Konfirmation

Konfirmation

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden! 

Bei der Konfirmation geht es in erster Linie um den Glauben, zu dem ihr euch nun eigenverantwortlich und auf mündige Weise bekennt. Das Fest verbindet sich aber auch ganz allgemein mit dem Übergang von der Kindheit ins Erwachsenenalter. Und für viele ist das sogar das Wichtigste, dass ihr nun unaufhaltsam erwachsen werdet. Ihr selbst aber – seid ihr euch darüber im Klaren, was es bedeutet, erwachsen zu werden? Was meint das Wort denn überhaupt? „Erwachsenwerden“ – beginnt es damit, dass die Altersbeschränkungen im Kino nicht mehr stören, dass man leichter an Alkohol herankommt und abends länger ausgehen darf? „Erwachsenwerden“ – beginnt das, wenn man Auto fahren kann und eigenes Geld verdient, wenn man zu Hause auszieht und sich in Liebesdingen ausprobiert? Vordergründig scheint das so. Und doch zeigt die Erfahrung, dass so mancher, der über 18 ist, Auto fährt, raucht, trinkt und Geld verdient, deswegen nicht aufgehört hat, unreif zu sein. Nein, leider gibt es genug kindische Erwachsene, um euch vor Augen zu führen, dass Reife nicht einfach am Geburtsdatum abzulesen ist. Wenn‘s aber am Alter nicht liegt – was ist es dann, was man an der Schwelle zum Erwachsenwerden von euch erwartet? Worauf kommt’s da an? Ich meine, erwachsen zu werden heißt, auf eine neue Weise „ich“ sagen. Nämlich auf eine Weise, die verbindlicher ist, als wenn ein Kind „ich“ sagt. Solange ihr klein wart, hattet ihr beim „Ich-Sagen“ immer die Möglichkeit, euch hinter dem Hosenbein des Vaters oder der Mutter zu verstecken. Euer „Kinder-Ich“ stand unter dem Vorbehalt einer erst noch vorläufigen Identität – und wurde auch von den anderen als Provisorium angesehen, ohne dass man euch bis in die letzte Konsequenz dabei behaftet hätte. Das „Erwachsenen-Ich“ hingegen nimmt sich selbst ernster (und will auch ernst genommen werden), weil es um die Zurechnung seiner Worte und Taten weiß und diese verbindliche Zurechnung auch bewusst akzeptiert. Erwachsensein heißt, in der eigenen Verantwortung unvertretbar sein – und das auch wissen. Denn das Leben stellt uns unablässig vor die Frage, wer wir in der konkreten Situation sein wollen. Und indem wir durch unser tägliches Denken, Reden und Tun darauf antworten geben wir zu Protokoll, wer wir sind. Die Entscheidungen, die wir treffen, sind unwiderruflich, weil wir jeden Tag nur einmal leben. Und sie ergeben in der Summe des Gewesenen unsere Identität. Denn wenn einer gestern so und so gehandelt hat, kann er nie mehr etwas daran ändern, dass es nun zu seiner Geschichte gehört. Unser Leben ist das Protokoll unsrer Entscheidungen, das wir selbst „in die Feder diktieren“, ohne es je wieder löschen zu können. Das aber zu wissen – und mit entsprechendem Ernst die Verantwortung für das eigene Da-Sein und So-Sein zu übernehmen – das heißt erwachsen werden. Meint ihr aber, alle sogenannten Erwachsenen wären in diesem Sinne „erwachsen“? Nein. Auch unter denen mit den grauen Haaren sind viele bloß große Kinder. Denn viele kommen nie dahin, auf eigene Rechnung zu leben, sondern versuchen zeitlebens im Windschatten anderer zu fahren. Sie sagen nicht „ich will“, sondern „man muss doch“. Sie entscheiden nichts, sondern behaupten immer, sie hätten keine Wahl. Ihre Meinung leihen sie sich aus den Medien. Und obwohl sie betonen, dass sie auch anders könnten, schwimmen sie doch mit dem Strom. Wenn etwas schief geht, verweisen sie auf die Umstände. Und