Melanchthon - gute Werke

 

Melanchthon in der Augsburgischen Konfession:

 

Der XX. Artikel: Vom Glauben und guten Werken

 

Den Unsern wird mit Unwahrheit aufgelegt, daß sie gute Werke verbieten. Denn ihre Schriften von Zehen Geboten und andere beweisen, daß sie von rechten christlichen Ständen und Werken guten nützlichen Bericht und Ermahnung getan haben, davon man vor dieser Zeit wenig gelehret hat, sondern allermeist in allen Predigten auf kindische, unnötige Werke, als Rosenkränze, Heiligen-Dienst, Mönchewerden, Wallfahrten, gesatzte Fasten, Feier, Brüderschaften usw. getrie-ben. Solche unnotige Werke ruhmt auch unser Widerpart nu nicht mehr so hoch als vorzeiten. Darzu haben sie auch gelernet, nu vom Glauben zu reden, davon sie doch in Vorzeiten gar nichts geprediget haben; lehren dannoch nu, daß wir nicht allein aus Werken gerecht werden fur Gott, sondern setzen den Glauben an Christum darzu, sprechen, Glauben und Werk machen uns gerecht fur Gott; welche Rede etwas mehr Trosts bringen mag, dann so man allein lehret auf Werk zu vertrauen. Dieweil nu die Lehr vom Glauben, die das Häuptstück ist in christlichem Wesen, so lange Zeit, wie man bekennen muß, nicht getrieben worden, sondern allein Werkslehre an allen Orten gepredigt, ist davon durch die Unsern solcher Unterricht geschehen: Erstlich, daß uns unsere Werk nicht mögen mit Gott versöhnen und Gnade erwerben, sondern solchs geschieht allein durch den Glauben, so man gläubt, daß uns um Christus willen die Sünde ver-geben werden, welcher allein der Mittler ist, den Vater zu versöhnen. Wer nu vermeint solchs durch Werk auszurichten und Gnade zu verdienen, der verachtet Christum und sucht ein eigen Weg zu Gott wider das Evangelium. Diese Lehre vom Glauben ist offentlich und klar im Paulo an vielen Orten gehandelt, sonder-lich zun Ephesern 2: Aus Gnaden seid ihr selig worden durch den Glauben, und dasselbig nicht aus euch, sondern es ist Gottes Gab, nicht aus Werken, damit sich niemands ruhme etc. Und daß hierin kein neuer Verstand eingefuhrt sei, kann man aus Augustino beweisen, der diese Sache fleißig handelt und auch also lehret, daß wir durch den Glauben an Christum Gnad erlangen und fur Gott gerecht werden, und nicht durch Werk, wie sein ganz Buch De spiritu et litera ausweiset. Wiewohl nun diese Lehre bei unversuchten Leuten sehr veracht wird, so befindet sich doch, daß sie den bloden und erschrockenen Gewissen sehr trostlich und heilsam ist. Das Gewissen kann nicht zu Ruhe und Frieden kommen durch Werk, sondern allein durch Glauben, so es bei sich gewißlich schleußt, daß es um Christus willen einen gnädigen Gott hab, wie auch Paulus spricht Rom. 5.: So wir durch den Glauben sind gerecht worden, haben wir Ruhe und Frieden vor Gott. Diesen Trost hat man vorzeiten nicht getrieben in Predigten, sonder die armen Gewissen auf eigne Werk trieben, und seind mancherlei Werk furgenommen. Etliche hat das Gewissen in die Klöster gejagt, der Hoffnung daselbst Gnade