Theologische Impulse E
„Was ist das göttliche Ebenbild gewesen? Dass der Mensch in anerschaffener Weisheit seinen Gott, und was ihm zu wissen nötig wäre, erkennete, und Gutes zu tun sowohl die völligen Kräfte als innerlichen Trieb hätte; daher von Natur gerecht und heilig wäre, deswegen auch in vollkommener Glückseligkeit sein Leben zubrächte, und über diese untere Welt herrschete.“ (Philipp J. Spener)
„Gott schuf einst Adam zu seinem Ebenbild. Gott suchte in Adam als der Vollendung seiner Schöpfung das Wohlgefallen an seinem eigensten Bild, „und siehe, es war sehr gut“. In Adam erkannte Gott sich selbst. So ist es das unauflösliche Geheimnis des Menschen vom Anfang her, dass er Geschöpf ist und doch dem Schöpfer gleich sein soll. Der geschaffene Mensch soll das Bild des ungeschaffenen Gottes tragen. Adam ist „wie Gott“. Nun soll er sein Geheimnis, Geschöpf und doch gottgleich zu sein, dankbar und gehorsam tragen. Es war die Lüge der Schlange, dass sie Adam vorhielt, er müsse erst noch werden wie Gott, und zwar aus eigner Tat und Entscheidung. Da verwarf Adam die Gnade und erwählte die eigne Tat. Adam wollte das Geheimnis seines Wesens, Geschöpf und gottgleich zu sein, selbst lösen. Er wollte von sich aus werden, was er von Gott her schon war. Das war der Sündenfall. Adam wurde „wie Gott“ – sicut deus – in seiner Weise. Er hatte sich selbst zum Gott gemacht und hatte jetzt keinen Gott mehr. Er herrschte allein als Schöpfergott in einer entgotteten, unterworfenen Welt. Aber das Rätsel seines Daseins bleibt ungelöst. Der Mensch hat sein eigenes, gottgleiches Wesen, das er von Gott hatte, verloren. Er lebt nun ohne seine wesentliche Bestimmung, Gottes Ebenbild zu sein. Der Mensch lebt, ohne Mensch zu sein. Er muss leben, ohne leben zu können. Das ist der Widerspruch unseres Daseins und die Quelle aller unserer Not. Seitdem suchen die stolzen Kinder Adams das verlorene Bild Gottes aus eigner Kraft in sich wiederherzustellen. Aber gerade je ernster, je hingebender ihr Streben, das Verlorene wiederzugewinnen, und je überzeugender und stolzer der scheinbare Erfolg, desto tiefer der Widerspruch zu Gott. Ihre Missgestalt, die sie an dem Bild ihres selbsterdachten Gottes prägen, trägt ohne ihr Wissen mehr und mehr das Bild Satans.“ (Dietrich Bonhoeffer)
Das Kennzeichen „echten“ Glaubens ist es, dass seine Gottesbeziehung nicht „Mittel zum Zweck“, sondern „Selbstzweck“ ist. Denn wer wirklich Gott sucht, der sucht ihn um seiner selbst willen. Wo man dagegen die Beziehung zu Gott „nutzen“ will, um das eigene Lebensgefühl zu steigern oder die Welt besser zu genießen, da wird alles falsch: Denn Gott ist das Ziel. Das irdische Leben ist nur der Weg. Und diese beiden Dinge nicht zu verwechseln, das ist das Kennzeichen „echten“ Glaubens.
Der Edle leidet an seinen Mängeln, nicht an mangelnder Anerkennung. Konfuzius
Konfuzius sprach: „Dem Edlen ist die Pflicht die Richtschnur seines Verhaltens.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Konfuzius sprach: „Der Edle fordert sich selbst. Der Gemeine fordert von anderen.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Konfuzius sprach: „Der Edle hasst den Gedanken, die Welt zu verlassen, ohne etwas geleistet zu haben, was bleibender Anerkennung wert ist.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Konfuzius sprach: „Der Edle hütet sich vor dreierlei: In der Jugend, wenn der Körper noch nicht entwickelt ist, hütet er sich vor sinnlichen Vergnügungen. Im Mannesalter, wenn er seine volle Kraft erreicht hat, hütet er sich vor Streitsucht. Im Greisenalter, wenn die Kräfte schwinden, hütet er sich vor Geiz.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Konfuzius sprach: „Der Edle ist mit seinen Pflichten vertraut; der Gemeine sieht nur den eigenen Vorteil.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Konfuzius sprach: „Der Edle ist voll Würde, aber er ist nicht hochmütig. Der Gemeine hingegen ist hochmütig, aber er hat keine Würde.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Konfuzius sprach: „Der Edle mag Harmonie und Eintracht mit anderen, Kumpanei aber ist ihm fremd. Der Gemeine hingegen mag die Kumpanei; Harmonie und Eintracht sind ihm fremd.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Konfuzius sprach: „Der Edle schämt sich, wenn seine Worte seine Taten übertreffen.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Zeng-zi sprach: „Ein Mensch, dem man ein Waisenkind genauso anvertrauen kann wie das Schicksal eines Staates und der selbst bei großen äußeren Zwängen seinen Grundsätzen treu bleibt - ist der ein Edler? Er ist ein Edler.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Zi-gong fragte, was einen Edlen ausmache. Der Meister antwortete: „Erst handelt er, wie er denkt. Dann spricht er, wie er handelt.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Der Umgang mit einem Egoisten ist darum so verderblich, weil die Notwehr uns allmählich zwingt, in seinen Fehler zu verfallen. Marie von Ebner-Eschenbach
Egoisten sind wir alle, der eine mehr, der andere weniger. Der eine lässt seinen Egoismus nackend laufen, der andere hängt ihm ein Mäntelchen um. August von Kotzebue
Ein Egoist ist ein unfeiner Mensch, der für sich selbst mehr Interesse hat als für mich. Ambrose Bierce
1.
Sünde ist kein äußeres Fehlverhalten, sondern ist zuerst ein seelischer Schaden. Er besteht in der egozentrischen Unterstellung, (nicht Gott, sondern) wir selbst seien der Mittelpunkt der Welt und das Maß aller Dinge. Dieser Grundirrtum, die eigene periphere Stellung mit der zentralen Stellung Gottes zu verwechseln, führt dazu, dass wir unseren Willen dem Willen der Mitmenschen und dem Willen Gottes überordnen. Und daraus resultiert alles, womit wir einander das Leben zur Hölle machen.
2.
Sünde ist nicht in erster Linie unmoralisch, sondern zuerst und vor allem sinnlos. Sie ist der tragische Irrtum eines Geschöpfes, das sein Verhältnis zu Gott missversteht und darum meint, es könne oder solle von sich selbst oder von der Welt leben. Der Sünder erwartet vom Stückwerk, was vernünftigerweise nur vom Vollkommenen erwartet werden kann. Er maßt sich an, auch abgesehen von Gott etwas zu sein, verkennt damit seine Lage und zieht falsche ethische Konsequenzen. Der Grund ist aber immer, dass er von Gott zu gering denkt und von sich selbst zu groß.
3.
Glaube ist ein Perspektivwechsel, bei dem das eigene Ich und Gott die Plätze tauschen. In der egozentrischen Verwirrung, die allen Sündern natürlich ist, sieht sich der Mensch als Mittelpunkt. Er nimmt an, die Bedeutung aller Dinge sei daran abzulesen, was sie ihm (!) bedeuten. „Glaube“ besteht aber darin, diesen Irrtum zu erkennen und „umzudenken“. Denn tatsächlich steht Gott im Zentrum – und das eigene Ich in der Peripherie. Bei Gott, nicht bei uns, laufen die Linien zusammen. Und für alles, was nicht selbst Gott ist, ist er der maßgebliche Bezugspunkt. Glaube ist die Summe der daraus zu ziehenden Konsequenzen.
1.
Gott hat Mann und Frau füreinander geschaffen und hat ihnen die Ehe als die Ordnung angewiesen, in der sie aneinander Freude haben, einander stützen und einander ergänzen sollen. Wo aus der Ehe Kinder hervorgehen, wird den Eltern die Ehre zu Teil, „Mitarbeiter“ in Gottes Schöpfungswerk sein zu dürfen. Beide aber - Ehepartner und Kinder - werden nie unser „Eigentum“, sondern sind uns von Gott anvertraut, damit wir sie in Verantwortung vor ihm wie kostbare Geschenke achten und pflegen.
2.
Sexualität ist eine gute Gabe des Schöpfers, deren Vitalität erkennen lässt, mit welcher Dynamik Gott das Leben bejaht. Doch wird sie missbraucht, wenn man sie von der Absicht des Schöpfers löst. Der schuf sie nämlich nicht, damit Mann und Frau einander zu kurzfristiger Triebabfuhr „benutzen“, sondern damit sie langfristig beieinander Hilfe und Ergänzung finden und sich in der Ehe zu der verbindlichen Einheit zusammenschließen, die Gott mit Kindern segnen möchte – und die dann in lebenslanger Treue zu leben ist.
3.
Der viel missbrauchte Begriff der „Liebe“ muss korrigiert werden: (1.) Liebe macht nicht blind, sondern sehend, denn sie sieht den Partner so, wie ihn Gott gemeint hat. (2.) Wahre Liebe ist nicht zu verwechseln mit dem begehrlichen Konsumieren eines Partners, das beim anderen doch nur wieder sich selbst und das eigene Glück sucht. (3.) „Ich liebe dich“ heißt immer: „Ich will mit dir alt werden“ – und wenn es das nicht heißt, ist es gelogen. Eine Überforderung ist „wahre Liebe“ nur dann nicht, wenn sie sich von Gottes größerer Liebe umfangen weiß.
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„Was ist die Ehe? Die Ehe ist die gesetzmäßige und unauflösliche Verbindung eines Mannes, und eines Weibes, von Gott selbst eingesetzt zur Gemeinschaft des ganzen Lebens und Fortpflanzung des menschlichen Geschlechts.“ (Leonhard Hutter)
Die Ehe ist die nach Gottes Einsetzung, 1. Mos. 1,27. 2,18-24. Matth. 19,4ff. Sprüch. 2,16f., rechtmäßige, unauflösliche Verbindung eines Mannes und Weibes (Ehemann, Ehefrau, Eheleute) zur Vermeidung der Unzucht, 1. Kor. 7,2.9. 1. Tim. 5,14, zur Fortpflanzung, 1. Mos. 1,27. Apg. 17,26, zum Wohl und zur Freude des menschlichen Geschlechts, 1. Mos. 2,18. Sprüch. 5,18. Pred. 9,9. Hes. 24,16, obgleich durch die Sünde auch zum Wehestand geworden, 1. Mos. 3,16.19. 1. Kor. 7,28. aber in Leid und Freud zur Ehre Gottes, 1. Kor. 10,31. vgl. Tob. 8,9, und zum Heile der Seelen; eine Schule heiliger und gegenseitig heiligender Liebe, Ephes. 5,22-35, ein Vorbereitungsstand für den Himmel, 1. Kor. 7,16. Durch die Ehe entstehen Familien, die Grundsteine, auf und aus welchen nach dem Willen Gottes nicht nur das Staatsleben, das gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen überhaupt, sondern insbesondere die Kirche, das Reich Gottes auf Erden sich erbauen soll.
(H. Zeller, Biblisches Wörterbuch)
„Was ist der Ehestand? Es ist ein guter, heiliger Stand, von Gott selbst im Paradies erstlich eingesetzet und nach dem Fall, auch nach der Sündflut, ja auch im Neuen Testament von Gott bestätiget, dass ein Mann und ein Weib zu ehelicher Beiwohnung ordentlicher Weise nach Gottes Einsetzung unzertrennlich zusammen gefüget werden, dass also das menschliche Geschlecht gemehret, Unzucht verhütet solle werden und eins dem Andern Liebe, Freundschaft, Dienst und Hilfe erzeigen solle, wie in der Haustafel, Eph. 5. Kol. 3. 1 Petr. 2 beide Mann und Weibe seine Lektion vorschrieben wird.“ (Martin Chemnitz)
„Die Treue macht wesentlich das eheliche Leben aus und ist vornehmlich das ganze eheliche Leben, die Treue, die sie einander verheißen haben. So reden sie davon. Darum besteht das eheliche Leben nicht darin, dass sie einander lieb haben, sonst wären Huren und Buben auch ehelich; sondern es besteht in der Treue, dass einer zum andern sagt: Ich bin dein und du bist mein. Das ist die Ehe.“ (Martin Luther)
„(Von der Priesterehe.) Dass sie die Ehe verboten und den göttlichen Stand der Priester mit ewiger Keuschheit beschwert haben, dazu haben sie weder Fug noch Recht gehabt, sondern haben gehandelt wie die antichristlichen, tyrannischen, verzweifelten Buben und damit Ursache gegeben zu allerlei schrecklicher, greulicher, unzähliger Sünde der Unkeuschheit, worin sie denn noch stecken. So wenig nun uns oder ihnen Macht gegeben ist, aus einem Männlein ein Fräulein oder aus einem Fräulein ein Männlein zu machen oder beides zunichte zu machen, so wenig haben sie auch Macht gehabt, solche Kreatur Gottes zu scheiden oder zu verbieten, dass sie nicht ehrlich und ehelich beieinander wohnen sollten. Darum wollen wir in ihren leidigen Zölibat nicht willigen, ihn auch nicht leiden, sondern die Ehe frei haben, wie sie Gott geordnet und gestiftet hat und wollen sein Werk nicht zerreißen noch hindern.“ (Martin Luther)
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Die erste Liebe ist glühend, eine trunkene Liebe, damit wir geblendet werden und wie die Trunkenen dahingehen. Wenn wir die Trunkenheit ausgeschlafen haben, dann bleibt in den Frommen die echte Eheliebe, die Gottlosen aber bereuen ihren Schritt. Martin Luther
Die glücklichste Ehe, die ich mir persönlich vorstellen kann, wäre die Verbindung zwischen einem tauben Mann und einer blinden Frau. Samuel Taylor Coleridge
Die Weiber sind geschmeidige gute Geschöpfe, und wenn du von einer hörst, die ihrem Manne krumme Sprünge macht, kannst du allemal zehn gegen eins wetten, dass er sich gegen sie nicht betrage, wie's einem christlichen Ehemann wohl zusteht. Matthias Claudius
Ehe: das einzige Abenteuer, in das sich auch die Feigen stürzen. Voltaire
Ein jeder Stand hat seine Verräter, auch der Ehestand. Ich meine natürlich nicht die Verführer, denn die sind ja nicht in den heiligen Ehestand getreten ..., ich meine nicht jene, die durch eine Scheidung aus ihm ausgetreten sind, denn die haben immerhin den Mut gehabt, offene Aufrührer zu sein; nein, ich meine diejenigen, die nur in Gedanken Aufrührer sind, ... diese erbärmlichen Ehemänner, die dasitzen und darüber seufzen, dass die Liebe schon längst aus ihrer Ehe verdunstet sei, diese Ehemänner, die ... gleich Wahnsinnigen in ihrem ehelichen Verschlag hocken, an den Eisenstäben zerren und von der Süße der Verlobung und der Bitterkeit der Ehe phantasieren, diese Ehemänner ..., die mit einer gewissen hämischen Freude jeden beglückwünschen, der sich verlobt. Sören Kierkegaard
Eine Ehe, in der Kinder nicht gewünscht oder nicht vermisst werden, ist ein Konkubinat. Oswald Spengler
Man soll sich beim Eingehen einer Ehe die Frage vorlegen: Glaubst du, dich mit dieser Frau bis ins Alter hinein gut zu unterhalten? Alles andere in der Ehe ist transitorisch, aber die meiste Zeit des Verkehrs gehört dem Gespräche an. Friedrich Nietzsche
Soll die Ehe lang bestahn, sei blind das Weib und taub der Mann! Sprichwort
Wer in den Ehestand geht, der geht in ein Kloster voller Anfechtungen. Martin Luther
Treue ist eine Grundbedingung gelingenden Lebens. Denn ohne Treue entsteht kein Vertrauen. Und ohne Vertrauen funktioniert keine Gemeinschaft. Treue besteht in der Bereitschaft, beständig zu sein im Denken, Reden und Tun – und sich dadurch für andere berechenbar zu machen, die den Treuen als stabile Größe in ihre Lebensplanung einbauen dürfen. Kommt aber in der Ehe die Liebe abhanden, ist damit keineswegs ihre „Geschäftsgrundlage“ entfallen. Denn die Ehe gründet gar nicht auf der gefühlten Liebe, sondern auf der versprochenen Treue.
EHESCHEIDUNG
Der allein wird die Ehegatten trennen, der sie vereinigt hat; er wird sie aber nicht trennen durch Ehescheidung, diese verwirft er, sondern durch den Tod.
Tertullian
„Dürfen wir denn nicht nach Ehre trachten? Wir haben desjenigen uns zu befleißen, was auch ohngesucht, in göttlicher Ordnung Ehre bringt, aber die Ehre selbst, als ein Gott eigenes Gut, haben wir nicht Macht zu suchen, vielmehr wo uns von Gott selbst Ehre gegeben oder von Menschen beigelegt wird, dieselbe allein auf Gott zurück zu weisen, auch unsrer Ehre dem Nächsten zum Besten uns zu begeben, nach Christi Exempel.“ (Philipp J. Spener)
„Wer die wahre, die unvergängliche Ehre sucht, der kümmert sich nicht viel um die vergängliche. Und wer noch vergängliche Ehre sucht oder sie noch nicht von ganzem Herzen verschmäht, der beweist eben dadurch, dass ihm die unvergängliche Ehre noch nicht über alles lieb und teuer geworden ist. Große Seelenruhe hat der, der sich weder die Lobsprüche noch die Schmähworte der Menschen nah ans Herz gehen lässt.“ (Thomas von Kempen)
Wer noch von der Begierde nach Ehre befangen ist, wer sich sträubt, für gering geachtet zu werden, und sich‘s schmerzen lässt, wenn er nicht geehrt wird, der ist, wenn er auch Wunder wirkt, doch weit von der Vollkommenheit entfernt; denn sein Ganzes ist eine Tugend ohne Fundament.
(Thomas von Aquin)
Was leidet einer für Schaden, wenn die Menschen, ja der ganze Erdkreis, ihn verachten; wenn der Herr der Engel ihn lobt und preist? Segnet Gott ihn nicht, so nützt es ihm nichts, wenn auch alle ihn loben, welche auf der Erde wohnen. Sorgen wir also auf jede Weise dafür, dass Gott uns lobe, dass Gott uns kröne. Geschieht dieses, dann sind wir herrlicher als alle.
(Chrysostomus, gest. 407)
Ehrverletzung
Eine Beleidigung kann nur in dem Maße verletzen, wie sie wahr ist. Ist sie aber nicht wahr, warum regen wir uns auf? Die Beweislast liegt bei dem, der böse von uns redet. Und unsere innere Integrität kann er mit seinem Vorwurf nicht verletzen – das können nur wir selbst. Haben wir vor Gott aber sehr viele Fehler, warum tun wir vor anderen Menschen, als hätten wir keine? Genügt es nicht, dass Gott uns die unverdiente Ehre angedeihen lässt, dass er uns erlösen will? Nur der alte Mensch sucht noch Ehre vor den Menschen. Der neue Mensch rühmt sich keines Dings, außer, dass Gott ihm gnädig ist – und kann dadurch seinen inneren Frieden gelassen bewahren.
Der Begriff „Ehre“ beschreibt die persönliche Integrität einer Person, deren Verhalten übereinstimmt mit den von ihr erhobenen Ansprüchen, den von ihr anerkannten Werten und den von ihr gegebenen Zusagen. Weil Gott aber sagt, was er denkt, tut, was er sagt, und hält, was er verspricht, ist er der Inbegriff der Ehre. Gott stimmt mit sich selbst ganz und gar überein. Er kennt kein Abweichen von Sein und Schein, Pflicht und Wirklichkeit. Und darum ist es recht und billig, nicht den fehlbaren Geschöpfen, sondern allein dem Schöpfer die ihm gebührende Ehre zu geben – und sie vor aller Welt zu bezeugen.
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„Dem höchsten Gute allein gebührt die höchste Ehre. Gott ist das höchste Gut. Wer seine Ehre sucht, kann Gottes Ehre nicht suchen, wie der Heiland zu den Pharisäern sagte Joh. 5,44: Wie könnet ihr glauben, die ihr Ehre von einander nehmet? Christi Vorbild siehe an und folge ihm nach. Wiederholt bezeuget er von sich, dass er nicht seine Ehre suche Joh. 8,50, dass er nicht Ehre von Menschen nehme Joh. 5,41, dass er von Herzen demütig sei Matth. 11,29. Alle deine Gaben empfängst du von Gott; alle gib also Gott auch wieder. Alle Bächlein der Güter fließen aus dieser Quelle der göttlichen Güte; darum sind auch alle Güter wieder in dieses Meer zu versenken. Die Pflanzen, welche Sonnenwende heißen, richten sich immer nach dem Laufe der Sonne, von der sie Leben und Saft empfangen: so wende dich mit allen deinen Gaben und mit aller deiner Ehre zu Gott, und gib dir nichts. Hast du etwas von dir, so magst du deine Ehre suchen und dir selbst deine Gaben geben: aber weil du nichts von dir, alles vielmehr von Gott hast, darum musst du auch nicht deine, sondern Gottes Ehre suchen.“ (Johann Gerhard)
„Wer mich ehret, den will ich auch ehren.“ 1 Sam. 2,30. Mache ich die Ehre Gottes zum großen Zweck meines Lebens und zur Regel meines Verhaltens? Wenn das, so will er mich ehren. Ich mag eine Zeitlang keine Ehre von Menschen empfangen, aber Gott selber wird mir in sehr wirksamer Weise Ehre antun. Am letzten Ende wird sich finden, dass es der sicherste Weg zur Ehre ist, wenn man willig ist, um des Gewissens willen Schmach zu leiden (…). Gott mag dem Gottlosen gestatten, weltliche Ehren zu gewinnen; aber die Würde, welche er selbst gibt, nämlich Preis und Ehre und unvergängliches Wesen, behält er für diejenigen auf, die Sorge tragen, ihn zu ehren. Was kann ich heute tun, den Herrn zu ehren? Ich will seinen Ruhm fördern durch mein mündliches Zeugnis und durch meinen tatsächlichen Gehorsam. Ich will ihn auch mit meinen Gütern ehren und indem ich ihm irgend einen besonderen Dienst darbringe. Lasst mich niedersitzen und nachdenken, wie ich ihn ehren kann, da er mich ehren will.“ (Charles H. Spurgeon)
Weß ist das gute Werk, das du tust, dein oder Gottes? Weß ist das schöne Haus, das da gebaut steht, der Axt oder des Zimmermanns? Du bist nur die Werkstatt, das Werkzeug; Gott ist der Meister, der in dir zum Guten schafft beides, das Wollen und das Vollbringen. Die Ehre gebührt dem, dem das Werk zugehört. Drum soll man dich nicht loben, sondern Gott und sein Werk soll man in dir loben. Genug ist‘s, dass man dich preist als ein Werkzeug, dadurch Gott große Dinge getan hat. Du betest täglich aus des Herrn Munde: Dein Name werde geheiligt! Sage mir, verstehst du auch, was du betest? Heilig heißt, das abgesondert, Gott zugeeignet ist, das niemand angreifen und beflecken, sondern jedermann in Ehren halten soll. Name heißt Ruhm, Lob, Ehre. Von dem Namen Gottes sollst du dich enthalten, dass du ihn nicht antastest und dir zueignest. Lässt du dich rühmen oder ehren, so verunheiligst du den Namen Gottes. Wie gern hast du es, dass man dich um deiner guten Werke willen lobt! Ein andrer tut das Werk, ein andrer will den Namen davon haben; ist das recht? Die Biene macht den Honig, die Hummel frisst ihn auf, ist‘s recht? Du nennst einen Diebstahl, wenn man dir nimmt, was du durch deine Arbeit erworben, da doch nicht deine Arbeit, sondern Gottes Segen dir alles gibt. Sollt‘s nicht ein viel schändlicher Diebstahl sein, wenn du Gott die Ehre raubst, die er sich zuweg gebracht hat durch seine Werke? (...) Hast du was, so hast du es nicht von dir selbst, sondern von Gott; kannst und tust du was, so ist das Vermögen und Werk nicht dein, sondern Gottes, dem gönne die Ehre und sprich: Wer bin ich? Von der lautern Gnade Gottes bin ich, was ich bin; es genügt mir, dass Gott mich armes Würmlein zu seinem Werkzeug gebraucht, und noch etwas Gutes durch mich ausrichtet, ich achte mich da zu unwürdig. Ich will Gott die Ehre geben, die ihm gebührt. Das Werk ist sein, der Ruhm soll auch sein sein. Nicht mir, Herr, nicht mir, sondern deinem Namen gib die Ehre!
