand wie Begeisterung oder Mutlosigkeit, Frohsinn oder Nachdenklichkeit. Denn solche Geisteszustände und Gefühlsregungen sind Bestandteil unserer Natur. Der Heilige Geist dagegen ist nicht Bestandteil der geschaffenen Natur – er ist überhaupt nicht geschaffen, sondern ist Schöpfer, er ist nicht Teil der Welt, sondern ist Gott. Und das gilt auch dann noch, wenn der Heilige Geist im Menschen und am Menschen wirkt. Der Heilige Geist kann im Herzen eines Menschen wohnen und auf den menschlichen Geist wirken, aber auch dann wird er nicht zum Bestandteil des Menschen, sondern bleibt Gott (wie auch Christus Mensch wurde und dabei Gott blieb). Wozu aber ist das überhaupt nötig, dass der Heilige Geist in uns wirkt?

 

Der Heilige Geist ist für den Glauben unentbehrlich

Das Wirken des Heiligen Geistes ist notwendig, weil wir Menschen blind sind in allen Dingen, die Gott betreffen. Wir haben zwar Augen im Kopf und können alles „Diesseitige“ sehen. Wir haben Hände, mit denen wir Irdisches „begreifen“. Und wir haben unsere Vernunft, mit der wir die Welt erforschen. Aber für alles, was mit Gott zusammenhängt, sind unsere Augen blind – das geht weit über unsere Vernunft. Denn wir können zwar erkennen, dass wir uns nicht selbst geschaffen haben und dass unser Schicksal nicht in unseren eigenen Händen liegt. Unsere menschliche Weisheit reicht vielleicht bis zu der Einsicht, dass es einen Gott geben muss. Alles Weitere aber (z.B. ob Gott es gut oder böse mit uns meint) würden wir ohne die Hilfe des Geistes nie herausfinden. Darum heißt es in einem unserer Gesangbuchlieder:

„Unser Wissen und Verstand ist mit Finsternis verhüllet,

wo nicht deines Geistes Hand uns mit hellem Licht erfüllet;

Gutes denken, tun und dichten musst du selbst in uns verrichten.“

(EG 161, 2)

Damit ist im Grunde schon gesagt, was die „Hauptbeschäftigungen“ des Heiligen Geistes sind:

 

Der Heilige Geist ist ein großer Aufklärer und Befreier

Der Heilige Geist öffnet uns die Augen, d.h. er lässt uns Gott erkennen, wie er wirklich ist, und lässt uns uns selbst erkennen, wie wir wirklich sind. Das schließt vier Einsichten ein:

1 – Dass wir Sünder sind

(Wir sind nicht, wie wir nach Gottes Willen sein sollten, denn das Böse hat Macht über uns);

2 – Dass Gott zornig ist

(Gott hätte guten Grund, uns samt dem Bösen in uns zu verwerfen, wie man einen wurmstichigen Apfel wegwirft);

3 – Dass Gott barmherzig ist

(Trotz seines berechtigten Zorns ist Gott bereit, uns zugute zu halten, was Christus am Kreuz für alle Sünder getan hat);

4 – Dass uns der Glaube rettet

(Wer sich an Christus hält und mehr auf ihn vertraut als auf sich selbst, der ist Gott recht und steht in seiner Gnade).

Indem der Heilige Geist uns diese vier Einsichten vermittelt, öffnet er unsere blinden Augen sowohl für das Elend, in dem wir stecken, als auch für die Hoffnung, die wir haben dürfen. Und das ist weit mehr als ein bloß „verstandesmäßiger“ Vorgang. Der Geist lässt uns Gottes Angebot nicht nur mit dem Kopf „begreifen“, er lässt es uns auch mit dem Herzen „ergreifen“. Er informiert also nicht nur über die mögliche Versöhnung mit Gott, sondern er verwirklicht sie zugleich. Und wie macht er das? Der Heilige Geist weckt in uns den Wunsch, Gottes Gnadenangebot zu ergreifen, wie man mit der Hand eine kostbare Perle ergreift. Solches „Sich-Sehnen“ und „Nach-der-Gnade-greifen“ ist Glaube. Durch den Glauben aber gehören wir zu Christus und werden um seinetwillen von Gott angenommen. Wir werden dabei frei „von“ allem, was uns von Gott trennte (vgl. Röm 8,14–16). Wir werden aber zugleich frei „für“ ein neues, besseres Leben.

 

Der Heilige Geist ist ein Erneuerer und Verwandler

Wenn der Heilige Geist in unser Leben einzieht, will er es verändern: Er greift nach dem Besen, um aus unserem Herzen alles hinauszufegen, was sich mit der Gegenwart Gottes nicht verträgt. Darum kann man ihn mit einem stürmischen Wind vergleichen. Er weht durch uns hindurch und reinigt uns, wie der Sturm durch einen Baum weht, totes Geäst herausbricht und Herbstlaub davonbläst, so dass Platz wird für neues Grün. Böse Gedanken verfliegen, schlechte Gewohnheiten werden abgelegt, Verhärtungen des Herzens aufgebrochen. Und dann zieht mit dem Heiligen Geist auch Neues ein: Er verbreitet Licht und Wärme in uns, wie ein großes Feuer. Er lässt Liebe wachsen zu Gott und zu den Menschen. Er treibt uns zu guten Taten und beschenkt uns mit mancherlei (Geistes-)Gaben (1.Kor 12,4–11). Das Ziel dieser Wandlung ist nicht, durch gottgefälliges Leben Gottes Gnade zu „verdienen“ – unsere Begnadigung hat nie einen anderen Grund als Gottes Liebe allein. Aber es gilt, aus der Erfahrung dieser Liebe Konsequenzen zu ziehen und sie auf unser tägliches Leben abfärben zu lassen. Wenn wir in Gottes Gnade stehen, wäre es schließlich widersinnig, nicht auch gemäß der Gnade Gottes zu wandeln und zu handeln. Der Heilige Geist hilft uns dabei, damit wir (unserer Lebensführung nach) so „gerecht“ und „heilig“ werden, wie wir es (nach Gottes barmherzigem Urteil) schon sind. Er kann dabei spektakuläre, plötzliche Wandlungen bewirken. Er kann aber auch ganz langsam und unauffällig zu Werke gehen.