wenn ihr Lebensweg krumm verläuft, sagen sie, es habe sich so ergeben – und im Grunde wären sie gern ganz anders, wenn man sie nur ließe. Liebe Konfirmanden, lasst euch nicht davon täuschen, dass diese Leute Bärte tragen, Sprüche klopfen, rauchen, trinken und Kinder zeugen. Denn es sind trotzdem keine Erwachsenen. Sie sehen nur so aus. Wirklich erwachsen zu sein bedeutet, auf eigene Rechnung zu denken und nicht nachzuplappern, was im Internet oder in der Zeitung steht. Erwachsensein bedeutet, seine Position notfalls auch allein zu vertreten und sich nicht auf Sachzwänge herauszureden, sondern zu eigenen Entscheidungen und Versäumnissen zu stehen. Wenn ihr daraufhin aber das öffentliche Leben betrachtet, findet ihr sehr wenig „erwachsenes“ Verhalten. Denn dort hat zwar der Erfolg viele Väter, und wenn etwas gut läuft, will es jeder als sein Verdienst verbuchen. Ist aber ein Unglück eingetreten, war keiner beteiligt, und man trifft nur unschuldige Opfer. Es ist, wie wenn in der Schule eine Fensterscheibe zu Bruch geht, und keiner will es gewesen sein! Wo ein Mensch aber mit seinem Leben genauso umgeht, wie mit jener Fensterscheibe, für deren Zerstörung er nicht verantwortlich ist – da ist der auch nicht „erwachsen“ und ist bei sich selbst noch gar nicht angekommen. Er zeigt mit dem Finger auf die anderen, bleibt so aber immer ein Komparse im eigenen Leben und wartet vergeblich auf den, der die Hauptrolle spielt, bis sich der Vorhang irgendwann schließt, und er die Chance, ein eigener Mensch zu sein, verpasst hat. Das ist Vergeudung von Leben, liebe Konfirmanden! Und darum wünschen wir euch, dass ihr in diesen Tagen den Weg ins Erwachsensein nicht nur beginnt, sondern ihn später auch zu Ende geht. Wir wünschen euch, dass ihr nicht bloß äußerlich, sondern auch innerlich erwachsen werdet. Und wir können euch verraten, dass euch diese Herausforderung von keinem anderen als von Gott selbst zugemutet wird. Denn der schuf jeden von euch zum Original, und keinen zur bloßen Kopie. Ihr sollt nicht die billige Ausgabe von irgendeinem „Star“ sein. Und euer Leben ist auch nicht die Neuauflage dessen, was eure Eltern gemacht haben. Sondern Gott nimmt euch ernst als eigenständige Menschen – und verfolgt euren künftigen Weg sehr aufmerksam. Er hat euch in der Taufe bei eurem Namen gerufen. Er hat euch mit Talenten begabt und will, dass ihr euch bewährt. Er stellt euch täglich vor Entscheidungen, ja er bewirft euch unablässig mit Ereignissen. Und Gott ist gespannt, wie ihr darauf reagiert. Er will sehen, was ihr als euer Leben zu Protokoll gebt. Und während er euch mit hundert Fragen konfrontiert, sollt ihr nicht bloß Antworten geben, sondern sollt selbst die Antwort sein. Ein Probedurchlauf ist aber nicht vorgesehen. Denn die Zeit für Spiele ist vorbei. Die Sache nimmt Fahrt auf. Das Leben wartet nicht, bis ihr euch ausreichend vorbereitet fühlt. Und es gibt da auch keinen Knopf zum „Rebooten“ und keinen „Neustart“, mit dem man „zurück auf Anfang“ käme, sondern das Leben ist so unumkehrbar, wie wenn man ohne Radiergummi zeichnen muss. „Kamera ab, die Aufnahme läuft“, euer Leben wird live übertragen, ihr seid jetzt „auf Sendung“ und müsst in eurer Rolle genauso improvisieren wie wir alle. Stets tauschen wir unsre Lebenszeit gegen den Schatz der Erfahrungen, die wir eigentlich vorher gebraucht hätten, um unser Leben richtig anzupacken. Und doch lässt sich nichts mehr ungeschehen machen. Manches bereut man schon während man es tut. Und