(Heinrich Müller)
Der Glaube achtet den Willen des Schöpfers, indem er seine Geschöpfe schont, sie achtet und sich weigert, Lebendiges den menschlichen Verwertungsinteressen zu unterwerfen. Auch wenn die Natur ein denkbar schlechtes Vorbild gibt, sollten wir uns der Logik des „Fressen und gefressen werden“ so weit wie möglich entziehen und nach Möglichkeit Verhältnisse schaffen, in denen keiner auf Kosten anderer lebt. Gott will nicht, dass wir Hammer sind. Und er will auch nicht, dass wir Amboss sind. Sondern er will, dass seine Geschöpfe einander Helfer sind.
Mit Spott bringt man Autoritäten auf Distanz. Man macht lächerlich, um nicht ernst nehmen zu müssen. Und so witzelt mancher auch über Gott. Doch der nimmt es keineswegs „mit Humor“. Denn Gott kann im Leben des Menschen ein Gegenstand der Verehrung sein. Oder er kann ein Gegenstand der Belustigung sein. Er kann aber nicht beides zugleich sein. Wovor einer Ehrfurcht hat, darüber lacht er nicht. Und worüber er lacht, davor hat er keine Ehrfurcht. So lachen Gottes Kinder mit dem Vater, aber nicht über ihn. Sie freuen sich am Vater, aber nicht auf seine Kosten.
Das einzige Wunder der Pyramiden ist die Tatsache, dass sich so viele Menschen fanden, die niedrig genug waren, ihr Leben mit dem Bau der Grabstätte eines ehrgeizigen Tölpels zu verbringen; vernünftiger und männlicher hätte man ihn im Nil ertränkt und seinen Körper den Hunden zum Fraß vorgeworfen. Henry David Thoreau
Fehlt es dem Diebe an Gelegenheit, glaubt er an seine Ehrlichkeit. Talmud
Ganz ehrlich meint ein jeder es am Ende doch nur mit sich selbst und höchstens noch mit seinem Kinde. Arthur Schopenhauer
Mit der Dankbarkeit ist es wie mit der Ehrlichkeit der Kaufleute. Sie hält die Wirtschaft in Schwung, und wir zahlen nicht etwa, weil wir unsere Schulden begleichen wollen, sondern um leichter neue Geldgeber zu finden. Rochefoucauld
Konfuzius sprach: „Ich habe es selbst noch erlebt, dass ein Geschichtsschreiber Lücken im Text ließ, wenn er sich nicht sicher war... Heute gibt es das nicht mehr.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Konfuzius sprach: „Zuo Qiu-ming waren schöne Worte, eine einschmeichelnde Miene und Liebedienerei peinlich. Mir ist das auch peinlich. Zuo Qiu-ming lehnte es ab, seine Abneigung gegenüber einem Menschen zu verbergen und so zu tun, als sei er sein Freund. Bei mir ist es ebenso.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Konfuzius sprach: Meng Zhi-fan ist kein Angeber. Als die Truppen nach einer verlorenen Schlacht fliehen mussten, war er der letzte. Erst als sie durch das Stadttor ritten, trieb er sein Pferd an und sprach: „Ich komme nicht deshalb als letzter, weil ich besonders mutig wäre. Mein Pferd wollte nicht laufen – das ist der Grund.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Man darf sich nicht kränken, dass uns andere nicht die Wahrheit sagen, denn wir sagen sie uns oft selbst nicht. Rochefoucauld
Gott selbst beschreibt sich als „eifernden“ Gott. Er ist leidenschaftlich engagiert, ist kompromisslos in seinem Anspruch und liebt sein Volk mit Hingabe. Aber passt das auch zu seiner souveränen Hoheit und Würde? Offenbart es nicht unerfüllte Wünsche, die ein vollkommener Gott gar nicht hat? Tatsächlich: Dem Gott der Bibel fehlt etwas, wenn wir ihm fehlen. Er ist nicht ungerührt, sondern kann in Christus leiden. Und es ist völlig undenkbar, dass der Glaube auf Gottes leidenschaftlichen Ruf leidenschaftslos oder halbherzig antworten sollte. Denn ein Glaube ohne Eifer und Hingabe wäre in Wahrheit kein Glaube.
Die Eifersucht ist eine Eigenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft. Friedrich Schleiermacher
Eifersüchtig sein heißt: Nicht an seiner Frau, sondern an sich selbst zweifeln. Honoré de Balzac
Wer nicht eifersüchtig ist, liebt nicht. Augustin
Nachdem du alles andere schon verlassen hast, musst du dich selbst auch verlassen, ganz von dir selbst ausgehen und alle genügsame Eigenliebe ohne Erbarmen ans Kreuz schlagen. Und: Wenn du alles getan hast, was du nach deiner Erkenntnis tun solltest, so musst du doch gesinnt sein, als hättest du nichts getan. Thomas von Kempen
Um den Menschen für die Erbsünde zu strafen, hat Gott ihm erlaubt, sich aus seiner Eigenliebe einen Götzen zu schaffen, der ihn nun zeitlebens bei allen seinen Taten quält. Rochefoucauld
Ob ein Mensch „gut“ ist, bemessen wir nicht am Effekt seiner Taten, sondern an den Motiven seines Willens. Und wenn diese Motive eigennützig sind, können wir den Willen nicht „gut“ nennen. Doch wann handelten wir wirklich „selbstlos“? Gewöhnlich tun wir das Gute nicht um seiner selbst willen, sondern weil es sich in irgendeinem Sinne für uns „lohnt“. Was heißt das aber anderes, als dass wir schlecht sind? Solange wir Gründe brauchen, um das Gute zu wollen, sind wir fern vom Guten, denn dem Guten wäre es Lohn genug, dass das Gute geschieht.
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Manche Leute wollen Gott mit den Augen ansehen, mit denen sie eine Kuh ansehen, und wollen Gott lieben, wie sie eine Kuh lieben. Die liebst du wegen der Milch und des Käses und deines eigenen Nutzens. So halten's alle jene Leute, die Gott um äußeren Reichtums oder inneren Trostes willen lieben; die aber lieben Gott nicht recht, sondern sie lieben ihren Eigennutz. Ja, ich sage bei der Wahrheit: Alles, worauf du dein Streben richtest, was nicht Gott in sich selbst ist, das kann niemals so gut sein, dass es dir nicht ein Hindernis für die höchste Wahrheit ist. Meister Eckhart
Was die Menschen Freundschaft nennen, ist nur Zusammenschluss zur Verfolgung gegenseitiger Interessen im Austausch guter Dienste. Schließlich also bloß ein Geschäft, in dem der Eigennutz etwas zu gewinnen erhofft. Rochefoucauld
Die wichtigsten Eigenschaften Gottes sind: Von-sich-selbst-sein, Unveränderlichkeit, Unermesslichkeit, Ewigkeit, Allgegenwart, Lebendigkeit, Vollkommenheit, Unbegreiflichkeit, Allwissenheit, Allmacht, Weisheit, Heiligkeit, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit und Güte. Es ist aber zu beachten, dass Eigenschaftsbegriffe nicht in derselben Weise auf Gott angewandt werden können wie auf Menschen oder Dinge, denn Gott ist immer größer als alles, was in menschlichen Worten eingefangen und ausgesagt werden kann.
Aller Eigensinn beruht darauf, dass der Wille sich an die Stelle der Erkenntnis gedrängt hat. Arthur Schopenhauer
1.
Der Glaube hat zu den Dingen der Welt eine besondere Beziehung, denn wo man etwas aus Gottes Hand empfängt, berührt der Umgang mit der Gabe immer auch die Beziehung zum Geber. Diese Beziehung leidet, wenn Gottes Gaben gegen seine Intention verwendet werden. Darum sind „weltliche“ Beziehungen dergestalt in die Gottesbeziehung zu integrieren, dass auch im Umgang mit den Dingen immer Gott das eigentliche Gegenüber bleibt. Alles muss am Altar „abgegeben“ und vom Altar her „zurückempfangen“ werden, damit der Gläubige nichts ohne Gott, sondern alles mit ihm und durch ihn „besitzt“.
2.
Die Welt mit all ihren Gütern und Kreaturen ist Eigentum des Schöpfers. Menschen hingegen sind Gäste auf Gottes Grund und Boden. Sie „besitzen“ Güter nur in dem uneigentlichen Sinne, dass Gott ihnen erlaubt, Nutznießer zu sein. Er will aber, dass alle (!) Gäste seines Tisches auskömmlich versorgt werden. Und dieser Absicht hat all unser Wirtschaften zu folgen. D.h.: Wer die Güter der Erde zusammenrafft und anhäuft, um sie für sich zu „bunkern“, entzieht sie ihrer Bestimmung und ist (wenn nicht vor der Justiz, so doch zumindest vor Gott) ein Dieb.
„O, wenn ich doch Herr werden könnte über diesen Hausgötzen, mein Ich, nämlich über meinen Eigenwillen, meinen Eigendünkel, meine Ehre und meine Gelüste, wie selig wäre ich dann! Doch es ist schwerer, von sich selbst erlöst zu werden, als von dem Teufel und der Welt. Lernt es, euer Ich abzulegen und Christum dafür anzuziehen. Was würde ich für einen schönen Tausch machen, wie Altes für Neues hingeben, wenn ich Christum, meinen Herrn an meine Stelle setzen könnte; wenn ich sagen könnte, nicht ich, sondern Christus; nicht mein Wille, sondern Christi; nicht meine Lust, nicht meine Ehre, sondern nur Christi! Aber ach, wenn wir auch uns selbst verlassen und Christum statt unseres vergötterten Ich’s hinstellen, so blicken wir doch noch mit Zärtlichkeit nach unserem alten Götzen hin. O dieser elende Götze, mein Ich! Wann werde ich es sehen, dass du ganz hinausgeworfen und Christus ganz an deine Stelle gesetzt ist? Wann werden alle meine Bestrebungen, meine Gedanken und Wünsche einzig und allein in ihm ihren Grund haben und nicht in mir? Doch wenn wir auch nicht zu dieser Verleugnung des Ich und des Eignen gelangen können, dass wir sagen dürften, ich bin nicht mehr ich und mein Eigenes ist nicht mehr mein Eigenes, so wird doch, wenn wir in allem, was wir tun, hiernach ringen, schon dieses Ringen in Gnaden angenommen werden. Denn ach, ich glaube, ich werde es bis an meinen Tod nicht weiter bringen, als dass ich danach ringe, ein Christ zu sein.“
(Samuel Rutherford)
„Es hält schwer, unserm Eigenwillen, unserm Eigendünkel, unserm eigenen Wohlleben und unsern irdischen Lüsten einen Fuß, ja auch nur einen Zoll breit abzugewinnen und uns so zu verleugnen, dass wir sagen können, nicht ich, sondern Christus, nicht ich, sondern die Gnade, nicht ich, sondern Gottes Verherrlichung, nicht ich, sondern Gottes Liebe ist es, die mich zwingt, nicht ich, sondern das Wort des Herrn, nicht ich, sondern Christi gebietende Macht. Welch einen Kampf, welch einen Tod der Natur erfordert es, an die Stelle des Ich, des Eigenwillens, des eigenen Vertrauens meinen Herrn und Heiland zu setzen, meines Herrn Willen und meines Herrn Gnade. Ach, dieser Götze, das Ich, ist der Hauptgötze, vor dem wir uns alle beugen. Was war die Schuld, dass Eva ungehorsam ward und unbesonnen über die verbotene Frucht herfiel, als dies elende Ich? Was trieb jenen Brudermörder an, den Abel zu töten? Dies ungebändigte Ich. Was verführte die alte Welt, dass alles Fleisch seinen Weg verderbte auf Erden? Was anders als ihr Ich und ihre eigene Lust? Was war die Ursache von Salomos Abgötterei und Vielweiberei? Was anders als sein Ich, dem er lieber zu Gefallen leben wollte als Gott? Was verführte den Petrus, seinen Herrn zu verleugnen? War es nicht Selbstliebe und die Begierde der Selbsterhaltung? Was verleitete den Judas, seinen Herrn zu verkaufen für dreißig Silberlinge? Was anders als Selbstliebe, das abgöttische, geizige Ich? Weshalb verließ Demas den Weg des Evangeliums und gewann diese Welt wieder lieb? Nur die Selbstliebe und die Begierde nach eigenem Gewinn verführte ihn. Jeder klagt wegen seiner Sünden den Teufel an; aber der große Teufel, der Hausteufel jedes Menschen, der in eines jeden Busen liegt und sich nährt, jener Götze, der alles tötet, ist das Ich. Selig diejenigen, welche sich selbst verleugnen können und Christum an die Stelle ihres Ich setzen. O süßes Wort, „ich lebe nicht mehr, sondern Christus lebt in mir“.
(Samuel Rutherford)
Das Lächerlichste vom Lächerlichen dieser Welt sind mir Leute, die es eilig haben, die nicht schnell genug essen und arbeiten können. Was richten sie aus, diese ewig Hastenden? Ergeht es ihnen nicht wie jener Frau, die aus ihrem brennenden Haus in der Verwirrung die Feuerzange rettete? Sören Kierkegaard
Das ist die Summe und der Kern alles dessen, was uns die Gnade lehrt: die Sinne bezähmen, das eitle Wohlgefallen verschmähen, sich nicht selbst zur Schau stellen, vielmehr alles, was des Lobes und der Bewunderung wert sein mag, mit dem Schleier der Bescheidenheit und Einfachheit verhüllen, in allen Dingen und allen Wissenschaften nichts anderes suchen, als dass Gott dadurch in allem gelobt und verherrlicht und der sinkenden Menschheit unter die Arme gegriffen werde. Thomas von Kempen
Diogenes lebte als Philosoph ein einfaches Leben. Eines Abends saß er vor seiner Tonne und aß zum Abendbrot Linsen. Sein Philosophenkollege Aristippos, der am Hofe ein angenehmes Leben führte, weil er dem König nach dem Munde redete, sagte zu Diogenes: „Wenn du lernen könntest, dem König gegenüber unterwürfig zu sein, müsstest du nicht solchen Abfall wie Linsen essen.” Darauf entgegnete Diogenes: „Wenn du lernen könntest, mit Linsen auszukommen, brauchtest du nicht dem König zu schmeicheln!“
Es stände besser um die Welt, wenn die Mühe, die man sich gibt, die subtilsten Moralgesetze auszuklügeln, an die Ausübung der einfachsten gewendet würde. Marie von Ebner-Eschenbach
Gott hat die einfachen Menschen offenbar geliebt, denn er hat so viele von ihnen gemacht. Abraham Lincoln
Von einem haben die sogenannten gebildeten Leute gewöhnlich keine Vorstellung: dass jemand den zusammengesetzten und künstlichen Zustand, den sie Bildung nennen, und der auch wirklich Bildung ist, durchgemacht haben könne und auf der anderen Seite wieder ins Einfache und Natürliche herausgekommen sei. Ihnen scheint alles Schlichte Unkultur. Franz Grillparzer
Die „Einfalt des Herzens“ ist eine Tugend, die man nicht mit Naivität oder Dummheit verwechseln darf, denn sie ist die Haltung eines Menschen, der die Möglichkeiten der Raffinesse, Verschlagenheit und Hinterlist sehr wohl kennt, sie aber nicht nutzt, weil sie ihm zuwider sind. Einfalt ist die Geradheit einer rechtschaffenen Seele, die sich weigert, auf die Weise klug zu sein, wie die Welt klug ist. Sie weigert sich, Böses mit Bösem und Tücke mit Tücke zu überwinden, weil sie sich dabei in das Ebenbild des Gegners verwandeln würde.
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„Wo das Einfalt heißt, dass wir dasjenige nicht zu forschen begehren, was Gott nicht geoffenbaret hat, sodann unsere Vernunft nicht Meister sein lassen in Glaubenssachen, so ist solche Einfalt rühmlich und nötig: wo aber für Einfalt gehalten wird, dass der Mensch sich nicht befleiße, immer in der Erkenntnis zu wachsen, welches eine Unwissenheit, Faulheit und Undankbarkeit gegen göttliche Offenbarung ist, so sollen wir trachten nicht einfältig, sondern weise und verständig zu sein, und durch Gewohnheit zu haben geübte Sinne zum Unterschied des Guten und Bösen, Hebr. 5,14.“ (Philipp J. Spener)
„Selig die Einfalt, welche die schwierigen Wege der Untersuchungen verlässt, und auf dem ebenen und festen Pfad, der Gebote Gottes einherwandelt. Schon Viele büßten die Andacht ein, da sie das Höhere ergründen wollten. Glaube wird von dir gefordert und ein reines Leben; nicht hoher Verstand, noch tiefe Erkenntnis der Geheimnisse Gottes. Wenn du nicht verstehest und begreifest, was unter dir ist: wie wirst du fassen, was über dir ist? Unterwirf dich Gott, und demütige deinen Sinn unter den Glauben, und es wird dir gegeben werden das Licht der Erkenntnis, soweit es dir ersprießlich und nötig ist.“ (Thomas von Kempen)
„Der Weg der Heiligkeit ist so gerade und deutlich, dass die einfachsten Seelen nicht irregehen können, wenn sie ihm beständig folgen. Die Weltlich-Weisen haben viele Windungen und Krümmungen, und dennoch machen sie schreckliche Versehen und verfehlen gewöhnlich ihr Ziel. Weltliche Klugheit ist eine armselige, kurzsichtige Sache, und wenn die Menschen diese als ihren Weg wählen, so führt der sie über dunkle Berge. Begnadigte Seelen wissen nichts Besseres zu tun, als das, was der Herr sie heißet; und dies hält sie auf des Königs Hochweg und unter königlichem Schutze. Möge der Leser keinen Augenblick versuchen, sich durch eine Falschheit oder eine zweifelhafte Handlung aus einer Schwierigkeit herauszuziehen; möge er hingegen mitten auf dem Hochwege der Wahrheit und Lauterkeit bleiben dann wird er die beste, nur mögliche Bahn verfolgen. In unsrem Leben dürfen wir nie kreisförmig segeln, noch an listige Ausflüchte denken. Sei gerecht und fürchte dich nicht. Gehorche Jesu und achte nicht auf schlimme Folgen. Wenn das schlimmste der Übel durch Unrechttun vermieden werden könnte, so würden wir, indem wir dies versuchten, in ein Übel hineingeraten, das schlimmer wäre als irgend ein andres sein könnte. Gottes Weg muss der beste sein. Folge ihm, ob auch Menschen dich für einen Toren halten, dann wirst du wahrhaft weise sein.“ (Charles H. Spurgeon)
Wenn Christus als der „eingeborene“ Sohn bezeichnet wird, bleibt das oft unverstanden. Der Ausdruck meint aber, dass er Gottes „einziger“ Sohn ist. Er ist nicht einer von vielen „Söhnen“ oder einer von mehreren „Heilsbringern“, sondern ist sowohl in seinem Wesen wie in seinem Wirken unvergleichlich und konkurrenzlos. In ihm darf jeder Sünder Erlösung finden. Aber ohne ihn gelangt keiner ans Ziel. Wer an ihn glaubt, hat das Heil. Doch ist das nicht eine Chance unter vielen, sondern die einzige. Denn es ist uns kein anderer Name gegeben, durch den wir sollen selig werden. M.a.W.: An Christus vorbei führt kein Weg in den Himmel.
„Seid fleißig, zu halten die Einigkeit des Geistes, durch das Band des Friedens. Ephes. 4,3. Dieweil die höchste Stärke aus der Einigkeit kommt, die Schwachheit aber aus der Spaltung; so folgt, dass, je größer die Einigkeit ist, je größer ist die Stärke. Damit aber die Einigkeit unter den Christen groß werde, so muss dieselbe ihren Ursprung nehmen aus der Einigkeit mit Gott. Je mehr nun ein Christenmensch mit Gott vereinigt ist durch die Liebe, je größer auch die Einigkeit unter den Christen wird. Denn wer mit Gott vereinigt ist durch die Liebe, oder wer Gott herzlich liebt, der wird auch mit seinem Nächsten nicht unvereiniget bleiben, denn es ist unmöglich, dass einer sollte Gott lieben, und sollte den hassen, welchen Gott so herzlich liebt. Ja, je mehr er Gott liebt, je mehr wird er auch denselben lieben, den Gott liebet. Je mehr nun ein Mensch den andern liebet, je mehr wird er mit ihm vereinigt. Diese Einigkeit wird so lange währen, so lange die Liebe währet; die Liebe aber kann und muss immer währen, so bleibt die Einigkeit auch, und je mehr die Liebe zunimmt, je stärker die Einigkeit wird; daraus entsteht dann eine unüberwindliche Stärke.“ (Johann Arndt)
Ein Mensch ist nicht „an sich“ schon da, bevor er zu anderen in Beziehung tritt, sondern erst dadurch, dass er im sozialen Beziehungsgefüge eine Rolle einnimmt, ist er „jemand“. Gibt es aber niemanden, der ihn vermisst, könnte er genauso gut weg sein. Und darum fühlt sich ein Mensch in der Einsamkeit wie lebendig tot. In freiwilliger oder aufgezwungener Isolation kann er nicht sein, was er von Gott her sein soll. Wie lieblos sind also die, die den Einsamen „links liegen lassen“? Ihre Egozentrik ist die Selbstabschließung gegen den Menschen, der ihnen, und dem sie etwas bedeuten könnten. Und sie ist Sünde.