zu erwerben durch Klosterleben, etliche haben andere Werk erdacht, damit Gnade zu verdienen und für Sünde genug zu tun. Derselbigen viel haben erfahren, daß man dadurch nicht ist zu Frieden kommen. Darum ist not gewesen diese Lehr vom Glauben an Christum zu predigen und fleißig zu trei-ben, daß man wisse, daß man allein durch den Glauben, ohn Verdienst, Gottes Gnade ergreifet. Es geschieht auch Unterricht, daß man hie nicht von solchem Glauben redet, den auch die Teufel und Gottlosen haben, die auch die Historien glauben, daß Christus gelitten hab und auferstanden sei von Toten, sonder man redet von wahrem Glauben, der da glaubet, daß wir durch Christum Gnad und Vergebung der Sunde erlangen. Und der nun weiß, daß er einen gnädigen Gott durch Christum hat, kennet also Gott, rufet ihn an und ist nicht ohn Gott wie die Heiden. Dann Teufel und Gottlosen glauben diesen Artikel, Vergebung der Sunde, nicht; darum seind sie Gott feind, konnen ihne nicht anrufen, nichts Guts von ihme hoffen. Und also, wie jetzt angezeigt ist, redet die Schrift vom Glauben, und heißet nicht Glauben ein solches Wissen, das Teufel und gottlose Menschen haben. Dann also wird vom Glauben gelehret ad Hebraeos am 11., daß Glauben sei nicht allein die Historien wissen, sonder Zuversicht haben zu Gott, seine Zusag zu empfahen. Und Augustinus erinnert uns auch, daß wir das Wort Glau-ben in der Schrift verstehen sollen, daß es heiße Zuversicht zu Gott, daß er uns gnädig sei, und heiße nicht allein solche Historien wissen, wie auch die Teufel wissen. Ferner wird gelehrt, daß gute Werk sollen und müssen geschehen, nicht daß man darauf vertraue, Gnade damit zu verdienen, sondern um Gottes willen und Gott zu Lob. Der Glaub ergreift allzeit allein Gnad und Vergebung der Sünde. Und dieweil durch den Glauben der heilige Geist gegeben wird, so wird auch das Herz geschickt gute Werk zu tun. Dann zuvorn, dieweil es ohn den heiligen Geist ist, so ist es zu schwach; darzu ist es ins Teufel Gewalt, der die arme mensch-liche Natur zu viel Sunden treibet, wie wir sehen in den Philosophen, welche sich unterstanden, ehrlich und unsträflich zu leben, haben aber dannoch solches nicht ausgericht, sonder seind in viel große offentliche Sunde gefallen. Also gehet es mit dem Menschen, so er außer dem rechten Glauben ohn den heiligen Geist ist und sich allein durch eigne menschliche Kraft regieret. Derhalben ist die Lehr vom Glauben nicht zu schelten, daß sie gute Werk verbiete; sondern vielmehr zu rühmen, daß sie lehre gute Werk zu tun, und Hilf anbiete, wie man zu guten Werken kommen möge. Denn außer dem Glauben und außerhalb Christo ist menschliche Natur und Vermögen viel zu schwach gute Werk zu tun, Gott anzu-rufen, Geduld zu haben im Leiden, den Nächsten zu lieben, befohlene Ämter fleißig auszurichten, gehorsam zu sein, böse Lust zu meiden. Solche hohe und rechte Werk mögen nicht geschehen ohne die Hilf Christi, wie er selbst spricht Joh. 15: Ohne mich könnt ihr nichts tun.