trotzdem kann am Ende keiner sagen, das gelebte Leben sei nicht „seins“ gewesen. Denn die Summe des Gelebten ist er ja selbst. Jeder Moment trägt seine Handschrift. Und bei der Identität, die sich darin dokumentiert, wird er auch behaftet. Denn Gott misst uns nicht daran, welchen Eindruck wir bei unseren Mitmenschen hinterlassen, sondern an dem, was wir nach Gottes Plan sein sollen. Er wird uns am Ende nicht fragen, warum wir nicht Mose waren, Jesus oder Mutter Theresa. Aber er wird uns fragen, warum wir nicht wir selber waren. Das hat eine ernste Seite. Denn keiner kann in seiner Rolle von einem anderen vertreten werden. Und es hat eine hoffnungsfrohe Seite. Denn die Bühne des Lebens gehört jetzt euch, und die Scheinwerfer haben euch erfasst. Künftig kann jeder von euch zu Protokoll geben, wer er zu sein gedenkt und wonach er streben will. Das aber verstanden zu haben – das heißt in Wahrheit erwachsen sein. Sollte euch dabei aber mulmig werden, liebe Konfirmanden, so kann ich zu eurer Beruhigung sagen, dass Gott euch jederzeit mit Wohlwollen begleitet. Zwar hat er das Erwachsenen-Dasein als Herausforderung vor euch aufgebaut. Und manchmal erscheint es wie ein Hindernis-Rennen. Es ist ein ständiges „Learning-by-doing“! Doch zugleich bietet es euch schöne Gelegenheiten, eure Gaben zu entfalten. Und Gott erwartet auch gar nicht, dass ihr den Parkour eures Lebens schnell und fehlerfrei bewältigt, sondern er gönnt euch viele schöne Pausen. Er stellt euch Freunde zur Seite, die euch notfalls wieder auf die Füße helfen. Und er wäre enttäuscht, wenn ihr seine wunderbare Welt nicht auch genießen wolltet! Aber ihr sollt bei alledem „ich“ sagen auf eine erwachsene Weise – und sollt Gott jederzeit beim Wort nehmen, wie er nun auch euch beim Wort nehmen wird. Die Talente, die er euch gegeben hat, sollt ihr nutzen. Die Chancen, die er eröffnet, sollt ihr ergreifen. Und die Zeit, die er schenkt, sollt ihr sinnvoll füllen. Wie ein unermüdlicher Gärtner, der immer neue Blumen pflanzt, will Gott euch blühen sehen! Er meint es gut mit euch. Auch in schweren Zeiten ist er nicht euer Feind. Und darum lasst euch nicht schrecken. Ihr seid nun zwar kein Anhängsel eurer Eltern mehr. Der Welpenschutz endet. Und ob ihr schwimmen könnt, zeigt sich im Wasser. Doch Gott, euer schärfster Kritiker, ist zugleich euer mächtigster Verbündeter. Er war der Ausgangspunkt eures Lebens – und wird auch das überaus lohnende Ziel sein. Zwischendrin sorgt er aber dafür, dass euer Leben spannend bleibt. Und so ist es Zeit, die Handbremse zu lösen. Der Mensch wird nicht automatisch erwachsen, bloß weil er eine bestimmte Schuhgröße erreicht. Man muss es schon wollen! Wenn ihr Gott aber bittet, euch beizustehen, dann habt ihr jenen Rückenwind, den man Gottes Segen nennt. Gott will das Gute entfaltet sehen, das er in euch gelegt hat. Und wenn ihr auf seine Führung vertraut, wird er’s an Führung nicht fehlen lassen. Nichts geschieht in eurem Leben, wozu er nicht vorher genickt hat. Und wenn ihr auf seine Gnade baut, wird er euch auch gnädig sein. Er weiß genau, was und wieviel ihr vertragen könnt. Und wenn ihr zu eurer Taufe steht, wird er’s nie böse mit euch meinen. Lebt also unbeirrt und fröhlich einen entschiedenen Glauben. Und bleibt bei dem großen Verbündeten, der euch schon bisher so gut behütet hat. Denn dann bleiben wir alle eins in dem Herrn, dem wir gemeinsam unterstehen. 

 

 

Bild am Seitenanfang: Siblings

Eero Järnefelt, Public domain, via Wikimedia Commons