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Ich bin gern allein. Denn mit der falschen Welt umzugehen hab ich schlechte Lust. Sie liebt und lobt nur, was mit ihr im Argen liegt. Das Gute hasst, lästert und verfolgt sie. Doch bin ich nimmer allein. Hab also nicht zu befürchten, was der weise Mann sagt: Wehe dem, der allein ist, fällt er, so hat er niemand, der ihm aufhilft. Mein Gott ist allzeit und allenthalben bei mir. Strauchle ich, so hält er mich; fall ich, richtet er mich wieder auf. Mein Freund besucht mich wohl, aber bleibt nicht; wie er kommt, so geht er wieder weg. Ich darf nicht Gott bitten, dass er zu mir komme, er wohnt schon in mir, und ist mir näher, als ich mir selber bin. Ich darf auch nicht sorgen, dass er werde wieder hingehen. Er verlässt sein Kind nicht, das weiß ich. Verbergen kann er sich wohl vor mir, verlassen aber kann er mich nicht. Wenn ich Menschen bei mir habe, was hilft‘s mir? Ist auch der falschen Welt wohl zu trauen? Und wenn sie gleich meine besten Freunde sind, ist doch zu besorgen, dass ich sie oder sie mich ärgern werden. Beides dient nicht. Fallen sie, wer weiß, ob ich das Vermögen hab, ihnen aufzuhelfen? Fall ich, wer weiß, ob sie so stark sind, dass sie mich aufrichten können? Vielleicht fall ich mit ihnen, oder sie mit mir dahin; ich will mich um Gesellschaft nicht bekümmern. Sie reißt in einer Stunde oft mehr nieder, als ich wieder aufbauen kann in einem Jahr. Wenn ich nur Gott bei mir hab in dem Grunde meiner Seele, der ist mir mehr als tausend Freunde. Lass dann alle Teufel und Menschen zustürmen, was wollen sie Gott abgewinnen? Mit Schanden werden sie abziehen müssen. Wohl dem, der immer, und doch nimmer allein ist.
(Heinrich Müller)
„Viele suchen die Gemeinschaft aus Furcht vor der Einsamkeit. Weil sie nicht mehr allein sein können, treibt es sie unter die Menschen. Auch Christen, die nicht allein mit sich fertig werden können, die mit sich selbst schlechte Erfahrungen gemacht haben, hoffen in der Gemeinschaft anderer Menschen Hilfe zu erfahren. Meist werden sie enttäuscht und machen dann der Gemeinschaft zum Vorwurf, was ihre eigenste Schuld ist. Die christliche Gemeinschaft ist kein geistliches Sanatorium. Wer auf der Flucht vor sich selbst bei der Gemeinschaft einkehrt, der missbraucht sie zum Geschwätz und zur Zerstreuung, und mag dieses Geschwätz und diese Zerstreuung noch so geistlich aussehen. In Wahrheit sucht er gar nicht die Gemeinschaft, sondern den Rausch, der die Vereinsamung für kurze Zeit vergessen lässt und gerade dadurch die tödliche Vereinsamung des Menschen schafft. Zersetzung des Wortes und aller echten Erfahrung und zuletzt die Resignation und der geistliche Tod sind das Ergebnis solcher Heilungsversuche. WER NICHT ALLEIN SEIN KANN, DER HÜTE SICH VOR DER GEMEINSCHAFT. Er wird sich selbst und der Gemeinschaft nur Schaden tun. Allein standest du vor Gott, als er dich rief, allein musstest du dem Ruf folgen, allein musstest du dein Kreuz aufnehmen, musstest du kämpfen und beten, und allein wirst du sterben und Gott Rechenschaft geben. Du kannst dir selbst nicht ausweichen; denn Gott selbst hat dich ausgesondert. Willst du nicht allein sein, so verwirfst du den Ruf Christi an dich und kannst an der Gemeinschaft der Berufenen keinen Anteil haben. „Wir sind allesamt zum Tode gefordert und wird keiner für den andern sterben, sondern ein jeglicher in eigener Person für sich mit dem Tod kämpfen … ich werde dann nicht bei dir sein, noch du bei mir“ (Luther). Umgekehrt aber gilt der Satz: WER NICHT IN DER GEMEINSCHAFT STEHT, DER HÜTE SICH VOR DEM ALLEINSEIN. In der Gemeinde bist du berufen, der Ruf galt nicht dir allein, in der Gemeinde der Berufenen trägst du dein Kreuz, kämpfst du und betest du. Du bist nicht allein, selbst im Sterben und am jüngsten Tage wirst du nur ein Glied der großen Gemeinde Jesu Christi sein. Missachtest du die Gemeinschaft der Brüder, so verwirfst du den Ruf Jesu Christi, so kann dein Alleinsein dir nur zum Unheil werden. „Soll ich sterben, so bin ich nicht allein im Tode, leide ich, so leiden sie (die Gemeinde) mit mir“ (Luther). Wir erkennen: nur in der Gemeinschaft stehend können wir allein sein, und nur wer allein ist, kann in der Gemeinschaft leben. Beides gehört zusammen. Nur in der Gemeinschaft lernen wir recht allein sein und nur im Alleinsein lernen wir recht in der Gemeinschaft stehen. Es ist nicht so, dass eins vor dem andern wäre, sondern es hebt beides zu gleicher Zeit an, nämlich mit dem Ruf Jesu Christi.“ (Dietrich Bonhoeffer)
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Wenn ich etwas an Christus verstehe, so ist es das: ‚Und er entwich vor ihnen in die Wüste.‘ Christian Morgenstern
Dem intellektuell hochstehenden Menschen gewährt … die Einsamkeit einen zwiefachen Vorteil: erstlich den, mit sich selber zu sein, und zweitens den, nicht mit andern zu sein. Arthur Schopenhauer
Ein Mönch hatte sich in die Einsamkeit zurückgezogen, um in der Abgeschiedenheit vom lärmenden Leben seine Zeit der Meditation und dem Gebet widmen zu können. Einmal kam ein Wanderer zu seiner Einsiedelei und bat ihn um etwas Wasser. Der Mönch ging mit ihm zur Zisterne, um das Wasser zu schöpfen. Dankbar trank der Fremde, und etwas vertrauter geworden bat er den Mönch, ihm eine Frage stellen zu dürfen: „Sag mir, welchen Sinn siehst du in deinem Leben in der Stille?“ Der Mönch wies mit einer Geste auf das Wasser der Zisterne und sagte: „Schau auf das Wasser! Was siehst du?“ Der Wanderer schaute tief in die Zisterne, dann hob er den Kopf und sagte: „Ich sehe nichts.“ Nach einer kleinen Weile forderte der Mönch ihn abermals auf: „Schau auf das Wasser der Zisterne. Was siehst du jetzt?“ Noch einmal blickte der Fremde auf das Wasser und antwortete: „Jetzt sehe ich mich selber!“ „Damit ist deine Frage beantwortet“, erklärte der Mönch. „Als du zum ersten Mal in die Zisterne schautest, war das Wasser vom Schöpfen unruhig, und du konntest nichts erkennen. Jetzt ist das Wasser ruhig - und das ist die Erfahrung der Stille: Man sieht sich selber!“
In der Einsamkeit frisst sich der Einsame selbst auf, in der Vielsamkeit fressen ihn die vielen. Nun wähle. Friedrich Nietzsche
Mit wem es in Wahrheit recht steht, dem ist es an allen Stätten und unter allen Menschen recht. Mit wem es aber unrecht steht, für den ist es an allen Stätten und unter allen Leuten unrecht. Mit wem es recht steht, der hat Gott in Wahrheit bei sich. Wer aber Gott recht in Wahrheit hat, der hat ihn an allen Stätten und auf der Straße und bei allen Leuten ebenso wie in der Kirche oder in der Einsamkeit oder in der Klosterzelle. Meister Eckhart
Was die Menschen gesellig macht, ist ihre Unfähigkeit, die Einsamkeit und in dieser sich selbst zu ertragen. Arthur Schopenhauer
Es gibt nur einen christlichen Glauben. Doch ist dieser Glaube in mehr als einer Weise auf Gott bezogen. Je nachdem, welche der sieben „Beziehungsmuster“ dominieren, entwickelt der Mensch seinen speziellen „Typ“ des Christ-Seins. Diese Vielfalt des Glaubens ist zu begrüßen, weil jeder „Typ“ seine besonderen Stärken hat. Doch liegt auch eine Gefahr darin: Wird eine Beziehungsform ganz aus dem Zusammenhang der anderen gelöst und einseitig überbetont, kommt es zu Fehlformen des Glaubens.
EINSWERDEN MIT CHRISTUS BZW. GOTT
1.
Die Bibel misst dem Glauben so große Bedeutung bei, weil er den Gläubigen und den, an den geglaubt wird, zu einer Einheit verbindet. Alles, was der Gläubige begangen hat, wird Christus zu Eigen. Alles aber, was Christus besitzt und vollbringt, wird dem Gläubigen zu Eigen. Wie bei einem armen Mädchen, das einen reichen Prinzen heiratet, ist diese Gütergemeinschaft für den Menschen höchst vorteilhaft: Er überlässt Christus seine Vergänglichkeit und Schuld und empfängt dafür Christi Ewigkeit und Gerechtigkeit.
2.
Essen ist ein erstaunlicher Vorgang, durch den ein Körper in einem anderen untergeht, in ihm verschwindet, sich in ihm auflöst, ihn stärkt – und zuletzt nicht mehr von ihm unterschieden werden kann. Und genau darum will uns Jesus im Abendmahl Gastgeber und Speise zugleich sein, um in uns einzugehen und aufzugehen. Er will sich mit uns bis zur Ununterscheidbarkeit vereinen, denn während wir uns den Leib Christi in Form des Brotes einverleiben in unseren Leib, werden wir von Christus einverleibt in seinen Leib – die Kirche.
3.
Der Glaube behauptet sich nicht, indem er sagt „ich habe Macht“, sondern „der Herr ist meine Macht“ (Ps 118,14), so dass er nicht etwa durch Gott reich ist an Irdischem, sondern reich ist an Gott. Der Gläubige will nichts sein, auf dass Gott in ihm alles sei – und wird dadurch geistlich unangreifbar: Christi Gerechtigkeit ist die einzige, deren er sich rühmt, und seine gesamte Schuld hat er an Christus abgegeben. Gottes Wort ist seine Wahrheit, und Christus sein Leben. Weil ihm all das aber nicht „gehört“, kann‘s ihm auch niemand rauben. Wo immer der Feind ihn greifen will, trifft er auf Christus – und der Schlag geht ins Leere.
4.
Dass Gottes Geist in den Gläubigen „wohnt“, ist irritierend, aber notwendig. Denn anders als durch den Heiligen Geist, der uns anschließt an die Quelle des Heils, würde Gott uns nicht erreichen. Wohnte Gott nicht in uns, blieben wir immer fern von ihm. Ist er aber in uns, so tut er stellvertretend für den menschlichen Geist, was dieser nicht vermag, und schafft die Glaubenszuversicht, die wir nie aufbrächten. Genau genommen ist es Gott selbst, der in uns an sich glaubt. Er lässt unseren Geist teilhaben an der Gewissheit, mit der Gott um sich selbst weiß.
5.
Es gibt ein Klischee von Mystik, das Zustände religiöser Entrückung in den Mittelpunkt stellt. Und die damit verbundene Vorstellung, man könne Gott direkt „erfahren“, statt nur seinem Wort zu glauben, ist abzulehnen. Doch das zentrale Anliegen wahrer Mystik – die Vereinigung Gottes und des Menschen im Glauben – ist gut biblisch: Die durch Gottes Wort mitgeteilte Erkenntnis ist von der Art, dass, wer sie wirklich „hat“, sich unter ihrem Eindruck wandelt und Anteil gewinnt an der Nähe und Seligkeit, die Gott jenen schenkt, denen er sich selbst schenkt.
Ich bin nur ein schlichtes einfältiges Werkzeug. Gott tue und mache, was er will. Was er will, das will ich auch; und was er nicht will, das will ich auch nicht. Will er, dass ich es soll wissen, so will ich es wissen; will er aber nicht, so will ich auch nicht. Ich will nichts und tot sein, auf dass er in mir lebe und wirke, was er will. Jakob Böhme
Wer das reine Herz nicht hat, das er haben sollte, kommt immerhin schon einen Schritt voran, wenn er lernt, mit seiner Unreinheit nicht einverstanden zu sein und die eigenen Fehler nicht mehr zu entschuldigen. Denn solange die Vernunft nicht in die Versuchung einstimmt, geht auch die Liebe zu Gott nicht verloren. Solange der Wille in das Böse nicht einwilligt, hat der Teufel nicht gesiegt. Und solange unreine Gedanken dem Menschen nicht zur Lust, sondern zur Last sind, werden sie ihm auch nicht als Sünde angerechnet. Wenn wir uns allerdings mit dem anfreunden, was Gott an uns hasst, haben wir uns von ihm getrennt.
EINWOHNUNG DES HEILIGEN GEISTES
Dass Gottes Geist in den Gläubigen „wohnt“, ist irritierend, aber notwendig. Denn anders als durch den Heiligen Geist, der uns anschließt an die Quelle des Heils, würde Gott uns nicht erreichen. Wohnte Gott nicht in uns, blieben wir immer fern von ihm. Ist er aber in uns, so tut er stellvertretend für den menschlichen Geist, was dieser nicht vermag, und schafft die Glaubenszuversicht, die wir nie aufbrächten. Genau genommen ist es Gott selbst, der in uns an sich glaubt. Er lässt unseren Geist teilhaben an der Gewissheit, mit der Gott um sich selbst weiß.
„Den … Trost gibt uns der schöne Spruch, Joh. 17,21. wie der Herr für uns gebeten, und was er von Gott erbeten, nämlich, dass wir in Christo, und Christus in uns bleiben möge. Nun spricht St. Johannes 1 Epist. 4,4. Der in euch ist, ist größer, denn der in der Welt ist. In einem jeden Christen wohnet Christus durch den Glauben. Dieser herrliche Gast ist gleichwohl bei dir, und wohnet in deiner Seele, wenn dich gleich der Satan noch so heftig anficht. Musste doch der Herr Christus selbst leiden, dass er vom Teufel versucht wurde, und war doch Gott in ihm, d. i. die ganze Fülle der Gottheit wohnete in ihm leibhaftig und persönlich, Kol. 2,9. Derohalben darfst du nicht gedenken, dass darum der Herr Christus nicht in dir sei, ob du gleich versucht wirst. Hast du nun den Herrn Christum bei dir, so laß den Satan immerhin stürmen, Christus wird sein Haus und Wohnung wohl erhalten. So ist auch der heilige Geist bei dir, welcher deiner Schwachheit hilft, und vertritt dich bei Gott mit unaussprechlichem Seufzen, Röm. 8,26. welches Seufzen du ja in deinem Herzen empfindest, und damit überzeugt wirst, dass der heilige Geist in dir ist, der auch nicht von dir weichen wird, wie der Herr spricht, Joh. 14,16. Ich will euch einen andern Tröster geben, der bei euch bleiben soll ewiglich. So hat auch Gott gesagt, dass er in den betrübten Herzen wohne.“ (Johann Arndt)
„Ich will in ihnen wohnen, und in ihnen wandeln, und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein.“ 2 Kor. 6,16. Hier ist ein wechselseitiges Interesse. Eines gehört dem andren. Gott ist das Teil seines Volkes, und das erwählte Volk ist das Teil seines Gottes. Die Heiligen finden in Gott ihr vorzüglichstes Besitztum, und er hält sie für einen besonderen Schatz. Was für eine Fundgrube von Trost liegt in dieser Tatsache für jeden Gläubigen! Dieser glückliche Zustand wechselseitigen Interesses führt zu wechselseitigem Andenken. Gott wird immer an die Seinen denken, und sie werden immer an ihn denken. Heute will Gott alles für mich tun; was kann ich für ihn tun? Meine Gedanken sollten zu ihm eilen, denn er denket an mich. Ich will darauf achten, dass sie dies wirklich tun, und mich nicht mit dem bloßen Zugeständnis begnügen, dass sie es tun sollten. Dies führt weiter zu wechselseitiger Gemeinschaft. Gott wohnet in uns, und wir wohnen in ihm; er wandelt mit uns, und wir wandeln mit Gott. Glückliche Gemeinschaft dies!“ (Charles H. Spurgeon)
„Gleichwie der Mensch durch die Sünde von Gott geschieden wird; also wird er durch wahre Bekehrung wieder mit Gott vereiniget. Gleich wie die Person Christi nicht kann getrennet werden, sondern die ewige Gottheit hat die menschliche Natur in Christo ihr also vereinigt durch ein unauflösliches Band, dass auch der Tod diese Vereinigung nicht hat trennen können, und also bleibt die menschliche Natur Christi ewig mit der Gottheit vereiniget, und mit Gottes Herrlichkeit erfüllet; also werden in der Bekehrung zu Gott, durch den Glauben und herzliches Vertrauen, die gläubigen Seelen also mit Gott vereiniget, dass sie weder Leben noch Tod scheiden kann, Röm. 8,38. Denn die dem Herrn anhangen, die werden ein Geist mit ihm, und Gott hat sich in Ewigkeit mit uns verlobet, 1 Kor. 6,17. Hos. 2,19. Ja, Jesus Christus, unser Herr, ist unser einiger Zeuge, und unser Buch des Lebens, darinnen wir sehen und lernen, dass wie seine menschliche Natur ewig mit Gott vereiniget ist, also auch alle Gläubigen.“ (Johann Arndt)
Je besser du wirst, desto mehr fliehe die Eitelkeit; denn die übrigen Laster wachsen durch Laster, die Eitelkeit aber wächst durch Tugenden.