 

Der Heilige Geist ist ein Ausleger der biblischen Schriften

Es ist nicht die Art des Heiligen Geistes, irgendwie und irgendwo über einen Menschen zu kommen. Er überfällt Menschen nicht wie ein plötzlicher Einfall oder eine unerklärliche Laune. Vielmehr wirkt der Heilige Geist durch Gottes Wort. Es kann sein, dass ein Freund dem anderen von seinem Glauben erzählt oder dass jemand das „Wort zum Sonntag“ sieht. Vielleicht schlägt jemand eine alte Familienbibel auf, vielleicht stößt er in der Zeitung auf ein biblisches Wort oder er nimmt an einer Beerdigung teil. Das alles können Ansatzpunkte für das Wirken des Heiligen Geistes sein, weil es Wege sind, dem Wort Gottes zu begegnen. Doch das „äußere“ Wort, das bloß in die Ohren dringt, reicht noch nicht aus, um Glauben zu wecken. Der Heilige Geist muss auch ein „inneres Wort“ dazugeben, d.h. er muss im Geist eines Menschen bewirken, dass ihn auch berührt, was er hört. Das äußere Wort kann zu einem Ohr rein, zum andern wieder raus gehen – das innerliche Wirken des Geistes aber sorgt dafür, dass das Wort den Menschen ins Herz trifft, ihn nicht mehr loslässt, ihn überzeugt und im Innersten verwandelt. Die Wirkweise des Geistes ist also eine doppelte: Er sorgt dafür, dass das Wort Gottes „äußerlich“ in der Welt gepredigt, gedruckt und diskutiert wird. Er sorgt aber auch dafür, dass es die Menschen „innerlich“ trifft. Nur wo beides zusammenkommt, entsteht Glaube, und der Mensch verändert sich. Kann man das zweifelsfrei feststellen – bei sich selbst und bei anderen?

 

Der Heilige Geist ist leicht zu erkennen

Natürlich kann man das Wirken des Heiligen Geistes in einem Menschen nicht im strikten Sinne „beweisen“. Denn niemand von uns kann in einen anderen hineinschauen. Trotzdem gibt es, wenn nicht „Beweise“, so doch deutliche „Hinweise“ auf das Wirken des Geistes. Ein solcher Hinweis liegt nicht schon darin, dass jemand ganz allgemein „an ein höheres Wesen“ oder an „etwas Göttliches“ glaubt. Auch wenn er Jesus als ethisches Vorbild anerkennt, beweist er damit nur gesunden Menschenverstand. Doch ist Gottes Geist gewiss dort am Werk, wo man Jesus als Sohn Gottes bekennt und Vertrauen zu ihm fasst. Anders gesagt: Wo Menschen sich stolz auf sich selbst verlassen, ist der Geist ihnen gewiss fern, wo sie sich auf Gottes Barmherzigkeit verlassen, da ist er ihnen gewiss nah. Freilich: Wer sich selbst anhand dieses Maßstabes prüft, wird feststellen, dass die Kraft seines Glaubens größer sein könnte. Auch gefestigte Christen haben es nötig, dass der Heilige Geist weiterhin an ihnen arbeitet. Aber wie erreicht man das?

 

Der Heilige Geist ist ein Geschenk, um das man bitten kann

Weil der Heilige Geist Gott ist, können wir ihn uns nicht einfach „nehmen“, können ihn nicht herbeizwingen und uns nicht selber gläubig machen. Keiner kann einfach beschließen, dass er nun Christ sein will, denn der Glaube ist nicht unser Geschenk an Gott, sondern Gottes Geschenk an uns. Geschenke aber kann man nicht erzwingen, sondern nur erbitten. Darum gilt es zweierlei zu tun: Zum einen können wir uns für das Wirken des Heiligen Geistes öffnen, indem wir uns mit der Heiligen Schrift beschäftigen und das Gespräch mit Christen suchen, die sie uns auslegen. Und zum anderen können wir Gott bitten, dass er uns Verständnis schenkt für das, was wir da hören, damit es nicht zum einen Ohr hinein und zum andern hinaus geht, sondern tief in unser Herz hineinfällt und uns verwandelt. Wem für solches Bitten die Worte fehlen, der kann sich Martin Luthers Gebet zu Eigen machen:

 

„Gib uns, Herr, nicht Gold und Silber, sondern einen starken, festen Glauben. Wir suchen nicht Lust oder Freude der Welt, sondern Trost und Erquickung durch dein heiliges Wort. Nichts begehren wir, das die Welt groß achtet, denn wir sind dadurch vor dir nicht um ein Haarbreit gebessert; sondern deinen Geist gib uns, der unsere Herzen erleuchte, uns in unserer Angst und Not stärke und tröste, und uns im rechten Glauben und Vertrauen auf deine Gnade erhalte bis an unser Ende.“

 

 

 

 

 

Bild am Seitenanfang: 

Lieding in der Gemeinde Straßburg - Kirchhofportal: Heiligengeisttaube

Neithan90, Public domain, via Wikimedia Commons