 

Melanchthon in der Apologie der Augsburgischen Konfession:

 

Artikel XX. Von guten Werken.

 

Im XX. Artikel setzen sie klar diese Worte, daß sie unsere Lehre verwerfen und verdammen, da wir sagen, daß die Leute durch gute Werke nicht verdienen Vergebung der Sünden. Das merke jedermann wohl: eben den Artikel ver-dammen und verwerfen sie mit klaren Worten. Was ist nun not, in dieser öffentlichen Sache viel Worte zu machen? Die großen Doctores und Meister der Konfutation geben da öffentlich an Tag, was für ein Geist aus ihnen redet. Denn in der christlichen Kirche ist das kein geringer Artikel, sondern der allerhöchste und Hauptartikel, daß wir Vergebung der Sünden erlangen ohne unser Verdienst, durch Christum, und daß nicht unsere Werke, sondern Christus sei die Ver-söhnung für unsere Sünden, wie Petrus sagt: „Dem Jesu geben Zeugnis alle Propheten, daß wir Vergebung der Sünden erlangen, alle, die an ihn glauben.“ Solch stark Zeugnis aller heiligen Propheten mag billig ein Beschluß heißen der katholischen christlichen Kirche. Denn auch ein einiger Prophet gar groß bei Gott geachtet und ein Weltschatz ist. Derselben heiligen Kirche und dem einträchtigen Munde aller Propheten sollen wir billiger glauben denn den heillosen, gottlosen Sophisten, so die Konfutation gemacht haben und Christum so unverschämt lästern. Denn wiewohl etliche Lehrer also auch davon geschrieben, daß wir hernach, wenn uns die Sünde vergeben ist, nicht durch den Glauben, sondern durch unsere eigenen Werke Gnade erlangen, so haben sie doch das nicht gehalten, daß die Vergebung der Sünden an sich selbst um unserer Werke willen uns widerfahre, und nicht um Christus willen. Darum ist es eine greuliche Gottes-lästerung, die Ehre Christi also unsern Menschenwerken zu geben. Und wir vertrösten und versehen uns zu Kaiserlicher Majestät und auch andern Fürsten dieser kaiserlichen, fürstlichen Tugend, daß sie so öffentliche Unwahrheit und Ungrund, dadurch vor aller Welt Gott und das Evangelium gelästert wird, in keinem Wege würden in der Konfutation, wenn sie verwarnt wären, gelassen haben. Denn daß dieser Artikel gewißlich göttlich und wahr ist, und das dies die heilige göttliche Wahrheit sei, dafür könnten wir hier gar nahe unzählige Sprüche der Schrift vorbringen, auch aus den Vätern. Und ist gar nahe keine Silbe, kein Blatt in der Bibel, in den vornehmsten Büchern der Heiligen Schrift, da das nicht klar gemeldet wäre. Wir haben oben auch viel von diesen Stücken gesagt, und gottesfürchtige, fromme Herzen, die da wohl wissen, warum Christus gegeben ist, die da nicht für aller Welt Güter und Königreiche entbehren wollten, daß Christus nicht unser einiger Schatz, unser einiger Mittler und Versöhner wäre, die müssen sich hier entsetzen und erschrecken, daß Gottes heiliges Wort und Wahrheit so öffentlich von armen Menschen verachtet und verdammt wird. Jesaias der Prophet sagt: „Der Herr hat auf ihn gelegt unser aller Sünde.“ Die Widersacher aber lügenstrafen Jesaiam und die ganze Bibel und Schrift und sagen, er habe unsere Sünde auf uns und unsere Werke und bettelische Genug-tuung gelegt. Ich will dennoch hier schweigen der kindischen Werke, Rosen-kränze, Wallfahrten und dergleichen. Wir sehen gar wohl das ernstliche Mandat und das kaiserliche Edikt, wider uns und unsere Lehre ausgegangen, des sollten wir billig erschrecken, wenn wir von leichten, geringen Sachen oder von Sachen, die in Zweifel stünden, zu handeln hätten. Nachdem wir aber, Gott Lob! durch Gottes Wort in unsern Herzen und Gewissen des ganz ohne allen Zweifel vor Gott gewiß sind, daß die Widersacher verdammen die öffentliche göttliche Wahrheit und die rechte, christliche, selige, heilige Lehre, ohne welche keine christliche Kirche irgend sein kann, welche ein jeder Christ, so fern sein Leib und Leben reicht, schuldig ist, zu der Ehre Gottes zu bekennen, zu retten und zu schützen: so lassen wir uns von solcher heilsamen Lehre nicht abschrecken. Denn wer wollte sich doch nicht wünschen an seinem letzten Ende, daß er im Bekenntnis des Artikels sterben möchte, daß wir Vergebung der Sünden durch den Glauben, ohne unser Verdienst und Werk, durch das Blut Christi erlangen? Es gibt die Erfahrung, wie die Mönche selbst bekennen müssen, daß sich die Gewissen nicht lassen stillen noch zufrieden bringen denn durch den Glauben an Christum. Und die Gewissen können keinen rechten, beständigen Trost haben in den großen Ängsten in der Todesstunde und in Anfechtung wider das große Schrecken des Todes, der Sünde, wenn sie nicht an die Zusage der Gnade in Christo sich halten. Auch können sie keinen beständigen Trost haben wider den Teufel, welcher dann erst stark