Eucherius, gest. 405
Dass etwas so Augenfälliges wie die Eitelkeit der Welt so wenig bekannt ist, dass es seltsam und überraschend ist, wenn man sagt, es sei dumm, nach Größe zu streben. Das ist erstaunlich. Blaise Pascal
Der eine hält eine Meinung fest, weil er sich etwas darauf einbildet, von selbst auf sie gekommen zu sein, der andere, weil er sie mit Mühe gelernt hat und stolz darauf ist, sie begriffen zu haben: beide also aus Eitelkeit. Friedrich Nietzsche
Der Mensch ist nicht geboren, um auf dieser Schaubühne der Eitelkeit ewige Hütten zu erbauen. Weil sein ganzes Leben ein weit edleres Ziel hat, wie schön stimmen dazu nicht alle die Verheerungen, die der Unbestand der Welt selbst in denjenigen Dingen blicken lässt, die uns die größte und wichtigste zu sein scheinen, um uns zu erinnern: dass die Güter der Erden unserm Triebe zur Glückseligkeit keine Genugtuung verschaffen können! Immanuel Kant
Der Prunk der Begräbnisse dient mehr der Eitelkeit der Lebenden als der Ehrung der Toten. Rochefoucauld
Jedes Herz ist eine Bude auf dem Jahrmarkt der Eitelkeit. William Makepeace Thackeray
Kasteiungen sind nur echt, wenn sie unbekannt bleiben. Alle andern macht die Eitelkeit leicht. Rochefoucauld
Man hat gerade soviel Eitelkeit, wie man Verstand entbehrt. Alexander Pope
Neugier ist nur Eitelkeit. Meistens will man etwas nur wissen, um darüber reden zu können, andernfalls würde man nicht über das Meer fahren, wenn man nichts davon erzählen möchte und es aus bloßer Schaulust täte, ohne die Hoffnung, jemals davon etwas mitteilen zu können. Blaise Pascal
Wenn die Menschen unter das Getümmel ihrer Geschäfte und Zerstreuungen gewohnt wären, bisweilen ernsthafte Augenblicke der lehrreichen Betrachtungen zu mengen, dazu sie das tägliche Beispiel der Eitelkeit unserer Absichten in dem Schicksale ihrer Mitbürger auffordert: so würden ihre Freuden vielleicht weniger rauschend sein, aber die Stelle derselben würde eine ruhige Heiterkeit der Seele einnehmen, der keine Zufälle mehr unerwartet sind, und selbst die sanfte Schwermut, dieses zärtliche Gefühl, davon ein edles Herz aufschwillt, wenn es in einsamer Stille die Nichtswürdigkeit desjenigen erwägt, was bei uns gemeiniglich für groß und wichtig gilt, würde mehr wahre Glückseligkeit enthalten als die ungestüme Belustigung des Leichtsinnigen und das laute Lachen des Toren. Immanuel Kant
Jedermann hat gerade so viel Eitelkeit, als es ihm an Verstand fehlt. Friedrich Nietzsche
Wer die Eitelkeit bei sich leugnet, besitzt sie gewöhnlich in so brutaler Form, dass er instinktiv vor ihr das Auge schließt, um sich nicht verachten zu müssen. Friedrich Nietzsche
Wir sind nur freigebig aus Eitelkeit, denn wir lieben die Geste des Gebens mehr als die Gabe. Rochefoucauld
Wir sind so eitel, dass uns sogar an der Meinung der Leute, an denen uns nichts liegt, etwas gelegen ist. Marie von Ebner-Eschenbach
„Die Welt verheißt nur zeitliche und unbedeutende Güter und hat doch die eifrigsten Diener. Gott verheißt das allerhöchste und ewige Gut, und die Herzen der Menschen bleiben kalt und träge dabei. Die Unverständigen! Für nichtswürdige Dinge laufen sie sich müde, zanken und balgen sich auf niederträchtige Weise um ein Groschenstück, mühen und plagen sich Tag und Nacht, um irgendeine verheißene Kleinigkeit, ein täuschendes Nichts zu erhaschen. Aber, o Schande! Für ein Gut, das ewig währt, für eine Belohnung, die unschätzbar ist, für die höchste Ehre, für eine Herrlichkeit, die kein Ende nimmt, sich auch nur ein wenig zu bemühen, ach, dazu sind sie viel zu träge.“ (Thomas von Kempen)
„Seht an der Welt Spiel! Ich hatte einen Schatten umfangen, ich hatte mich einem Traume vermählt, ich hatte den Wahn erkoren. Ach, wo ist nun des Wahnes Bild, des Traumes Gelübde, des Schattens Gestalt? Hatte ich dich, o Welt, tausend Jahre besessen, wie wäre es nun als ein Augenblick dahin. Deine Natur ist ein Dahinscheiden: ich wähnte, ich hätte dich umfangen – ach wie bist du mir nun verschwunden! Wer dich nicht zuvor lässt, den lässt du, o Mörderin. So lebe nun wohl! Im Herrn habe ich Reichtum genug; Gewalt, so viel ich will. Hätte ein Mensch tausend Leben, sollte er sie daran wagen, um Gottes Liebe zu erwerben, der unser Herz haben will. Nie hat ein durstiger Mund sich so heiß nach einem kühlen Brunnen, noch ein sterbender Mensch sich nach den fröhlichen Lebenstagen gesehnt, als er sich sehnt, den Sündern zu helfen. Eher mag man die vergangenen Tage wiederbringen, eher alle verdorrten Blumen wieder grün machen, und alle Regentröpflein wieder sammeln, ehe man seine Liebe zu allen Menschen ermessen mag.“
Suso (+1366)
„Ich sehe, wie das Geschlecht der Menschen vom Aufgang bis zum Niedergang der Sonne den Markt dieser Welt durchstreift. Einige suchen nach Reichtümern, andere nach Ämtern und Würden, noch andere nach eitlem Ruhm? Was soll ich von den Reichtümern sagen? Werden sie nicht mit Mühe erworben, mit Furcht besessen und mit Schmerz verloren? Siehe, welche Arbeit machst du dir um vergänglicher Güter willen! Obwohl du nach des Weisen Ausspruch nur drei Finger breit vom Tod bist, fährst du über das Meer, fliehst das Vaterland, lässt die Eltern, scheidest von Weib und Kind, vergisst alle Bande der Freundschaft, um zu suchen, was du sammelst, um zu sammeln, was du verlierst, um zu verlieren, was du beklagst. Menschenkinder, wie lange wollt ihr trunken sein, wie lange wollt ihr das Eitle lieben? Was soll ich von großen Würden sagen? Du bist in ein hohes Amt gesetzt, man hat dich an die Spitze bedeutender Angelegenheiten gestellt. Welche Rechenschaft wird Gott von dir fordern, wie wirst du von Menschen beobachtet, wie tritt alles auf, um gleichsam an dir zu ziehen und zu reißen! Wer kann auf Höhen ohne Wehen, in Würden ohne Bürden sein? Wo soll dein Ruhm herkommen, du Staubgeborener, du Bewohner der lehmernen Hütte, du unreines Gefäß? Nicht dir, nicht dir, dem Namen des Herrn gebührt Ehre. Kannst du auch deinen Ruhm suchen, ohne den Neid gegen dich aufzuwecken? Siehe auf die hin, über die du dich stellst und merke, wie vielen Samen der Missgunst du gestreut hast, wie man dich überall mit scheelen Blicken betrachtet. Was dir schmeichelt, bringt dir Hass; was dich hebt, drückt dich nieder. Das sind nun die Waren, um deren Ankauf sich die Toren mühen und plagen; der Weise aber dreht dem Kram seinen Rücken, bindet sich die Weltverleugnung darauf und geht davon.“
Bernhard (+1153)
Der Mensch ist dadurch groß, dass er sich elend weiß. Ein Baum weiß sich nicht elend. Blaise Pascal
Das Elend des Menschen liegt darin, dass er in der Gesellschaft Trost suchen muss gegen die Leiden, die ihm die Natur zufügt, und in der Natur Trost gegen die Leiden der Gesellschaft. Wie viele haben weder hier noch dort eine Erleichterung ihrer Schmerzen gefunden! Nicolas Chamfort
Es scheint wirklich, als ob die Natur, um uns über unseren elenden und erbärmlichen Zustand zu trösten, uns den Eigendünkel zum Erbteil gegeben habe. Michel de Montaigne
Sei, wo du willst, und wende dich, wohin du immer willst: Wenn du dich nicht zu Gott hinwendest, so bist du überall ein elender Mensch. Thomas von Kempen
Wer auf sein Elend tritt, steht höher. Emil Gött
Der Mensch ist nicht geschaffen, um isoliert sich selbst zu genügen oder für sich selbst da zu sein, sondern soll – als Bindeglied zwischen seinen Eltern und seinen Kindern – an dem Schöpfungsprozess mitwirken, dem er sich selbst verdankt. Man empfängt sein Leben nicht, um es zu konservieren, sondern um es weiterzugeben: es ist ein Wanderpokal! Darum hat jede Generation der vorangehenden wie der nachfolgenden gegenüber eine gottgegebene Aufgabe. Und die lässt sich nur erfüllen, wenn Jung und Alt zusammenstehen und füreinander da sind.
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„Wie und warum sollen wir sie in Ehren halten? Dass wir erkennen, was Gott durch dieselben uns erweise oder erwiesen habe, dass also gar eine große Liebe Gottes in solcher Verordnung zum Besten des menschlichen Geschlechts stecke, und dass sie diejenigen seien, in denen Gott von uns wolle geehrt sein: daher sollen wir sie im Herzen hoch achten, und äußerlich ihnen in Wort und Werken demütig und ehrerbietig begegnen, wissend, was wir ihnen für Ehre oder Verachtung antun, solches geschehe Gott selbsten in ihnen.“ (Philipp J. Spener)
Ehre deinen Vater, aber nur insoweit, als er dich von deinem wahren Vater nicht trennt.
(Hieronymus, gest. 420)
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Es gibt leider nicht sehr viele Eltern, deren Umgang für ihre Kinder wirklich ein Segen ist. Marie von Ebner-Eschenbach
Meng Wu-bo fragte, welche Pflichten man gegenüber seinen Eltern habe. Konfuzius antwortete: „Man soll sich so verhalten, dass die Eltern nur dann Sorgen um die Kinder haben müssen, wenn sie krank sind.“ „Gespräche“ des Konfuzius
Emanzipation ist der Übergang eines Sklaven aus der Unterdrückung durch einen anderen in die Unterdrückung durch sich selbst. Ambrose Bierce
In einer Versammlung rief eine Frauenrechtlerin Lloyd George aufgebracht zu: „Wenn Sie mein Mann wären, würde ich Ihnen Gift geben!“ Lloyd George antwortete: „Und wenn ich Ihr Mann wäre, würde ich es nehmen!“
Das Leben ist ein Kampf, in dem sich der menschliche Wille zum Leben gegen den Tod zu behaupten sucht. Ob aber dies tägliche Ringen Sinn macht, hängt davon ab, ob es ein - aufs Ganze gesehen - gewinnbarer oder schon verlorener Kampf ist. Christen glauben Ersteres, denn die Auferstehung Christi ist der entscheidende Sieg, der den Ausgang des ganzen Krieges vorwegnimmt: Seither gewinnen die Mächte der Finsternis zwar noch einzelne Schlachten. Aber sie gewinnen nicht mehr den Krieg.
Die Offenbarung des Johannes gilt als düstere Schrift. Dabei ist ihre Botschaft sehr tröstlich: Die Bedrängnisse der Endzeit sind zwar unvermeidlich, doch wer darin seinem Glauben treu bleibt, kann ebensowenig überwunden werden wie Christus selbst. Die kommenden Katastrophen stellen nicht etwa Gottes Plan in Frage, sondern führen nur dazu, dass er aufgeht. Und am Ende siegen mit Christus alle, die ihm treu geblieben sind. Wie die Welt einen Anfang hatte, wird sie auch ein Ende haben. Doch ist ihr Untergang nur der Übergang zum Reich Gottes. Und dem stetig näher zu kommen, kann ein Christ unmöglich bedauern.
Engel sind geistige, unsichtbare Wesen, die Gott geschaffen und mit großer Vollkommenheit, Weisheit und Heiligkeit ausgestattet hat, damit sie ihm dienen, die Gläubigen vor Unheil bewahren, und der ewigen Seligkeit teilhaftig werden. Sie verbinden Himmel und Erde, wollen aber nie mehr sein als Boten Gottes. Es ist darum falsch, sie zu einem Gegenstand religiöser Hingabe zu machen, wie es z.B. in der Esoterik geschieht. Auch der verbreitete Engelskitsch und die barocken Putti sind abzulehnen, denn die biblischen Engel sind niemals „niedlich“, sondern sind mächtige Streiter in unermüdlichem Dienst für das Volk Gottes.
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„Die Engel sind geschaffene, also endliche Wesen; geistige, also persönliche und körperlose, d. h. auch ohne Körper vollständige Persönlichkeit besitzende Wesen.“ (Adolf Hoenecke)
„Die Engel sind geistige Wesen, von Gott nach seinem Bilde geschaffen, nämlich mit höchster Vollkommenheit, Weisheit, Gerechtigkeit und Heiligkeit, damit sie Gott dienen, die Auserwählten bewahren, und endlich der ewigen Seligkeit genießen.“ (Leonhard Hutter)
„Was sind denn die Engel? Sie sind ihrem Wesen nach Geister, und ohne Leib, sind auch deswegen nicht sichtbar noch begreiflich, es sei denn, dass sie sichtbare Gestalt und Leiber, auf eine Zeitlang darinnen zu erscheinen und Gottes Befehl auszurichten, angenommen haben: wie dergleichen Exempel in der Schrift Alten und Neuen Testaments unzählig viel sind.“ (Philipp J. Spener)
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Der Mensch ist weder Tier noch Engel, und das Unglück will, dass, wer einen Engel aus ihm machen will, ein Tier aus ihm macht. Platon
Fürbitten heißt: jemandem einen Engel senden. Martin Luther
Ist's etwas Großes, dass die Engel Gott loben? Nein, denn wenn wir an ihrer Stelle wären, würden wir es auch tun aber ich meine, dass Hiob auf seinem Misthaufen Gott lobte, das war etwas Großes, und dies Lob gefiel Gott besser als das Lob aller Engel. Gerhard Tersteegen
Nicht jeder, der von einem Engel erleuchtet wird, erkennt, dass er von einem Engel erleuchtet wird. Thomas von Aquin
Warum die Engel fliegen können? Sie nehmen sich leicht! Anonym
ENGELSTURZ
Es war eine große Leistung, Amerika zu entdecken, aber es wäre eine noch größere gewesen, daran vorbeizufahren. Mark Twain
Man muss auch nein sagen können. Denn es gibt Bilder, Bücher, Gespräche und Beschäftigungen, die uns (nicht äußerlich, sondern) innerlich verunreinigen und für die Gemeinschaft mit Gott untauglich machen. Dem muss man sich nicht aussetzen, sondern kann Enthaltung, Distanz und Keuschheit dagegensetzen, die nicht alles mitmacht, sondern nur, was Gott gefallen kann. Denn zum Glück ist auch das Gute infektiös. Die Berührung mit dem Reinen, kann rein machen, und das Heilige, mit dem wir uns beschäftigen, kann im Kontakt abfärben.
Am Scheideweg
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Triff eine Entscheidung, ehe die Entscheidung dich trifft. Unbekannt
Nur wer sich entscheidet existiert. Martin Luther
Wer darauf besteht, alle Faktoren zu überblicken, bevor er sich entscheidet, wird sich nie entscheiden. H. F. Amiel
Wer Gott die Entscheidung überlässt, dem gibt er immer nur das Beste. Hudson Taylor
Gott will auf der Rankingliste unserer Prioritäten den ersten Platz einnehmen – oder keinen. Und wenn wir ihm statt der Hand nur den kleinen Finger reichen, lässt er uns stehen. Denn Gott ist „absolut“. Und das Absolute nur „relativ“ wichtig zu nehmen, wäre widersinnig. Der Mensch soll darum nicht umherschweifen wie ein herrenloser Köter, der jedem nachläuft und jede Hand schleckt, die ihn füttert, sondern soll in unbedingter Treue auf Gott fokussiert sein, um in Freuden, Nöten, Hoffnungen und Ängsten alles nur von ihm zu erwarten.
ENTSCHlossenheit
Ein Mensch kann sich nicht selbst „ent–schuldigen“, sondern nur der, dem er etwas getan hat, kann ihn „ent–schuldigen“, wenn er darum gebeten wird. Wirkliche Versöhnung setzt darum einerseits die Reue des Täters voraus und andererseits die freie Einwilligung des Geschädigten. Auch Gottes Vergebung ist kein Pauschalangebot. Er vergibt die konkrete Schuld, die wir ihm gestehen. Wenn uns die Last aber gar nicht drückt, wie könnte er sie uns dann nehmen? Gott wird den Sünder nicht von seiner Sünde trennen, wenn der Sünder selbst an ihr festhält.
So ist die Welt in der Tat ein Labyrinth voller Irrungen, voll vergeblicher Mühe und voller Enttäuschungen, denn wir kennen das Nötige nicht, weil wir unsere Mühe auf die Erreichung des Unnötigen verwenden. Gott ruft uns in unserer Beschäftigung mit den vielerlei Dingen zur Besinnung auf das Wenige, was nötig ist, und zur Begegnung mit dem Einen, der gekommen ist, damit wir das Leben und volle Genüge haben! Johann Amos Comenius
Das menschliche Leben ist in weiten Teilen ein vergebliches Jagen nach vergänglichen Gütern von zweifelhaftem Wert. Doch für die Enttäuschung, die daraus resultiert, ist nicht die „Welt“ verantwortlich, sondern der Mensch, der in der Welt sucht, was nur bei Gott zu finden ist. Unseren Hunger nach Vollkommenheit, Verlässlichkeit, Wahrheit, Gerechtigkeit und Glück kann und soll die Welt nicht stillen. Das aber zu erkennen, sich von der Welt frei zu machen für Gott, und dann den Frieden nirgendwo anders zu suchen als in ihm – das ist Glaube.
Alle Entwicklung ist bis jetzt nichts weiter als ein Taumeln von einem Irrtum in den anderen. Henrik Ibsen
Manchmal gibt Er dir und entzieht dir dabei, und manchmal entzieht Er und gibt doch. Wenn Er dir beim Entzug die Pforte des Verständnisses auftut, wird der Entzug selbst zur Gabe. Ibn Ata Allah
Gott wird sich niemandes erbarmen, der sich der Menschen nicht erbarmt. Muhammad
Im Neuen Testament ist „Erbauung“ der kritische Maßstab für das, was der Christenheit nützt oder nicht nützt. Denn vieles ist möglich. Aber nur das, was Menschen zu Christus in Beziehung bringt und in Christus „eingründet“, bringt seine Gemeinde wirklich voran. H. Cremer sagt daher: „Erbauung ist die Befestigung und Förderung im Heilsbesitze, damit aus dem Menschen das werde, was er sein soll“ – nämlich ein Glied des Leibes Christi. Andere kirchliche Aktivitäten mögen noch so „gut ankommen“ – wenn sie weder aus der Glaubensbeziehung erwachsen noch auf sie hinführen, sind sie unnütz.
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Es ist ein großer Unterschied, ob man aufgeblasen oder aufgebaut wird. C. H. Spurgeon
1.
Der Begriff „Erbsünde“ ist ein unglücklich gewählter Ausdruck dafür, dass Sünde kein punktuelles, individuelles und vorübergehendes Versagen ist, sondern ein umfassendes, alles durchdringendes und dauerhaftes Verhängnis. Unvermeidlich ist die Sünde, weil wir (1.) vor allem unsere eigenen Nöte spüren, weil wir (2.) unseren Lebensbedarf Anderen streitig machen müssen und (3.) – um unsere Schwäche und Sterblichkeit wissend – in ständiger Sorge leben. Weil das für alle Menschen gilt, ist Sünde kein Merkmal, das die „bösen“ von den „guten“ unterscheiden würde, sondern der Normalzustand aller, die in diese Welt geboren werden.
2.
Wer als Sünder geboren wird, hat keine andere Wahl, als zu sündigen. Doch kann uns das nicht entschuldigen, weil wir keineswegs widerwillig, sondern willig sündigen. Wir handeln „selbstbestimmt“, insofern wir Anderes und Besseres tun könnten, wenn wir nur wollten. Was uns am Gut-Sein hindert, ist also nicht, dass wir nicht Gut-Sein „könnten“ (obwohl wir es wollen), sondern am Gut-Sein hindert uns nur, dass wir es nicht wollen (obwohl wir wissen, dass wir es wollen sollten). Der Mensch sündigt demnach aus freien Stücken. Und mehr braucht man nicht, um für die Folgen verantwortlich zu sein.
Zur Übung unseres Glaubens sind Wolken und Dunkelheit notwendig, um uns zu veranlassen, dass wir unser Vertrauen mehr auf Christus setzen als auf unsere Erfahrungen, Beweisgründe, Gemütsstimmungen und Gefühle. C. H. Spurgeon
„Wir sollten darauf achten, einer Erfahrung nur so viel Weisheit zu entnehmen, wie in ihr steckt – mehr nicht; damit wir nicht der Katze gleichen, die sich auf eine heiße Herdplatte setzte. Sie setzt sich nie wieder auf eine heiße Herdplatte – und das ist richtig; aber sie setzt sich auch nie wieder auf eine kalte.“ Mark Twain
Das ist meine allerschlimmste Erfahrung: Der Schmerz macht die meisten Menschen nicht groß, sondern klein. Christian Morgenstern
Das Leben ist eine Erfahrung, die einem Violinsolo in der Öffentlichkeit gleicht; man lernt das Instrument während des Spielens. Samuel Butler
Das Tragische an jeder Erfahrung ist, dass man sie erst macht, nachdem man sie gebraucht hätte. Friedrich Nietzsche
Die Erfahrung gleicht einer unerbittlichen Schönen. Jahre gehen vorüber, bis du sie gewinnst, und ergibt sie sich endlich, seid ihr beide alt geworden, und ihr könnt euch nicht mehr brauchen. Ludwig Börne
Die Erfahrung hat gezeigt, dass es für die Philosophie keineswegs besonders schwierig ist, anzufangen. Weit entfernt; sie fängt ja mit nichts an und kann somit jederzeit anfangen. Was hingegen der Philosophie und den Philosophen schwerfällt, ist das Aufhören. Sören Kierkegaard
Die Menschen sind nicht weise, weil sie Erfahrungen machen, sondern weil sie aus ihren Erfahrungen lernen. Anonym
Erfahrung ist ein Rüstzeug, bestehend aus Waffen, die uns verletzt haben. Aus den „Fliegenden Blättern“
Erfahrung, nicht lesen und hören ist die Sache. Es ist nicht einerlei, ob eine Idee durch das Auge oder das Ohr in die Seele kommt. G. Chr. Lichtenberg
Jedes Lebensalter ist für uns neu. Deshalb haben wir oft trotz unseren Jahren keine Erfahrung. Rochefoucauld
Leben ist eine Erfahrung, die uns ungern sterben lässt. Unbekannt
Man nützt und versteht nur solche Lebensregeln, von denen man die Erfahrungen, worauf sie ruhen, so durchgemacht, dass man die Regeln hätte selber geben können. Jean Paul
Vergeben und vergessen heißt kostbare Erfahrungen zum Fenster hinauswerfen. Arthur Schopenhauer
Eine Gewissheit, die auf Erfahrung beruht, wird nicht dadurch zweifelhaft, dass diese Erfahrung anderen Menschen fehlt. Denn es stimmt nicht, dass nur wirklich sei, was jedem Menschen jederzeit als wirklich demonstriert werden kann. Manches erfährt man nur zu bestimmten Zeiten, nur an bestimmten Orten oder nur mit besonders scharfen Augen! Auch der Glaube resultiert aus einer Erfahrung, die nicht jeder macht. Er verdankt sich nicht der Vernunft, ist aber auch nicht gegen die Vernunft, sondern bloß über der Vernunft – und daher keineswegs unvernünftig.
Der Erfolg hat viele Väter. Der Misserfolg ist eine Waise. Sprichwort
Jedermann kann für die Leiden eines Freundes Mitgefühle aufbringen. Es bedarf aber eines wirklich edlen Charakters, um sich über die Erfolge eines Freundes zu freuen. Oscar Wilde
Man müsste Gott selber sein, um Erfolge und Misserfolge unterscheiden zu können. Anton Tschechow
Zum Segen des Glücks bekennen sich nur die Unglücklichen; die Glücklichen führen alle ihre Erfolge auf Klugheit und Tüchtigkeit zurück. Jonathan Swift
„Lehre mich, o Herr, in aller Gelassenheit und kindlicher Abhängigkeit von dir leben, dass ich mit demütigem Dank empfange das, was du gibst; aber nicht ergreifen, nicht verlangen, nicht behalten wolle, was du nicht gibst oder mich behalten lässest. Oh, dass ich in deiner göttlichen Hand sein möchte wie ein weiches Wachs, das sich beugen lässt in alle nur beliebige Formen und keine andere als nur diejenige Gestalt annimmt, die sein Meister ihm gibt! Ich will so sein, wie du mich machst, und nicht anders; und ich will wohl entbehren, was du entweder nicht gibst, oder was du, nachdem du es gegeben hast, wieder wegnimmst: um nur zu ruhen in dir selbst und in deinem heiligen Wohlgefallen.“ (Gerhard Tersteegen)
„So gar sollte der Mensch Gott ergeben und gelassen sein, welches ein bloß lauter Leiden des göttlichen Willens, dass man Gott alles in sich lässt wirken, und seinem eigenen Willen absagt. Und das heißt, Gott ganz gelassen sein, nämlich, wenn der Mensch ein bloß, lauter, reines, heiliges Werkzeug Gottes und seines heiligen Willens ist, und aller göttlichen Werke, also, dass der Mensch seinen eigenen Willen nicht tue, sondern sein Wille sollte Gottes Wille sein; dass der Mensch keine eigene Liebe habe, Gott sollte seine Liebe sein; keine eigene Ehre, Gott sollte seine Ehre sein; er sollte keinen eigenen Reichtum haben, Gott sollte sein Besitz und Reichtum sein, ohne alle Kreatur- und Weltliebe. Also sollte nichts in ihm sein, leben und wirken, denn Gott ganz allein. Und das ist die höchste Unschuld, Reinigkeit und Heiligkeit des Menschen.“ (Johann Arndt)
„Ich bin nur ein schlichtes einfältiges Werkzeug. Gott tue und mache, was er will. Was er will, das will ich auch; und was er nicht will, das will ich auch nicht. Will er, dass ich es soll wissen, so will ich es wissen; will er aber nicht, so will ich auch nicht. Ich will nichts und tot sein, auf dass er in mir lebe und wirke, was er will.“ (Jakob Böhme)
„Was ist die Gelassenheit? Wann ein Mensch mit Verleugnung, Verachtung und Hintansetzung seiner selbst und alles dessen, was er sonst Liebes hat in dieser Welt, sich ledig und bloß dem heiligen Willen Gottes ergibt, dass selbiger nach seinem Wort in und mit ihm schaffe, wirke und tue, was vor ihm gefällig ist.“ (Philipp J. Spener)
Mein gnädiger Gott! gib mir und vermehre in mir den Glauben an dich und den du gesandt hast, Jesum Christum. Ohne dich bin ich nichts; du bist mein ganzes Ich. Ohne dich ist es unmöglich, dich zu kennen und zu dir zu kommen. Du hast die Schlüssel aller Erkenntnis und mit denselben den Schlüssel des Himmels in deinem Sohne und der Predigt seines Evangelii uns geschenkt. Dies lass unsere Weisheit und Kraft und Ruhm sein.
J. G. Hamann
Wenn ich nicht einen Gott glaubte, ohne dessen Willen kein Sperling vom Dache fällt, der unsere Tränen uns versprochen hat selbst abzutrocknen, – wie würde ich ohne diesen Glauben fortkommen? Ich würde hundert törichte Dinge anfangen, mich irre machen und dem großen Haufen auf der großen Straße nachlaufen; jetzt bin ich ruhig, erwarte, was mir Gott noch auflegen will, und hoffe, dass er mir die Last jedes Tages werde tragen helfen.
J. G. Hamann
Mein Sohn, gib mir dein Herz! – Da ist es, mein Gott! Du hast es verlangt, so blind, hart, felsig, verkehrt, verstockt es war. Reinige es, schaffe es neu und lass es die Werkstatt deines guten Geistes sein. Es hat mich so oft getäuscht, als es in meiner Hand war, dass ich selbiges nicht mehr für meines erkennen will. Es ist ein Leviathan, den du allein zähmen kannst – durch deine Einwohnung wird es Ruhe, Trost und Seligkeit genießen.
J. G. Hamann
Eine willige Unterwerfung unter den göttlichen Willen, und eine schuldige Aufopferung unserer eigensinnigen Wünsche ist das einzige und allgemeine Hilfsmittel gegen jeden Wechsellauf der Dinge und menschlichen Urteile, sie mögen für oder wider uns sein. Ohne sich auf Grundsätze zu verlassen, die mehrenteils auf Vorurteile unsers Zeitalters beruhen, noch selbige zu verschmähen, weil sie zu den Elementen der gegenwärtigen Welt, und unseres Zusammenhanges mit derselben gehören, ist wohl der sicherste und unerschütterlichste Grund aller Ruhe, sich mit kindlicher Einfalt an der lautern Milch des Evangelii zu begnügen, sich nach der von Gott, nicht von den Menschen, gegebenen Leuchte zu richten, die uns scheint an einem dunkeln Orte, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe; alle unsere Sorge auf den zu werfen, von dem wir die Verheißung haben, dass er für unser und der Unsrigen Schicksal sorgen werde; sich auf den einzigen Mittler und Fürsprecher zu verlassen, dessen Blut bessere Dinge redet, als des ersten Heiligen und Märtyrers Abel, und uns von dem eiteln Wandel nach väterlicher Weise erlöset hat. Hierin besteht das Alpha und Omega meiner ganzen Philosophie. Mehr weiß ich nicht und verlange ich nicht zu wissen. Trotz meiner unersättlichen Näscherei und Neugierde finde ich nirgends – aber in diesem Einzigen das wahre All und Ganze für jedermann, ohne Ansehen der Person und des Geschlechts.
J. G. Hamann
Zwischen Schöpfung und Urknall besteht ebenso wenig eine Alternative wie zwischen göttlicher Fürsorge und menschlicher Selbsterhaltung. Unser „täglich Brot“ kommt vom Bäcker und kommt doch von Gott. Denn so wie wir für unsere Arbeit Werkzeuge benutzen, so bedient sich Gott der natürlichen und kulturellen Kräfte: Sie sind Instrumente in seiner Hand, die ohne ihn unser Leben so wenig erhalten könnten, wie ein Hammer ohne Tischler einen Nagel einzuschlagen vermag.
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„Die ganze Kreatur ruft dem Menschen zu: Nimm hin die Wohltaten deines Schöpfers, die er dir durch uns gibt, diene und danke ihm täglich dafür. Der Himmel spricht: Ich gebe dir mein Tageslicht zum Arbeiten und die Finsternis zum Schlaf und zur Ruhe. Ich gebe dir den lieblichen Frühling, den warmen Sommer, den fruchtbaren Herbst und den kalten Winter – alles zu deinem Besten. Die Luft spricht: Ich gebe dir den Odem und die wunderbare Art der mancherlei Vögel. Das Wasser spricht: Ich gebe dir deinen Trank, reinige dich und gebe dir mancherlei Arten der Fische. Die Erde spricht: Ich trage dich, ich nähre dich, gebe dir Brot, Wein, Fleisch. Siehe, wie lieb dich der hat, der dich erschaffen hat und mich dir zu gut gemacht. So viele Wohltaten du empfängst, so viel bist du zum Dank verpflichtet dem Schöpfer.“ (Johann Arndt)
Nirgends strapaziert sich der Mensch mehr als bei der Jagd nach Erholung. Jean Paul
Das menschliche Herz ist ein Friedhof mit begrabenen Erinnerungen. Peter Sirius
Der Dinge, welche am meisten fürs Vergessen geeignet sind, erinnern wir uns am besten. Baltasar Gracián
Ein Schüler fragte den Rabbi: „Was ist der Mensch?“ Dieser antwortete, er solle zwei Zettel nehmen: „Auf einen Zettel schreibe ´Der Mensch ist nur Staub´. Diesen Zettel sollst du in die linke Tasche stecken. Auf dem Zettel, den du in die rechte Tasche steckst, soll stehen: ´Gottes Odem hab ich in mir´. Und nun, wenn du hochmütig zu werden drohst, fasse in die linke Tasche, und du wirst daran erinnert, dass du sterblich bist und dich nicht so wichtig nehmen darfst. Wenn du traurig bist, dann fasse in die rechte Tasche, und du wirst daran erinnert, dass Gott dein Leben will und es in seiner Einzigartigkeit kostbar ist.“
1.
Unter dem Einfluss des Heiligen Geistes sind nicht erst die Ergebnisse unseres Denkens neu, sondern schon die Voraussetzungen. Der Wandel selbst aber wird nicht etwa begründet, sondern liefert seinerseits die Begründung für vieles – wie ja auch der, der von einem mächtigen Gegner überrannt wurde, keine besonderen Gründe braucht, um am Boden zu liegen. Nicht der Christ hat eine Erkenntnis, sondern sie hat ihn. Er hat nicht sichergestellt, sondern wurde sichergestellt. Und so ist Glaube tatsächlich „Gewissheit ohne Beweis“ (Amiel).
2.
„Wahr“ sind Aussagen, die das Wirkliche korrekt abbilden, indem sie auf der Ebene der Beschreibung dem beschriebenen Sachverhalt entsprechen. Doch Wahrheit nur zu kennen, heißt noch nicht „in der Wahrheit zu sein“. Dann erst ist ein Mensch „in der Wahrheit“, wenn er der Wirklichkeit Gottes nicht bloß mit Worten und Gedanken, sondern mit seiner Person ganz und gar entspricht, so dass sein Leben insgesamt eine einzige große Entsprechung zu Gott ist. Nur dieses „Leben in der Wahrheit“ ist das „wahre Leben“ – wie wir es an Christus sehen.
3.
Ein aufgeklärter Geist vermag sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Aber ist unser Verstand ein in jeder Hinsicht kompetenter Richter? Wo man selbst sich nicht auskennt, ist gerade das Vertrauen vernünftig. Und so ist es höchst „rational“, in göttlichen Dingen weniger der eigenen Vernunft als Gottes Geist zu vertrauen. Die „Aufklärung“ durch ihn ist nicht Werk, sondern Gnade. Denn sie ist ebenso wenig ein Resultat unserer gedanklichen Tätigkeit wie unsere Rechtfertigung ein Resultat unserer moralischen Bemühungen ist.
4.
Im Christentum ist Erleuchtung kein Luxusgut für religiös Hochbegabte, sondern eine Grundvoraussetzung des Glaubens. Denn von Geburt an ist der Mensch verblendet. Gottes Offenbarung ist durchaus gegeben. Doch er kann sie mit sehenden Augen nicht sehen – und ist sogar blind für die eigene Blindheit. Wenn Gott ihn erleuchtet, sieht er alles „mit anderen Augen“ und begreift, was es wirklich bedeutet. Weder Gott noch die Welt haben sich verändert. Aber Gottes Geist hat dann uns geändert, so dass wir Gott in Christus erkennen – und somit die Strenge und Güte, mit der er uns begegnet. Wir sehen nicht nur „klar und hell“, wir werden auch „klar und hell“, reflektieren Gottes Licht und beginnen zu leuchten.
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„In der Natur des geistigen Eindringens in die Wirklichkeit liegt es, dass die Rätsel sich mehren, dass wir mit der Fackel unseres Geistes nur von Abgrund zu Abgrund zünden. In unserer wissenschaftlichen Bemühung ist die beste Antwort eine Frage, die zehn neue, in sich wieder weiterfragende Antworten hervorruft, der beste Fund der Fund eines Problems. So kommt es, dass über unserm unabsehbar gewordenen Erkenntnisbetrieb die Melancholie des ruhelosen Meeres liegt, auf dem Woge Woge verdrängt, indes das Ganze, abgründig tief, doch im Banne der Ufer bleibt, gegen die es anschlägt.“
(Joseph Bernhart)
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Was dem Herzen widerstrebt, lässt der Kopf nicht ein. Arthur Schopenhauer
All unsere Weisheit, sofern sie wirklich den Namen Weisheit verdient und wahr und zuverlässig ist, umfasst im Grunde zweierlei: die Erkenntnis Gottes und unsere Selbsterkenntnis. Johannes Calvin
Aller Eigensinn beruht darauf, dass der Wille sich an die Stelle der Erkenntnis gedrängt hat. Arthur Schopenhauer
Dass wir unvollkommen sind, wenn wir dies erkennen, kann man solch Erkenntnis schon eine Beßrung nennen. Friedrich von Logau
Demut an sich ist nichts anderes als eine schonungslose Erkenntnis und Erfahrung des eigenen Selbst in seiner Beschaffenheit. Denn wer wirklich erkennt und erfährt, wie er ist, müsste gewiss auch wirklich demütig sein. Zwei Gründe gibt es für diese Demut: der eine ist die schmutzige Erbärmlichkeit und Hinfälligkeit des Menschen, ein Zustand, in den er durch die Sünde gefallen ist und den er immer irgendwie an sich erfahren muss, solange er in diesem Leben weilt, und wäre er noch so heilig. Der andere Grund ist die überströmende Liebe und Erhabenheit des göttlichen Seins, bei dessen Betrachtung die ganze Natur erbebt, die Gelehrten sich als Narren entlarven und alle Engel und Heiligen geblendet werden; so sehr, dass ihnen ich weiß nicht was widerführe, wenn Er nicht kraft Seiner göttlichen Weisheit ihnen davon nur soviel zu erschauen gäbe, als dem Maße ihrer Befähigung durch ihre Natur und die Gnade entspricht. Die Wolke des Nichtwissens (Anonym, 14. Jh.)
Der letzte Schritt der Vernunft ist die Erkenntnis, dass es eine Unendlichkeit von Dingen gibt, die sie übersteigen. Sie ist schwach, wenn sie nicht bis zu dieser Erkenntnis vordringt. Blaise Pascal
Die Freunde nennen sich aufrichtig; die Feinde sind es: daher man ihren Tadel zur Selbsterkenntnis benutzen sollte, als eine bittre Arznei. Arthur Schopenhauer
Je mehr du weißt und je besser du’s einsiehst, desto strenger wirst du darüber gerichtet werden, wenn du nicht um so viel heiliger gelebt hast, als deine Einsicht besser war. Darum trag du den Kopf deshalb nicht höher, weil du irgendeine Kunst oder Wissenschaft besitzt. Eben dies, dass dir soviel Erkenntnis gegeben ist, soll dich mehr furchtsam als stolz machen. Denn sie ist’s eben, die dich verdammt, wenn du nicht heiliger lebst als andere, die deine Erkenntnis nicht haben. Thomas von Kempen
Was immer ein endliches Wesen begreift, ist endlich. Thomas von Aquin
„Die Erleuchtung besteht darin, dass der Heil. Geist durch das Evangelium das Herz eines Sünders mit der seligmachenden Erkenntnis der Gnade Gottes in Christo erfüllt.“ (Adolf Hoenecke)
„Die vocatio (Berufung) würde vergeblich sein, wenn nicht der h. Geist auch dahin wirkte, dass das Evangelium dem Menschen in seinem rechten Licht und in seiner rechten Bedeutsamkeit erschiene; dies ist es aber, was gleichfalls nur durch Wirkung des hl. Geistes geschehen kann, da dem natürlichen Menschen alles Geistliche eine Torheit ist, und er es nicht erkennen kann, und da vielmehr allerlei Vorurteile und Zweifel ihn an rechtem Verständnis des Geistlichen hindern. – Darum geht auch die weitere Wirkung des hl. Geistes dahin, dass er diese Torheit des natürlichen Menschen überwinde, die Zweifel und Vorurteile beseitige und eine rechte Erkenntnis und Einsicht in das Wesen und die Bedeutung des Ev. ihm beibringe. Es handelt sich da also nicht allein um eine äußere Kenntnis der christlichen Heilslehre, welche auch ohne Wirkung des hl. Geistes zu Stande kommen kann, sondern um eine innere Erkenntnis, darum also, dass dem Menschen der Sinn aufgehe für die rechte Schätzung des Evangeliums, dass alle Hindernisse beseitigt werden, welche ihm den Heilsratschluss Gottes verhüllten und dass es ihm innerlich klar werde, wie er in solchem Sünden-Elende, als die hl. Schrift sagt, sich befinde, und wie ihm eine Hilfe dafür und ein Trost in der Gnade in Christo gesetzt sei.“ (Heinrich Schmid)
„Spät habe ich dich erkannt, du wahres Licht, spät habe ich dich erkannt. Eine große und dunkle Wolke schwebte vor meinen eitlen Augen, dass ich die Sonne der Gerechtigkeit nicht schauen konnte. Mit Finsternis war ich umzogen; ein Kind der Finsternis, liebte ich meine Finsternis, weil ich vom Licht nichts wusste. Blind war ich und liebte die Blindheit; von Dunkel zu Dunkel wandelte ich. Wer hat mich von da herausgeführt, wo ich saß in Finsternis und Schatten des Todes? Wer ergriff meine Hand, mich zu erretten? Ich suchte ihn nicht, ich rief ihn nicht, aber er suchte mich, er rief mich. Wer war es doch? Du bist es gewesen, Herr mein Gott, liebreich und gnädig, ein Vater des Erbarmens und Gott alles Trostes. Du riefst mit gewaltiger Stimme von oben herab in das Ohr meines Herzens: Es werde Licht! Und es ward Licht, jene große Wolke zerstreute sich und verschwand. Ich sah dein Licht und erkannte deine Stimme und sprach: Wahrhaftig bist du, o Herr, mein Gott, du hast mich berufen zu deinem wunderbaren Licht, und siehe, ich sehe. Und ich ward bekehrt und tat einen Blick in die Finsternis, in der ich gewandelt, in den Abgrund, darin ich gelegen. Da erschrak ich und sprach mit Zittern: Wehe jener Finsternis, wehe jener Blindheit, wo ich den Himmel nicht erblicken konnte; wehe der Unwissenheit, wo ich von dir nichts wusste, o Herr. Ich danke dir, du mein Erretter, dass du mich erleuchtest hast. Spät habe ich dich erkannt, du alte Wahrheit, spät habe ich dich erkannt, du ewige Wahrheit!“
Soliloquia (Augustini)
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Gleichwie die Sonne in einem stillen Wasser gut zu sehen ist und es kräftig erwärmt, kann sie in einem bewegten, rauschenden Wasser nicht deutlich gesehen werden, auch erwärmt sie es nicht so sehr. Darum willst du auch erleuchtet und warm werden durch das Evangelium, göttliche Gnade und Wunder sehen, dass dein Herz entbrannt, erleuchtet und fröhlich werde, so gehe hin, wo du still sein und das Bild dir tief ins Herz fassen kann, da wirst du finden Wunder über Wunder! Martin Luther
In die einsame, stille, freie Gottheit trage deinen unnützen, hässlichen Seelengrund, der überwachsen ist mit Unkraut, ledig alles Guten, und voll der wilden Tiere. Gott entgegen trage deine Finsternis, die allen Lichtes entbehrt, und lass ihn dich erleuchten. Johannes Tauler
Nicht jeder, der von einem Engel erleuchtet wird, erkennt, dass er von einem Engel erleuchtet wird. Thomas von Aquin
Es ist leicht, dieser Bitte zuzustimmen, wenn man nur an das Böse denkt, das man bei anderen sieht oder von ihnen erleidet. Doch was ist mit dem Bösen, das wir in uns selbst tragen? Oft verweigern wir den Sinneswandel, ohne den sich die Bitte nicht erfüllen kann. Doch sobald der Betende die Bitte von Herzen bejaht, verneint er den Teil seiner selbst, den auch Gott verneint – und schon beginnt sich sein Wunsch zu erfüllen. Denn wer sich vom Bösen distanziert, hat den Guten zu Hilfe gerufen, der mächtiger ist, und die Erlösung ist schon im Schwange.
Sollten Christen erlöst aussehen?
1.
Selten wird der Maler zum Bild und der Töpfer zum Topf. Doch Gott wird Mensch. Der Schöpfer wird das, was er gemacht hat, damit, was er gemacht hat, nicht zugrunde geht. Er gibt der Menschheit nicht, was sie verdient, sondern gibt ihr – sich selbst. Er teilt sich der Menschheit mit, indem er ihr Leben mit ihr teilt. Er eignet sich ihr Elend an, um es zu überwinden. Er stellt sich zu den Verlorenen – und macht sie damit zu Gefundenen. Das Gewicht seiner Liebe zog Gott auf die Erde hinab! Er schlüpfte in unser Leben und durchlief all seine Stationen, um wieder herzustellen, was kaputt war und wiederzufinden, was verloren war.
2.
Das Kreuz Christi ist der Ort, an dem der gerechte Zorn Gottes und die stumpfe Verstocktheit der Menschen aufeinanderprallen. Dort trägt Christus unsere Krankheit und lädt auf sich unsere Schmerzen. Er tut’s aber nicht, um hinterher bedauert zu werden, sondern trägt unsere Last, damit wir es nicht müssen. Er blutet, um unsere Wunden zu heilen. Er geht durch die Hölle, um sie uns zu ersparen. Er stirbt, damit wir leben. Er wird gering, um uns zu erhöhen. Er zieht uns weiße Kleider der Unschuld an und lässt uns teilhaben an seiner eigenen Reinheit. So hat der Fluch, der uns galt, das Kreuz nicht überlebt. Da es aber zu unserem Trost geschah, wär’s Christus ein schlechter Lohn, wenn wir uns dessen nicht freuten.
3.
Man hat Christus nach allen Regeln der Kunst beseitigt. Doch der Tod wurde seiner nicht Herr. Gott bekannte sich zu seinem Sohn, indem er ihn auferweckte. Und aus der scheinbaren Niederlage des Kreuzes wurde so ein großer Sieg. Denn die Macht des Todes beruhte einzig und allein auf der Schuld des Menschen. Hat Christus aber stellvertretend für die Sünder ihre Strafe getragen, so ist damit ihre Rechnung beglichen, die Rechtsgrundlage des Todes entfallen – und infolgedessen wird Auferstehung nicht nur für Jesus möglich, sondern für alle, die zu ihm gehören. Das ist wunderbarer, großer Trost. Denn unter österlichem Vorzeichen stirbt nun nicht mehr der Christ, sondern, wenn’s zu Ende geht, stirbt nur noch sein Elend.
4.
Warum Gott Mensch wurde und am Kreuz starb? (1.) bestand die Notwendigkeit der Erlösung, um Gottes Plan zum Ziel zu führen. Und (2.) konnte die Erlösung nicht stattfinden, ohne dass eine entsprechende Sühne vorausging. (3.) vermochte niemand diese Sühne zu leisten außer Gott. Und (4.) sollte niemand die Sühne leisten außer dem Menschen, der den Schaden verursacht hat. Daraus folgt aber unausweichlich (5.), dass derjenige, der die Sühne wirklich leistet, Gott und Mensch zugleich sein muss (freie Bearbeitung eines Werkes des Anselm v. Canterbury).
5.
Das Heilswerk Jesu Christi umfasst seinen gesamten Lebensweg und hat mehrere Dimensionen, die eng miteinander verknüpft sind: (1.) wird er Mensch, um den Verlorenen hilfreich nahe zu kommen, (2.) offenbart er ihnen die Liebe Gottes, (3.) verbindet er sich unlöslich mit den Gläubigen, (4.) stirbt er stellvertretend für sie am Kreuz, (5.) sühnte er durch sein Opfer ihre Schuld, (6.) zahlt er das Lösegeld, um sie von allen Mächten freizukaufen, und (7.) überwindet er in der Auferstehung all ihre Feinde. Ja: „Christus erkennen bedeutet, seine Wohltaten zu erkennen!“
6.
Ein Christ kann und muss zu seiner Erlösung keinen eigenen „Beitrag“ leisten. Und das ist ein Glück. Denn sonst bliebe immer ungewiss, ob er „genug getan“ hätte. Da aber die Erlösung in keiner Weise auf dem Tun des zu Erlösenden und ausschließlich auf dem Tun des Erlösers beruht, kann der Christ seines Heiles gewiss sein. Er soll zwar vieles tun zum Wohle seiner Mitmenschen, aber nichts soll er tun zu seiner eigenen Rettung. Denn was Christus für uns tat, war keine halbe Sache.
7.
Christen erwarten das Heil von Gottes kommendem Reich. Doch ist dasselbe Heil auch schon hier und heute gegenwärtig und kann durchaus erfahren werden, weil das, was den kommenden Himmel ausmacht, die innig-versöhnte Übereinstimmung mit Gott ist. Und die beginnt nicht irgendwann „später“, sondern heute: wer im Glauben Christus „hat“, hat in und mit ihm auch schon das Heil, die Seligkeit und das Ewige Leben. Alles Wesentliche ist ihm mit dem Brot des Abendmahls in die Hand gedrückt – und er steht mit einem Bein bereits im Himmel.
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Bedenke nun deine Würde! Über Engel hat Gott dich erhoben, Engeln hat er im Geschäft deiner Erlösung Aufträge erteilt, und er selbst ist auf die Erde gekommen, um Aufträge an dich zu erfüllen und deine Erlösung zu bewirken. Der König, der Sohn des Königs, hielt Rat mit seinem Vater; und er, das ewige Wort, wurde gesendet, nahm Fleisch an, verhüllte seine Gottheit, damit Gleiches durch Gleiches gerettet werde, und gab sein Leben hin am Kreuz. So groß ist die Liebe Gottes zu den Menschen; der Unsterbliche wollte sich für sie kreuzigen lassen.