die Herzen drängt, ängstet und zur Verzweiflung reizt und alle unsere Werke in einem Augenblick wie den Staub hinwegbläst, wenn sie nicht an dem Evangelio, an dieser Lehre, festhalten, daß wir ohne unser Verdienst, durch das teure Blut Christi Vergebung der Sünden erlangen. Denn der Glaube allein erquickt und erhält uns in dem großen Todeskampf, in den großen Ängsten, wenn keine Kreatur helfen kann, ja, wenn wir außerhalb dieser ganzen sichtbaren Kreatur von dannen in ein ander Wesen und Welt sollen abscheiden und sterben. Darum ist es eine Sache, die wahrlich der Rede wert ist, um welcher willen ein jeder Christ von Herzen gern alles wagen und in Gefahr setzen soll. Darum alle diejenigen, so dieser unserer Konfession an-hangen, dürfen sich nicht schrecken oder irren lassen, sondern mögen in aller Freudigkeit auf Gott und den Herrn Christum es getrost und fröhlich wagen und diese öffentliche Wahrheit wider alle Welt, Tyrannei, Zorn, Drohen, Schrecken, auch wider alles tyrannische tägliche Morden und Verfolgen fröhlich bekennen. Denn wer wollte sich doch solchen großen, ja ewigen Trost, daran der ganzen christlichen Kirche alles Heil gelegen ist, nehmen lassen? Wer die Bibel in die Hand nimmt und mit Ernst liest, der merkt bald, daß allenthalben in der Schrift diese Lehre gegründet ist. Dann Paulus sagt klar Röm. 3 und 4, daß die Sünden ohne Verdienst, um Christus willen vergeben werden; darum sagt er: „Wir werden gerecht durch den Glauben ohne Verdienst, daß die Verheißung feststehe.“ Das ist, so die Verheißung aus unsern Werken wäre, so wäre sie nicht fest. Und wenn die Gnade oder Vergebung der Sünden gegeben würde um unserer Werke willen, wann würden wir dann gewiß, daß wir Gnade erlangt hätten? Wann wollte das Gewissen ein solch Werk finden, das genug wäre, Gottes Zorn zu ver-söhnen? Wir haben hier oben davon genug gesagt; da mag ein jeder Sprüche der Schrift, so diese Lehre gründen, suchen. Denn an diesem Ort hat mich bewegt, so heftig zu klagen, die greuliche, unverschämte, übermäßige, vorge-faßte Bosheit der Widersacher, da sie mit klaren Worten setzen, daß sie diesen Artikel verwerfen, daß wir Vergebung der Sünden erlange nicht durch unsere Werke, sondern ohne Verdienst, durch den Glauben an Christum. Die Wider-sacher führen auch etliche Sprüche der Schrift ein, warum sie diesen Artikel verdammen. Nämlich bringen sie den Spruch Petri hervor: „Fleißiget euch, euren Beruf festzumachen durch gute Werke“, usw. Da sieht jedermann, daß unsere Widersacher ihr Geld nicht übel angelegt, da sie Dialecticam studiert haben. Denn sie mögen die Sprüche der Schrift gereimt, ungereimt, schließlich, unschließlich, wie sie wollen, und wie es ihnen gefällt, einführen. Denn also schließen sie: Petrus sagt: „Fleißiget euch, durch gute Werke euren Beruf festzumachen“; darum verdienen wir durch Werke Vergebung der Sünden. Es ist wahrlich einen feine Argumentation, als wenn einer spräche von einem Beklagten im Halsgericht, welchem das Leben gefristet wäre: Der Richter hat geboten, daß der forthin sich solcher Übeltat soll enthalten; darum so hat er verdient mit solchem Enthalten, daß ihm das Leben gefristet ist. Also argumentieren, das heißt, ex non causa causam machen. Denn Petrus redet von guten Werken und Früchten, die da folgen dem Glauben, und lehrt, warum man sie tun solle, nämlich, daß wir unsern Beruf festmachen, das ist, daß wir nicht wiederum vom Evangelio fallen, wenn wir wiederum sündigten. Will sagen: Tut gute Werke, daß ihr bei dem Evangelio, bei eurem himmlischen Beruf bleibt, daß ihr nicht wiederum abfallt, kalt werdet, verliert Geist und Gaben, die euch aus Gnaden durch Christum widerfahren sind, nicht um der folgenden Werke willen. Denn in dem Beruf bleibt man fest durch den Glauben, und der Glauben und der Heilige Geist bleibt in denjenigen nicht, die sündlich Leben führen. Der Sprüche und Zeugnisse setzen sie mehr, die sich ebensowohl reimen. Dazu dürfen sie sagen, daß diese Meinung vor tausend Jahren zu Augustinus Zeiten verdammt sei. Das ist nicht wahr, sondern eine Lüge. Denn die christlich Kirche hat allezeit gehalten, daß Vergebung der Sünden ohne Verdienst uns widerfahre, und die Pelagianer sind darum verdammt, die da sagten, die Gnade würde uns gegeben um unserer Werke willen. Wir haben oben genug angezeigt, daß wir auch lehren, daß, wo Glaube ist, da sollen auch gute Früchte und gute Werke folgen. „Den wir tun das Gesetz nicht ab, sondern richten es auf“, wie Paulus sagt. Denn wenn wir durch den Glauben den Heiligen Geist empfangen haben, so folgen gute Früchte, da nehmen wir denn zu in der Liebe, in Geduld, in Keuschheit und andern Früchten des Geistes.