(Macarius, gest. 395)
Das Kreuz hat den Zorn Gottes gegen die Menschen getilgt, die Versöhnung bewirkt, die Erde in einen Himmel verwandelt, die Menschen mit den Engeln verbunden, die Burg des Todes zerstört, die Kraft des Teufels gebrochen, die Macht der Sünde getilgt, die Welt vom Irrtum befreit, die Wahrheit zurückgebracht, die bösen Geister verscheucht, die Götzentempel zerstört, die Tugend gepflanzt, die Kirchen gegründet. Das Kreuz ist der Wille des Vaters, die Ehre des Sohnes, die Freude des heiligen. Geistes. Das Kreuz hat die Handschrift, die gegen uns zeugte, zerrissen, den Kerker des Todes vernichtet, und uns die göttliche Liebe in vollster Klarheit gezeigt: „denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingebornen Sohn dahingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe.“ Das Kreuz hat das Paradies wieder erschlossen und das menschliche Geschlecht, das nahe daran war, verloren zu gehen, in das Himmelreich eingeführt.
(Chrysostomus, gest. 407)
Durch das Blut des Gottessohnes ward deine Seele, o Sünder! erlöst; denn alle Welten waren kein genügender Lösepreis für dich, und Erde und Meere mit allem, was in ihnen ist, war zu gering, dich loszukaufen. Selbst die Engel des Himmels übernahmen das Sterben nicht, um dir das Heil zu bringen. Den geliebten Sohn selbst gab der Vater als Lösegeld in den Tod. Er ist sein Eingeborener von Ewigkeit, und dennoch schonte der Vater seiner nicht. Den Ursprung alles Lebens überließ er um deines Lebens willen dem Tod. Ihn, vor dem der Tod erbebt, warf der Vater gefesselt dem Tod hin; und Jesus starb, damit du nicht sterbest, sondern mit ihm lebest. Und weil du nun weißt, dass durch die Menschwerdung, das Leiden und Sterben des Gottessohns der Tod hinweggenommen ist; und weil du nun weißt, dass du teuer erkauft bist mit seinem Blut; und weil du nun weißt, dass Jesus am Kreuze das Lamm Gottes ist, welches hinwegnimmt die Sünden der Welt und auch deine Sünden, so gib nicht zu, dass künftig der Tod dein Leben zerstöre, und lebe in der Liebe zu Jesus Christus, und du wirst selig werden.
(Ephraem, gest. 378)
„Gott hat unsere Sünden nicht auf uns gelegt, sondern auf seinen Sohn Christum, damit wir, indem die Strafe auf ihm läge, Frieden hätten, und wir durch seine Wunden geheilt würden (Jes. 53,5.). Darum können sie nicht durch uns hinweggenommen werden, und das bezeugt die ganze Schrift, und wir bekennen und beten es auch im christlichen Glauben, da wir sprechen: Ich glaube an Jesum Christum, Gottes Sohn, der für uns gelitten hat, gekreuzigt und gestorben ist. Hieraus ist offenbar, dass die Lehre des Evangelii, die allerlieblichste Lehre und die so überaus voll ist des reichsten Trostes, nicht predige von unseren oder des Gesetzes Werken, sondern von der unbegreiflichen und unaussprechlichen Barmherzigkeit und Liebe Gottes gegen uns unwürdige und verlorene Menschen, nämlich, dass der barmherzige Vater, da er sah, dass wir durch den Fluch des Gesetzes unterdrückt und so darunter gehalten würden, dass wir uns selbst mit unseren Kräften niemals daraus hätten befreien können, seinen eingebornen Sohn in die Welt gesandt und alle Sünden aller Menschen auf ihn gelegt habe und gesagt: Du sollst Petrus sein, der da verleugnet hat; Paulus, der da verfolgt, gelästert und Gewalt geübt hat; David, der die Ehe gebrochen hat; der Sünder, der den Apfel im Paradiese gegessen hat; der Schächer am Kreuze: kurz, du sollst die Person sein, die alle Sünden aller Menschen getan hat; gedenke also, dass du bezahlest und für sie genugtuest. Da kommt das Gesetz und spricht: Ich finde ihn als einen Sünder, und zwar einen solchen, der die Sünden aller Menschen auf sich genommen hat, und ich sehe außerdem keine Sünde als allein auf ihn, darum soll er am Kreuze sterben; und so greift es ihn an und tötet ihn. Da dies geschehen ist, ist die ganze Welt von allen Sünden gereinigt und gesühnt, also auch befreit vom Tode und von allem Übel. Nachdem nun aber Sünde und Tod durch diesen Einen Menschen hinweggenommen sind, so könnte doch Gott in der ganzen Welt, zumal wenn sie glaubte, nichts Anderes mehr sehen als lauter Reinheit und Gerechtigkeit, und wenngleich noch etliche Überbleibsel der Sünde blieben, so würde doch Gott sie nicht sehen vor jener Sonne, Christo.“ (Martin Luther)
„Gott selbst hat mit seinem Blute das menschliche Geschlecht erlöst Ap. Gesch. 20,28. Wer kann die Größe dieses Geheimnisses fassen? Der höchste Schöpfer war beleidigt, und das Geschöpf machte sich keine Sorge über die Herstellung des Friedens und über die Versöhnung. Derselbe, der beleidiget war, nimmt das Fleisch des Geschöpfes an und wird der Versöhner. Der Mensch hatte Gott verlassen, und zu dem Feinde Gottes, dem Teufel sich gewendet; aber derselbe, der verlassen war, sucht bekümmert den, der ihn verlassen hat, und ladet ihn auf das Freundlichste wieder zu sich ein. Der Mensch war von jenem unendlichen Gute gewichen und hatte sich in das unendliche Übel gestürzt, aber eben jenes unendliche Gut gibt einen unendlichen Erlösungspreis und befreit das Geschöpf von jenem unendlichen Übel. Übersteigt nicht diese unendliche Barmherzigkeit allen endlichen Verstand und Gedanken des Menschen?“ (Johann Gerhard)
„Jubellied der freigewordenen Seele
So kehre denn einwärts und lebe im Grunde,
Steig über die Sinne, hier lebet das Leben.
O selig der Geist, der dahin ist ‘kommen,
Ihm gleichet wohl keiner, wer immer er sei.
Auch ich war einst Sklave der sündlichen Torheit,
Lag übel gefangen in schimpflichen Banden,
Ich fühlte – doch ohne Errettung – die Bürde,
Die schwer auf dem sündigen Nacken mir lag.
Nun sind sie zerbrochen, die schmählichen Bande,
Nun ist es gestillet, das klagende Sehnen,
Bin frei von der Welt und dem trügenden Zauber,
Nun bin ich so reich, so erhaben, so frei!
Drum will ich die heilige Stille wohl pflegen,
Will feiern den heiligen Sabbat des Herzens,
Will meiden die blinden und törichten Menschen,
Des kindischen Wahnes verführenden Lärm.
Aus Gott ist mein Ursprung, in ihm will ich bleiben,
Dort ist meine Heimat, mein ewiges Leben,
Der Gütige, der sich uns selbst hat gegeben,
Ist Liebe und Licht und mein einziges Ziel.
O glaubt mir, Kinder: das innere Leben
Ist einzig das freie, das selige Leben;
Es lässt sich nicht schreiben, ihr müsst es erfahren,
Sonst kennt ihr die göttliche Fröhlichkeit nicht.“
(Jan van Ruisbroeck)
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Jeder von uns hat etwas Unbehauenes, Unerlöstes in sich, daran unaufhörlich zu arbeiten seine heimlichste Lebensaufgabe bleibt. Christian Morgenstern
„Wie du scheinen willst, so musst du auch sein; denn Gott richtet nicht nach dem Schein, sondern nach der Wahrheit. In Worten hüte dich vor vielem Reden, denn von jedem unnützen Wort wird das Gericht Rechenschaft fordern Matth. 12,36. Deine Werke, welcher Art sie auch immer sein mögen, vergehen nicht, sondern werden ausgestreut gleichwie Samenkörner für die Ewigkeit. Wenn du auf das Fleisch säest, so wirst du vom Fleische das Verderben ernten; wenn du auf den Geist säest, so wirst du vom Geiste das ewige Leben ernten Gal. 6,8. Die Ehren der Welt werden dir nicht folgen nach dem Tode, und die Menge des Reichtums wird dir nach dem Tode nicht folgen; die Vergnügungen werden dir nicht folgen, und die Eitelkeiten der Welt werden dir nicht folgen, aber wenn das Leben mit allen seinen Führungen zu Ende ist, werden dir alle deine Werke nachfolgen Joh. 14,13. Wie du also im Gericht sein willst, so stelle dich heute dar vor dem Angesichte Gottes. Siehe nicht auf das, was du hast, sondern siehe vielmehr auf das, was dir fehlt. Sei nicht stolz auf das, was dir gegeben ist, sondern sei vielmehr demütig um deswillen, was dir versagt ist. Lerne leben, so lange dir zu leben noch vergönnt ist. In dieser Zeit wird das ewige Leben erlangt oder verloren. Nach dem Tode ist keine Zeit mehr zum Wirken, sondern es beginnt die Zeit der Vergeltung.“ (Johann Gerhard)
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Es gibt Leute, die glauben, alles wäre vernünftig, was man mit einem ernsthaften Gesicht tut. G. Chr. Lichtenberg
Glaubst du, dass, weil du, ohne es durch Todsünde verschuldet zu haben, weder Andacht noch Ernst hast, du deshalb eben, weil du keine Andacht und keinen Ernst hast, auch Gott nicht hast, und ist dir das dann leid, so ist dies eben jetzt deine Andacht und dein Ernst. Meister Eckhart
Ich ward einmal gefragt, woher das käme, dass es guten Leuten so wohl mit Gott wäre, dass sie Gott so ernsthaft dienten? Da antwortete ich und sprach, es käme daher, dass sie Gott „geschmeckt“ hätten, und es wäre ein Wunder, wenn der Seele, die Gott nur einmal geschmeckt und gekostet hätte, je hinfort etwas anderes schmecken könnte. Ein Heiliger sagt, der Seele, die Gott geschmeckt hat, werde alles, was Gott nicht ist, zu einem stinkenden widerlichen Pestgeschmack. Meister Eckhart
König Wilhelm von England hatte eines Abends eine fröhliche und ausgelassene Runde an seinen Tisch geladen. Darunter war auch die Hofdame Frau von Stein, die wegen ihrer vornehmen Herkunft und ihrer Frömmigkeit geschätzt wurde. Der König wurde albern und spottete übermütig über Gott. „Steiny”, so nannte er die Hofdame scherzhaft, „was sagen Sie dazu?” Frau von Stein schwieg. Der König fragte nochmals, aber die Hofdame schwieg. Die Situation wurde sehr gespannt. Da fragte der König zum dritten Mal und fügte hinzu: „Ich denke doch, dass ich ein Mann bin, der einer Antwort würdig ist!” Frau von Stein blickte ihn an und sagte ernst: „Gott sagt, dass für die Spötter schreckliche Gerichte bereit sind!” - Der König sprang auf und lief erregt im Saal auf und ab. Das Mahl war unterbrochen. Niemand der Gäste wagte sich zu rühren. Da winkte der König einem Diener und gab ihm leise einen Auftrag. Nach kurzer Zeit kam der Diener zurück und brachte ein Etui. Der König entnahm dem Etui eine kostbare Kette und überreichte sie der Hofdame: „Steiny, Sie haben mir heute etwas gesagt, was mir noch niemand zu sagen gewagt hat. Ich weiß das zu würdigen, dass Sie Ihren himmlischen König höher achten als Ihren irdischen. Nehmen Sie diesen Schmuck als Erinnerung an diesen Abend!”
Und dass es mit dem Tode ernst sei, ließe sich schon daraus abnehmen, dass es mit dem Leben, wie jeder weiß, kein Spaß ist. Wir müssen wohl nichts Besseres als diese Leiden wert sein. Arthur Schopenhauer
In einem Theater brach hinter den Kulissen Feuer aus. Der Pierrot trat an die Rampe, um das Publikum davon zu unterrichten. Man glaubte, es sei ein Witz und applaudierte. Er wiederholte seine Mitteilung; man jubelte noch mehr. So, denke ich mir, wird die Welt eines Tages untergehen. Sören Kierkegaard
Großer Gott, lass meine Seele zur Reife kommen, ehe sie geerntet wird! Selma Lagerlöf
Ihr könnt keine Ernte gewinnen, wenn ihr euch fürchtet, den Boden zu umbrechen. C. H. Spurgeon
Wer Kohl pflanzt, kann keine Bohnen ernten. Bauernweisheit
1.
Gottes schöne Erde ist so reich an Gütern, dass jeder satt werden könnte. Doch ist ein rücksichtsloser Streit entbrannt, weil jeder rafft und hortet, so viel er kann. Die Cleveren machen sich die Taschen voll, die weniger Geschickten kommen unter die Räder. Doch gibt es zum großen Verteilungskampf einen christlichen Gegenentwurf, weil ein Christ im Streben nach den Gaben nie den Geber vergisst. So sehr er der Güter bedarf, wird er sie doch nie anders als im Sinne des Spenders gebrauchen. Der hat sie nicht geschaffen, um einzelne reich, sondern um alle satt zu machen. Und dementsprechend gilt es zu handeln. Denn Gott selbst ist des Christen Glück und Ziel – die Güter der Erde sind es nicht.
2.
Nichts ist verwerflich, was wir mit Danksagung empfangen und mit Vernunft gebrauchen. Darum gib deinem Körper nicht weniger, als er braucht (1.), und gib ihm nicht mehr, als ihm auf Dauer gut tut (2.). Vergiss nicht, dem Schöpfer für seine Gaben zu danken (3.), und vergiss nicht, mit den Bedürftigen zu teilen (4.). Greife nicht nach verbotenen Früchten, die einem anderen gehören (5.), und werde von keinem Genuss so abhängig, dass er dich beherrscht (6.). Ansonsten aber: Gönne dir, was dir von Gott gegönnt ist, und kaue mit vollen Backen, damit dich die zeitliche Freude stärkt und erfrischt auf deinem Weg zu Gott (7.).
Es gibt zwei Arten der Liebe, die strikt zu unterscheiden sind. Denn Eros-Liebe sucht beim anderen schon vorhandenen Wert, um in liebender Vereinigung daran teilzuhaben. Agape-Liebe hingegen verleiht durch ihre Zuwendung Wert, wo vorher keiner war. Eros-Liebe will glücklich werden. Agape-Liebe will glücklich machen. Eros begehrt, um zu besitzen. Agape hingegen verschenkt sich. Eros erlischt, wenn der Gegenstand seine Attraktivität verliert. Agape hingegen bleibt unberührt, weil sie nach Attraktivität gar nicht fragt. Nur sie ist „wahre“ Liebe!
Sich schämen zu können, ist keine Schwäche, sondern ein Merkmal, das den Menschen vor allen Tieren auszeichnet. Es ist das Bewusstsein, nicht bloß Unrecht zu tun, sondern unrecht zu sein. Doch wer dies Peinliche vor Gott eingesteht, findet Erbarmen bei dem, der in einem Akt rührender Fürsorge schon Adam und Eva mit Kleidern versorgte. Gottes Gnade kann unsere seelische Blöße bedecken, wie ein Mantel unsere Nacktheit verhüllt. Und wo wir unsere Verkehrtheit selbst verwerfen, da verwirft Gott uns nicht, sondern gibt uns Würde zurück. Er vermag die Person anzunehmen, auch wenn ihre Fehler unannehmbar bleiben.
Gott will auf der Rankingliste unserer Prioritäten den ersten Platz einnehmen – oder keinen. Und wenn wir ihm statt der Hand nur den kleinen Finger reichen, lässt er uns stehen. Denn Gott ist „absolut“. Und das Absolute nur „relativ“ wichtig zu nehmen, wäre widersinnig. Der Mensch soll darum nicht umherschweifen wie ein herrenloser Köter, der jedem nachläuft und jede Hand schleckt, die ihn füttert, sondern soll in unbedingter Treue auf Gott fokussiert sein, um in Freuden, Nöten, Hoffnungen und Ängsten alles nur von ihm zu erwarten.
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„Was fordert der Herr im ersten Gebot? Dass ich bei Verlust meines Seelenheils und meiner Seligkeit alle Abgötterei, Zauberei, abergläubische Segen, Anrufung der Heiligen oder anderer Kreaturen meiden und fliehen soll, und den einigen, wahren Gott recht erkennen, ihn allein vertrauen, in aller Demut und Geduld von ihm allein alles Gute erwarten und ihn von ganzem Herzen lieben, fürchten und ehren soll, so dass ich eher alle Kreaturen preisgebe, als in dem Geringsten wider seinen Willen handele.“ (Heidelberger Katechismus)
Wenn der andre sich mit allen seinen Fehlern, die er noch besser kennt als ich, erträgt, warum sollte ich ihn nicht ertragen? Jean Paul
Der herbste Tadel lässt sich ertragen, wenn man fühlt, dass der Tadelnde lieber loben würde. Marie von Ebner-Eschenbach
Die Leiden anderer zu ertragen, haben wir alle genug Kraft. Rochefoucauld
Eine Kunst, das Leben zu verlängern? ... Lehrt den, der es kennengelernt hat, lieber die Kunst, es zu ertragen! Ernst von Feuchtersleben
Man möge bedenken, dass man andere ertragen soll, wie man selbst ertragen zu werden wünscht. Aber das ist eben der Teufel der Menschen, dass selten jemand glaubt, dass die anderen auch etwas an ihm zu ertragen hätten. Jeremias Gotthelf
Mein ganzes Leben über kannte ich keinen Menschen, der eines andern Unglück nicht mit wahrhaftig christlicher Fassung ertragen hätte. Alexander Pope
Mit Geduld Unrecht zu ertragen, das einem anderen zugefügt wird, ist ein Zeichen der Unvollkommenheit und sogar von wirklicher Sünde. Thomas von Aquin
Nur wenige Menschen sind bescheiden genug, um zu ertragen, dass man sie richtig einschätzt. Luc de Clapier Vauvenargues
Was die Menschen gesellig macht, ist ihre Unfähigkeit, die Einsamkeit und in dieser sich selbst zu ertragen. Arthur Schopenhauer
Als Christus befahl, alle Völker zu Jüngern zu machen und sie zu taufen, hat er die Kinder davon nicht ausgenommen. Aber haben sie auch den Glauben, der nötig ist, um die Taufe anzueignen? Ja! Wer den Glauben von seinen „erwachsenen“ Äußerungen unterscheidet, kann zuversichtlich sein, dass der Hl. Geist durch das Sakrament bei Vollzug desselben auch den Glauben wirkt, der nötig ist, um das dargebotene Heil zu ergreifen. Die Taufe ist also kein Scheck, der warten muss, bis wir ihn einlösen. Sie wirkt, was sie zeigt – sie verheißt es nicht bloß!
ERWACHSEn SEIN
(Konfirmation)
1.
Bei Gott funktioniert Demokratie andersherum. Denn er ist ein König, der sich sein Volk wählt. Und er tut es nicht, weil die Erwählten etwas Besonderes wären, sondern sie sind nur deshalb etwas Besonderes, weil Gott sie erwählt. Gottes Wahl gründet in nichts anderem als in Gottes Freiheit, so dass wir als Christen nicht sind, was wir sind, weil wir uns für Gott, sondern weil er sich für uns entschieden hat. Wir verdanken unseren Glauben seiner Zuwendung zu uns. Und das ist gut so. Denn was unsere zittrigen Hände nicht halten, können sie auch nicht fallenlassen!
2.
Glaube ist nichts, wofür wir uns souverän „entscheiden“ oder was wir „tun“ könnten. Er ist aber auch nichts, was mit uns oder an uns „getan wird“ wie an unbeteiligten Objekten. Sondern wie die Sonne mich schwitzen oder die Kälte mich frieren lässt, so lässt Gott mich glauben: Der Mensch ist dabei ganz beteiligt und bewegt. Aber wo die äußere Einwirkung fehlt, kann er nicht (schwitzen, frieren) glauben - und wo sie ist, kann er es nicht lassen.
3.
Der Mensch kann tun, was er will, kann aber nicht wollen, was er wollen soll. Gefangen in der Dynamik der Sünde ist er wie ein Rad, das einen Abhang hinunterrollt, und aus eigener Kraft nicht die Richtung zu ändern vermag. Gottes gnädiges Erwählen ist darum nicht eine notwendige Bedingung der Erlösung (zu der die „freie“ Entscheidung des Menschen noch hinzutreten müsste), sondern sie ist die völlig hinreichende, keiner Ergänzung bedürftige Bedingung der Erlösung (aus der Kraft des Heiligen Geistes die positive Willensbewegung des Menschen resultiert).
4.
Gottes Ratschluss zur Erwählung ist keine so wackelige Sache, dass ihm der Mensch wieder aus den Händen rutschen könnte, wie dem Angler ein allzu glitschiger Fisch. Es ist undenkbar, dass Gottes Geist in jemandem echten Glauben wecken sollte, um ihn danach wieder gänzlich fallen zu lassen. Was Gott anfängt, bringt er auch zu Ende – und seine Zusagen täuschen niemanden. Menschen aber täuschen sich selbst. Und wenn ihr „Glaube“ nur eingebildet bzw. angemaßt war, gehen sie verloren. Doch erwählt waren sie dann nicht. Denn die, die Gott will, bekommt er auch. Und die er nicht bekommt, hat er sowenig gewollt wie sie ihn.
Lieder zum Thema: Erwählung
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„Welche den gnädigen Willen Gottes nicht von sich stoßen, sondern erkennen, mit rechtem Glauben annehmen und darin bis ans Ende beharren, die hat Gott von Ewigkeit zum ewigen Leben verordnet, aus dem menschlichen Geschlecht erwählt und beschlossen, sie zur Seligkeit zu bringen. Die aber nicht glauben oder vom Glauben wieder abweichen, die hat er nicht erwählt, sondern in ihrem sündlichen Zustand verbleiben lassen, darin sie ewig verloren werden.“ (Nikolaus Hunnius)
„Diese Erwählung ist ein unveränderlicher Vorsatz Gottes, durch den er vor der Grundlegung der Welt aus dem gesamten Menschengeschlecht, das aus der ursprünglichen Gerechtigkeit durch eigene Schuld in Sünde und Verderben gefallen war, eine bestimmte Menge von Menschen, die weder besser noch würdiger als andere sind, sondern mit ihnen in demselben Elend verkehren, aus lauter Gnade zur Seligkeit auserwählt hat – in Christus, den er auch von Ewigkeit her zum Mittler und Haupt aller Auserwählten und zu einem Fundament der Seligkeit gesetzt hat. Und damit sie durch ihn selig gemacht würden, hat er auch beschlossen, sie ihm zu geben und vollmächtig zu seiner Gemeinschaft durch sein Wort und seinen Geist zu rufen und zu ziehen, oder sie mit dem wahren Glauben an ihn zu beschenken, sie zu rechtfertigen, zu heiligen und, nachdem sie in der Gemeinschaft seines Sohnes bewahrt sind, zuletzt zu verherrlichen zur Erweisung seiner Barmherzigkeit und zum Ruhme des Reichtums seiner herrlichen Gnade. Wie geschrieben steht: Gott hat uns erwählt in Christus, ehe der Welt Grund gelegt war, dass wir sollten heilig sein und unsträflich vor ihm.“ (Lehrregel von Dordrecht)
„Aber manche sagen: „Es ist hartherzig von Gott, einige zu erwählen und andere nicht.“ Nun, ich will euch eine Frage stellen: Gibt es unter euch einige, die heilig und von neuem geboren sein möchten, die wünschen, die Sünde zu lassen und in Heiligkeit zu leben? Ja, hier ist jemand. Er sagt: „Ich möchte.“ Dann hat Gott dich erwählt. Aber ein anderer sagt: „Nein, ich mag nicht heilig sein. Ich will meine Begierden und meine Laster nicht aufgeben.“ Warum solltest du dann murren, dass Gott dich nicht dazu erwählt hat? Denn wenn du erwählt wärest, dann würde es dir deinem eigenen Bekenntnis zufolge nicht gefallen. Wenn Gott dich zur Heiligkeit erwählt hätte, würdest du sagen, das kümmere dich nicht. Gibst du nicht selber zu, dass dir Trunkenheit lieber ist als Nüchternheit und Betrug lieber als Ehrlichkeit? Du liebst die Freuden dieser Welt mehr als das Glaubensleben. Warum solltest du dann murren, dass Gott dich nicht zum Glauben erwählt hat? Wenn du den Glauben liebst, hat er dich dazu erwählt. Wenn du Glauben wünscht, hat er dich dazu erwählt. Wenn nicht, mit welchem Recht forderst du dann von Gott etwas, was du gar nicht willst? Angenommen, ich hielte etwas in meiner Hand, was du nicht wertschätzt, und ich sagte dir, dass ich es jemand anderen geben werde. Dann hättest du kein Recht zu murren, dass ich es nicht dir gab. Du kannst nicht so töricht sein und darüber murren, dass andere etwas haben, was dich nicht interessiert. Nach eurem eigenen Bekenntnis wollen viele von euch keinen Glauben, kein neues Herz und keinen aufrichtigen Geist, wollen keine Sündenvergebung und keine Heiligung. Ihr wollt gar nicht dazu erwählt sein. Warum solltet ihr dann murren? Ihr achtet diese Dinge für leer und nichtig. Warum solltet ihr euch dann über Gott beklagen, wenn er sie denen gegeben hat, die er erwählt hat? Wenn du glaubst, dass diese Dinge gut sind und du sie dir wünschst, dann sind sie für dich. Gott gibt freigiebig allen, die es wünschen. Und zuerst und vor allem bewirkt er in ihnen den Wunsch, denn sonst würden sie diese Dinge niemals wünschen. Wenn du diese Dinge liebst, hat er dich dazu erwählt und du kannst sie haben. Wenn aber nicht – wer bist du, dass du Gott Ungerechtigkeit vorwirfst, wenn es doch dein eigener unbedingter Wille ist, der dich abhält diese Dinge zu lieben und dein eigenes Ich dich veranlasst, diese Dinge zu hassen? Angenommen, ein Mann auf der Straße sagt: Welche Schande, dass ich keinen Sitzplatz in der Gemeinde habe, um zu hören, was dieser Mann zu sagen hat. Und stell dir vor, er fährt fort: Ich hasse den Prediger. Ich kann seine Lehre nicht ertragen, aber es ist trotzdem eine Schande, dass ich keinen Sitzplatz habe. Würdet ihr erwarten, dass jemand so redet? Nein. Ihr würdet sofort sagen: Diesem Mann liegt nichts daran. Warum sollte er sich darüber ärgern, dass andere Leute etwas haben, was sie schätzen, er aber verachtet? Du magst keine Heiligkeit, du magst keine Gerechtigkeit. Wenn Gott mich für diese Dinge erwählt hat, hat er dich dann verletzt? (…). Wenn jemand von euch gern durch Jesus Christus errettet werden möchte, dann hat Jesus Christus dich zur Rettung erwählt. Wenn sich einige von euch das Heil wünschen, seid ihr dazu erwählt, wenn du es ernstlich und aufrichtig möchtest. Aber wenn du es nicht möchtest, warum in aller Welt solltest du dann so lächerlich töricht sein und murren, weil Gott das, was du nicht haben möchtest, anderen gibt?“ (Charles H. Spurgeon)
1.
„Erziehung in Liebe“ bedeutet nicht, dass man dem Kind seinen Willen lässt, sondern dass man die Konflikte aushält, die nötig sind, um das Kind auf das ihm bestimmte Ziel hin zu fördern: Es soll sein Leben in Verantwortung vor Gott bestehen. Und Herzensbildung ist dafür wichtiger als alles andere. Sie stößt auf Widerstände, weil Sünder keine „kleinen Engel“ zeugen, sondern Kinder, die ihnen gleichen. Die Liebe muss darum bedingungslos und gegen Enttäuschungen resistent sein. Die Bestimmung des Kindes ist aber nicht, ein Ebenbild der Eltern, sondern ein Ebenbild Gottes zu werden. Ihm darin „Anschauungsunterricht“ zu geben, schulden wir dem Kind – und dem Schöpfer, der es uns anvertraut hat „zu treuen Händen“.
2.
Die Naivität der Kinder ist nicht zu idealisieren oder zu fördern. Denn ein unrealistisches Bild vom „lieben Gott“ wird später auf dem Müllhaufen landen, auf dem schon das Einhorn und die Zahnfee liegen. Ein Vorbild sind Kinder aber, insofern sie mit dem Klein-Sein kein Problem haben, es normal finden, wenn vieles ihren Horizont übersteigt, und sich unbefangen auf ihre Eltern verlassen. Nicht das Defizitäre am Kind ist „vorbildlich“, sondern seine Bereitschaft, hinsichtlich seiner Defizite auf die guten Mächte zu vertrauen, die ihm überlegen sind!
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Wisst ihr, welchen Reichtum Gott den Kindern zu bereiten befiehlt? Nicht Goldschätze, nicht Geldsäcke, nicht stolze Wohnungen, nicht hohe Burgen und Schlösser, nicht ausgedehnte Landgüter; das befiehlt Gott nicht, er beschränkt die Sorge der Elternliebe nicht auf knechtische Pflichten irdischen Haushalts. Wenig ist, was er befiehlt, aber das wenige ist heilsam; leicht ist‘s, aber heilig, klein dem Worte nach, aber groß dem Nutzen nach, kurz in der Schrift, aber ewig in Bezug auf die Seligkeit. Er sagte: „Ihr Väter, erbittert eure Kinder nicht, sondern erzieht sie in den Lehren der Zucht des Herrn“ (Eph. 6,14.), „damit sie auf Gott ihre Hoffnung setzen und nach seinen Geboten fragen, und nicht vergessen der Werke ihres Gottes“ (Ps. 77,7.). Seht, welche Schätze er den Kindern hinterlegt haben will, seht, welche Reichtümer er liebt, seht, welches Vermögen er für die Kinder zu erwerben befiehlt. Glaube, Furcht Gottes, Bescheidenheit, Heiligkeit des Lebens, Zucht, nicht Irdisches, nicht Mangelhaftes, nicht Vergängliches, nicht Hinfälliges. Und dies mit Recht; denn da er ein Gott der Lebendigen ist, nicht der Toten, so befahl er billig, den Kindern jene Güter zu erwerben, durch welche sie ewig leben, nicht solche, durch welche sie ewig sterben würden. Was mühst du dich also ab, väterliche Liebe? Was quälst du dich, irdische und vergängliche Güter zusammen zu häufen? Du kannst deinen Kindern nichts Größeres leisten, als wenn sie durch dich das Gut haben, welches sie niemals verlieren.
(Salvianus, gest. im 5. Jh.)
Wir tun alles, das Landgut ergiebig zu machen, wir übergeben es einem zuverlässigen Mann und sehen uns nach einem tüchtigen Verwalter um. Was uns aber das Kostbarste ist, nämlich unsern Sohn, einem Mann anzuvertrauen, der für seine Reinheit Sorge tragen könnte, das vernachlässigen wir. Wir sorgen für Landgüter, welche den Kindern übergeben werden sollen, für sie selbst aber sorgen wir nicht. Bilde zuerst die Seele deines Sohnes, das andere wird sich hernach schon finden; denn ist seine Seele nicht gut, so wird ihm der Reichtum nichts nützen, ist seine Seele aber gut, so wird er durch die Armut nicht verletzt werden. Du willst ihn im Reichtum zurücklassen? Gut? Lehre ihn tugendhaft sein. Denn so wird er seine Habe vermehren können; und wenn er sie auch nicht vermehrt, so wird er doch nicht schlechter daran sein als jene, welche ein sehr großes Vermögen besitzen. Wenn er aber gottlos ist, so hast du, wenn du ihm auch unzählige Güter hinterlassen, ihn unglücklicher gemacht, als jene sind, welche in der äußersten Armut leben. Denn für Kinder, die nicht gut erzogen sind, ist Armut besser als Reichtum. Die Armut hält sie selbst gegen ihren Willen bei der Tugend, der Reichtum aber lässt sie, wenn sie auch wollen, nicht mäßig sein.
(Chrysostomus, gest. 407)
Viele Väter geben sich zwar alle erdenkliche Mühe, ihrem Sohn ein gutes Pferd, ein schönes Haus, ein wertvolles Landgut zu verschaffen, aber dass er eine edle Seele und fromme Gesinnung erhalte, darum kümmern sie sich gar wenig. Und das ist es eben, was die ganze Welt in Unordnung bringt, dass wir nämlich unsere Kinder nicht gehörig erziehen und nur für ihr Vermögen und nicht für ihre Seele sorgen. Das ist offenbar die größte Torheit. Denn wenn das Vermögen auch noch so groß und bedeutend, derjenige aber, der es verwalten soll, nicht tugendhaft und rechtschaffen ist, so ist es so gut als für verloren zu achten, ja einem bösen Menschen schadet sein Vermögen sogar und bringt ihn noch sicherer und tiefer in die Hölle. Ist aber die Seele edel und tugendhaft, so wird auch der Ärmste glücklich sein. Jeder wird für die Sorge um das Heil seiner Kinder verantwortlich sein. Gott wird zu jedem Hausvater sprechen: „Habe ich nicht vom Anfange das Kind in dein Haus gegeben? Habe ich dich nicht zu seinem Lehrer, Erzieher, Pfleger und Gebieter bestellt? Habe ich nicht alle Gewalt über dasselbe in deine Hände gelegt? Als es noch zart war, übergab ich es dir, auf dass du es bildetest und ordnetest. Welche Vergebung kannst du hoffen, wenn du es versäumst?“
(Chrysostomus, gest. 407)
Nichts ist kälter als ein Lehrer, der nur mit Worten weise ist; denn dies ist nicht Sache eines Lehrers, sondern eines Schauspielers. Darum lehrten die Apostel zuerst durch Beispiele und dann durch Worte; ja sie hatten die Worte gar nicht nötig, da ihre Werke selbst so laut sprachen.
(Chrysostomus, gest. 407)
Die Werke der Eltern sind die Bücher, aus welchen die Kinder lernen. Die Zunge, die Lippen der Eltern sind eben so viele Lehrbücher, aus welchen die Kinder sich unterrichten.
(Chrysostomus, gest. 407)
Das Auge des Kindes merkt auf das Leben der Eltern, und wenn es diese vom Gesetze Gottes abweichen sieht, so denkt es bei sich: Wenn mein Vater, wenn meine Mutter so lebt, wer bin denn ich, dass ich nicht auch so tun dürfte, wie sie tun? So töten leichtfertige Eltern, so viel an ihnen ist, die Seelen der Kinder, vor deren Augen sie sündigen.
(Origines, gest. 253)
Jene Stimme dringt besser in die Herzen der Hörenden, welche durch das Leben des Redenden unterstützt wird, weil, was er mit Worten verlangt, er durch die Tat zeigt, dass man es tun kann.
(Gregorius)
Wenn unsern Pädagogen ihre Absicht gelingt, ich meine, wenn sie es dahin bringen können, dass sich die Kinder ganz unter ihrem Einfluss bilden, so werden wir keinen einzigen recht großen Mann mehr bekommen. G. Chr. Lichtenberg
Bevor ich heiratete, hatte ich sechs Theorien über Kindererziehung. Jetzt habe ich sechs Kinder und keine Theorie. John Wilmot
Der modische Irrtum ist, dass wir durch Erziehung jemand etwas geben können, das wir nicht haben. G. K. Chesterton
Erziehen heißt den Kampf gegen sich selbst in seinen Kindern weiterkämpfen. Aus den „Fliegenden Blättern“
Erziehung ist Beispiel und Liebe, sonst nichts. Friedrich Fröbel
Gute Erziehung hat einen schrecklichen Nachteil: sie schließt einen von vielem aus. Oscar Wilde
Wer die Pflichten eines Vaters nicht erfüllen kann, hat kein Recht, es zu werden. Weder Armut noch Arbeit noch menschliche Rücksichten können ihn davon entbinden, seine Kinder zu ernähren und selber zu erziehen. Leser, du darfst mir hierin wahrlich Glauben schenken: Wer ein Herz hat und diese heiligen Pflichten versäumt, dem prophezeie ich, dass er einst bittere Tränen über seine Schuld vergießen und in alle Ewigkeit keinen Trost finden wird. Jean-Jacques Rousseau
Da Christus Menschen erziehen wollte, musste er Mensch werden. Wollen wir Kinder erziehen, so müssen wir auch mit ihnen Kinder werden. Martin Luther
Vieles wirst du geben, wenn du auch gar nichts gibst als nur das gute Beispiel. Seneca
Christen erwarten das Heil von Gottes kommendem Reich. Doch ist dasselbe Heil auch schon hier und heute gegenwärtig und kann durchaus erfahren werden, weil das, was den kommenden Himmel ausmacht, die innig-versöhnte Übereinstimmung mit Gott ist. Und die beginnt nicht irgendwann „später“, sondern heute: wer im Glauben Christus „hat“, hat in und mit ihm auch schon das Heil, die Seligkeit und das Ewige Leben. Alles Wesentliche ist ihm mit dem Brot des Abendmahls in die Hand gedrückt – und er steht mit einem Bein bereits im Himmel.
Essen ist ein erstaunlicher Vorgang, durch den ein Körper in einem anderen untergeht, in ihm verschwindet, sich in ihm auflöst, ihn stärkt – und zuletzt nicht mehr von ihm unterschieden werden kann. Und genau darum will uns Jesus im Abendmahl Gastgeber und Speise zugleich sein, um in uns einzugehen und aufzugehen. Er will sich mit uns bis zur Ununterscheidbarkeit vereinen, denn während wir uns den Leib Christi in Form des Brotes einverleiben in unseren Leib, werden wir von Christus einverleibt in seinen Leib – die Kirche.
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Der englische Staatsmann Oliver Cromwell (1599-1658) sprach einmal folgendes Tischgebet: „Manche haben Hunger, aber nichts zu essen. Andere haben Speise, aber keinen Hunger. Ich habe beides. Der Name des Herrn sei gelobt!“
Der wirklich freie Mann ist der, der eine Einladung zum Essen ausschlagen kann, ohne dafür einen Vorwand angeben zu müssen. Renard
Diogenes lebte als Philosoph ein einfaches Leben. Eines Abends saß er vor seiner Tonne und aß zum Abendbrot Linsen. Sein Philosophenkollege Aristippos, der am Hofe ein angenehmes Leben führte, weil er dem König nach dem Munde redete, sagte zu Diogenes: „Wenn du lernen könntest, dem König gegenüber unterwürfig zu sein, müsstest du nicht solchen Abfall wie Linsen essen.” Darauf entgegnete Diogenes: „Wenn du lernen könntest, mit Linsen auszukommen, brauchtest du nicht dem König zu schmeicheln!“
1.
Christliche Ethik gibt es nicht deshalb, weil unser Handeln ganz viel an der Welt ändern könnte, sondern weil Gottes Handeln in Christus die Welt längst geändert hat – und sich dies in einem der neue Situation angemessenen menschlichen Handeln niederschlagen muss. Es geht nicht um eine Wirklichkeit, die wir durch gutes Tun schaffen, sondern um die Wirklichkeit, der wir durch gutes Tun entsprechen. Da in Christus die Zeit des Heils anbrach, gilt es nun mit der Zeit zu gehen und heilvoll zu handeln. Wir sind befreit, müssen aber noch beginnen, wie Freie zu leben.
2.
Je nachdem, von welchem Glaubenssatz oder biblischem Thema die christliche Ethik ihren Ausgang nimmt, wird sie sich verschieden gestalten. Sie kann orientiert sein an (1.) Schöpfungstheologie, (2.) Schöpfungsordnungen, (3.) Gottebenbildlichkeit, (4.) Gesetz des Alten Testamentes, (5.) Goldenen Regel, (6.) Bergpredigt, (7.) Nachfolge, (8.) Liebe, (9.) Rechtfertigung, (10.) Menschwerdung, (11.) Eschatologie, (12.) Askese, (13.) „WWJD?“. Jeder dieser ethischen Ansätze hat seine Stärken und Schwächen. Einen echten Gegensatz gibt zwischen ihnen aber nicht.
3.
Aus Gottes Eigenschaften ergeben sich auf Seiten der Gläubigen entsprechende Tugenden: 1. Allmacht / Allgegenwart - Verantwortung / Haushalterschaft 2. Autorität / Gerechtigkeit - Einwilligung / Gehorsam 3. Weisheit / Wahrhaftigkeit - Wahrhaftigkeit / Zeugnis 4. Strenge / Allwissenheit - Demut / Dienstbereitschaft 5. Güte / Barmherzigkeit - Barmherzigkeit / Nächstenliebe 6. Heiligkeit / Vollkommenheit - Heiligung / Enthaltung 7. Unveränderlichkeit / Treue - Zuversicht / Resistenz.
4.
Oft wird das „natürliche“ Verhalten wie selbstverständlich als normal, gut und ethisch berechtigt angesehen. Doch muss einer Idealisierung der Natur widersprochen werden. Aus der Beschreibung eines „natürlichen“ Sachverhalts folgt weder, dass die Dinge so bleiben sollen, noch, dass sie geändert werden müssen. Und der gefallenen Schöpfung ist auch nicht mehr zu entnehmen, wie Gott sie ursprünglich gemeint hat. In ihr erscheint vieles „normal“, was keineswegs „gut“ ist. Und für ethische Klarheit sorgt dann nur Gottes Wort.
5.
Die Aufklärung versprach, der Mensch würde besser, wenn er sich nur endlich frei seines Verstandes zu bedienen lernte – mit der Einsicht käme auch Tugend. Doch war das leider ein Irrtum. Denn die Vernunft lässt sich bereitwillig auch für Böses einspannen. Und da die Natur nichts fordert, bleibt als Ursprung der ethischen Forderung dann nur die Person des lebendigen Gottes übrig. Sein Wille ist tatsächlich die Quelle eines verpflichtenden Sollens. Wer ihn leugnet, ist aber auf schreckliche Weise frei. Denn „wenn es keinen Gott gibt, ist alles erlaubt“ (Dostojewski).
6.
Der Mensch könnte nicht „gut“ sein, wenn’s nicht die gute Seite gäbe, auf die er sich stellt, und die gute Sache, die er zu „seiner“ Sache macht. Aber gibt es – jenseits dessen, was sich gerade für diesen oder jenen „gut anfühlt“ – ein objektiv Gutes? Unsere Vernunft findet dazu keinen Zugang. Und so ist es Gott allein, der uns zum Guten verpflichten kann, weil er (1.) als Schöpfer das Recht hat, seiner Schöpfung eine Richtung vorzugeben und (2.) in eigener Person das „höchste Gut“ ist. An seinem Willen muss sich orientieren, wer „zu etwas gut“ sein will. Denn wer möchte schon mit der Vorstellung leben, etwas von dem zu sein, was besser nicht wäre?
7.
Die Gnade Jesu Christi entmachtet das Gesetz als „Strafordnung“, die dem Sünder zum Verhängnis wird. Doch als Gottes gute Weisung bleibt das Gesetz in Kraft und dient der Christenheit als „Riegel“, „Spiegel“ und „Regel“. Durch Christi Opfer am Kreuz ist das Zeremonial- und Ritualgesetz des Alten Testaments obsolet geworden. Und Christi Lehre hat auch die Reinheits- und Speisegebote antiquiert. Doch das in den Zehn Geboten konzentrierte Moralgesetz bleibt in Geltung. So muss einer, um Christ zu sein, nicht erst Jude werden – muss sich aber dem beugen, was der Schöpfer (nicht speziell den Juden, sondern) allen Menschen geboten hat.
8.
Wer Ziele verfolgt und auf einen Gegenstand trifft, der diese Ziele fördern kann, spricht ihm „Wert“ zu. Weil aber ein anderer Betrachter dasselbe Ding nicht brauchen kann, gilt das Werturteil des ersten nur relativ und verrät mehr über seine subjektiven Bedürfnisse als über den Gegenstand. Gibt es also keinen „objektiven Wert“? Doch. Denn tatsächlich ist Gott die Person, an deren Absichten sich aller Wert bemisst. Und alles ist genau so viel wert, wie Gott davon hält. Denn sein Wille ist „maßgeblich“ im strikten Sinne des Wortes. Er setzt Werte, wo vorher keine waren. So gibt es tatsächlich keinen „Wert an sich“. Es gibt ihn nur in Bezug auf eine wertschätzende Person. Das sind aber nicht wir, sondern die maßgebliche Person ist Gott.
9.
„Pflicht“ bedeutet, dass wir etwas nicht unterlassen können, ohne uns einem Vorwurf auszusetzen. Und sie ist unbeliebt, weil wir es vorziehen, unsren Neigungen zu folgen. Doch die Pflicht, die uns Gott im Evangelium auferlegt, ist erstaunlicherweise in unsrem eigenen Interesse. Wir sollen nach dem Reich Gottes trachten, um in das Reich einzugehen, und sollen dem guten Hirten folgen, damit er uns schützen kann. Gott fordert nur das, was uns Gott näher bringt. Und so kommt das, was der Mensch will, und das, was er soll, vollkommen zur Deckung. Gottes Barmherzigkeit macht uns zur Pflicht, was wir uns bei klarem Verstand auch wünschen müssen. Und so soll uns das Beste auch immer das Liebste sein.
10.
Es ist ein schlimmes Zerrbild, wenn das Christ-Sein wie eine Zwangsjacke wirkt. Denn es beruht ja auf dem Glauben – auf der Einsicht, dass nichts über Gott geht. Und aus der folgt ganz von selbst ein gutes Leben ohne krampfhaftes Bemühen. Denn der Glaube macht sich Gottes Sichtweise zu eigen und will aus innerer Überzeugung das gottgefällige Gute, weil ihm das als gut erkannte auch allemal am liebsten ist. Er kann am Bösen nichts mehr „gut finden“ und braucht darum keinen äußeren Zwang, um es zu lassen. Es geht ihm einfach gegen die christliche Natur. Und an so einem ungezwungenen Gehorsam findet Christus mehr Gefallen als an der mürrischen „Selbstüberwindung“ des Uneinsichtigen.
Lieder zum Thema: Christliche Ethik
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„Gut ist das geschichtliche Handeln, das die gegebene konkrete Wirklichkeit begründet und gehalten sieht durch die Wirklichkeit der Menschwerdung Gottes, das heißt das die Welt so Welt sein lässt, dass es niemals vergisst, dass Gott auf diese Welt seinen Anspruch erhoben hat, indem er sie liebte, richtete, versöhnte. Es geht um ein durch und durch weltliches Handeln, ja um das einzige wirklich echte weltliche Handeln, das nur dort geschehen kann, wo das Wesen dieser Welt erkannt ist. Gut ist das geschichtliche Handeln, das aus der Mitte der Geschichte, aus dem Ereignis der Menschwerdung Gottes, die Gesetze des geschichtlichen Handelns empfängt. Wenn es wahr ist, dass Gott Mensch wurde in Jesus Christus, wenn Gott in die Geschichte einging, so dass er geboren wurde zur Zeit des Kaisers Augustus, da Cyrenius Landpfleger in Syrien war, dass er ein Mann war zur Zeit des Kaisers Tiberius und gekreuzigt wurde unter Pontius Pilatus, dann muss sich uns hier das Wesen der Geschichte überhaupt enthüllen. Jesus Christus ist dann die einzige Quelle, aus der Erkenntnis über Wesen und Gesetz der Geschichte, wie sie von Gott her gedacht und gewollt ist, hervorgeht. Gut ist das der Wirklichkeit Jesu Christi gemäße Handeln, christusgemäßes Handeln ist wirklichkeitsgemäßes Handeln.“
(Dietrich Bonhoeffer)
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Wenn jemand Gutes von dir denkt, dann bemühe dich, dass er recht hat! Ali
Wenn jemand schlecht über Dich redet, dann lebe so, dass niemand es glaubt. Unbekannt
1.
Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab – und d.h. nicht auf eine andere, irgendwie beliebige Weise, und auch nicht so, dass wir uns aussuchen könnten, welche Gestalt Gottes Liebe für uns annehmen soll. Im Sohn streckt der Vater jedem Sünder die Hand entgegen. Jeder darf zu Christus kommen. Und keiner, der kommt, wird abgewiesen! Aber Gott hat für das eine Problem nicht fünf verschiedene Lösungen im Angebot. Und wer ihm seine Güte nicht abnimmt, geht verloren, weil er mutwillig einen anderen Weg wählt, als ihm Gottes Liebe gewiesen hat. Wer sich dieser Liebe entzieht, steht infolgedessen ohne da. Die Gläubigen aber haben das Heil schon genau in dem Maße, wie Christus sie hat und besitzt.
2.
Eine heilvolle Beziehung zwischen Gott und Mensch kommt nicht dadurch zustande, dass der Mensch sie wünscht, sondern dadurch, dass Gott ihn in diese Beziehung beruft. Er tut das äußerlich durch das verkündigte Evangelium und innerlich durch den Heiligen Geist. Und wer diesem Ruf folgend zu Christus kommt, den wird er nicht hinausstoßen. Ein „unverbindliches Angebot“ ist das aber nicht. Denn die übermittelte Botschaft berechtigt uns nicht bloß, sondern verpflichtet uns auch, der Berufung zu folgen. Gott stellt sein freundliches Berufen nicht zur Diskussion, sondern fordert unseren Gehorsam.
3.
Die gute Nachricht des Neue Testaments besteht darin, dass Christus ein Problem löst, das Menschen mit Gott haben. Doch neuerdings wird der Akzent sehr verschoben und mancher predigt, als bestünde Erlösung nicht darin, dass Christus uns mit Gott, sondern dass er uns mit uns selbst versöhnt. Jesus ging aber nicht ans Kreuz, damit wir uns selbst gnädig sind. Und er lehrte auch seine Jünger nicht, sich selbst zu lieben, sondern sich selbst zu hassen (Lk 14,26), denn niemand kann den guten Gott lieben, ohne das Böse in sich selbst zu verdammen.
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„Alles Wort Gottes, welches den Übertretern des Gesetzes Huld und Gnade Gottes anbietet und von Christo, seinem Werk und Wohltaten redet, ist das Evangelium, welches den Zweck hat, in dem Sünder den Glauben zu wirken und ihn also der Vergebung der Sünden und des ewigen Lebens teilhaftig zu machen.“ (Adolf Hoenecke)
„Das Evangelium ist die von Gott geoffenbarte Lehre, welche voll ist von Trost wegen der Barmherzigkeit Gottes, und der Vergebung der Sünden aus Gnaden durch und wegen des Verdienstes Christi, sobald es der Glaube ergreift.“ (Leonhard Hutter)
„Was ist das Evangelium? Die Lehre von der Gnade Jesu Christi, welcher das Gesetz zu unserer Seligkeit für uns erfüllet hat, und noch in uns erfüllet: wie auch die Lehre von dem Glauben, durch welchen wir dieser Gnade teilhaftig werden, und den verordneten Glaubensmitteln.“ (Philipp J. Spener)
„Hier ist der erste und Hauptartikel: Dass Jesus Christus, unser Gott und Herr, „um unserer Sünden willen gestorben und um unserer Gerechtigkeit willen auferstanden“ sei (Röm 4,25), und er allein „das Lamm Gottes ist, welches der Welt Sünde trägt“ (Joh 1,29), und „Gott unser aller Sünde auf ihn gelegt hat“ (Jes 53,6), ferner: „Sie sind allzumal Sünder und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung Jesu Christi in seinem Blut“ etc. (Röm 3,23-25). Dieweil nun solches geglaubt werden muss und sonst mit keinem Werk, Gesetz noch Verdienst erlangt oder gefasst werden kann, so ist es klar und gewiss, dass allein solcher Glaube uns gerecht mache, wie Röm 3,28 St. Paulus spricht: „Wir halten dafür, dass der Mensch gerecht werde, ohne Werke des Gesetzes durch den Glauben“, ferner: „Auf dass er allein gerecht sei und gerecht mache den, der da ist des Glaubens an Jesus“ (Röm 3,26). Von diesem Artikel kann man nicht weichen oder nachgeben, es falle Himmel und Erde oder was nicht bleiben will; denn es „ist kein anderer Name den Menschen gegeben, dadurch wir können selig werden“, spricht St. Petrus (Apg 4,12). „Und durch seine Wunden sind wir geheilt“ (Jes 53,5). Und auf diesem Artikel steht alles, was wir wider den Papst, Teufel und Welt lehren und leben. Darum müssen wir dessen ganz gewiss sein und nicht zweifeln. Sonst ist's alles verloren und behält Papst und Teufel und alles wider uns Sieg und Recht.“ (Martin Luther)
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Das Evangelium kann nicht ohne Humor gepredigt werden. Martin Luther
Der ganze Mensch muss in das Evangelium kriechen und dort neu werden, die alte Haut ausziehen, wie die Schlange es tut. Wenn ihre Haut alt wird, sucht sie ein enges Loch im Felsen. Da kriecht sie durch und zieht ihre Haut selbst ab und lässt sie draußen vor dem Loch. So muss der Mensch auch in das Evangelium und in Gottes Wort sich begeben und getrost folgen seiner Zusage; es wird nicht trügen. So zieht er ab seine alte Haut, lässt draußen sein Licht, seinen Dünkel, seinen Willen, seine Liebe, seine Lust, sein Reden, sein Wirken. Und wird also ein ganz anderer, neuer Mensch, der alles anders ansieht als vorhin, anders richtet, anders urteilt, anders denkt, anders will, anders redet, anders liebt, anders lüstet, anders wirkt und fährt als vorhin! Martin Luther
Ein berühmter Kunsthistoriker unserer Tage sagte in seiner herablassend ästhetischen Weise zu Troeltsch: „Ich muss Ihnen erzählen: ich habe neulich das Matthäus-Evangelium gelesen; da ist doch manches Beachtenswerte darin.“ Troeltsch erwiderte fröhlich: „O, Herr Kollege, wie wird sich darüber der liebe Gott gefreut haben!“ Euthymius Haas
Ein Bischof, der am Evangelium festhält, kann zwar getötet werden, aber niemand kann ihn besiegen. Cyprian
Gleichwie die Sonne in einem stillen Wasser gut zu sehen ist und es kräftig erwärmt, kann sie in einem bewegten, rauschenden Wasser nicht deutlich gesehen werden, auch erwärmt sie es nicht so sehr. Darum willst du auch erleuchtet und warm werden durch das Evangelium, göttliche Gnade und Wunder sehen, dass dein Herz entbrannt, erleuchtet und fröhlich werde, so gehe hin, wo du still sein und das Bild dir tief ins Herz fassen kann, da wirst du finden Wunder über Wunder! Martin Luther
Verkündige das Evangelium. Wenn nötig, nimm Worte dazu. Franz von Assisi
Wir müssen das Evangelium nicht lesen wie ein Notar ein Testament liest, sondern so, wie es der rechtmäßige Erbe liest. Der Erbe: Er sagt sich bei jedem Satz voller Freude und Jubel: Das ist für mich, das ist alles für mich. Isaac Newton
Ob das Gesetz dem Evangelium vorausgeht oder ihm nachfolgt, hängt vom Standpunkt der Betrachtung ab: Der Sünder erfährt das Gesetz als verdammende Zwangsordnung, vor der er zum Evangelium hin flieht. Der Gerechtfertigte hingegen, der vom Evangelium herkommt, erlebt es als gute Lebensregel, die ihn in der Nachfolge leitet. Das Gesetz nimmt dabei verschiedene Gestalt an, obwohl es sich inhaltlich nicht ändert. Es muss aber in beiderlei Hinsicht gepredigt werden, weil ohne den Zusammenhang mit dem Gesetz auch das Evangelium nicht so verstanden werden kann, wie es im Neuen Testament gemeint ist.
EWIGES LEBEN, EWIGKEITSSONNTAG
1.
Mit dem Tod endet nur unseres Lebens erster Teil, denn nach der Auferstehung und dem Jüngsten Gericht werden die Gläubigen gereinigt, runderneuert und vollendet in Gottes Reich eingehen. „Herrlichkeit“ wird dafür ein viel zu kleines Wort sein! Doch sollte man sich den Himmel nicht zu sehr in Kategorien des Konsums vorstellen. Unsere Seligkeit wird nicht darin bestehen, dies und jenes zu genießen (im Sinne eines Schlaraffenlandes), sondern dass wir Gott schauen und Gott genießen. Seine Nähe wird uns beglücken und wir werden Gottes voll sein.
2.
Für einen Christen ist der Tod der ultimative Ruhestand, den er bei Gott verbringen darf. Und das irdische Getümmel zu verlassen, in dem sich alle von Gier und Angst getrieben um ein bisschen Glück raufen, muss ihn nicht sehr betrüben. Denn er macht einen guten Tausch. Man nennt ihn „entschlafen“, aber in Wahrheit ist er aufgewacht. Man meint, er hätte alles verloren, dabei hat er alles gewonnen. Man weint um ihn, er aber hat gut lachen: Gott hat ihn aus der irdischen Bedrängnis herausgeholt und in die himmlische Freiheit entlassen. Und deshalb muss man ihn wahrlich nicht bedauern. Oder beweint man jemand, der das Ziel seines Weges glücklich erreicht hat? Gratuliert man ihm nicht eher?
Lieder zum Thema: Neuschöpfung und ewiges Leben
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„Unter dem ewigen Leben versteht die Schrift dies, dass Gott, das höchste Gut, unaufhörlich und ununterbrochen, in vollkommenster Weise alles in allem denen ist, die als bis zum Ende im Glauben beharrende von Christo im Jüngsten Gericht als die Seinen anerkannt sind.“ (Adolf Hoenecke)
„Die Auserwählten werden, durch die Herrlichkeit der Auferstehung erneuert, ohne alle Furcht des Todes, ohne allen Makel des sündlichen Verderbens des seligen Schauens Gottes genießen. Ich habe Gott von Angesicht gesehen, und meine Seele ist genesen 1 Mos. 32,30, ruft der Erzvater aus. Wenn ein Schauen Gottes, das nur einen Augenblick währte, eine so große Freude bereiten konnte, was wird das ewige Schauen Gottes vermögen? Wenn der Anblick Gottes, der in menschlicher Gestalt sich kund gab, einer Seele Genesung und Leben gebracht hat, so wird gewiss das Schauen desselben von Angesicht zu Angesicht ewiges Leben und ewige Seligkeit wirken. Was könnte also zu dieser Seligkeit noch weiter hinzukommen? Was werden die Auserwählten außer dem Schauen Gottes noch verlangen können? Dazu werden sie der seligsten und süßeste Gemeinschaft der Engel genießen. Und nicht bloß der Gemeinschaft derselben werden sie genießen, sondern sie werden auch ihnen gleich sein, nämlich an Beweglichkeit, Klarheit, Unsterblichkeit der Leiber (…). Wenn wir den Engeln gleich sein werden, so wird nicht mehr zu fürchten sein, dass wir durch die Unähnlichkeit der Sünden von ihnen getrennt werden. Das lumpige Kleid der sündigen Natur wird uns ausgezogen, und unsere Blöße mit dem Gewande des Heils bedeckt, und wir werden angetan werden mit dem weißesten Kleide der Unschuld Jes. 61,10. Dort wird niemand gekränkt, dort zürnt niemand, beneidet niemand, dort entbrennt keine Begierde, dort stachelt keine Sucht nach Ehre oder Gewalt auf. Von der Last der Sünden werden wir nicht beschwert werden, werden weder die Schandflecken der Sünden mit Tränen der Reue zu beweinen genötigt werden, noch auch weiter tödliche Wunden der Seele zu fürchten haben. Denn es hat überwunden der Löwe, der da ist vom Stamme Juda Off. Joh. 5,5; in seiner Kraft haben wir ganz überwunden.“ (Johann Gerhard)
Du magst von der Ewigkeit sagen, was du willst, so sagst du zu wenig. Aber es ist notwendig, dass du etwas sagst, damit du doch an etwas denken kannst, was nicht gesagt werden kann.
Augustinus, gest. 430
Gott ändert seinen Plan nicht, warum sollte er? Er ist der Allmächtige und kann deshalb tun, was immer er will. Warum sollte er nicht? Gott ist allweise und kann daher nichts falsch planen. Warum sollte er? Er ist der ewige Gott und kann daher nicht sterben, ohne dass sein Plan vollendet wäre. Warum sollte er sich ändern? Ihr wertlosen Atome der Erde, Strohfeuer eines einzigen Tages, ihr kriechenden Insekten auf dem Lorbeerblatt der Existenz, ihr mögt eure Pläne ändern, aber er niemals. Hat er mir gesagt, dass es sein Plan ist, mich zu retten? Dann bin ich für immer gerettet. C. H. Spurgeon
Wie du dich zu Christus verhältst in der Zeit, so wird er sich zu dir verhalten in der Ewigkeit: Wisse das. Und dann tue, was du willst. (frei nach Augustin)
Das ganze Tun des Predigers ist dazu bestimmt, die Menschen daran zu erinnern, dass die Zeit kurz, der Tod gewiss und die Ewigkeit lang ist. John Henry Newman
Die Bibel ist nicht antik, auch nicht modern, sie ist ewig. Martin Luther
Die Welt verheißt nur zeitliche und unbedeutende Güter und hat doch die eifrigsten Diener. Gott verheißt das allerhöchste und ewige Gut, und die Herzen der Menschen bleiben kalt und träge dabei. Die Unverständigen! Für nichtswürdige Dinge laufen sie sich müde, zanken und balgen sich auf niederträchtige Weise um ein Groschenstück, mühen und plagen sich Tag und Nacht, um irgendeine verheißene Kleinigkeit, ein täuschendes Nichts zu erhaschen. Aber, o Schande! Für ein Gut, das ewig währt, für eine Belohnung, die unschätzbar ist, für die höchste Ehre, für eine Herrlichkeit, die kein Ende nimmt, sich auch nur ein wenig zu bemühen, ach, dazu sind sie viel zu träge. Thomas von Kempen
Gottes Ewigkeit ist Seine Länge, die Liebe Seine Breite, die Macht Seine Höhe und die Weisheit Seine Tiefe. Die Wolke des Nichtwissens (Anonym, 14. Jh.)
Ich weiß nicht, was das sein mag, das ewige Leben. Aber dieses hier, das diesseitige, ist ein schlechter Scherz. Voltaire
Jeder Jäger wird einmal ein Hase, früher oder später, denn die Ewigkeit ist lang. Wilhelm Busch
Karriere ist ein Pferd, das ohne Reiter vor dem Tor der Ewigkeit anlangt. Karl Kraus
Mein sind die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen; mein sind die Jahre nicht, die etwa möchten kommen. Der Augenblick ist mein, und nehm' ich den in acht, so ist der mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht. Andreas Gryphius
Seine Liebe war ewig. Als seine Frau starb, nahm er eine andere. Wilhelm Busch
Zu allen Dingen lasse man sich Zeit; nur nicht zu den ewigen. Karl Kraus
Gottes Ewigkeit ist keine ins Endlose gedehnte Zeitlichkeit, sondern eine aller Zeitlichkeit enthobene Freiheit gegenüber der Zeit. Gottes Ewigkeit ist also keine quantitative Steigerung der Zeit, sondern eine ganz andere Qualität. Umso erstaunlicher ist es, dass der Ungewordene und Unvergängliche als Jesus Christus in die Zeit einging, um uns vergänglichen Kreaturen Anteil an seiner Ewigkeit zu gewähren.
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„Wenn wir die Ewigkeit von Gott aussagen, so behaupten wir, dass es für ihn bezüglich seiner Existenz, wie auch seines Wollens und Wirkens, den Unterschied der Zeit nicht gibt, und halten es für die beste Aussage, dass es für Gott nur ein ewiges Heute, eine ununterbrochene Gegenwart ohne Vergangenheit und Zukunft gibt.“ (Adolf Hoenecke)
„Was heißt, dass Gott ewig sei? Dass er nie angefangen, auch nimmermehr aufhören werde, dass bei ihm nichts Vergangenes noch Künftiges, sondern alles gegenwärtig ist, und ohne einige Veränderung oder Wechsel der Zeit, unbeweglich und unaufhörlich bleibet.“ (Philipp J. Spener)
1.
Wie man vor einem Spiegel stehend entweder auf den Spiegel selbst, oder auf das in ihm erscheinende Spiegelbild der eigenen Person schauen kann, so kann man beim Lesen der Bibel seine Aufmerksamkeit auf das Buch als solches richten, oder auf das, was man im Spiegel der Bibel über sich selbst und Gott erfährt. Beides ist erlaubt, das Zweite aber wichtiger. Denn Gott gab uns die Bibel nicht, damit wir ihre Entstehung studieren und damit den Rahmen des Spiegels von hinten betrachten, sondern damit wir vorne reinschauen und uns selbst erkennen!
2.
Das biblische Wort ist nicht Gottes Wort allein, denn niedergeschrieben haben es Menschen. Das biblische Wort ist aber auch nicht allein Menschenwort, denn Menschen finden sich darin seit Jahrhunderten von Gott angeredet. Die Bibel ist demnach Gotteswort und Menschenwort zugleich – und ähnelt darin dem, von dem sie berichtet. Denn Jesus Christus war auch Mensch und Gott zugleich, ohne dass seine menschliche Natur die göttliche aufgehoben hätte (oder umgekehrt).
3.
Der Glaube unterscheidet sich von anderen „Weltanschauungen“ dadurch, dass er sich nicht menschlichem Grübeln verdankt, sondern göttlicher Offenbarung. Er ist darum an das Dokument dieser Offenbarung – an die Heilige Schrift – bleibend gebunden. Die große Versuchung der Theologie besteht darin, sich die Heilige Schrift durch „kritische“ Begutachtung, Bewertung und Interpretation gefügig zu machen. Doch dem muss widerstanden werden: Denn nicht wir richten über Gottes Wort, sondern Gottes Wort richtet über uns.
1.
Gott ist als Bestandteil des Universums nicht auffind- und nicht nachweisbar, weil er kein Teil des Universums ist, sondern ihm als Schöpfer gegenübersteht (Man sucht ja auch nicht den Komponisten zwischen den Noten). Dass Gottes Existenz nicht „nachweisbar“ ist, muss den Gläubigen aber nicht verunsichern: Er bleibt in jedem Falle, was er ist. Auch ein Fisch, dem man bewiese, dass es das Meer nicht gibt, würde deswegen ja nicht zum Vogel.
2.
Gottesbeweise sind interessant, aber ihr Nutzen ist begrenzt, weil gläubige Menschen sie nicht brauchen, und ungläubige durch Logik allein nicht zum Glauben finden. Gott offenbart sich in dieser Welt zwar deutlich genug, um jeden denkenden Menschen zu einer Stellungnahme zu zwingen. Aber er offenbart sich nicht so deutlich, dass er damit unsere Stellungnahme vorwegnähme. Und das ist Absicht. Der Glaube soll strittig bleiben. Denn wäre Gott beweisbar, würden um der Beweise willen alle Menschen glauben – und es käme nicht ans Licht, wer Gott um Gottes willen sucht.
3.
Eine Gewissheit, die auf Erfahrung beruht, wird nicht dadurch zweifelhaft, dass diese Erfahrung anderen Menschen fehlt. Denn es stimmt nicht, dass nur wirklich sei, was jedem Menschen jederzeit als wirklich demonstriert werden kann. Manches erfährt man nur zu bestimmten Zeiten, nur an bestimmten Orten oder nur mit besonders scharfen Augen! Auch der Glaube resultiert aus einer Erfahrung, die nicht jeder macht. Er verdankt sich nicht der Vernunft, ist aber auch nicht gegen die Vernunft, sondern bloß über der Vernunft – und daher keineswegs unvernünftig.
Die Gerasener Schweine